Medienanlass "Gipfeltreffen" zum Internationalen Tag der Berge 4. Dezember 2012, Uetliberg, Zürich

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Medienanlass „Gipfeltreffen“ zum Internationalen Tag der Berge

4. Dezember 2012, Uetliberg, Zürich

Referat Bruno Messerli

Es gilt das gesprochene Wort.

Berge der Welt und ihre rasch wachsende globale Bedeutung

   1. UNO-Tag der Berge – warum der 11. Dezember?
Am 11. Dezember 2001 wurde das „UN-International Year of Mountains“ (IYM) im
Hauptgebäude der UNO in New York feierlich eröffnet. Der Entscheid der UNO-
Generalversammlung zu einem Internationalen Jahr der Berge 2002 war schon am 10.
November 1998 gefallen. Für diesen Entscheid hatte ich noch Ende 1997 den ersten Entwurf
zur Begründung dieses Internationalen Jahres zu schreiben. War es ein Zufall, dass 2002 auch
das 10-jährige Jubiläum des Gebirgskapitels in der Agenda21 vom so genannten Erdgipfel in
Rio de Janeiro 1992 gefeiert wurde, welches weitgehend durch eine Schweizer Initiative
zustande gekommen war? An diesem 11. Dezember 2001 versammelten sich erstaunlich viele
Delegationen von Gebirgsländern und Gebirgszentren, aber auch von UNO-Organisationen,
dazu Vertreter von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zur Eröffnung des Internationalen
Jahres der Berge. Das Besondere aber war, dass alt Bundesrat Adolf Ogi diese Eröffnung
präsidierte, da der UNO-Generalsekretär Kofi Annan am 10. Dezember 2001 in Oslo den
Friedensnobelpreis für die UNO in Empfang nehmen musste. Damit wurde der
Weltgemeinschaft klar gezeigt, dass die Schweiz eine anerkannte Rolle auf internationaler
Ebene für die Berge der Welt gespielt hatte, auch wenn sie noch nicht Mitglied der UNO war.
Dieser 11. Dezember mag für die Bergbevölkerung und die Bergsteiger der Südhemisphäre
ideal sein, aber für die Nordhemisphäre fällt dieses Datum leider in die kälteste Jahreszeit, und
für die europäischen Gebirge fällt es sogar in die ohnehin überlastete Vorweihnachtszeit, die ein
Denken an die Berge der Welt und ein Planen für die Zukunft der Berge der Welt nicht einfach
macht. Aber wir müssen nun diesen „International Mountain Day“ (IMD) als Beschluss der UNO
dankbar anerkennen und uns bewusst sein, dass die Schweiz dazu einen wesentlichen Beitrag
geleistet hat und dadurch auch eine wesentliche Verantwortung trägt.
2. UNO-Jahr der Berge 2002 – wichtig für die Schweiz und für die
      Berge der Welt
Der UNO-Beitritt der Schweiz: In unserem Zusammenhang möchten wir nicht auf die von
Schwierigkeiten und Niederlagen gekennzeichnete Geschichte dieses Prozesses eintreten,
sondern nur zwei rückblickende Sätze von 2012 aus dem Eidgenössischen Departement für
auswärtige Angelegenheiten zitieren: „Seit ihrem Beitritt im September 2002 ist die Schweiz ein
aktives, innovatives Mitglied der UNO. Für die Schweiz ist es unabdingbar, sich in der UNO zu
engagieren, denn die aktuellen Herausforderungen – Sicherheit, Frieden, Armutsbekämpfung,
Menschenrechte oder Schutz der natürlichen Ressourcen – sind von globaler Tragweite.“
Schon vor 2002 hat sich die Schweizer Mission in New York für das Gebirgskapitel der
Agenda21 eingesetzt, das den Titel „Managing Fragile Ecosystems: Sustainable Mountain
Development“ trug. Die Schweizer Mission bildete eine so genannte Fokus-Gruppe, die aus den
UNO-Delegationen einiger ärmeren und einiger reicheren Gebirgsländern zusammengesetzt
war. In einem Newsletter der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) zur
Vorbereitung des Jahres der Berge finden wir eine hohe Anerkennung für die Arbeit der
Schweizer Mission und der Fokus-Gruppe. Es ist aber schon ein grossartiger Zufall, dass
ausgerechnet im Internationalen Jahr der Berge 2002 die Schweiz der UNO beigetreten ist. Die
Schweizer Mission wurde zur Schweizer Botschaft und das erleichterte den Zugang zu den
UNO-Institutionen und zu den UNO-Entscheidungsprozessen. Die FAO als „Lead Agency“ für
das Gebirgskapitel der Agenda21 ist seit 1992 verantwortlich für den Kontakt mit dem
Generalsekretariat der UNO und dementsprechend für die sieben Gebirgsresolutionen, die von
1998 bis 2012 von der UNO-Generalversammlung angenommen wurden. Die Schweizer
Vertretung mit der von ihr präsidierten Fokus-Gruppe war aber auch beteiligt in der Erarbeitung
dieser Resolutionen. Für mich ist es im Rückblick erstaunlich, dass aus dem Departement für
auswärtige Angelegenheiten (EDA) oder aus der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit
(DEZA) keine Pressemitteilungen erfolgten, denn es wäre doch für eine mit Gebirgsproblemen
verbundene Schweizer Bevölkerung höchst interessant gewesen, welche Punkte aus der Sicht
der UNO lobend oder kritisch erwähnt wurden, wie sich die Meinungen von 1998 bis 2012 im
Rahmen des raschen globalen Wandels veränderten, welche Bedeutung den natürlichen
Ressourcen in den Bergen der Welt zugeschrieben wurde und wie schwierig die
Lebenssituationen für die Bergbevölkerung in den ärmsten Ländern sein können.

Das Internationale Jahr der Berge: 5 Jahre nach der Rio-Konferenz 1992 fand 1997 eine
spezielle UNO-Generalversammlung in New York statt, in der die Fortschritte in den
verschiedenen Kapiteln der Agenda21 evaluiert werden sollten. In konstruktiver
Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik, genauer gesagt vom Geographischen Institut
der Universität Bern und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) des
Bundes, entstand eine umfassende wissenschaftliche Buchpublikation mit internationalen
Autoren zu allen relevanten Themen der Gebirgsforschung, das in New York in einem so
genannten „Side-Event“ vorgestellt und allen Delegationen überreicht wurde. Dazu kam eine
leicht lesbare Broschüre mit dem Titel „Mountains of the World – Challenges for the 21st
Century“. In unserer Präsentation dieser beiden Publikationen sass die Botschafterin von
Kyrgyzstan (Kirgisistan) in der vordersten Reihe. Beim anschliessenden Nachtessen informierte
sie uns, dass sie vom Präsidenten ihres Landes, damals Mr. Askar Akayev, den Auftrag habe,
ein Internationales Jahr der Berge in Gang zu setzen. Erst viele Jahre später vernahm ich, dass
gewisse Gespräche zu diesem Thema zwischen dem Präsidenten Kyrgyzstans und dem
Generaldirektor der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization)
stattgefunden hätten. Diese Kontakte hatten zu keinem Resultat geführt und deshalb
versprachen wir Unterstützung, sowohl von der wissenschaftlichen wie auch von der politischen
Seite. Im Übrigen leistete diese Frau in weniger als einem Jahr eine hervorragende
Überzeugungsarbeit, indem sie grosse und kleine, reiche und arme Gebirgsländer für eine
entsprechende Entscheidung in der UNO-Generalversammlung vorbereitete, so dass die
Abstimmung am 10. November 1998 fast zu einer Formsache wurde – und, vergessen wir eines
nicht: Die Schweiz war noch nicht Mitglied der UNO! Dieses Gebirgsjahr 2002 war aber
zusätzlich geprägt von zwei bedeutenden globalen Ereignissen, die für die Berge der Welt eine
gewaltige Unterstützung boten: Die UNO-Konferenz von Johannesburg und die
Gebirgskonferenz von Bishkek als Abschluss des Internationalen Jahres der Berge.

Der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg vom 26. August bis zum 4.
September 2002 (World Summit on Sustainable Development, WSSD): Die Agenda21, mit ihren
40 Kapiteln, verabschiedet an der Konferenz von Rio de Janeiro 1992, galt als Meilenstein der
globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik. Ziel der Johannesburg-Konferenz war die
Bilanzierung der Agenda21 und ein Plan zur Umsetzung der Agenda21 unter Berücksichtigung
der dazwischen liegenden und erwähnten New York-Konferenz von 1997. Aber gerade bei der
Umsetzung zeigten sich grosse nationale Defizite, die auch die Johannesburg-Konferenz nicht
einfach lösen konnte und die auch heute noch existieren. Wir konzentrieren uns nur auf die
starke Botschaft zu den Bergen der Welt. Der Generalsekretär der UNO hat im Vorfeld dieser
Konferenz aufgerufen, Partnerschaften zu den verschiedensten Themen zu bilden, so dass
diese Nachhaltigkeitskonferenz doch eine gewisse bleibende Wirkung erzielen könnte. In der
letzten Vorbereitungskonferenz in Bali ist mit Datum vom 3. Juni 2002 eine sechsseitige
Botschaft zum Thema „International Partnership for Sustainable Development in Mountain
Regions“ entstanden, die einige Wochen später auch von der Konferenz verabschiedet wurde.
Beeindruckend ist ein Aufruf der FAO, des United Nations Environment Programme (UNEP)
und der Schweiz als Initiantin der Fokus-Gruppe und in Anwesenheit von Bundesrat Joseph
Deiss an alle anwesenden Staaten in Johannesburg, der internationalen Partnerschaft für eine
nachhaltige Entwicklung in den Gebirgsregionen der Welt beizutreten. Am 19. November 2002
lesen wir im Bericht für die UNO-Generalversammlung, dass 29 Länder, 16
intergouvernementale und UNO-Organisationen und 16 weitere Organisationen aus
verschiedenen Bereichen diesen Aufruf unterzeichnet haben. Wenn wir die Paragraphen der
Resolution der UNO-Generalversammlung vom 9. Februar 2004 anschauen, dann sind es im
Rückblick total 38 Länder, 15 intergouvernementale Organisationen und 38 Organisationen
oder Gebirgszentren. Dieser Erfolg wird in den Resolutionstexten vom 19. November 2002 und
vom 9. Februar 2004 wie folgt gewürdigt: „… an important approach to addressing the various
interrelated dimensions of sustainable mountain development“. Sehr eindrücklich ist aber auch
der Appell an alle UNO-Organisationen, an den Gebirgskonferenzen und Programmen
mitzuarbeiten; insbesondere werden in den verabschiedeten Texten der Generalversammlung
vom 19. November 2002 genannt: FAO, UNEP, UNDP (United Nations Development
Programme), UNESCO, UNU (United Nations University) und UNICEF (United Nations
International Children’s Emergency Fund). Dazu kommt, dass die FAO bereits in einem
Newsletter vom Mai 2001 den 11. Dezember als Tag der Berge vorschlägt; das wird von der
UNO-Generalversammlung am 19. November 2002 bestätigt: „Decides to designate 11
December as International Mountain Day, as from 11 December 2003, and encourages the
international community to organize on this day events to highlight the importance of
sustainable mountain development”.

Der Bishkek Global Mountain Summit fand vom 28. Oktober bis 1. November 2002 als
Schlusskonferenz des UNO-Jahres der Berge in der Hauptstadt Kyrgyzstans statt. Das war
wohl die lang gehegte Absicht des Präsidenten und seiner Botschafterin in New York, aber es
war richtig und wichtig, diese Konferenz in einem ärmeren und nach der Ablösung von der
Sowjetunion auch isolierten Gebirgsland abzuhalten. Die Vorbereitungsarbeiten mit
Unterstützung der FAO in Rom und der UNEP in Genf waren perfekt organisiert, die Präsenz
verschiedenster Delegationen von UNO-Organisationen und Weltbank, von
grenzüberschreitenden Gebirgszentren im Himalaya und in den Anden, von Forschungs- und
Entwicklungsprogrammen in Gebirgsregionen und von vielen Ländervertretungen, insbesondere
auch von der Schweiz, beeindruckend. In den Empfehlungen wurden Aktivitäten auf
internationaler, regionaler, nationaler und lokaler Ebene klar differenziert und insbesondere die
regionale oder grenzüberschreitende Zusammenarbeit betont. Dies war auch im Hinblick auf
das 2003 unmittelbar folgende UNO-Jahr des Süsswassers (International Year of Freshwater)
von besonderer Bedeutung. Aber auch ganz konkrete Ziele und Verantwortungen wurden
erwähnt, wie zum Beispiel: Armut und Hunger, fehlende Schulen, Kindersterblichkeit,
Frauenrechte, Gesundheitsversorgung, nachhaltige Entwicklung und internationale
Partnerschaft. Interessant sind zwei weitere Punkte: Die Fokus-Gruppe sollte eine spezielle
Resolution für die Generalversammlung zum Thema der nachhaltigen Gebirgsentwicklung
ausarbeiten, was speziell die Schweiz in ihrer Leitungsfunktion betroffen hätte. Schliesslich
finden wir in den Empfehlungen auch diesen Satz wieder, der zum heutigen Tag führt: „The UN
must consider the establishment of a World Mountain Day!“

Weitere Ereignisse zum Internationalen Jahr der Berge: Die Schwedische Akademie der
Wissenschaften lud vom 6. bis 10. Juni 2001 zu einem Seminar in ihre Forschungsstation
Abisko in Schwedisch Lappland ein, um für das Jahr der Berge eine Publikation vorzubereiten.
Die Idee war, das Gebirgskapitel in der Agenda21 auf den neuesten Stand zu bringen. 15
Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Kontinenten beugten sich über diese
Aufgabe und es entstand eine interessante Publikation, die in Bishkek verteilt wurde. Aber es
war unmöglich, das originale Kapitel 13 der Agenda21 auszuwechseln oder zu verändern. Es
wurde und wird noch heute als historisches Dokument betrachtet und in diesem Sinne bleibt es
unantastbar.

Ein weiteres Ereignis, auf Initiative von Italien, war die Gründung einer Gruppe „Friends of
Mountains“ im Europäischen Parlament, um auch Brüssel mit dem UNO-Jahr der Berge vertraut
zu machen.

Ein bedeutsames Geschenk an das Jahr der Berge war der Entscheid des Welterbe-Komitees
der UNESCO im Dezember 2001, einige Tage vor dem 11. Dezember, die Region Jungfrau-
Aletsch-Bietschhorn zum ersten Naturwelterbe der Alpen zu deklarieren. Der korrekte Name für
dieses Naturwelterbe mit dem längsten Gletscher der Alpen und mit einer Fläche von 824 km2
heisst heute „Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch“.

Am 7. Nov. 1991, praktisch einen Monat vor dem 11. Dezember und 7 Monate vor der Rio-
Konferenz wurde die Alpenkonvention in Salzburg von den Umweltministern unterzeichnet und
trat 1995 in Kraft. Es war weltweit die erste Konvention zum Schutz und zur nachhaltigen
Entwicklung einer Gebirgsregion. Sie sollte als Inspiration dienen für Europa (Karpathen,
Balkan, Kaukasus), aber auch für Zentralasien, Himalaya-Tibet, Andenländer, Afrika, etc. Die
sieben Länder der Karpathen folgten rasch mit einer Einigung 2003 und einem in Kraft treten
2006. Schade, dass die Schweiz, gebremst von einigen Gebirgskantonen, mit der Ratifizierung
der Protokolle im Verzug ist und damit zeigt, dass sie die hohe Bedeutung der regionalen oder
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nicht verstanden hat. Wir kommen beim Management
der heutigen und zukünftigen Wasserressourcen darauf zurück.
3. Rio 1992 und die Agenda21 – entscheidend für die Berge der Welt
      und welche Rolle spielte die Schweiz?

Im Oktober 1991 fand in Genf die dritte Vorbereitungskonferenz für Rio 1992 statt. Hier fiel der
Entscheid, den Bergen der Welt ein eigenes Kapitel in der Agenda21 zu widmen. Die
Voraussetzungen waren ideal, eine gute Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft hatte
sich eingespielt: Die damalige Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe
(DEH) hatte sich in zahlreichen Gebirgsprojekten im Himalaya, in den Anden und in Afrika
engagiert, und das Geographische Institut der Universität Bern hatte in Zusammenarbeit mit
UNESCO und UNU einen Schwerpunkt Gebirgsforschung in den Alpen, in Ostafrika, im
Himalaya und später in den Anden geschaffen. Ohne auf die Einzelheiten dieses spannenden
Aufbauprozesses einzutreten, kam es 1983 zur Gründung eines Gebirgszentrums für acht
Himalayastaaten in Kathmandu (International Centre for Integrated Mountain Development:
ICIMOD), 1986 wurde in Äthiopien die „African Mountain Association“und 1991 in Chile die
„Andean Mountain Association“ gegründet. Die Wirkungen in der Genfer
Vorbereitungskonferenz waren erstaunlich. Als Rudolf Högger als Vizedirektor DEH im Namen
der Schweiz und Bruno Messerli im Namen der UNU für ein Gebirgskapitel in der Agenda21
plädiert hatten, schnellten unzählige Hände hoch und meldeten sich zu Gunsten eines solchen
Kapitels. In diesen Länderdelegationen von Peru, Nepal, Äthiopien und vielen weiteren waren
bekannte Gesichter oder zumindest Personen, die an unseren Gebirgskonferenzen als
Regierungsvertreter teilgenommen hatten. Die Wirkung dieser Voten aus den ärmeren
Gebirgsländern waren überwältigend und der Beschluss eindeutig: Es braucht ein
Gebirgskapitel! Nicht zu vergessen ist aber auch, dass der geniale Generalsekretär und
Organisator des Rio-Erdgipfels 1992, Maurice F. Strong, ein Freund der Berge war, den wir
schon bei der Eröffnungsfeier für das ICIMOD in Kathmandu 1983 als „Key Note Speaker“
kennen gelernt hatten. Er leitete in Genf das Vorbereitungskomitee und übernahm die
Verantwortung für den Text des Gebirgskapitels.

Der erste so genannte Earth Summit fand vom 3. bis 14. Juni 1992 in Rio de Janeiro statt: 172
Regierungen waren vertreten, davon 108 Staatschefs. Die Agenda21 mit ihren 40 Kapiteln und
300 Seiten wurde angenommen mit dem Ziel, im Laufe des 21. Jahrhunderts eine nachhaltige
Entwicklung zu erreichen. Es wurde aber auch eine Kommission für nachhaltige Entwicklung
geschaffen (UNCSD), die die Fortschritte verfolgen sollte. In fünf Jahren, also 1997, sollte in
einer speziellen UNO-Generalversammlung darüber Bericht erstattet werden. Wie wir bereits
gesehen haben, führte diese Konferenz von 1997 zum Internationalen Jahr der Berge. Schauen
wir uns das Gebirgskapitel Nr. 13 mit dem Titel „Managing Fragile Ecosystems: Sustainable
Mountain Development“ etwas genauer an. Es ist in zwei Kapitel gegliedert: Das erste verlangt
einen besseren Wissensstand über Ökologie und nachhaltige Entwicklung von
Gebirgsökosystemen und das zweite verlangt die Förderung von integrativen Ansätzen in
ganzen Einzugsgebieten (FAO: Watershed Management) und die Abklärung alternativer
Lebensmöglichkeiten (livelihood opportunities). Speziell interessant ist, dass für das erste
Kapitel pro Jahr $ 50 Millionen benötigt werden und für das zweite Kapitel pro Jahr $ 13
Billionen. Mit diesen relativ hohen Beträgen hat man auch an die Armutsbekämpfung gemäss
Kapitel 3 (Combating poverty) und an eine verbesserte Landwirtschaft und ländliche
Entwicklung gemäss Kapitel 14 (Sustainable agriculture and rural development) gedacht. Aus
dieser kurzen Darstellung der Rio-Konferenz 1992 lassen sich zwei Folgerungen ableiten: Zum
ersten ist mit der Verankerung der Berge in der Agenda21 ein Meilenstein gesetzt, der sich
nicht mehr wegräumen lässt. Wir haben die Wirkungen auf Rio+10, die Konferenz in
Johannesburg, besprochen und wir haben die Wirkungen auf die Konferenz von Rio+20 im Juni
dieses Jahres gesehen. Selbst wenn die DEZA und das Bundesamt für Umwelt das
Gebirgsthema nicht mehr mit der gleichen Energie vertreten haben, wie ich es 1992 erlebte, so
ist es doch im Schlussdokument der Konferenz unter dem Titel „The Future We Want“ mit drei
Paragraphen prominent vertreten. Dazu kommt, dass in diesem Dokument die Gültigkeit der
Agenda21 und aller Kapitel erneut bestätigt wird.
Zum zweiten die Rolle der Schweiz: Ohne den zeitlich richtigen Einsatz im Oktober 2001 durch
das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und vor allem durch die Direktion für
Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe (heute DEZA) hätte man die Chance
verpasst, die Berge der Welt und ihre Entwicklungs- und Ressourcenprobleme auf der globalen
Ebene ins Spiel zu bringen. Dazu kommt, dass die DEZA unter der Leitung der Botschafter Fritz
Staehelin und Walter Fust die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft so förderten, dass man
zeitgerecht mit möglichen wissenschaftlichen Publikationen oder leicht lesbaren, attraktiven und
doch wissenschaftlich korrekten Broschüren das Bergthema auf der globalen Ebene einbringen
konnte. Dazu gehörte zum Beispiel die UNCSD (United Nations Commission on Sustainable
Development), die von 1997 bis 2002 ein genaues Jahresprogramm mit den wichtigen
Leitthemen aufstellte. Dazu verfassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Geographischen
Institutes und insbesondere des Zentrums für Entwicklung und Umwelt (CDE) die nötigen, reich
dokumentierten Broschüren aus der Sicht der Berge der Welt. Mit dem jeweiligen Obertitel
„Mountains of the World“ folgten die jährlichen Sachtitel: 1997 – Challenges for the 21st
Century, 1998 – Water Towers for the 21st Century, 1999 – Tourism and Sustainable Mountain
Development, 2000 – Mountain Forests and Sustainable Development, 2001 – Mountains,
Energy and Transport, 2002 – The Need for Adequate Policies and Instruments.

Dazu kam eine Thematik, deren volle Bedeutung sich erst nach der Konferenz von Rio 1992
entwickelte. Die erste internationale Konferenz zur Gründung der „Global Mountain Biodiversity
Assessment“ (GMBA) fand vom 7. bis 10. September 2000 unter der Leitung von Prof. Christian
Körner und Dr. Eva Spehn von der Universität Basel in Rigi-Kaltbad statt und das heisst: Die
Schweiz hat für die Berge der Welt eine neue Führungsfunktion übernommen, die auch im
internationalen Programm DIVERSITAS und in der in Rio 1992 verabschiedeten Konvention zur
biologischen Diversität grosse Beachtung fand und weiterhin findet.

Zusammengefasst wage ich zu behaupten, dass die Schweiz eine Führungsrolle für die Berge
der Welt spielte, nicht nur auf Grund eines gewissen nationalen Identitätsgefühls, sondern auch
auf Grund strategischer Überlegungen wie es die Themen der UNCSD beweisen. Dieses
langfristige Denken und Handeln habe ich in der schweizerischen Politik in den letzten Jahren
sehr vermisst. Dazu bleibt mir unvergesslich, wie oft ich bei meinen Gängen durch die
Standorte der verschiedenen Delegationen in Rio 1992 und in New York 1997 angesprochen
wurde mit der Frage: Wird die Schweiz ihre Führungsrolle für die Berge der Welt auch in
Zukunft wahrnehmen?
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