Fischreiser Von der historischen Fischbewirtschaftung zur Verbesserung der biologischen Vielfalt im Bodensee - Stiftung Naturschutzfonds
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Fischreiser Von der historischen Fischbewirtschaftung zur Verbesserung der biologischen Vielfalt im Bodensee.
Badischer Tauchsportverband e.V. (BTSV) und Württembergischer Landesverband für Tauchsport e.V. (WLT) als verlässliche Partner Wettkampfsport, Breitensport für jedes Alter, Engage- Auch im Bodensee finden wir spannende Lebens- ment bei Umweltprojekten, Aus- und Weiterbildung räume. Sicher zu tauchen, zu beobachten, Verände- der Trainer und Tauchlehrer, Unterwasser-Fotogra- rungen zu dokumentieren und auf ein behutsames fie, Jugendarbeit und Unterstützung der Vereine. Miteinander zu achten sind ebenso unsere Aufgaben. Die Spannbreite der Aufgaben für die beiden Baden- Württembergischen Tauchsport-Fachverbände ist damit noch lange nicht komplett. Beide sind als Mitglieder in den Sportbünden und im Verband Der BTSV vertritt 51 Vereine Deutscher Sporttaucher e.V. die Sprachrohre der mit knapp 4000 Mitgliedern. Tauchvereine in Baden-Württemberg. www.btsv.de Neben dem Engagement im jeweiligen Teil des Bundeslandes gibt es auch einige gemeinsame Projekte. Gemeinsamer Auftritt auf der Tauchermesse Der WLT vertritt 77 Vereine InterDive in Friedrichshafen, Umweltprojekte gegen mit knapp 8000 Mitgliedern. invasive Arten und dieses Fischreiser-Projekt sind Beispiele. www.wlt-ev.de Wir fördern Vielfalt! Die Stiftung Naturschutzfonds setzt Aber nicht jeder will oder kann die Investitionen in die Stiftung sich gemeinsam mit Politik, Bürgerinnen Schaufel in die Hand nehmen,um ein Naturschutzfonds sind risikofreie und Bürgern sowie Interessenverbänden Biotop anzulegen. Muss sie oder er Anlagen in eine Zukunft mit sauberer für die richtige Balance zwischen pros- auch nicht. Denn ob Muskelkraft, Luft und klarem Wasser – natürlich perierendem Hightech-Standort, Köpfchen oder Geld: Jeder Beitrag zählt steuerlich begünstigt. lebendiger Kulturlandschaft und und zahlt sich aus. Es lohnt sich, die ursprünglicher Natur ein. Sie eröffnet Stiftung bei ihrer Aufgabe zu unter- Spendenkonto der Stiftung Naturschutzfonds Wege, damit in einer modernen stützen, denn sie sorgt dafür, dass Geld Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg Gesellschaft die Ressourcen gesichert und Ideen gewinnbringend eingesetzt Baden Württemberg: und die Vielfalt der Arten erhalten und werden: Für Artenschutz und Land- Kernerplatz 9 vergrößert werden. Wer sich für den schaftspflege, für Forschung und Baden-Württembergische Bank 70182 Stuttgart Naturschutz stark macht, erhält und Bildung. IBAN DE15 6005 0101 0002 8288 88 BIC SOLADEST www.stiftung-naturschutz-bw.de schafft Werte. BIC SOLADEST
Liebe Leserinnen und Leser, das Projekt „Fischreiser – von der historischen Auch wir können über den projektbegleitenden Fischbewirtschaftung zur Verbesserung der bio- Livestream eintauchen in das Leben unter Wasser logischen Vielfalt im Bodensee“ führt eindrucksvoll am Fischreis und finden in dieser Broschüre vor Augen, wie die Verbesserung der biologischen aufschlussreiche Informationen. Vielfalt im Bodensee gelingen kann. Ich danke allen Akteurinnen und Akteuren Am Seeufer in Überlingen haben die Tauchsportver- für die erfolgreiche Umsetzung des Projektes, bände BTSV und WLT mit Unterstützung der Wissen- das von der Stiftung Naturschutzfonds Baden- schaftlichen Tauchgruppe der Universität Stuttgart Württemberg unterstützt wurde. Mit Engagement und örtlichen Tauchsportgruppen nach historischem und Fachkompetenz wurde wertvolle Pionierarbeit Vorbild einen Fischreis errichtet und die Entwicklun- geleistet! gen beobachtet. Stephanie Rebsch Das Artenmonitoring zeigt, dass Fische und Kleintiere Geschäftsführerin der Stiftung Naturschutzfonds den Fischreis als Lebensraum angenommen haben. Baden-Württemberg Inhalt Vorstellung, Vorwort, Inhaltsverzeichnis ............ 2 – 3 Was ist Monitoring? .............................................. 9 Warum bauen Taucher einen Fischreiser? .................4 Wer lebt am Fischreiser? ...............................10 – 11 Das Projekt ............................................................5 Ergebnisse des Monitoring .................................... 12 Fischreiser am Bodensee – Zusammenfassung ............................................... 13 Erfolgsmodell seit Jahrhunderten ...................... 6 – 7 Ausblick, Links, Impressum, Der Fischreiser entsteht ......................................... 8 Quellangaben und Dank ..................................14 – 15
Warum bauen Taucher einen Fischreiser? Der Bodensee ist eines der Tauchreviere in Deutsch- Außerdem beobachten Taucher immer häufiger land mit großer Bedeutung. Kein Zufall, dass Taucher fremde Arten (Neobiota). Wie sehr beeinflussen über den Zustand im See gut Bescheid wissen und sie das Gleichgewicht der einheimischen Flora Veränderungen sehr früh bemerken. und Fauna? Die Entwicklung der letzten Jahre ist erfreulich. Es war die richtige Zeit, dies alles gezielt mit Während in den 70-ger Jahren der See durch Schad- wissenschaftlicher Methodik zu beobachten. stoffeintrag hoch belastet war, haben z. B. Klär- Unter dem Begriff „Citizen Science“ arbeiten schon anlagen und andere Maßnahmen dazu beigetragen, seit vielen Jahren erfolgreich Wissenschaftler und dass fast wieder der Zustand eines nährstoffarmen interessierte Laien gemeinsam an Forschungs- und Voralpensees erreicht ist. Trotzdem haben manche Umweltprojekten, ob in Archäologie, Biologie oder Lebewesen Überlebensprobleme: Einer riesigen Geologie. Gemeinsam mit der Wissenschaftlichen Wassermasse steht nur im Uferbereich eine geringe Tauchgruppe der Universität Stuttgart wurde ein Fläche zur Ansiedlung für Pflanzen, niedere Tiere und Projekt entwickelt, das hilft, die Antworten zu finden. Unterschlupf für Jungfische gegenüber. Die ehe- mals im Frühjahr überschwemmten Riedwiesen und bewachsenen Flachufer sind heute weitgehend nicht mehr vorhanden. 4
Das Projekt Das Projekt soll mehrere Aufgaben erfüllen. Ein hervorragender Anlass zur Darstellung sollte die für 2020 geplante Landesgartenschau sein. Es soll eine Ansiedlungsfläche und ein Unterschlupf Nachdem die Corona Pandemie dieses starke für die Organismen im Bodensee entstehen, an der Instrument leider verhinderte, mussten die Informa- Wissenschaftler und geschulte Laien die Entwick- tionen zum Fischreiser auf andere Medien, Print- lung beobachten und dokumentieren können. Gute medien und diverse Homepages verlagert werden. Erreichbarkeit und geringe Wassertiefe tragen zur sicheren Durchführung bei. Ein Projektfilm steht auf der Homepage zur Verfügung. Ein Fischreiser bietet dies auf hervorragende Weise. Fischreiser waren früher übliche Gebilde zur Fischwirt- Das Projekt „Fischreiser – von der historischen schaft, Archäologen sind sie - teilweise noch aus dem Fischbewirtschaftung zur Verbesserung der bio- Mittelalter stammend - im Bodensee wohlbekannt. logischen Vielfalt“ wird von der Stiftung Natur- Einige Unterwasser-Archäologen regten an, den Bau schutzfonds Baden-Württemberg unterstützt und nach historischem Vorbild durchzuführen. Es gab aus Erträgen der GlücksSpirale gefördert. Fragestellungen, wie zum Beispiel: Mit welchem Aufwand bewältigten damals die Menschen den Bau? Nicht zuletzt besteht das Anliegen, die Bevölke- rung am Unterwasserleben im Bodensee teilhaben zu lassen. 5
Fischreiser am Bodensee Erfolgsmodell seit Jahrhunderten Bereits nach wenigen Metern eines Tauchganges Heutzutage gibt es viele aufgelassene Fischreiser. im Bodensee treffen Sporttaucher auf Pfähle, die Tauchende treffen daher häufig nur noch auf Pfahl- häufig in Tiefen von 5 bis 15 Metern aus dem Boden überreste und nehmen diese nicht als besonderes ragen und als „Pfahlbauten“ bezeichnet werden. Denkmal wahr. Doch es lohnt, sich mehr Gedanken Bei den Bauwerken handelt es sich aber meistens darüber zu machen, denn noch immer gibt es viele um Fischreiser, die über Jahrhunderte hinweg im Fragen: Wie genau wurden die Fischreiser in früheren Bodensee zur Fischbewirtschaftung betrieben wur- Zeiten gebaut? Ist die unterschiedliche Tiefe ein den. Der Aufbau ist immer wieder ähnlich: In runden Hinweis auf die bewirtschafteten Fischarten? oder eckigen Korb-artigen Formen angeordnet, Welche Fischarten sind dies? Wurden Pfähle wurden Pfähle senkrecht in den Grund gerammt und „gespart“, indem die Steilwand als eine der seit- der Innenraum mit Obstbaumschnitt befüllt. Dieser lichen Begrenzungen verwendet wurde? künstlich geschaffene Unterschlupf lockte kleine und Durch den Bau des Überlinger Fischreisers nach große Fische an, welche dann ohne großen Aufwand historischem Vorbild und die bisherigen Beobach- in die Fischernetze getrieben werden konnten. tungen ergaben sich neue Fragestellungen für die Von der Befüllung ist bei einem alten, aufgelassenen Archäologie. Reiser oft nichts mehr zu sehen, da dieser über die Jahre hinweg in sich zusammengefallen und meist mit Sediment bedeckt ist. Erkennbar ist dies manchmal als kleiner Hügel innerhalb des Pfahl- ringes. Je nach Alter ragen die Pfähle als Stangen noch mehrere Meter in die Höhe oder auch nur wenige Zentimeter aus dem Sediment, andere liegen umgefallen auf dem Seegrund. Gebilde dieser Art sind bis in über 30 Meter Wasser- tiefe bekannt. Manche befinden sich unmittelbar vor den Steilwänden, teilweise im Sediment zwischen felsigem Grund. Offenbar kannten die Fischer die Topografie unter Wasser extrem gut! Dieser Expertise, aber auch dem Aufwand für den Bau muss deshalb ein entsprechender wirtschaftlicher Nutzen gegen- übergestanden sein, also ein erfolgreicher Fischer- trag. Anders ist nicht zu erklären, dass weit mehr als 100 alte Fischreiser im Bodensee bekannt sind und immer noch betrieben werden. 6
10 km Überlingen N Radolfzell Friedrichshafen Konstanz Schematische Darstellung des Fischreisers. Tatsächliche Abmessungen: ca. 5 m x 12 m Fischreiser Romanshorn Kartierung der noch bekannten Fischreiser im baden- württembergischen Teil des Bodensee-Obersees. (Datenquelle: „Institut für Seenforschung (ISF) der LUBW) Aufnahmen der Unterwasser-Kamera 1 am Fischreiser: Schwarm Barsche (oben) und Hechte bei der Paarung (unten) 7
Der Fischreiser entsteht... Das » Making-Of « Ende Mai 2019: Baumstämme wurden angeliefert, ein LKW kippte eine Ladung Obstbaumschnitt auf den 29. Mai bis 02. Juni 2019 Weg im Uferbereich. Technische Hilfe stand bereit mit Bau des Fischreisers einer Arbeitsplattform des THW Konstanz, dem „Hörn- le“ – dem Schiff der Zeppelin-Gewerbeschule Kon- stanz, wie auch einigen privaten Schlauchbooten der Taucher. 20 Taucher aus BTSV- und WLT-Vereinen am Bodensee waren an vier langen, anstrengenden Tagen im Einsatz, rammten insgesamt 26 Pfähle in den See- boden und verfüllten diesen Korb mit Reisigbündeln. Die angespitzten Pfähle wurden mit einem Quereisen- 29. Mai bis 02. Juni 2019 stab versehen, auf die die Taucher das Rammge- Baumschnitt einbringen wicht mit rund 40 kg aufschlugen. Dieser Vorgang musste mind. 10x wiederholt werden, bis ein Pfahl mindestens einen Meter tief im Sediment steckte. Dazwischen holten die Taucher die Ramme an vier Seilen immer wieder nach oben. Und das war gar nicht so einfach…. Die Reisigbündel wurden mit Pflasterstei- nen gegen das Auftreiben beschwert, bevor sie in den Korb versenkt wurden. 08. Dezember 2019 Montage Unterwasserkamera Im Januar 2020 wurde eine zweite Fuhre Reisig eingebracht – nochmals zwei Tage harte Arbeit bei winterlichen Temperaturen. Insgesamt haben die Taucher zum Bau des Fischreisers nahezu 500 Arbeitsstunden ehrenamtlich geleistet. Der Livestream arbeitet seit Dezember 2019 und lässt die Bevölkerung an dem Projekt teilhaben. Über eine 04. Januar 2020 schwimmende Solarplattform erhalten zwei Unterwas- zweite Reisig-Aktion ser-Kameras Strom und liefern vom ersten Lichtschein bis zur Dämmerung Unterwasserbilder mit Ansichten aus dem Fischreiser auf der Homepage https://btsv.de/index.php/fischreiser (bis voraussichtlich Herbst 2021). 8
Was ist Monitoring? Methode, Vorgehen Beim Monitoring geht es um die Inventarisierung Als festgelegte Monitoringpunkte wurden auf je der biologischen Vielfalt (Biodiversität), also um drei Pfählen und Lochsteinplatten (die zur Beschwe- die Erfassung der Tier- und Pflanzenarten und rung des Fischreisers eingebracht wurden) mit Hilfe Lebensgemeinschaften, sowie der Dokumentation von Kabelbindern Untersuchungsflächen markiert. von Veränderungen. Auf den Pfählen waren es jeweils zwei Monitoring- flächen (ungefähr 15 cm hoch) in unterschiedlichen Das Biodiversitätsmonitoring am Fischreiser untersucht Höhen bzw. Wassertiefen. Innerhalb der Reisigauf- die Entwicklung des Lebensraums der neu eingebrach- füllung wurden keine exakten Monitoringpunkte oder ten Habitatstrukturen und Aufwuchsflächen. Dabei -flächen festgelegt. Hier wurden die dort vorkommen- geht es vor allem um die Frage, welche Arten diesen den Arten mit dem Schwerpunkt auf das Fischvorkom- Lebensraum in Anspruch nehmen und welche Lebens- men durch die Unterwasser-Live-Kameras ungestört gemeinschaften dadurch entstehen. (nicht-invasiv) dokumentiert. Dazu wurden ausgewählte Stellen markiert und durch wissenschaftliche Tauchgänge dokumentiert und beprobt. Die Dokumentation erfolgte direkt im Wasser mit Unterwasser-Schreibtafeln und -Kameras. Pfahlmarkierungen für das Monitoring 9
Was lebt am Fischreiser? Das Monitoring lief mehr als 12 Monate und zeigt, dass einige Tiere den Fischreiser als Lebensraum angenom- men haben. Hier eine Auswahl der häufig beobachteten Organismen. Benthische Aufwuchsalgen (Phytobenthos) Nach nur kurzer Zeit werden Oberflächen, die in Gewässer eingebracht werden, von einem Biofilm überzogen. Dieser fühlt sich glitschig und schleimig an und wird aus Mikroorganismen (Bakterien) und benthi- schen Aufwuchsalgen (Phytobenthos) gebildet. Die wichtigsten Organismen des Phytobenthos sind u. a. Blaualgen, Rotalgen, Braunalgen, Kieselalgen und Grünalgen. Die Überzüge auf den Pfählen des Fischreisers und des Reisigs (epixylische Besiedlung) werden überwiegend von Grünalgen gebildet. Spitzschlammschnecke (Lymnaea stagnalis) Neben der Ohrschlammschnecke Dreistacheliger Stichling eine häufige Art im Bodensee. (Gasterosteus aculeatus) Das Gehäuse ist auffallend groß, läuft spitz zu und der letzte Umgang Die drei beweglichen Stacheln vor ist erweitert. der weit nach hinten versetzten Rückenflosse sind namensgebend für Laichballen den mit 6 cm eher kleinen, langge- streckten Fisch (Neozoon). Stichlinge Dabei handelt es sich überwiegend um zeigen in der Laichzeit ein ausgepräg- Gelege von Schnecken, es können aber tes Brut- und Revierverhalten. auch die Eigelege von Köcherfliegen sein. Haubentaucher (Podiceps cristatus) Mit einem langen Hals und der aufgestellten Haube ist er eine auffallende und gut bekannte Erscheinung auf unse- ren Gewässern. Unter Wasser sind seine „Flossen“ nicht zu verwechseln, die ihn zur Familie der Lappentaucher eingliedern. Zur Nahrung gehören vor allem kleine Fische, aber auch Wasserinsekten und kleine Krebse. 10
Hecht (Esox lucius) Flussbarsch (Perca fluviatilis) Ein typischer Lauerjäger, der seine Beute aus der Jungtiere treten immer in Schwärmen auf und suchen Deckung von z. B. Wasserpflanzen überrumpelt. gerne Schutz. Im Bodensee sind die Flossen der Er ist der wichtigste Räuber in unseren Gewässern. Barsche auf der Körperunterseite meist gelb gefärbt, es gibt aber auch die sonst bekannten „rotflossigen Barsche.“ Süßwasserpolyp (Hydra sp.) Diesen graubraunen bis weißlichen Süßwasserpoly- pen beobachtet man haupt- sächlich auf Muschelschalen oder Pflanzen, wie hier auf einer Quagga-Muschel (Neo- Großer Höckerflohkrebs zoon). Seine Fangarme sind (Dikerogammarus villosus) mit Nesselkapseln besetzt, Er stammt aus dem Schwarzmeer- die zum Beutefang und zur raum und kommt mittlerweile im Abwehr eingesetzt werden. ganzen Bodensee vor (Neozoon). Genauso wie die heimischen Floh- krebsarten, für die er ein starker Köcherfliegenlarven Konkurrent ist, hat er den typisch (Trichopteren) gekrümmten Körperbau. Diese Insektenlarven bauen ihren transportablen Röhrenköcher zum Schutz vor Fressfeinden passend zu ihrer Größe aus dem umliegenden Material, meist kleinen Sandkörnern auf. 11
Liste der beobachteten Arten Die am Fischreiser beobachteten und eindeutig zuordenbare Arten sind in dieser Tabelle aufgeführt. Dabei sind jahreszeitliche Veränderungen, wie z. B. bei den Fischarten, nicht angegeben; auch die Abfolge der Besiedlung der Aufwuchsflächen des Fischreisers bleibt hier unberücksichtigt. Systematische Zuordnung Wissenschaftlicher Artname Deutscher Name Schwämme (Porifera) Hornschwämme (Demospongiae) Spongilla lacustris Geweihschwamm Nesseltiere (Cnidaria) Hydropolypen & -medusen (Hydrozoa) Hydra sp. Süßwasserpolyp Kranzfühler (Tentaculata) Moostierchen (Bryozoa) Cristatella mucedo Gallertiges Moostierchen Radix auricularia Ohrschlammschnecke Schnecken (Gastropoda) Lymnaea stagnalis Spitzschlammschnecke Weichtiere (Mollusca) Dreissena rostriformis bugensis Quagga-Muschel Muscheln (Bivalvia) Corbicula fluminea Grobgerippte Körbchen-Muschel Spinnentiere (Chelicerata) Lebertia insignis Hüpfmilbe Limnomysis benedeni Donau-Schwebegarnele Asellus aquaticus Wasserassel Gliederfüßer (Arthropoda) Gammarus roeseli Flussflohkrebs Krebse (Crustacea) Dikerogammarus villosus Großer Höckerflohkrebs Faxonius limosus Amerikanischer Flusskrebs Pontastacus leptodactylus Galizierkrebs Gasterosteus aculeatus Dreistacheliger Stichling Perca fluviatilis Flussbarsch Esox lucius Hecht Cyprinus carpio Karpfen Leuciscus leuciscus Hasel Knochenfische (Osteichthyes) Rutilus rutilus Rotauge Wirbeltiere (Vertebrata) Scardinius erythrophthalmus Rotfeder Abramis abramis Brachse Abramis bjoerkna Güster Tinca tinca Schleie Phalacrocorax carbo Kormoran Vögel (Aves) Podiceps cristatus Haubentaucher Ardea cinerea Graureiher Die systematische Ordnung erfolgte in Anlehnung an Storch & Welsch: = Neobiota, nicht heimische, eingeschleppte Art Systematische Zoologie, 6. Auflage, Spektrum Akad. Verlag Heidelberg, 2004.
Zusammenfassung Die mit dem neuen Fischreiser eingebrachten Hinzu kommt eine fast ganzjährige, extrem hohe Strukturen (Holzpfähle, Reisigbündel und Zement- Reproduktionsrate über freischwimmende Larven. lochsteine) erwiesen sich schnell als ein attraktives Die von der Quagga-Muschel gebildeten mehr- neues Habitat mit Siedlungs- und Aufwuchsflächen lagigen, dreidimensionalen Aufwüchse aus und Versteckmöglichkeiten. ihren Schalen und den Byssusfäden erhöhten Die typischen Substratbesiedler (benthische die Strukturvielfalt zusätzlich und wurden durch Organismen) wie Algen, Muscheln, Schnecken, andere Wirbellose (z. B. Süsswasserpolypen) Süßwasserpolypen, Schwämme und Moostierchen als Lebensraum und Versteck genutzt. Die vielen konnten nach nur kurzer Zeit nach dem Einbringen Muschelschalen selbst dienten wiederum als neue des Fischreisers beobachtet werden. Aufwuchsflächen für die eigenen Junglarven und andere Wirbellose (z. B. Flohkrebs). Bedingt durch eine rasante und teilweise mehr- schichtige Besiedlung der zur Verfügung stehenden Für Fische und Fischjäger war der Fischreiser ein Aufwuchsflächen durch die Quagga-Muschel, neuer und attraktiver Ort für den Nahrungserwerb konnten die Erstbesiedler keine größeren Bestände (fish attracting device), der zudem nicht nur den ausbilden. Es fehlte schlicht die Aufwuchsfläche. Jungfischen Versteck bot, sondern auch die Lauer- und Anpirschjäger (z. B. Hecht) in gute Ausgangs- Die Quagga-Muschel, im Jahr 2016 erstmals von lagen brachte. Tauchenden gesichtet, verfügt über einen sehr effizienten Haftapparat aus Klebefäden (Byssus), Der Fischreiser erhöhte an dem vorher nur durch mit dem sie sich festhaften kann. Sie ist auch in Sand und Makrophyten bestandenen mittelsteilen der Lage, diese Haftfäden wieder zu lösen und sich Ufer die biologische Vielfalt durch das Angebot zu einem neuen Platz krabbelnd fortzubewegen neuer Siedlungsflächen und mehr Strukturvielfalt. (Fam. Dreissenidae – Wandermuscheln). Bewuchs der Pfähle nach 1, 3, 6 und 12 Monaten 13
Wie geht es weiter? Wenn auch das Projekt im Mai 2021 abgeschlossen wird – der Fischreiser wird bleiben und sich weiter- entwickeln. Wissenschaftler und örtliche TaucherInnen werden den Fischreiser weiterhin besuchen, beob- achten und das Kameragehäuse reinigen, solange der Livestream weiterläuft. Was erwarten wir: Der Fischreiser wird in seiner Struk- tur gebenden Funktion weiterhin für viele große und kleine Tiere eine vielfältige Lebensgemeinschaft erzeu- gen und damit einen wertvollem Mehrwert bringen. Auch wenn Tauchende den Fischreiser nicht mehr rund um die Uhr, Tag für Tag beobachten, wird er im Wasser weiter Bestand haben und die Veränderungen können über die Jahre hinweg weiter beobachtet werden. Umfangreiche Informationen stehen im Download- bereich allen Interessierten zur nicht-kommerziellen Verwendung zur Verfügung. Eine kommerzielle Nutzung wird allerdings untersagt. Im Zweifel nehmen Sie bitte Kamera, überwachsen mit Quagga-Muscheln, Rücksprache mit uns. nach einem Jahr im Wasser Weitere Informationen zum Thema finden Sie Impressum im Downloadbereich auf unserer Homepage Herausgeber: Badischer Tauchsportverband e.V. unter https://tinyurl.com/FischreiserDownload Projektleitung: Dr. Sandra Vogel Bezugsquelle: Badischer Tauchsportverband e.V. > Literaturempfehlungen Geschäftsstelle Am Bühl 18 > Liste nützlicher Links 78224 Singen > Poster zur Biologie im Bodensee und zum Fischreiser als PDF geschaeftsstelle@btsv.de www.btsv.de > Präsentationen zur Idee, zum Aufbau und Monito- Druck: Auflage www.dieumweltdruckerei.de 5.000 Exemplare ring des Fischreisers Stand: 22.04.2021 > Projektfilm Das Copyright liegt beim Herausgeber und den Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, > Diese Broschüre als PDF nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers gestattet.
Die Wissenschaftliche Tauchgruppe der Universität Stuttgart WiTUS ist deutschlandweit eines von zwei vom Welttauchsportverband CMAS anerkannten Scientific Diving Center. Der Schwerpunkt liegt auf dem Einsatz wissenschaftlicher Methoden zur Erforschung der Unterwasserlebewelt. Wir bilden CMAS Scientific Diver aus. Wissenschaftliche Projekte nach nationalen und internationalen Regelwerken und Standards werden sowohl in heimischen Baggerseen, dem Bodensee und im Mittelmeer sowie in tropischen Korallenriffen durchgeführt. Wir danken für die Mitarbeit Wir danken für Mitarbeit und an dieser Broschüre: Unterstützung in diesem Projekt: Texte: Hannelore Brandt S. 2, 4, 5, 14 Prof. Dr. Franz Brümmer S. 12, 13 > Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg Matthias Eisenmann S. 6 > Stadt Überlingen Dr. Stephan Siroky Dr. Sandra Vogel S. 8 S. 15 > Landesgartenschau Überlingen 2020 GmbH Prof. Dr. Franz Brümmer, > RP Tübingen /Ref.56 Dr. Sandra Vogel S. 9, 10, 11 > LA für Denkmalpflege Fotos: E. Barsch H. Brandt S. 2 mi. S. 2 re. > LRA Bodenseekreis/Amt für Wasser- und Bodenschutz F. Brümmer S. 9 u. mi., 11 o. re. mi. li./ u. re., 13 re. > Wasserschutzpolizei Überlingen, Bodensee M. Heinrichs A. Komp S. 1, 7 li. S. 10 mi. re. > Württembergischer Landesverband für Tauchsport e.V. (WLT) J. Lietzmann S. 4 u., 5 u. re., 14 u. B. Miller S. 9 u., 13 li. > Wissenschaftliche Tauchgruppe der Universität Stuttgart (WiTUS) L. Rapp S. 9 u. re., 10 u. K. Schuster S. Siroky S. 3 mi., 10 mi. li. S. 4 mi., 6 o. > Mitglieder der Tauchvereine am Bodensee: - Bodensee Aquanauten Team e.V. H. Utz S. 8 o. - Tauchsportclub Friedrichshafen S. Vogel S. 7 (Darst. Fischreiser) in der TSG Ailingen e.V. KH. Weltz S. 3 li./re., 5 u., 6 u., 8 i./u., 9 o., 10 o., 11 o./li./mi./re., - Tauchsportgruppe Konstanz e.V. 13 li./mi. li., 14 o., 16 W. Westermann S. 2 li. > Allen anderen, die mit vielen kleinen Handgriffen zum Erfolg beigetragen haben Grafik & Layout: www.grafik-nach-mass.de 15
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