Marketing für Nonprofit-Organisationen - NET

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Kohlhammer Edition Marketing

                     Marketing für Nonprofit-Organisationen

                                      Grundlagen – Konzepte – Instrumente.

                                                   Bearbeitet von
                                                   Manfred Bruhn

                                     1. Auflage 2005. Buch. 550 S. Hardcover
                                             ISBN 978 3 17 018281 3
                                          Format (B x L): 14,5 x 21,5 cm
                                                  Gewicht: 726 g

  Wirtschaft > Wirtschaftssektoren & Branchen: Allgemeines > Non-Profit
                              Organisationen
                                          Zu Inhaltsverzeichnis

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1        Gegenstand und Besonderheiten
         von Nonprofit-Organisationen

1.1      Bedeutung und Entwicklung
         von Nonprofit-Organisationen

1.1.1    Entwicklung und gesellschaftliche Relevanz
         von Nonprofit-Organisationen

Nonprofit-Organisationen haben sich im gesellschaftlichen Leben in nahezu
allen Staaten der Welt fest etabliert. Dabei ist das Spektrum der im Nonprofit-
Sektor tätigen Organisationen äußerst breit – beispielsweise gehören dazu so
verschiedenartige Institutionen wie Vereine, Kirchen, Parteien, Museen, Kran-
kenhäuser oder Altenpflegeheime. So unterschiedlich wie die verschiedenen Or-
ganisationen sind auch die Motive, die zu ihrer Entstehung geführt haben. Ein
allgemein gültiger Erklärungsansatz, der für die Entstehung von Nonprofit-Or-
ganisationen oftmals herangezogen wird, bezieht sich auf die quantitative und
qualitative Unterversorgung bestimmter Bevölkerungsgruppen oder in Bezug
auf bestimmte Leistungen (Weisbrod 1977, 1988; Hansmann 1987). Insbesonde-
re die Entstehung von Nonprofit-Organisationen im sozialen Bereich können mit
diesem Ansatz gut erklärt werden. So stellen soziale Nonprofit-Organisationen
ihre Leistungen jenen Bevölkerungsgruppen zur Verfügung, für die der Staat
bzw. der Markt keine ausreichende Versorgung bietet. Die Entstehung von Non-
profit-Organisationen wird somit vor allem als Folge von Staats- bzw. Marktver-
sagen angesehen (Badelt 2002c, S. 115). In diesem Zusammenhang wird bei
Nonprofit-Organisationen deswegen auch vom sog. Dritten Sektor gesprochen
(vgl. z.B. Anheier et al. 1997; Breit/Massing 2001), der sich einerseits von er-
werbswirtschaftlichen Organisationen, andererseits vom Staat abgrenzt.
In den letzten Jahren haben sich Nonprofit-Organisationen sowohl quantitativ
als auch in Bezug auf die Gewichtung der verschiedenen Einsatzfelder entschei-
dend verändert. Wie die international angelegte Johns-Hopkins-Studie zeigt, ist
es z.B. in den vergangenen 20 Jahren zu einer Verdreifachung der Vereinsdichte
in Deutschland gekommen (Anheier/Seibel 2001). Allein in Bezug auf Sportver-
eine wurden seit der Gründung des Deutschen Sportbundes im Jahre 1950 jähr-
lich ca. 1.000 bis 4.000 Sportvereine neu gegründet (Jütting 1998, S. 271). Heu-

                                                                             27
te ist der Deutsche Sportbund die größte Personenvereinigung Deutschlands mit
rund 27 Mio. Mitgliedschaften, die in über 87.000 Turn- und Sportvereinen in 90
Mitgliedsorganisationen organisiert sind (www.dsb.de, Zugriff am 06.07.2004).
Eine ähnliche Dynamik lässt sich bei der Zahl der Selbsthilfegruppen und Initia-
tiven feststellen, die von ca. 25.000 im Jahre 1985 auf rund 70.000 (1998) ange-
stiegen sind. Heute gibt es zu ca. 800 verschiedenen Themen Selbsthilfegruppen,
deren Anzahl auf 100.000 geschätzt wird (www.seko-bayern.de; Zugriff am
06.07.2004). Aktuell zeigt sich vor allem bei nicht-kommerziellen Organisatio-
nen in den Bereichen Umwelt, Kultur oder internationale Aktivitäten ein über-
durchschnittliches Wachstum (Priller/Zimmer 2000). Schaubild 1-1 zeigt die
Anzahl der Nonprofit-Organisationen in verschiedenen Bereichen. Die Ausprä-
gungen der verschiedenen Nonprofit-Organisationen innerhalb dieser Bereiche
sind vielfältig und deren Tätigkeitsfelder oftmals recht weit gesteckt und im
Zeitablauf veränderlich. Dadurch wird die exakte Zuordnung der verschiedenen
Organisationen in einen der zehn unten stehenden Bereiche erschwert.

Schaubild 1-1: Anzahl und Mitglieder von Nonprofit-Organisationen in Deutsch-
               land (Quelle: Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Pro-
               ject, Teilstudie Deutschland 1997)

28
Die Vielfalt an Nonprofit-Organisationen sowie deren stetig steigende Mitglie-
derzahlen machen den Wandel des dritten Sektors deutlich. Es zeichnet sich
auch für die Zukunft eine wachsende Bedeutung von bestimmten Nonprofit-
Leistungen und eine Zunahme von Nonprofit-Organisationen im Allgemeinen
ab.
Als Auslöser für den Bedeutungszuwachs und Wandel des dritten Sektors gelten
vor allem gesellschaftliche Entwicklungen sowie Änderungen im Verhalten
von bestimmten Bevölkerungsgruppen (vgl. hierzu Schaubild 1-2). So hat bei-
spielsweise die Verkürzung der Arbeitszeit ein erhöhtes Bedürfnis nach Freizeit-
aktivitäten nach sich gezogen und damit dazu beigetragen, dass Nonprofit-Orga-
nisationen aus dem Bereich Kultur und Erholung auf starkes Interesse in der
Bevölkerung stoßen. Immerhin sind inzwischen beinahe 50 Prozent aller West-
deutschen in einem Verein organisiert. Insbesondere Sport- und Freizeitvereine
haben dabei besonderen Zulauf (Anheier et al. 2002, S. 34). Durch die Erhöhung
der Erwerbsquote bei Frauen (bei gleich bleibendem Anteil erwerbstätiger Män-
ner) entsteht außerdem ein erhöhter Bedarf an Nonprofit-Leistungen im Bereich

Schaubild 1-2: Ursachen der zunehmenden Nachfrage nach Nonprofit-Leistun-
               gen (Quelle: in Anlehnung an Meffert/Bruhn 2003, S. 6)

                                                                             29
der Familienbetreuung (z.B. Kleinkinderbetreuung, Kindergrippen). Gleichzei-
tig führen geänderte Werte und aktuelle soziale Anliegen zur Gründung bzw.
zum Bedeutungszuwachs von politisch orientierten und sozialen Nonprofit-Or-
ganisationen. Beispielsweise hat sich seit den 1980er-Jahren mit der Etablierung
der „Grünen“ im Parteiensystem auch das Interesse am Umweltschutz in der Be-
völkerung erhöht. Entsprechend sind die Mitgliederzahlen von Umweltschutz-
gruppen gewachsen und neue Nonprofit-Organisationen in diesem Bereich ent-
standen.
Beispiel: Entwicklung der Umweltschutzorganisation Greenpeace
Das steigende Interesse an Umweltthemen seit den 1980er-Jahren lässt sich am Beispiel
der Umweltschutzorganisation Greenpeace aufzeigen: Im Jahre 1980 interessieren sich
die ersten Gruppen für die Arbeit der Umweltschutzorganisation Greenpeace und nennen
sich mit Erlaubnis der Dachorganisation Greenpeace International (GPI) offiziell Green-
peace. Bei der Eröffnung des Zentralbüros von Greenpeace Deutschland im Jahre 1981
gibt es bereits zehn regionale Kontaktgruppen. Weitere zwei Jahre später hat sich die
Zahl der lokalen Greenpeace-Gruppen in Deutschland – nicht zuletzt angetrieben durch
den Chemie-Unfall von Seveso – auf 21 erhöht. Heute engagieren sich bundesweit etwa
80 Greenpeace-Gruppen für den Umweltschutz (Quelle: www.greenpeace.de, Zugriff am
04.08.2004).

Bei den demographischen Faktoren ist insbesondere die Entwicklung der Al-
tersstruktur in Deutschland mit einem relativ hohen Anteil älterer Menschen bei
einer insgesamt steigenden Lebenserwartung zu nennen, die dazu führt, dass im-
mer mehr Menschen immer länger Leistungen von Nonprofit-Organisationen
nachfragen bzw. sich auch aktiv in Nonprofit-Organisationen engagieren.
Gleichzeitig bedingt der wachsende Anteil älterer Bevölkerungssegmente, dass
die Nachfrage nach bestimmten altersspezifischen Nonprofit-Leistungen – wie
etwa Pflegeleistungen – überproportional an Bedeutung gewinnen wird. Für das
Beispiel Pflegeleistungen geht das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in
einer Prognose von einer Zunahme der Anzahl pflegebedürftiger Personen bis
zum Jahr 2020 um 50 Prozent und bis zum Jahr 2050 gar um 150 Prozent aus
(Schulz/Leidl/König 2001). Entsprechend ist zu erwarten, dass die in diesem Be-
reich tätigen Nonprofit-Organisationen sich zukünftig einer steigenden Nachfra-
ge nach ihren Leistungen gegenübersehen werden.
Als ökonomische Einflussfaktoren auf die Nachfrage nach Nonprofit-Leistun-
gen kommt vor allem der derzeitigen wirtschaftlichen Krisensituationen und der
zunehmenden Kluft zwischen „arm“ und „reich“ eine zentrale Bedeutung zu, in-
dem Nonprofit-Organisationen immer mehr und immer weiter gehende soziale
Aufgaben zukommen (z.B. Essensausgabe an sozial schwache Menschen oder
Bereitstellung von Wohnraum für Obdachlose). Weiterhin führt der Rückzug
kommerzieller Unternehmen aus bestimmten nicht mehr lukrativen Geschäftsbe-

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reichen (z.B. Aufgabe bestimmter Strecken im Nahverkehr) dazu, dass Anbieter
von Nonprofit-Organisationen in diese Lücke treten.
Schließlich lassen sich auch politische Faktoren identifizieren, die einen Ein-
fluss auf das Angebot bzw. die Nachfrage von Nonprofit-Leistungen ausüben.
Dazu gehören beispielsweise das sinkende Vertrauen in die Lösungskompetenz
von staatlichen Institutionen oder die mangelnde Auseinandersetzung seitens der
Politik mit nationalen und internationalen Spannungsfeldern (z.B. Umwelt-
schutz, Entwicklungshilfe), wodurch Nonprofit-Organisationen vielfach ge-
zwungen sind, in diesem Vakuum Problemlösungen anzubieten. Das geringe
Vertrauen der Bürger in Entscheidungswillen und -fähigkeit staatlicher bzw. po-
litischer Institutionen wird durch die Resultate einer Befragung öffentlicher Mei-
nungsführer in Europa und den USA unterstrichen, nach denen das Vertrauen in
die Regierung (26 Prozent) und deren Problemlösefähigkeit deutlich tiefer ein-
gestuft wurde als das Vertrauen in Nichtregierungs- (NGO) und Nonprofit-Orga-
nisationen (NPO) (52 Prozent) (Edelmann 2002).

1.1.2    Die wirtschaftliche Relevanz von Nonprofit-Organisationen

Nonprofit-Organisationen spielen nicht nur als Ausdruck des gesellschaftlichen
Lebens von modernen Staaten eine besondere Rolle. Vielmehr kommt dem Non-
profit-Sektor auch aus wirtschaftlicher Sicht eine nicht zu unterschätzende Be-
deutung zu. Im Bereich der Nonprofit-Organisationen konnten bereits 1995
mehr als 1,43 Mio. bezahlte Vollzeitarbeitsplätze gezählt werden (Anheier et al.
1997), und ein Leistungsanteil von ca. 3,9 Prozent des Bruttosozialproduktes der
Bundesrepublik Deutschland entfällt auf den nicht-kommerziellen Sektor (Pril-
ler et al. 1999, S. 101). In den letzten Jahrzehnten konnte der Nonprofit-Sektor
sowohl die kommerziellen Unternehmen als auch den öffentlichen Sektor in Be-
zug auf die Anzahl neu geschaffener Arbeitsplätze überholen (Anheier et al.
2002, S. 32). Seit Beginn der systematischen Untersuchungen zum Beschäf-
tigungswachstum in den drei Sektoren im Jahre 1960 wies der Nonprofit-Sek-
tor (in Westdeutschland) ein relatives Beschäftigungswachstum von 373 Prozent
auf (von ca. 383.000 auf 1.440.000 Arbeitsplätze), der öffentliche Sektor um
201 Prozent (von ca. 2.098.000 auf 4.225.000 Arbeitsplätze). Demgegenüber
schrumpfte die Zahl der Erwerbstätigen bei kommerziellen Unternehmen seither
um 2 Prozent (von ca. 23.201.000 auf 22.754.000 Arbeitsplätze) (Johns Hopkins
Comparative Nonprofit Sector Project, Teilstudie Deutschland 1997; Anheier
1999).
Schaubild 1-3 gibt einen Überblick über die Beschäftigung in den einzelnen Be-
reichen des Nonprofit-Sektors. Dabei zeigt sich, dass ein Großteil der Stellen in

                                                                               31
Schaubild 1-3: Beschäftigtenzahlen in deutschen Nonprofit-Organisationen
               (Quelle: Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project,
               Teilstudie Deutschland 1997)

den Bereichen Soziale Dienste (z.B. Altenwohnheime), Gesundheitswesen (z.B.
Krankenhäuser) sowie Bildung und Forschung (z.B. Erwachsenenbildung) ent-
standen sind. Wenn die Organisationen, die sich durch eine nicht-kommerzielle
Zielsetzung auszeichnen und dem öffentlichen Sektor angehören (z.B. Universi-
täten, staatliche Kultureinrichtungen usw.), bei der Betrachtung mit einbezogen
werden, steigt die Anzahl der Beschäftigten beträchtlich. Beispielsweise sind al-
lein im Gesundheitswesen annähernd die Hälfte aller Stellen im öffentlichen
Sektor angesiedelt (Anheier et al. 2002, S. 31).

32
1.2      Begriff und Systematisierung
         von Nonprofit-Organisationen

1.2.1    Begriff der Nonprofit-Organisation

Der Begriff der Nonprofit-Organisation hat sich inzwischen in der Literatur fest
etabliert (Andreasen/Kotler 2002; Schwarz et al. 2002; Eschenbach/Horak
2003). Als zentrales Abgrenzungskriterium zu erwerbswirtschaftlichen Unter-
nehmen kann die untergeordnete Bedeutung des Gewinnziels innerhalb der orga-
nisationalen Ziele herangezogen werden. Nonprofit-Organisationen sind dem-
nach dadurch gekennzeichnet, dass das Gewinnziel bzw. andere ökonomische
Ziele im System der organisationalen Oberziele nicht explizit enthalten sind,
sondern eine – wenn auch wichtige – Rahmenbedingung darstellen. Stattdessen
rücken insbesondere bedarfswirtschaftliche bzw. soziale und gesellschaftliche
Ziele als Primärziele für die Führung von Nonprofit-Organisationen in den Mit-
telpunkt. Die nicht-gewinnorientierte Bedürfnisbefriedigung und Versorgung
verschiedener Anspruchsgruppen (z.B. Erbringung karitativer Leistungen oder
öffentlicher Aufgaben) bzw. das Verfolgen zuvor definierter Interessen (z.B. In-
teressenvertretung durch Parteien) und Missionen (z.B. Verringerung des Hun-
gers in der Dritten Welt) steht im Vordergrund. Für ihre Leistungen erhalten die
Nonprofit-Organisationen nicht immer direkte Gegenleistungen in Form von
Marktpreisen bzw. Entgelten, vielmehr finanzieren sie sich teilweise über Steu-
ern, Zuschüsse, Spenden, Mitgliedsbeiträge u.Ä. (Wiedmann 2001, S. 670 ff.).
Eine Nonprofit-Organisation kann wie folgt definiert werden (in Anlehnung an
Purtschert 2001, S. 50 f.; Badelt 2002a, S. 8 f.):

 Eine Nonprofit-Organisation ist eine nach rechtlichen Prinzipien gegründe-
 te Institution (privat, halb-staatlich, öffentlich), die durch ein Mindestmaß an
 formaler Selbstverwaltung, Entscheidungsautonomie und Freiwilligkeit ge-
 kennzeichnet ist und deren Organisationszweck primär in der Leistungser-
 stellung im nicht-kommerziellen Sektor liegt.

1.2.2    Marketingrelevante Typologien
         von Nonprofit-Organisationen

Wie bereits deutlich wurde, gibt es eine große Heterogenität im Bereich der
Nonprofit-Organisationen; nach Schaubild 1-1 sind es in Deutschland mehr als
400.000 verschiedene Organisationen, die dem Nonprofit-Sektor zugerechnet

                                                                                33
werden können. In den Vereinigten Staaten wird die Zahl der Nonprofit-Organi-
sationen mit annähernd 700.000 angegeben (Weinberg/Ritchie 1999; weitere
Zahlen zum Nonprofit-Sektor in den USA, Deutschland, Österreich sowie weite-
ren Ländern finden sich auf der Homepage des „Centers for Civil Society Stu-
dies“ der Johns-Hopkins-Universität: www.jhu.edu/~cnp/). Nonprofit-Organisa-
tionen sind in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen anzutreffen, wie
etwa Gesundheit und Soziales, Umwelt, Wohnungswesen, Politik, Bürger- und
Verbraucherinteressen, Religion usw. Die extreme Vielfalt der Organisationen
im nicht-kommerziellen Bereich gestaltet es schwierig, diese als Gesamtheit zu
untersuchen und hat deswegen zu einer Reihe von Kategorisierungsversuchen in
der Literatur geführt. Einige der dabei vorgeschlagenen Kriterien zur Typologi-
sierung von Institutionen – z.B. Art der Organisationsform (Verein, Genossen-
schaft usw.) – sind nicht in der Lage, eindeutige Implikationen für das Marketing
zuzulassen. Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen bilden daher mehrdi-
mensionale Typologieansätze, die institutionelle Besonderheiten nicht-kommer-
zieller Organisationen und ihr Aufgabenfeld betreffen.
Ein Beispiel für eine mehrdimensionale Typologisierung ist etwa die von
Raffée, Abel und Wiedmann (1983, S. 198 ff.) vorgeschlagene Klassifikation,
die die folgenden drei institutionellen Merkmale zur Strukturierung der Anbieter
von Nonprofit-Leistungen – speziell im sozialen Bereich – zugrunde legt:
(1) Rechtlicher Status
Hierbei wird in private, gemischtwirtschaftliche und öffentliche Organisationen
unterteilt.
(2) Bedeutung gesellschaftlicher Aufgaben im Tätigkeitsspektrum
Als Gegenpole existieren zum einen originäre Sozioinstitutionen, zum anderen
Institutionen mit akzidentiellem Soziobezug. Dieses auf den sozialen Bereich fo-
kussierte Klassifikationsmerkmal lässt sich auch auf andere Nonprofit-Organisa-
tionen erweitern. Denkbar ist es z.B., als erweitertes Klassifikationsmerkmal
eine Unterteilung danach vorzunehmen, ob es sich bei der Organisation um eine
reine Nonprofit-Organisation handelt oder ob es sich um eine Organisation han-
delt, die sekundär Nonprofit-Programme verfolgt.
(3) Partizipationsgrad
In Bezug auf den Partizipationsgrad kann zwischen Fremd- sowie Selbstorgani-
sation und Mitgliedervertretung differenziert werden.
Beim Zusammenfügen der einzelnen Kriterien ergibt sich ein durch drei Dimen-
sionen aufgespannter Würfel, innerhalb dessen sich die verschiedenen, am Markt
tätigen Nonprofit-Organisationen charakterisieren lassen. Dies ist in Schaubild
1-4 exemplarisch dargestellt. Dem grau unterlegten Feld könnte beispielsweise

34
Schaubild 1-4: Typologisierung von Nonprofit-Organisationen anhand institutio-
               neller Merkmale (Quelle: in Anlehnung an Raffée/Abel/Wiedmann
               1983, S. 691)

eine private Entwicklungshilfeorganisation zugeordnet werden. Auf Basis dieser
Zuordnung lassen sich Implikationen für das Marketing ableiten. Im Folgenden
werden die einzelnen Klassifikationsmerkmale genauer betrachtet, um den Be-
reich, der für ein Nonprofit-Marketing die Ausgangsbasis bildet, besser abzu-
grenzen.
• Rechtlicher Status
Die Unterteilung nach dem rechtlichen Status in öffentliche, halbstaatliche und
private Nonprofit-Organisationen ist insbesondere unter dem Aspekt der Gestal-
tungsmöglichkeiten in Bezug auf ein Nonprofit-Marketing von Relevanz. Die
Dispositionsfreiheit ist i.d.R. bei staatlichen Nonprofit-Organisationen geringer
als bei privaten. Bei staatlichen Nonprofit-Organisationen, vor allem bei öffent-
lichen Verwaltungen mit klar festgelegten ordnungspolitischen Aufgaben auf
Bundes-, Länder- oder Gemeindeebene (z.B. Finanzämter, Polizei, Kfz-Zu-
lassungsstelle usw.), bestehen starke Einschränkungen bei den Marketingent-

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scheidungen. Demgegenüber haben öffentliche Betriebe mit leistungspolitischen
Aufgaben (z.B. öffentliche Verkehrsbetriebe) vergleichsweise größere Gestal-
tungsmöglichkeiten. Allerdings ist in diesem Bereich seit den 1990er-Jahren
eine Tendenz zur Privatisierung von ehemaligen Staatsbetrieben – etwa im Be-
reich der Telekommunikations-, Energie- oder Transportunternehmen – festzu-
stellen (Schwarz et al. 2002, S. 22). Da diese Organisationen nicht mehr dem
Nonprofit-Sektor zugeordnet werden können und sich nicht oder nur rudimentär
von anderen kommerziellen Organisationen unterscheiden, fallen sie entspre-
chend aus dem Betrachtungsfokus des Nonprofit-Marketing. Die Mehrheit der
Nonprofit-Organisationen – und damit auch Hauptfokus des Nonprofit-Marke-
ting – sind nicht-kommerzielle Organisationen, wie beispielsweise Sportvereine,
Bürgerinitiativen, Umweltschutzorganisationen usw.
• Bedeutung von Nonprofit-Aufgaben im Tätigkeitsspektrum
Neben Organisationen, die ausschließlich mit der Lösung von Nonprofit-Aufga-
ben vertraut sind, existieren auch solche Organisationen, die lediglich akziden-
tiell Nonprofit-Programme verfolgen. Demzufolge lassen sich die im Nonprofit-
Sektor tätigen Organisationen auf einem Kontinuum zwischen den beiden
Extrempolen „reine Nonprofit-Organisation“ und „reine Profit-Organisation“
anordnen (Schüller/Strasmann 1989; Finis-Siegler 2001). Reinen Nonprofit-Or-
ganisationen ist gemeinsam, dass sie primär dem Gemeinwohl bzw. dem Wohl
ihrer Mitglieder dienen – und weniger individuellen Interessen (Badelt 2002a,
S. 8). Schafft es beispielsweise eine Arbeitnehmerorganisation, die wirtschaft-
lichen Interessen ihrer Mitglieder gegenüber den Arbeitgebern erfolgreich zu
vertreten, so entspricht dies ihrer Oberzielformulierung bzw. ihrer Rolle als Ar-
beitnehmerorganisation. Vergleichbar ist es das Ziel einer Entwicklungshilfeor-
ganisation, wirtschaftlich benachteiligten Menschen zu helfen. Demgegenüber
sind Organisationen mit akzidentiellem Nonprofit-Bezug dadurch gekennzeich-
net, dass Nonprofit-Ziele zwar im Zielsystem der Organisation verankert sind,
diese aber keine dominante Stellung einnehmen.
Beispiel: Soziales Engagement des Unternehmens Deichmann
Beispiele für Nonprofit-Aktivitäten einer kommerziellen Organisation stellen die sozial
engagierten Projekte des Unternehmens Deichmann dar. Aus seiner christlichen Überzeu-
gung heraus engagiert sich der Unternehmensgründer Dr. Deichmann seit über 20 Jahren
für notleidende Menschen in verschiedenen Ländern. Zu den Projekten gehört beispiels-
weise die gezielte medizinische Hilfe für Lepra- und Tuberkulosekranke in eigens ge-
schaffenen Einrichtungen oder die Förderung der Schul- und Berufsausbildung in Indien.
In Israel unterstützt Deichmann an der Ben-Gurion Universität landwirtschaftliche Ent-
wicklungsprojekte für die Wüstenregionen und fördert zudem den Dialog zwischen
Israelis und Palästinensern. In Tansania konzentriert sich die Hilfe auf den Aufbau von Ge-
sundheitsdiensten, die Förderung der Landwirtschaft und Viehzucht sowie auf die hand-
werkliche Ausbildung Jugendlicher. Dieser persönliche Einsatz wirkt in das Unternehmen

36
hinein, da das soziale Engagement eine Identifikationsmöglichkeit für die Mitarbeiter bie-
tet. Darüber hinaus hat sich das Unternehmen Deichmann einen Code of Conduct auf-
erlegt, der ebenso seine Hersteller und Lieferanten zur Einhaltung bestimmter Sozial-
standards in Bezug auf u.a. Kinderarbeit, Gesundheit und Sicherheit verpflichtet (Quelle:
www.deichmann.de, Zugriff am 07.07.2004).
Die scheinbar selbstlosen Nonprofit-Aktivitäten von kommerziellen Unterneh-
men stellen jedoch oftmals nur abgeleitete Ziele dar, um die Oberziele – insbe-
sondere jenes der Gewinnmaximierung – zu erreichen, d.h. erwerbswirtschaftli-
che Unternehmen werden primär dann Nonprofit-Aktivitäten durchführen, wenn
dadurch beispielsweise positive Auswirkungen auf das Unternehmensimage er-
wartet werden. In Bezug auf die Realisation von Nonprofit-Aktivitäten durch
kommerzielle Unternehmen lässt sich somit eine Verfremdung der ursprüngli-
chen altruistischen Intention nicht immer ausschließen. Deshalb ist es zweck-
mäßig, die Nonprofit-Aktivitäten von kommerziellen Organisationen aus dem
Bereich des Nonprofit-Marketing auszuklammern und den Fokus auf reine Non-
profit-Organisationen zu legen.
• Partizipationsgrad
Bei der Betrachtung der Organisationsformen im Nonprofit-Sektor sind eine
Vielzahl verschiedener Grundstrukturen zu finden, die sich in unterschiedlichem
Partizipationsgrad der Mitarbeiter widerspiegeln. Generell lässt sich eine Unter-
teilung in Eigenleistungs- und Drittleistungsorganisationen vornehmen (Burla
1989). Während im Falle von Eigenleistungsorganisationen (Selbstleistungsor-
ganisationen und Mitgliedervertretungen) für die eigenen Mitglieder die Leis-
tungen erbracht werden (z.B. bei Sportvereinen), sind bei Drittleistungsorgani-
sationen die Nutznießer nicht identisch mit den Trägern der Organisation,
sondern primär ein Personenkreis außerhalb der Nonprofit-Organisation (z.B.
Leistungsempfänger im Bereich der Entwicklungsländerarbeit). Dies hat Konse-
quenzen für das Marketing: So sind im Falle von Drittleistungsorganisationen
Personen dazu zu bringen, Geld ohne direkte Gegenleistung für soziale oder ge-
meinnützige Zwecke zur Verfügung zu stellen.
Eigenleistungsorganisationen werden z.T. auch als Selbsthilfeorganisationen be-
zeichnet. Dies trifft insbesondere auf Genossenschaften und Verbände zu. Eine
bestimmte Anzahl von Personen schließen sich zusammen, um als Gruppe Auf-
gaben effizienter erfüllen zu können (Schwarz et al. 2002, S. 24). Generell kann
das Hauptziel des Zusammenschlusses mehrerer Individuen zu einer Eigenleis-
tungsorganisation zum einen darin bestehen, größeren Einfluss auf die Errei-
chung bestimmter Ziele auszuüben (z.B. im politischen Bereich); zum anderen
ist es auch denkbar, dass die Mitglieder sich primär aufgrund gemeinsamer Frei-
zeitinteressen zusammenschließen, d.h., das kollektive Zusammenwirken ist das
Primärziel der Organisation (z.B. Musikverein, Sportverein). Obgleich die Mit-

                                                                                       37
gliedschaft bei Eigenleistungsorganisationen i.d.R. freiwillig erfolgt, gibt es
dennoch einige Nonprofit-Organisationen mit Pflichtmitgliedschaft (z.B. Han-
delskammer).
Strukturell werden bei größeren mitgliedschaftlich zusammengeschlossenen
Nonprofit-Institutionen oftmals formale Organisationen auf regionaler Ebene
gebildet, um auf einer höheren Ebene Vorschläge für eine Meinungsbildung, Be-
einflussung von Entscheidungen sowie Empfehlungen für die Besetzung der
Leitungsorgane (z.B. Bundesvorstand) zu erarbeiten (vgl. Schaubild 1-5). Für
das Marketing derartiger Organisationen bedeutet dies häufig einen erhöhten
Abstimmungsbedarf.

Schaubild 1-5: Grundstruktur mitgliedschaftlich orientierter Nonprofit-Organisatio-
               nen (Quelle: Schwarz et al. 2002, S. 29)

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