MAIA MAKHATELI - Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

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MAIA MAKHATELI - Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
www.danceforyou-magazine.com • D € 7,00 • A / CH € 11,00
DEMIS VOLPI
über Pläne, Kreativität und
die Psyche seines Ensembles

                                                                           MAIA
BALLETT AM
BILDSCHIRM
Eine Notlösung?
                                                                       MAKHATELI
                                                                        on motherhood, raked stages and truth

RESTAGING                                                                BALLROOM-PAARE
Mary Skeaping’s “Giselle”                                                                       können fliegen

DAS INTERNATIONALE TANZMAGAZIN DEUTSCH/ENGLISCH AUSGABE 1/2021 • ISSN 1613 - 8988
                                                                                    97
MAIA MAKHATELI - Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Draußen
tanzen

              Harlequin Schwingboden für die Außennutzung

              Wer eine Aufführung oder Tanzstunde nach draußen verlegen
               möchte, muss nicht auf einen Tanzboden in Studioqualität
               verzichten und damit die Sicherheit der Tänzer aufs Spiel
                  setzen. Harlequin Liberty HD Schwingbodenplatten
                     lassen sich im Handumdrehen auf- und wieder
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MAIA MAKHATELI - Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
DANCE forYOU magazine   1

 Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,

Unplanbarkeit ist wohl eines der meistbenutzten Schlagwörter in der Corona-Krise. Nicht genug, dass die Standard-
Variante des Virus seit einem Jahr fast jeden Bereich des gesellschaftlichen Lebens lahmlegt. Da tauchen in allen
möglichen Winkeln der Welt rasant veränderte, raffiniert angepasste Versionen des Virus auf, die sich unkontrolliert
ausbreiten und wieder nahezu den ganzen Globus überziehen. Herren über dieses Chaos sind, so gut sie können,
die Virologen und in ihrem Schlepptau die Politiker, auch sie, so gut sie können. Es ist derzeit wie ein Katz-und-
Maus-Spiel: Kaum sinken die Infektionszahlen und damit in Inzidenzwerte, kaum keimt Hoffnung auf ein Ende
der Schließperiode auf, ruft die Vernunft zu deren Verlängerung auf, weil niemand genau weiß, welche Ausmaße
die Pandemie noch nehmen wird, ob und wie all die flugs zugelassenen Impfstoffe auch gegen die neuen viralen
Bedrohungen helfen werden.

Beinah alle Branchen und ihre ausgebremste Mitarbeiterschaft leiden unter den Folgen des heruntergefahrenen
Lebens. Es wäre töricht, von der Politik und gerade von ihr belastbare Aussagen zu erwarten, wann genau nun
welcher Berufszweig wieder zur Normalität zurückkehren kann. Lediglich Etappenziele im Zeitenlauf sind es, an
denen wir alle uns entlanghangeln. Zwar gibt es weniger betroffene Sparten wie etwa die Lebensmittelbranche,
Maskenhersteller oder die Pharmaindustrie; zwar gibt es tragischerweise sogar Gewinnler wie etwa die
Bestattungsfirmen. Die absolute Mehrheit der Gesellschaft ächzt indessen unter jener Unplanbarkeit, sieht keine
Perspektive und ahnt, dass uns Covid-19 in seinen noch unbekannten Tarnungen und unliebsamen Überraschungen
weiterhin in Atem halten wird.

Irgendwo in diesem Spannungsfeld zwischen Angst und Zuversicht befindet sich auch die Kultur, von der
Partyszene bis zur hehren Kunst. Können sich Schauspieler, Sänger, Musiker noch relativ gut zu Hause fit halten,
die emotionale Seite fehlender Auftritte ausgeklammert, so schaut das bei Tänzern erheblich schlechter aus. Das
reduzierte Training auf der heimischen Isomatte in tanzbeengtem Raum ersetzt nicht das Gruppenerlebnis im
Ballettsaal, das ein Ensemble ebenso zusammenschweißt wie die abendliche Vorstellung. Eine der Folgen dieser
behinderten Berufsausübung ist, wie man von Ballettdirektoren hört, dass die Kondition der Tänzer*innen erheblich
Schaden nimmt, sie nach Öffnung der Spielstätten einige Zeit brauchen werden, die Belastungen etwa einer
Klassikeraufführung durchzustehen. Das kann durchaus zu abrupt, zumindest frühzeitig endenden Karrieren führen.

Auch unser Magazin kann den Konsequenzen von Corona nicht ausweichen. Zum einen beschäftigen sich viele
Beiträge der vorliegenden Ausgabe direkt oder indirekt mit dem Thema Pandemie. Das reicht von einer Betrachtung,
ob aufgezeichnete Inszenierungen ein Ersatz für Live-Aufführungen sein können, bis zu den Erfahrungen, wie
Ballettleiter mutig den widrigen Umständen maximalen Spielraum abgewinnen, pandemiegerecht trainieren lassen
und vorsorglich einstudieren. Aktuelle Rezensionen und der Veranstaltungskalender fehlen verständlicherweise,
Interviews halten zumindest in Wort und Bild Kontakt zu jenen, die wir auf der Bühne schmerzlich vermissen.

Zum anderen verringert sich wegen der Theaterschließungen und fortfallender Spielpläne auch der Umfang unserer
Zeitschrift. Wir hoffen jedoch, Sie dennoch in bedrängten Zeiten so gut zu informieren wie möglich - sowohl in der
Printausgabe als auch im Online-Magazin. Bleiben Sie uns und dem Tanz verbunden!

                                                                                                    Herzlich, Ihr
                                                                                                    Volkmar Draeger

                                            www.danceforyou-magazine.com
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2      DANCE forYOU magazine

Inhalt
Contents
On the Cover: Maia Makhateli © Altin Kaftira

    SPEZIAL
    4. BALLETT AM BILDSCHIRM
             Eine Notlösung? Die Frage stellt Boris GRUHL

    PEOPLE
    8. MAIA MAKHATELI,
             principal dancer with Dutch National Ballet,
             on motherhood, raked stages and truth.
             Interviewed by Alessandro BIZZOTTO

14. DEMIS VOLPI
                                                                                        4.
             Theater ist eine Urform menschlicher Kommunikation

             über Pläne, Kreativität und die Psyche seines Ensembles.
             Ein Interview von Angela REINHARDT
                                                                                   „Über den Wolf“ von Goyo Montero © Staatstheater Nürnberg

                                                   Demis Volpi © Sigrid Reinichs

                                                                                    RECONSTRUCTION
                                                       14.                         19. MARY SKEAPING’S GISELLE
                                                                                              An important milestone in restaging a ballet classic.
                                                                                              Commented by Deborah WEISS

                                                                                    NETWORK
                                                                                   24. KEIN BOCK (MEHR) AUF DIKTATUR
                                                                                              Das Netzwerk dancersconnect will Strukturen verändern
                                                                                              helfen. Rico STEHFEST stellt die Initiative im Detail vor

                                                                                   27. KULTUR muss als Grundrecht ins Grundgesetz!
                                                                                              Eine Petition fordert mehr Schutz für Kunst und Künstler.
                                                                                              Volkmar DRAEGER informiert darüber

                                                                                    KOLUMNE
                                                                                   29. WHO IS LENSKY?
                                                                                              Dinu Tamazlacaru on the naive, romantic character
                                                                                              from “Onegin”, interviewed by Alessandro BIZZOTTO
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DANCE forYOU magazine   3

                                                                                   INTERVIEW
                                                                                  34. LADIES FIRST WO(MAN)
                                                                                             Mikiko ARAI, Choreographic Assistant,
                                                                                             presented and photographed by Ida ZENNA

                                                                                  38. Künstler müssen wieder radikaler werden
                                                                                             Der Tanzdramaturg Christoph Klimke fordert neue Stücke ein.
                                                                                             Ein Portrait von Alexandra KARABELAS

                                                                                   TANZMEDIZIN
                                                        34.
                                    Ballett Theater München, Philip Taylor 2006
                                                                                  40. TANZ AUF DER RASIERKLINGE
                                                                                             Professionelles Niveau oder chronische Überbelastung?
                                                                                             Tatjana BASOW zum Thema Übertraining

                                                                                  Arunas Bizokas und Katusha Demidova © Thomas Kirchgraber

 BALLROOM
42. BALLROOM-PAARE KÖNNEN FLIEGEN
        Platons Idee des Kugelmenschen reaktiviert.
                                                                                     42.
        Ute FISCHBACH-KIRCHGRABER kommentiert

    1. Editorial
30-31 SCHULINDEX INFORUM
32-33. NEWS

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4   DANCE forYOU magazine

        Ballett am Bildschirm:
          Eine Notlösung?
        Kann gelingen, außerordentlich sogar… aber Abfilmen reicht nicht

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                                                                                                      „7 Portraits of Solitude“ by David Dawson

Seit die Theater geschlossen wurden,
nutzen Tänzerinnen und Tänzer
Möglichkeiten der Onlinekommunikation.
Sie machen auf ihre Einsamkeit
aufmerksam, stellen Trainingseinheiten
ins Netz. Mitunter witzig, berührend,
bald auch erschöpfend, was da aus
Wohnzimmern, Küchen oder Bädern
zu sehen ist.

D
        ann ein paradigmatisches Zeichen: Die Bild-
        schirmpremiere „7 Portraits of Solitude - 7 Films
        by David Dawson“. Er wählt sieben alltägliche
Orte symbolischen Alleinseins, deren optische Wirkung
mit den Soli der Tänzerinnen und Tänzer des Dresdner
Semperoper Balletts korrespondiert. Mit seinem Projekt
will er eine Botschaft der Hoffnung senden, vor allem
künstlerisch mit den Erfahrungen von Einsamkeit umzu-
gehen, ohne daran zu zerbrechen.

Es gibt Beispiele, wie es gehen kann, Bühnenproduktio-
nen, wenn sie nicht nur „abgefilmt“ werden, für Online-
formate einzurichten. Das ist beim Ballett Rossa in Halle
mit dem Ballett- und Musikspektakel „ART*HOUSE“ in der
Choreografie von Michal Sedláček gelungen. Berührend
und mitreißend kommt dieses „Spektakel“ als Wunder-
werk des Theaters den Zusehenden nahe. Die Kamerafüh-
rung von Fabian Jung und Yan Revazov geleitet auf den
Bildschirmen in eigene Kunsthäuser ihrer Fantasie.

Wie sich eine Ballettpremiere im Live-Stream authentisch
vermitteln lässt, zeigt sich bei der Übertragung des zeit-
genössischen Dreiteilers „Paradigma“ vom Bayerischen
Staatsballett. Hier wird sogar auf dem Bildschirm ein ge-
wisses Maß des Flairs im Theaterraum spürbar. Exzellente
Leistungen der Tänzerinnen und Tänzer beflügeln zudem
die Intensität der zweidimensionalen Wahrnehmung. >>
                                                                                        © Theater, Oper und Orchester Halle GmbH, Yan Revazov

                                                         www.danceforyou-magazine.com
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6   DANCE forYOU magazine
                                                                                                                 „La Strada“ von Marco Goecke © Marie-Laure Briane

                        Wahrnehmungen seiner expressiven Bewegungssprache                      Auch im Tanzstück „Über den Wolf“ als Onlineinsze-
                        sind es auch, die eine Live-Stream-Übertragung von Mar-                nierung von Ballett und Schauspiel der Staatstheater
                        co Goeckes Ballett „La Strada“ aus dem Münchner Theater                Nürnberg geht es mit aktuellem Zeitbezug um Angst
                        am Gärtnerplatz zum Bildschirmerlebnis werden lassen.                  und Einsamkeit. Die Beklemmung mit dem tierischen
                        Goeckes stummer Schrei der Einsamkeit nach Fellinis Film               Namen breitet sich im Kopf eines Mannes aus: In seiner
                        bleibt auch in technischer Verfremdung von so eindring-                Wolfsangst lassen sich Stimmen weder zuordnen noch
                        licher wie beunruhigender Wirkung, die man trotz techni-               zum Schweigen bringen.
                        scher Entfernung hautnah zu spüren bekommt.
                                                                                               Doch es gelingt dem Mann, anderen Stimmen Raum zu
                                                                                               geben, die aus der Musik von Sergej Prokofjews Ballett-
                                                                                               märchen „Peter und der Wolf“ heraus tanzen. Dann tan-
                                                                                               zen auch Momente der Hoffnung durch die finsteren Sze-
                                                                                               nen der Wolfsschluchtkulissen. Leider kommt der Tanz
                                                                                               etwas kurz, Worte überwiegen; wenn aber getanzt wird,
                                                                                               dann gegen die Worte, gegen den Wolf.

                                                                                               Bei James Sutherland liegt in seinem Tanzvideo „Lichtbli-
                                                                                               cke - Spiegelungen“ für zwei Tänzerinnen die Kraft in der
                                                                                               Kürze: nur gut sieben Minuten lang, intensive Augenblicke
                                                                                               raffinierter Bewegungen im tänzerischen Dialog mit den
                                                                                               Licht- und Spiegelobjekten des bildenden Künstlers Adolf
                                                                                               Luther. Zu sphärischer Musik nehmen die Tänzerinnen
                                                                                               klangliche und optische Anregungen auf, finden Bilder
                                                                                               sich annähernder Verschmelzungen beim Auflösen indivi-
                                                                                               dueller Körperlichkeit und geometrischer Verwandlungen.
                        „Über den Wolf“ von Goyo Montero © Staatstheater Nürnberg

                                                                www.danceforyou-magazine.com
MAIA MAKHATELI - Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
DANCE forYOU magazine   7
                                                                   „Lichtblicke - Spiegelungen“ von James Sutherland
Schließlich ein verheißungsvoller Ausblick auf das von Eric
Gauthier initiierte „The Dying Swans Project“ für die 16 Tän-
zerinnen und Tänzer seiner Stuttgarter Kompanie: 16 Soli,
16 Choreografinnen und Choreografen, 16 musikalische
Uraufführungen, insgesamt 64 Künstlerinnen und Künst-
ler, bei gleicher, symbolischer Gage. Sie setzen alles daran,
den sterbenden Schwan der ikonischen Choreografie von
Michel Fokine nach 114 Jahren als Zeichen der Zeit zum
Leben zu erwecken, sich in die Unendlichkeit tänzerischer
Freiheit zu erheben. Das musste er auf den Weg bringen,
so Gauthier, denn er nahm sie wahr, diese „zunehmende
Mutlosigkeit in den Augen seiner Tänzerinnen und Tänzer“.
Und weil Tanz momentan auf keiner Bühne möglich sei, ist
der Film ein geeignetes Medium, zumal sich auch durch
den Blick der Kamera beengende Mauern überwinden las-
sen. Sicher werden später manche der Soli live zu erleben          klassischen und modernen Tanz. Sie wird keine Adaption
sein, andere, ganz dem Medium des Films verpflichtete              des Originals entwerfen: Vielmehr ist der Tänzer Shawn
wohl nicht. Das gibt den Choreografinnen und Choreogra-            Hu hier ein schwarzer Schwan, der sich zu einem Ereignis
fen, deren künstlerische Handschriften nicht unterschied-          verhalten muss, das seine Existenz unerwartet bestimmt.
licher sein könnten, ein Höchstmaß kreativer Freiheit und          Es geht um die Leichtigkeit des Seins im Rückblick, um
Heraus­forderung. Gauthier selbst bleibt dem Film verbun-          den gegenwärtigen Einschnitt mit dem Ende jener Leich-
den, kreiert sein Solo für einen Tänzer im geschlossenen           tigkeit und wie dieser Schwan die körperliche Unfreiheit
Raum und gibt uns den Einblick von außen durch das Auge            durch seine individuelle Sicht auf das, was ihn nun um-
der Kamera einer Drohne.                                           gibt, bewältigt, ohne darin aufzugehen oder gar sich auf-
                                                                   zugeben. Anfang April - zufällig zum Osterfest? - ist „The
Erstmals choreografiert in diesem Projekt die Tänzerin             Dying Swans Project“ online - als Feier des Lebens und
und Choreografin Anita Hanke, bekannt durch die Arbeit             der Kraft dieser unbesiegbaren Kunst Tanz. ▪
in der von ihr gegründeten und geleiteten Schule für                                                           Boris GRUHL

„The Dying Swans Project“ © Jeanette Bak

                                                                www.danceforyou-magazine.com
MAIA MAKHATELI - Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
„
8      DANCE forYOU magazine

                                I always plan everything
                                in advance. There is where
                                an artist’s intelligence
                                lies too, as you have to be
                                ready and have a plan B
                                if anything goes wrong.“

                                      She is fighting to stay in shape in
                                  this difficult pandemic period as she
                                   has always fought her battles when
                                   she was a ballet student, with brave
                                     determination and iron discipline.
                                      Now, with new challenges ahead
                                     such as doing homework in Dutch
                                      with her son, the superstar of the
                                 Dutch National Ballet can’t wait to be
                                   back performing for a live audience
                                          and looks back at her training
                                    years without regret. Here she tells
„Swan Lake“ © Martynas Aleksa   everything to ALESSANDRO BIZZOTTO
Maia
                                                                                                                                    DANCE forYOU magazine          9

Makhateli
on motherhood, raked
stages and truth
I have known Maia Makhateli for years, yet every time             at the Muziektheater and she is working on an upcoming
her energy surprises me somehow. She is indisputably a            mixed bill of Hans van Manen’s ballets. As she picks up the
queen of ballet today. A Principal dancer with the Dutch          phone, she does not seem tired at all, nor disheartened.
National Ballet, she is a ballerina in demand – she is often      Her voice has the usual musical tone, a determined and
on a plane to guest abroad, in Rome, Vilnius, Ljubljana,          curious shade.
Naples among others, when she has not performances in             She talks from a snowy Amsterdam – the evening before
Amsterdam. A few years ago, she also became a mother              sent me a picture via WhatsApp, the city is wholly covered
(her Instagram video of herself pregnant and balancing            with snow and ice. “It is not easy to get around the city”
en pointe became viral and was shared even by actress             she explains me. “Nor even for urgent necessity. It is not an
Jennifer Garner), but she shows no sign of slowing down.          easy time, is it? Let’s hope we’ll have better ones soon. The
Only the pandemic has stopped her, as it happened to              consequences of this pandemic are beyond imagination.”
everybody, yet not completely as rehearsals are going on          >>

                                                                                                    „The Lady of the Camellias“ with Constantine Allen © Paige McFall

                                                               www.danceforyou-magazine.com
10     DANCE forYOU magazine

„Swan Lake“ with Artur Shesterikov © Alex Gouliaev                                                          Maia Makhateli in "The Lady of the Camellias" © Paige McFall

                               You told me you were in Rome when                                Variations” program, as our Opera House cannot welcome
                               the pandemic started hitting Europe                              the audience right now. We have severe roles as for get-

                               in full force, right?                                            ting in and leaving the theatre too: you see, we try and be
                                                                                                as careful as possible.
                               I was. I was there to guest as Medora in José Martinez new
                               production of “Le Corsaire”. I still remember all of a sud-      Is it tough to stay in shape in such a situation?
                               den Rome became desert and empty. I had to change my
                               flight in order to get back to Amsterdam before finding          We try our best every day. Having the chance to go to the
                               myself stuck in Rome. It was really scary at the outset. I       theatre is a luxury in many ways. We cannot stay in shape,
                               simply cannot believe it is almost a year since it started       otherwise. I really hope the pandemic won’t get worse
                               and we are still dealing with a dramatic situation that we       and the government won’t be forced to close our Opera
                               cannot ignore, trying to adapt and to live with it… get-         House completely.
                               ting used to this abnormality.
                                                                                                When did you get back to a ballet studio for
                               In Amsterdam you are allowed to reach your                       the first time after the lockdown, last Spring?
                               theatre and rehearse, right?
                                                                                                I was lucky as I was allowed to use the studio of an ex-col-
                               Yes, we are a kind of exception. A studio can host fifteen       league of mine, which is located in my neighbourhood,
                               dancers maximum, and the company is divided into                 during the lockdown. I could not go there every single
                               groups of fifteen people according to the casts of the up-       day but I tried to do so as soon as possible, and it greatly
                               coming performances… performances who can only be                helped me. Then, in May, we were allowed to start and
                               live-streamed, such as the upcoming “Hans van Manen              have class at the theatre again.
                                                                 www.danceforyou-magazine.com
DANCE forYOU magazine       11

Last Spring, we talked about keeping in shape                           me, such as my mom. Motherhood made me a stronger
during the lockdown and working from home.                              human being, both physically and mentally – it shaped
Thinking back on it now, how did it go?                                 me as a new person. I have to say it was harder when Luka
                                                                        was one or two years old! Now it is different. He’ll start

                                                                        „
It is weird as I can honestly tell you it even made me                  school soon, so I’ll have homework to do too! And Dutch
stronger, somehow. But after those months I realized                    will be the language they’ll use at school, which is not my
something else: dancing and going on stage really help                  native language. It will be a new challenge, I guess it will
us not to lose stamina and endurance. It takes time to                  lead me to learning and discovering new things with him.
build stamina for a whole performance, not just to get
through a pas de deux or a variation. It is a kind of scary
though, can you believe it? I am doing everything pos-
sible to keep in shape but I know that without going on
stage and dancing full-lenght ballets you cannot be at the              I am so deeply grateful to
top of your game. I wonder how long it will take, when it
all will be over, to gain strength enough to do what we
                                                                        those who kept telling me
used to do before: dancing “Swan Lake”, finishing a per-                the truth in order to help
formance at midnight and the following day bright and
early starting a whole new day of work.
                                                                        myself to improve.
How has being a mother impacted your
                                                                        Does Luka speak Dutch?
professional life? Your schedule has always
been so hectic…                                                         Yes, he does, thanks to the daycare.

Having Luka represented a challenge for me! I was on a                  Do you speak Russian with him at home?
constant run as, besides my job at the Dutch National Bal-
let, I kept travelling a lot as a guest artist. Yet it all gave me      Yes, we do. He speaks Russian and he can speak some
more energy. When you have a child, of course, your prior-              English, too. Here’s why I don’t use Georgian when I am
ities change, but I was lucky as I had people there to help             with him – three languages are enough for now!          >>

© Hans-Peter Van Der Berg                                                                                                 „Live“ by Hans van Manen © Angela Sterling

                                                                     www.danceforyou-magazine.com
12   DANCE forYOU magazine
                                                                                                               „Don Quixote“ with Artur Shesterikov © Paige McFall

                         Have you ever had stage fright?                                    time to rehearse and to understand what I must do: I just
                                                                                            want to go on stage knowing well how to use my body to
                         I can honestly tell you I am not someone who panics. You           be in complete control of my balance.
                         saw it yourself, I feel adrenaline rushes and a kind of ex-
                         citement, but it is always something positive. It happened         What’s the toughest thing
                         to be more nervous, at times. Such as when I was at the
                                                                                            on a raked stage?
                         Bolshoi and I performed a pas de deux from Neumeier’s
                         “The Lady of the Camellias” at the Benois de la Danse gala         Probably turns, and diagonals above all. Manèges are ter-
                         ceremony – I was nominated, and dancing on that stage              ribly hard too on a raked stage, particularly if they include
                         was nerve-racking! And I very well remember a gala in              jumps – it is exhausting and you feel like you cannot ex-
                         Catania, Italy, six months after having Luka: professionally       ecute them, in some ways… it is like challenging gravity.
                         speaking, that was probably the scariest moment of my              Oddly, balancing is easier on a raked stage instead!
                         life. I was dancing “Diana and Acteon” pas de deux and
                         the stage was raked, it sloped upwards quite steeply.              And what about fouettés?
                         I was not used to raked stages and, after my maternity
                                                                                            Executing them is harder on a raked stage. Yet diagonals
                         leave, I felt I was still looking for my balance, my confi-
                                                                                            are much harder.
                         dence… I remember I had asked Daniel Camargo, with
                         whom I was scheduled to dance, if the stage was raked,
                         but he had answered «A little bit». But when I found my-
                                                                                            Are you more careful when you execute the
                         self on that stage for the first time… I remember I looked         thirty-two fouettés on a raked stage?
                         at Daniel and I had to ask just, «Oh why didn’t you tell me
                                                                                            Yes, I am definitely more careful! I don’t execute many
                         the stage was so raked?».
                                                                                            double turns the night of my first performance… it all
                                                                                            depends on how much time I had to rehearse on stage.
                         How did it go?
                                                                                            When I danced “Swan Lake” in Bologna, as an example, I
                         It went very well! I had rehearsal the evening before the          was so well rehearsed that I was determined to do many
                         performance and the following afternoon. I was not that            doubles… Did you see my first performance there?
                         scared anymore the evening of the show.
                                                                                            Yes, I did. And, as for the first half of the
                         Is dancing on a flat stage easier in your eyes?                    fouettés, they were all double…

                         It is just a matter of getting used to it. As an example, I was    It always needs a couple of tries for me to find out if it will
                         trained on flat stages and now, when the degree of the             work… and how it will work. It happens on every stage:
                         slope changes, it is a little bit challenging. I simply need       you must understand how far you can push your body.
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DANCE forYOU magazine   13

Do you normally plan in advance what to do,                          grateful to those who kept telling me the truth in order
what technical trick you will execute? Do you                        to help myself to improve. As a child I was so determined
                                                                     to achieve my goals that I never let criticism interfere – I
make right-now moves on stage?
                                                                     used that to become a better student, and then a better
I always plan everything in advance. There is where an art-          ballerina. I can tell you more: as many other students, I
ist’s intelligence lies too, as you have to be ready and have        had this issue with self-sabotaging myself from time to
a plan B if anything goes wrong. Sometimes, when doing               time. I was not the perfect ballet student every single day!
fouettés, I try a single-triple-single-triple sequence… at           It happened me to be kicked out of the class as I was mis-
times it works, at times it doesn’t. So, I always practice           behaving, I was chatting or I was not paying attention. At
carefully before every performance.                                  a certain point, I even gained weight, as teenagers some-
                                                                     times do, and I didn’t want to look like that… I constantly
Do recognitions and awards, such as the                              had that perfect image of Sylvie Guillem in front of my
Benois de la Danse nomination, flatter you?                          eyes and that was my ideal of beauty for a ballerina. But
Do you value them?                                                   I’ve never given up, I always fought my battles. Here is
                                                                     why I am so grateful to those teachers and mentors who
It is always nice to know your work is appreciated. Being            helped me by telling me the truth. ▪
nominated for the Benois was a huge honor!

You were nominated for the role of
Marguerite in Neumeier’s “The Lady of the
Camellias”. It became one of your most
important roles, somehow, didn’t it?
It is such a beautiful role! I still remember working with
John Neumeier and with Kevin Haigen, who coached me
giving me all the information I needed and explained me
John’s vision on this story. It was an amazing feeling: I love
working with people who can give you so much!

You danced many Balanchine roles as well
with the Dutch National Ballet. How do you
like his style, the way of dancing shifting the
weight onto the anterior aspect of the foot?
I absolutely love it! I often tried to dance that way in class,
it definitely fascinates me: I even use it when I dance
other roles! Just think about Gelsey Kirkland: I watched
her dancing “Theme and Variations” many times while
rehearsing that ballet, and she is just incomparable! She
moved so fast! When people from the Balanchine Trust
come and teach us… oh well, it really makes the differ-
ence! They tell us exactly how things need to be executed
and they make our moves look beautiful and effortless.

Have you ever experienced bullying or
intimidation at the ballet school?
No, never. Even though, you know… I come from a back-
ground where throwing a chair at you seemed normal!
But I have never felt intimidated. I never wanted to simply
be told that I was beautiful. In Georgia I was trained us-
ing the Vaganova method and I remember I got serious
criticism from my parents, who were both ballet teachers.
Can you imagine that? After my first ballet performances,
I used to run to meet them and ask them if they enjoyed
the show… and there they were with a list of corrections!
I’ve always known they did so because they believed in
me and they wanted to tell me the truth: I am so deeply
                                                                  www.danceforyou-magazine.com
14   DANCE forYOU magazine

              Theater ist eine Urform menschlicher Kommunikation

            Demis Volpi
             über Pläne, Kreativität und die Psyche seines Ensembles

                                                                       © Sigrid Reinichs
DANCE forYOU magazine   15
Probe mit Mario Gallizzi © Daniel Senzek

Herr Volpi, Ihr Neustart als Direktor                          halten. Und dann habe ich mit meinem ersten Handlungs-
beim Ballett am Rhein fiel mitten                              ballett für die Kompanie begonnen, „Geschlossene Spiele“.
                                                               Sobald wir wieder spielen dürfen, brauchen wir eine Wo-
in die Pandemie. Konnten Sie irgendetwas
                                                               che Proben und können dann die Premiere zeigen.
von dem verwirklichen, was Sie sich für Ihre
erste Spielzeit vorgenommen hatten?                            Konnten Sie denn mit den eingeladenen
Oder kam alles ganz anders?                                    Choreograf*innen arbeiten?
Es kam vieles anders. Ich habe sehr früh, schon im März        Ich habe von Anfang an gesagt: Wir lassen niemand im
letzten Jahres, zu meinem Team gesagt: Wir werden wahr-        Stich. Allen Künstler*innen, mit denen ich ursprünglich
scheinlich mit dieser Pandemie länger leben müssen.            arbeiten wollte, habe ich angeboten, die geplante Pro-
Lasst uns einen neuen Spielplan erstellen, der auch unter      duktion zu verschieben oder ein neues, Corona-konfor-
den Bedingungen eines Worst Case Scenario stattfinden          mes Stück zu kreieren. Sogar Twyla Tharp war dann dabei!
kann. Das hieß damals Gruppen von sechs Tänzer*innen           Wir freuen uns alle besonders, dass sie sich entschieden
und ein Abstand von sechs Metern zwischen ihnen. Wir           hat, ausgerechnet mit unseren Tänzer*innen das ikoni-
haben also für die erste Spielzeithälfte unter diesen Be-      sche Musikstück „In C“ von Terry Riley zu choreografieren.
dingungen einen Plan entworfen. Der Anspruch war,              Wir haben inzwischen auch Proben über Zoom gemacht,
künstlerisch so dahinterzustehen, dass wir es mit oder         das funktioniert. Unser Betriebsdirektor Oliver Königsfeld
ohne Virus durchziehen können.                                 hat mit der Ton- und Videoabteilung und mit dem leiten-
                                                               den Ballettmeister Damiano Pettenella ein tolles System
Wir haben dann mit „A First Date“ begonnen und die Kom-        entwickelt, wo man über verschiedene Zoom-Accounts
panie in drei Episoden vorgestellt statt an einem Abend,       gleichzeitig aussuchen kann, aus welchem Winkel man
wie ursprünglich geplant. Die Leute waren neugierig, die       die Probe sieht.
Vorstellungen gut besucht, wir hatten auch wahnsinnig
viele junge Zuschauer*innen im Theater. Danach folgte der      Wie lernen Sie und Ihre Tänzer*innen sich
Abend „Far and near are all around“ mit zwei Uraufführun-      unter diesen schwierigen Bedingungen
gen und einem kurzen Konzert anstelle der Pause. Dieses
                                                               richtig kennen?
außergewöhnliche Format hat erstaunlich gut funktioniert.
„Salt Womb“ von Sharon Eyal haben wir im Lockdown bis          Wir trainieren in Gruppen. Am Anfang der Spielzeit fing das
zur Generalprobe gebracht, die Kompanie war fantastisch.       erste Training um 9 Uhr an, das letzte endete um 20 Uhr -
Obwohl wir keine Vorstellungen hatten, gab es Bühnen-          ich war immer im Balletthaus. Wenn ich mit der Kompanie
proben, das hat die Kompanie auch psychisch aufrecht er-       etwas bespreche, dann muss ich das vier Mal tun…  >>
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16     DANCE forYOU magazine

„A First Date Episode 2“
© Bernhard Weis
                                             Was macht der erneute Lockdown                                    unseren Kraft-Ausdauer-Trainer eingeladen, außerdem
                                             seit November mit den Tänzer*innen?                               die Tanzmedizinerin Larissa Arens. Für drei Wochen im Ja-
                                                                                                               nuar haben wir eine „Ballett-Vorsaison“ entwickelt, etwa
                                             Wie tröstet, wie ermutigt man sie zum
                                                                                                               mit einer Trainerin für PBT, Progressing Ballet Technique.
                                             Durchhalten, wie baut man sie wieder auf?
                                                                                                               Wir haben Lynn Charles eingeladen, sie hat eine Woche
                                             Das ist eine Herausforderung. Wir haben über 20 neue              lang intensiv ihr Spitzenschuh-Training gegeben, wir ha-
                                             Tänzer*innen, die nun in einer Stadt leben, wo sie nie-           ben speziell für die Herren das Training angepasst, damit
                                             mand kennenlernen konnten, weil es einfach nicht mög-             sie ihre Rückenmuskulatur nicht verlieren. Dann haben
                                             lich ist. Wir haben alle ermutigt, die Feiertage nicht alleine    wir noch klassisches Repertoire geprobt, das gar nicht
                                             zu verbringen, natürlich im Rahmen dessen, was erlaubt            explizit Teil unseres Programms sein wird, nur aus Spaß.
                                             war. Zwischen den Jahren habe ich dann gemerkt, die               Man hat richtig gespürt, dass die Tänzer*innen es genie-
                                             Stimmung geht so ein bisschen runter. Plötzlich sank              ßen, etwas Längeres zu tanzen. So konnten wir Kondition
                                             auch das technische Niveau, und die Ausdauer fehlt,               aufbauen, und natürlich verbesserte sich die Moral. Wir
                                             wenn man nicht sechs Stunden am Tag probt… Ich habe               haben außerdem ein Post-Schwangerschafts-Programm
                                             mich mit den Ballettmeistern zusammengesetzt, wir ha-             für Tänzerinnen aufgebaut, denn gleich an unserem ers-
                                             ben unseren Osteopathen und Physiotherapeuten und                 ten, wirklich am allerersten Spielzeittag kam das Kind von
                                                                                                               Wun Sze Chan zur Welt.

                                                                                                               Hatten Sie auch erwogen, Ihre neu
                                                                                                               erarbeiteten Stück zu streamen?
                                                                                                               Streaming ist eine abgefilmte Vorstellung, das hat eigent-
                                                                                                               lich eher einen Wert als Dokument. Aber es gibt nicht
                                                                                                               wieder, was für ein Kunstwerk das ist, welche Energie es
                                                                                                               hat! Ich habe jetzt entschieden, eines meiner Stücke, die
                                                                                                               ich im Herbst choreografiert habe, filmisch umzusetzen,
                           © Daniel Senzek

                                                                                                               als eine ganz neue Version für die Kamera. Was man über
                                                                                                               einen Bildschirm zeigt, das muss als Kunstwerk für dieses
                                                                                                               Medium geschaffen sein.
                                                                                www.danceforyou-magazine.com
DANCE forYOU magazine        17

Wie zügelt man seine choreografischen
Einfälle, wenn man nicht so arbeiten kann,
wie man möchte – also nicht direkt am
Tänzer, ohne Anfassen? Was macht der
Lockdown mit Ihrer Kreativität?
Man hat immer Begrenzungen – ich habe ja in Stuttgart
bei den Noverre-Abenden angefangen, da hatten wir die
Bühne und ein paar Scheinwerfer…

Aber Anfassen ist beim Tanz doch ziemlich
essenziell.
Es geht auch ohne! Ich kann die Situation nicht ändern.
Aufgeben war nie mein Ding. Ich hätte „Geschlossene
Spiele“ nicht gemacht, wenn die Pandemie nicht gewe-
sen wäre - jetzt sehe ich das als Gewinn. Es ist unsere Auf-
gabe als Künstler, an den Problemen zu wachsen. Begren-
zungen sind ein Motor für Kreativität.

Sie wollen weiter Werke Ihres Vorgängers
Martin Schläpfer zeigen. War Ihnen beiden
ein guter Übergang wichtig?
Wir hatten echt gar keine Probleme, Martin hat sich sehr
gefreut, als er mich als seinen Nachfolger kennengelernt
hat. Die Welt ist manchmal so voller Eitelkeiten, Hierarchi-
en und beleidigter Egos. Aber wir wollen uns doch weiter-
entwickeln!                                             >>
                                                                                                        „A First Date Episode 1“ © Bernhard Weis
„A simple piece“, Demis Volpi mit Filmemacher Ralph Goertz © Daniel Senzek

                                                                         www.danceforyou-magazine.com
18   DANCE forYOU magazine
                                                                                                                                     „A simple piece“ © Bettina Stoess

                         Tauschen Sie sich mit Kollegen aus, wie die                               Wissen Sie, wie es in Ihrer Heimat
                         mit der Situation umgehen?                                                Argentinien oder überhaupt in Südamerika
                                                                                                   aussieht? Müssen da Kompanien aufgeben?
                         Wir tauschen uns alle intensiv aus. Ted Brandsen von Het
                         Nationale Ballet in Amsterdam hat ein starkes Netzwerk                    Nein, die meisten überleben schon. Das sind große Häu-
                         entwickelt, das sind an die 130 Ballettdirektor*innen aus                 ser, meistens staatlich gefördert und zum Teil Vorzeigeob-
                         aller Welt. Und jede/r hat mal eine Frage! Es melden sich                 jekte der jeweiligen Regierung. Auch kleinere Kompanien
                         auch manche bei uns, weil sie sehen, dass die Sache bei uns               bekommen zum Teil Geld vom Staat. Das große Problem
                         vorankommt: „Wir haben von eurem Vorsaisonprogramm                        ist Nordamerika, die großen Kompanien – da weiß man
                         gehört, wie funktioniert das?“ Natürlich teilen wir auch!                 wirklich nicht, ob sie überleben.

                                                                                                   Was passiert, wenn die Theater wieder
                                                                                                   öffnen, werden die meisten Kompanien erst
                                                                                                   mal nur das alte Repertoire zeigen?
                                                                                                   Sie werden überrascht sein! Viele Kompanien haben das
                                                                                                   gleiche Problem wie wir und haben sehr viele Stücke pro-
                                                                                                   duziert, da kommt ein Premierenmarathon! Gerade wird
                                                                                                   ja grundsätzlich alles in Frage gestellt: Sind die Bühnen-
                                                                                                   künste noch relevant, wenn sie kein Mensch erleben kann?
                                                                                                   Natürlich fehlt uns dieser Austausch, die Energie und der
                                                                                                   Motor dafür, warum wir es machen - aber ich glaube, jeder
                                                                                                   spürt gerade, dass es nicht umsonst ist, dass wir durchhal-
                                                                                                   ten müssen. Die Menschen hier in Düsseldorf, die kennen
                                                                                                   mich noch gar nicht und wissen nicht, was wir vorhaben.
                                                                                                   Und die sagen trotzdem: „Wir können es kaum erwarten!“
                                                                                                   Weitergehen wird es auf jeden Fall. Das Theater ist eine we-
                                                                                                   sentliche Urform der menschlichen Kommunikation. ▪

                                                                                                                                            Angela REINHARDT
                         „A first Date Episode 3“ © Bernhard Weis

                                                                    www.danceforyou-magazine.com
DANCE forYOU magazine    19

Mary Skeaping’s
Giselle
                           © Sîan Trenberth
20   DANCE forYOU magazine

                                                                                                                                                                 E. Spatt
                                                                                                                                                erini © Leslie
                                                                                                                                 Renata Cald

                                              77
                                  Karlsson, 19
                     ng © Soren
          Mary Skeapi

                                                                                                                                      t, 1972
                                                                                                                        Festival Balle
                                                                                            thony Crick   may, London
                                                                                kimova © An
                                                                    and Eva Evdo
                                                     Peter Breuer

                          It’s a milestone that richly deserves to be celebrated - the 50th anniversary of Mary Skeaping’s
                          production of Giselle in the UK, which first entered the repertoire of London Festival Ballet
                          (LFB) in April 1971. It has become one of the best known and loved traditional versions in
                          the world which is testament to Skeaping’s attention to detail, her meticulous research
                          and her determination to remain true to the original style. Also important is the clarity with
                          which each of the characters is drawn - that they have their own backstories, no matter
                          how small the role might be, each has its own significance within the unfolding story.

                          T
                                    he first Giselle was originally performed in Par-            gained a unique insight into what Skeaping wished for
                                    is in 1841. Théophile Gautier and Jules-Henri                her productions. She explains that Skeaping fell in love
                                    Vernoy de Saint-Georges were the librettists                 with Giselle in 1925 when she was part of Anna Pavlova’s
                                    and Jean Coralli and Jules Perrot were the cho-              company, an extra in the corps de ballet. Pavlova’s inter-
                          reographers. Adolphe Adam was responsible for the mu-                  pretation was so persuasive that the corps were often
                          sic and one of the most notable features of Skeaping’s                 reduced to tears during the mad scene in Act I. Whilst
                          Giselle is the restoration of parts of the score that are              Skeaping felt that Pavlova’s portrayal of Giselle was
                          omitted in other productions, alongside recovering the                 incomparable, she was a great admirer of other inter-
                          correct running order. This, in turn, proves to be pivotal             pretations including those of Olga Spessivtseva, Alicia
                          dramatically. The music, in effect, dictates the action.               ­Markova and later Eva Evdokimova. Although S­ keaping
                                                                                                  first created her Giselle for Royal Swedish Ballet in 1953
                          Irmgard Berry, Advisor to the Skeaping Estate and                       (and shortly afterwards re-staged it for Ballet Alicia
                          guardian of the choreographic copyright, worked with                    ­Alonso in Cuba), it is the London Festival Ballet, now
                          Skeaping for a number of years before she passed away                    English National Ballet (ENB) production that is consi­
                          in 1984. Berry’s close relationship meant that she has                   dered the definitive version.
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DANCE forYOU magazine        21

Peter Breuer was one of Skeaping’s early Albrechts and he              Details are what brings dancing alive. I learnt a lot from
tells me over Zoom, “Mary was already a legend when I                  Mary. Maybe not everybody agreed with my interpreta-

                                                                       „
met her. It was a great honour to gain knowledge about                 tions but all the Romantic ballets are about love, they’re
the past. As a young dancer from Germany, it was fantastic             full of love and Mary thought like that. Eva and I always did
to get all this input. We got along very well - I always fol-          a lot of research into our roles. I looked at many interpreta-
lowed what she wanted me to do and it was a great expe-                tions of Albrecht, in order to find my own way.”
rience. Especially good, was dancing with Eva ­Evdokimova
because she was the Giselle for me. In the second act - she
wasn’t a human being, she was fantastic. She had the Ro-
mantic style, which it needed. You can think about the
roles in different ways but, for me, Albrecht was a guy who
                                                                       Eva Evdokimova wasn’t
wanted to get out of the [restraints] of the court. He meets           a human being, she was
this woman who is so completely different, and although
he betrayed her, he still fell in love with her. He wasn’t just
                                                                       fantastic. Peter Breuer
a Casanova. He wanted to break free and have a normal
life. I think Mary did this very sensitively - to express the          Daria Klimentova, a former ENB ballerina, says of the
real love he had for Giselle. Eva and I had a kind of atmos-           production, “I have danced Giselle for many years but I
phere between us, it was a bit more earthy. She had this               couldn’t really find myself in it until I started doing Mary
thing that was untouchable, but she also believed it was               Skeaping’s production. It suddenly started to make
true love. I think this made it not just a traditional ballet but      sense. She gives you more chance to explore it as a role,
more of a drama. It was a story of the people - not just her,          with all the smaller details, along with the musicality.
but him. He was trapped in something. It was a more re-                There was more dancing in Act I, including the Pas de
alistic approach. Mary was very precise about everything.              Vendange, which we all loved. I was incredibly fortunate
She would explain what I should be feeling inside, all the             to have been coached by Dame Beryl Grey, as well as
details. Eva liked this too, because she was a detail freak.           having all the gui­dance from Irmgard Berry.”           >>

All photos © Sîan Trenberth                                                                                    Daria Klimentova (Giselle) and Esteban Berlanga (Albrecht)
                                                                    www.danceforyou-magazine.com
22   DANCE forYOU magazine

                                                                                                                                All photos © Sîan Trenberth

                         Renata Calderini, who was a ballerina with LFB/ENB in the        quite honestly, I’m sure even this generation struggle to
                         80s and 90s, says of rehearsing Act II with Skeaping in the      find the strength or the jump to get through it!”
                         studio, that she was warned that wearing noisy pointe
                         shoes [she was breaking them in] broke the magical at-           The all important supporting roles were also given
                         mosphere. A salutary note which she says she applied to          much depth, which Jane Haworth, recently retired after
                         every role she danced thereafter. She says, “Giselle was         37 years with the company, describes when reminisc-
                         always one of my favourite roles and my debut was in             ing on playing Berthe, Giselle’s mother, “I always wore
                         Mary’s version. It is particularly dear to me. Among other       a wedding ring as I felt she would definitely have been
                         things, I also had the honour of dancing it on the occasion      married. Perhaps her husband disappeared when she
                         of the 150th anniversary of the creation of the ballet at        was pregnant with Giselle, hence her superstitions (Act I
                         the 1991 Nervi Festival with English National Ballet. The        mime). Maybe he was lost to the Wilis?” Skeaping would
                         character of Giselle is so timeless because it conveys the       have approved of Haworth’s need to have a backstory
                         strength of her love that is generated by her inner puri-        before setting foot on stage.
                         ty. This purity clashes with the imperfections of human
                         nature, eventually leading to her death. Nevertheless,           Skeaping was an accomplished musician herself, even
                         this strength, even in Act II, allows her to forgive. Mary’s     playing the piano for class when she was asked, which
                         version, with the musical restorations, makes it choreo-         perhaps explains the importance she placed on musical-
                         graphically so much richer and more interesting.”                ity. In a conversation with ENB’s Music Director and con-
                                                                                          ductor, Gavin Sutherland, I ask him how he views ­Adam’s
                         Skeaping placed great importance on the role of ­Myrtha,         score from a musician’s perspective. He describes it as
                         Queen of the Wilis and considered that it needed a               having been his bête noire. “For many years it was some-
                         dancer of principal standard. Anyone familiar with her           thing I carried around like a peg leg - it was almost too
                         version will know that it has longer solos and requires          challenging! It was a situation where tradition compro-
                         exceptional stamina. Mary Li (née McKendry) recalls              mised the music more than any other ballet. Particula­rly
                         that, “Skeaping’s Myrtha was a marathon, with that solo          in Act II - it’s the same music, but it’s just not played at
                         finishing with an extra set of coupé jetés around the            the tempo one would expect. And with the advance-
                         stage and lame ducks to finish. It was one of the hardest        ment of technique - nowadays anyone can do anything
                         solos I’ve ever done. I’ve never seen a similar version and      - since 1841, it’s changed substantially.
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DANCE forYOU magazine        23

Now, they can do the lifts, those things in the air - they can
go up, but there’s nothing to support them because the
music was written from a different perspective. The better
dancers’ technique gets, the more the music feels com-
promised.” He explains that if he’s done enough home-
work and watched enough rehearsals, it works - that if
the orchestra was to play it at exactly the speed of the
rehearsal piano, it would be 25% too slow because of the
percussive nature of the instrument. Sutherland confirms
my long held suspicion - that while Giselle presents some
exhausting and challenging choreography, conducting
it is equally testing. Asked why it is sometimes slow, he
responds, “It’s not that it has to be slow, but the dancers
need to be helped - we need to support each other.” We
discuss the Fugue in Act II, one of the pieces of music that
Skeaping discovered and put back into the ballet. Suth-
erland says, “It’s played at the correct tempo because it’s
her choreography and she wasn’t weighed down by Rus-
sian tradition. It’s like an exercise, a moment of light relief
amid the angst of the romantic music.” He adds “It is a very         ters have history and motivation in their behaviours;
important score, it is a great score - I would never take            the choreography reflects the leitmotifs, a constant
that away from it. My frustration is that I know that from           throughout the score; the dancers have an abundance
the moment Giselle steps out of the door, I’ve got to make           of challenges and audiences around the world have
the music sparkle although I have to take it down a notch            been transported by many casts over the last five de­
in tempo from the way it’s marked in the score.”                     cades. If there is a value (and there is) in preserving the
                                                                     tradition of Romantic ballet for the next fifty years, this
The common factor to the longevity and success of                    is surely the way to do it. ▪
Skeaping’s production is one of authenticity. The charac­                                                        Deborah WEISS

                                                                                                           Daria Klimentova (Giselle) and Esteban Berlanga (Albrecht)

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24   DANCE forYOU magazine

                         Kein Bock (mehr) auf Diktatur
                         Das Netzwerk dancersconnect will Strukturen verändern helfen
                         Zieht man die Internationalität des Tanzes an sich in Betracht, die Vielzahl der Nationen,
                         die dafür (auch) in Deutschland zusammenkommen, kann es schon mehr als nur
                         verwundern, dass bis heute Verträge für Tänzerinnen und Tänzer in den allermeisten
                         Fällen einzig auf Deutsch ausgefertigt werden. Schon dieses eine, kleine Detail lässt
                         erkennen: Im Bereich des Bühnentanzes ist einiges faul. Den kompletten Bereich der
                         Herausforderungen umkreisen Stichwörter wie Arbeitsbedingungen, Machtgefälle,
                         Abhängigkeiten bis hin zu mangelhafter Kommunikationskultur an vielen Häusern.
                         Zumindest sind das die Punkte, die als Kritik seitens vieler Tänzerinnen und Tänzer zum
                         Ausdruck kommen. Da sind ständig neue Rassismusvorwürfe noch gar nicht inbegriffen.

                        E
                                s ist in den vergangenen Jahren zunehmend deutlicher       Dafür braucht es eine grundlegende Organisationsstruk-
                                geworden, dass die Gesamtsituation in unseren Tanz-        tur, die mit dem Netzwerk dancersconnect immer deutli-
                                und Ballettensembles unzureichend gestaltet ist, um        chere und zudem nachhaltige Formen annimmt. Als eine
                         es diplomatisch zu formulieren. Genau so deutlich ist aber        Art Startschuss in der Entwicklung gelten heute die Streiks
                         auch das vermehrte Aufbegehren gegen althergebrachte              beim Staatsballett Berlin im Jahr 2015. Das löste damals
                         und ganz offensichtlich verkrustete Strukturen. Besonders         auch etwas in Friedrich Pohl aus, der zu den Gründungs-
                         begrüßenswert ist dabei die Tatsache, dass dieses Aufbegeh-       mitgliedern von dancersconnect zählt. Was zunächst vor
                         ren „von unten“ her motiviert ist. Die Tänzerinnen und Tänzer     allem als „Gespräche in den Garderoben“ stattfand, brach-
                         selbst sind es, die ihre Situation öffentlich machen und ver-     te schrittweise mehr und mehr Ensemblesprecher bundes-
                         lässliche wie verbindliche Strukturen mitgestalten wollen,        weit zusammen. Schließlich trafen sie sich 2017 zu einer
                         wie sie allen Fairness in den Arbeitsbedingungen garantieren.     ersten gemeinsamen Konferenz in Berlin.

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DANCE forYOU magazine      25

                                                                                                                                  5. Konferenz von dancersconnect
                                                                                                                                       in Dortmund Oktober 2019 -
                                                                                                                                  Plenum (Redner Florent Cheymol)
                                                                                                                                                   © Sayaka Wakita
In Dortmund fand 2019 bereits die vierte Konferenz statt,
und zwar mit wachsender Teilnehmerzahl. Bis Corona die
Entwicklung der Treffen auch hier deutlich bremste.

Trotzdem bedeutet das keinen Stillstand in den Entwick-
lungen. Friedrich Pohl, der bis Ende 2020 den Großteil der
Aktivitäten in Sachen Geschäftsführung „gerissen“ hat, hat
seine Karriere als Tänzer inzwischen beendet. Seine Erfah-                                        Friedrich Pohl © Martin Chaix
rungen aus dem Ballett der Deutschen Oper am Rhein un-              Das Selbstverständnis von dancersconnect ist klar umris-
ter der Ägide von Martin Schläpfer hatten ihm persönlich            sen: „Wir wollen ein neutraler Raum sein, in dem geredet,
vor Augen geführt, wie die alltäglichen Strukturen solcher          sich ausgetauscht werden kann“, so Friedrich Pohl. Schon
Einrichtungen gestrickt sind. Als er von der Stiftung TANZ –        in der Ausbildung wird Tänzern die Fähigkeit zum Kon-
Transition Zentrum Deutschland zu den Möglichkeiten im              flikt aberzogen, wie er betont. Die ständig befristeten
Karriere-Transitioning beraten wurde und schließlich Mi-            Arbeitsverträge schließlich schaffen Abhängigkeiten und
chael Freundt vom Dachverband Tanz kennenlernte, nahm               verhindern offene Kommunikation. So gesehen erscheint
dancersconnect immer mehr Gestalt an.                               es teilweise notwendig, überhaupt so etwas wie eine Fä-
                                                                    higkeit zur Verbalisierung der eigenen Bedürfnisse zu er-
Aktuell studiert Friedrich Pohl Jura. Er sieht zwischen             lernen. Die Tänzerinnen und Tänzer sollen sich wertschät-
dieser Wahl des Studiengangs und seinem Engagement                  zen. Ein „Herauszoomen aus dem Mikrokosmos Theater“
für die Tanzlandschaft einen bedingten Zusammenhang.                will die Initiative dabei erreichen. Am Anfang stand dafür
Interessiert habe ihn Jura schon immer. Seine kulturpo-             allerdings zunächst das mühsame Sammeln und Sondie-
litischen Ambitionen lassen sich damit gut unter einen              ren der tatsächlichen Probleme und Herausforderungen.
Hut bringen. Und da dancersconnect inzwischen ein fes-              Das bedeutet vor allem eins: Weil die Leitung eines man-
tes Team mit verteilten Aufgaben aufbauen konnte, hat er            chen Hauses Veränderungen nicht selten „scheut“, gilt es,
jetzt für sein Studium den Kopf frei. Er ist überdies Teil des      eigene Strukturen zu schaffen, auf deren Basis sich die
bundesweiten Tanzvorstands, der von dancersconnect                  Tänzerschaft gegenseitig stützen und für ihre Interessen
alle zwei Jahre gewählt wird.                                       eintreten kann.                                       >>

                                                                 www.danceforyou-magazine.com
26    DANCE forYOU magazine

                                                                                            cersconnect verlegte seine Konferenzen in den digitalen
                                                                                            Raum, fand hier allerdings eine entsprechend neue, an-
                                                                                            gepasste Form. Unter dem Titel „Out and About“ wur-
                                                                                            den in zehn Online-Sessions über 300 Tänzerinnen und
                                                                                            Tänzer mehrerer Ensembles sowie der freien Szene unter
                                                                                            regionalen Gesichtspunkten zusammengebracht, um so
                                                                                            im Austausch neue Synergien zu ermöglichen. Bei allen
                                                                                            positiven Erfahrungen ist den Beteiligten klar, dass solche
                                                                                            Formate auch hier nicht persönliche Treffen ersetzen kön-
                                                                                            nen. Fortschritte gibt es dennoch. So konnten beispiels-
                                                                                            weise auf diesem Weg auch Vertreter der freien Szene, die
                                                                                            mittlerweile die Initiative sehr aktiv mitgestalten, Ensem-
                                                                                            bletänzern Tipps für einen beruflichen Übergang in den
                                                                                            freien Markt geben.
                             „Wir wollen und können aber keine Gewerkschaft sein“,
                             so Pohl, „stattdessen können wir erklären, wozu eine Ge-       Genau so entscheidend sind Erkenntnisse und Erfahrun-
                             werkschaft gut ist und wie sie funktioniert.“                  gen, die in den letzten zwölf Monaten für jeden Einzelnen
                                                                                            hinzugekommen sind. Deshalb hat dancersconnect eine
                             Den Plan, einen Verein zu gründen, gibt es, mehr oder          Umfrage durchgeführt, die von Tänzern aus der ganzen
                             minder, noch immer. Mit Blick auf die Gemeinnützigkeit         Welt beantwortet wurde. Eine der zentralen Aussagen:
                             allerdings, die wegen des geplanten kulturpolitischen          Endlich mal Zeit, sich auszuruhen! Auch das zeigt, in
                             Engagements verwehrt bliebe, hapert es hier. Aber ei-          welchem Sinn Arbeitsbedingungen zukünftig neu ge-
                             gentlich wäre das Konstrukt eines Vereins gar nicht un-        dacht werden müssen. Deshalb erscheint es der Initiative
                             bedingt notwendig. Nur liegt hier nicht der Fokus des          wichtig, die Umfrageergebnisse erneut unter die Lupe zu
                             Interesses. Viel wichtiger erscheint das Bemühen um            nehmen, wenn sich die Lage wieder etwas in Richtung
                             die Belange von Tänzerinnen und Tänzern, nicht zuletzt         „Alltag“ entspannt hat. ▪
                             vor dem Hintergrund der aktuellen Situation. Auch dan-                                                     Rico STEHFEST

Konferenz 2018 © Eva Radünzel-Kitamura

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DANCE forYOU magazine   27

                                                                      Kultur muss
                                                                    als Grundrecht
                                                                  ins Grundgesetz!
                                                                    Eine Petition fordert mehr Schutz
                                                                         für Kunst und Künstler
                                                                    Der Schutz von Kunst und Kultur muss als Grundrecht im Grundgesetz
                                                                  verankert werden! Mit dieser Kernforderung haben neun Initiatoren Ende
                                                                   letzten Jahres eine bundesweite Organisation gegründet, einen offenen
                                                                  Brief an die Bundesregierung gerichtet und eine Petition gestartet. Mehr
                                                                 als 20.000 Unterschriften unter anderem von namhaften Kunstschaffenden
                                                                  aller Sparten, Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsformen sind bislang
                                                                 gesammelt worden, und ihre Zahl dürfte trotz erschwerter Kommunikation
                                                                                 unter Pandemiebedingungen stetig wachsen.
                                                                      Zwar garantiert Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes die Freiheit
                                                                    der Kunst als Grundrecht, die Förderung von Kunst obliegt jedoch in
                                                                   freiwilliger Entscheidung den Ländern und Kommunen, was für Kunst
                                                                  und Künstler Abhängigkeit von den jeweiligen Lokalpolitikern und ihren
                                                                                         Interessenslagen bedeutet.

Von oben nach unten:
Claudia Opitz, Felix Mayer, Tino Eisbrenner, Sebsastian Köpke,     www.danceforyou-magazine.com
rechts Kathrin Schülein
28     DANCE forYOU magazine

                                                           D
                                                                    ie Produktion von Kunst und ihre Re-      den viele kleine Jurys über Zuwendungen,
                                                                    zeption durch Bürger aller Altersgrup-    müsse die gesamte Produktion selbst vorfi-
                                                                    pen und sozialen Schichtungen muss,       nanziert werden, falls denn überhaupt eine
                                                           so die Initiatoren, grundrechtlich verbrieft       Unterstützung genehmigt wird. Ihre Anträge
                                                           sein: uneingeschränkte Teilhabe als Grund-         auf Landes- und Bundesebene, bedauert
                                                           und Menschenrecht, wie es immerhin die             Kathrin Schülein, sind bisher sämtlich abge-
                                                           auch von der Bundesrepublik unterzeichnete         lehnt worden.
                                                           UN-Charta festschreibt. Im antiken Athen, der
                                                                                                              Und sie hat noch mehr Vorschläge parat. So
                                                           Mutter unserer Demokratie, galt der Theater-
                                                                                                              sollten auch in freien Theatern die Sitze aus
                                                           besuch für alle freien Bürger als Pflichtpro-
                                                                                                              der öffentlichen Hand teilfinanziert werden,
                                                           gramm, weil auf der Bühne Themen von allge-
                                                                                                              wie das in staatlichen Theatern seit jeher
                                                           meinem Belang verhandelt wurden. Wer den
                                                                                                              praktiziert wird. Subventionen müssten sich
                                                           notwendigen Obolus nicht zahlen konnte,
                                                                                                              an der Größe des Hauses orientieren. Dann
                                                           bekam ihn von der Stadtregierung, was freien
                                                                                                              könnten, fügt sie an, die Preise gesenkt wer-
                                                           Eintritt meinte. Darauf zielt der Forderungs-
                                                                                                              den, was weniger Zahlungskräftigen den
                                                           katalog von Künstlern gut 2500 Jahre später
                                                                                                              Zugang ermöglichen würde. In Deutschland,
                                                           nicht ab, klagt indes langfristige und stabile
                                                                                                              sagt sie auch aus eigener Erfahrung, werde
                                                           Sicherungsverhältnisse für Kunst- und Kultur-
                                                                                                              Kultur zum Prestigeobjekt und damit elitär,
                                                           schaffende sowie ein differenziertes gesetzli-
                                                                                                              grenze viele Menschen aus. In der DDR, dem
                                                           ches Regelwerk ein, das sie vor unverschulde-
                                                                                                              Land ihrer Vergangenheit, haben Kunst und
                                                           ten Verdienstausfällen schützt. All das würde
                                                                                                              Kultur einen hohen Stellenwert genossen,
                                                           sie vor der willkürlichen Handhabung inner-
                                                                                                              sind in Artikel 18 der Verfassung, Ausgabe
                                                           halb der einzelnen Bundesländer bewahren
                                                                                                              von 1960, als gesicherte kulturelle Ansprü-
                                                           und stößt deshalb auf breite Zustimmung, in
                                                                                                              che fixiert gewesen.
                                                           den Medien und sogar in der Politik.
                                                                                                              Straßenaktionen im Dienste der Petition sind
                                                           Eine der Initiatorinnen ist die Berliner Choreo-
                                                                                                              derzeit nicht erlaubt, weshalb regelmäßig um
                                                           grafin, Pädagogin und Theaterleiterin Kathrin
                                                                                                              Unterzeichnung werbende elektronische Mails
                                                           Schülein, die beschreibt, wie die Initiative
                                                                                                              verschickt werden: an Theater, Stiftungen, Ver-
                                                           zustandekam. Nach der coronabedingten
                                                                                                              lage, Bibliotheken, Schulen und Hochschulen,
                                                           Schließung ihrer Spielstätte in Adlershof mie-
                                                                                                              kurz all jene, die vom Eintrag ins Grundgesetz
                                                           tete sie per Kredit und mit Hilfe von Freunden
                                                                                                              profitieren würden. Kunst und Kultur müssen,
                                                           und Sponsoren ein viermastiges Zirkuszelt als
                                                                                                              ist Kathrin Schülein überzeugt, verpflichtend
                                                           vor Ansteckung gefeiten, zugleich mehr Zu-
                                                                                                              und mithin einklagbar in Staatshand, dürfen
                                                           schauer fassenden Spielort – der dann auch
                                                                                                              nicht nur als allgemeines Staatsziel geführt
                                                           geschlossen werden musste. Bei gemeinsa-
                                                                                                              werden. Außer CDU und AfD gehen die an-
                                                           men Treffen der Unterstützer wurde die Idee
                                                                                                              deren Parteien mit dieser Forderung konform,
                                                           einer bundesweiten Kampagne pro Kunst
                                                                                                              hoffentlich nicht nur als ein wahltaktisches
                                                           und Künstler geboren, was Freie, Festan-
                                                                                                              Manöver. Kathrin Schülein bespielt gegen-
                                                           gestellte und in Fördervereinen Agierende
                                                                                                              wärtig einen Teil des ehemaligen Theaters, aus
                                                           meint, also querbeet alle im Kulturbereich Tä-
                                                                                                              dem das DDR-Fernsehen seine Aufführungen
                                                           tigen anspricht. Entsprechend groß war und
                                                                                                              gesendet hat und aus dem später die Aktuelle
                                                           ist die Resonanz.
                                                                                                              Kamera, die etwas dröge Nachrichtensendung
                                                           Wie es besser laufen könnte, dazu hat Kathrin      der anderen deutschen Republik, ausgestrahlt
                                                           Schülein eine klare Meinung. England und           wurde. Ihr Theater etabliere sich, erzählt sie
                                                           Frankreich, sagt sie, gehen auch finanziell        freudig, von den elf letzten Vorstellungen im
                                                           besser mit Kunst und Künstlern um. In Eng-         März vor der ersten Schließung seien acht
                                                           land etwa unterstütze der Staat bei nachge-        ausverkauft gewesen. Im aufstrebenden For-
                                                           wiesener Leistung monatlich mit 1000 Euro          schungsstandort Adlershof ist ein Theater
                                                                                                              zwingend nötig: für die dort Beschäftigten
                                                           jeden an der Produktion Beteiligten, über-
                                                                                                              ebenso wie für ein älteres Publikum, das den
                                                           nehme die Miete und zahle dem fördernden
                                                                                                              Weg in Berlins Zentrum nicht mehr bewältigt,
                                                           Theater ein Projektgeld. Selbst die vorange-
                                                                                                              und für Jugendliche bei ihrem Erstkontakt mit
                                                           hende Kreativphase werde materiell abgefe-
                                                                                                              Tanzproduktionen. Unter www.kulturinsgrund-
                                                           dert, besonders bei Regisseuren. Finanziert
                                                                                                              gesetz.de kann sich jeder informieren – und na-
                                                           werde das bis zur Premiere, so Schülein, aus
                                                                                                              türlich die Petition unterzeichnen. ▪
                                                           Lottogeldern, bis zu 50 Vorstellungen seien
                                                           dann keine Seltenheit. Hierzulande entschei-                                  Volkmar DRAEGER
Von oben nach unten: Caro Siebert, Hans-Eckhardt Wenzel,
Katharina Kwaschik, Maia Bunke                                   www.danceforyou-magazine.com
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