Mariquita, der Glückskäfer - UYCAs
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REVIER BODENSEE | RESTAURATION RESTAURATION | REVIER BODENSEE Mariquita, der Glückskäfer Schärenkreuzer segeln vor dem Kap der Guten Hoffnung? Im Atlantik, der erst in der Antarktis wieder auf eine Küste trifft? Ein frisch restaurierter 30er kann davon berichten. Auch wie ihm die Liebe einer Frau das Leben gerettet hat. Von Anette Bengelsdorf Obwohl für den Einsatz auf offener See gebaut, ist der Schärenkreuzer eine elegante Erscheinung. Bild: Bengelsdorf 30 IBN | 6 | 2021 IBN | 6 | 2021 31
REVIER BODENSEE | RESTAURATION RESTAURATION | REVIER BODENSEE Als in den 50er-Jahren das Interesse an den Schärenkreuzern in Schweden erlahmte, da sich Segler anderen, seetüchtigeren Klassen zuwandten und Segler in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg existentiellere Sor- gen hatten als teure Holzboote zu bauen, verlagerte sich die 30er-Szene nach Südaf- rika. 15 Jahre lang blieb das Land am ande- ren Ende der Welt die Hochburg der Klasse. Alle großen Designer dieser Zeit hatten zumindest eine Yacht, die vor Südafrika segelte. Bei Knud Reimers waren es gleich mehrere. Harry Becker war mit zwei Exem- plaren vertreten darunter die legendäre „Rapid“ mit 14,60 Metern der längste je- mals gebaute 30er-Schärenkreuzer. Arvid Laurin war der Rechenkünstler unter den Designern, dem es immer gelang bis an die Grenzen der Klassenvorschrift zu zeichnen, um sich an das maximale Geschwindigkeits- potenzial heranzutasten. „Mariquita“, zu Deutsch „Marienkäfer“, stammt aus seiner Feder. Sie war die einzige Yacht, die für einen südafrikanischen Eigner gezeichnet wurde und bekam deshalb die Segelnummer SA 1. Mit diesem Mast sollte man besser nicht mehr segeln – das untere Ende war komplett verfault. Bild: Privat Nächste Katastrophe: Unter den Spanten waren die Der reiche Geschäftsmann und her- Beinahe alle Spanten sind delaminiert und gebrochen. Bild: Privat Planken faul. Bild: Privat Noch in der alten Heimat Kapstadt: Von weitem wirkt die Yacht intakt. Bild: Trevor Wilkin Stefanie und Michael Baumann freuen sich, dass ihr Schmuckstück wieder wasserdicht ist. Bild: Bengelsdorf 32 IBN | 6 | 2021 IBN | 6 | 2021 33
REVIER BODENSEE | RESTAURATION RESTAURATION | REVIER BODENSEE vorragende 30er-Segler Wilfrid Hancock, nem Kiel zu segeln. Nach vier, fünf Tagen auf verspottet – und offensichtlich ungenutzt Doch schnell folgte auf Freude Ernüchte- so erzählt die Legende, war so begeistert halbem Weg in Port Elizabeth gaben sie auf im Hafen von Kapstadt lag. Über Michaels rung. von Laurins Yacht „Trickson II“, die erfolg- und verluden die Erik-Nielsson-Konstruktion Kaufangebot musste Mike Daly lachen. Viel „Du Papa“, rief sein Sohn, als sie zum ers- reich vor Kapstadt gesegelt wurde, dass auf einen Frachter. Die Crew hatte keine Lust zu gering schien ihm damals der angebo- ten Mal auf dem Attersee mit „Mariquita“ er seinen neuen 30er bei dem Schweden mehr zu pumpen. tene Preis. segeln waren, „da unten kann ich Fische in Auftrag gab. Im Jahr 1958 nietete die Zwischen 1959 und 1966 kämpften vor Baumanns verließen Südafrika und lie- sehen“! Ungeachtet der Löcher in den Plan- „Kungsörs Båtvarv“ in Schweden Planken allem „Rapid“ und „Mariquita“ um den rie- ßen sich in Österreich nieder. Ein Kurs zum ken, die sie mit Gewebeband zugeklebt aus Honduras-Mahagoni auf gedämpfte Ei- sigen silbernen Pokal. Dreimal ging er an Thema Restauration von historischen Yach- hatten, gebrochenen Spanten und einem chenspanten und gaben dem 12,40 Meter „Rapid“, fünfmal konnte ihn Hancock mit ten, an dem sie bei Jochen Landolt, damals „Verband“ um den unteren Teil des Masts, langen Zahnstocher ein Deck aus Douglasie. „Mariquita“ erobern. So erfolgreich war kein Inhaber der Michelsen Werft in Friedrichs- hatten sie die Yacht eingewassert, der gan- Alles erstklassige, gut abgelegene Hölzer, ge- anderer Schärenkreuzer gesegelt worden. hafen, teilnahmen, weckte bei den beiden zen Familie Schwimmwesten verpasst und macht für extreme Witterungsbedingungen. Dann wurde sie verkauft und konnte, ob- schmerzhafte Erinnerungen an die schöne sich bei lauen Winden der eingeschränkten wohl sie noch bis zum letzten Lipton Cup „Mariquita“, die noch immer in Kapstadt im Schwimmfähigkeit ihrer Yacht anvertraut. Der Scherbenhaufen von Port Elizabeth segelte – der wurde 1973 zum letzten Mal Hafen lag und ohne Schlafanzug weiter ver- Nur ein einziges Mal, so zum Abschied, woll- Bis zu zwölf 30er starteten beim jährlichen mit dieser Klasse ausgetragen – nie mehr an gammelte. ten sie mit ihrer großen Liebe segeln gehen. Lipton Cup, der von 1953 bis 1973 in dieser ihre alten Erfolge anknüpfen. Sie endete in Noch aus der Werft rief Michael wieder Danach wollte sie Michael zersägen, das Blei Klasse ausgetragen wurde. Den Cup hatte Richards Bay im Zululand Yachtclub, wo sie Mike Daly an. Der hatte seine Meinung in- verkaufen und die Affäre ein für alle Mal zu Sir Thomas Lipton, Teefabrikant und Sham- beinahe 20 Jahre, angeblich zum Hausboot zwischen geändert und war bereit den 30er den Akten legen. rock-Segler beim America’s Cup, 1909 dem umgebaut, vor sich hindämmerte. Mike Daly abzugeben. Ein Freund mit Bootsverstand Table Bay Yacht Club in Kapstadt gestiftet. „Mariquitas“ Messbrief von 1958 Bild: Privat nahm sich 1990 ihrer an und ließ die schwer schaute sich „Mariquita“ an, machte Fotos Ein neues Leben am Bodensee Er wurde im warmen Indischen Ozean vor heruntergekommene Yacht 1995 restaurie- und riet Michael dringend von dem Unter- Er hatte die Rechnung aber ohne seine Durban und Port Elizabeth sowie im kalten Heimatrevier des Vorjahressiegers. Als Campbell, offizieller Vermesser und späterer ren. fangen ab. Michael sagt: „Wir waren davon Frau gemacht. Beim Freundeskreis Klassi- Atlantik vor Kapstadt ausgetragen. In der Decksfracht wurden die Yachten rund ums Eigner von „Hjalmaren“ – ihr erster hatte sie überzeugt, mit einem Kübel Farbe könne scher Yachten, an den sie sich hilfesuchend ruhigsten Jahreszeit, dem Herbst der Süd- Kap der Guten Hoffnung von einem Ort nach der Sturmfahrt für ein Zehntel des ur- Liebe macht blind man „Mariquita“ zu alter Schönheit verhel- wandte, fand sie Trost. Jochen Landolt wurde halbkugel. zum anderen verschifft. Für drei bis vier sprünglichen Preises verkauft – auf die Idee 2005 zogen Stefanie und Michael Baumann fen“. informiert, er rief an und sagte: „Lass die Tatsächlich fanden in 70 Prozent der Fälle Wochen mussten deshalb ihre Eigner aufs mit zwei Mann Besatzung die etwa 1500 Ki- nach Kapstadt. Michael war dort Geschäfts- Säge weg, die Yacht hat eine Geschichte“. die Wettfahrten bei weniger als zehn Kno- Segeln verzichten. Das brachte Hamish lometer von Durban nach Kapstadt auf eige- führer von MTU Südafrika. Schnell bekamen Michael wollte sie zersägen Der Fachmann für klassische Yachten reiste ten statt. Die restlichen 30 Prozent hatten die beiden Segelflieger Lust aufs Segeln, Für 5000 Euro ließ er im Mai 2013 die Yacht an und machte die Restauration zu einem es allerdings in sich. In böigem Wind bis fuhren eine Weile auf einer 60-Fuß-Yacht in Plastikfolie gewickelt und auf einen Win- Lehrlingsprojekt. zu acht Beaufort schlugen sich die Yachten mit und beschlossen, einen Segelkurs zu terlagerbock geschnallt von Kapstadt nach Sieben Jahre oder 3500 Stunden später mit zerfetzten Segeln und Winschen, die machen. Dann traten sie in den Royal Cape Hamburg verschiffen und fuhr sie auf einem schwamm „Mariquita“ im August vergan- mehr unter als über Wasser waren, angeb- Yacht Club (RCYC) ein. Sie segelten und kauf- gemieteten Autoanhänger nach Öster- genen Jahres wieder im Attersee. „Drei oder lich prächtig. Als „Scherbenhaufen von Port ten „Zeeslang“, auch sie, eine hölzerne, sehr reich. vier Teile sind noch original“, sagt Michael Elizabeth“ ging der Lipton Cup im Jahr 1958 eigenwillige Yacht. Pünktlich zu Stefanies Geburtstag kam sie an schmunzelnd. Alle Spanten waren delami- in die Annalen ein. Wilfrid Hancock segelte Stefanie aber war in die eleganten, schlan- und Michael machte sie ihr zum Geschenk. niert oder gebrochen, unter ihnen die Plan- damals noch Knud Reimers „Sunmaid“ von ken Linien von „Mariquita“ verliebt, die un- Sie sei das größte Päckchen gewesen, das sie ken verfault, das Unterwasserschiff hatte 1938. Mit zwei gerollten Reffs im Groß und abgedeckt – Persenninge wurden als Pyjama jemals ausgepackt hat, sagt Stefanie. einen anderen Aggregatzustand angenom- einer schweren Sturmfock kämpfte er gegen men und hatte sich zu Torfmull zersetzt. Ent- Böen aus Südwest, die, so wird berichtet, gegen erster Sparmaßnahmen wurde nicht, innerhalb von zehn Minuten zwischen null wo noch möglich, gestäbelt und lackiert, und 60 Knoten schwankten. So sparsam sondern edel und neu mit Mahagoni ge- besegelt riss es ihm die Püttinge der Wan- plankt, die Idee eines billigen Sperrholzdecks ten inklusive Stahlspanten aus den Planken. zugunsten eines Teakdecks verworfen. Auch Die Löcher, in denen zuvor die Nieten saßen, der Mast war nicht zu retten. Unter dem Ver- dichtete die Crew während der Fahrt mit Iso- band kamen faustgroße, faule Löcher hervor, lierband ab. Hancock und seine „Sunmaid“ Schrauben konnte man mit den bloßen Fin- wurden Erste, während „Hjalmaren“, damals gern aus dem Holz ziehen. noch mit ihrem ersten Eigner am Ruder, vor Das Ergebnis des Langzeitprojekts kann Top und Takel – die Baumwollsegel waren sich sehen lassen. Heute liegt „Mariquita“ in Fetzen gegangen – Richtung Madagaskar als Schmuckstück mit Pyjama im Hafen des raste. Schneller als der Hafenschlepper von Württembergischen Yachtclubs in Fried- Port Elizabeth. richshafen. Zu erkennen ist sie an den bei- den Clubstandern unter der Backbordsaling „Mariquita“ war die erfolgreichste Yacht ihres neuen Masts. Neben dem des UYCAs Ausgetragen wurde die Regatta immer im Auch innen glänzt Mariquita nach der Restauration in schwedischem Design. Bild: Privat Die Yacht wird in Südafrika verladen Bild: Privat flattert der des RCYC im Wind. 34 IBN | 6 | 2021 IBN | 6 | 2021 35
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