LOOK! - Westsächsische Hochschule Zwickau

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LOOK! - Westsächsische Hochschule Zwickau
Bachelor-Thesis
im Studiengang Gestaltung
Studienrichtung Modedesign

Thema:

LOOK!
Das wörtliche Statement auf Bekleidung als eine Spielart der gestalterischen
Konzeption im Modedesign. Bestandsaufnahme, -analyse und -bewertung;
Entwickeln eines eigenen gestalterischen Angebotes.

vorgelegt von:				Sally Uhlig
Seminargruppe:			162883
Matrikelnummer:			36923
eingereicht am:				 31. August 2020

ANGEWANDTE KUNST SCHNEEBERG
Fakultät der Westsächsichen Hochschule Zwickau
Eingangsvermerke/Vermerke der Prüfer*in:

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung                                          5

2. Statement-Mode – eine Spielart der Kommunikation
   2.1 Definition                                      7
   2.2 Historische Untersuchung und aktuelle           9
       Bestandsaufnahme
   2.3 Das geschriebene Wort als deutlichstes         23
       Kommunikationsmittel – Funktion und Haltung

3. Mode als Botschaftsträger der Identität            31
   – deine Mode als deine Sprache

4. Kollektionsentwicklung
   4.1 Hintergrund                                    37
   4.2 Gestaltungskonzept                             39
   4.3 Material- und Farbkonzept                      41

5. Schlusswort                                        43

Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Selbstständigkeitserklärung

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1. Einleitung   Kommunikation – ein Thema, welches gegenwärtiger nicht sein könnte. Wir stehen
                im immerwährenden Informationsaustausch mit unserer Umwelt. Durch die Digita-
                lisierung und das Erschaffen neuer Kommunikationsräume wurde das Thema auf
                eine neue Ebene gehoben. Der Informationsaustausch durch Sprechen, Schreiben,
                Kunst, Musik und auch Mode ist ein Kulturgut, das über die Jahrtausende einen
                Wandel erfahren hat. Die heutige Menschheit unterliegt einer signifikant größeren
                Informationsflut als noch vor 100 Jahren. Mode ist eine Art des Austauschs, dessen
                Ausmaß über die Jahre nicht an Bedeutungskraft verloren hat.
                Schon in der Antike gab es Dresscodes, welche eine elementare Rolle in den Kul-
                turen hatten. Die Kombination aus textilen Veredelungstechniken und der Wunsch
                nach Austausch durch Mode brachte die Art der wörtlichen Kommunikation durch
                die Bekleidung hervor. Die Technik der Stickerei war bedeutend für die Anfänge, die
                Typografie und Mode zu vereinen und eine der deutlichsten Kommunikationsfor-
                men über die Bekleidung zu schaffen. Heute ist die Ästhetik der Typografie aus der
                Modewelt nicht mehr wegzudenken.
                Die Art der Kommunikation in sozialen Netzwerken verläuft häufig durch das Setzen
                von Statements und dem klaren Aufzeigen von eigenen Standpunkten. Vor allem
                politischer Aktivismus und das Kundtun der Meinung sind ein wichtiger Bestandteil
                dessen geworden. Die Aufforderung, diese Aspekte zu teilen, wurde in den vergan-
                genen Jahren mehr und mehr an Modedesigner* gerichtet und die Statement-Be-
                kleidung erlebte ein regelrechtes Comeback.
                In der folgenden schriftlichen Ausarbeitung thematisiere ich die Bedeutung der
                Statement-Bekleidung an ausgewählten Beispielen anhand historischer, sowie ak-
                tueller Entwicklungen. Zum anderen analysiere ich die Fusion von Typografie und
                Modedesign und interpretiere aus meinen gewonnenen Erkenntnissen der Bedeu-
                tung des typografischen Mode-Statements ein Gestaltungskonzept für eine Modell-
                kollektion. Sie zeigt meine Interpretation des Themas und soll eine kritische Sicht-
                weise und Auseinandersetzung dessen ansprechen.

                * In der nachfolgenden Arbeit wird zur Erhaltung des Textflusses, repräsentativ für alle Geschlechter, stets die männliche
                Form verwendet werden.

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2. Statement-Mode     Ein moralisches Bewusstsein, eine gesellschaftliche Vision, eine politische Position,
– eine Spielart der   eine Meinung. Das Wort Statement kommt ursprünglich aus der englischen Sprache
Kommunikation         und wurde in den deutschen Sprachgebrauch übernommen. Es bedeutet „öffentli-
2.1 Definition        che, [politische] Erklärung, Verlautbarung“ oder aber auch „Anweisung, Befehl (für
                      den Computer)“¹. Die Übersetzung des englischen Verbs to state ist „festsetzen,
                      erklären“.² Es meint also eine Spielart der Kommunikation, ob politisch oder nicht,
                      es ist demnach etwas, das mehr als eine Person betrifft, da öffentlich, es ist die Art
                      und Weise die eigene Meinung und Überzeugung einer anderen Person mitzuteilen,
                      ein Mittel vielfältiger und dennoch deutlicher Kommunikation.
                      Der Mensch ist Teil eines sozialen Gefüges und kommuniziert über die unterschied-
                      lichsten Methoden mit den Teilnehmern seines Umfeldes. „Jede wesentliche Le-
                      bensform in der Geschichte unserer Gattung stellt auf ihrem Gebiete eine beson-
                      dere Art dar, das Interesse an der Dauer, der Einheit, der Gleichheit mit dem an
                      der Veränderung, dem Besonderen, dem Einzigartigen zu vereinen. Innerhalb der
                      sozialen Verkörperung dieser Gegensätze wird die eine Seite derselben meistens
                      von der psychologischen Tendenz zur Nachahmung getragen. Die Nachahmung
                      könnte man als eine psychologische Vererbung bezeichnen, als den Übergang des
                      Gruppenlebens in das individuelle Leben.“³ Im Rahmen des Nachahmens in sozialen
                      Gefügen entwickelt der Mensch jedoch eine gewisse Individualität und womöglich
                      oft auch eine eigene Meinung. Die Bekleidung bietet eine Möglichkeit sich indivi-
                      duell auszudrücken und zu entfalten und auch Botschaften zu vermitteln. Diese
                      führen dabei gleichzeitig zu einer Gruppenzugehörigkeit und somit wiederum dem
                      Gegensatz zur Individualität. Die Beziehung, die der Träger zu der Bekleidung hat,
                      kann als Zweckmäßigkeitsbeziehung bezeichnet werden, da Kleidung genau diese
                      Bedeutung hat, den Menschen in seinen Bedürfnissen zu unterstützen.
                      Die Mode hingegen „[…] ist Nachahmung eines gegebenen Musters und genügt da-
                      mit dem Bedürfnis nach sozialer Anlehnung, sie führt den Einzelnen auf die Bahn,
                      die alle gehen, sie gibt ein Allgemeines, das das Verhalten jedes Einzelnen zu einem
                      bloßen Beispiel macht. Nicht weniger aber befriedigt sie das Unterschiedsbedürf-
                      nis, die Tendenz auf Differenzierung, Abwechslung, Sich-abheben.“⁴
                      Sie bietet eine Spielfläche, sich im sozialen Gefüge mit seiner Kleidung einzuordnen
                      und gleichzeitig als klare und wohl deutlichste Methode, ein Statement durch die
                      eigene Modeinterpretation geprägte Kleidung zu setzen, da es die persönlichste
                      Form ist, die die Einstellung des Trägers zeigt und zeigen sollte.

                      1 Dudenredaktion (o. J.): „Statement“, Duden online, , (27.03.2020, 13:56)
                      2 Dudenredaktion (o. J.): „Statement“, Duden online, , (27.03.2020, 13:58)
                      3 Simmel, Georg, Philosophie der Mode, Zur Psychologie der Mode, 5. Auflage, Berlin 2016, S. 4
                      4 Simmel, Georg, 2016 (wie Anm. 3), S. 5

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2.2 Historische      Macht und Kontrolle, Ausdruck des Standes, Abgrenzung – kein seltenes Streben,
Untersuchung und     welches Menschen in der Vergangenheit und Gegenwart begleitet, bei dem Mode
aktuelle Bestands-
                     ein Mittel ist, welches gezielt als Kommunikation eingesetzt wurde und wird. Fakto-
aufnahme
                     ren, wie Farben, Materialien, Schnittformen, Musterung oder Oberflächengestaltun-
                     gen sind die grundlegendsten Mittel, eine symbolische Kraft zu transportieren. Es
                     sind aber auch Faktoren, die sich durch die Moden und Stile der Jahrhunderte einem
                     stetigen Wandel unterzogen haben und es heute immer noch tun. In der Zeit Hein-
                     rich des Achten (*1491, † 1547), gab es eine herrschende Kleiderordnung, die der
                     König mit seiner Macht ganz zu seinen Gunsten und zu seinem Vorteil vorschrieb.
                     Nicht nur die Betonung des Körpers war wichtig, sondern auch die symbolische
                     Kraft von Stoffen und Farben. So erließ er die sogenannten sumtuary laws, welche
                     genaue Vorschriften, vor allem in Materialien und Farben, für die bestimmten hier-
                     archischen Positionen erlaubten. An diesem Beispiel kann man eine sehr einfache
                     und offensichtliche Art von Statement-Mode festmachen. Es gab Regeln, an die
                     sich jeder zu halten hatte, und dadurch entstand eine Art der Kommunikation über
                     die Kleidung, da man sein Gegenüber direkt einzustufen wusste. Heute funktioniert
                     diese Kommunikation immer noch, denn „mit Mode entscheiden wir, ob wir ‚Punker
                     oder Banker‘ sein wollen.“5 Neben den offensichtlichen stilistischen Merkmalen gibt
                     es einige Bekleidungsteile und Veredelungstechniken, die sich als besonders be-
                     deutungsschwer herausgestellt haben.
                     Ein Bekleidungsteil, heute vielmehr als Accessoire getragen, ist die Kopfbedeckung.
                     Sie wurde aufgrund von Schutz- und Schmuckfunktion, Geschlechtsdifferenzierung,
                     Stand, Alter, Religion, politischer und militärischer Zugehörigkeit, Beruf oder sogar
                     Abstammung getragen, hatte aber vor allem eine sozialpsychologische Bedeutung.
                     Zu fast keiner Zeit, gingen die Menschen barhäuptig, denn ein unbedeckter Kopf
                     kam in fast allen Moden der Nacktheit gleich. Ursprünglich wurde die Bedeckung
                     des Hauptes Göttern selbst und später Priestern und Priesterkönigen zugespro-
                     chen. Die Doppelkrone der Pharaonen oder der Turban der biblischen Hohepriester
                     in Israel sind Beispiele dafür. Vom griechisch-römischen Lorbeerkranz, über persi-
                     sche Diademe wurde die Krone das Herrschaftssymbol der abendländischen Kaiser
                     und Könige.
                     Frauen waren vor allem Schleier, Kopftücher und Hauben zugeordnet. Heute ordnet
                     man eine Haube religiöser Bekleidung, wie zum Beispiel kirchlichen Ordensschwes-
                     tern zu. Die Sturmhaube oder die Kapuze, welche ich mit einem Schleier verwandt
                     sehe, dienen heute vor allem zur Unkenntlichmachung und zur Verdeckung der
                     Identität. Außerdem war die Haube das Verhüllungszeichen verheirateter Frauen.

                     5 Schneider, Hella, 11 Statements von der ZEITmagazin x VOGUE Konferenz, in Vogue Germany [07.07.2017]  (15.07.2020)

                                                                                                                                                          9
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Abb. 1
Symbolisch betrachtet bedeutet für mich die Haube oder der Schleier eine Verhül-
lung der Persönlichkeit, was meiner Meinung nach der Verhüllung der (politischen)
Gesinnung gleichkommt. Eine Frau, die gerade ihre Haube als Ausdruck ihres Stand-
punktes nutzte, war die erste Königin des englischen Königs Heinrich des Achten,
Katharina von Aragon. Sie nutzte ihre Kleidung als Statement, da sie zum Beispiel
bei Treffen mit dem französischen König eine spanische Haube trug. Sie selbst war
Spanierin und drüchte so die Verbundenheit zu ihrem Heimatland und folglich die
Feindschaft zu Frankreich aus.
Im Laufe der Geschichte gibt es einige Beispiele, bei denen gezielt Kopfbedeckungen
als Ausdruck politischer Ansichten getragen wurden. In Skandinavien waren graue
Filzhüte, so genannte Heckerhüte, ein Zeichen für eine demokratische Gesinnung.
Anhänger wurden nach 1849 verfolgt. Später waren Baskenmützen ein Zeichen für
eine antimonarchistische Einstellung und ebenfalls nicht gern gesehen. Heute er-
füllen vor allem Mützen mit Labels und Caps mit Logos und Schriftzügen den Zweck
der Zuordnung zu Gangs, Sportvereinen, Modeströmungen oder Musikrichtungen.
Die am offensichtlichsten verwendeten Stilmittel zur Kenntlichmachung sind Logos
in Form von Bildern und Symbolen oder Schrift und Wörter. Die hierbei am meisten
verwendete Technik ist Stickerei. Historisch betrachtet und im Kontext der State-
ment-Bekleidung, ist Stickerei eine der bedeutendsten Techniken im Bereich von
Mode und Textilien. Bereits Menschen des Neolithikums nutzten Muschelplättchen,
um Kleidung zu verschönern. „Heute wie in der Vergangenheit wird nach Effekten
gesucht, soll gestickter Dekor auf Gewebe schmücken, auffallen, auszeichnen und
Botschaften vermitteln.“⁶ Sie ist eine der frühesten Kulturtechniken, wofür Nadeln
aus Knochen oder Holz dienten.
„Stickerei ist ein Teilaspekt von Mode […] Sie ist eine Technik, die über Jahrtausende
zur Auszeichnung und Veredelung von Kleidung eingesetzt wurde und Kleidung zu
Kunst werden lassen konnte und kann.“⁷ Sie ist unter anderem für die Verbreitung
von Trends verantwortlich, denn es ist eine einfache Technik, wodurch auch so-
zial Schwache die Moden der Elite nachahmen konnten. Informationen werden zur
Repräsentation nach außen kommuniziert und somit wird nicht nur die Botschaft
selbst übermittelt, zum Beispiel über die Standeszugehörigkeit, sondern Stickerei
selbst gibt der Person eine Wertigkeit. Goldene oder silberne Stickerei waren lange
das Statussymbol der Eliten im 16. Jahrhundert. So konnten sie sich von anderen
städtischen oder niedergestellten Bürgern abheben und trugen gleichzeitig die Be-
deutung des erhöhenden kirchlichen Symbols. Auf Taufkleidung dienten und dienen
beispielsweise gestickte Kreuze der Symbolik für die Gegenwart Jesu Christi und

6 Seeberg, Stefanie, History in Fashion 1500 Jahre Stickerei in Mode, Dresden 2019, S.8
7 Seeberg, Stefanie, 2019, (wie Anm. 6), S.9

                                                                                          11
Abb. 2

Abb. 3
diverse Schutzzeichen und Symbole zeigen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Gemeinschaft. Ein weiteres Beispiel ist das bestickte Leinenfragment (Abb. 2), dass
bei einem Gräberfund in Oberägypten gefunden wurde und aus der frühbyzantini-
schen Zeit, circa 9.-10. Jahrhundert, stammt. Das Exponat war einst ein Schal, Tuch
oder Gürtel einer hochgestellten Person, welches mit wirkmächtigen Texten oder In-
schriften versehen wurde und Zeichen der Stellung war. Solche Schriftbänder wur-
den in der Spätantike und zu Beginn der mittelalterlichen Zeit vor allem an Ärmel,
Krägen und Kanten von Schals und Tüchern geheftet.
„Kleidung ist bereits in Material- und Farbauswahl, Schnitt und Design Bedeutungs-
träger im Kommunikationssystem einer Gesellschaft. Kleidung besticken heißt, sie
zu veredeln, zu schmücken und ihr Bedeutung einzuschreiben. Durch eingestick-
te Ornamente, Bildmotive und Schriftzeichen wird Kleidung zum Zeichenträger.“8
Da Stickerei gegenüber der Weberei die einfachere und unmittelbarere Technik ist,
Symbole, Buchstaben und Wörter auf Textilien aufzubringen, ist sie eine der narra-
tivsten textilen Techniken und schafft dadurch einen großen Spielraum, die eigene
Handschrift oder Zeichnung sehr unmittelbar umzusetzen. Im Mittelalter wurden
Zeichen, Wappen und Initialen auf Kleidung gestickt, um sie zu kennzeichnen oder
Zugehörigkeit zu vermitteln. In der Renaissance wurden Losungen auf fürstliche
Roben gestickt. Sinnsprüche zierten im 16. Jahrhundert Frauenhemden. „Schrift
auf Textilien erfuhr nun eine geradezu inflationäre Verbreitung. Es kam in Mode, Bot-
schaften, Erinnerungsverse oder Liebesbekundungen auf Accessoires, in Taschen-
tücher, Täschchen oder Hosenträger zu sticken und sie zu verschenken.“9 Ende des
18. Jahrhunderts war es beispielsweise in Mode, Erinnerungen in Seide zu sticken
und an Freunde weiter zu schenken. „Ab dem 19. Jahrhundert gehörte das Einüben
von gestickter Schrift zur Ausbildung der Mädchen. Musterbücher mit Buchstaben
des Alphabets und Zahlenfolgen wurden im Schulunterricht gefertigt und sind zahl-
reich erhalten.“¹0 (Abb. 1)

Ein Beispiel der heutigen Zeit sind T-Shirts der Herbst/Winter Kollektion 2018 des
spanischen Modelabels ‚Mango‘ (Abb. 3). Die Serie von schlichten weisen und
schwarzen T-Shirts zeigt diverse textliche Formulierungen, welche mit der Maschi-
ne aufgestickt wurden. Hierbei wurde eine klassische Maschinenschrift und eine
Art Handschrift benutzt, was Teil einer Nachhaltigkeitskampagne sein sollte, um
den Träger aufzufordern, die Kleidung länger zu tragen und nach und nach zu indi-
vidualisieren.
Für den individuellen Ausdruck ist Stickerei besonders geeignet, da sie unmittelbar

8 Seeberg, Stefanie, 2019, (wie Anm. 6), S.10
9 Seeberg, Stefanie, 2019, (wie Anm. 6), S.17
10 Seeberg, Stefanie, 2019, (wie Anm. 6), S.17

                                                                                        13
und genau die Handschrift der Person aufbringen kann. In fast jedem Fall wurde
zuvor eine Handzeichnung auf das Textil aufgebracht, was die persönliche Note
im Hintergrund unterstützt. Die Nadel als Werkzeug kann einem Stift gleichgesetzt
werden, der die Handschrift der Person im Stoff verewigt und am Körper des Trä-
gers durch räumliche und soziale Kontexte transportiert. Aus gestalterischer Sicht
ist die Handstickerei eines der geeignetsten Mittel für individuellen Ausdruck.

Die Entdeckung, Buchstaben, Wörter, direkte kommunikative Inhalte auf Textilien
aufzubringen, war der Beginn der textlichen Bekleidung. Durch die industrielle Ent-
wicklung fand im 20. Jahrhundert eine Ausbreitung dieser Mode auf alle Gesell-
schaftsschichten statt. Durch die rasante Entwicklung der Möglichkeiten zur Ferti-
gung von Bekleidung und durch die wachsende Globalisierung wechselten auch die
Trends viel schneller als zuvor. Innovationen für serielle Massenfertigung verdräng-
ten die Tradition der Handarbeit indem, als dass beispielsweise Stickmaschinen
in Größenordnungen und Effektivität, eine Masse für jedermann schufen und so
den Rückgang des individuellen Dekors einher brachten. Gleichzeitig eröffnete dies
neue Wege und Potentiale. 1948 wurde eine Idee geboren, die bis heute festen Be-
stand hat: Schrift auf T-Shirts zu drucken, um zu kommunizieren. Die ersten T-Shirts
trugen vermutlich Matrosen. Es war eine Mischung aus dem T-förmig geschnittenen
Shirt und einem Unterhemd, es wurde t-shaped undershirt genannt.
Zunächst trugen viele das Shirt nur als Unterhemd, da es peinlich war die Unter-
wäsche sichtbar zu tragen. Seine Salonfähigkeit gewann das Shirt durch Marlon
Brando und James Dean, die damals als Sexiest Men Alive galten und auf eine
rebellische Art und Weise die Unterwäsche zum tragbaren Teil etablierten. Das
Hemd oder Unterhemd an sich galt schon in der Zeit der Tudormode als intimstes
Kleidungsstück, welches unmittelbar am Körper getragen wurde. Selbst unter Ad-
ligen und Königen nähte die Gattin die Hemden für den Ehemann als persönliches
Zeichen. Das heutige (Statement-)T-Shirt nimmt sozusagen unterschwellig Bezug
zu seiner eigentlichen Herkunft. So konnte 1948 Thomas Dewey bei der US-Prä-
sidentschaftswahl T-Shirts bedrucken lassen und sie als Wahlplakate benutzen. An
dieser Stelle spielte die Bekleidung eine maßgebliche Rolle im Wahlkampf. In den
folgenden Jahren benutzen diverse Subkulturen das Prinzip Schrift auf Kleidung zu
bringen. Grund war die Offenlegung ihres Livestyle und der Zugehörigkeit. „So be-
deutet die Mode einerseits den Anschluß an die Gleichgestellten, die Einheit eines
durch sie charakterisierten Kreises, und eben damit den Abschluß dieser Gruppe […],
die Charakterisierung dieser als nicht zu jener gehörig.“¹¹ Ein wichtiges Beispiel an

11 Simmel, Georg, 2016 (wie Anm. 3), S. 6

                                                                                        15
Abb. 4
dieser Stelle ist die Punkszene, wobei hier handschriftliche Typografie eine Rolle
spielt. Im Vordergrund steht das Aussenden politischer Botschaften, eine Grundre-
bellion zu zeigen oder Bandsymbole und Logos zu repräsentieren. In dieser Zeit war
vor allem die britische Modedesignerin Vivienne Westwood eine prägende Person
der aktivistischen Statement-Mode.
In höchst zugespitzter Weise nutzte die Modedesignerin Katharine Hamnett das
T-Shirt, um ihre politische Meinung kundzutun. Sie gilt bis heute als eine der Be-
gründer der Statement Shirts. 1984 ging ein Foto der Designerin um die Welt, wel-
ches sie händeschüttelnd mit der damaligen britischen Premierministerin Margaret
Thatcher zeigt. Katharine Hamnett trug auf dem damals stattfindenden Cocktail-
Empfang in der Downing Street zu Ehren der Londoner Designer ein T-Shirtkleid,
mit der Aufschrift 58 % don‘t want Pershing (58% wollen keine Pershingraketen). Die
klare Konfrontation durch die nonverbale Aussage war eindeutig. Durch die Wahl
dieses Mittels garantierte sich Katharine Hamnett mehr Medienaufmerksamkeit,
als sie durch eine mündliche Aussage bekommen hätte. Schon seit 1983, mit der
Gründung des Labels Katharine Hamnett London, entwirft sie vor allem Kleidung
mit einer Kritik gegen Krieg, Rassismus, Umweltverschmutzung und beispielsweise
AIDS.
Als das Potential der Statement-Shirts mit Slogan erkannt wurde, wandelte sich der
Trend zu banaleren Phrasen und plakativen Sprüchen. Auf den Shirts wurden Sprü-
che wie ZICKE! oder I love NY präsentiert. Es war nicht mehr erkennbar, wann ein
Statement ernst gemeint oder wann es nur eine beliebige Botschaft war. Konkur-
renz gab es auch zunehmend von großen Logos, beziehungsweise von Branding all-
gemein. Auf jedem Festival, jeder Messe, auf Konzerten oder Junggesellenabschie-
den wird das Mittel der Kommunikation von Typografie auf Bekleidung genutzt und
gelebt. Die Trends wechselten in rasenden Geschwindigkeiten, Subkulturen wurden
assimiliert und zunehmend geringer. Durch die Digitalisierung und die immer größer
wachsende Vernetzung, vor allem durch digitale soziale Netzwerke, bekommen De-
signer aus der ganzen Welt Inspiration. Der Einblick in jede Kultur, in jede Religion, in
jegliche Stilrichtungen und historische Ereignisse steht offen und folglich verändern
und vermischen sich die Stile und Stilrichtungen. Die Zuordnung der bestimmten
Charakteristika der (Sub-)Kulturen wird verwobener, Codes, die Jugendsprache,
Details aus Kulturen und Epochen vereinen sich in neuen Sinngehalten und Bedeu-
tungen. Einstige Abgrenzungsmerkmale haben sich auf diese Weise in Mainstream
gewandelt und von ihrem ursprünglichen Sinn befreit.
„Wo liegt die Grenze zwischen Fashion-Statements und Statement-Fashion? Gibt es
dabei überhaupt einen Unterschied? Als Fashion-Statement kann im Grunde alles

                                                                                            17
Abb. 5
bezeichnet werden – der Begriff umschreibt heute am ehesten das Setzen eines
stilistischen Ausrufezeichens mit einem besonders gelungenen Outfit. Was es am
Ende genau ist, das die Aufmerksamkeit dabei auf sich zieht, spielt weniger eine
Rolle. Im Begriff Statement-Fashion hingegen schlummert nach wie vor der An-
spruch, auch eine ganz konkrete Aussage nach außen tragen zu wollen. […] Oder
besser gesagt ein modisches Stück, das ganz nach der ursprünglichen Intention
eine echte Message vermittelt.“¹² Seit circa drei bis vier Jahren ist ein neuer Trend,
besser eine neue Bewegung, zu beobachten. Ernst gemeinte Aussagen gewinnen
wieder an Bedeutung, Labels kehren zu ihren Wurzeln zurück und möchten politi-
sche Botschaften vermitteln, denken über das Image ihrer Marke nach und möchten
die Werte, für die sie stehen, weitergeben. Durch soziale Medien wurden Plattfor-
men für Austausch, Informationsweitergabe, Positionierung und Diskussion ge-
schaffen. Das Designerduo Viktor&Rolf zeigten zu ihrer Haute Couture Show für
Frühling/Sommer 2019 eine Aufsehen erregende Kollektion aus Tüllkleidern, welche
mit diversen textlichen Statements und Äußerungen verziert waren. (Abb. 5) „Bei
diesen Texten handelt es sich hauptsächlich um Einzeiler: Slogans mit der Art von
Vereinfachung, wie sie für Bildunterschriften in sozialen Medien oder Souvenir-T-
Shirts typisch sind.“¹³
Es ist Trend geworden man selbst zu sein und eine Meinung zu zeigen, Haltung zu
zeigen. Designer nutzen die Reichweite ihren Standpunkt zum aktuellen Geschehen
auszudrücken. Diese Meinungen sind nicht unbedingt ironisch gemeint, sie zeigen
den aktuellen Zeitgeist, stellen Bekanntes in Frage, wollen öffentliche Diskussionen
anregen und offenbaren einen kritischen, kreativen Bezug auf Politik und Gesell-
schaft. Die Fashion Weeks 2017 waren der Beginn der Bewegung und bemerkens-
wert für einen politischen Meinungsaufschwung in der Modebranche. Der Spiegel
schrieb beispielsweise: „Tommy Hilfiger etwa erkor im Februar weiße, am Hand-
gelenk oder Gürtel getragene Tücher zum Zeichen gegen Diskriminierung und Aus-
grenzung. Und Angela Missoni holte die Pussyhats genannten pinkfarbenen Strick-
mützen, Symbol der Frauenmärsche, auf den Mailänder Laufsteg. Vom ‚politischen
Erwachen der Mode‘ war im Frühjahr in der Washington Post die Rede; Forbes kürte
Politik zum ‚größten Trend der New York Fashion Week‘. Das klingt, als hätten Do-
nald Trump und Co. die Mode aus einem langen Dornröschenschlaf wachgerüttelt.
Dabei hat das, was wir tragen, immer eine gesellschaftliche Dimension.“¹⁴ Mode
spiegelt immer das soziale Klima seiner Zeit wider, so war 2017 der Aufschrei ge-
gen die Position Donald Trumps auf den Laufstegen der Fashion Weeks spürbar.
Themen wie Geschlechterrollen, Rasse und Religion wurden zu einem virtuellen

12 Schröder, Isabella, Grazia [13.06.2019, 19:02 Uhr] < https://www.grazia-magazin.de/fashion/shopping-tipps/statement-mode-zwischen-per
   soenlichem-ausdruck-politischem-bekenntnis-und> (06.04.2020)
13 Viktor&Rolf < http://www.viktor-rolf.com/haute-couture/> (15.07.2020)
14 Pfannkuch, Katharina: Proteststoff, Spiegel-Stil [21.04.2017, 13:43 Uhr] < https://www.spiegel.de/stil/politische-mode-kleidung-hat-immer-
   eine-aussage-a-1144010.html> (31.03.2020)

                                                                                                                                                19
Abb. 6
Schmelztiegel. Die New Yorker Zeitung ‚Forbes‘ berichtete: „Von der Opposition des
Präsidenten gegen die geplante Elternschaft, über das Flüchtlingsverbot, bis hin
zur mangelnden Vielfalt seiner Kabinettswahlen gab es einen kollektiven Aufschrei,
der sich gegen Trumps Agenda bei der New Yorker Modewoche richtete. Es gab
Designer, die offene Statements mit Protestshirts zeigten: Alice + Olivia hatten ein
bedrucktes T-Shirt mit der Aufschrift ‚Sei die Veränderung, die du dir in der Welt zu
sehen wünschst‘, Creatures of the Wind sagten ‚Wir sind alle Menschen‘, Pyer Moss
sagte ‚Nichts zu sagen‘ und Prabal Gurung hatte eine Reihe von Erklärungen, dar-
unter ‚Wir werden nicht zum Schweigen gebracht werden‘.“¹5
Es entsteht das Bedürfnis zur Äußerung, zur Klarstellung. Warum erst jetzt, be-
ziehungsweise warum ausgerechnet jetzt? Warum wird die Modewelt erst jetzt
(wieder) wach und verlor die Anteilnahme an einer gesellschaftlichen Diskussion
in dieser Art und Weise aus den Augen? „Von Künstlern, Filmemachern oder Musi-
kern wird eine Auseinandersetzung mit Themen wie Rassismus oder Waffengewalt
geradezu erwartet. Die Mode hingegen will in erster Linie verkaufen – und hält sich
dementsprechend aus vielem heraus, was Kunden vor den Kopf stoßen könnte.
Doch immer mehr Marken verstehen, dass sie sich in diesen Zeiten nicht mehr in
ihrer Glamour-Blase verkriechen können.“¹6
Durch die digitale Welt ist die Beeinflussung und die ständige Konfrontation mit
politischen Themen, Umweltkatastrophen und gesellschaftlichen Missständen viel
gewaltiger als vor 20 Jahren. Man hört Podcasts über jegliche Gesellschaftsthe-
men, bekommt Push-Nachrichten von der Tagesschau und sieht bei Instagram täg-
lich Flüchtlingsboote und Fotos der Pride Parade. „Gerade den Millennials und der
Generation Z, Teenagern im Alter zwischen 11 und 19 Jahren, attestieren Experten
ein starkes politisches Bewusstsein. In den USA gilt die Generation Z als die viel-
fältigste und toleranteste, die es jemals gab.“¹7 Daher haben Modelabels gegen-
über Jugendlichen eine Verantwortung und sind angehalten die Themenwelten ihrer
Kunden zu bedienen. Labels und Influencer können für diese Kundensparte eine
Ikonische Rolle einnehmen und gleichzeitig sind die jugendlichen Kunden Teil der
Mitgestaltung, da sie größtenteils den Part der Ideengeber einnehmen und die do-
minanten Konsumenten sind. Der jugendliche Livestyle ist im Medienzeitalter weg-
weisend, da eine positive soziale Teilhabe ohne eine gelungene Selbstinszenierung
schwer zu erreichen ist.
Dadurch hat die Modebranche keine andere Wahl, politisch und gesellschaftlich
kommunikativ und aktiv zu werden, denn darin steckt eine Menge Potenzial für
Transparenz zwischen Label und Konsumenten.

15 Samaha ,Barry: How Politics Became The Biggest Trend At New York Fashion Week Fall 2017, Forbes [25.02.2017, 19:48 Uhr] < https://www.
   forbes.com/sites/barrysamaha/2017/02/25/how-politics-became-the-biggest-trend-at-new-york-fashion-week-fall-2017/#7887113e77c3>
   (08.04.2020)
16 Ihring, Silvia: Die Mode macht Politik, Bellevue NZZ [13.09.2018] < https://bellevue.nzz.ch/mode-beauty/die-modebranche-zeigt-haltung-die-
   mode-macht-politik-ld.1419477> (08.04.2020)
17 Bellevue NZZ (wie Anm. 16)
                                                                                                                                                21
Abb. 7
„Die Ausrede, man sei ‚nicht politisch‘, zieht nicht länger, da jeder Mensch, der Teil
                        einer Gesellschaft ist, eine politische Verpflichtung besitzt. Jede Handlung ist per
                        se politisch, die Dinge, die wir kaufen und konsumieren, die Sprache, die wir spre-
                        chen, die Medien, die wir nutzen… kein Mensch ist unpolitisch.“¹8 (Wana Limar, Abb.
                        7) Und kein Mensch ist in der ständigen unbewussten Kommunikation mit seiner
                        oder ihrer Umwelt unbeteiligt, wie wir uns kleiden ist nicht nur zum Schmuck, es ist
                        auf eine höhere Stufe der Wechselbeziehung zwischen Individuum und Gesellschaft
                        gestiegen, es ist ein Mittel zur aktiven Meinungsäußerung geworden.

2.3 Das geschriebene    „Die Idee von Körpern, die Texte tragen, hat eine Geschichte, da Botschaften und
Wort als deutlichstes   Zugehörigkeiten auf Kleidungsstücken und auf der Haut schon seit langem als
Kommunikations-
mittel –                Muster, Symbole, Ikonen, Bilder, Buchstaben und Wörter auftauchen. Tartans des
Funktion und Haltung    schottischen Highland-Clans, Aufnäher der Motorradgang der Hell‘s Angels auf De-
                        nim- und Lederjacken, das Branding von New York Yankees und anderen Profi- und
                        College-Sportmannschaften, Militärinsignien, Kleidung und Accessoires mit Louis
                        Vuitton- und Nike-Logos, Tätowierungen in verschiedenen Designs, sogar hastig auf
                        die Haut gekritzelte Erinnerungen – die meisten davon lassen sich leicht als alltäg-
                        liche Aspekte der Populärkultur und verschiedener Subkulturen visualisieren.“¹9

                        Die Vermischung von Modedesign und Typografie ist eine kraftvolle Interaktion,
                        denn durch textliche Formulierungen spezifiziert der Betrachter und der Wahrneh-
                        mung wird Eindeutigkeit verliehen. Typografie sitzt im klassischen Sinn oftmals im
                        physischen Format, also in einem statischen Umfeld, wie beispielsweise auf Wer-
                        betafeln, in Gebäuden, Plakaten oder online. Das Design ist dann an bestimmte
                        Bedingungen geknüpft und muss den Betrachtern gegenüber angepasst sein, wie
                        beispielsweise bei Werbetafeln Abstände und Schriftgrößen bedacht werden müs-
                        sen. Man kann hier sagen, dass die Typografie der Form der Botschaft folgt und
                        ihrem Zweck funktional angepasst ist. Wenn Typografie auf Bekleidung trifft, geht
                        die Schrift eine Verbindung zum Träger ein und unterstützt seinen Zweck. Die Funk-
                        tion geht hier also zur Haltung über und dient im Wesentlichen der Repräsentation
                        des Trägers. Da wir in einer visuellen Kultur leben, welche über Bilder, Videos und
                        Texte kommuniziert, sind nicht nur Texte, sondern auch Logos auf Bekleidung ein
                        wichtiges Thema geworden. Die Marke hat so die Chance ihre Philosophie zu trans-

                        18 Hunstig, Maria, Bondi de Antoni, Alexandra, So wurden auf der Berlinale klare Statements gegen Rassismus gesetzt - und warum es für uns
                           alle Pflicht ist, uns zu positionieren, in Vogue Germany [25.02.2020]  (15.07.2020)
                        19 Prof. Steven McCarthy, Anna Carlson, Kinetic text: The Textured Intersection of Typography, Fashion and Body, Research Gate [Januar
                           2015] < https://www.researchgate.net/publication/299998945_Kinetic_text_the_textured_intersection_of_typography_fashion_and_body>
                           (15.07.2020)
                                                                                                                                                                        23
Abb. 8   Abb. 9
portieren und so entsteht der Trend der Etikettierung, das Image wird zur Botschaft.
Marken setzen vermehrt auf Branding und darauf, das Logo in den Vordergrund zu
setzen, es wird also als kommerzielles Mittel eingesetzt, um beispielsweise das
Image zu repräsentieren und die Produkte von anderen Marken zu unterscheiden.
Wörter, Symbole und Bilder wecken durch eine direkte Wahrnehmung ein großes
Spektrum an Assoziationen. Außerdem heften sich unsere Augen an diese Informa-
tionen, da wir das Bedürfnis verspüren ebendiese zu lesen.
„Kleidung mit typografischem Dekor ist der Schlüssel zur Aufmerksamkeit der Um-
welt. Sie erzählt von der Kreativität der Person, die sie trägt, von Fortschrittlichkeit
und Intelligenz, vom Vorhandensein einer öffentlichen Position oder eines philoso-
phischen Lebensverständnisses. Solche Kleidung vermittelt die Bedeutung dessen,
was die Menschen motiviert und dazu anregt, direkt oder indirekt zu kommunizie-
ren.“²0 Es ist egal, ob eine Person ein Shirt mit der Aufschrift Sicherheitsdienst ari-
sche Bruderschaft (Abb. 8) oder no place for homophobia, fascism, sexism, racism,
hate (Abb. 9) trägt. Sie sind beide Teile des öffentlichen sozialen Meinungsaustau-
sches. Bei diesen Beispielen wird durch die deutliche, wörtliche Bekanntmachung
direkt klar, welcher politischen Einstellung die Person angehört und löst damit auto-
matisch in einem selbst ein Gefühl aus. Ob Zustimmung oder Aggression, durch die
Wörtlichkeit bekommt die Kleidung ein größeres Aufsehen und gleichzeitig mehr
Verantwortung einem selbst und anderen gegenüber. Durch die unverkennbare poli-
tische Positionierung ist man automatisch eine Zielscheibe für Andersgesinnte und
löst in seinen Mitmenschen womöglich mehr Emotionen und Gedanken aus, als
es mit einem einfachen blauen T-Shirt gewesen wäre. Ich als Gestalterin habe eine
Verantwortung gegenüber dem vermittelten Meinungsbild, denn ich kann Kleidung
dadurch eine höhere Bedeutungsschwere geben und durch Wörter die Interpreta-
tion der Kleidung besser kontrollieren. Ich kann in der Lage sein, unterbewusst An-
sichten zu diktieren.
Greenwashing ist an dieser Stelle ein aktuelles Beispiel für Verantwortungsmiss-
brauch. Heute ist in der Bekleidungsindustrie der ökologische und ethisch korrekte
Aspekt präsenter denn je und eine schriftlich gesetzte Botschaft, beispielsweise auf
einem T-Shirt, kann das Vertrauen des unwissenden Endverbrauchers ausnutzen.
Das Auffallen typografischer Kleidung ist nicht nur für die Bedeutungskommunika-
tion funktional, sondern verhilft den Designer auch wettbewerbsfähig zu bleiben.

20 Prof. Dr. Natalia Udris-Borodavko, PRINCIPLES OF CLOTHES’ TYPOGRAPHIC DECORATION AS A TREND IN MODERN FASHION DESIGN,
   Research Gate [Dezember 2019] < https://www.researchgate.net/publication/338217437_Principles_of_Clothes%27_Typographic_Decora-
   tion_as_a_Trend_in_Modern_Fashion_Design> (15.07.2020)

                                                                                                                                     25
Abb. 10
Neben der Funktion der Dekoration kann auch der Name der Kampagne, die Benen-
nung des Designers oder Markenslogans aktiv einbezogen werden. So kann ich als
Designerin meine Position auf dem Modemarkt stärken, nicht nur meine Ansichten
teilen, sondern auch in neuen Gebieten Fuß fassen und von vorn herein die Philo-
sophie der Marke stärken.
Bei Typografie ist vor allem die visuelle Sprache von großer Bedeutung, denn bei der
Komposition sind meist die äußeren Aspekte der Schriften die ersten Betrachtungs-
punkte. Reine Typografie drückt oft eine visuelle Idee aus, die gleichzeitig histori-
sche Aspekte mit sich bringt. Sie zeigt durch die Kombination aus Form, Umriss und
Platzierung einen Eindruck und eine Emotion.
Das Auge liest durch kurze automatische Sprünge und kann gleichzeitig die Form
der Kleidung, die textliche Information und den gesamten Körper mit einem um-
fassenden Blick betrachten und ebenfalls lesen. Es könnte also die eine Botschaft
mit der anderen verknüpft werden, oder beide sind völlig konträr zueinander. Die
Gesamtbotschaft hat aber durch die Perfomance des Trägers, eine höhere kommu-
nikative Kapazität und durch die Bedeutungen der Kleidung, sowie des textlichen,
wird diese reicher und vielschichtiger. Durch die Veränderung der sozialen mensch-
lichen Interaktionen werden die Botschaften mit der Zeit ihre Bedeutung verändern
und dann wieder neu kontextbezogen reagieren. Dadurch, dass Mode in unserer
Gesellschaft tief verankert ist, verstärkt die funktionale, modische, performative
Kleidung, die wörtliche, poetische Form.
Ich, als Gestalterin, muss die Ganzheitlichkeit der unterschiedlichen Prinzipien als
sinnige Kombination oder auch künstlerisches Bild formen. Durch die Fülle der ge-
gebenen Möglichkeiten steckt meiner Meinung nach viel Potential im Erschaffen
von visuellen Codes und gleichzeitiger Informationsweitergabe.

                                                                                        27
3. Mode als Bot-    Identität: „Echtheit einer Person oder Sache; völlige Übereinstimmung mit dem, was
schaftsträger der   sie ist oder als was sie bezeichnet wird; als ‚Selbst‘ erlebte innere Einheit der Per-
Identität –
                    son“²¹.
deine Mode als
deine Sprache       Individualität: „Summe der Eigenschaften, Merkmale, die die Besonderheit eines
                    Menschen ausmachen; [ausgeprägte] Persönlichkeit in ihrer Unverwechselbar-
                    keit“²².

                    Du bist was du trägst, dein Outfit verleiht ein gewisses Image, dein Image, oder
                    jenes, welches du haben möchtest. „Mit Kleidung zeigt man, wer man ist – oder
                    wer man sein möchte.“²³ Es kann gesagt werden, dass man am Outfit einer Person
                    sieht, zu welcher kulturellen Familie diese zählt oder zählen möchte, denn durch
                    Mode kann ein Image übergestreift werden, durch Kleidung mit Symbolkraft kann
                    ein bestimmtes Gefühl erlangt werden. Geht dadurch Authentizität verloren? Die
                    Chance, den individuellen modischen Charakter aussuchen zu können, setzt zuvor
                    jedoch die Definition der eigenen Person heraus, denn sonst wäre die Definition des
                    Anderen oder Neuen unmöglich. „Gelungene Selbstinszenierung durch modische
                    Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes ist im Medienzeitalter eine der zent-
                    ralen Voraussetzungen für soziale Teilhabe, und die neuen visuellen Kommunika-
                    tionsformen geben dem Outfit als Medium der Sichtbarmachung des Lifestyles eine
                    noch fundamentalere Rolle als jeher schon.“²⁴
                    Heutige Generationen, die Digital Natives, sind unter dem ständigen (unterbewuss-
                    ten) Druck sich zu präsentieren. Bilder, Profile und Statusmeldungen sind Anhalts-
                    punkte des Kennenlernens. Bilder und Worte sind die Kommunikationstools, welche
                    die Grenzen zwischen Realität und Virtualität verschwimmen lassen. Viele nutzen
                    diese Plattformen und Mittel, um ihre Meinung und Gesinnung zu Themen zu äu-
                    ßern, denn es ist Teil ihrer Identität, welche vermittelt werden möchte. Ich beobach-
                    te, dass Mode bei der Konstruktion der realen und digitalen Identität eine bedeuten-
                    de Rolle spielt. „Ich verstehe Mode als soziales Zeichensystem, das Identität formt,
                    Abgrenzung definiert und Zugehörigkeit stiftet.“²5 Wir leben in einer von ökonomi-
                    schen Rahmenbedingungen bestimmten Gesellschaft und danach wiederrum wird
                    unser Habitus, unser Lebensstil, unsere soziale Identität bedingt. „Identitätsbildung
                    von individueller bis zu kollektiver Identität ist ein ständiger Prozess des Hin und
                    Her. Wer wir sind, erfahren wir durch die Beobachtung der Anderen, die wiederum
                    uns beobachten. […] Wenn wir nur unter unseresgleichen sind, stellen wir uns gar
                    nicht erst die Frage, wer wir sind.“²6
                    Als Teil eines aktiven sozialen Systems, stehe ich unter ständiger Beobachtung,

                    21 Dudenredaktion (o. J.): „Identität“, Duden online, < https://www.duden.de/node/69882/revision/69918>, (16.04.2020, 15:05)
                    22 Dudenredaktion (o. J.): „Individualität“, Duden online, < https://www.duden.de/node/70553/revision/70589>, (16.04.2020, 15:09)
                    23 Spiegel (wie Anm. 14)
                    24 Dengel, Sabine: Mode. Ein Thema für die politische Bildung?, Bundeszentrale für politische Bildung [23.12.2014], < https://www.bpb.de/
                       apuz/198376/mode-ein-thema-fuer-die-politische-bildung> (15.04.2020, 15:47)
                    25 BpB (wie Anm. 24)
                    26 Schöne, Ann-Kristin: Die Bedeutung der Nation wird zunehmen, Fluter Nr. 61, Winter 2016-2017, S. 15
                                                                                                                                                                29
Filterung, Auswertung, Zugehörigkeit, Ausgrenzung und Kommunikation. Meine
Mode ist nicht nur aus meiner Individualität beziehungsweise der Identität geformt,
sondern wird durch meine soziale, kulturelle und ökonomische Zugehörigkeit stark
beeinflusst. Womöglich ist das die ästhetische Formatierung der Lebenswelten des
aktuellen Zeitgeistes. Es ist unmöglich, kein Teil dessen zu sein, denn wenn man
betont nicht in Mode ist, ist man trotzdem Teil der ästhetischen Formatierung, weil
der Großteil des Systems die Codes kennt und eine Zuordnung vornimmt.
„Außerdem leben wir in der Spätmoderne im Zeitalter der Individualisierung. Das
wiederum ist anstrengend für das Individuum, das sich immer wieder aufs Neue
entscheiden muss, wer er oder sie sein will. ‚Früher waren Lebenswelten weniger
verfranst, und daher ist Mode als erster Eindruck vom Gegenüber und der eige-
nen Positionierung wichtiger denn je‘. […] ‚Mode ist Mittel zum Impression Manage-
ment.‘“²7 Heute bestimmen Medien und Livestyle-Kapitalismus über die Gefühlsla-
ge, die Identität, die modische Identität. Dem Individuum ist es durch die ästhetische
Formatierung der Gesellschaft in gewissem Maß nicht möglich, die individuelle
Identität auszuleben, beziehungsweise zu zeigen. Die ästhetische Formatierung ist
demnach eine Folge der Macht des Livestyle-Kapitalismus, welcher über die modi-
sche Identität bestimmt und Medien aber gleichzeitig über beispielsweise Parfums
oder Kleidung, eine Aufforderung geben ganz man selbst zu sein.
Es sind Grenzen gesetzt, welche vorschreiben und gleichzeitig zum Ich-Sein auf-
fordern. „Die Mode ist auch nur eine der Formen, durch die die Menschen, indem
sie das Äußere der Versklavung durch die Allgemeinheit preisgeben, die innere Frei-
heit umso vollständiger retten wollen. Auch Freiheit und Bindung gehört zu jenen
Gegensatzpaaren, deren immer erneuter Kampf, deren Hin- und Herschiebung auf
den mannigfaltigsten Gebieten dem Leben einen viel frischeren Reiz, eine viel grö-
ßere Weite und Entfaltung gestattet, als ein irgendwie gewonnenes dauerndes und
nicht mehr verrückbares Gleichgewicht beider gewähren könnte.“²8 Kann modische
Freiheit nur verwirklicht werden, wenn ich Grenzen einhalte? Ich soll in den gegebe-
nen Grenzen frei sein, und wenn ich an der Mode partizipiere und nachahme, soll
ich trotzdem Individualität ausbilden und mit Mitmenschen agieren und kommuni-
zieren.
Verschafft es mir trotzdem Vorteile und vor allem Freiheit, wenn ich nonkonform
handle und mich individuell kleide, mich durch einen rasanten Mix von Stilrichtun-
gen präsentiere, der genau wie die Identität eine Einheit aus Vielfalt ist?
Ich denke, dass Mode und die gleichzeitige Kommunikation in den letzten Jahren
und mit dem Fortschritt der digitalen Lebensgestaltung auf eine neue Ebene ge-

27 Vogue (wie Anm. 5)
28 Simmel, Georg, 2016 (wie Anm. 3), S. 22

                                                                                         31
stiegen ist. Als Individuum der (digitalen) Gesellschaft muss ich mich als Person oft
neu hinterfragen und zu täglichen neuen Fragen eine Position einnehmen und die-
se wenn möglich kommunizieren. Es ist keine Neuheit, dass Menschen sich durch
Mode positionieren. Ich bin der Meinung, dass Mode, welche ich als grundlegenden
und authentischen Ausdruck meiner Identität und daraus resultierenden Individuali-
tät benutze, eine Bodenständigkeit und Halt in der von wechselnden Trends gepräg-
ten Gesellschaft ist. Wenn Typografie als zusätzlicher Ausdruck meine modische
Darstellung betont und hervorhebt, ist es nicht nur eine klare Stellungnahme gegen-
über meinem sozialen Umfeld, sondern auch mir gegenüber.
Ein fundierter Punkt von Persönlichkeitsausbildung ist Bildung und vor allem kul-
turelle Bildung, denn durch sie kann eben genanntes souverän stattfinden. „Mode
kann sich jeder mit Geld kaufen. Stil ist die intelligente Abweichung von Normen, die
man kennen muss. Deshalb ist Stil ohne Bildung und Erfahrung nicht zu haben.“²9

Statements müssen nicht politisch sein, der Ausdruck und die hervorgerufene In-
terpretation sind jedoch nicht zu unterschätzende Aspekte. Einen politischen Aus-
druck bekommt Mode dann, wenn Regeln und bisher herrschende Stereotypen auf-
gebrochen werden. Zu den vergangenen Stereotypen der Statement-Shirts schrieb
die Frankfurter Allgemeine: „War man bzw. frau zum Beispiel eine Zicke, gab es
praktischerweise T-Shirts, mit denen die Umwelt gewarnt werden konnte: ‚Zicken-
alarm‘ stand da drauf, oder auch nur ‚Zicke‘. Äußerst beliebt auch das englische
Äquivalent, vielleicht etwas vulgärer, aber welche Bitch läuft nicht gern mit der rie-
sigen Aufschrift ‚Bitch‘ auf der Brust herum? Na also.“³0 Liegt bei diesen Beispielen
wirklich eine Anspielung auf den Träger vor? Als Antwort und Verweis, dass Bildung
in Beziehung zu Mode nicht zu unterschätzen ist, sagt die britische Designerin Vi-
vienne Westwood: „Die Menschen sollten sich mehr anstrengen, weniger dumm zu
sein, denn das würde sie am besten kleiden.“³¹
Die aktuelle Statement-Bewegung folgt echten Messages, es werden soziale Her-
ausforderungen und Missstände in der Gesellschaft thematisiert. „Be a Fashionso-
cialst/a“³² , denn als Individuum in einer Gesellschaft, in der durch Mode die eigene
Stellung kontrolliert werden kann, in der Anteilnahme durch klare Kommunikation
eine Chance für Freiheit, Vielfalt, Selbstverwirklichung und Offenheit für Neues ist,
kann Mode als ein ausdrucksstarkes Mittel benutzt werden. Ob klare Botschaft oder
Understatement, es ist möglich mit dem Umfeld zu interagieren und Zugehörigkeit
und Anteilnahme zu zeigen. Wichtig ist jedoch, der Identität treu zu bleiben, denn
ohne Identität kann keine (modische) Individualität geschaffen werden.

29 Michaelsen, Sven: Kauft weniger (Interview mit Vivienne Westwood), Süddeutsche Zeitung [27.02.2012] < https://sz-magazin.sueddeutsche.
   de/mode/kauft-weniger-78808> (16.04.2020)
30 Dürrholz, Johanna: Wer bin ich und wenn ja, was soll ich anziehen?, Frankfurter Allgemeine [11.08.2018] < https://www.faz.net/aktuell/stil/
   mode-design/wer-bin-ich-und-wenn-ja-was-soll-ich-anziehen-15726712.html> (20.04.2020)
31 Süddeutsche Zeitung (wie Anm. 29)
32 Frankfurter Allgemeine (wie Anm. 30)

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Abb. 11
4. Kollektionsent-   Die Kollektion zeigt die individuelle Beziehung zwischen einer Person und ihrer Klei-
wicklung             dung und gleichzeitig die kommunikative Verbindung zu ihrer Umwelt. Durch die
                     theoretische Analyse von typografischer Kommunikation durch Statement-Beklei-
4.1 Hintergrund
                     dung und den Ausdruck der eigenen Identität durch Kleidung, soll eine konzeptuelle
                     Auseinandersetzung in Form einer Modellkollektion festgehalten werden.
                     „Diese zweite Schicht über der Haut, die Kleidung dient dazu, unseren Körper be-
                     quem und sicher zu halten und sich den gesellschaftlichen Codes der Bescheiden-
                     heit anzupassen. Sie ist auch eine Form der Kommunikation mit den Menschen um
                     uns herum. Mode ist sowohl persönlich als auch kollektiv und trägt zu Identitäten in
                     Bewegung durch Raum und Zeit bei.“³³ Durch die stetige Beeinflussung der Außen-
                     welt hat sich der Mensch eine Spielart geschaffen, durch die Schichten über seiner
                     Haut, Signale an seine Mitmenschen zu senden. Botschaften, laut und leise, be-
                     deutsam oder banal sind Teil des sozialen Kommunikationssystems und Elemente
                     der Identifizierung, individuellen Positionierung und Einordnung in der Gesellschaft.
                     Die Arbeit transformiert meine ästhetische Vorstellung von individueller und identi-
                     tätsausdrückender Statement-Bekleidung. Die experimentelle Kollektion spielt mit
                     konventionellen und unkonventionellen Aspekten in Bezug auf Bekleidung. Dabei
                     spielen historische Einflüsse und Techniken, sowie aktuelle gesellschaftliche Ent-
                     wicklungen der Statement-Mode zusammen.
                     Den Inhalt und Sinngehalt der schriftlichen Botschaft thematisieren die Beziehung
                     zwischen Mode und Träger und das Hinterfragen des Statements im System der
                     Mode – die Kollektion stellt ein Ausdruck der Missstände und gleichzeitig der Chan-
                     ce dieser Thematiken dar.

                     33 Kinetic text: The Textured Intersection of Typography (wie Anm. 19)

                                                                                                             35
Abb. 12

Abb. 13
Abb. 14

Abb. 15   37
Abb. 16             Abb. 17

Abb. 18             Abb. 19
4.2 Gestaltungs-   Meine Übersetzung der Kleidung als zweite Haut zeigt sich in überlagernden, feinen
konzept            Schichten, als Prinzip der persönlichen Umhüllung und als Grundlage der Botschaft.
                   Die Interpretation der Digital Natives und des Zwangs, die eigene Person bis in jede
                   Schicht zu offenbaren, zeigt sich in Transparenz und Vielschichtigkeit. Als Hom-
                   mage an die ersten Buchstaben auf Textilien und die Bedeutung des persönlichen
                   Bezugs zum Bekleidungsstück ist Stickerei das textile Mittel für die Umsetzung der
                   Schrift. Die Verbindung von Transparenz und gestickter Schrift erweckt die Assozia-
                   tion, als wären die Wörter direkt auf den Körper geschrieben. Durch die sich überla-
                   gernden Schichten, entsteht ein Prinzip von verschwimmenden Ebenen, sodass die
                   Wörter der unteren Lagen nicht mehr deutlich lesbar sind. Je mehr man als Mensch
                   gegenüber seinem Umfeld offenbart, desto persönlicher werden die Informationen
                   und es kommt dem sich nackt machen gleich. Ich interpretiere damit einerseits die
                   Abhängigkeit zum System der (Statement)Mode, welches, meiner Meinung nach,
                   durchaus Meinungen diktiert und vorschreibt. Andererseits zeigt es den eigentli-
                   chen Sinn: die persönliche Ansicht preiszugeben.
                   Die Form- und Schnittgestaltung ist an die Form des Hemds beziehungsweise T-
                   Shirts angelehnt. Das T-Shirt ist das kommunikativste Kleidungsstück der moder-
                   nen Garderobe und ist symbolisch betrachtet die Grundlage für den Ausdruck von
                   Identität. Als geschlechtslose Kastenform funktioniert es als Blanko, als zeitloses
                   Kleidungsstück, welches die Plattform zum Kommunizieren bietet. Die Typografie
                   fungiert nicht ausschließlich als dekoratives Mittel, sondern soll aktiv in die Schnitt-
                   gestaltung eingebracht werden. Aus minimalistischen Formen, der grafischen
                   Ästhetik und der Kombination der Materialien und des Gestaltungsprinzips des
                   Schichtens entsteht ein individueller Ausdruck. Elemente der Streetwear, aber auch
                   der Klassik sollen zitiert werden. Neben Outfits der Damen-, sowie der Herrenbe-
                   kleidung gibt es Unisexstücke, da ich im Themenbereich der Statement-Bekleidung
                   keine geschlechtsspezifische Trennung wahrnehme.

                                                                                                              39
Abb. 20

Abb. 21   Abb. 22
4.3 Material- und   Ziel des ästhetischen Ausdrucks ist es, eine ruhige und gleichzeitig auffallende Kol-
Farbkonzept
                    lektion zu schaffen, die Aufmerksamkeit erregt und den Betrachtenden zum Hin-
                    sehen zwingt, aber im Zusammenspiel mit beruhigenden Farben und natürlichen
                    Materialien eine moderne Bodenständigkeit erlangt. Es soll den Ausdruck von Ver-
                    trautheit und Bewusstsein versinnbildlichen.
                    Das Thema der zweiten Haut spiegelt sich in klaren Weiß-, Beige- und Brauntönen
                    wider. Weiß symbolisiert Ehrlichkeit, Beige steht als Teil der Naturfarben für Sanft-
                    heit, Friedfertigkeit und liebevoller Zugewandtheit. Braun ist die Farbe der Authen-
                    tizität, Standhaftigkeit und Solidarität. Außerdem sind die Töne Teil der Hautfarben
                    und generieren Vielfalt und Diversität und tragen zu einer schützenden Ästhetik bei.
                    Schwarz, als Farbe der Wahrheit und Standfestigkeit bildet als Schrift den Gegen-
                    pol und Ausdruck der Deutlichkeit. Die schwarze, grafische Schrift auf den zarten,
                    transparenten Schichten erweckt den Anschein von Tätowierungen.
                    Feine Materialien wie Seidenchiffon und Organza umspielen in Transparenz und
                    Leichtigkeit den Körper und schaffen eine fragile, fließende Hülle. Im Kontrast dazu
                    versinnbildlichen dickere, festere Materialien, wie Köper und Jeans, Stärke und Mo-
                    dernität.
                    Das Material- und Farbkonzept versinnbildlicht den Menschen in seiner Persönlich-
                    keit und inneren Kraft in der modernen Gesellschaft. Es soll eine fragile und gleich-
                    zeitig solide und gefestigte Wirkung entstehen.

                                                                                                            41
5. Schlusswort   Die Herausforderung dieser Abschlussarbeit war es, das wörtliche Statement im
                 System der Mode zu analysieren, die historische, sowie aktuelle Bedeutung zu un-
                 tersuchen und eine eigene Interpretation und Haltung zu entwickeln. Heutige Mo-
                 dedesigner sind dazu angehalten, ihr bisheriges Schaffen zu überdenken und sich
                 aktiv am Sozialgeschehen zu beteiligen und zu äußern. Auch von den Konsumenten
                 wird Transparenz und Stellungnahme erwartet. Die subjektive Interpretation in Form
                 eines Gestaltungskonzeptes sollte durch die theoretische Analyse vertieft werden.
                 Ziel war es, das Kommunikationssystem der Statement-Bekleidung zu hinterfragen
                 und für meine Arbeit den ursprünglichen Sinn wiederzubeleben.

                 Ich glaube, es tut dem Menschen gut, in der Masse der Meinungen, der Beeinflus-
                 sung, der Vorschriften und fertigen Modelle, sich selbst zu sehen und in seinem
                 Denken und Handeln gefestigt und beruhigt zu sein. Ich sehe es als gut an, eine
                 starke Meinung zu vertreten und Haltung zu zeigen. Ich sehe es ebenfalls als gut
                 an, sich gegen die Aufforderung zu stellen, das gesamte Sein zu offenbaren und ein
                 Stück Identität für sich zu behalten. Die Kollektion soll dieses Gefühl transportieren.
                 Nichts zu müssen, aber zu können und dies zu hinterfragen.
                 Es soll die Aufmerksamkeit auf das Reflektieren der eigenen Kleidung, in typografi-
                 scher Hinsicht, gelenkt werden. Muss ich Teil eines jeden Trends sein? Stehe ich
                 mit meiner Überzeugung hinter der Philosophie der Marke? Aus welchem Grund
                 trage ich dieses große Logo auf der Brust oder auf meinen Schuhen? Bin ich nur
                 ein Spielball in diesem System? Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die
                 kommunikative Macht und der Eindruck, der durch Kleidung transportiert werden
                 kann, stärker und eindrucksvoller ist, als es scheint. Bekleidung bringt in der Fusion
                 mit dem geschriebenen Wort eine direkte Deutung und Bedeutung mit sich. Schon
                 vor Jahrhunderten wussten die Menschen mit der Macht der Mode umzugehen und
                 andere damit zu lenken. Ich bin der Meinung, dass typografische Statement-Be-
                 kleidung eine bedeutende Chance ist, zu mehr Sinnhaftigkeit im Kommunikations-
                 system beizutragen.

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