SPIEL - AUS DER FOTOSERIE: "LOST PLACES" VON CHRISTIAN NAMESNIK - THEATER VERBAND TIROL

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SPIEL - AUS DER FOTOSERIE: "LOST PLACES" VON CHRISTIAN NAMESNIK - THEATER VERBAND TIROL
darstellendes                                          Österreichische Post AG

spiel
                                                           MZ 02Z0300004 M
                           Theater Verband Tirol, Stadlweg 25, 6020 Innsbruck

Nr. 02 | 2020

                Aus der Fotoserie:
                „lost places“
                von Christian Namesnik
                www.chris-namesnik.at
SPIEL - AUS DER FOTOSERIE: "LOST PLACES" VON CHRISTIAN NAMESNIK - THEATER VERBAND TIROL
SPIEL - AUS DER FOTOSERIE: "LOST PLACES" VON CHRISTIAN NAMESNIK - THEATER VERBAND TIROL
Editorial
                            liebe
              Theaterkolleginnen und -kollegen!

        ist das theater systemrelevant?

„Das Theater ist systemrelevant!“ Die-                  wohl meinen?                                           chen (siehe u. a. Rainer Mausfeld; „Wa-
ses Postulat hat man in vergangenen                     Vielleicht das „politische System“.                    rum schweigen die lämmer“, Verlag
Tagen, meist aus den Mündern der                        Wie der/die allseits gerühmte „ein-                    Westend - sehr zu empfehlen). Bester
Kunst- und Kulturschaffenden gehört,                    heimische“ weiß, ist Österreich eine                   Beweis dafür ist der sofortige Reflex der
um auf ihre prekäre Situation aufmerk-                  demokratische Republik. Zumindest                      Systemerhalter*innen, alle Kritiker*innen
sam zu machen. Also nichts Neues.                       auf dem Papier. Wie diese demokra-                     als Verschwörungstheoretiker*innen zu
Was erstaunt ist tatsächlich, dass man                  tische Republik tatsächlich funktio-                   brandmarken. Wollen wir Kunst- und
sich selbst Systemrelevanz zuschreibt.                  niert, kann man nicht nur erahnen,                     Kulturschaffenden also dafür relevant
Seid ihr alle wahnsinnig geworden? Das                  wenn so manches Video auftaucht,                       sein?
Theater ist doch nicht systemrelevant!                  sogenannte „leaks“ öffentlich wer-                     Vielleicht wollen wir es, wenn wir den
Und das meine ich nicht zynisch. Den                    den und bei Nachfragen sich nie-                       Begriff „System“ eher wirtschaftlich
Systemrelevanz-Rollen wird nämlich                      mand an nichts erinnern kann. es                       betrachten. Wir leben ja in einer al-
die erhaltung des Systems zugeordnet!                   ist ja auch schon längst keine Ge-                     les dominierenden sogenannten „so-
                                                        heimnis mehr, dass auch anerkannte                     zialen Marktwirtschaft“. Ich glaube,
Beginnen wir einmal mit dem Begriff                     Wissenschaftler*innen immer wieder                     dass nicht einmal mehr eingefleischte
„System“. Was könnte man denn damit                     von einer „Scheindemokratie“ spre-                     Neoliberalist*innen länger an ihrem ei-

impressum:
medieninhaber, herausgeber und verleger: Theater Verband Tirol, Stadlweg 25, 6020 Innsbruck,
www.theaterverbandtirol.at; thomas@theaterverbandtirol.at
redaktion, graphische gestaltung: Thomas Gassner, Redaktionsmitarbeit: Almud Magis, Stephanie larcher-Senn, Benjamin Nicolussi Castellan, Julia
Jenewein und Sarah Milena Rendel
titelfoto: christian namesnik chn1@live.at; foto-editoral: arnold weißenbach
Druck: Gutenberg/Werbering; auflage: 4.000 Stück
blattrichtung: Das Theatermagazin „Darstellendes Spiel“ ist eine unabhängige und kostenlose Zeitung des Theater Verbands Tirol und erscheint viermal jähr-
lich. Kein Teil des Magazins darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verbands reproduziert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
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genen Etikettenschwindel festhalten           cher will ich da nicht relevant sein.       aus ihren „Allmachtsphantasieträumen“
können. In einer Zeit, in der die Ein-        Kommen wir daher zum Begriff der            reißt. (Dieser Satz gilt natürlich auch ge-
kommens-, Wohlstandsschere so weit            „Relevanz“:                                 gendert.) Soviel zu unserer Relevanz.
aufgerissen wird, dass diese bald in ihre     Etymologisch kommt das Wort aus
Einzelteile zerfällt, sollen wir Kunst- und   dem Lateinischen: relevare – und be-        Daher meine Antwort:
Kulturschaffenden für dieses System           deutet in die Höhe heben. Systemisch        Das Theater ist NICHT systemrelevant.
relevant sein?                                betrachtet ist relevant, wer eine wichti-   Es darf nicht systemrelevant sein! Es
Dann wäre da noch unser geo-gesell-           ge Rolle spielt. Wenn man die aktuelle      muss systemkritisch sein. Es muss
schaftlicher Friedens-Systemversuch           Rolle der Kunst und Kultur betrachtet,      systemunabhängig sein. Es muss zu-
einer Europäischen Gemeinschaft. Der          hat das bestehende System für uns im-       mindest systemegal sein. Es ist auch
Plan wäre großartig. Ein friedlicher, frei-   merhin eine Statistenrolle vorgesehen.      kein Luxus! Und die von uns gewählten
er Verbund aufgeklärter Kulturnationen.       Eine Staatssekretariatsrolle. Immerhin.     Repräsentant*innen sollen ihre Rolle
Die größte Pleite seit dem Wiener Kon-        Aber in die Höhe gehoben werden wir         ernst nehmen und dieses Theater er-
gress! Ich glaube sogar, damals gab           nur, wenn sich wirklich systemrelevan-      möglichen.
es weniger Grenzen als heute. Was für         te Spieler in ihre „Einser-Panier“ hauen,
eine Relevanz könnten wir Kunst- und          auf unbezahlbaren Erste-Reihe-Karten-       Ein theaterfreundliches System ist we-
Kulturschaffenden in diesem System            Plätze sitzen, die sie eh nicht selber      nigstens menschenfreundlich, denn
haben wollen?                                 bezahlen, und sich spätestens beim          Theater öffnet den Geist. Und ein offe-
Vielleicht gibt es da noch ein paar an-       2. Akt von „Irgendwas“ die Spucke           ner Geist ist ein toleranter Geist.
dere Systeme, die man ins Feld führen         aus dem Mundwinkel reiben, wenn sie
könnte, aber mir ist jetzt schon klar – si-   ihre Frau mit einem dezenten „Stesser“      Euer Thomas Gassner

„Kultur erhalten Demo“

                                                                                                                  Foto: Veranstalter

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Inhalt

01   mit rosaroter brille
     Berichte zu aktuellen Themen   04   dies & das
                                         berichte aus der Redaktion
     „Der Rest ist Schweigen“            „Insel der Seligen“ Dialog von
     Bericht von Julia Jenewein          Benjamin Nicolussi Castellen

                                         Infos aus dem Büro

02   mit spitzer feder
     interviews
                                         Das Redaktionsteam stellt sich
                                         vor

     Christine Frei                      Sarah Kane, vorgestellt von Sa-
                                         rah Milena Rendel
     Stefan Hellbert

     Sieglinde Unterweger                „Von der Rampe in den Router“
                                         von Julia Jenewein
     Andrea Steinlechner

     Ernst Spreng

                                    05   KURZ & BÜNDIG

03
                                         Berichte vom Verband
     nah & fern
     berichte aus den bezirken
                                         Volksbühnenpreis 2021
     Heimatbühne Elmen
                                         Ausflug auf die Umbrüggler Alm
     Impropool

     Theaterverein Stumm

     KulturQuarantäne               06   abgespielt
                                         besprechungen
     Theater StubenRein
                                         ABGESAGT
     Volksbühne Nuarach                  eine Auflistung

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MIT ROSA-

       MIT ROSAROTER BRILLE
              Berichte zu aktuellen Themen

 nach einer anfänglichen gesellschaftlichen schockstarre und zweifelsfrei einigermaßen gerechtfertigte
 manche mitte april zu fragen, wie es weitergehen kann. wer die größte lobby hatte, war naturgemäß vo
 darf nicht nur vorwürfe machen. Die verantwortlichen haben sich alle mühe gegeben. Die betroffenen au
 turszene musste sich gehör verschaffen.
 ein bericht von Julia Jenewein.

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ROTER BRIllE

                         Der rest ist schweigen
                         zur „Kultur erhalten“ Demo
                am 20. mai 2020 am landhausplatz in innsbruck

 chtfertigten lockdown-maßnahmen, begannen sich so
urgemäß vorne dabei, wer nicht - eben nicht. aber man
roffenen auch. Dann begann die lockerung und die Kul-

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I
      ch möchte einleitend die sehr        Keine Kurzarbeit, kein Homeoffice,        res Anliegen, zu zeigen, dass dieser
      treffenden Worte von Thomas          kein Publikum, kein Einkommen, ein        Stillstand nicht nur die Künstler*innen
      Gassner aus unserer Redak-           völliger Stillstand. Nach Wochen und      auf der Bühne, sondern genauso all
      tionssitzung zitieren: „Noch         Monaten voller Existenzängste, Un-        die unsichtbaren Arbeiter*innen und
niemals in der Geschichte Tirols ha-       sicherheit und „Stille“ fühlte man sich   Angestellten hinter, unter, über und
ben sich Künstler*innen und Kul-           von der Politik schier ignoriert und im   vor der Bühne trifft, die ihren Be-
turschaffende so vieler Sparten,           Stich gelassen.                           ruf nicht mehr ausüben können. Ich
Veranstalter*innen und Angestellte                                                   wollte sichtbar machen, dass Kunst
der Kulturbranche gleichermaßen auf        Auf einen wutentbrannten Facebook-        Arbeit bedeutet, dass es hier um
einem Platz versammelt. Am 20. Mai         Kommentar („Gehen wir auf die Stra-       unsere Berufe und Existenzen geht,
2020 wurde am Tiroler Landhaus-            ße!“) erhielt ich sofort Zuspruch von     nicht um Spaß und Unterhaltung.
platz, leider in Abwesenheit der (Kul-     Lisa Hörtnagl, Edwin Daniel Hoch-         So versammelten sich am 20. Mai
tur-)Politik, Geschichte geschrieben.“     muth, Alica Sysoeva und Richard           Schauspieler*innen, Regisseur*innen,
Das kann man erst mal so stehen und        Gassel („Wir sind dabei!“). Ich konnte    Bühnen- und Kostümbildner*innen,
auf sich wirken lassen.                    nicht länger untätig zuhause sitzen       Assistent*innen, Inspizient*innen, Büh-
                                           und gab mir selbst ein neues Projekt:     nen-, Ton- und Lichttechniker*innen,
Wie es dazu kam: Nun, ich fand mich,       eine Demo. Ich wollte unbedingt öf-       D r a m a t u r g * i n n e n ,
ironischerweise am Freitag, dem 13.        fentlich auf unsere verzweifelte Lage     Maskenbildner*innen,
März, vor vier abgesagten bzw. ver-        aufmerksam machen und für das             Musiker*innen,       DJ´s,    Bildende
schobenen Theaterproduktionen und          kämpfen, das mir alles bedeutet. Ge-      Künstler*innen,     Veranstalter*innen,
damit der Aussicht auf sechs arbeits-      sagt, getan. Nachdem die Versamm-         Clubbetreiber*innen,        Autor*innen
lose Monate wieder. „Etwas kommt           lung angemeldet und die Veranstal-        und Intendant*innen aller Genres und
mir bekannt vor“ im Theater praesent       tung erstellt war, war ich überwältigt    Sparten, Hochkultur wie Subkultur,
wurde eine Woche vor der Premiere          davon, wie groß die Solidarität der       deren Familienmitglieder und, was
eingestellt, „Nur Kinder, Küche, Kir-      Szene und ihr Bedürfnis ist, in Aktion    besonders schön war, auch unser
che?“ von Triebwerk 7 (ehem. tON/          zu treten. Wie ein Lauffeuer verbrei-     hochgeschätztes Publikum kam zur
NOt) stand kurz vor Probenbeginn,          tete sich der Aufruf zur „Schweige-       Unterstützung. Und nach einem „An-
darauf folgen sollten „Jena Para-          minute für den drohenden Kulturtod“       pfiff“ war es schließlich so weit: Rund
dies“ im Rahmen des Dramatikerfes-         in sozialen Netzwerken und Medien,        450 Menschen standen gemeinsam
tivals und schlussendlich ein langer       wurde dankbar angenommen und              sechs Minuten lang, symbolisch für
Open-Air-Sommer mit dem Team der           fleißig geteilt.                          sechs Monate „Berufsverbot“ mit
„Verkauften Heimat“ bei den Tiroler                                                  Mundnasenschutz mucksmäuschen-
Volksschauspielen. Letzteres liegt mit     Am Tag der Demo stellten wir ca. 30       still und taten, wozu sie verdammt
Abriss der Spielstätte in der Südtiroler   Stühle vor dem Freiheitsdenkmal auf.      wurden: Schweigen. Denn ohne
Siedlung Telfs buchstäblich in Schutt      Mit vorgegebenem Mindestabstand           Kunst, so finden wir, ist alles nichts.
und Asche. Ich befand mich, wie vie-       von einem Meter und hinter Absperr-       Wie dort alle in ihrer Ohnmacht stan-
le Kolleg*innen, völlig im Schockzu-       band sollten sie symbolisch für die       den, bei diesem Anblick ging einem
stand, da man natürlich monatelang         leeren Bühnen und Säle der Häuser,        das Herz auf und über. Die „Schwei-
auf Produktionen hingearbeitet und         Vereine und Venues des Landes ste-        geminute“ entlud sich schließlich in
keine Ahnung hatte, wie es weiterge-       hen. Kurz vor 16 Uhr füllte sich der      zugleich befreienden und beklem-
hen soll. Für die Kunst und Kultur war     Landhausplatz mit immer mehr Men-         menden, minutenlangen Applaus und
es eine Vollbremsung von Hundert auf       schen, die mithilfe von selbstgebastel-   Pfiffen Richtung Landhaus, dessen
Null, eine totale Bruchlandung. Vor al-    ten Schildern ihren Namen und Beruf       Fenster leider während der gesamten
lem für Freischaffende bedeutete das:      offenlegten. Es war uns ein besonde-      zwei Stunden unserer Anwesenheit

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geschlossen und leer blieben.            Tirol hat als kleines Alpenland ein
                                         beachtliches Kunst- und Kulturan-
Ich werde diesen Tag nie vergessen       gebot, auch abseits von Hochkultur,
und danke allen Beteiligten, die dazu    Traditionswesen, Klassik und Volks-
beigetragen haben und dem Aufruf         musik. Die Szene ist bunt, vielfältig,
gefolgt sind. Ich denke, wir konnten,    fleißig, innovativ, mutig und kreativ,
auch dank der Berichterstattung sei-     was auch außerhalb der landes-
tens ORF, Tiroler Tageszeitung, Be-      grenzen längst Beachtung findet.
zirksblättern und Krone, gemeinsam       Kultur will keine Sonderbehandlung
ein wichtiges Zeichen setzen. es         und hält sich für nichts Besseres,
war ein großes Aufeinandertreffen        hier wollen schlicht arbeitende und
mit der „zweiten“ Familie, viele be-     steuerzahlende Menschen als sol-
kannte, aber auch bisher unbekann-       che wahrgenommen werden, dem
te Gesichter strahlten sich an und       Versprechen der Regierung „Nie-
tauschten sich nachher noch rege         mand wird zurückgelassen“ Glau-
über ihre Situation aus. ein trauriger   ben schenken und ihre Berufe nicht
Grund der Zusammenkunft wurde            verlieren, die sie sich hart erlernt und
von einem freudigen Wiedersehen          erarbeitet haben. Die Szene arran-
und Kennenlernen erhellt, schenkte       giert sich bemüht mit allen Auflagen,
Hoffnung und mutierte zugleich zu        Abstandsregelungen und Vorschrif-
einem geschichtsträchtigen ereig-        ten, aber großteils ist es aus Platz-
nis. Als hätten wir es geprobt!          mangel nicht möglich, ansatzweise
                                         rentabel zu wirtschaften. „Vorhang
Ich kann nur nochmal betonen, al-        zu“ ist leider oft die billigere Varian-
les, was die Kunst und Kulturbran-       te und das ist schade, vor allem die
che will, ist Gleichbehandlung mit       Konzert- und eventbranche trifft das
allen anderen Branchen, immerhin         sehr hart. Zahlreiche Freischaffende
sprechen wir über 180.000 Betrof-        und Selbständige fallen durch die
fene in Österreich und haben eine        Raster von Härtefallfonds oder Ar-
jährliche Bruttowertschöpfung in         beitsstipendien, warten immer noch
Milliardenhöhe. Wir sind also auch       auf angekündigte Hilfspakete und
für die Wirtschaft, aber vor allem für   ringen nach lösungen, um Kosten
Geist, Herz und Seele der Gesell-        für Miete und lebenserhaltung auf-
schaft sehr wichtig und es ist trau-     bringen zu können. Verständlicher-
rig, sich hierfür immer wieder aufs      weise ist der Ärger unter Betroffe-
Neue beweisen und rechtfertigen          nen, die weiterhin brav Steuern und
zu müssen. Die „Kulturnation“ Ös-        Abgaben bezahlen, groß. Wir hoffen
terreich rühmt sich gerne mit ihren      sehr, dass Rettung naht, denn eini-
Musiker*innen,      Komponist*innen,     ge Vorhänge werden nach der Krise
Maler*innen. „Kultur“ ist der Haupt-     sonst leider nicht mehr aufgehen.
beweggrund von Touristen, unser
schönes land zu besuchen, noch           Der Rest ist Schweigen.
vor der Natur wohlgemerkt. Mit stolz-
geschwellter Brust kann ich sagen,       Julia Jenewein

                                                                                    darstellendes SPIel | 9
SPIEL - AUS DER FOTOSERIE: "LOST PLACES" VON CHRISTIAN NAMESNIK - THEATER VERBAND TIROL
MIT SPITZER

                 MIT SPITZER FEDER
         Interviews mit Tiroler Autor*innen
Das Redaktionsteam hat sich aufgemacht und Tiroler Autoren und Autorinnen besucht. Die
schreibende Zunft war durch die Auswirkungen der Pandemie weniger eingeschränkt in ihrer
Tätigkeit. Es wird auch Zeit, den Geschichten-Erfinder*innen ein wenig Platz zu geben und sie
                                  zu Wort kommen zu lassen.

                                            CHRISTINE FREI
                                     Die Performerin
                               Im Gespräch mit Almud Magis

W
                     enn    eine    das    Witz genüsslich zerlegen kann, dann ist       sches Ereignis, seien es persönliche Er-
                     erste      prägen-    diejenige ziemlich sicher Christine Frei.     fahrungen, die sowieso immer im Kon-
                     de Jahrzehnt in       Schreib-Anfänge finden sich schon in der      text von Gesellschaft und Geschlecht
                     Süddeutschland        Schule, als Frei Gedichte verfasste und       betrachtet werden.
(Baden-Württemberg), das zweite in         vom Lehrer ermutigt wurde, Schriftstel-       Das Zusammenarbeiten mit anderen
Südtirol (Schlanders), die folgenden       lerin zu werden. Während des Studiums         war von Anfang an ihre bevorzugte Art
Jahrzehnte in Nordtirol (Innsbruck und     der Germanistik und Geschichte in Inns-       des Arbeitens. Zu den Ring-Insignien
Umgebung) verbracht hat, dann ist sie      bruck putzte sie abends in einer Werbe-       und Farbcode-Bildern ihres Mannes
wohl aufmerksam geworden auf die ei-       agentur. Wie in einem amerikanischen          machte sie Textessenzen, ebenso zu
gene Sprache. Auf deren Klang, deren       Film sah sie sich neugierig die Texte an,     Bildern einer Fotografin, die sie beein-
Wörter, deren Dialekte, deren Sprach-      die auf den Bürotischen herumlagen,           druckte. Dann begann sie, ihre Gedich-
ebenen. Wenn sie dann auch noch in         und fand, das könne sie auch oder bes-        te zu performen, und das wiederum
unterschiedlichen Branchen gearbeitet      ser. Sie stieg in die Branche als Texterin    brachte sie zum Theater, als ein Teil des
hat (Werbung, Politik, Industrie, The-     ein, lernte, verschiedene Textsorten zu       lyrischen Zyklusses „Geliebtes Phan-
ater, Bankwesen, Kommunikation),           schreiben, setzte aber später noch eine       tom“ für eine freie Theaterproduktion
dann hat sie nicht nur etwas, sondern      Weiterbildung in PR und Kommunikation         ausgesucht wurde. Immer wieder hat
viel zu erzählen und zu gestalten. Wenn    drauf. So bereicherte sie ihre Kenntnisse     sie anlässlich bestimmter Ereignisse
sie dazu noch kreativ ist, engagiert in    um Werbe- und Business-Sprache, was           (wie Innsbrucker Theaterfestival oder Ti-
Gesellschaft und Medien, zudem über        ihr immer wieder zugute kommt, z.B. in        roler Dramatikerfestival) mit der Gruppe
eine poetische, elaborierte Sprache        ‚Bonus-Track‘ 2010, eine Auftragsarbeit       coop.fem.art Stücke gezeigt - ‚Stiefwitt-
und gestalterische Mittel verfügt, alles   für „Theater trifft“, die sich mit dem Bör-   chen‘ 2008, ‚Sirenen.Probe‘ 2012 oder
miteinander zu verbinden und durchei-      sencrash auseinander setzt. Christine         ‚Brautstehlen‘ 2014, die ihre Lust an der
nander zu wirbeln, so dass sie unsere      Frei schreibt vor allem dann, wenn sie        Antike, an Archetypen, Märchen und
Gesellschaft mittels Poesie, Ironie und    von etwas bewegt wird, sei es ein politi-     Erzählungen, alles gut geschüttelt und

10 | darstellendes spiel
FEDER

gerührt, verdeutlichen.                      Foto: Privat
Ein besonderes Highlight war 2008 die
Kooperation mit dem Landestheater,
genannt ‚Tanzen und Wandern‘. Wer
dabei war und es genießen konnte, wird
den Theaterabend im Gedächtnis be-
halten. Freis Texte, eingebettet in eine
wechselnde Landschaft, durch die man
von Innsbruck mit der Straßenbahnn an
den Lanser See fuhr bzw. wanderte. Bei
verschiedenen Stationen bekamen die
Besucher*innen unterschiedliche Sze-
nen serviert. Unvergesslich die Zwerge
der Tante Gert (bei der Haltestelle Tan-
tegert), die Weise Frau, das streitende
Ehepaar. Für Frei ein Glücksfall an ge-
lungener Kooperation zwischen Autorin,
Regie, Musik und Natur. Eine Wahrheit
lernte die Autorin: Das Publikum liebt
auch das, was von der Kritik abgelehnt
oder überhaupt verschwiegen wird.
Dreimal wurde ‚Tanzen und Wandern‘
wiederholt, weil der Publikumsandrang
so groß war, jedoch erschienen keine
Kritiken und auch fast keine Kolleg*innen
vom Fach. Ähnliches erlebte sie, als sie
in Telfs bei den Volksschauspielen 2016
‚Die disziplinierte Tirolerin‘ im Krane-
witter Stadl zeigte, ein Stück, das die
Kritiker*innen ob der lebensfernen und       Ein Beispiel aus ‚Tanzen und Wandern‘: III. äxte und texte
unverständlichen Sprache verrissen,
aber vom Publikum und der lokalen
                                             erich:
Presse besonders wegen der guten Ver-
ständlichkeit und Lebensechtheit gefei-
                                             ich bin am weg.                der
ert wurde.                                   sonst bin ich weg.             er schert sich um nichts
Ihre     lyrisch-poetisch-spritzig-frechen   muss endlich die mailbox       außer
Texte entziehen sich der Kategorie Lyrik     neu besprechen.                um seins und haben
oder Dramatik und sind einfach beides        ich bin am weg für sie.        also noch mal
sind: lyrisch und dramatisch.                was soll das heißen.           ich bin für sie

                                                                                                   „
Diese zu lesen, ist gar nicht einfach,
                                             wir sind für sie unter-        unterwegs nach irgend-
denn die Autorin hat bislang noch auf
Publikationen oder Verleger*innen ver-
                                             wegs.                          wo
zichtet. Schade. Viele warten darauf,        wir von gottes gnaden          ihnen die kohlen aus dem
dass sie der Flüchtigkeit Dauer verleiht.    der gott ist ein sharehol-     feuer zu holen

                                                                                     darstellendes spiel | 11
stefan hellbert

                                  Der Vielseitige
                           Im Gespräch mit Julia Jenewein

 Foto: Privat

                                               stefan hellbert ist 1963 in innsbruck
                                               geboren und im sellraintal aufge-
                                               wachsen. Der gelernte büromaschi-
                                               nenmechaniker    lebt   und   arbeitet
                                               heute in Jenbach und Kramsach. seit
                                               seinem 17. lebensjahr spielt stefan
                                               hellbert theater, 1980 begründete er
                                               u.a. die „heimat lose bühne seilrain“
                                               (mittlerweile „melachbühne sellrain“).
                                               seit 1995 schreibt stefan hellbert au-
                                               todidakt theaterstücke, in seinen 15
                                               veröffentlichten und zahlreich aufge-
                                               führten volksstücken erzählt er die
                                               meist tragische geschichte fiktiver
                                               und realer tiroler charaktere. wir ha-
                                               ben ihm dazu ein paar fragen gestellt.

                                 „
                ursprünglich inspiriert haben mich die erzählungen mei-
                ner großmutter!

12 | darstellendes SPIel
Nah & fern

Lieber Stefan, du hast fünfzehn              zoll“ 2008 am Originalschauplatz in
Dramen verfasst, bist aber nicht             Schnann am Arlberg.
hauptberuflich Dramatiker?

                                                                                           Wilhelm
                                             Woher nimmst du deine Inspirati-
Genau. Ich bin Produktentwickler, las-       on und wie lange arbeitest du an
se mich aber als Autor stets inspirieren.    einem Stück?
Ich verfasse seit 1995 Stücke mit und
ohne Auftrag, schreibe auch szenische
Stadtführungen, Knappenspiele oder
                                             Ursprünglich inspiriert haben mich die
                                             Erzählungen meiner Großmutter, und
                                                                                           Köhler
                                                                                           Verlag
Gasthaustheater. Als Drehbuchautor           auch heute noch bereite ich aus Zeit-
ist es vielleicht leichter, aber als Thea-   zeugenberichten und historischer Re-
terautor zu überleben ist hart, vor allem    cherche Themen auf, die mich fesseln.
mit Familie unmöglich. Aber Traum und        Viele meiner Figuren hat es wirklich
Leidenschaft ist es immer geblieben.         gegeben, mir ist es wichtig, das zu do-
                                             kumentieren. Im Normalfall arbeite ich
                                                                                          NEUE ADRESSE:
Vor einiger Zeit wäre immerhin fast
meine Fassung von Günter Grass‘ „Die         an einer Fassung zwei bis drei Mona-           D-81825 München
Blechtrommel“ am Theater in der Jo-          te, präzise historische Recherche, wie         Rauschbergstr. 3a,
sefstadt gespielt worden.                    bei meiner Trilogie aus der NS-Zeit,       Tel.: 0049/89/3605489-0
                                             dauert aber länger. Mich interessieren
                                             ähnliche Schicksale und Hintergründe
                                                                                        Telefax 0049/89/3615196
Deine Stücke werden von Dorf- und
Laienbühnen zahlreich aufgeführt.            wie den Felix (Anm.: Mitterer), aber er    wilhelm-koehler-verlag.de
Wie oft bekommst du Anfragen                 ist mir leider immer einen Schritt vor-
und: Hast du eine Lieblingsinsze-            aus, wie z.B. mit den Südtirolern bei     Volksstücke, Komödien,
                                             der Verkauften Heimat (lacht).
nierung?
                                                                                        Lustspiele, Schwänke
Ich bekomme bestimmt zwei bis drei           Woran arbeitest du im Moment?
                                                                                             und Boulevard
Anfragen im Jahr, es gibt Aufführun-
gen in Nord-, Ost- und Südtirol, Bay-        „Schlafes Bruder“ wird hoffentlich              in Dialekt und
ern, Oberösterreich, Niederösterreich        bald, nach Corona, in Rattenberg ur-
u.v.m. 2002 wurde z.B. „LaGrand“ und         aufgeführt. Außerdem arbeite ich an              Hochdeutsch
2003 „Die Polaggenhur“ im Theater im
Lendbräukeller oder 2004 „Vakuum
                                             „Die langen Leiden der Anna Peer“, ei-
                                             nem Euthanasieopfer aus Sellrain, die
                                                                                         Bräutigam, Kaspari,
oder Alles Puschkin“ bei den Tiroler         in Hartheim bei Linz verhungerte. Mir      Kling, Landstorfer, Lex
Volksschauspielen erfolgreich uraufge-       geht der Stoff „zum Glück“ nicht aus.
führt. Mein meistgespieltes Werk ist die                                                  Pfaus, Pohl, Santl,
                                             Vielen Dank lieber Stefan Hellbert, für
2011 entstandene Bühnenfassung von
„Die Siebtelbauern“ nach dem gleich-         das interessante Gespräch und wei-             Schaurer, Vitus
namigen Film von Stefan Ruzowitzky.          terhin viel Erfolg!
                                                                                          Wallner, Willinger
Besonders in Erinnerung geblieben
ist mir die Uraufführung von „Seelen-                                                            u.v.m.
                                                                                          suche auch unter:
                                                                                            theatertexte.de
                                                                                       theaterverbandtirol.at
                                                                                              darstellendes spiel | 13
MIT SPITZER

                              SIEGLINDE UNTERWEGER
                                Die Bewundernswerte
                           Im Gespräch mit Thomas Gassner

                           Mein Wunsch ist es, zur allgemeinen
                           Erheiterung des Lebens beizutragen!   „
        Es war ein launiger Nach-
        Quarantäne- Vormittag
        und ich machte mich auf,
        meinen       ersten    Besuch
        zu starten. Eine freund-
        liche, ältere Frau öffnete
        mir die Tür. Ihre ganze Le-
        bensgeschichte zu hören,
        hat mich tief bewegt. Sie
        meistere alle Herausforde-
        rungen, indem sie schreibt
        – Komödien. Was für ein
        Vorbild. Was für eine star-
        ke Frau!

                                         Foto: Privat

14 | darstellendes spiel
FEDER

Frau Unterweger, könnten Sie sich             mich der Wunsch, die für mich zu streng     Rausch.
bitte ein wenig vorstellen?                   verfasste Schöpfungsgeschichte mit          Ich muss atmen,
                                              der heutigen Zeit, in Form einer heiteren   mein Lauschen in mir entzünden!
Mein Name ist Sieglinde Unterweger.           Darstellung, den Menschen näher zu          Träume ich?
Ich bin eine 67jährige Innsbruckerin          bringen.                                    Die Flammen werden größer!
und Mutter von fünf Kindern. Die eige-                                                    Ein Fliehen der Worte,
ne Kindheit habe ich aufgrund der Al-         Wie geht’s bei Ihnen weiter?                ein Begehren.
koholkrankheit meiner Mutter in einem
Kinderheim verbracht. Mit 16 Jahren           Es würde mich natürlich riesig freuen,      Der Regen,
entdeckte ich meine Liebe zur Dicht-          wenn eine Bühne eins meiner Stücke          blasse Schimmer wehen sich mir
kunst. Das erste Gedicht, das ich dazu-       spielen und ich zur allgemeinen Erheite-    			entgegen.
mal verfasste, beschäftigte sich mit dem      rung des Lebens beitragen könnte. Das       Februarnacht
Problem meiner Mutter. Es erschien mir        ist es, was mir am Herzen liegt.
wie eine Entlastung, als ich diese Zeilen                                                 Sie ruft zu mir!
zu Papier brachte. Dem folgten noch ein       Danke für das Gespräch.                     „sei reich an Gaben,
paar Gedichte und anschließend eine                                                       welche dich reinigen
größere Pause. Mit 25 Jahren dräng-           Übrigens haben wir schon ein Stück von      so wie ich das Land.“
te es mich wieder, ein paar Zeilen zu         Sieglinde Unterweger in unserer Biblio-
schreiben und es folgten mehrere Ge-          thek aufgenommen, und man kann es           Wieder ein Licht,
dichte und Balladen.                          gerne zum Lesen ausleihen. Andere fol-      das in seiner Hoffnung drängt.
In der Zwischenzeit hatte ich geheiratet      gen.
und schenkte meinen fünf Kindern das          „A himmlische Habari“ Bibliotheknum-        Ich will es lösen
Leben.                                        mer: 563-04                                 das Rätsel in mir!
                                                                                          Es ist so schön
Wie kamen Sie dazu, Theaterstücke                                                         zu wandern,
zu schreiben?                                                                             zu träumen.

Mein Familienleben, das ich im Laufe          Hier ein Textauszug aus ihrem letzten       Ich hebe meinen Blicke zum Him-
der Jahre mit meinen halbwüchsigen            Gedicht:                                    mel empor,
Kindern führte (und das ebenfalls mit                                                     bergkristallengleich
schweren Schicksalsschlägen gespickt          Der Poet                                    Gestirne des Kosmos bereiten
war), war auch immer wieder mit obsku-                                                    sich
ren Überraschungen versehen, sodass           Tröpfelnd im Winde                          vor,
ich die nötige Inspiration erhielt, darüber   neigt sich Ergießen zu den Arealen          denn der Wind,
Komödien zu schreiben. Vier meiner Ko-        Dunkelheit,                                 wie sein winterlicher Regen
mödien verfasste ich mit dem Obertitel:       Einsamkeit,                                 neigte sich.
„Bei uns ist immer was los!“. Das erste       schenkt friedvoll Erschauern
Stück hieß: „Der ganz normale Alltag.“        Wohlige Wärme                               (das ganze Gedicht liegt der Redak-
Dann folgten: „Liebe, Scheidung und           Singend greift meine Liebe zur Feder        tion vor)
Moneten“, „Der Computer als Schür-            Worte,
zenjäger“ und „Großmutter auf Abwe-           Gedanken, Innerlichkeit
gen“.                                         pulsierend tragend,
Bei „A himmlische Habari“ überkam             treiben Gefühle in poetischem

                                                                                                      darstellendes spiel | 15
MIT SPITZER

                                           Andrea Steinlechner
                              Die Radikale
               Im Gespräch mit Benjamin Nicolussi Castellan
Andrea Steinlechner befindet sich seit Beginn der Coronakrise auf La Palma. In einer Blase, fern vom
Trubel Innsbrucks, um mit sich selbst wieder ins Reine zu kommen. Sie betätigt sich dort hauptsächlich
als Gärtnerin, sodass ich sie mit meiner Anfrage um ein Interview erst wieder daran erinnerte, dass sie
ja auch Autorin ist. In einem Telefonat über mehr als 4000 km sprechen wir etwa eine dreiviertel Stunde
über Wölfe, Begehren und Theater.

Seit wann schreibst du?                     es dadurch niederschreiben. Und das         Der Hintergrund ist immer Sexualität,
Ich schreibe jetzt seit ungefähr 25 Jah-    ist mir wichtig.                            und Menschen, die das nicht zugeben,
ren.                                                                                    verleugnen diesen Umstand. Es ist im
                                            Worum geht es in deinen Texten?             Unterbewusstsein verankert und hat
War Autorin ein Wunschberuf?                In meinen Texten geht es um das Frau-       von der Geschlechtsreife bis ins hohe
Nein, eigentlich nicht. Ich habe nur im-    Sein und das Begehren. Das Wort „Lie-       Alter immer mit Sexualität zu tun. Und
mer mein Seelenleben zu Papier ge-          be“ ist für mich die größte Lüge auf die-   eine gute Sexualität ist der Hauptnähr-
bracht, und durch Egon A. Prantl habe       ser Welt, und alles, was zwischen zwei      boden für eine gute Beziehung.
ich dann mit ihm zusammen den ersten        Personen, zwischen Mann und Frau,
Roman veröffentlicht. Und so bin ich zur    abläuft, ist immer eher Begehren. Denn      Entspricht das nicht auch der patri-
öffentlichen Autorin geworden.              solange man einen anderen Menschen          archalen Vorstellung, die Frauen auf
                                            begehrt zum Beispiel, tut man ihm nicht     ihre Sexualität reduziert?
Romane, Gedichte, Theaterstücke.            weh. Wie viele liebende Ehemänner be-       Ich habe mich nie dadurch betroffen ge-
Schreibst du alles?                         trügen ihre Frauen und sagen gleichzei-     fühlt. Für mich ist es etwas Natürliches.
Gedichte und Theaterstücke sind meine       tig: „Ich liebe meine Frau“?                Ich finde es schade, dass die Frau ihr
Stärke. Ich bin keine Prosaschreiberin.                                                 Frau-Sein aufgibt, wenn sie lieber in den
Außerdem sind fast alle meine Gedichte      Begehren ist also aufrichtiger als          Swingerclub geht, um mit „Anonym“ zu
autobiographisch. Meine Stücke haben        Liebe?                                      vögeln, anstatt sich von einem Mann
immer einen wahren Hintergrund und          Ja, schau, es ist eine ganz einfache        begehren und anflirten zu lassen. Au-
Bezug zu meinem Leben. Auch meine           Schlussfolgerung: Wenn du eine Frau         ßerdem ist man heutzutage so frei, dass
Lyrik.                                      begehrst, sei es deine Ehefrau, Freun-      man sich sein Gegenüber aussuchen
                                            din oder Geliebte, dann wird es dir nie     kann, und wenn die Vorstellungen des
Sollte Autorenschaft deiner Mei-            in den Sinn kommen, sie zu betrügen.        anderen einem nicht passen, muss man
nung nach immer auch autobiogra-            Liebe ist hier das falsche Wort, das ver-   eben sagen, das ist nicht mein Partner,
phisch sein?                                wende ich in anderen Kontexten. Ich lie-    oder so. Aber sich aneinander klam-
Ja, das denke ich schon. Weil es dann       be meine Enkelkinder zum Beispiel.          mern und ein Kompromissleben leben,
authentischer ist und nicht irgendeiner                                                 nur weil man gemeinsam ein Haus ge-
Phantasie überlassen. Und ich kann im-      Ist das Begehren immer auch sexu-           baut hat oder eine gemeinsame Firma
mer sagen: „Das habe ich erlebt“ und        ell?                                        hat, das sind alles Fallen, in die wir heut-

16 | darstellendes spiel
FEDER

zutage hineintreten. Und Sexualität wird     gekommen, und dabei sind wir dann            leicht Schwierigkeiten bekomme, aber
hier immer ganz weit hinten angestellt,      auch geblieben.                              ich bin wohl ein zu kleines Licht, und so
in den Ehen, in den Langzeitbeziehun-                                                     ist das Ganze dann ziemlich sang- und
gen. Ich habe mich damit intensiv be-        Deine Texte sind auch oft sehr kri-          klanglos über die Bühne gegangen. In
schäftigt und mich bei Onlinedating-Sei-     tisch. Fühlst du dich verstanden?            meinem Stück „Damenabend“, das
ten angemeldet, um dort ein bisschen         Ja, ich prangere die Gesellschaft sehr ra-   2016 beim Dramatikerfestival war, habe
zu spionieren. Das waren vorwiegend          dikal an. Und ja, die „Lustreise“ war zum    ich fünf Archetypen von Frauen auftre-
verheiratete Männer, mit denen ich zu        Beispiel damals (Anm. 2011) im verbale       ten lassen, und ich habe gewusst, dass
tun hatte. Und da fragt man sich dann,       forum am Innrain, und dort waren vie-        sich 90% der Anwesenden damit identi-
was führt dieser Mann für eine Ehe? Ich      le junge Psychologiestudent*innen, die       fizieren können.
spreche mit vielen Menschen und habe         stundenlang mit mir geredet haben, weil
die Gabe, dass sie mir auch recht intime     sie verstehen wollten, was in Begehren       Arbeitest du derzeit an einem neuen
Dinge erzählen, und in meinen zweiund-       und Sexualität alles drinsteckt. Ich den-    Stück?
sechzig Jahren ist mir noch keine glück-     ke, dass, wenn die Menschen sich inter-      Derzeit nicht, ich habe gerade eine
liche Ehe untergekommen. Heute ist die       essieren, ich schon auch kleine Lichtlein    gewollte Schreibblockade. Aber mein
Frau klüger und wechselt ihre Partner.       anzünden kann. Ich habe zum Beispiel         nächstes Stück wird dann bald heraus-
Es ist ganz selten, dass eine Frau bis       in Tunesien gelebt und dort meine „Wüs-      kommen. Es handelt von jungen Men-
fast ans Lebensende mit demselben            te“ geschrieben, die auch beim Dramati-      schen und was da abgeht bei uns, ei-
Partner zusammen ist.                        kerfestival auf der Bühne war, über den      gentlich europaweit, und wird so ähnlich
                                             Libyenkrieg und habe darin die Nato          wie Kafkas Prozess.
Aber wünscht sich nicht jeder                ziemlich angeprangert. Ich habe mir sei-
grundsätzlich eine beständige Be-            nerzeit gedacht, dass ich deshalb viel-      Vielen Dank für das Gespräch.
ziehung?
Doch, klar. Und man wünscht sich auch
deshalb die alten Beziehungsmodel-
le zurück, weil die Frau in ihrer ganzen
Emanzipation eigentlich wahnsinnig
viele Fehler gemacht hat. Sie hat den
                                                                                                    In meinen
Mann zur Schnecke gemacht, als klei-
ne Würmchen kriechen unsere Männer
                                                                                                    Texten geht
jetzt umher, und die Frauen werden im-
mer stärker. Frau steht jetzt aber alleine
                                                                                                    es um das
da, ohne ihren Wolf an ihrer Seite, weil                                                            Frau-Sein
den hat sie vorher zunichte gemacht.
                                                                                                    und das

                                                                                                                      „
Der Wolf ist ja ein zentrales Bild in
deiner Sprache.                                                                                     Begehren.
Ja, der Wolf. Ich war ja Langzeitgeliebte
des Egon A. Prantl und wir haben uns
eigentlich als Outlaw-Menschen ver-
standen, die mit ihren ganzen Ansichten
gegen die Gesellschaft leben, und da ist
uns der Wolf als Synonym für „hart im           Foto: Privat
Nehmen“ und Verruchtheit in den Sinn

                                                                                                          darstellendes spiel | 17
MIT SPITZER

                                       ernst spreng
                                 Der Sensible
                     Im Gespräch mit Stephanie Larcher-Senn

ernst spreng ist ein 49jähriger schwazer, der nach seiner zeit als Journalist „noch was anderes“ machen wollte
und einfach nochmal studierte, um lehrer zu werden. nach der pädagogischen akademie hat es ihn durch zu-
fall nach hopfgarten verschlagen, wo er inzwischen seit fünf Jahren lehrer für sonderpädagogik und inklusive
bildung ist. als ob das nicht schon eine interessante geschichte an sich wäre, hat er außerdem vor zehn Jahren
begonnen, theaterstücke zu schreiben. Das ist nun mein grund, warum ich mich aufgemacht habe – in zeiten von
corona natürlich nur zu meinem schreibplatz – um mit ernst spreng zu telefonieren.

                                                                 wie sind sie zum schreiben gekom-
                                                                 men?

                                                                 Das Schreiben hat immer irgendwie zu
                                                                 meinem leben gehört. Ich war ja Jour-
                                                                 nalist und habe lange Zeit die Sehnsucht
                                                                 verspürt, mehr zu schreiben. Vielleicht
                                                                 ein Buch, dachte ich, aber schlussend-
                                                                 lich wurden es dann Theaterstücke. In
                                                                 meinem Fall waren es eigentlich sehr
                                                                 oft Anfragen. Man kennt viele leute
                                                                 und wird dann immer mal wieder ange-
                                                                 sprochen. „Was kann man denn da ma-
                                                                 chen?“ Und die Antwort war mein erstes
                                                                 Theaterstück. Der Tourismusverband
                                                                 St. Anton wollte vor zehn Jahren das
                                                                 100jährige Bestehen eines Museums
                                                                 feiern und fragte mich, was ich mir da so
                                                                 vorstellen könnte. Und schon waren die
                                                                 Idee und bald auch das Stück dazu ge-
                                                                 boren. Inzwischen wurden bereits zehn
                                                                 meiner Stücke in Tirol aufgeführt.
          Foto: Privat

18 | darstellendes SPIel
FEDER

wie gehen sie beim schreiben vor?            tivierte Arbeitsgruppe.                        letztendlich haben wir ihn wegen der
                                                                                            location gewinnen können. Als er mit
Ich habe immer ein kleines Büchlein bei      was interessiert sie persönlich an             mir die Kirche betrat, war klar, er muss
mir, in das ich Sätze oder Aussagen rein-    dieser geschichte?                             die Regie übernehmen.
schreibe, die mich irgendwie angespro-       Zum einen ist es die Sehnsucht, etwas
chen haben. Sei es aus der Zeitung, in       Besonders zu tun. Der Glasfabrikant,           was wollen sie jenen mitgeben, die
einem Theaterstück, das ich sehe, oder       ein klassisch gläubiger Mensch, woll-          sich zum ersten mal an das schrei-
wenn irgendwer was Kluges sagt. Dann         te diese Kirche für seine Mitarbeiter          ben eines stück heranwagen?
kommt die Idee zu einem bestimmten           bauen lassen. Und zum anderen ist es
Thema, das mich interessiert. Bei mir        das Scheitern. Wie geht jemand mit so          Wer Bock darauf hat zu schreiben,
steht dann der Titel meist schon als ers-    großer Sehnsucht damit um, wenn die            sollte sich eine Geschichte aus der
tes fest. Dann kommt das Grundgerüst,        Vision scheitert? Natürlich habe ich die       Umgebung suchen, die man selbst
ich mache mir Notizen und entwickle          Geschichte dann mit zwei Protagonis-           spannend findet, und diese weiterspin-
den roten Faden bis zum ende mit Hö-         ten - einem liebespaar - versehen, an          nen. Am besten, man spricht mit vielen
hepunkt und der Frage ob es ein Hap-         deren Beispiel das Scheitern miterlebt         leuten, hört dabei vor allem gut zu und
pyend gibt oder nicht. Den roten Faden       wird.                                          bleibt immer neugierig. Dann fliegen
notiere ich auf Flipcharts in Stichworten.                                                  einem die Geschichten richtig zu. Vom
Als nächstes mache ich mich an die           wann wird das stück gespielt?                  Daheimsitzen und Fernschauen wird
entwicklung der Charaktere. Und dann                                                        niemand Theaterautor.
kommt das Schreiben. Das ist dann ein-       Ursprünglich war es für Juni 2020 ge-
fach das Handwerk, wo ich die Punkte         plant, aber da hat uns Corona einen            lieber ernst, es war ein sehr interes-
(einleitung, Hauptteil, ende, wo kommt       Strich durch die Rechnung gemacht.             santes Gespräch. Ich kann es kaum
die Pause?) abarbeite und die Dialoge        Wir haben lange überlegt, es aber letzt-       erwarten, das Stück „Glashütt – Die
entwerfe. Ich nehme mir dann kompakt         endlich auf Juni 2021 verschoben. Zum          Sehnsucht des Sandkorns“ im Juni
Zeit und schreibe bis zu acht Stunden        Glück haben die Sponsoren die Mittel           2021 zu sehen!
am Tag.                                      auch für nächstes Jahr schon zugesagt.
                                             Da sind wir alle sehr dankbar. es ist ja ein   Stephanie larcher-Senn
wie kam es zu dem aktuellen stück            Riesenprojekt. Bis auf den Strom muss
„glashütt“?                                  wirklich alles an den Spielort gebracht
                                             werden. Aber der Aufwand ist es auf je-        (Projektbeschreibung von „Glashütt“
Der Bürgermeister von Hopfgarten hat         den Fall wert. Da ist eine Atmosphäre,         auf den nächsten Seiten.)
das Thema angeregt und fand mit dem          die man kaum beschreiben kann. Das
Tourismusverband, der Volksbühne             muss man einfach gespürt haben. Das
Hopfgarten und mir als Autor eine mo-        hat auch Markus Plattner überzeugt,

                                                                                                           darstellendes SPIel | 19
„Glashütt –
              Die Sehnsucht des Sandkorns“
                                             von Ernst Spreng
Auf Initiative der Marktgemeinde Hopfgarten wird die Kirchenruine Hörbrunn zum Schauplatz
eines Theaterstückes. Der Tiroler Autor Ernst Spreng schrieb ein Stück für die Volksbühne
Hopfgarten über Sehnsucht und Scheitern – und warum diese Kirche nie zu Ende gebaut wurde.

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              000 hat die Gemeinde          sein dürfte. Er baute für die Kinder sei-    tigen Kirche heiraten. Jeder von ihnen
               Hopfgarten im Brixen-        ner Mitarbeiter*innen eine eigene Schule     hat seine Sehnsüchte. Alle glauben da-
               tal damit begonnen, ei-      und begann, direkt neben seiner Glas-        ran, dass sich ihre Träume bald erfüllen
               nen besonderen Ort der       fabrik eine Kirche zu bauen. Dann holte      werden. Doch Glück und Glas brechen
Nachwelt zu erhalten. Die Kirchenruine      den Glasfabrikanten und seinen Traum         leicht. In ganz Europa wird auf das Li-
Hörbrunn im Ortsteil Glashütt ist Zeuge     von einer eigenen Kirche die wirtschaft-     ter-Maß umgestellt, in der Glasfabrik
einer Zeit, in der in diesem abgeschie-     liche Realität ein. Die Glasfabrik konn-     bei Hopfgarten wird weiter ein anderes
denen Ort zwischen Hopfgarten und           te nicht mehr gewinnbringend geführt         Hohl-Maß produziert.
Kelchsau eine florierende „landesfürstli-   werden. Die Kirche wurde nie zu Ende         Auch der Bahnbau durch das Brixental
che Glasfabrik“ stand, die in ihrer Hoch-   gebaut.                                      verzögert sich, und die Geschäfte laufen
zeit rund 200 Menschen Arbeit gab.          Heute ist die Kirchenruine mitten im         so schlecht, dass die Glashütte nicht
Die Ruine ist aber auch Zeitzeuge des       Wald abseits von jeglichem Trubel ein        mehr wirtschaftlich zu führen ist. Der
Niedergangs der Glashütte. Die Kirche –     Platz, der viele Menschen magisch in         Kirchenbau wird eingestellt, Pavel muss
gedacht für die Arbeiter*innen der Glas-    seinen Bann zieht. „Wir möchten hier         zurück nach Tschechien. Und Marie?
hütte – wurde nie zu Ende gebaut.           ein Theatererlebnis schaffen, das die        Sie hält an ihrer Sehnsucht fest, an die-
Neben den historischen Bezügen han-         Zuschauer*innen für zwei Stunden in          sem Ort ihr Glück zu finden. Wird sie an
delt „Glashütt – Die Sehnsucht des          eine andere Zeit und Welt führt und die-     ihren Sehnsüchten scheitern?
Sandkorns“ aber auch von aktuel-            sen Ort mit Licht, Musik und Schauspiel      „Das Stück zeigt nicht nur die Geschich-
len Themen. Dem Schriftsteller Ernst        für kurze Zeit wieder zu dem machen,         te dieses Ortes auf“, erklärt Autor Ernst
Spreng, der als Lehrer in Hopfgarten        was es einst war: eine fast fertige Kir-     Spreng. „Es befasst sich vielmehr damit,
einen starken Bezug zur Gemeinde            che“, erklärt Autor Ernst Spreng. Die        wie wir mit unseren Sehnsüchten um-
hat, ist es gelungen, in das historische    Schauspieler*innen kommen von der            gehen – und dem damit verbundenen
Stück aktuelle Elemente zu integrieren.     Volksbühne Hopfgarten, für die Regie         möglichen Scheitern.“ So entstand auch
Thematisiert werden das Scheitern einer     steht ein bekannter Tiroler Regisseur zur    der Titel des Stückes. Aus einzelnen
großen Idee und die unbändige Sehn-         Verfügung – Markus Plattner.                 Sandkörnern wird in der Glasschmel-
sucht des Menschen, Teil von etwas Be-                                                   ze ein größeres Ganzes, ein schönes
sonderem zu sein.                           Der Inhalt                                   Glas. Aber dieses Glück, Teil von etwas
                                            Rund um 1870 ist die Welt in Glashütt in     Größerem zu sein, ist zerbrechlich. „Die
Der Spielort                                Ordnung. 200 Menschen arbeiten hier,         menschliche Sehnsucht ist eine der gro-
Die Kirchenruine Hörbrunn hat eine un-      Glasherr Franz Friedrich ist stolz darauf,   ßen Triebfedern unseres Lebens“, meint
gewöhnliche Geschichte. Sie war die         bald seine Kirche fertiggebaut zu haben.     der Autor, „wir müssen aber auch da-
Idee des Glasfabrikanten Franz Fried-       Die junge Marie ist in den Glasschleifer     mit umgehen können, dass sich Träume
rich, der in der Zeit des 19. Jahrhun-      Pavel verliebt. Die beiden versprechen       mitunter nicht erfüllen.“
derts ein sozialer Arbeitgeber gewesen      sich, die ersten zu sein, die in der fer-    Quelle: Ernst Spreng

20 | darstellendes spiel
NAH & FERN

                                    NAH & FERN
                   Berichte aus den Bezirken

                      Theater für alle!                                                     heimatbühne

  Die geschichte der heimatbühne elmen beginnt ende der 70iger Jahre.
                                                                                                   elmen
Damals wirkte man bei diversen faschingsumzügen mit und bei zahlreichen
faschingsbällen wurden Kurzspiele („Die Drachentöter“, „Der gefangenen-
                                                                                                reutte
      chor aus nabucco“, „cats“, „Die vier Jahreszeiten“) aufgeführt.

A
               us diesem harten Kern,     gestellten Gemeindesaal statt. Im lau-    Seit unserem Bestehen wurde jedes
               dieser beinahe schon       fe der Jahre erfreute sich das Theater    Jahr ein neues Stück inszeniert, wobei
               als „Faschingsgilde“ zu    immer größerer Beliebtheit und immer      wir „fröhlichen Stücken“ der Spielplan-
               bezeichnenden Gruppe,      mehr Zuschauer*innen folgten unseren      gestaltung treu geblieben sind.
taten sich dann einige Personen zusam-    einladungen. Auch außerhalb unserer       Die Kameradschaft und die Freude am
men und beschlossen auf Initiative von    gewohnten Spielstätte brachten wir die-   Theaterspiel wird in unserem Verein
Rosa Friedle, die Heimatbühne elmen       se zum lachen. Aufführungen in lech       großgeschrieben. Wir sind eine kleine,
zu gründen.                               am Arlberg, Steeg, Stanzach und Brei-     lustige Truppe und freuen uns, das Pub-
Werner Ginther, derzeitiger Obmann        tenwang schweben noch in unseren er-      likum immer wieder zu begeistern.
und Spieler, gehört seit der Gründung     innerungen.                               Ihre Heimatbühne elmen
unserem Verein an.
Im Juni 1980 begannen dann die Pro-
ben mit den von Pfarrer Nikolaus lech-
leitner stammenden Kulissen im Rohbau
des heutigen Gemeindesaales. Durch
verschiedene Umstände und nicht zu-
letzt der Tatsache, dass kein geeigne-
ter Aufführungsort zur Verfügung stand,
wurde die Probenarbeit immer wieder
zurückgestellt. Zwischendurch spielten
wir immer wieder Kurzstücke bzw. ein-
akter und gaben bei vorweihnachtlichen
Veranstaltungen für Senioren im Gast-
haus Kaiserkrone unser Bestes.

Am 3. Juli 1982 war es dann soweit. Die
erstaufführung „Der Hoamliche“ fand
vor ca. 80 Zuschauer*innen im fertig-     Foto: HB elmen

                                                                                                   darstellendes SPIel | 21
NAH & FERN

                                                               Hallo Echo! - Hallo Impro!
           impropool                            von den Qualitäten des improtheaters und eines seiner missionare, alexan-
                                                der alscher, der als fachbereichsvertreter für improtheater und als obmann
       innsbrucK                                des vereins impropool überall in tirol auftaucht und seine leidenschaft an
                                                                          interessierte weitergibt.
                                                                 impropool – neuer player auf tirols bühnen

„Improtheater“ hallt es dieser Tage durch         Nicht nur buchbare Aufführungen sind        Brux finden ebenfalls Anklang und das
Tirols Täler, und ein durchwegs positives         hier Programm, nein Impropool ist viel-     neue Format „Impropool Open-Stage“,
echo kommt zurück!                                seitig aufgestellt. Das Angebot erstreckt   wo jeder sich auf der Bühne ausprobie-
Da wurde auch gleich ein neuer Verein in          sich nämlich von Workshops, über            ren kann, macht jedermann/frau neugie-
Innsbruck geboren: Impropool!                     Aus- und Weiterbildungen bis hin zum        rig.
Vereinsgründer und Obmann Alexan-                 Vernetzungsangebot für alle liebhaber       Durch die Coronakrise sind diese Veran-
der Alscher zeigt sich als motiviertes            dieser Theaterform.                         staltungen leider alle gestoppt, aber um
Organisationstalent und hat in kürzes-                                                        Alexander Alscher aufzuhalten, braucht
ter Zeit eine Truppe impro-begeisterter           „Tirol braucht mehr Angebot an Impro-       es mehr als eine Pandemie. Sobald es
Spieler*innen zusammengestellt. Aus               visationstheater für leute vor und auf      wieder möglich ist, werden die Impro-
verschiedensten Altersgruppen und aus             der Bühne!“ so Obmann Alexander Al-         pooler wieder auf der Bühne stehen, sie
unterschiedlichen Gegenden kommen                 scher und wird daher nicht müde, sei-       stürmen und ihre Freude am Theater-
Impropools Reservist*innen und sind               ne Passion zu teilen und zu verbreiten.     Spielen teilen. Das Publikum darf sich
von Aufführung zu Aufführung in un-               Seit Anfang 2020 präsentiert Impropool      auf launige und humorvolle Formate aus
terschiedlicher Kombination zu sehen,             im Innsbrucker BogenTheater monatlich       verschiedenen Impro-Genres freuen.
vereint durch die liebe zum (Improvisa-           verschiedene Improgruppen aus ganz
tions-)Theater!                                   Tirol. Die Workshops im Innsbrucker         Stephanie larcher-Senn

Foto: impropool; Alexander Alscher, Theatergruppe Heiterwang

22 | darstellendes SPIel
Nah & fern

                           Berichte aus Heiterwang und Serfaus
                               von der Zusammenarbeit mit
                                    Alexander Alscher

Theatergruppe Heiterwang                auch immer eine große Herausforderung         geht. Dennoch entschlossen sich alle
Elisabeth Weirather – Obfrau der Thea-  in allen Bereichen dar. Neben einem           Spieler*Innen, zumindest den Versuch
tergruppe Heiterwang:                   Spielort (der hoffentlich auch ab und zu      zu wagen und an den Proben teilzuneh-
Impro Theater oder wie man früher sag-  mal frei ist) und motivierten Spieler*Innen   men!“, so der Obmann.
te, „Stehgreiftheater“ hat mich schon   braucht es außerdem auch ein gutes            Ein Verbündeter in dieser Sache wurde
lange interessiert. Bei den TheatertagenTermin-Management.                            auch schnell gefunden: Alexander Al-
in Ehrwald waren wir von der Theater-   Aus diesen vielfältigen Gründen wird          scher.
gruppe Heiterwang gleich mittendrin und es auch immer schwieriger, motivierte         Alexander und seine reizende Assisten-
hatten Feuer gefangen!                  Menschen zu finden, die Zeit haben, um        tin Rebekka, führten die Spieler*Innen
Schnell war Kontakt mit Alexander Al-   auf und hinter der Bühne aktiv zu sein.       auf ihre humorvolle und angenehme Art
scher hergestellt und gleich im neuen   Oft müssen auch die engagiertesten            und Weise in die Welt des Improtheaters
Jahr machten wir Nägel mit Köpfen. Ein  Spieler*Innen sagen: „Ich würde furcht-       ein und überzeugten auch die letzten
WORKSHOP in Heiterwang!                 bar gerne spielen, es geht sich aber lei-     Zweifler*Innen. Ein Name für die neue
Was soll ich dazu sagen - zwei Tage vol-der nicht aus!“, „Da geht es leider nicht,    Gruppe wurde schon bald gefunden:
les Programm: Verschiedenste Möglich-   da haben wir das Haus voll!“ usw.             „Die Kellerfliegen“.
keiten um sein Improvisationstalent aus-Aus diesem Grund hat sich „Theater            Nach den Proben während der laufen-
zuprobieren, wurden uns von Alexander   Serfaus“ im letzten Herbst dazu ent-          den Wintersaison feierten „Die Kellerflie-
nahegebracht, und dabei haben wir viel  schieden, neben den klassischen Büh-          gen“ schließlich Anfang März Premiere
gelacht und gelernt!                    nenstücken einen neuen Weg zu wa-             in einer alten Kellerdisco in Serfaus - Ex-
Noch heute zehre ich von dieser Erfah-  gen. Die Rede ist vom Improtheater.           klusiv für Familien und Vereinsmitglieder.
rung und wir alle freuen uns auf einen  Als der Obmann, Daniel Schwarz, das           Leider machte die Coronavirus-Epide-
weiteren Workshop, um dann sobald wie   Konzept des Impro-Theaters den Mit-           mie alle weiteren geplanten Auftritte zu-
möglich unser „Können“ dem Publikum     gliedern näherbrachte, war die Skep-          nichte. „Wir werden aber auf alle Fälle
zu präsentieren!                        sis sehr groß. „Anfänglich konnte sich        weiter am Ball bleiben und blicken jetzt
                                        niemand so recht vorstellen, wie das          schon mit großer Vorfreude auf mögli-
Theater Serfaus                         funktionieren sollte. Ich hatte damals        che Termine für unsere nächste Impro-
Theaterspielen stellt in einem so hoch- schon eine Impro-Aufführung gese-             Show, ihr dürft gespannt sein!“, so Da-
frequentierten Tourismusort wie Serfaus hen und wusste ungefähr, um was es            niel Schwarz abschließend.

                                                                                                      darstellendes spiel | 23
NAH & FERN

                                           Der Zillertaller Theaterverein mit
      theaterverein                                 langer Tradition
            stumm
                                          theater gespielt wird in stumm schon sehr lange. in unregelmäßigen abstän-
          schwaz                          den wurden stubenspiele, ritterstücke und auch nikolausspiele zur auffüh-
                                          rung gebracht. Dies reicht zurück bis in das 19. Jahrhundert, mit unterbre-
                                                                chungen während der weltkriege.

                                                                                     Seit 1982 wurden 35 Stücke unter der
                                                                                     Regie von Rudi Kleiner, Margit Wierer
                                                                                     und Thomas Stiegler inszeniert. Die
                                                                                     abwechslungsreiche Stückwahl (volks-
                                                                                     tümlich, Boulevard, Krimi, …..) wird
                                                                                     vom Publikum sehr geschätzt, und wir
                                                                                     sind durchwegs gut besucht. Vielen
                                                                                     Zuseher*innen gefällt auch die Detailt-
                                                                                     reue von Kostümen und Requisiten. ein
                                                                                     umfangreicher Fundus ermöglicht eine
                                                                                     getreue Darstellung der Zeit, in der das
                                                                                     Stückgeschehen angesiedelt ist. Unser

E
                                                                                     Spielerensemble ist bunt gemischt, da-
               s wurde an verschiedens-    eins leitet. Gespielt wird seit 1982 im   durch können alle Charaktere bestens
               ten Orten gespielt. Am      Saal vom Hotel Tipotsch. Da dieser Saal   besetzt werden. Von jung bis alt, von
               häufigsten in einem Saal    hauptsächlich für Kinovorführungen        lieb bis grantig – alles ist möglich. Vie-
               beim Pinzger Wirt. Auch     genutzt wurde, musste zu und nach         le Schauspieler*innen unseres Vereines
eine frühe Form von „Verlorene Heimat“     jeder Vorstellung die komplette Kulisse   spielten auch in den großen Produktio-
ist bekannt (1987 in neuer Fassung von     auf- und abgebaut werden. Daraus ent-     nen der Zillertaler Volksschauspiele und
Felix Mitterer wieder auf dem Dorfplatz    stand auch der Theaterspieltag – Mon-     beim Stummer Schrei in den Hauptrol-
in Stumm aufgeführt).                      tag – der bis heute von uns praktiziert   len mit. letztens ist es gelungen, eine
1982 wurde dann der jetzige Theater-       wird. Der Kinobetrieb hat dann aufge-     Jugendgruppe zu formieren. Die Kinder
verein mit Obmann Heinz Tipotsch ge-       hört und seitdem spielen wir immer im     und Jugendlichen haben letzten Winter
gründet. Abgelöst wurde er von Georgia     Winter. Die Kulisse kann jetzt während    mit „Fröhliche Weihnachten, Mr. Scroo-
Wurm. Darauf folgte Manfred Fiechtl,       der gesamten Spielzeit stehen bleiben     ge“ eine sehr beeindruckende Talent-
der bis heute die Geschicke des Ver-       und die Akkuschrauber haben Pause.        probe abgeliefert.
                                                                                     Sobald es möglich ist, werden wir mit
                                                                                     den Proben zu einem Jugendstück,
                                                                                     sowie einem Gasthaustheater und na-
                                                                                     türlich dem Hauptstück für den Winter
                                                                                     beginnen.
                                                                                     Also „Auf ins Theater“ und lacht euch
                                                                                     gesund.
                                                                                     Pfiatenk vom Theaterverein Stumm!

                                                                                     Fotos: Theaterverein Stumm oben
                                                                                     Jugendgruppe unten

24 | darstellendes SPIel
NAH & FERN

          Zwischen Spontaneität,
         Ungewissheit und Zukunft                                                                       Kultur-
                                                                                                   Quarantäne
Die Quarantäne-zeit hat uns Künstler*innen so manche idee entwickeln las-
 sen - hier eine interdisziplinäre, partizipative, digitale streaming-plattform.
                                                                                                 innsbrucK

                                                                                        Bundesländer) oder aufgrund baulicher
                                                                                        Beschaffenheit (nicht barrierefrei für be-
                                                                                        einträchtigte und/oder ältere Personen),
                                                                                        von nachhaltiger Relevanz und ergän-
                                                                                        zung des ortsgebundenen Betriebes.
                                                                                        Um Fair Pay bzw. einen Zusatzverdienst
                                                                                        für die Schauspielenden, Musiker*innen
                                                                                        und Kulturschaffenden zu bieten, wird
                                                                                        eingerichtet, dass es digitale eintritts-
                                                                                        preise für die Premiumveranstaltungen
                                                                                        gibt. Zusätzlich zu diesem Programm

D
                                                                                        gibt es open nights (und eine late night
                  ie     Kulturquarantäne    terschiedlichen live-Streams arbeitet.     show), die gratis für alle zur Verfügung
                  gründete sich aus ei-      Auch medial wurde die Initiative auf-      stehen, wo kleinere Contens veröffent-
                  ner Idee von Johannes      gegriffen – ORF, Tiroler Tageszeitung,     licht und konsumiert werden können,
                  Schmid heraus, dem         Stadtblatt, ATV und weitere Medien be-     als eine Form einer digitalen Version von
Obmann des professionellen Impro-Ver-        richten über das digitale Schaffen der     Open Stages.
eins „Innpro“. Aufgrund des Ausfalls der     Plattform und deren Künstler*innen.        es arbeiten mehr als zehn Personen aus
Show im Brux/Freies Theater Innsbruck        Da sich die Situation der Kulturszene      dem Kunst- und Kulturbereich an dem
im März durch die COVID-19 Maßnah-           stetig verändert, je nach den Maßnah-      Projekt mit. Die leiterinnen des Projekts
men, nutzte er seine Proben, um eine         men zur eindämmung des Corona-             sind die Schauspielerinnen Michèle Jost
digitale Plattform zu errichten, die unab-   Virus, sieht sich die Kulturquarantäne     und Alexandra leonie Kronberger, die
hängig von Ausgangsbeschränkungen            nicht nur als Überbrückung, sondern        alle Aufgaben und das Programm ge-
ist. Die partizipierenden Künstler*innen     als nachhaltige erweiterung der jeweils    stalten und koordinieren, und im Kon-
kommen aus allen Sparten – von Per-          möglichen Veranstaltungen. Das heißt,      takt mit den Theatern und Veranstal-
formance, Theater, lesungen und              dass Veranstaltungen, die in Theatern      tungsräumen sind.
Musik bis zu Kinderprogrammen und            und Veranstaltungsräumen in Zukunft
Workshops jeglicher Art. Selbst wenn         stattfinden, ebenso digital über den       http://kulturquarantaene.com/
viele aus Innsbruck/Tirol sind, ist die      Streaming-Dienst der Kulturquarantäne      https://www.facebook.com/KulturQua-
internationale Vernetzung beachtlich:        angeboten werden können. Das ist für       rantaene/
Kulturschaffende aus Deutschland, der        viele Menschen, die beispielsweise nicht   https://www.youtube.com/channel/UC-
Schweiz, aus Belgien, GB etc. finden         zu diesem Ort kommen können, sei           qNycWxx5cgs5AlXlptOQTQ
ihren Platz auf der Plattform, die mit un-   es aufgrund der Distanz (länder oder

                                                                                                        darstellendes SPIel | 25
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