Der Kognitive Loop Und wie sich "Intelligenz" auf Siliziumbasis konstelliert - Industrie 4.0 Management
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Intelligente Systeme Der Kognitive Loop Und wie sich „Intelligenz“ auf Siliziumbasis konstelliert Claus Riehle, dimeto GmbH, Thorsten Pötter und Thomas Steckenreiter, Samson AG In der Prozesstechnik denkt man in Produktionsoperationen, die von Sen- The Loop of Cognition soren und Aktoren gesteuert bzw. geregelt werden. Und jede Realisie- In process engineering, one thinks of production oper- rung von Stoffumwandlung basiert auf einem physischen Substrat, was in ations that are controlled or regulated by sensors and gleicher Weise für lebende Systeme und ihr Verhalten gilt. Unterschieden actuators. And any realization of matter transformation werden in dem Beitrag drei Systemebenen: die Funktionsebene, das Inter- is based on a physical substratum, which holds equally face zur Umwelt und die kognitive Ebene Intelligenz. Mithilfe dieser drei for living systems and their behaviour. The article dis- Ebenen lässt sich der Lernzyklus bzw. der bisherige Kognitive Loop sehr tinguishes between three system levels: the functional level, the interface to the environment and the cognitive gut veranschaulichen. Vergleicht man in dieser Unterscheidungsweise level of intelligence. Using these three levels, the learning intelligentes Verhalten von Menschen mit den technischen Entwicklungs- cycle or the previous Cognitive Loop can be very well stufen Maschinisierung, Automatisierung, Regelung und Deep Learning, illustrated. If one compares with this way of distinction dann wird das in der kybernetisch-soziologische Systemtheorie gängige the Bio-Informatization of human intelligence with the Merkmal „operational geschlossen“ verständlich. Daraus wird der Schluss technical development stages of mechanization, auto- mation, regulation and deep learning, then the cyber- gezogen, dass wir im Rahmen einer digitalisierten Kultur von Produktion netic-sociological term “operational closure” becomes und Organisation mit einem neuen Kognitiven Loop auf Silizium-Basis (SI) understandable. It becomes obvious that in the context rechnen sollten. Um diese Analogie hervorzuheben, bezeichnen wir das of a digitized culture of production and organization, vom Homo Sapiens entwickelte intelligente Verhalten mit Bio-Informa- we should be prepared for a new kind of cognitive loop tisierung und die Evolution der sogenannten Künstlichen Intelligenz mit based on silicon (SI), an intelligent system behavior via Si-Informatization, the so-called Artificial Intelligence. Si-Informatisierung. Keywords: automation, digitization, ethics, evolution, industry 4.0, cognition, communication, artificial intelligence (AI), cy- bernetics, learning, machine, media, human, process en- gineering, philosophy, operational closure, organization, sensor systems, sociology, substrate, systems theory, technology, technology science Liest man den Begriff „Technik“ mit einer alts- Der Betriebsloop - Sensor-Aktor ba- prachlichen Brille, dann wird das besondere sierte Operationen Können erkennbar, weshalb das altgriechi- sche „téchne“ bis heute in der Kunst, Philoso- Die Unterscheidung Sensor/Aktor ist die phie und Wissenschaft von Bedeutung ist. Vor Grundlage der Mess- u. Regelungstechnik. Dr. Claus Riehle ist Geschäftsführer und technischer Leiter der dimeto diesem Hintergrund wird auch klar, warum GmbH und arbeitet als Dozent, frei- beruflicher Organisationsberater und Verfahrens- und Prozesstechnik als Kunst der Die Unterscheidungen System/Umwelt und Systemischer Coach (SG). Stoffumwandlung verstanden werden kann [1- Beobachtung/Operation sind Grundlage von 3]. Während man Verfahrenstechnik mehr mit Luhmanns allgemeiner Theorie Sozialer Sys- physikalischen Grundoperationen assoziiert, teme nach [6]. Vermutlich werden Ingenieure, verbindet man Prozesstechnik stärker mit der Manager, Biologen und Soziologen folgende Mess- und Regelungstechnik. Beide Aspekte Ansichten weitestgehend teilen: Operationen sind jedoch in der Prozessindustrie eng ver- in Systemen werden über Sensoren und Akto- Dr. Thorsten Pötter ist Chief Digital Officer (CDO) der Samson AG und dort verant- knüpft, sodass die Begriffe häufig auch syno- ren gesteuert, egal ob das System eine Produk- wortlich für den Bereich Digitalisierung. nym verwendet werden. Denn moderne Pro- tion, ein Organismus oder eine Organisation duktionsverfahren/-prozesse sind nicht nur mit ist. Im Fall technischer Systeme reden wir von Sensoren ausgerüstet, sondern mit „Fühlern“ Kybernetik, im Fall sozialer Systeme von „Kyber- geradezu übersät, weil Sensorik durch die ra- netik 2. Ordnung“ [7]. Sensoren und Aktoren sante Halbleiterentwicklung preiswerter, klei- bilden die Schnittstelle zwischen System und ner, verfügbarer und intelligenter geworden Umwelt (vgl. „Interface“; „interaktive Oberflä- Dr. Thomas Steckenreiter ist im Vor- stand der Samson AG und dort als ist; alles zusammen eine wesentliche Rand- chen“). Chief Technology Officer (CTO) verant- bedingung für „Digitalisierung“ bzw. „digitale wortlich für den Bereich Forschung, Entwicklung und Operations. Transformation“ oder „die vierte Medienepo- Besonders in der Theorie Sozialer Systeme claus.riehle@dimeto.de che“ [4, 5]. nach Luhmann, nach der ein soziales System 52 Industrie 4.0 Management 36 (2020) 2
Intelligente Systeme BILD 1: Der Betriebsloop eines Systems nur aus seinen kommunikativen Ereignissen besteht bzw. daraus erzeugt wird, spielen die UMWELT Begrifflichkeiten „Selbstreferenz“ und „operati- onale Schließung“ eine bedeutsame Rolle. Sie SYSTEM sind Grundlage dessen, was in Anlehnung an Substrat (Medium) die Biologie unter Bezugnahme auf Maturana Interface Sensor Aktor „Autopoiese“ genannt wird [6-9]. Merkmal für diesen Prozess der Selbsterschaffung bzw. der Betrieb permanenten Selbsterhaltung ist die operati- onale Geschlossenheit eines Systems; gleich- zeitig müssen Systeme für ihren Selbsterhalt Funktion Operation selektiv offen sein. So ist etwa das Herzkreis- laufsystem operational geschlossen, solange wir nicht verletzt sind, so wie unser Nervensys- tem auch, dennoch können/müssen beide mit ihrer Umwelt wechselwirken. Ähnlich lassen UMWELT sich Mikrocontroller oder Microcontrollersys- teme sehen, es sind die hoch „integrierten ©NeanderDIGITS Schaltkreise“ (IC = „Integrated Circuits“), die via Sprache (Laute, Worte, Schrift, Metaphorik, Bild 1: Der Betriebsloop operational geschlossen und via „Interfaces“ Abstraktion) ist mit dem verknüpft, was wir eines Systems. wechselwirkungsoffen sind. „Intelligenz“ nennen. Diese Varianten von Be- Der kognitive Loop, Stand schreiben-Können sind ein wesentliches Merk- Das Zusammenspiel von Sensor(en), Aktor(en) mal unserer Lernfähigkeit und damit unseres und Operation(en) stellt den Betrieb bzw. die Anpassungsvermögens. Und dieses Beschrei- Existenz eines Systems gegenüber seiner Um- ben-Können, dieses „höhere Syntheseniveau“ welt sicher, mit der es kontinuierlich, aber [10], liegt jenseits von konkreter Handlung (= selektiv im Austausch steht. Anders gesagt, Operation). Es liegt auf einer anderen Seite des der in Bild 1 dargestellt Betriebsloop dient der sensorischen Interfaces, sozusagen über al- Aufrechterhaltung der Systemstabilität unter lem Bisherigen, denn es ermöglicht sogar das wechselnden Anforderungen seitens einer Um- Gegenteil: Die Unterbrechung des Betriebslo- welt. Ferner sind Sensoren, Aktoren und Opera- ops; was quasi eine Voraussetzung für Intelli- tionen an ein Substrat (=Medium) gebunden. genz darstellt und Lernen erst möglich macht Das gilt auch für die Umwelt, jedoch ist zwi- (Bild 2). schen System und Umwelt ein Substrat- oder Medienbruch zu beobachten; dieser Substrat-/ Erst der „Interrupt“ schafft die Möglichkeit, Da- Medienbruch markiert geradezu den Über- ten anders zu verarbeiten als bisher. Es braucht gang System-Umwelt für einen Beobachter. den Interrupt um bislang Automatisiertes zu unterbrechen. Und dadurch beginnen sich die Zur Evolution der Interaktion – Spra- von lebenden Systemen bis dato entwickelten che und Intelligenz und auf Biochemie und Biophysik basierenden Verfahren, die aus Daten Information machen, Am Anfang der „Maschinisierung“ steht der zu ändern: Das lebende System Homo Sapiens Gebrauch von einfachem Werkzeug wie Keil, wird so nach und nach anders informiert bzw. Hammer, Nadel. Einfaches Werkzeug deshalb, neu informatiert - nämlich der Neokortex bil- weil die zum Gebrauch erforderliche Sensorik det sich aus. Um diese Entwicklung zu markie- von Menschhand geliefert wird: Sie führt das ren, führen wie hier den Begriff der Bio-Infor- Werkzeug und die Ergebnisprüfung erfolgt matisierung ein. via Hände/Augen/Nase/Zunge (z. B. Finger zur Temperaturmessung, das Ablecken der Finger Menschliche Intelligenz – der Kogni- zur pH-Messung u. a. m.). Aus der Perspektive tive Loop der Bio-Informatisierung des Werkzeugs beschrieben, könnte man sa- gen: In den Anfängen der Maschinisierung war Solange wir nur von Re-Aktion reden, d. h. ein der Mensch der Sensor, „der verlängerte Arm“ festes Schema für Reiz-Handlung bzw. Sen- seiner neu entwickelten Werkzeuge und Appa- sor-Aktor vorliegt, reden wir nicht von Intel- rate (z. B. Ackerbau, Herd, Schusswaffen). ligenz. Erst wenn wir diesen strengen Ablauf, der sich über „Generationen“ bewährt hat, Das Beschreiben von Phänomenen und Zusam- unterbrechen und damit über das Wie der menhängen ist eine abstrakte Tätigkeit, jedoch Fortsetzung entscheiden können, beginnt in- evolutionär äußerst hilf- bzw. erfolgreich, wie telligentes Verhalten. Unterbrechung eines am Menschen sichtbar. Das Beschreiben selbst Reiz-Handlung- bzw. Sensor-Aktor-Schemas https://doi.org/10.30844/I40M_20-2_S52-56 53
Intelligente Systeme BILD 2: Der kognitive Loop beim Menschen (Bio-Informatisierung) System kann absehen, was ihm widerfahren MENSCH Kognitiver Loop! könnte, anstatt wieder das Gleiche zu erfahren. Intelligenz Lernen Modell, Vorstellung, Regelkonzepte und Echtzeit-Regelung Bio-Informatisierung Substrat (Medium) Um einen Ablauf zu regeln, brauchen wir eine & Biophysik Evolution Regelkonzepte Vorstellung (= virtueller Raum; „Figur der Ver- dopplung“ bei Nassehi [5]) davon, was sich Interface ereignen wird bzw. ereignen könnte. Eine Vor- Sensor Aktor stellung alleine ist schon gut, besser ist jedoch eine sich aktualisierende Vorstellung des Ab- Biophysik & Betrieb laufs. Die Vorstellung eines Ablaufs nennt man Biochemie Modell und die Aktualisierung wird durch die Rückkopplung („closed loops“) geleistet, wo- Funktion durch das Modell dynamisch wird. Ist diese Operation Schließung gegeben, spricht das Ingenieur- wesen nicht mehr von Steuerung, sondern ©NeanderDIGITS von einem Regelkreis bzw. von Regelung. Je schneller und je häufiger aktualisiert wird – ein Bild 2: Der kognitive ist die Voraussetzung für Lernen und Der Adaptie- zeitaufwändiger, kognitive Loop, Stand 191111, RiC also rechenintensiver Schritt Loop beim Menschen ren-Können. – desto dynamischer und damit „echter“ ist (Bio-Informatisierung). die Übereinstimmung von realer Situation und Und durch das Abstraktionsvermögen unseres virtueller Situation (Vorstellung/Modell). Im neuronalen Netzwerks, genannt Gehirn, bzw. idealen Fall reagiert ein intelligentes System in durch das hieraus resultierende Modell-bil- Echtzeit, d. h. es entscheidet sich situativ und den-Können wird Lernen und Anpassung er- prädiktiv für einen neuen Richtwert (aus vielen heblich schneller und effizienter; dieser Kog- möglichen anderen). Eine solche sogenann- nitive Loop ist ein Überlebensvorteil in der Evo- te Echtzeit-Regelung wird z. B. angestrebt bei lution. Produktionsanlagen oder beim autonomen Fahren. Die natürliche Evolution hat sie bei uns Die Unterbrechung entspricht einer Distanzie- Lebewesen vor Zeiten auf bio-chemisch-phy- rung von der operativen Ebene und kommt sikalische Weise realisiert. Wir können z. B. in quasi einer Absetzung davon gleich, weshalb vielen Situationen wählen, ob wir wegschauen Intelligenz in Bild 2 auch oberhalb des Interfa- oder uns stellen, ob wir fliehen oder für uns ces und getrennt von der Operation dargestellt eintreten. ist. Lernfähigkeit und Theoriefähigkeit sind an einer anderen Stelle verortet als Operation und „Wetware“ und der „Kognitive Loop“ Funktion, aber beide sind diesseits des Interfa- im Unternehmen ces zur Umwelt. Die Fähigkeit zur Abstraktion ist notwendig, um aus praktischen Sachverhal- Der Lernprozess in Unternehmen ist ein gro- ten eine Vorstellung, eine Theorie, Modell oder ßes und zugleich altes Thema, weil eine Unter- ein Regelkonzept zu machen. BILD 3 : DerEin Lernendes kognitive Loop im nehmung gefordert ist, bei variablen Märkten Unternehmen ständig aktuell zu Bild 3: Der Kognitive sein. Wie Unterneh- Loop im Unternehmen. MENSCH Kognitiver Loop! men (= Organisati- „Wetware“ on, = System) lernen, Intelligenz Lernen wird besonders an- Substrat- schaulich, wenn man bzw. Medien- im Luhmannschen Bruch Bild bleibt und die PRODUKTION & Regelkonzepte ORGANISATION Menschen in der Um- Sensor Aktor welt der Organisation Interface konzeptioniert. Wie in „Hardware“ & Automatisierung & Bild 3 dargestellt, wird Betrieb dann erstens deutlich, „Software“ Maschinisierung dass die Lernschleife Funktion einer Organisation (= Operation System) über ihre Mit- arbeiter geschlossen ©NeanderDIGITS Der kognitive Loop, Stand 191111, RiC 54 Industrie 4.0 Management 36 (2020) 2
Intelligente Systeme BILD 4: Spieler auf Augenhöhe auf dem Spielfeld Produktion & Organisation MENSCH beobachtet & verändert & Kognitiver Loop! beobachtet & verändert & „KI“ kontrolliert kontrolliert Intelligenz Lernen Intelligenz Bio-Informatisierung Medienbruch Si-Informatisierung Evolution & Biophysik Regelkonzepte & Automatisierung Substratbruch bzw. Interface Sensor Aktor Interface Biophysik & Automatisierung Betrieb Biochemie & Maschinisierung Funktion Funktion Operation PRODUKTION & ORGANISATION Der kognitive Loop, Stand 191111, RiC Bild 4: Spieler auf Augenhöhe auf dem Spielfeld Produktion & Organisation. wird, und zweitens wird der Substrat-/Medien- die disruptive Wirkung auf uns, auf Unterneh- bruch zwischen dem System Organisation und men [13] und auf Gesellschaft [4, 5]. Literatur seiner Umwelt Mitglieder offensichtlich. Und nicht nur das, sie können auch erfah- [1] Fischer, H.-R.: Das Neue als Sprachspiel. Prozedur zur Reduzieren wir „Organisatorisches“ schlicht auf rungsbasiert lernen. Hierfür steht der Begriff Einführung. In: Fischer, H.-R. Hard- und Software (im weitesten Sinn auch „Deep Learning“, der für eine aus verschiede- (Hrsg): Wie kommt Neues in die Welt - Phantasie, Intuition gedacht als Medium für kommunikative Ereig- nen Schichten aufgebaute Softwarearchitektur und der Ursprung von Kreati- nisse), dann wird nicht nur verständlich, wes- steht, die auf die „Theorie der neuronalen Net- vität. Weilerswist 2013. [2] Riehle, C.: „Wie kommt Neues halb Soziologen den Menschen als „Wetware“ ze“ zurückgeht [14]. Mit diesem Ansatz gelingt in die Welt“ - Buchrezension bezeichnen, sondern es erscheint geradezu es inzwischen mehr und mehr, die Lernfähig- von [1]. URL: http://systema- gazin.com/wie-kommt-neu- als konsequent [11]. Der Begriff „Hardware“ keit unseres Gehirns mit Mitteln der Informatik es-in-die-welt-phanta- bezeichnet das statische Material und dient nachzubilden (z. B. [15]). Mit anderen Worten: sie -intuition-und- der-ur- sprung-von-k reativitaet/, als formfestes Substrat für die implementierte Dieses moderne, überaus komplexe und über- Abrufdatum 01.11.2019. „Software“, das noch formbare Material, den in- aus schnelle Zusammenspiel von Hard- u. Soft- [3] Riehle, C.: Systemisch - was fehlt? „Verfahrenstechnik“ – formatisierenden Code (vgl. Informatik). Zwar ware-Komponenten entwickelt sich zu einem ein kaum entdecktes Fenster baut sich der Mensch zweifellos ebenfalls aus echten Gegenspieler des Menschen. Diese Si- im systemischen Kalender. URL: http://systemagazin. harten und weichen Bestandteilen auf, jedoch tuation versucht Bild 4 zu illustrieren. Auf dem com/systemisch-fehlt-verfah- ist der markanteste und in diesem Fall ent- Spielfeld Produktion & Organisation stehen renstechnik-ein-kaum-ent- decktes-fenster-im-systemi- scheidende Unterschied der, dass wir (abhän- sich zwei Spieler auf Augenhöhe im Hinblick schen-kalender, Abrufdatum gig vom Alter) zu rund 80 % aus Wasser beste- auf Management des Spiels Produktion & Or- 1.11.2019 [4] Baecker, D.: 4.0 – oder Die hen. Wasser ist weder Substrat für Hardware ganisation gegenüber. Lücke die der Rechner lässt. noch für Software, aber essenzielles Substrat Leipzig 2018. [5] Nassehi, A.: Muster – Theorie für Menschen, deshalb das Label Wetware. Künstliche Intelligenz – der Kognitive der digitalen Gesellschaft. München 2019. [6] Loop der Silizium-Informatisierung Luhmann, N.: Soziale Systeme Intelligente Gegenspieler, genannt – Grundriss einer allgemeinen Produktionsprozesse und Hard- & Sofware- Theorie. Suhrkamp Taschen- „KI“ buch. Frankfurt a. M. 1987. Komponenten haben vielleicht nicht das glei- [7] Simon, F. B.: Einführung in Sys- Die rasante Leistungssteigerung von Rechnern che, aber doch ein sehr ähnliches Substrat/Me- temtheorie und Konstruktivis- mus. 3. Auflage. Heidelberg und Datenspeichermedien – gemessen in der dium. Jedenfalls basieren sie nicht auf Wasser, 2008. Zahl der Schaltzyklen auf einem Rechenchip d. h. Wetware ist ausgeschlossen. Bild 5 soll [8] Maturana, H.: Repräsentation und Kommunikation. In: H. und darstellbar in Form des Moorschen Ge- verdeutlichen, wie sich die moderne Halblei- Maturana (Hrsg): Erkennen: setzes – bringt durch die Miniaturisierung tertechnik nicht nur den operativen Bereich Die Organisation und Ver- körperung der Wirklichkeit. einerseits und den Preisverfall andererseits und die Schnittstellen erobert, sondern eben Braunschweig 1982. Neues auf die Agenda [12]. Nämlich „Maschi- auch den Bereich des Lernens. Kurz gesagt, [9] Varela, F.: Autopoiese, struktu- relle Kopplung und Therapie. nen“, die keine Maschinen im herkömmlichen die Künstliche Intelligenz dehnt sich auf dem In: Simon, F.B. (Hrsg): Lebende Sinn mehr sind, weil sie intelligente Merkmale gesamten Spielfeld Produktion & Organisation Systeme – Wirklichkeitskonst- ruktionen in der systemischen und Fähigkeiten aufweisen, die uns Menschen aus, weil sie in der Lage ist, den Betriebsloop Therapie. Frankfurt a. M. 1997. auszeichnen: Sie können ähnlich wie wir beob- (effizienter als wir) zu okkupieren. Noch härter [10] Elias, N.: Über die Zeit. 12. Aufl. Suhrkamp Taschenbuch. achten, verändern und kontrollieren – daher formuliert von Nassehi, wenn er schreibt, dass Frankfurt a.M. 2017 https://doi.org/10.30844/I40M_20-2_S52-56 55
Intelligente Systeme BILD 5: Der kognitive Loop auf Silizium-Basis - die Si-Informatisierung - ist frei von einem Substratbruch bzw. Medienbruch MENSCH beobachtet & verändert & Kognitiver Loop! beobachtet & verändert & „KI“ kontrolliert kontrolliert Intelligenz Lernen Intelligenz Bio-Informatisierung Si-Informatisierung & Biophysik & Automatisierung Substrat- bzw. Medienbruch Regelkonzepte Interface Interface Sensor Aktor Biophysik & Automatisierung Betrieb Biochemie & Maschinisierung Funktion Funktion Operation PRODUKTION & ORGANISATION Der kognitive Loop, Stand 191111, RiC Bild 5: Der kognitive Loop auf Silizium-Basis – die Si-Informatisierung – ist frei von einem Substrat- bzw. Medienbruch bezüglich Produktion & Organisation. [11] Baecker, D.: Hardware, Software, Wetware. In: Castor&&Pollux, Multime- elektrische Zustände die Dynamik der Ge- men; so lässt sich ein globaler Nutzungsgrad von diales Musiktheater für En- schlossenheit radikalisieren würden [5]. Denn fast 50 % einer neuen Technologie wie Smart- semble, Videokunst und „4DSound“, Programmheft ein evolutionärer Vorteil dieses intelligenten phone seit seiner Einführung 2007 einfach und Internationales Musikfestival Gegenspielers ist es, ohne Substratbruch agie- schlüssig erklären [16, 17]. Heidelberger Frühling 2019, S. 34–37. URL: https://catjects. ren zu können. Zusätzlich (und auch dadurch) files.wordpress.com/2019/06/ ist er sehr viel schneller, wenn es darum geht, Und Smartphones sind nur ein Sinneskanal hardware_software_wetware. pdf, Abrufdatum 5.11.2019. komplexe Lagen zu erfassen und zu prozessie- dessen, was sich dahinter als Künstliche Intel- [12] Steckenreiter T.; Pötter T.; ren, d. h. er agiert gleichzeitig(!) großräumiger ligenz entwickelt. Es gibt bereits zahlreiche Riehle C.: Industrie 4.0 ist kein digitaler Wandel, sondern als wir Menschen. Und die letzte Aussage gilt Bereiche, wo wir nicht mehr konkurrieren, son- eine Revolution (Teil 1). In- auch für den Lernprozess: Jedes mobile oder dern freiwillig mit intelligenten Algorithmen dustrie 4.0 Management 34 (2018) 2 & 3, Teil 1: S. 43-47, stationäre Endgerät – überall auf der Welt - ko-operieren: Navigation, Börse, Recherche, Teil 2: S. 47-50; URL: http://bit. kann als Sensor, als „Fühler“, als Schnittstelle für Einkauf, Diagnostik u. a. m. Offenbar kann die ly/2ynmxkG_i40_DIGITS_T1, Abrufdatum 15.10.2019. einen auf Silizium basierten Kognitiven Loop Künstliche Intelligenz sehr viel besser (im Sinne [13] Pötter T.; Steckenreiter T.; dienen; die Silizium-Informatisierung ist be- von unangestrengter) mit Komplexität umge- Riehle C.: Digitalisierung - eine revolutionärer Wandel reits angelaufen. hen als wir Menschen. Auf jeden Fall sind wir der modernen Produkti- gut beraten, in der KI nicht nur Konkurrenz, onsgesellschaft, die große Industrie 4.0-Analyse. Essay/ Bild 5 bietet auch an, wie man begrifflich dem sondern auch die Potenz zu einem höheren Whitepaper. In: Process Vogel Trend entgegentreten kann, dass „Digitalisie- Gemeinnutzen zu sehen. Denn ob es nun der Communication Group 2019. URL: www.process.vogel.de/ rung“ zu einem Buzzword verkommt. Im Grun- Rohstoffverbrauch, der Klimawandel oder die die-grosse-industrie-40-anal- de geht es um Digitaltechnik (vgl. techné), die Gesellschaftsform ist, wir Menschen sind her- yse-gehoeren-sie-zu-den- gewinnern-oder-den-verlier- sich der Komponenten Automatisierung und ausgefordert unser individuelles und kollekti- ern-a-801364, Abrufdatum Si-Informatisierung bedient. ves Verhalten zu überdenken. Und mit Überra- 15.10.2019. [14] Kinnebrock, W.: Neuronale schungen sollten wir in jeder Hinsicht rechnen. Netze – Grundlagen, Anwen- Konkurrenz oder Ko-Operation So könnte es nach Nassehi [5] in einem zweiten dungen, Beispiele. München Wien 1992. Zeitalter der Maschinen [18] durch die Digital- [15] LeCun, Y.; Bengio, Y.; Hinton, Die Metapher des Spielfelds legt den Konkur- technik und die KI sogar zu einer unerwarteten G.: Deep Learning. In: Nature 521 (2015), S. 436-444. renzgedanken nahe und tatsächlich ist es auch Ironie kommen, nämlich der reflexiven Auf- [16] statista: Number of smart- nicht neu, dass Technisierung von Menschen so wertung nicht-künstlicher Intelligenz – d. h. phone users worldwide from 2016 to 2021. URL: www.sta- empfunden wird. Die Perspektive Verdrängungs- Mensch kann weiter Hoffnung pflegen. tista.com/statistics/330695/ wettbewerb erzeugt die disruptive Wirkung. Der number-of-smartpho- ne-users-worldwide, Abrufda- von dem Soziologen Armin Nassehi formulierte, Schlüsselwörter: tum 11.11.2019. lösungsorientierte Blickwinkel ist hier hilfrei- Automatisierung, Digitalisierung, Ethik, Evolu- [17] countrymeters: Weltbevölke- rungsuhr. URL: https://coun- cher. Nassehi fragt sich, für welches Problem die tion, Industrie 4.0, Kognition, Kommunikation, trymeters.info/de/World, Ab- Digitalisierung eine Lösung darstellt [5]. Schließ- Künstliche Intelligenz (KI), Kybernetik, Lernen, rufdatum 11.11.2019. [18] Brynjolfsson, E.; McAfee, A.: lich ist es offensichtlich, dass die Möglichkeiten Maschine, Medien, Mensch, Prozesstechnik, The Second Machine Age. der digitalen Technik vielen Menschen den Alltag Philosophie, Operationale Schließung, Organi- Work, Progress, and Prosperity in a Time og Brilliant Technol- „leichter“ machen. Denn uns wird Arbeit, Ballast, sation, Sensorik, Soziologie, Substrat, System- ogies. Norton New York 2014. Komplexitätsbewältigung und Stress abgenom- theorie, Technologie, Technikwissenschaft 56 Industrie 4.0 Management 36 (2020) 2
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