Markt & Meinung Meine Prognosen für 2023 - Postbank
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Markt & Meinung Märkte und Anlagen im Fokus | 12.12.2022 Meine Prognosen für 2023 Von Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank
Markt & Meinung | 12.12.2022 2 Meine Prognosen für 2023 − Inflation: gekommen, um zu bleiben − Aktien: alles teuer außer Aktien − Portfolio: wer plant, gewinnt Zwischen Rezession und Resilienz: Anleger sollten sich im Anleihen dürften die Renditeanstiege und damit die ho- neuen Jahr auf weiterhin schwankungsanfällige Kapital- hen Kursverluste im Jahresverlauf ihr Ende finden: in den märkte einstellen. Günstig bewertete Aktien vor allem aus USA etwas früher als in Europa. Voraussetzung dafür ist Europa könnten dabei eine interessante Investmentoption allerdings, dass keine größeren Leitzinsschritte als ohne- in einem aktiv gemanagten, breit aufgestellten Portfolio hin erwartet nötig werden, um die Inflation einzudäm- darstellen. men. Davon wären neben den Anleihe- auch die Aktien- Von Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege Privat- und Firmenkunden märkte und hier vor allem Technologiewerte negativ der Deutschen Bank betroffen. Insgesamt erscheinen Aktien aufgrund niedriger Bewer- Für Wirtschaft und Kapitalmärkte war 2022 bislang kein tungen bei stabilen Unternehmensgewinnen für das Jahr gutes Jahr. Angesichts des Russland-Ukraine-Kriegs, ho- 2023 als eine interessante Anlageoption. Vor allem auch her Energiepreise und Inflationsraten, der anhaltenden deshalb, weil sie – anders als Anleihen – in inflationären Corona-Pandemie und Chinas strauchelndem Immobilien- Phasen ihre nominalen Gewinne steigern können. Im Fo- markt gerieten wichtige Konjunkturdaten sowie die Kurse kus könnten dabei europäische Märkte stehen, die nicht von Aktien phasenweise zum Teil deutlich unter Druck. An nur besonders günstig bewertet sind, sondern aufgrund den Rentenmärkten kam es zu einem Ausverkauf. ihrer internationalen Ausrichtung auch überproportional von der erwarteten konjunkturellen Erholung in China Hinsichtlich der globalen Wachstumsdynamik dürfte sich profitieren dürften. Themen wie künstliche Intelligenz, der negative Trend zumindest zum Jahresanfang 2023 Elektromobilität, erneuerbare Energien oder Cybersicher- fortsetzen. Insgesamt blicke ich dennoch verhalten opti- heit sollten weiter auf der langfristigen Agenda von Anle- mistisch auf das kommende Jahr. Denn die wahrschein- gern stehen. liche Rezession in den USA und Europa dürfte vergleichs- weise moderat ausfallen. Die Inflationsraten könnten ihre Aus Portfoliosicht könnte innerhalb einer breiten Diversifi- Höchststände bereits überschritten haben (USA) bezie- kation eine ESG-Strategie, also die explizite Berücksichti- hungsweise zeitnah erreichen (Europa), was den Noten- gung von Investments mit Fokus auf Umwelt-, Sozial- und banken etwa ab Sommer den notwendigen Spielraum Governance-Aspekte, eine gute Möglichkeit sein, das Risi- geben würde, auf weitere konjunkturdämpfende Leitzins- ko-Rendite-Verhältnis zu verbessern. Sie kann darüber hi- anhebungen zu verzichten. Hinzu kommen umfangreiche naus das Risiko von „Stranded Assets“ verringern, also fiskalische Maßnahmen, die weltweit positive konjunktu- von Investments in Sektoren oder Unternehmen, deren relle Impulse geben dürften. Dynamisch wachsende Vermögenswerte aufgrund regulatorischer Beschränkun- Volkswirtschaften sollten sich vor allem in Asien finden, gen oder einer Umstellung auf neue Technologien deut- mit Indien und China an der Spitze. Ich rechne für die lich zurückgehen. Auch Anleihen bleiben 2023 Bestandteil Weltwirtschaft nach einem Wachstumsplus von 3,2 Pro- eines ausgewogenen Depots. Entscheidend dabei ist je- zent im Jahr 2022 mit einem Zuwachs von 2,8 Prozent im doch, dass das Rentenportfolio – ebenso wie das Aktien- kommenden Jahr. portfolio – aktiv gemanagt wird. An den Kapitalmärkten könnte die expansive Fiskalpolitik 1. Politik: die Vereinigten Staaten von Europa vieler Regierungen durch eine Stabilisierung der Nachfra- Die Vereinigten Staaten von Amerika sind die globale Su- ge zu einer gewissen Beruhigung führen. Hinzu kommt, permacht – mit China als ihrem mittlerweile größten Kon- dass eine anhaltend restriktive Geldpolitik zum großen Teil kurrenten. Dazwischen versucht Europa, sich als dritte bereits in den Kursen berücksichtigt zu sein scheint und Kraft zu etablieren. Das ist teilweise gelungen. Doch um daher zu keinen neuen Verwerfungen führen sollte. Bei auf Augenhöhe mit den USA und China zu agie- >>
Markt & Meinung | 12.12.2022 3 ren, bedarf es weiterer Anstrengungen, vor allem mit Blick samtjahr. Höher dürfte die konjunkturelle Dynamik in In- auf die Integration innerhalb der Europäischen Union (EU) dien und China mit Wachstumsraten zwischen 5 und 6 – einer Art „Vereinigte Staaten von Europa“. In der Ver- Prozent ausfallen. Während kurzfristige konjunkturelle gangenheit waren es immer wieder Krisen, auf die Europa Entwicklungen durch fiskal- oder geldpolitische Maßnah- mit einem engeren Zusammenschluss reagiert hat. Heute men beeinflusst werden können, wird das langfristige steht der Kontinent wieder vor großen Herausforde- Wachstumspotenzial hauptsächlich durch technologische rungen, etwa im Kampf gegen den Klimawandel oder im Produktivitätssteigerungen getrieben. Vor allem in den Umgang mit dem Russland-Ukraine-Krieg. Und wieder Industrieländern liegt der Fokus dabei auf Technologien scheint es, als würde Europa dadurch in eine tiefere Inte- wie Cloud-Diensten oder künstlicher Intelligenz, die er- grationsphase eintreten. Dafür stehen beispielhaft der Eu- schwinglich geworden sind und ohne deren Einsatz Unter- ropean Green Deal, das Transmission Protection Instru- nehmen zunehmend ihre Geschäftsmodelle gefährden ment oder ganz aktuell die Diskussionen um eine würden – Stichwort Facharbeitermangel. Wie sich die europäische Energieunion und eine engere militärische Wirtschaft über das Jahr 2023 hinaus entwickelt, hängt Kooperation der Länder. Für die „Vereinigten Staaten von also auch davon ab, wie erfolgreich neue Technologien in Europa“ bedarf es zwar weiterer Integrationsschritte, wo- den Wirtschaftskreislauf integriert werden können. Die bei einfache Erfolge nicht zu erwarten sind. Doch scheint hohen Investitionen in Digitalisierung und die grüne ein vereinigtes Europa auf dem Weg, seinen Platz in der Transformation geben Anlass zur Hoffnung, dass das Welt zu finden, weiter voranzukommen. Wachstumspotenzial wieder steigen könnte. 2. Wachstum: Technik macht den Unterschied 3. Inflation: gekommen, um zu bleiben Die Abschwächung der wirtschaftlichen Dynamik dürfte Auch das kommende Jahr dürfte von hohen Teuerungs- sich zunächst fortsetzen. Insgesamt erwarte ich in der raten geprägt bleiben. Während der Inflationshöhepunkt Eurozone über den Jahreswechsel hinweg eine milde Re- in den USA bereits überschritten scheint, könnte er in zession und für das Gesamtjahr 2023 ein Wirtschafts- Deutschland im Februar oder März 2023 erreicht werden. wachstum von 0,3 Prozent. Hauptrisikofaktor bleibt die Auf Jahressicht 2023 erwarte ich für Deutschland eine Energiekrise mit einer möglichen Gasmangellage im Win- Teuerung von 7,0 Prozent und für die USA von 4,1 Pro- ter 2023/2024. Auch in den USA könnte die Wirtschaft, zent. Die Phase erhöhter Inflationsraten dürfte über das sofern der Trend bei den Teuerungsraten weiter abnimmt Jahr 2023 hinaus anhalten. Inflationsdämpfend könnten und die Angebotsseite sich normalisiert, im zweiten Halb- sich eine abnehmende Rohstoffpreisdynamik, eine Nor- jahr wieder wachsen, mit dann 0,4 Prozent über das Ge- malisierung der Lieferketten und die Geldpolitik >> Langfristig erhöhte Inflationsraten erwartet Entwicklung der Verbraucherpreisindizes in den USA und Deutschland in den 1970er-Jahren und heute. Monatliche Werte im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreswert. 14% USA 1970er USA 2020er Deutschland 1970er Deutschland 2020er 12% 10% 8% 6% 4% 2% 0% -2% 1971 / 1972 / 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 2021 2022 Quelle: Refinitiv, Stand: 11. November 2022. Wertentwicklungen in der Vergangenheit und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen.
Markt & Meinung | 12.12.2022 4 der Notenbanken auswirken. Risiken für eine höher als er- schen der US-Notenbank bei den Leitzinsanhebungen – wartete Inflation sind ein zu frühes Abweichen der Zen- und in der beherrschenden Funktion des US-Dollar als tralbanken von ihren restriktiven Maßnahmen, die zum „sicherer Hafen“. Mit Blick darauf, dass der US-Zinszyklus Teil expansive Fiskalpolitik und mögliche Zweitrunden- im Frühjahr 2023 seinen Höhepunkt erreichen, die Euro- effekte, etwa weil die Energiepreissteigerungen auf ande- päische Zentralbank aufgrund möglicherweise anhaltend re Güter durchschlagen. Damit bleibt ein gewisser Grad hohen Inflationsdrucks die Zinsen dagegen weiter anhe- an Unsicherheit hinsichtlich eines Überschießens der Infla- ben könnte, sollte die Renditedifferenz zwischen den USA tion bestehen. und der Eurozone abschmelzen – und die Dollar-Domi- nanz abnehmen. Zudem könnte nach einem schwächeren 4. Renten: auf dem Weg zum Gleichgewicht Winterquartal das Wachstum in der Eurozone wieder an- 2022 war für den Anleihemarkt ein bewegtes Jahr: Dyna- ziehen – nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Erho- misch steigende Inflationsraten und eine zunehmend re- lung in China. Zulegen zum US-Dollar dürften auch der striktive Geldpolitik vieler Notenbanken trieben die Zins- chinesische Renminbi und der japanische Yen. „Rohstoff- niveaus deutlich nach oben. Aus meiner Sicht könnte sich währungen“ etwa aus Brasilien, Chile und Peru könnten 2022 nach dem großen Ausverkauf als Übergangsjahr in zwischenzeitlich unter Druck geraten – im Zuge der er- eine Phase erhöhter Stabilität am Anleihemarkt erweisen warteten weltwirtschaftlichen Erholung dann jedoch wie- – und 2023 wieder interessantere Anlagemöglichkeiten der aufwerten. Über (Aufhol-)Potenzial verfügen auch die bieten. Grundlage für ein neues Gleichgewicht ist die Er- Währungen weiterer Rohstoffexporteure wie Australien, wartung, dass es nicht zu einem Inflationsregime mit lang Kanada oder Norwegen. anhaltenden, sehr hohen Teuerungsraten wie in den 1970er-Jahren kommt. Wahrscheinlicher dürfte eine Ent- 6. Aktien: alles teuer außer Aktien wicklung mit mittelhohen Inflationsraten wie in den Jah- Der Druck auf die Aktienmärkte in diesem Jahr führte auf ren von 1998 bis 2014 sein. Trotzdem dürften die Wert- Indexebene zu starken Bewertungsabschlägen. Die Anla- entwicklungen von Rentenpapieren weiterhin stark geklasse Aktien erscheint damit aktuell eher günstig schwanken. Daher könnten sich für Anleger in den kom- bewertet. Für das Jahr 2023 rechne ich mit realen Unter- menden Monaten, trotz der inzwischen wieder attraktiv nehmensgewinnen auf dem Niveau vom Vorjahr. Gewinn- erscheinenden Verzinsungen in den meisten Rentenbe- verluste von durchschnittlich 15 Prozent in den USA und reichen, vor allem liquide Investments und solche mit 30 Prozent in Europa, wie es sie in vorangegangenen Re- guter Bonität (Investment Grade) aus den USA und Europa zessionsphasen gegeben hat, sind unter anderem dank anbieten – Rendite und Qualität schließen sich mittlerwei- starker Arbeitsmärkte und der erwarteten Wiedereröff- le nicht mehr aus. Einen näheren Blick wert erscheinen nung der chinesischen Wirtschaft nicht zu erwarten. Das etwa Papiere europäischer Banken. Bei Staatsanleihen sind zwar keine Voraussetzungen für ein „großes“ Aktien- dürften sich aufgrund der erwarteten Zinsentwicklungen jahr 2023, insgesamt rechne ich jedoch mit soliden Kurs- eher US-Papiere anbieten als beispielsweise ihre deut- gewinnen im einstelligen Prozentbereich. Dabei kann es schen Pendants. Mit Blick auf die Anleihemärkte der aufgrund der möglicherweise noch immer zu hohen Ge- Schwellenländer und deren hohe Zinskupons bin ich posi- winnschätzung der Analystengemeinde und der vielfäl- tiv gestimmt. Insgesamt bleibt ein aktives Management tigen politischen und wirtschaftlichen Risikofaktoren im des Rentenportfolios oberstes Gebot – mit einer dyna- Jahresverlauf jederzeit zu kurzfristigen, auch stärkeren mischen Steuerung der Laufzeiten, der Liquidität der Kursschwankungen kommen. Insgesamt bleiben Aktien Papiere und der Qualität der Schuldner (Investment Grade aus meiner Sicht aber eine besonders interessante Anlage- präferiert). klasse und unverzichtbar in einem breit aufgestellten Port- folio. Auf Sektorebene könnten günstige eher zyklische 5. Dollar: unsere Währung, euer Problem Sektoren in den Fokus rücken. Das betrifft etwa Werte aus Vor mehr als 50 Jahren prägte der damalige US-Finanz- den Bereichen Finanzen, Grundstoffe (ausgenommen minister John Connally mit dem Satz „Der Dollar ist unsere Chemie) und Energie. Der Finanzsektor dürfte von den er- Währung, aber euer Problem“ den Leitgedanken der ame- höhten Zinsniveaus profitieren. Regional könnte der Anle- rikanischen Währungspolitik. Connallys Aussage war pro- gerfokus 2023 unter anderem auf Europa gelegt werden – vokant formuliert, hat aber bis heute Gültigkeit. Das die jüngsten Bewertungsabschläge waren hier besonders zeigte sich zuletzt, als der Greenback im Jahresverlauf von hoch. Der US-Aktienmarkt bleibt allein aufgrund seiner starken Mittelzuflüssen profitieren konnte. Die Gründe globalen Dominanz ein wichtiges Anlageziel. Der zins- dafür lagen im Renditevorsprung der USA gegenüber an- sensible Technologiebereich könnte von einem Ende der deren Währungsräumen – bedingt durch das Voranpre- Leitzinsanhebungen der Fed überproportional >>
Markt & Meinung | 12.12.2022 5 stark profitieren. Aus der Gruppe der Schwellenländer er- reichen wie dem Bau und Betrieb von Straßen über den scheinen asiatische Märkte wie Südkorea, Taiwan, China Auf- und Ausbau einer sicheren Trinkwasserversorgung und Indien am interessantesten. bis zu Datennetzen, Bildung sowie Forschung und Ent- wicklung. Zu den beteiligten Unternehmen gehören so- 7. Immobilien: alternativlos teuer wohl die Betreiber entsprechender Infrastrukturen als Die lange Zeit steigender Preise am Wohnimmobilien- auch deren Planer und Hersteller. Weltweit wollen Regie- markt ist 2022 vielerorts abrupt zu einem Stillstand ge- rungen den Ausbau ihrer Infrastrukturen mit hohen Inves- kommen und hat sich teilweise sogar umgekehrt. Der titionen vorantreiben, etwa in die Produktion von Halblei- Grund dafür liegt vor allem in den stark gestiegenen Fi- tern. Das Beste in Sachen Infrastruktur dürfte also noch nanzierungskosten als Folge der Leitzinserhöhungen der kommen – auch für Anleger. Allein der Markt für börsen- Notenbanken. Demgegenüber steht eine anhaltend hohe notierte Infrastrukturinvestitionen beträgt nach unseren Wohnraumnachfrage, die in den nächsten Jahren noch Schätzungen rund 7 Billionen US-Dollar. Interessant für anziehen könnte: Für Deutschland beispielsweise erwarte Anleger ist unter anderem, dass die Erträge aus großen In- ich bis 2030 eine Nettozuwanderung von rund zwei Milli- frastrukturinvestitionen häufig auf regelmäßigen Einnah- onen Menschen. Bremsend auf potenzielle Neubaupro- men basieren. „Grüne“ Infrastrukturprojekte zur Dekar- jekte dürften sich neben gestiegenen Finanzierungskosten bonisierung und Digitalisierung sind zudem oft besonders vor allem die massiv gestiegenen Baukosten auswirken. innovativ und verfügen über ein langfristiges Wachstums- Damit dürften die Preise für neu gebaute Wohnimmobili- potenzial der Kapitalflüsse. en in nächster Zeit kaum sinken. Grundsätzlich bleibe ich für die Anlageklasse positiv gestimmt. Immobilien gehö- 9. Risiko: beunruhigende Bekannte ren insgesamt betrachtet, insbesondere im Hinblick auf Auf den ersten Blick scheinen die größten Risiken für Wirt- bestehende Inflationsrisiken, weiterhin in jedes breit diver- schaft und Kapitalmärkte im Jahr 2023 alte Bekannte aus sifizierte Portfolio. Dabei könnte ein besonderes Augen- den Vorjahren zu sein: die Geopolitik, der Kampf um die merk auf energieeffiziente „grüne“ Immobilien gelegt globale Technologieführerschaft, die Corona-Pandemie, werden. Chinas Immobilienmarkt und ein möglicher Ausverkauf am Anleihemarkt. Bei näherem Hinsehen werden jedoch 8. Infrastruktur: Grundlage für nachhaltiges Unterschiede erkennbar. In Ostasien verschärfen sich die Wachstum Spannungen mit Nordkorea, das seinen Status als Atom- Infrastruktur ist die Basis der Wirtschaft und wahrschein- macht weiter ausbauen will, sowie hinsichtlich des von lich der wichtigste Standortfaktor überhaupt – vielerorts chinesischer Seite artikulierten Anspruchs auf Taiwan. Lö- aber nicht mehr zukunftsfähig. Volkswirtschaften müssen sungen zur Beendigung des russischen Angriffskriegs auf daher nicht nur ihre bestehende Infrastruktur modernisie- die Ukraine sind nach wie vor nicht absehbar. Im Kampf ren, sondern sie zudem digitalisieren und grün transfor- um die globale Technologieführerschaft zwischen den mieren – ein Dreiklang, der bei jedem Infrastrukturprojekt USA und China könnten sich die Fronten weiter verhärten. berücksichtigt werden sollte. Dabei ist das Thema Infra- Dabei wird die Tragweite des „Tech War“ immer offen- struktur ein weites Feld: Es reicht von klassischen Be- sichtlicher: Gestartet als vermeintlicher Handels- >>
Markt & Meinung | 12.12.2022 6 konflikt geht es nun vielmehr darum, die langfristig gül- tierte man am Anleihemarkt. Zwar war das Investieren tigen Standards in so wichtigen Bereichen wie 5G und auch früher so einfach nicht. Zumindest die Mischung aus Halbleiter zu setzen – und damit die jeweilige Machtbasis Aktien und Anleihen hatte aus Portfoliosicht aber oft ihre langfristig auszubauen. Mit Blick auf die Corona-Pande- Berechtigung. Mit der halbwegs verlässlichen inversen Be- mie wird es 2023 darum gehen, ob die erreichten Ein- ziehung zwischen den beiden Hauptanlageklassen ist es dämmungserfolge Bestand haben und ausgeweitet wer- jedoch vorbei. Die natürliche Absicherungsfunktion von den können. Das betrifft vor allem China, wo es aufgrund Renten entfällt dadurch. Hinzu kommt aktuell die Heraus- ausgedehnter Lockdowns noch zuletzt zu massiven forderung, die hohe Inflation zu schlagen, also überhaupt Störungen der Wirtschaftstätigkeit gekommen ist. Hin- noch positive reale Renditen zu erzielen. Anleger stellt das sichtlich des seit Jahren kriselnden chinesischen Immobili- vor die Frage, wie sie ihr Portfolio unter diesen Rahmenbe- enmarkts erwarte ich, dass es der chinesischen Regierung dingungen erfolgreich aufstellen können. Ich setze dabei gelingt, diesen weiter zu stabilisieren. Negative Nachrich- vor allem auf reale Anlageklassen wie Rohstoffe, Immobi- ten könnten hier jedoch immer wieder zu entsprechenden lien und insbesondere Aktien. Letztere auch deshalb, weil Reaktionen an den internationalen Kapitalmärkten füh- sie – anders als Anleihen – in inflationären Phasen ihre no- ren. Nach dem Ausverkauf an den globalen Rentenmärk- minalen Gewinne steigern können. Dennoch bleiben auch ten im Jahr 2022 erwarte ich für 2023 grundsätzlich keine Anleihen Bestandteil eines ausgewogenen Portfolios – zu- Wiederholung dieses Szenarios. Sollten sich die hohen In- mal es mittlerweile wieder interessante Zinskupons gibt. flationsraten vor allem in den USA und Europa jedoch Sollten die Inflationsraten zurückgehen, könnte das Anlei- hartnäckiger halten als erwartet oder sogar weiter anzie- hen stärker in den Fokus rücken. Entscheidend ist, dass hen, könnte das die Anleiherenditen im schlimmsten Fall das Portfolio aktiv gemanagt wird. Insgesamt könnte sich wieder nach oben treiben und Druck auf die Kurse ausü- innerhalb einer breiten Diversifikation des Portfolios auch ben. Das hätte deutlich negative Auswirkungen nicht nur eine ESG-Strategie anbieten, die unter bestimmten Um- auf die Anleihemärkte selbst, sondern auch auf die ständen zu einem verbesserten Risiko-Rendite-Verhältnis Aktienmärkte, allen voran auf zinssensitive Titel, etwa aus im Portfolio beitragen kann. Gold bleibt als Beimischung dem Technologiesektor. und Absicherung relevant, sollte jedoch nicht als klas- sische Geldanlage betrachtet werden. 10. Portfolio: wer plant, gewinnt In den „guten alten Zeiten“ schien das Anlegerleben ein- fach: Man kaufte Aktien, handelte hin und wieder mit ih- nen und strich die Gewinne ein. Zur Absicherung inves- Geopolitische Risiken bleiben bestehen Entwicklung des Weltunsicherheitsindex (World Uncertainty Index, WUI). Je höher der Indexwert, desto höher die Unsicherheit über die weiteren Entwicklungen weltweit. 60.000 Coronavirus US-Fiskalklippe und Staats- US-China-Handels- schuldenkrise in Europa konflikt und Brexit 50.000 US-Präsidentschafts- wahlen Ukraine- 40.000 Irakkrieg und Staatsschulden- krise in Europa Invasion SARS-Ausbruch Brexit 30.000 US-Rezession und 11. September Kreditkrise 20.000 1. Golfkrieg 10.000 Fed-Straffung und politische Risiken in Griechenland und der Ukraine 0 1990 1994 1998 2002 2006 2010 2014 2018 2022 Quelle: IWF, Ahir, Bloom, Furceri, Stand: 21. November 2022. Wertentwicklungen in der Vergangenheit und Prognosen sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen.
Markt & Meinung | 12.12.2022 7 Wichtige Hinweise Redaktionsschluss: 01.12.2022 / 12:00 Uhr Herausgeber: Deutsche Bank Chefanlagestratege Privat- und Firmenkunden Fotohinweis zum Titelmotiv: moofushi / Adobe Stock Postbank – eine Niederlassung der Deutsche Bank AG. Bei diesen Informationen handelt es sich um Werbung. Die Texte genügen nicht allen gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Unvoreingenommenheit von Anlage- und Anlagestrategieempfehlungen oder Finanzanalysen. Es besteht kein Verbot für den Ersteller oder für das für die Erstellung verantwortliche Unternehmen, vor bzw. nach Veröffentlichung dieser Unterlagen mit den entsprechenden Finanz- instrumenten zu handeln. Die in diesem Dokument enthaltenen Angaben stellen keine Anlageempfehlung, Anlageberatung oder Handlungsempfehlung dar, sondern dienen ausschließlich der Information. Die Angaben ersetzen nicht eine auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestimmte Beratung. Allgemeine Informationen zu Finanzinstrumenten enthält die Broschüre „Basisinformation über Wertpapiere und weitere Kapitalanlagen“, die ein Kunde bei Depoteröffnung automatisch zugesandt bekommt. Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen, Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen. Obwohl sie aus Sicht der Bank auf angemessenen Informationen beruhen, kann sich in der Zukunft herausstellen, dass sie nicht zutreffend oder nicht korrekt sind. Die bisherige Wertentwicklung lässt keine Rückschlüsse auf die künftige Wertentwicklung zu. Die Wertentwicklung bezieht sich auf einen Nominalwert, der auf Kursgewinnen/-verlusten beruht und die Inflation nicht berücksichtigt. Die Inflation wirkt sich negativ auf die Kaufkraft dieses nominalen Geldwerts aus. Je nach aktuellem Inflationsniveau kann dies zu einem realen Wertverlust führen, selbst wenn die nominale Wertentwicklung der Anlage positiv ist. Sofern es in diesem Dokument nicht anders gekennzeichnet ist, geben alle Meinungsaussagen die aktuelle Einschätzung der Deutsche Bank wieder, die sich jederzeit ändern kann. Die Deutsche Bank übernimmt keine Verpflichtung zur Aktualisierung der in diesem Dokument enthaltenen Informationen oder zur Inkenntnissetzung der Anleger über verfügbare aktualisierte Informationen. Die Deutsche Bank AG unterliegt der Aufsicht der Europäischen Zentralbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. © Deutsche Bank AG 2022
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