Ölpreis und Demokratie - WeltWirtschaft
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Weltwirtschaft z Ölpreis und Demokratie Der aktuelle Preis des Erdöls ist nicht wirklich zu hoch; er war jahrzehntelang zu niedrig, weil fundamentale Marktmechanismen in ihrer Wirkung blockiert waren. Das ist letztlich auf einen Mangel an Demokratie in den Ölförderländern zurückzuführen. Von Mohssen Massarrat theorie vorausgesagt hätte. Dieses unrea Wodurch wird der Preis des Erdöls E listisch niedrige Niveau, das die genann bestimmt? Durch Angebot und Nachfra rdöl ist das mit Abstand bedeu ten Fehlentwicklungen ausgelöst hat, ist ge, ist die erste Antwort der Wirtschafts tendste strategische Gut der vorrangig durch politische Faktoren zu wissenschaft. Das ist richtig, hilft aber Welt. Die Wirtschaft der Indus erklären. Insbesondere haben die Indus nicht wirklich weiter. Es kommt darauf trieländer ist auf Gedeih und trieländer politisch Einfluss auf die Prei an, wie die Anbieter von Öl ihre Preis Verderb von diesem Rohstoff abhängig; sentwicklung genommen, und die Inter forderungen bestimmen und am Markt ihre energieintensive Wirtschaftsweise ist essen der Eliten in den Ölförderländern durchsetzen. Die – stark ansteigende – weder auf den Rest der Welt noch auf des Mittleren Ostens waren weit von de Nachfrage dagegen hätte eigentlich die die Zukunft übertragbar, und die Desta nen ihrer Bevölkerungen entfernt. (Die Preise in die Höhe treiben müssen. Sie bilisierung des Weltklimas ist wesentlich überkommene Bezeichnung »Naher Os tat es nicht, weil die Nachfrager die Prei durch die Verfeuerung fossiler Brenn ten« wird zunehmend durch »Mittlerer se mit nichtökonomischen Mitteln nied stoffe verursacht. All diese Entwicklun Osten« abgelöst.) In diesem Artikel will rig hielten. gen sind auf einen einzigen Zahlenwert ich eine Theorie des Ölpreises vorstellen, In einem funktionierenden Markt zurückzuführen: den Ölpreis. die diese politischen Faktoren mit einbe wird der jeweils aktuelle Ölpreis nicht Über Jahrzehnte hinweg lag dieser zieht. Unversehens wird die Frage nach durch die billigste, s ondern durch die Preis weit unter dem, was die – richtig der Zukunft der Energiewirtschaft zu ei teuerste Sorte Öl reguliert: Er entspricht interpretierte – neoklassische Wirtschafts ner Frage nach der Demokratisierung. den Kosten und Gewinnerwartungen 54 Spektrum der Wissenschaft November 2006 Q
Avenue Images / Index Stock, Henry Fichner des so genannten Grenzanbieters; das ist faire Preise, weil dabei die Waren zu ih Am Ölgeschäft ist alles groß, auch derjenige Anbieter, der mit seinen Prei ren wirklichen Werten verkauft werden. o die Industrieanlagen – so groß, sen so hoch liegt, dass er gerade noch Bei vollkommenem Wettbewerb und dass der Weltmarktpreis merklich anstieg, nicht aus dem Markt ausscheidet. Man steigender Nachfrage, aber gleichbleiben als diese Raffinerie in New Orleans in den spricht von Grenzkosten (marginal costs) der Technologie und sinkender Natur Fluten des Hurrikans »Katrina« versank. für gerade noch realisierte Geschäfte. So produktivität steigen in der Regel die wie die kostengünstig nutzbaren Ölquel Ressourcenpreise. len wegen Erschöpfung oder zu hoher Allerdings wird kein Anbieter sich Nachfrage den Bedarf nicht mehr de mit einem Preis zufrieden geben, der nur zeichnet, da sie im Wesentlichen in Form cken können, wird es rentabel, neue, die Förderkosten deckt. Unter kapitalis der Pacht auftrat, die der Nutzer von kostenaufwändige Ölquellen, zum Bei tischen Bedingungen nehmen alle er Acker- oder Weideland an den Grund spiel in der Nordsee und in Alaska oder schöpfbaren Güter, also auch das Öl, stückseigentümer zu zahlen hat. Die Öl Ölsandfelder in Kanada, zu erschließen. Warenform an und werden als Anlage produzierenden Staaten am Persischen Entsprechend steigt der Marktpreis. kapital handelbar, noch bevor sie aus Golf verdanken ihre vergleichsweise ho In dem neoklassischen Modell des dem Boden herausgeholt werden. hen Renteneinnahmen der besonders funktionierenden Marktes herrscht voll hohen natürlichen Produktivität der Öl kommene Konkurrenz sowohl unter den Lohn des Besitzers: die Ölrente quellen, die sehr niedrige Produktions Anbietern als auch unter den Konsumen Der Eigentümer einer Ölquelle kann kosten verursachen. ten. Das bedeutet insbesondere, dass je kraft seines Monopols, einerlei ob er Warum aber gibt es unter vollkom der Marktakteur die Freiheit hat, seinen selbst das Öl fördert oder das anderen mener Konkurrenz überhaupt eine Öl individuellen Grenznutzen zu maximie überlässt, als Gegenleistung für die Nut rente? Warum verzichtet ein etwas zu ren; unter dieser Voraussetzung stellt sich zung seines Kapitals eine Rente verlan teurer Anbieter nicht auf diesen Zu das – volkswirtschaftlich erwünschte – gen; deren Höhe wird durch das Gesetz schlag zu den Produktionskosten und »Marktgleichgewicht« ein, in dem die von Angebot und Nachfrage bestimmt. nimmt stattdessen in Kauf, überhaupt Gesamtkosten minimiert werden. Voll Diesen Marktmechanismus haben kein Geschäft zu machen? Weil er mit kommene Konkurrenz setzt also voraus, schon die Klassiker wie David Ricardo gutem Grund hoffen kann, in der Zu dass alle Marktteilnehmer souverän han (1772 – 1823) und Karl Marx (1818 – kunft ein besseres Geschäft zu machen. deln, mögen sie Individuen, Kleinfir 1883) theoretisch erfasst und überzeu Öl im Boden ist eine Form von Kapital. men, multinationale Konzerne oder aber gend nachgewiesen. In der Literatur Es bringt Zinsen in dem Sinn, dass es in Staaten sein. Die Gleichgewichtspreise (zum Beispiel bei Marx in »Das Kapital«, der Zukunft – wahrscheinlich – einen (Kasten nächste Seite), die sich unter 3. Band, 6. Abschnitt) wird die genannte höheren Preis erzielen wird als heute. diesen Bedingungen einstellen, sind auch Rente allgemein als »Grundrente« be Unterstellen wir, dass der Ölbesitzer auf Spektrum der Wissenschaft November 2006 Q 55
Weltwirtschaft z die Einnahmen aus dem Ölgeschäft nicht unmittelbar angewiesen ist. Dann nentiell und mindestens so stark wie der Wert einer Geldkapitalanlage. Das ist zunehmender Nachfrage und entspre chend zunehmender Grenzkosten bis kann er das Öl – ausreichende Förderka der Inhalt einer These, die 1931 der 1905 wieder zu steigen. Mit der Entde pazitäten vorausgesetzt – entweder sofort amerikanische Ökonom Harold Hotel ckung neuer Ölquellen am Ende des 19. aus dem Boden holen und den Erlös auf ling (1895 – 1973) aufstellte. Jahrhunderts gab es einen neuen Preis den internationalen Finanzmärkten anle Mit den klassischen Ansätzen von verfall, der durch einen anschließenden gen; oder er kann die Produktion in Er Ricardo und Marx in eine systematische Anstieg wieder kompensiert wurde. wartung steigender Marktpreise auf ei Beziehung gesetzt, liefert sie eine schlüs Ab 1920 wurde Öl auch außerhalb nen späteren Zeitpunkt verschieben. sige Theorie des Ölpreises, die auch em der Vereinigten Staaten produziert und Bei hohen Zinsraten auf den Finanz pirisch belegbar ist – allerdings zunächst zu einer Weltmarktware. Dieses Datum märkten ist die erste Alternative profi nur für die erste Phase in der Geschichte markiert den Wendepunkt des Ölpreis tabler, bei niedrigen Zinsen die zweite. des Ölsektors, die vom Beginn der Öl trends: Die Ölpreise sinken kontinuier Dieses plausible Optimierungsverhalten produktion 1861 bis etwa 1920 reicht lich, teils wegen der Entwicklung neuer zwingt die Anbieter von erschöpfbaren (Grafik S. 58). Während dieser Zeit wur Technologien, vor allem aber wegen der Rohstoffen wie Öl – wiederum funktio de Öl hauptsächlich in den Vereinigten Entdeckung neuer und hochproduktiver nierende Märkte vorausgesetzt – grund Staaten produziert und verbraucht. In Ölfelder im Mittleren Osten, und stabi sätzlich zu einer Angebotszurückhaltung. der Tat sank nach den ersten Entdeckun lisieren sich auf dem niedrigen Niveau Wenn die Anbieter in diesem Sinn ihren gen in den USA der Ölpreis zwischen von 1 bis 2 Dollar pro Barrel. Fast ein Profit optimieren, müssen generell die 1861 und 1880 zunächst rapide durch halbes Jahrhundert lang, bis 1974, bleibt Marktpreise von erschöpfbaren Rohstof die Entwicklung neuer Bohr- und Ge der von Hotelling postulierte erneute fen langfristig steigen, und zwar expo winnungstechnologien, um dann infolge Anstieg der Preise aus, obwohl die Öl Angebot und Nachfrage – die klassische Theorie Verschiedene Anbieter können das auf einem Markt gehandelte Wenn es sich jedoch um einen Bodenschatz handelt, wird er Gut zu verschiedenen Kosten produzieren; so gibt es mehr darüber hinaus eine so genannte Grundrente – in unserem Zu- oder weniger leicht erschließbare Ölquellen. Man sortiert die sammenhang: Ölrente – fordern. Dadurch verschiebt sich die Anbieter vom billigsten zum teuersten und erhält die Angebots- Angebotskurve A nach oben zu A’. Der Gleichgewichtspunkt kurve A. Diese Kurve ist entgegen der üblichen Ableseweise zu wandert von G nach G’, die insgesamt gehandelte Menge sinkt interpretieren: Zu jedem Preis P gibt sie die Menge M an, die von M auf M ’, der Gleichgewichtspreis steigt von P auf P ’, der zu diesem Preis auf dem Markt verfügbar ist; das heißt, wenn bisher teuerste Anbieter scheidet aus dem Markt aus. Der nun- man alle Anbieter zusammennimmt, die zum Preis P oder billi- mehr teuerste Anbieter kassiert die »absolute Rente« und alle ger zu verkaufen bereit sind, kommt die Menge M zu Stande. anderen darüber hinaus die »Differenzialrente«. Entsprechend gibt es eine Nachfragekurve N : Je höher der Preis, desto weniger Interessenten sind bereit, zu diesem Preis Der Begriff »Erschöpfbarkeit«, der in der Preistheorie von Harold zu kaufen. Ein Punkt auf der Kurve N kennzeichnet die Menge, Hotelling eine zentrale Rolle einnimmt, ist nicht unproble die zu einem gegebenen Preis P ihre Käufer finden würde. matisch. Im 18. und 19. Jahrhundert drohte Kohle als Energie- Der Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve ist der träger sich zu erschöpfen; heute ist von Kohleknappheit nicht Gleichgewichtspreis. Auf diesen Wert pendelt sich bei vollkom- mehr die Rede, weil wir es vorziehen, Energie aus der Ver menem Wettbewerb der Preis ein. Es handelt sich um den brennung von Öl statt Kohle zu gewinnen. Wenn künftige Preis, zu dem der teuerste Anbieter, der überhaupt zum Zuge Generationen auf regenerative Energiequellen umsteigen – kommt, noch zu verkaufen bereit ist. was uns heute als Ausweg aus dem globalen Klimaproblem Diese Darstellung gilt unter der Voraussetzung, dass jeder dringend geboten erscheint –, dann werden die Ölvorräte für Anbieter sich mit seinen Produktionskosten zufrieden gibt. die dann noch verbleibenden Verwendungen vielleicht sehr reichlich sein. N Gleichwohl ist es richtig, heute Öl als erschöpfbare Ressour- Preis A’ A ce anzusehen. Wir wissen ja noch nicht, wann die Technolo- gien, die uns von der Abhängigkeit vom Öl befreien sollen, in großem Maßstab auf den Markt kommen werden. Unter die- G’ ser Unsicherheit ist es für jeden Ölanbieter vernünftig zu er- P’ Differenzialrente G warten, dass das Öl unter seinen Füßen wegen zunehmender P Knappheit im Preis steigen wird. Auf diesem Weg sind die Nachfrager der Zukunft zwar nicht leibhaftig, aber im Effekt auf Spektrum der Wissenschaft absolute Rente dem Markt präsent, weil nämlich die Anbieter der Gegenwart bereits mit ihnen rechnen. Nur bei der unerschöpflichen Ressource Sonnenenergie würde es weder Eigentum noch Knappheitsrente geben – und M’ M Menge keinen Grund, um ihre Nutzung Kriege zu führen. 56 Spektrum der Wissenschaft November 2006 Q
nachfrage in diesem Zeitraum weltweit auf das Vierzehnfache gestiegen ist. Auf Grund dieser empirischen Fak ten, die auch bei anderen Rohstoffen zu Aus urheberrechtlichen Gründen beobachten waren, hielt die neoklassi können wir Ihnen die Bilder leider sche Schule die Hotelling-Theorie für nicht online zeigen. widerlegt. Der amerikanische Ökonom Robert Solow (Wirtschaftsnobelpreis 1987, siehe Spektrum der Wissenschaft 12/1987, S. 22) ging 1974 in einem viel beachteten Artikel noch darüber hinaus: Natürliche Ressourcen seien im Prinzip unerschöpflich. Diese These lieferte die Rechtfertigung für die Fortsetzung des ungezügelten, verschwenderischen Kon sums fossiler Energien. Sie war ange sichts der ökologischen Folgen unverant wortlich und hat sich schließlich als eine grandiose Fehleinschätzung erwiesen. chern, um anschließend den Erlös auf Selbst die niedrigen Ölpreise be- Welches waren aber die tatsächlichen den internationalen Finanzmärkten an o scheren den Eliten der Förderlän- Gründe für die sinkenden Ölpreise, die zulegen. Damit entzogen die Ölkonzerne der noch aberwitzig hohe Einnahmen: den Lauf der Geschichte und die ener der Hotelling-Regel die Grundlage. Gold ist Massenware in diesem Geschäft gieintensiven Konsum- und Produkti Die starke Konkurrenz um die Ver in Bahrain. onsmuster in den kapitalistischen Staa wandlung des mit geringem Aufwand ten entscheidend prägten? Solow hatte in geförderten Öls in Geldkapital machte seinem Artikel übersehen, dass zum Zeit einerseits die Ölmultis zu den finanz punkt der Globalisierung der Ölindus kräftigsten Konzernen der Welt, rief an Konsumenten, zu Lasten der eigenen Be trie noch mehr als drei Viertel der Welt dererseits aber eine permanente Über völkerung und künftiger Generationen, bevölkerung im vorindustriellen Zeital produktion mit Dumpingpreisen von 1 mit verhängnisvollen Folgen für die Zu ter lebten – und daher auf den Märkten bis 2 Dollar pro Barrel hervor (Grafik kunft der Menschheit und die Stabilität nicht als Konsumenten in Erscheinung nächste Seite). Während die Ölschwem des globalen Klimas. traten – und dass das Überangebot des me aus dem Mittleren Osten zum Stellt man sich auf den – plausiblen – Öls aus dem Persischen Golf nur eine Grundstein des Massenkonsums und des Standpunkt, dass das Erdöl eigentlich vorübergehende Erscheinung war. Der Wirtschaftswachstums in den USA und das Erbe der Menschheit und nur durch entscheidende Grund ist jedoch, dass Europa wurde, verloren Völker ganzer Zufall in den Besitz weniger Staaten ge eine wesentliche Voraussetzung für einen Regionen unwiederbringlich einen Teil raten ist, so ist es nicht eine Minderheit, vollkommenen Markt nicht erfüllt war: ihres natürlichen Reichtums. welche die Mehrheit subventioniert; viel die Souveränität der Akteure. mehr subventioniert die ganze Mensch Die Öleigentümerstaaten des Südens Dumpingpreise sind Subventionen heit einen zahlenmäßig relativ geringen hatten die Kontrolle über ihre Ölquellen Die Eliten der Ölstaaten ließen sich von Teil ihrer selbst, den man beim besten bis Anfang der 1970er Jahre buchstäb den Ölkonzernen Verträge zur uneinge Willen nicht als ökonomisch schwach lich an eine Hand voll multinationaler schränkten Ölausbeutung abtrotzen, weil bezeichnen kann. Ölkonzerne übertragen, in der Regel ge sie sich ausschließlich von ihren eigenen Diese Fehlentwicklung war schon gen eine vernachlässigbare Gewinnbetei kurzfristigen Partialinteressen leiten lie Mitte des 20. Jahrhunderts erkennbar. ligung von 10 bis 20 Prozent. Damit ßen und weder zum Wohl ihrer Völker Durchaus nicht zufällig setzte 1951 die übernahmen wirkungsmächtige Akteure noch zum Wohl künftiger Generationen erste demokratisch gewählte Regierung der Nachfrageseite das Kommando über handelten. Demokratisch legitimierte Eli des gesamten Mittleren Ostens, die des das Angebot und konnten so das An ten hätten derartigen Verträgen höchst iranischen Ministerpräsidenten Moham bieterverhalten im Interesse der Nachfra wahrscheinlich nicht zugestimmt. med Mossadegh (1882 – 1967), sich die geseite, das heißt der Industriestaaten, Dumpingpreise sind in der Regel Nationalisierung der Ölindustrie zum manipulieren. Da die Ölmultis fürchten Subventionen und dienen – als kurzfris Hauptziel. Damit wurde sie zum ersten mussten, dass die unfairen Verträge nicht tige Transferleistungen der Mehrheit der souverän handelnden Akteur aus dem von langer Dauer sein würden, hatten sie Bevölkerung an eine bevorzugte Minder Mittleren Osten auf dem internationalen wenig Anlass, Gewinne aus künftiger heit – der gezielten Förderung ökono Ölmarkt. Sie hätte schon damals andere Verwertung des Öls gegen die unmittel misch schwacher Sektoren einer Volks Völker zum Nachahmen animiert, viel baren Gewinne abzuwägen. Also holten wirtschaft. Dagegen ist der Dumping leicht sogar eine Demokratisierungswelle sie über beinahe vier Dekaden und ohne preis für Öl nichts anderes als eine gigan in der gesamten Region ausgelöst, wäre Rücksicht auf ökonomische und geolo tische Subventionierung der Mehrheit sie nicht 1953 gestürzt und der diktato gische Nachhaltigkeitsregeln so viel Öl, durch die Minderheit der Eigentümer risch regierende Schah erneut eingesetzt wie sie nur konnten, aus den Bohrlö staaten: zu Gunsten der gegenwärtigen worden. Dwight D. Eisenhower, damals Spektrum der Wissenschaft November 2006 Q 57
Weltwirtschaft Präsident der USA, hatte erkannt, dass sich die Demokratisierung im Mittleren z nationalen Energie-Agentur IEA sinkt das Wachstum in den OECD-Staaten Gleichwohl stellte sich die Normali sierung der Marktkräfte als eine kurze Osten zu einer Gefahr für das Wirt um 0,4 Prozent, wenn der Ölpreis um Episode heraus. Erst unter demokra schaftswachstum und das amerikanische zehn Dollar pro Barrel ansteigt. Bei einer tischen Verhältnissen wären die Eliten Konsummodell entwickeln könnte, und Differenz zwischen dem aktuellen Preis eines Landes in einen offenen Wettbe gab dem Geheimdienst CIA unter dem von über 70 Dollar und dem noch 2000 werb miteinander um den besten Weg Vorwand der kommunistischen Gefahr gültigen von 20 Dollar macht das mehr zur Optimierung des nationalen Nutzens grünes Licht für den Sturz Mossadeghs. als zwei Prozent, was das gegenwärtig aus dem Ölgeschäft eingetreten. Statt Durch Ausschaltung eines souveränen diskutierte deutsche Wirtschaftswachs dessen waren die weit und breit herr Marktakteurs verstieß damit der vom tum von einem Prozent in sein Gegen schenden Petrodollar-Monarchien wei Ölrausch befallene Westen massiv gegen teil verkehren würde. Andererseits be terhin bereit, sich auf einen Kuhhandel seine eigenen fundamentalen Prinzipien: scheren steigende Ölpreise den Anbieter mit dem größten Ölverbraucher USA die Gesetze der freien Marktwirtschaft. staaten einen höheren Anteil an der einzulassen: eigene Herrschaftsabsiche Derartiges Handeln – das in der Fol theoretischen Ölrente, das heißt der Dif rung und militärische Kooperation ge ge noch mehrfach praktiziert wurde – ist ferenz zwischen dem Nutzen für den gen niedrige Ölpreise. Mangels Legiti zwar prinzipienlos, aber durch die Inte Konsumenten und den Grenzkosten. mation und Kontrolle durch das eigene ressen des Westens zumindest kurz- und Insofern entsprach es den Interessen Volk blieben so die Regierungen der Öl mittelfristig wohlbegründet. Jeder will der OECD-Staaten, dass wider jede staaten weiterhin erpressbar. seine Waren so günstig wie möglich ein Marktlogik in den letzten siebzig Jahren Wie diese Regierungen – vor allem kaufen. Die niedrigen Ölpreise haben trotz zunehmender Erschöpfung der Re die Saudi-Arabiens – zum Vollstrecker sich in den westlichen Industriestaaten serven eine strukturelle Überproduktion eines politisch manipulierten Ölpreissys zu einem wirksamen Instrument der in von Öl und allen anderen fossilen Ener tems gemacht wurden, beschreibt der nenpolitischen Konsensbildung und der gieträgern vorherrschte. ehemalige amerikanische Wirtschafts Stabilität von »Wohlstandsdemokratien« agent John Perkins in seinem erschüt entwickelt. Bei den gigantischen Ölmen Jom-Kippur-Krieg ternden Bericht »Bekenntnisse eines gen, die jedes Jahr gehandelt werden, und iranische Revolution Economic Hit Man«. Über Jahrzehnte hat jede Preisänderung massive Auswir Die Ölmultis hatten Recht, die diskrimi hinweg pflegten sich US-Regierungen kungen auf die beteiligten Volkswirt nierenden Verträge konnten nicht von mit Hilfe ihrer Geheimdienste Herrscher schaften. Nach Berechnungen der Inter langer Dauer sein. Unter dem wachsen von Dritte-Welt-Staaten mit Schlüssel den Legitimationsdruck der eigenen Be funktionen für die Weltwirtschaft unter völkerungen mussten selbst Diktatoren halb der Schwelle der Gewaltanwendung wie der auf den Thron zurückgeholte gefügig zu machen. »In den 1970er Jah Rohölpreise seit 1861: Die grüne Schah Reza Pahlewi im Iran Anfang der ren«, schreibt Perkins, »wirkte ich bei u Kurve gibt den nominellen Preis für 1970er Jahre allesamt die Ölindustrie einem besonderen Deal mit, über den ein Barrel Öl an, die schwarze den Preis nationalisieren. Sie gewannen dadurch heute wieder oft gesprochen wird. Das umgerechnet auf die Kaufkraft von 2003. einen Teil ihrer Marktsouveränität zu saudische Königshaus stimmte zu, den Angegeben ist der amerikanische Durch- rück. Daraus folgten 1973 anlässlich des größten Teil seiner Petrodollars … in schnittspreis (1861 bis 1944), der Preis für Jom-Kippur-Kriegs und 1979 anlässlich amerikanischen Regierungsanleihen an die Ölsorte Arabian Light (1945 bis 1983) der iranischen Revolution zwei Ölpreis zulegen. Sie stimmten auch zu, den Öl und für die Sorte Brent (ab 1984). Rot sprünge, zunächst von 2 auf 10 und preis innerhalb für uns akzeptabler Gren gepunktete Linien geben längerfristige dann auf 40, in heutigen Preisen auf zen zu halten. Im Gegenzug verpflichte Trends wieder. über 80 Dollar pro Barrel. ten wir uns, das Haus Saud an der Macht zu halten.« Siganim / Spektrum der Wissenschaft Tatsächlich sind die drei oligarchisch Beginn des Souveränitäts- regierten Ölstaaten Saudi-Arabien, Ku Ölbooms in bestrebungen wait und Arabische Emirate de facto den USA im Nahen Osten Protektorate der USA. Mit einem Welt 100 marktanteil von knapp unter 20 Prozent Beginn der Produktion Entladung von strebungen im Iran in Südamerika und Jom-Kippur-Krieg 90 Souveränitätsbe- schufen sie hohe Förderkapazitäten und im Nahen Osten Marktspannungen Entdeckungen sorgten auch in den 1980er und 1990er in Texas 80 Jahren für eine kontinuierliche Überpro US-Dollar pro Barrel 70 duktion. Als Folge der beträchtlichen 60 Überkapazitäten in der Opec und des 50 Knappheits- Ausbaus kostenaufwändigerer Energie 40 preis quellen außerhalb der Opec fiel der Öl preis rapide von 40 bis auf 10 Dollar pro 30 Dumping- preis Barrel Ende der 1990er Jahre. Selbst als 20 während der Kuwait-Krise und des ers 10 ten Golfkriegs die kuwaitischen und ira kischen Öllieferungen plötzlich ausfie 0 1861 1890 1920 1950 1980 2010 58 Spektrum der Wissenschaft November 2006 Q
len, die immerhin 20 Prozent des Opec- Anteils ausmachten, stiegen die Ölpreise weder dramatisch noch nachhaltig, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre (Bild links unten). Die Saudis hatten Aus urheberrechtlichen Gründen binnen kürzester Zeit die Marktlücke können wir Ihnen die Bilder leider durch höhere Auslastung bestehender nicht online zeigen. Überkapazitäten vollständig gefüllt. Neoklassiker bestreiten keineswegs, dass es Ölüberproduktion gibt, erklären sie jedoch durch das strategische Interes se der Opec selbst: Dieses Kartell fahre die Überkapazitäten nicht zurück, um durch Dumpingpreise andere Anbieter vom Markt zu verdrängen und damit langfristig höhere Preise durchzusetzen. Solche Strategien werden zweifellos prak Insgesamt finden sich in der Ge Ölboom in Texas 1919: Nur die Ent- tiziert; nur bestehen die Dumpingpreise schichte der Ölpreise drei unterscheid o deckung neuer Ölquellen konnte schon viel zu lange, um einen solchen bare Etappen: den Preisanstieg nach der Hotelling-Re- Zweck zu erfüllen. Vielmehr handelt die r In der Ära der US-Öldominanz gel bremsen. Opec damit den Interessen ihrer Mit (1861 – 1920) bewegte sich der Ölpreis glieder zuwider – was bei diesen nicht auf dem nahezu vom Weltmarkt unab unbemerkt bleibt. Viele von ihnen ha hängigen US-Ölmarkt entsprechend der ben sich vehement gegen eine solche Po Ricardo-Marx-Hotelling-Theorie. hören für immer der Vergangenheit an. litik zu Wort gemeldet. Kamal Danesh r Von 1920 bis Anfang der 1970er Jah Das Nachfrage-Angebot-Verhältnis für jar, der Vorsitzende der Energiekommis re tendierte dank neokolonialistischer Öl (und wohl auch für andere Ressour sion des iranischen Parlaments, hat sogar Nutzungsverträge und unter dem Druck cen) beginnt sich zu normalisieren. Ab dafür plädiert, die Opec zu verlassen. der strukturellen Überproduktion der jetzt müssen auch entwickelte Industrie Kapitalwert der Ölquellen gegen null, länder lernen, die Ölknappheit als Tatsa Die drei Etappen und der Ölpreis sank auf das niedrige che anzuerkennen, statt sie zu ignorieren. der Ölpreisgeschichte Grenzkostenniveau. Im Zuge der Demokratisierung wer Über einen Zeitraum von beinahe sieben Die Spannungen zwischen den künst den die Regierungen der Ölstaaten sich Dekaden gelang es also den Industrie lich niedrig gehaltenen Preisen und dem konsequenter als bisher den langfristigen staaten, erst durch zweifelhafte Nut Niveau eines vollkommenen Markts, der nationalen Interessen verpflichten und zungsverträge und später durch gezielte zu dieser Zeit nicht existierte, entluden den – wie neoklassische Ökonomen sa Kooperation mit bestenfalls halbsouve sich schockartig in zwei Preissprüngen gen würden – kollektiven Grenznutzen ränen, demokratisch nicht legitimierten 1974 und 1979. Den Öl verbrauchen ihrer Völker zu optimieren suchen. An Öllieferstaaten des Mittleren Ostens, die den Industriestaaten gelang es jedoch, die Stelle des politisch motivierten Dik Marktgesetze im Ölsektor unwirksam zu durch wirksame Gegenstrategien wie die tats der Nachfrageseite tritt dann die machen. Gründung der IEA, den Ausbau der volle Entfaltung der Marktkräfte. Daraus Mangel an Demokratie in den Öl Kernenergie und die Erschließung neuer resultieren unweigerlich steigende Öl staaten war und ist der entscheidende, Ölfelder die neu gewonnene Verhand preise. Wirklich freie und unabhängige jedoch nicht der ausschließliche Grund lungsmacht der Opec zu schwächen und Parteien in demokratisierten Ölstaaten dafür. Aus den verschiedensten Gründen ab 1985, dem Höhepunkt des Iran-Irak- könnten sich kaum dem innergesell gerieten diese Staaten in Geldnot, sodass Kriegs, den Zustand von Überproduk schaftlichen Diskurs über Souveränität sie sich nicht in der Lage sahen, auf Ein tion und Dumpingpreisen wiederherzu und nationale Interessen entziehen; sie nahmen aus dem Ölgeschäft zu verzich stellen, der bis Ende der 1990er Jahre würden einerseits mit neuen Ölmengen- ten: Mehrere Golfkriege und die darauf andauerte. und Ölpreisstrategien, andererseits mit folgenden Wiederaufbauaktivitäten ris r Vor unseren Augen beginnt schließ einer Politik der Verringerung der eige sen große Löcher in die Devisenkassen; lich ein neues Zeitalter von Ölknapp nen Abhängigkeit von Öleinnahmen die Anhebung des Zinsniveaus in den heitspreisen. Aller Wahrscheinlichkeit Wählerstimmen zu gewinnen versuchen. USA während der 1980er Jahre veran nach ist diese Transformation nicht mehr Diese Ziele können die Ölstaaten mögli lasste ölreiche Opec-Mitglieder wie Sau rückgängig zu machen. Denn neue nach cherweise sogar effizienter ohne die Opec di-Arabien und Kuwait zur Produktions fragemächtige Staaten wie China, Indien verfolgen, die damit auf die Dauer über steigerung, um die Einnahmen profita und andere Schwellenländer machen flüssig würde. bel in den USA anzulegen. Hinzu dem Nachfragemonopol der Industrie Durch die steigenden Preise werden kommt, dass das IWF mit Strukturan staaten Konkurrenz. die Nachfragerländer sich genötigt seh passungsprogrammen die hoch verschul Die Zeiten, als nur 20 Prozent der en, nach Alternativen zu suchen. Gleich deten Opec-Staaten dazu zwang, die Öl Weltbevölkerung 100 Prozent der Öl zeitig werden diese Alternativen im Ge produktion ebenfalls zu erhöhen. quellen für sich in Anspruch nahmen, ge gensatz zu den bisherigen Verhältnissen Spektrum der Wissenschaft November 2006 Q 59
Weltwirtschaft z konkurrenzfähig und können im Endef fekt dem Anstieg der Ölpreise Grenzen einer Strategie global nachhaltiger Ener gieversorgung und des Klimaschutzes. ker als Marktgesetze die ökonomischen Abläufe beeinflussten. Es gilt ebenso für setzen. Auf lange Sicht dürfte die einzige Das neue Projekt »Demokratisierung die neoklassische Schule, die im 20. Jahr gangbare Alternative die Nutzung rege des Greater Middle East« der US-Neo hundert unter mehr oder weniger demo nerativer Energieformen sein. Kurzfristig konservativen geriete nach dieser Analy kratischen Rahmenbedingungen ent erscheint dagegen die Erschließung wei se in Widerspruch zur Hegemonial- und stand. Unversehens wurden diese zur terer fossiler Energiequellen, zum Bei auch zur derzeitigen Klimaschutzpolitik Conditio sine qua non aller neoklas spiel der umweltschädliche Ölsandabbau der Vereinigten Staaten, es sei denn, sischen Theorien: In Demokratien mit in Kanada, attraktiver; denn sie erspart – dieses Projekt wäre eine Leerformel für einigermaßen erfüllter Chancengleich zumindest vorübergehend – den Ener die Fortsetzung der bisherigen Hegemo heit für Marktakteure liegen Gleichge gieverbrauchern die ungeheuer kostspie nialpolitik in dieser Region. Denn De wichtspreise und faire Preise nah beiei lige Umstellung ihrer Heizungs- und mokratisierung und souveräne Staaten nander. Hier steigert die Arbeitsteilung Verkehrssysteme. Daher stellen Öl im Mittleren Osten machen eine kost die Effizienz und auch den Wohlstand. knappheitspreise keine Garantie für den spielige militärische Sicherung der Ener Als allerdings neoklassische Öko weltweiten Übergang zu regenerativen gieversorgung überflüssig. Der faire nomen ihre Preis- und Wohlfahrtstheo Energien dar. Handel würde, wie beim Handel inner rien auf die wirtschaftlichen Bezie Hierfür wird die Weltgemeinschaft halb der Industrieländer, diese Sicherheit hungen zwischen Industrie- und Ent ohne eine globale Regulierung des Ange hinreichend gewähren. Die Demokrati wicklungsländern übertrugen, übersahen bots aller fossilen Energiequellen nicht sierung muss jedoch, im Gegensatz zu sie, dass die Grundvoraussetzung für die auskommen. Durch eine weltweite Ko dem Demokratieexport, den die Bush- Gültigkeit ihrer Theorien, eben die De operation von Anbieter- und Vebraucher Regierung anstrebt, authentisch und in mokratie, bei vier Fünfteln der Welt staaten würde das Angebot an fossilen der Gesellschaft verwurzelt sein. bevölkerung nicht erfüllt war. Damit Brennstoffen im 21. Jahrhundert in An öffneten sie gravierenden Fehlinterpre lehnung an allgemein anerkannte Klima Gleichgewichts- und faire Preise tationen Tür und Tor. So wurden dauer schutzszenarien drastisch reduziert wer Der Ölmarkt ist nur das krasseste Bei haft sinkende Rohstoffpreise und Ver den. Der Übergang zu regenerativen spiel dafür, dass Anbieter erschöpfbarer schlechterung der Terms of Trade für Energietechnologien wird jedoch dem Rohstoffe entgegen der Marktlogik ihr Entwicklungsländer schlicht auf »sinken Markt überlassen. Ölknappheitspreise Angebot nicht zurückhalten, sondern zu de Nachfrage« zurückgeführt. Ausblei steigen in diesem Modell auf eine – er Dumpingpreisen auf den Markt werfen. bende Wohlstands- und Entwicklungsef trägliche – Größenordnung von 50 bis Man findet dieses Muster allenthalben in fekte in diesen Ländern wurden mit 100 Dollar pro Barrel an und forcieren den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Mangel an Leistungsbereitschaft, nied den massiven Ausbau regenerativer Ener Industrie- und Entwicklungsländern. riger Sparquote oder lapidar mit »Poli gien, sinken jedoch in dem Maß, wie sich Warum hat die neoklassische Theorie da tikversagen« der Regierungen erklärt. die regenerativen Energietechnologien für keine plausible Erklärung? Dabei ist die These von der sinken verbilligen (Bild unten). Im Rahmen Jede Wirtschaftstheorie neigt dazu, den Nachfrage definitiv falsch. Untersu eines politisch im Menschheitsinteresse die politischen Rahmenbedingungen, chungen des Kieler Instituts für Welt geschaffenen globalen Regulierungssys unter denen sie ausgearbeitet wird, für wirtschaft und zahllose weitere Studien tems für Energien stünden die Marktme allgemein gültige Grundvoraussetzungen über die Entwicklung der Rohstoffpreise chanismen nicht länger im Gegensatz zur zu halten. Das gilt für die Klassiker von belegen, dass die Rohstoffnachfrage im Idee der nachhaltigen Entwicklung. De Adam Smith über Ricardo bis Marx, zu Gleichklang mit der Verzehnfachung des mokratisierung in den Ölstaaten würde deren Zeiten vordemokratische Politik-, Sozialprodukts in den Industrieländern so zu einem komplementären Baustein Macht- und Sozialstrukturen noch stär ebenfalls um ein Mehrfaches stieg. Para doxerweise herrscht selbst bei erschöpf baren Gütern trotz steigender Nachfrage Szenario eines von einer Weltener- ein dauerhafter Angebotsüberhang. l gieagentur kontrollierten Über- Die Hauptursache dieses für Markt 100 30 gangs von fossilen zu erneuerbaren ökonomien untypischen und ungleich Energien. Als Folge wachsender Weltbe- gewichtigen Dauerzustands war und ist die Ungleichheit der Chancen der Ak heitspreis völkerung und Industrialisierung in Ent- Ölknapp- US-Dollar pro Barrel 75 wicklungsländern steigt die Energienach- teure auf den Weltmärkten: Auf der ei 20 frage von 9 Gigatonnen-Äquivalenten nen Seite stehen die entwickelten Indus (Gtoe) im Jahr 2000 bis zum Jahrhundert trienationen, die ihre eigenen Märkte Gtoe 50 ende auf das Dreifache (nach einem Sze- durch umfassende Subventionen und Siganim / Spektrum der Wissenschaft 10 nario des Stockholm Environment Insti- Schutzzölle hermetisch gegen den Wett 25 tute von 1993). Die Ölpreise steigen bei bewerb der Entwicklungsländer abrie fossile regenerative zunehmender Nachfrage und sukzessiver geln, dazu noch ihre Stellung mit Hilfe Energien Energien Mengenverknappung zunächst an, sinken von Leitwährungen und internationalen 0 0 jedoch in dem Maß, wie die Kosten er- Währungsfonds institutionell stärken 2000 2050 2100 neuerbarer Energien im Zuge der tech- und die Entwicklungsländer mittels so nischen Entwicklung abnehmen. genannter Strukturanpassungsprogram 60 Spektrum der Wissenschaft November 2006 Q
Erdöl ist Anlass wie Mittel zum r Krieg: Bei seinem Rückzug vom ver- lorenen Golfkrieg ließ Saddam Hussein 1991 Ölquellen in Kuwait anzünden. me zu steigender Rohstoffproduktion drängen. Auf der anderen Seite stehen die demokratisch nicht legitimierten Eli ten der Entwicklungsländer, die nicht am Gemeinwohl ihrer Gesellschaften, sondern an der kurzfristigen Maximie rung des eigenen Wohls interessiert sind und sich gerade wegen des Mangels an Demokratie bereitwillig den Interessen der Wohlstandsdemokratien an Rohstof fen zu Dumpingpreisen durch Überpro Aus urheberrechtlichen Gründen duktion fügen. können wir Ihnen die Bilder leider Das gilt nicht nur für erschöpfbare nicht online zeigen. Rohstoffe. Dumpingpreise für reprodu zierbare Waren aus Entwicklungsländern resultieren vor allem daraus, dass dort auch Löhne mangels Demokratie und freier Gewerkschaften Dumpinglöhne sind. Diese allerdings dienen im Zuge der Globalisierung als wirkungsvoller Hebel, um Niedriglöhne auch in den Industrieländern durchzusetzen. Insofern sind Diktatur und Abwesenheit von frei en Gewerkschaften in Entwicklungslän dern verborgene Bestandteile einer neo liberalen Weltordnung. Unfaire Preise für alle Produkte aus Entwicklungsländern sind die Hauptur sache für die kontinuierlich sinkenden Terms of Trade sowie den Einkommens transfer von Süden nach Norden. Inso fern finanzieren diktatorisch regierte Mohssen Massarrat, gebo- Das Ricardo-Marx-Hotelling-Theorem. Von M. Mas- Länder den Wohlstand von demokra ren 1942 in Teheran, erwarb sarrat in: Das Dilemma der ökologischen Steuerre- tischen Gesellschaften mit. sein Ingenieurdiplom für Berg- form. Metropolis, Marburg 2000 Ricardos Theorie der komparativen bau 1967 an der Technischen Weltenergieproduktion und Neuordnung der Welt- Kostenvorteile und deren neoklassische Universität Berlin, promovierte wirtschaft. Von M. Massarrat. Campus, Frankfurt/ A u t o r u n d L i t e r at u r h i n w e i s e 1974 in Politikwissenschaft an Varianten sind nicht grundsätzlich New York 1980 der Freien Universität Berlin falsch, wie die meisten Kritiker des Süd- und habilitierte sich 1978 für Die Zeitdimension. In: Endlichkeit der Natur und Über- Nord-Wohlstandstransfers behaupten. Es Wirtschaftswissenschaften an der Universität fluß in der Marktökonomie. Schritte zum Gleichge- ist nur eine entscheidende Voraussetzung Osnabrück, wo er heute Professor für Politik und wicht. Von M. Massarrat. Metropolis, Marburg 2000 der Theorie, nämlich die Marktsouverä Wirtschaft ist. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Ökonomie, Demokratietheorie, internatio- Sustainability Through Cost Internalisation. Theore- nität der Anbieter, nicht erfüllt. nale Wirtschaftsbeziehungen sowie Friedens- und tical Rudiments for the Analysis and Reform of Glo- Es liegt auch im wohlverstandenen Konfliktforschung. bal Structures. Von M. Massarrat in: Ecological Eco- Interesse der Industrieländer, die Schaf nomics, Bd. 22, S. 29, 1997 Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und fung dieser Voraussetzung, sprich einer der Besteuerung. Von David Ricardo. 2. Auflage, Me- The economics of resources or the resources of eco- echten Demokratie, zu fördern. Denn tropolis, Marburg 2006 nomics. Von Robert M. Solow in: The American Eco- die neoklassische Theorie verspricht allen nomic Review, Bd. LXIV, S. 1, 1974 Demokratisierung des Greater Middle East. Von M. Beteiligten an einem fairen Handel ei Massarrat in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft The economics of exhaustible resources. Von Harold nen Wohlstandszuwachs – auch denen, 45, 2005 Hotelling in: The Journal of Political Economy, Bd. die bisher von einem Demokratiemangel 39, S. 137, 1931 Bekenntnisse eines Economic Hit Man. Unterwegs auf der anderen Seite profitierten und im Dienste der Wirtschaftsmafia. Von John Perkins. Weblinks zu diesem Thema finden Sie unter www. für die Zukunft um den Verlust dieser Riemann, München 2005 spektrum.de/artikel/852650. Vorteile fürchten. Spektrum der Wissenschaft November 2006 Q 61
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