Wir leben im Jahrhundert des Personalmanagements

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Wir leben im Jahrhundert des Personalmanagements
38   SCHWE R P U N K T N E U E I M P U L S E

                  „Wir leben im Jahrhundert
        Dr. Angelika Dammann über HR-Trends, aktuelle Herausforderungen

            Eine der meistbeachteten Stimmen in der HR-Welt
               gehört Dr. Angelika Dammann. Als Personalvor-
              stand bei SAP und Geschäftsführerin bei Unilever
             trieb sie Themen wie Diversity, Gleichstellung von
            Frauen und Professionalisierung der Personalarbeit
             voran. Im Gespräch mit der PERSONALFÜHRUNG
               erläutert sie, was deutsche Personalabteilungen
                  gut können – und was sie noch lernen müssen.

         DR. ANGELIKA DAMMANN, 51 ▶ ist Managementberaterin und Coach mit eigener
         Praxis in Hamburg. Von Juli 2010 bis Juli 2011 gehörte sie dem Vorstand des Soft-
         warekonzerns SAP an, mit Verantwortung für Personal. Dammann hat Jura studiert
         und ist seit 1990 als Rechtsanwältin zugelassen. Diesen Beruf übte sie unter anderem
            in London aus; später promovierte sie berufsbegleitend am Max-Planck-Institut
                für Ausländisches und Internationales Privatrecht der Universität Hamburg.
                        Außerdem hat Dammann eine Coaching-Ausbildung abgeschlossen.

          Ihre Managementkarriere startete sie bei Shell, wo sie im In- und Ausland mit Personal,
          Kommunikation und Krisenmanagement befasst war. Später leitete sie von Den Haag
           aus die Bereiche Personal, Change Management und Interne Kommunikation für die
          weltweiten IT-Services von Shell. 2007 wechselte sie zu Unilever nach Hamburg, um
         als Mitglied der Geschäftsleitung und Personalchefin für Deutschland, Österreich und
            die Schweiz an der Umstrukturierung des Konsumgüterherstellers mitzuwirken. Sie
         ist Dozentin für Nachhaltige Entwicklung in dem von Prinz Charles initiierten Studien-
         programm für Wirtschaft und Umwelt der Universität Cambridge. Im September 2011
                            erhielt Dammann den Mestemacher-Preis „Managerin des Jahres“.

                                                                                                    PERSONALFÜHRUNG 5/2012
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des Personalmanagements“
und die Situation von Frauen in Führungspositionen

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    Frau Dr. Dammann: Wir haben Sie in Face-       Was heißt das für die Personalabteilungen?        gen die Ingenieurlücke, aber wir ziehen nicht
    book gesucht und nicht gefunden. Warum?           DAMMANN Sie müssen innovativer arbei-          die richtigen Schlüsse daraus – dass nur das
         DR. ANGELIKA DAMMANN Ich schätze Face-    ten. Das setzt voraus, dass sie die nötigen       richtige Personalmanagement die Zukunfts-
    book, weil es Breitenwirkung mit Schnellig-    Investitionen in das Personalmanagement           fähigkeit der Unternehmen sichern kann.
    keit und Innovation vereint. Aber ich kon-     einfordern. Sie benötigen wie andere Un-
    zentriere mich momentan mehr auf Inhalte       ternehmensfunktionen die besten Mitar-            EINFACH NUR ABLIEFERN
    als auf Breitenwirkung. Wer mich sucht, fin-   beiter und die besten Tools, beispielswei-
    det mich. Sie haben es ja auch geschafft.      se Software, die einer Führungskraft auf          Warum wollen viele das nicht anerkennen?
                                                   Knopfdruck alle relevanten HR-Daten ih-                DAMMANN HR ist nicht cool, HR ist
    Wird es irgendwann ein Statussymbol            rer Abteilung zeigt.                              nicht unbedingt das Auffangbecken für
    sein, nicht in Facebook zu sein?                   Wie gesagt, das bekommt man nicht auf         Top-Talente im Unternehmen, HR leistet
         DAMMANN An dem Gedanken ist was           dem Tablett gereicht – man muss es einfor-        keinen strategischen Beitrag zum Unter-
    dran. Insgesamt jedoch und speziell für jun-   dern. Ich war mehrmals in meiner Laufbahn         nehmenserfolg – diese alte Leier, die wir
    ge Leute wird Facebook immer wichtiger,        an einem Punkt angelangt, an dem ich klar         alle nicht mehr hören mögen, wirkt leider
    etwa als Bewerbungsmedium. Sie gehen trotz     gesagt habe: Wenn wir diesen Output wol-          nach. Wir Personalmanager sollten dage-
    der breit diskutierten Datenschutzthemen       len, brauche ich jenen Input. Wir haben im-       genhalten, indem wir schlicht abliefern.
    frei mit diesem Medium um, erlauben eine       mer eine Wahl, müssen uns nur über die            Wir sollten den strategischen und operati-
    große Transparenz auch in persönlichen Da-     Konsequenzen im Klaren sein.                      ven Mehrwert liefern, den die Unterneh-
    ten. Diese Leichtigkeit wird sich lang-
    fristig durchsetzen.

    Auch viele Personalmanager zeigen
    sich in Facebook. Welchen Nutzen
    versprechen sie sich davon?
        DAMMANN Soziale Netze helfen,
    Trends früh zu erkennen. Personalma-
    nager erhalten unmittelbares Feedback
    und verstehen so schnell, was in den
    Köpfen von Studenten, Bewerbern oder
    Mitarbeitern vor sich geht. Man darf           „Personal ist der einzige strategische Erfolgsfaktor“, sagt Dr. Angelika Dammann in unserem Inter-
                                                   view, und heben könne nur die Personalfunktion „diesen Schatz“. Der hohe Stellenwert, den profes-
    sich natürlich nicht verlieren.

    OUTPUT SETZT INPUT VORAUS
                                                   Womit haben Sie Ihr Gegenüber                     men von uns erwarten. Wir haben unheim-
    Welche HR-Trends sehen Sie?                    überzeugt?                                        lich viel zu bieten – gerade jetzt, das müs-
        DAMMANN Nach dem Übergang vom In-               DAMMANN Mit Zahlen und Fakten. Je            sen wir beweisen.
    dustrie- zum Wissenszeitalter sind die Men-    mehr wir Personalmanager damit argumen-               Mangelndes Selbstbewusstsein und de-
    schen in den Unternehmen die wichtigste        tieren, desto eher werden wir gehört. Leider      votes Understatement erlebe ich nur in
    Erfolgsressource geworden. Daraus folgt,       ist immer noch nicht überall angekommen,          Deutschland. Mir war immer klar, warum
    dass die Bedeutung von strategischem Ta-       dass HR einen werthaltigen Beitrag zum            ich Personalmanagerin bin: weil ich eine
    lentmanagement enorm zunimmt. Prozes-          Unternehmenserfolg leistet. Ich habe vor          wichtige Rolle im Unternehmen auszufül-
    se in Unternehmen sind global geworden,        Kurzem gelesen, dass über 30 Prozent der          len habe, übrigens als Mitglied der Ge-
    also müssen auch Personalmanager global        Unternehmen fürchten, ihre strategischen          schäftsleitung auch über HR hinaus. Un-
    denken und handeln. Diversity ist nicht        Ziele zu verfehlen, weil sie nicht genügend       ser Selbstbild strahlt nach außen, habe ich
    mehr nur eine Frage der Beteiligung von        qualifizierte Mitarbeiter finden. Wir bekla-      meinem Team gesagt, also zeigt, was ihr
    Frauen, sondern zielt auf die Vielfalt von                                                       könnt, dann werdet ihr ernst genommen.
    Altersgruppen und auf interkulturelle Ver-                                                       Wir müssen auf Augenhöhe operieren.
    ständigung. Die Flexibilisierung von Ar-
    beits- und Lebensmodellen geht weiter.

                                                                                                                             PERSONALFÜHRUNG 5/2012
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Was läuft in Personalabteilungen außer-            keit auch mit den besonderen rechtlichen Be-     weder Fachkräfte umwerben und mit tol-
halb Deutschlands anders?                          dingungen in Deutschland zu tun.                 len Entwicklungsprogrammen ihre Arbeit-
    DAMMANN Sie beschäftigen sich weniger               Aber hier gilt wieder, was ich vorher ge-   gebermarke aufpolieren oder Tausende Stel-
mit sich selbst. Sie fragen nicht nach ihrer       sagt habe: In Zukunft reicht es nicht mehr,      len streichen, insbesondere nicht im glo-
Daseinsberechtigung. Im Ausland haben an-          in den Grenzen nur eines Landes zu denken.       balen Kontext. Ich halte daher ein Sowohl-
dere Themen großes Gewicht, etwa inter-            Wir brauchen Personalmanager, die den Hei-       als-auch für realistischer.
nationales Talentmanagement, der erfolg-           matmarkt beherrschen und zugleich die glo-           Ein Unternehmen, das langfristig er-
reiche Aufbau eines guten Branding, um so          bale Brille aufsetzen und sich geschmeidig in    folgreich sein will, muss fortwährend an
die besten Mitarbeiter rekrutieren zu kön-         anderen Kulturen bewegen. Hier beobachte         seiner Effizienz arbeiten: Wie können wir
nen, oder Diversity. In den USA, Großbri-          ich einen Engpass in vielen Unternehmen.         gute Mitarbeiter binden und gleichzeitig
tannien, Hongkong oder Malaysia ist die                                                             flexibel auf Veränderungen reagieren? Die
Gesellschaft per se divers, deshalb haben die-     STREBEN NACH EFFIZIENZ                           erwähnten Abbaumaßnahmen hängen mit
se Länder einen Vorsprung. Sie sind fast           HÖRT NIE AUF                                     dem steigenden Wettbewerbsdruck zusam-
schon über das Stadium hinaus, in dem man                                                           men, der längst global geworden ist. Das
sich mit der Gleichberechtigung von Frau-          Noch zeigt sich der deutsche Arbeits-            heißt nicht, dass wir uns nur noch mit Re-
en und ethnischen Minderheiten oder der            markt in guter Verfassung, aber es gibt          strukturierung beschäftigen dürfen. Die
Altersdiversifizierung befasst. Genauso redet      Anzeichen für einen baldigen Abschwung.          Zeiten, denen wir entgegensehen, sind an-
in den USA kaum jemand über Change Ma-             Große Unternehmen wie E.ON oder                  spruchsvoll in jeder Beziehung.

sionelle Personalarbeit inzwischen habe, rechtfertige die Einschätzung: „Wir leben im Jahrhundert
des Personalmanagements.“

nagement. Dort wissen Organisationen, wie          Nokia Siemens haben angekündigt, Tau-            Also gute Zeiten für das Personalma-
sie Menschen durch schwierige Zeiten und           sende Stellen abzubauen. Die Ursachen            nagement?
Umbrüche gut mitnehmen.                            sind unterschiedlich, aber der Effekt                DAMMANN Spannende Zeiten. Personal
                                                   bleibt der gleiche: Es geht Beschäfti-           ist der einzige strategische Erfolgsfaktor.
Was kann das Personalmanagement in                 gung verloren. Kommen harte Jahre auf            Diesen Schatz heben und gleichzeitig das
Deutschland besonders gut?                         das Personalmanagement zu, in denen              Unternehmen effizienter machen kann nur
     DAMMANN Wir haben über viele Jahre Ver-       es sich wieder vornehmlich mit Sparpro-          die Personalfunktion. Wir leben im Jahr-
trauen aufgebaut, weil wir eng mit den Kol-        grammen, Tarifauseinandersetzungen               hundert des Personalmanagements. Die
legen in der Geschäftsführung und den So-          und Sozialplänen befassen muss?                  beste Unternehmensstrategie nützt gar
zialpartnern zusammenarbeiten. Das wird in              DAMMANN Ach, wissen Sie, dieses Ent-        nichts, wenn wir nicht die richtigen Leu-
Europa anerkannt und geschätzt. Während            weder-oder ist mir zu einfach. Unsere Welt       te zum richtigen Zeitpunkt an den richti-
es in Großbritannien oder Frankreich schnell       ist nicht so simpel, dass Unternehmen ent-       gen Ort bringen und halten – das leistet
zu Streiks kommt, finden Unternehmen und                                                            HR. Aber wir müssen schneller, innovati-
Beschäftigte dank des Engagements der Per-
sonalfunktion meist eine gemeinsame Linie.
Das hat sich bewährt, und das müssen wir
bewahren. Natürlich hat diese Konsensfähig-

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     ver und globaler werden. Wir können nicht        Ende 2011 häuften sich Berichte, dass Be-        SCHEINDEBATTE UM DEN
     warten, bis alle Konzepte ausgereift sind.       schäftigte in unterschiedlichen Branchen         BUSINESS-PARTNER
     Wir müssen uns trauen, einfach mal zu            verstärkt unter der Arbeitsverdichtung lei-
     machen. Das ist auch Learning by Doing.          den. Gleichzeitig soll das Personalmanage-       Wie denken Sie über den HR-Business-
     Und wenn wir einen Fehler machen, dann           ment die Flexibilisierung der Personalar-        Partner?
     lernen wir daraus. Die Zukunft, die wir          beit vorantreiben. Ist da noch Luft drin?            DAMMANN    Ein Etikett für unsere Arbeit
     haben wollen, müssen wir selbst gestalten,           DAMMANN Ich denke ja. Starre Arbeits-        war mir nie wichtig, sondern der Inhalt.
     und das Potenzial dazu haben wir.                zeiten gelten immer noch für 60 Prozent          Und der besteht für mich darin, dass wir
                                                      der Beschäftigten in Deutschland. Nur zwei       einen werthaltigen, messbaren Beitrag zum
     KEINE FLEXIBILISIERUNG                           bis drei Prozent arbeiten wirklich ergebnis-     Unternehmenserfolg leisten. Alles andere
     UM JEDEN PREIS                                   orientiert. Das ist ein Hemmschuh für Un-        sind Scheindiskussionen. Die Verzahnung
                                                      ternehmen und Mitarbeiter gleichermaßen.         des Personalmanagements mit dem Busi-
     Ein großer US-Softwarekonzern will in            Arbeitnehmer wünschen selber mehr Fle-           ness ist entscheidend, aber dafür brauchen
     Deutschland Stammarbeitsplätze durch             xibilität, etwa durch die Möglichkeit, hin       wir keinen Terminus technicus. Man muss
     freie Mitarbeiter ersetzen, die weltweit         und wieder von zu Hause zu arbeiten, oder        natürlich eine gute Organisationsform fin-
     rekrutiert werden und in virtuellen Teams        durch auf die jeweiligen Lebensbedürfnis-        den – bloß ständig darüber reden muss man
     zusammenarbeiten. Ist das die Zukunft?           se ausgerichtete Arbeitszeiten, auch in Füh-     nicht. Bei meiner Standortbestimmung hat
         DAMMANN Ich glaube nicht, dass sich die-     rungspositionen. Viele internationale Kon-       mir der Blick auf Finance geholfen. Ich war
     ses Modell eins zu eins umsetzen lässt. Die      zerne bieten das heute an.                       mal für diese Funktion in einer Unterneh-
     Bedeutung freier Mitarbeiter wird gewiss zu-         Wir kommen nicht umhin, flexible Ar-         menseinheit verantwortlich. Die Finanzleu-
     nehmen, aber gerade die IT-Branche lebt          beits- und Lebenszeitmodelle zu entwickeln.      te diskutieren nicht über ihr Standing und
     auch aufgrund der gegebenen Komplexität          Kinderbetreuung, die Pflege von Angehöri-        ihr Selbstbild. Sie wissen, was sie leisten.
     von erfahrenen Mitarbeitern, die Know-how        gen oder die Bedürfnisse älterer Mitarbeiter
     langfristig aufbauen und dann gewinnbrin-        sind die Gründe. Gerade in Zeiten des de-        Wie steht das Personalmanagement in
     gend in der Entwicklung und beim Kunden          mografischen Wandels und des immer grö-          der Öffentlichkeit da? In die Tagesschau
     einsetzen. Nur so gewinnt man das Vertrau-       ßer werdenden Fachkräftemangels müssen           schaffen es HR-Leute nur anlässlich von
     en und die Projekte der Kunden.                  wir rasant umdenken. Und wir sehen ja die        Tarifkonflikten oder Massenentlassungen.
          Es gibt noch ein weiteres Problem: Mit      Probleme, aber es passiert nichts, das ist           DAMMANN Immerhin. Wie häufig tau-
     dem Druck auf die freien Mitarbeiter, Auf-       schon verwunderlich. Eigentlich müsste es        chen Finance- oder IT-Manager in der Ta-
     träge zu akquirieren, und dem ständigen          angesichts des notwendigen Handlungsbe-          gesschau auf? Ich finde, Unternehmensver-
     Kampf um gute Bewertungen wird sich wahr-        darfs eine Revolution des Personalmanage-        treter sind generell wenig präsent in der Öf-
     scheinlich ihre Burn-out-Rate erhöhen. Schon     ments in den Unternehmen geben.                  fentlichkeit. Als ich in den Rechtsausschuss
     jetzt ist der Arbeitsdruck hoch, und die Zahl                                                     des Bundestages eingeladen wurde, um über
     der Depressionen steigt. Das Unternehmen         Wenn Personalmanager für ihre Zunft              das Gesetzgebungsverfahren zur Frauen-
     will mit den talentiertesten Leistungsträgern    ein Unwort des Jahres wählen sollten,            quote als Expertin zu sprechen, waren eine
     zusammenarbeiten, aber was passiert, wenn        bekäme „HR-Business-Partner“ sicher              Unternehmensberaterin und ich die einzi-
     sie morgen krank sind? Sind sie dann immer       einige Stimmen. Was wäre Ihr Favorit?            gen Unternehmensvertreter neben sieben
     noch von Interesse? Der Schutz der Mitar-            DAMMANN     Serviceabteilung. Natürlich      Professoren. Bei aller Liebe für die Wissen-
     beiter, auch der ohne festen Vertrag, ist eine   wollen wir einen guten Service leisten, und      schaft, aber das kann nicht richtig sein.
     Frage der gesellschaftlichen Verantwortung.      der wird auch immer unser Fundament
     Menschen wollen für ein Unternehmen ar-          sein. Aber in erster Linie sollten wir uns       Wie weit sind wir in der Diskussion um
     beiten, das langfristig erfolgreich ist, aber    als strategische Mitgestalter einer erfolgrei-   Frauen in Führungspositionen?
     auch verantwortungsvoll agiert.                  chen Unternehmenszukunft verstehen. Ja,               DAMMANN Wir kennen alle die Zahlen.
                                                      vielleicht wäre das der richtige Weg: be-        Dass es so wenige Frauen in Führungspo-
                                                      wusst weg von der Betonung des Service-          sitionen gibt, hängt mit unserem verkrus-
                                                      gedankens. Wir machen uns sonst kleiner,         teten Rollenverständnis zusammen, das tief
                                                      als wir wirklich sind.                           in der Gesellschaft verankert ist. Hier muss
                                                                                                       sich viel ändern.

                                                                                                                             PERSONALFÜHRUNG 5/2012
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Was kann das Personalmanagement in               ES GEHT UM                                      Ehegattensplitting noch zeitgemäß ist. Es
diesem Zusammenhang tun?                         GLEICHBERECHTIGUNG                              zementiert die Tatsache, dass sich Arbeit
    DAMMANN Sehr viel, weil es die Unter-                                                        für Frauen oft nicht lohnt. Und jede Frau
nehmenskultur wie keine andere Funkti-           Wie lange dauert es noch in Deutsch-            muss für sich mutiger werden, also Füh-
on prägt. Personalmanagement und Ge-             land, bis Journalisten Sie in einem Inter-      rungsverantwortung und einen Entwick-
schäftsführung können und müssen durch           view nicht mehr auf das Thema Frauen            lungsplan einfordern und nachhaken, wa-
die richtige Personalplanung für eine aus-       in Führungspositionen ansprechen?               rum mal wieder der männliche Kollege be-
                                                                                                 fördert wird und nicht sie.

                                                                                                 Welche beruflichen Pläne haben Sie?
                                                                                                     DAMMANN Ich arbeite als Beraterin und
                                                                                                 Coach, schreibe viel und werde oft als Red-
                                                                                                 nerin eingeladen. Ich mache das, was mir
                                                                                                 immer sehr viel Freude gemacht hat: mei-
                                                                                                 ne Erfahrung weitergeben und anderen hel-
                                                                                                 fen, erfolgreich zu navigieren, individuell
                                                                                                 oder als Unternehmen.

                                                                                                 Hilft Ihnen Ihre Coaching-Ausbildung?
                                                                                                      DAMMANN Sehr. Überhaupt ist sie mei-
                                                                                                 ner Meinung nach eine wertvolle Qualifi-
                                                                                                 kation für alle Personalmanager, weil es zu
                                                                                                 unseren Aufgaben zählt, vertrauensbasier-
                                                                                                 te Beziehungen im Unternehmen herzu-
                                                                                                 stellen und weiter zu vertiefen. Ich konn-
Dr. Angelika Dammann im Gespräch mit Christoph Stehr. Das Gespräch fand Mitte Februar dieses     te in der Vergangenheit zum Beispiel mehr-
Jahres in den Räumen der Hamburger DGFP-Regionalstelle statt.                                    fach zum Teambuilding im Kollegenkreis
                                                                                                 beitragen. Wir haben eine sehr privilegier-
gewogene Mitarbeiterstruktur sorgen. Das             DAMMANN Leider werde ich das in mei-        te Stellung im Unternehmen, diese Ver-
fängt bei der Bewerberauswahl an und hört        nem Berufsleben wohl nicht mehr erleben.        antwortung sollten wir auch in vollem Um-
bei Beförderungen nicht auf. Wenn der            Um ein Rollenverständnis wirklich zu än-        fang wahrnehmen. Durch eine Coaching-
Vorstand sagt, dass er 50 Prozent Frauen         dern, bedarf es mehrerer Generationen.          Ausbildung lernt man außerdem viel über
auf der Short List haben will, dann ist das      Eine junge Frau sagte mir einmal, dass sie      die eigene Person. Jeder Coach sollte schließ-
eine klare Ansage. Aber die Vorgabe muss         zu Hause ein Problem bekäme, wenn sie           lich selber einen Coach haben. Nur so
von der Unternehmensleitung kommen,              Karriere machen und ihren Mann beruf-           schließt sich der Kreis.
sonst richtet das Personalmanagement we-         lich überholen würde. Das lässt sich mit
nig aus. Wie viele Vorstandsvorsitzende ha-      der Quote allein nicht aufbrechen. Politik,     Frau Dammann, herzlichen Dank für das
ben Sie mit einem solchen Bekenntnis bis-        Wirtschaft sowie Frauen und Männer im           Gespräch! U
lang in der Tagesschau gesehen oder eine         Privaten müssen mitziehen. Eine nachhal-
beachtete Rede über die Bedeutung von            tige Änderung erfordert nachhaltige Maß-        Das Gespräch führte Christoph Stehr,
                                                                                                 Wirtschaftsjournalist in Hilden.
Vielfalt halten gehört?                          nahmen. Davon erblicke ich wenig.
                                                     Was wir oft vergessen, ist, dass es nicht
                                                 darum geht, jeder Frau einen Vorstands-
                                                 posten zu verschaffen. Es geht um Gleich-
                                                 berechtigung. Dafür müssen sich die Rah-
                                                 menbedingungen ganz entscheidend än-
                                                 dern. Wir brauchen flächendeckende Kin-
                                                 derbetreuungsangebote und ausreichende
                                                 Teilzeitmöglichkeiten, auch in Führungs-
                                                 positionen. Wir müssen uns fragen, ob das

PERSONALFÜHRUNG 5/2012
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