Mehr als Konnektivität - digitale Chancen für Telcos - Positionierung und Wachstums-potenzial von Telekommunikations-unternehmen in Deutschland ...

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Mehr als Konnektivität - digitale Chancen für Telcos - Positionierung und Wachstums-potenzial von Telekommunikations-unternehmen in Deutschland ...
Mehr als
Konnektivität —
digitale Chancen
für Telcos
Positionierung und Wachstums-
potenzial von Telekommunikations-
unternehmen in Deutschland,
der Schweiz und Österreich
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E X E C U T I V E S U M M A RY

                                                                         4........... Olaf Riedel (Ernst & Young GmbH)

                                                                         INTERVIEW

                                                                         18........ Johannes Kaumanns (Deutsche Telekom AG)

                                                                         INTERVIEW

                                                                         34........ Dr. Hans-Jörg Stotz (SAP SE)

//
Inhaltsverzeichnis

                              2                                             3                                                       4
6........... //   Ausgangslage von          20........ //   IoT/M2M als                          36........ //   Ausblick
                   Telcos im Zeitalter der                     (zukünftiges) Handlungs-
                   Digitalisierung                             feld für Telcos

7........... 2.1                             22........ 3.1                                         42........ Referenzen
              Wettbewerb aus Fest- und                    Marktpotenzial von IoT/M2M für
              Mobilfunknetzen                             Telcos in der GSA-Region                    46........ Ihre Ansprechpartner

9........... 2.2                             24........ 3.2
              Wettbewerb von Internet-                    Handlungsfelder entlang der
              diensten: Over-the-Top-Player               IoT-Wertschöpfungskette

12........ 2.3                               25........ 3.3
            Telcos vs. OTTs:                              Connected Devices
            Gibt es einheitliche Wettbe-
            werbsbedingungen?                 26........ 3.4
                                                          Connectivity
15........ 2.4
            Marktakteure und mögliche         28........ 3.5
            Handlungsfelder                               IoT-Plattform: Telcos als
                                                          Service-Enabler

                                              31........ 3.6
                                                          End-to-End Applications:                                                 In Kooperation mit:
                                                          Telcos als Service Creator
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// 1
// Einleitung

D
       er Ausbau hochleistungsfähiger         Industrialisierungsstufe ist eine weitere      Neben relevanter Literatur und konkreten
       Breitbandinfrastruktur ist Grund-      Automatisierung der Produktion. Die            Anwendungsbeispielen aus der GSA-
       voraussetzung für zahlreiche Inter-    Basis dafür bilden die Verfügbarkeit aller     Region fließen in diese Studie mehrere
netdienste, insbesondere jedoch für die       relevanten Informationen in Echtzeit           Experteninterviews mit Vertretern aus
Digitalisierung der Wirtschaft. Klassische    sowie die Vernetzung aller an der Wert-        der Telco-Branche ein.
Telekommunikationsunternehmen (Tel-           schöpfungskette beteiligten Prozesse.
cos) müssen dazu sowohl im Festnetz- als      Diese Entwicklung geht einher mit einer        Der nächste Abschnitt (Kap. 2) geht
auch im Mobilfunkbereich hohe Summen          voranschreitenden Vernetzung von An-           zunächst auf die Ausgangslage von
investieren, während Internet-Dienstleis-     wenderbranchen und der IKT-Branche,            Telcos im Zeitalter der Digitalisierung
tungsunternehmen ohne große eigene            beispielsweise zwischen Telcos, Soft-          ein. Hier sind die wesentlichen Wettbe-
Investitionen von der geschaffenen Infra-     wareanbietern, Maschinenbauunterneh-           werbsprozesse sowie die wechselseitige
struktur profitieren. Für Telcos ist es       men und anderen.                               Abhängigkeit von Internetdiensten und
ein Marktumfeld, in dem es seit Jahren                                                       -infrastrukturen genannt. Zudem wird
vor allem um Optimierung der eigenen          In der öffentlichen Debatte steht das          darin das zugrundeliegende Telekom-
Prozesse geht und man sich kaum ge-           Thema Industrie 4.0 in GSA daher zu-           munikationsökosystem beschrieben.
genüber der Konkurrenz absetzen kann.         recht klar im Fokus. Dabei verzeichnet die     Anschließend werden zusammenfassend
Telcos stellt sich grundsätzlich die Frage,   Dienstleistungsbranche einen durch-            denkbare Optionen für Telekommunika-
wie sie ihre Investitionen in eigene, neue    schnittlich höheren Digitalisierungsgrad       tionsanbieter mit besonderem Fokus auf
Wachstumspotenziale wandeln. Dabei            als das verarbeitende Gewerbe. Auch in         IoT/M2M skizziert. Auf dieser Grundlage
rücken auf der Infrastruktur aufbauende       Bezug auf Anwendungen des Internet             erfolgt in Abschnitt 3.1 eine quantitative
Anwendungen und Marktangebote in den          of Things (IoT) besteht bei den Unter-         Analyse des Marktpotenzials von IoT/
Fokus, die bislang erfolgreich von spezia-    nehmen des Verarbeitenden Gewerbes             M2M für Telcos in der GSA-Region und
lisierten Anbietern erbracht wurden.          noch erhebliches Nachholpotenzial. Einer       ihren einzelnen Ländern. Hierfür werden
                                              Umfrage zufolge nutzen 40 Prozent              Modellrechnungen mit unterschiedlichen
Durch die Omnipräsenz digitaler Techno-       der verarbeitenden Unternehmen in              Zeithorizonten (bis zum Jahr 2025 bzw.
logien beschränkt sich die Digitalisierung    Deutschland IoT-Anwendungen.1 Bei              2030) vorgenommen. In den darauffol-
nicht auf die Informations- und Kommu-        Dienstleistungsunternehmen sind es             genden Abschnitten 3.2 bis 3.6 folgt
nikationstechnologiebranche (IKT-Bran-        bereits 47 Prozent. Den kurzfristigen Ein-     eine qualitative Darstellung relevanter
che), sondern erfasst alle Wirtschafts-       stieg in IoT-Anwendungen planen jedoch         IoT/M2M-Handlungsfelder von Telcos in
bereiche. Der Begriff Industrie 4.0 um-       mit 14 Prozent mehr Unternehmen des            der GSA-Region entlang der IoT-Wert-
fasst die Digitalisierung und Vernetzung      verarbeitenden Gewerbes als Dienstleis-        schöpfungskette. Abschnitt 4 fasst die
der industriellen Produktion insgesamt.       tungsunternehmen (6 Prozent).                  wesentlichen Ergebnisse zusammen und
Gerade in Ländern mit hoch entwickelter                                                      beschreibt Handlungsfelder und mögliche
Industrie wie Deutschland, Schweiz und        Angesichts dieser Ausgangssituation            Lösungsansätze.
Österreich (im Folgenden GSA — Germa-         stellt diese Studie die Frage nach dem
ny, Switzerland, Austria — genannt) und       Wachstumspotenzial von Telcos in der
dort vor allem in Branchen wie Handel,        GSA-Region im Zeitalter der Digitalisie-
Elektrotechnik und Maschinenbau ist           rung. Ein spezieller Fokus liegt dabei auf
für Industrie 4.0 ein hohes Marktpo-          den Anwendungsbereichen IoT und Ma-
tenzial zu erwarten. Ziel dieser vierten      chine-to-Machine-Kommunikation (M2M).

1 Graumann et al. (2017), S. 58.

                                                                                Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos |   3
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Executive Summary
S
      ieht man sich die Umsatzentwicklung von Telekom-
      munikationsunternehmen in den letzten Jahren an,
      stellt man ein leichtes Wachstum fest. Die Profitabilität
hingegen hat aufgrund des Preisdrucks stetig abgenommen
und dies führt zu Verstimmung bei den Kapitalgebern. Eine
der größten Herausforderungen der Telcos ist also, attraktive
und profitable Geschäftsmodelle zu entwickeln und erfolg-
reich auf dem Markt zu positionieren, um auch wieder mehr
Vertrauen auf der Kapitalmarktseite aufzubauen. Die bishe-
rigen Versuche in neue Geschätsmodelle zu investieren, auf
deren Grundlage die Netzinfrastruktur besser monetarisiert
und weiter ausgebaut werden kann, etwa durch „Connected
Home“, „eHealth“, Mobile Finance & Payment waren bisher
nicht besonders erfolgreich und wurden sehr häufig wieder
                                                                  Fortschreitende digitale Transformation verändert
                                                                  die Geschäftsmodelle der Telcos

                                                                  Die Digitalisierung ist gleichzeitig Chance und Herausforderung
                                                                  für die Telcos: Die Chancen liegen ganz wesentlich darin, dass
                                                                  die Telcos Treiber und Beschleuniger des Wandels sein können.
                                                                  Durch die Bereitstellung digitaler Services kombiniert mit
                                                                  Infrastruktur, Daten- und Kommunikationsverbindungen können
                                                                  die Telcos die deutsche und europäische Industrie aktiv auf dem
                                                                  Weg in das Neue Zeitalter der Industrie 4.0 begleiten.

                                                                  So können sie den Aufbau neuer digitaler Fabriken unterstüt-
                                                                  zen, die über selbstlernende intelligente Steuerung Prozesse
                                                                  nicht nur automatisiert, sondern ständig verbessert und diese
eingestellt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen haben    so an neue Anforderungen von Markt und Technologie kontinu-
die großen Telcos wenig Erfahrungen, solche Innovationen          ierlich adaptiert. Dazu benötigt die Industrie verlässliche Daten-
zu entwickeln und mehr noch profitabel zu vermarkten. An-         und Kommunikationsverbindungen, die nahezu in Echtzeit
dererseits sind die sogenannten „Over The Top Player“ wie         funktionieren, d.h. 5G.
Google, Amazon u. a. oft nicht nur schneller, sondern auch
immer sofort global präsent und nutzen die Infrastrukturen        Andererseits verändern sich die Kundenanforderungen an
der Telcos im Prinzip unentgeltlich.                              die Telcos dramatisch. Der Kunde erwartet mehr und mehr
                                                                  auch über digitale Kanäle, über Internet, das Mobiltelefon eine
Der neue Mobilfunkstandard 5G, der gerade von führenden           exzellente Betreuung, integrierte Sales Channels, die ein „One
Technologiefirmen wie Ericsson, Nokia und Huawei entwickelt       Stop Shopping“ ermöglichen. Über unterstützende Analytik
und gemeinsam mit den Telcos pilotiert wird, könnte die Telcos    des Kundenverhaltens, können zusätzliche Services und höhe-
wieder ins Spiel bringen: Wenn in den nächsten Jahren diese       re Umsätze je Kunden erzielt werden. Die Digitalisierung treibt
Technologie von den Telcos ausgerollt wird, ergeben sich          die Telcos auch im Massenkundenmarkt dazu, nicht einzelne
völlig neue Geschäftsmöglichkeiten, die hoffen lassen, dass       Produkte oder Services anzubieten, sondern gebündelte
die großen Investitionen in diese neue Mobilfunktechnologie       Servicepakete, d. h. klassische Sprach- und Datenverbindun-
auch monetarisiert und profitabel gemacht werden können.          gen kombiniert mit komplett neuen digitalen Services etwa auf
Der Hebel dabei liegt wesentlich in völlig neuen Anwendungs-      dem Weg zum „Smart Home“ oder zum digitalen, interaktiven
möglichkeiten etwa im Bereich des Internet of Things. Dazu        Entertainment & Gaming.
gehören moderne Mobilitätskonzepte, Autonomes Fahren bis
hin zu ferngesteuerten Operationen im Gesundheitsbereich          Herausforderungen für Telcos im Bereich IoT
(Remote Surgery). Diese Möglichkeiten sind wesentlich von den     in den nächsten zwei Jahren
völlig neuen Eigenschaften der 5G-Technologie geprägt. Dazu
gehört extrem hohe Breitbandigkeit, fast null Zeitverzögerung     Die Kombination des Aufbaus von technologischen Plattfor-
(Low Latency) sowie die Möglichkeit, ein Vielfaches an Geräten    men, die die Integration von IoT Services, wie eHealth oder
in einer Mobilfunkzelle einzulocken.                              eMobility mit den Kommunikationsservices sichern, mit dem
                                                                  Aufbau von technologischer Kompetenz auf den unterschied-
                                                                  lichen Feldern der IoT Services bildet die Grundlage zur
                                                                  erfolgreichen Monetarisierung. Die Entwicklung, Vermarktung
                                                                  und das Betreiben von IoT Services gehört traditionell nicht
                                                                  zur „DNA“ der Telcos.

4      | Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos
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Olaf Riedel
                                                    Leader Technology, Media & Entertainment und
                                                     Telecommunications für Deutschland, Schweiz
                                                              und Österreich, Ernst & Young GmbH

Deshalb ist entscheidend für den Erfolg, entweder intern,           interaktiver Lern- und Studienformen. Im Geschäftskunden-
durch Recruiting von Fachexperten, durch Akquisition, über          bereich gehören dazu Angebote für Cybersecurity, Analytics
Partnering oder über Co-Creation Kompetenz aufzubauen.              und Data Center Services.
Nur so wird es möglich, komplexe Kundenbedürfnisse besser
zu verstehen und IoT-Angebote gebündelt aus einem Ökosys-           Europa im globalen Wettbewerb
tem von Partnerschaften und Allianzen am Markt erfolgreich
zu positionieren.                                                   Europäische Telcos müssen sich zusammenschließen müssen, um
                                                                    langfristig im globalen Markt bestehen zu können. In Anbetracht
Ziel muss es sein, bis 2020 ein Großteil des Wachstums              der hochkapitalisierten Anbieter in Amerika und Asien stellt sich
der Telcos aus solchen IoT Services abzusichern, ggf. auch          die Frage, ob man dort eher angefangen hat, in diese Richtung zu
zulasten der Profitabilität in der Zwischenzeit. Das traditio-      denken. Letztendlich profitieren die Firmen dort aber auch von
nelle Geschäft muss parallel dazu auf höhere Effizienz und          zwei riesigen Binnenmärkten. In Europa ist die ganze Diskussion
Profitabilität getrimmt werden, um die neuen Geschäftsfel-          über ein mögliches Auseinanderfallen der EU schon aus dieser
der zu finanzieren.                                                 Perspektive zutiefst problematisch. Es müsste ganz im Gegenteil
                                                                    das regulatorische Umfeld harmonisiert und im Telekommunikati-
Grundvoraussetzungen für den Vertrieb                               onsbereich ein europäischer Binnenmarkt entwickelt werden.
von IoT-Lösungen
                                                                    Gesetzliche Rahmenbedingungen
Wesentliche Voraussetzungen für den erfolgreichen Vertrieb          im Hinblick auf IoT
von IoT-Lösungen sind zunächst die Integration der verschie-
denen technischen Leistungen auf einer technischen Platt-           Die Politik sollte zunächst darauf einwirken, dass wir zumin-
form, der Ecosystemübergreifende Vertrieb mit „One Stop             dest innerhalb von Deutschland nicht überregulieren. Darüber
Shopping“ und einer Rechnung, den Aufbau und Betreuung              hinaus sollte diesbezüglich eine europäische Lösung angedacht
der Services aus einer Hand. Das stellt ggf. komplett neue An-      und die nötigen Infrastrukturinvestitionen erleichtert werden:
forderungen an den Vertrieb im Privatkundengeschäft, aber           Angesichts des kürzlich kommunizierten Auktionsregelrah-
viel mehr noch im Geschäftskundenvertrieb. Die Vertriebsmit-        mens für das künftige 5G-Netz ist — im Zusammenhang mit der
arbeiter müssen befähigt werden, komplexe Kundenbedürfnis-          starken Regulierung der aktuellen Player — fraglich, ob dieses
se zu verstehen, komplizierte technische Lösungen anzubieten        Ziel erreicht werden kann. Unabhängig davon ist wichtig, dass
und deren Kundennutzen beim Kunden überzeugend zu posi-             die Politik die Angst vor höheren Arbeitslosenzahlen durch den
tionieren. Das ist ein schwieriger Prozess, gerade dort wo der      Einsatz digitaler Technologien nicht weiter schürt.
Schwerpunkt des Vertriebs traditionell auf Kommunikations-
und Datenservices gelegt wurde. Hinzu kommt, den Kunden             Zuletzt sollte die Politik in Bezug auf das Thema Arbeitneh-
klar zu machen, dass eine Telco der „Partner der Wahl“ für          mer zum einen die Möglichkeiten verbessern, Mitarbeiter
IoT-Lösungen ist.                                                   umzuschulen. Zum anderen sollte sie schon bei der Ausbildung
                                                                    unserer Kinder anfangen, stärker auf Technologie zu setzen,
Weitere Aktionsfelder für Telcos                                    damit die Angst vor neuen Technologien bereits im Vorfeld
                                                                    ausgeräumt wird. Mittel- bis längerfristig erwarten wir seitens
Zunächst ist es für die Telcos sinnvoll, zu fokussieren. Die        der Politik vor dem Hintergrund des sich durch IoT verändern-
große Zukunftswette heißt sicher IoT. Darüber hinaus sollten        den Arbeitsmarkts auch eine Auseinandersetzung mit dem
die Telcos ihr Geschäft im Bereich von Entertain, Gaming und        bedingungslosen Grundeinkommen.
Gambling ausbauen. Gerade die Angebote mit Interaktivität und
Video lassen auch die zahlungswillige Nachfrage nach Ausbau
von Bandbreite weiter steigen. Dazu kommt der Ausbau von
Angeboten etwa im Bildungsbereich z.B. zum Aufbau virtueller

                                                                               Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos |   5
Mehr als Konnektivität - digitale Chancen für Telcos - Positionierung und Wachstums-potenzial von Telekommunikations-unternehmen in Deutschland ...
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Ausgangslage von
Telcos im Zeitalter der
Digitalisierung

6   | Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos
Mehr als Konnektivität - digitale Chancen für Telcos - Positionierung und Wachstums-potenzial von Telekommunikations-unternehmen in Deutschland ...
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   Wettbewerb aus Fest- und Mobilfunknetzen

S
      eit Beginn der Marktliberalisierung           Marktstrukturen insgesamt stark. Dies               leitungsgebundenen Breitbandnetzen
      1997/19982 ist die Telekommu-                 führte für den gesamten Festnetzbereich             zunehmend vergleichbar sind. Auch die
      nikationsbranche (Festnetz und                zu einer ersten Phase der Wettbewerb-               Europäische Kommission3 sieht in LTE
Mobilfunk) eine der dynamischsten und               sintensivierung.                                    mittelfristig einen relevanten Ersatz bei
kompetitivsten Industrien geworden.                                                                     hinreichender Netzabdeckung. Dennoch
Die Marktöffnung für neue Festnetzan-               In Bezug auf schmalbandige Telefonie-               gibt es in technologischer Hinsicht noch
bieter begünstigte Innovationen und                 dienste war das Phänomen der soge-                  qualitative Unterschiede. So wird die
Investitionen. Dank der sektorspezifi-              nannten Festnetz-Mobilfunk-Substitution             Luftschnittstelle von allen Teilnehmern
schen Regulierung konnten alternative               bereits zu Beginn des Ausbaus schnel-               einer bestimmten Funkzelle gemeinsam
Festnetzanbieter ihren Endkunden                    ler Breitbandnetze ab etwa 2006 sehr                genutzt (Shared Medium).
auch Sprachtelefoniedienste kompetitiv              intensiv ausgeprägt. Inzwischen übt
anbieten. Kabel-TV-Netze (CATV) mit                 es auch bei Breitbandangeboten einen                Abbildung 1 zeigt die Marktanteile
bidirektionaler Funktionalität und deren            immer stärkeren Wettbewerbsdruck aus.               der jeweiligen Anbieter in den natio-
Bündelprodukte (neben CATV auch                     Während mobiles Breitband auf Basis von             nalen Mobilfunkmärkten der GSA-
Festnetztelefonie und Breitbandinternet)            3G-Standards noch nicht als hinreichend             Region. In Bezug auf die Mobilfunk-
sorgten für weiteren festnetzinternen               kompetitiv betrachtet wurde, bietet die             anbieter mit eigener Netzinfrastruk-
und infrastrukturbasierten Wettbewerb.              auf Long-Term Evolution (LTE/LTE Ad-                tur bestehen relativ enge Oligopole.
Daneben veränderten vor allem die neu               vanced, 4G) basierende Mobilfunktech-               Die höchste Konzentration weist der
geschaffenen Mobilfunknetzwerke die                 nologie Bandbreiten, die den modernen               Schweizer Markt auf.

2    European Commission (1998).
3 European Commission (2014), Abschnitt 4.2.1.

Abbildung 1
Mobilfunkanbieter und deren Marktanteile

                 Deutschland                                         Schweiz                                             Österreich

    34 %
    E-Netz (Telefónica SA)
                                                      58,8 %
                                                      Swisscom (Swisscom AG)
                                                                                                           38 %
                                                                                                           A1 (Telekom Austria AG)

    34 %
    D2-Netz (Vodafone GmbH)
                                                      19,4 %
                                                      Sunrise (Sunrise Communications AG)
                                                                                                           30 %
                                                                                                           T-Mobile (T-Mobile Austria GmbH)

    32 %
    D1-Netz (Deutsche Telekom AG)
                                                      16,7 %
                                                      Salt (Salt Mobile SA)
                                                                                                           26 %
                                                                                                           Drei (Hutchison Drei Austria GmbH)

                                                      5,1 %
                                                      Andere
                                                                                                           4,1 %
                                                                                                           HoT (HoT Telekom und Service GmbH)

Anmerkung: Nach Teilnehmern pro Quartal. Stand Deutschland: Q4/2017; Stand Österreich: Q1/2017; Stand Schweiz: Q4/2016

                                                                                           Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos |   7
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Bevorstehender                  In naher Zukunft ist mit dem Aufbau         Breitbandkonnektivität zur Verfügung
                     Generationswechsel                 von 5G-Netzen ein weiterer disruptiver      stellen, sondern das Potenzial haben,
                                                        Technologiewandel zu erwarten: Die          neue Märkte zu erschließen. Als künftige
                                                        Technologie wird voraussichtlich in eine    Geschäftsfelder gelten insbesondere
                                                        konvergente Festnetz- und Drahtlosinfra-    Automatisierung der Industrie (Indust-
                                                        struktur münden; drahtlose Verbindun-       rie 4.0/IoT/M2M), Energienetze (Smart
                                                        gen zu Gebäuden könnten Privatkunden        Grids), Verkehrs- (Intelligent Transport
                                                        damit eine Alternative zu Glasfaser- bzw.   Systems, Autonomes Fahren) und Ge-
                                                        Kupfer-/Koaxialkabelanschlüssen bieten.     sundheitswesen (E-Health).
                                                        Auch viele industriespezifische Applika-
                                                        tionen werden voraussichtlich 5G-Netze
                                                        benötigen. Auf Basis von breiteren und
                                                        höheren Frequenzen, modernen Modu-
                                                        lierungsverfahren und einer massiven
                                                        Verdichtung von Mobilfunkstandorten
                                                        soll die 5G-Technologie nicht nur bessere

    INFOBOX

    Neue Qualitätsmaßstäbe mit 5G
    Viele Anwendungsbereiche sollen dank der folgenden Verbesserungen vom 5G-Standard profitieren:4

    •   Spitzendatenraten (von derzeit 1 Gbit/s auf 20 Gbit/s)
    •   erreichbare Datenraten (von 10 Mbit/s auf 100 Mbit/s)
    •   Reduktion der Verzögerung (Latenzzeiten, von 10 ms auf 1 ms in der Funkschnittstelle)
    •   Erhöhung der Mobilität auf eine maximale Geschwindigkeit von 500 km/h
    •   Dichte der Endgeräte (bis zu 100.000 Geräte pro km2)
    •   spektrale Effizienz (Verbesserung um den Faktor 3)
    •   Datenverkehr je Fläche (bis zu 10 Mbit/s/m2)

    Nach der für 5G erforderlichen Frequenzstandardisierung                   zwischen Mensch und Maschine. Sie soll über bisherige
    auf der Weltfunkkonferenz (World Radio Conference) im Jahr                Smartphonebasierte Anwendungen (vor allem Telefonie- und
    2019 und der nationalen Festlegung des Auktionsdesigns,                   Datendienste) weit hinausgehen und sowohl auf der indivi-
    der Versorgungsauflagen und der Vergabe von Frequenzen                    duellen Nutzerebene als auch aus industrieller Sicht völlig
    soll der kommerzielle Rollout von 5G in der GSA-Region                    neue Möglichkeiten bieten. Interviews mit unterschiedlichen
    frühestens ab dem Jahr 2020 beginnen. Der Aufbau eines                    Experten legen nahe, dass viele Industriebereiche bereits
    universellen und konvergenten Glasfaser-/5G-Netzes ist                    heute einen hohen Bedarf an echtzeitfähiger
    unter anderem die Voraussetzung für die Kommunikation                     Mobilfunkinfrastruktur haben.

    4 Reichl et al. (2017), S. 9–10; auch EY (2017), S. 9–10.

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   Wettbewerb von Internetdiensten: Over-the-Top-Player

N
      eben der Dynamisierung des Wett-               •   Kommunikationsdienste                        •   Online-Spiele
      bewerbs durch den Mobilfunksek-                    (z. B. Skype, WhatsApp)                          (z. B. Strategiespiele)
      tor ist in der Telekommunikations-
branche seit einigen Jahren eine zweite              •   Echtzeitunterhaltungsdienste                 •   Webbrowsing
Phase der Wettbewerbsintensivierung zu                   (z. B. Netflix, Youtube)                         (z. B. HTTP)
beobachten. Die zunehmende IP-Konver-
genz verändert dabei diverse Geschäfts-              •   Soziale Netzwerke                            •   Suchmaschinen
modelle nachhaltig.                                      (z. B. Facebook, Twitter)                        (z. B. Google)

Sogenannte Over-the-Top-Content- oder                •   Marktplätze
OTT-Player bieten ihre Dienste auf Basis                 (z. B. Amazon, Apple iTunes)
bestehender Internetinfrastrukturen
an. Sie erbringen ihre Dienste über die              •   Filesharing-Dienste
Teilnehmeranschlussnetzwerke der                         (z. B. BitTorrent)
klassischen Telcos. Dabei lassen sich
die folgenden wichtigsten OTT-Dienste-               •   Speicher- und Transferdienste
gruppen unterscheiden:5                                  (z. B. Dropbox)

5 Peitz und Valletti (2015) sowie Krämer und Wohlfarth (2015).

     Trennung von Datentransport                     Die massiv zunehmende Bedeutung                  grundsätzlich die Transportdienstleistung
                 und -anwendung                      digitaler OTT-Dienste hat das klassi-            der Daten von der Anwendung, die diese
                                                     sche Gefüge in der Telekommunika-                Daten benötigt. Für den Transport ist es
                                                     tions- und Medienbranche nachhaltig              demnach unerheblich, ob das Daten-
                                                     verändert: Ursprünglich war diese von            paket Teil einer Sprach-, Video- oder
                                                     vertikal integrierten Anbietern geprägt,         Textnachricht ist. Für den Netzbetreiber
                                                     die sowohl das Transportnetz (z. B.              sind Erlöse nach den unterschiedlichen
                                                     Kabelnetze, PSTN-Telefonnetze und                Anwendungstypen nicht mehr ohne
                                                     Mobilfunknetze) als auch die darüber             weiteres zu erzielen. Ebenso hat er prinzi-
                                                     erbrachte Dienstleistung (insbesondere           piell keine Kontrolle über die Dienste,
                                                     Fernsehen, Breitband, Sprachtelefonie            die über sein Netz erbracht werden. Das
                                                     und SMS) kontrollierten. Verschiedene            macht die Netzbetreiber grundsätzlich
                                                     Dienste (z. B. Sprachtelefonie und SMS)          auch austauschbar: Digitale Dienste sind
                                                     können nun über dasselbe Netz erbracht           unabhängig — sie benötigen weder einen
                                                     und gleichzeitig separat abgerechnet             spezifischen Betreiber noch eine konkre-
                                                     werden. IP-basierte Netze, die auf dem           te Netzinfrastruktur. Gleichzeitig haben
                                                     Internet-Kommunikationsstandard der              die Anbieter von Inhalten in der Regel
                                                     Protokollfamilie TCP/IP beruhen, trennen         keine Kontrolle über die Transportdienst-

                                                                                         Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos |   9
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leistung des Netzbetreibers. Insbesonde-                                nen Dekade sukzessive zurückgegangen                    bereich sowohl gegenüber dem Mobil-
re bei echtzeitkritischen Anwendungen                                   sind. Im Festnetzbereich gilt das sowohl                funksektor und seit 2011 auch stark
(z. B. Videotelefonie oder IoT) können sie                              für den Gesamtmarkt als auch für das                    gegenüber den Angeboten der OTT-Platt-
daher die Qualität ihres digitalen Dienstes                             regulierte Incumbent-Unternehmen Deut-                  formdienste verloren hat. Für die Zukunft
(Quality of Service) nicht garantieren.6                                sche Telekom (TK-Festnetz Telekom).                     wird angesichts des wachsenden Anteils
                                                                        Einzig bei den Umsätzen auf Basis von                   in der Bevölkerung an Digital Natives
Die Auswirkungen dieser Entwicklungen                                   Mobilfunk- und Kabelnetzen kam es zu                    eine weiter zunehmende Bedeutung von
sind beispielhaft für den deutschen Tele-                               einem leichten bzw. deutlichen Anstieg                  OTT-Diensten erwartet.
kommunikationsmarkt in den folgenden                                    im Vergleichszeitraum.7 Abbildung 3
zwei Abbildungen dargestellt. Abbil-                                    zeigt am Beispiel der Verkehrsvolumina                  Die oben genannten Wettbewerbsprozes-
dung 2 zeigt, dass die Telekommunikati-                                 für abgehende Sprachtelefonieverbin-                    se haben sowohl im Festnetz- als auch im
onsumsätze insgesamt in der vergange-                                   dungen, dass der gesamte Festnetz-                      Mobilfunkbereich in den vergangenen

Abbildung 2
Entwicklung des Gesamtmarktes und der Teilmärkte für Telcos in Deutschland

                                            70
                                                    64,1
                                                                 61,8     61,3           60,2         60,2            60,1        59,0         60,0     59,7
                                            60                                                                                                                      58,8
          Außenumsätze in Milliarden Euro

                                            50

                                            40
                                                    35,3         34,2     32,9           31,8         31,0            30,1
                                            30                                                                                    28,9         28,3     27,7        27,1
                                                    25,4         24,1     24,7           24,6         24,8            25,2
                                                    21,3                                                                                       26,5     26,7        26,2
                                                                 19,8                                                             25,1
                                            20                            18,1
                                                                                         16,5         15,5            15,2        14,5         14,2     13,9        13,6
                                                                 14,4     14,8           15,2         15,5            14,9        14,4         14,1
                                                    14,0                                                                                                13,8        13,5
                                            10
                                                                                                      4,4             4,8          5,0         5,2      5,3         5,5
                                                     3,4         3,5      3,7            3,8

                                                    2008        2009     2010            2011         2012        2013            2014        2015      2016       2017

     Gesamtmarkt                                 TK-Festnetze Gesamt    Mobilfunknetze          TK-Festnetz Telekom          TK-Festnetz Wettbewerber   Breitbandkabelnetze

Anmerkung: Außenumsätze in Milliarden Euro, inkl. Sprach- und Internetdienste, Datendienste, Interconnection, Mietleitungen, Inhalte, Endgeräte und Verteilung von
TV-Inhalten, die von Netzbetreibern und deren Vertriebspartnern abgesetzt werden.

6 Absatz entnommen aus Bertschek et al. (2016), S. 104.
7 Der Erfolg von Kabelfernsehnetzen dürfte auf die Attraktivität von Bündelprodukten auf Basis von CATV, VoIP und Breitbandinternet zurückzuführen sein. Die
   Attraktivität basiert hier auf relativen Kostenvorteilen gegenüber den vergleichbaren PSTN-Telefonnetzprodukten. Zudem hatten Incumbent-Unternehmen bislang
   weniger Erfolg in der Vermarktung von IPTV-Produkten, insbesondere in Deutschland und Österreich. In der Schweiz hingegen konnte Swisscom IPTV in Verbin-
   dung mit Fernsehangeboten durch TV-Streaming auf Basis von Internetplattformen erfolgreich etablieren (WIK, 2017).

10      | Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos
Jahren eine immer stärker voranschrei-                                        Diese Entwicklung, die in den vergange-
tende Marktkonsolidierung ausgelöst.                                          nen Jahren neben Europa auch in den
Obwohl sich in der internationalen Be-                                        USA und in einzelnen BRIC-Staaten11 zu
trachtung auch die Zahl der Markteintrit-                                     beobachten war, lässt sich im Hinblick auf
te dynamisch gezeigt hat,8 dominierten                                        Technologie und Kostenstrukturen auf
insgesamt die Konsolidierungstenden-                                          Größenvorteile12 zurückführen.
zen deutlich. Die Folge ist eine erhöhte
Marktkonzentration im Telekommunika-
tionsbereich.9 Innerhalb der GSA-Region
gilt dies vor allem für Deutschland und
Österreich.10

Abbildung 3
Abgehende Sprachverbindungsminuten

                                         1.000                                                         967        961          947          947
                                                                                912         914                                                          920            914
                                          900               861       874

                                          800
          Minuten in Millionen pro Tag

                                          700

                                          600
                                                            545       540       529
                                                                                            501        488
                                          500                                                                     463
                                                                                                                               430
                                                                                                                                            405
                                          400                                                                                                            360            345
                                                                                            293        300        301          303          311
                                          300                                   275
                                                            231       250                                                                   231          310            309
                                                                                                                  197          204                                      260
                                          200                                                          179                                               250
                                                                                109         120
                                          100               85         85

                                                        2008         2009      2010        2011       2012       2013         2014         2015          2016           2017

    Gesamt                                       Festnetz         Mobilfunk     Breitbandkabelnetze

Anmerkung: In Millionen Minuten pro Tag in Deutschland (Mobil ohne Roaming, OTT-Verkehr entspricht geschätzten Verbindungsminuten, die nicht über einen
Anschlussnetzbetreiber abgerechnet werden, Schätzung für 2017). Quelle: VATM, 2017.

8 Oftmals erfolgten diese aufgrund von entsprechenden Fusionsauflagen im Rahmen der behördlichen Genehmigung von zeitlich vorgelagerten Fusionen.
9 Für den Mobilfunksektor sei hier verwiesen auf Mariniello & Salemi (2015) sowie OECD (2015), Tabellen 4.4–4.5, für den Festnetzbereich auf die Informationen aus
   ZEWnews Oktober 2015, Schwerpunkt M&A Report („Konzentration auf europäischen Festnetzmärkten nimmt zu“) und aus ZEWnews April 2017, Schwerpunkt
   M&A Report („Internationale Großübernahmen prägen Europas Telekommunikationssektor“).
10 Hier sind im Mobilfunk vor allem die letzten vier bis drei Fusionen von Mobilfunkanbietern mit eigener Netzinfrastruktur gemeint, am deutschen Markt (der
    milliardenschwere Zusammenschluss von E-Plus, Tochter der niederländischen KPN, und O2, Mobilfunkmarke der spanischen Telefónica-Gruppe im Jahr 2014)
    sowie zuvor schon am österreichischen Markt (die Übernahme der Mobilfunkmarke Orange durch den kleineren Konkurrenten Hutchison/Drei im Jahr 2013). Im
    Festnetzbereich waren vor allem Konsolidierungen im Bereich der Kabelnetzbetreiber zu beobachten, insbesondere in Deutschland. Das gilt auch in Hinblick auf
    die aktuell geplante Übernahme des Kabelnetzbetreibers Unitymedia durch Vodafone zu einem genannten Kaufpreis von 18,4 Milliarden Euro.
11 EY (2018), S. 17.
12 In der Mikroökonomie spricht man von Größenvorteilen bzw. Skaleneffekten (Economies of Scale), wenn in einer Branche oder in einem Unternehmen der Output
    zu weniger als dem Doppelten der Kosten verdoppelt werden kann. Skalenerträge (Returns to Scale) werden hingegen in Relation zur Produktionsfunktionen
    definiert und stellen einen Spezialfall von Größenvorteilen dar.

                                                                                                               Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos |         11
// 2.3
//	
   Telcos vs. OTTs:
   Gibt es einheitliche Wettbewerbsbedingungen?

M
        it dem wettbewerblichen Zu-                    zu Angeboten der Internetinfrastruktur-                 Gleichzeitig sind die einzelnen Akteure
        sammenspiel der genannten                      anbieter. Dies zeigt sich im Festnetz- und              innerhalb des Internetökosystems mit
        Marktakteure stellt sich auch die              im Mobilfunkbereich gleichermaßen.                      sehr unterschiedlichen Regulierungsver-
Frage gleicher und gerechter Wettbe-                   Zwar weist der Mobilfunk im Vergleich                   pflichtungen konfrontiert, selbst dann,
werbsvoraussetzungen (Level Playing                    zum Festnetz Wachstum auf. Allerdings                   wenn sie augenscheinlich substituierbare
Field) neu. So haben OTT-Dienste einer-                haben Mobilfunknetzbetreiber bei den                    Dienste anbieten.14
seits erheblich zur Verbreitung von                    ehemals substanziellen Umsatzströmen
Internetanschlüssen beigetragen. Ande-                 aus SMS und MMS durch OTT-Dienste
rerseits stehen einzelne dieser Dienste                wie WhatsApp, Apple iMessage oder den
zunehmend in substitutiver Beziehung                   Facebook Messenger massiv verloren.13

13 Bezüglich wertmäßiger Entwicklungen sei hier auf den Vergleich der Marktkapitalisierung relativ junger Internet-Konzerne gegenüber seit Jahrzehnten etablier-
    ten und bedeutenden DAX-Unternehmen beispielhaft hingewiesen: SAP: 120,16 Mrd. Euro; Bayer: 87,97 Mrd. Euro; VW: 71,78 Mrd. Euro vs Apple: 786,08 Mrd.
    Euro; Alphabet: 623,90 Mrd. Euro; Facebook: 484,20 Mrd. Euro. (Quelle: finanzen.net, 28.6.2018).
14 Bertschek et al. (2016), S. 116.

     INFOBOX

     Regulierungsverpflichtungen für Netzbetreiber
     Marktbeherrschende Telekommunikationsnetzbetreiber                            Die regulatorischen Unterschiede ergeben sich ins-
     wie die Deutsche Telekom unterliegen einer Zugangs- und                       besondere durch die juristische Einordnung von OTT-
     Entgeltregulierung. Umgekehrt müssen dienstebasierte                          Diensten. Sowohl im europäischen als auch im US-
     Festnetzanbieter für den Zugang zur Infrastruktur ein regu-                   amerikanischen Rechtsgebiet gelten sie in der Regel
     latorisch festgesetztes Entgelt entrichten. Darüber hinaus                    nicht als Kommunikationsdienste (Electronic Communi-
     müssen alle Kommunikationsdiensteanbieter eine Reihe                          cations Service/ECS (EU) bzw. Common Carrier (USA)),
     weiterer sektorspezifischer Regulierungsauflagen berück-                      sondern als Informationsdienste (Information Society
     sichtigen. Darunter technische Vorgaben zur Interoperabili-                   Service (EU) bzw. Information Service (USA)). Auf
     tät, Zusammenschaltungs- und Transparenzverpflichtungen,                      Letztere findet die sektorspezifische Regulierung keine
     telekommunikationsspezifische Verbraucherschutz- und                          Anwendung.16 Der Zusammenschluss Europäischer
     Datenschutzbestimmungen sowie Sicherheitsvorschriften                         Regulierungsbehörden17 schlägt die folgende Untertei-
     und Notrufdienste.15                                                          lung von OTT-Kommunikationsdiensten vor:

     •   OTT-0:
                 Kommunikationsdienste, die als ECS klassifiziert werden können, insbesondere solche Dienste, die eine Verbindung
           zum öffentlichen Telefonnetz haben (z. B. Skype-Out).

     •   OTT-1:
                Kommunikationsdienste, die nicht als ECS klassifiziert werden, aber potenziell mit ECS-Diensten im Wettbewerb
           stehen (z. B. Skype (ohne Skype-Out), Instant Messaging).

     •   OTT-2:
               Alle anderen OTT-Dienste, die folglich keine Kommunikationsdienstleistungen erbringen, zum Beispiel
           E-Commerce- oder Multimedia-Streaming-Dienste.

     15 BEREC (2015); Monopolkommission (2015), S. 180; Krämer und Wohlfahrt (2015).
     16 Absatz entnommen aus Bertschek et al. (2016), S. 117.
     17 BEREC (2015).

12        | Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos
Verschärftes              Dabei stellen sich allerdings unmittelbar               An dieser Stelle sei angemerkt, dass auch
                          Ungleichgewicht              einige Fragen: Ist eine Unterscheidung                  die Vorgaben zur Netzneutralität sowie
                                                       in OTT-0 und OTT-1 sinnvoll? Sollten                    zu Datenschutzbestimmungen mögliche
                                                       Regulierungsverpflichtungen für alle ECS                Geschäftsmodelle und resultierende
                                                       erlassen werden? Sollte man im Interesse                Gewinnverteilungen zwischen Telcos und
                                                       eines chancengleichen Wettbewerbs auf                   OTT-Anbietern entscheidend beeinflus-
                                                       regulatorischer Ebene den Rechtsrahmen                  sen. Neben dem bereits angesproche-
                                                       so abändern, dass zumindest OTT-1 als                   nen Level Playing Field auf der Ebene
                                                       ECS klassifiziert werden können?                        von Diensten stellt sich damit auch die
                                                                                                               Frage nach einem Level Playing Field auf
                                                       Einerseits scheinen im Zeitalter der                    Ebene der Ordnungsrahmen der globalen
                                                       allgegenwärtigen Vernetzung einige                      IKT-Märkte. Insbesondere im Vergleich
                                                       Regulierungsverpflichtungen (z. B. die                  mit den USA sehen sich die in Europa
                                                       Sicherstellung des Notrufs) entbehrlich.                agierenden Telcos mit dem verhältnismä-
                                                       Dies könnte man zum Anlass nehmen,                      ßig restriktiven EU-Regulierungsrahmen
                                                       die bestehenden Vorschriften auf ihre                   konfrontiert, der auch umfangreiche
                                                       Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Andere                   Regelungen zum Verbraucher- und
                                                       Verpflichtungen (z. B. Transparenz-                     Datenschutz beinhaltet. Diese ordnungs-
                                                       verpflichtungen) könnten jedoch ein                     politische Asymmetrie dürfte sich im
                                                       durchaus sinnvolles Instrumentarium                     Hinblick auf die aktuelle Kehrtwende in
                                                       der Chancengleichheit für OTT-Kommu-                    der US-Netzneutralitätsdebatte19 sowie
                                                       nikationsdienste sein, die derzeit nicht                der in Europa seit Mai 2018 geltenden
                                                       als ECS klassifiziert sind. Doch selbst bei             Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
                                                       einer Harmonisierung des Rechtsrah-                     noch verschärfen.20
                                                       mens bestehen nach wie vor technische
                                                       Unterschiede beim Erbringen der jewei-                  Zu einer weiteren grundlegenden Asym-
                                                       ligen Kommunikationsdienstleistung.                     metrie im internationalen Level Playing
                                                       So haben OTT-Kommunikationsdienste                      Field führen die großen Unterschiede
                                                       aufgrund der Trennung von Infrastruktur-                im Ausschöpfen von Größenvorteilen
                                                       und Dienstbetreiber in der Regel keine                  bei europäischen Telcos. Dies ist auf die
                                                       Einflussmöglichkeit auf den Transport                   durch Hunderte europäische Anbieter
                                                       und insbesondere die Priorisierung der                  stark fragmentierten Märkte zurückzu-
                                                       Datenpakete.18                                          führen — sowohl im Festnetz- als auch

18 Abschnitt entnommen aus Bertschek et al., 2016, S. 118–119.
19 Auf EU-Ebene ist auf die aktuell gültige Verordnung zur Netzneutralität hinzuweisen (Verordnung 2015/2120 vom 25. November 2015), die am 30. April 2016
    in Kraft trat. Sie verpflichtet Netzbetreiber, keine Diskriminierung, Beschränkung oder Störung von Anwendungen und Diensten vorzunehmen. Obwohl einige
    Ausnahmen möglich sind, unterbindet die Verordnung im Wesentlichen Netzbetreiber-Geschäftsmodelle, die auf den Verkauf von priorisierten Internet-Zugangs-
    diensten abzielen. Eine Priorisierung gegen Bezahlung wurde bis vor Kurzem auch in den USA im engen Netzneutralitätssinn ausgeschlossen (Gesetzesbeschluss
    vom 26. Februar 2015, „Open Internet Order“). Ende 2017 wurde seitens der US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) jedoch eine
    völlige Kehrtwende zu der zuvor geltenden Netzneutralitätspolitik beschlossen. Faktisch entschied die Behörde, dass in den USA nicht mehr alle Daten in den
    Kommunikationsnetzen gleich behandelt werden müssen. Die FCC argumentierte in ihrer Begründung, dass die strengen Regelungen zur Netzneutralität die
    Netzbetreiber daran gehindert hätten, in den Ausbau der Kommunikationsnetze zu investieren.
20 Die 1995 in Kraft getretene EU-Richtlinie 95/46/EG zum Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten nahm
    international eine Vorreiterrolle ein. Um der fortschreitenden technologischen Entwicklung gerecht zu werden, wurde sie von der im Mai 2016 in Kraft getretenen
    Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ersetzt, die seit 25. Mai 2018 gültig ist. Sie umfasst einen europaweit gültigen Regelkatalog, der die Gewährleistung
    eines umfassenden personenbezogenen Datenschutzes genauso sicherstellen soll wie die Erleichterung der Geschäftstätigkeit von in der EU operierenden
    Firmen. In den USA teilen sich verschiedene Regierungsbehörden die Durchsetzung von Verbraucher- und Datenschutzbelangen — explizit zu nennen sind dabei
    die Federal Trade Commission (FTC) sowie die Federal Communications Commission (FCC), wobei erstere die Hauptverantwortung bei der Durchsetzung trägt.
    Doch während die EU ihre Datenschutzbestimmungen weiter verschärft, ist in den USA — ähnlich zur Netzneutralitätsdebatte — eine gegenläufige Entwicklung zu
    beobachten. Das zum Ende der Wahlperiode der vergangenen Regierung verabschiedete Gesetz (FCC 16–148), das Netzanbietern Speicherung und Verkaufen
    der Internetaktivitäten ihrer Nutzer ohne deren ausdrückliches Einverständnis untersagt, wurde im April 2017 wieder abgeschafft.

                                                                                                 Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos |         13
im Mobilfunkbereich. Dem gegenüber                  aufgrund geringer Grenzkosten und            hinaus dank ihrer Größe über mehr
stehen in den vergleichsweise riesigen              hoher Netzwerkeffekte sehr gut skalieren     Verhandlungsmacht gegenüber der vor-
Märkten USA und China oligopolistische              und in der Folge ihre Größenvorteile bes-    gelagerten Telekommunikationsausrüs-
Marktstrukturen mit einer nur geringen              ser nutzen können. Das Ergebnis ist ein      tungsindustrie. Es ist ein entscheidender
Anzahl an Marktakteuren. Dies gilt so-              Wettbewerbsnachteil für die europäi-         Wettbewerbsvorteil, den global tätigen
wohl für die großen Telekommunikations-             schen Anbieter. Neben ihren finanziellen     Ausrüstern (Abschnitt 2.4) mit einer
als auch für die vorherrschenden ameri-             und technologischen Vorteilen verfügten      gleichgewichtigen (Verhandlungs-)Markt-
kanischen OTT-Anbieter, die ihre Dienste            die außereuropäischen Anbieter darüber       macht gegenübertreten zu können.

                        Größe als Vorteil           Gegner einer industriepolitischen            vorteile von den jeweiligen Bereichen
                          oder Nachteil?            Förderung nationaler Champions halten        der Wertschöpfungskette abhängen.
                                                    dieser Argumentation entgegen, sie           Im Bereich der Connectivity, dem Kern-
                                                    verkenne, dass Telekommunikations-           geschäft der Telcos, sind Skaleneffekte
                                                    märkte bislang eher national oder gar        wesentlich. Für die Datenverarbei-
                                                    lokal begrenzt sind — und das auf ab-        tungsprozesse im Bereich IoT sind sie
                                                    sehbare Zeit auch bleiben werden. Die        ebenfalls wahrscheinlich. Dagegen
                                                    hohe Anzahl an Anbietern führe zudem         sind Skaleneffekte bei der spezifischen
                                                    zu entsprechend hoher Wettbewerbs-           Integration von Geschäftsprozessen
                                                    intensität und Innovationsdynamik.           der Unternehmen in die IT-Welt eher
                                                    Auch im Hinblick auf kumulierte Inves-       schwierig zu generieren. Hier handelt
                                                    titionstätigkeiten sei fraglich, inwiefern   es sich derzeit in der Regel um unter-
                                                    diese in einem engen Oligopol höher          nehmensspezifische Lösungen und
                                                    oder niedriger wären als in einem Markt      nicht um standardisierte Produkte.
                                                    mit vielen (kleineren) Akteuren.21           Ähnliches gilt für die Vertriebsprozesse
                                                                                                 im Geschäftskunden- sowie im IoT-Be-
                                                    In ökonomischer Hinsicht sind damit          reich, wo Kunden und Lösungen sich
                                                    Tradeoffs zwischen statischer und            deutlich voneinander unterscheiden.
                                                    dynamischer Effizienz angesprochen           Laut Expertenmeinungen benötigen
                                                    und es ist eine rein empirische Frage,       Telcos gerade in Bezug auf solche stark
                                                    welche Effekte dominieren. Aus den           individualisierten IoT-Lösungen geeig-
                                                    Interviews mit Experten unterschiedli-       nete Partner aus dem Ökosystem, da
                                                    cher Telcos geht hervor, dass Größen-        sie diese allein nicht anbieten können.
21 Monopolkommission (2013), S. 71–72.

14      | Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos
// 2.4
//	
   Marktakteure und mögliche Handlungsfelder

A
       bbildung 4 skizziert die zentra-       Unumgängliche       In der Folge verspüren die Telcos einen
       len Wertschöpfungsstufen im                Expansion       zunehmenden Expansionsdruck entlang
       Internet-Ökosystem und nennt die                           der Wertschöpfungskette. Ein weiterer
wesentlichen Marktakteure (Topanbieter)                           Grund ist die bereits vollzogene erfolg-
in den jeweiligen Produktionsbereichen                            reiche Geschäftserweiterung bei vielen
und Diensten. Betreiber von Telekom-                              großen OTT-Anbietern.24 Bei den nun
munikationsnetzen müssen auf die Vor-                             notwendigen Expansionsschritten spielen
leistungsprodukte von Telekommunika-                              aufgrund komparativer Kostenvorteile
tionsausrüstern wie Huawei oder Cisco                             auch Kooperationen mit spezialisierten
zurückgreifen, um Kommunikations-                                 Marktakteuren auf unterschiedlichen
dienste für Geschäfts- und Privatkunden                           Wertschöpfungsstufen eine wesentliche
anbieten zu können. In Abhängigkeit un-                           Rolle. Im Privatkundenbereich sind hier
terschiedlicher Qualitätsklassen (Quality                         stellvertretend die internationale Part-
of Service, QoS) bzw. der jeweils zu-                             nerschaft von der Deutschen Telekom
grunde liegenden Konnektivität bieten                             und Netflix oder der Erwerb nationaler
Telcos und insbesondere spezialisierte                            und internationaler Fußballübertragungs-
Inhaltsdiensteanbieter (OTTs) ihren End-                          rechte durch Swisscom (Teleclub Live
kunden unterschiedliche Dienste sowie                             Sport) genannt.
gegebenenfalls diverse Benutzerschnitt-
stellen an. Besonders Geschäftskunden-                            Im Geschäftskundenbereich ergibt sich
angebote enthalten regelmäßig weitere                             gerade im Bereich IoT/M2M ein vielfälti-
Basistechnologien oder -dienste. Beispie-                         ges Potenzial an Kooperationsformen.
le dafür sind Qualitätsmanagement auf                             Dies wird näher in Abschnitt 3 dieser
Basis von Content Delivery Networks,                              Studie beschrieben und wurde auch im
M2M-Plattformen, Online-Werbung,                                  Rahmen der durchgeführten Experten-
Zahlungsplattformen oder Webhosting.                              interviews bestätigt. So wies ein Befrag-

Zunehmend sehen sich Telcos mit der
Frage der Expansion in andere Wert-
schöpfungsstufen konfrontiert, die nur
noch bedingt ihrem Kerngeschäft —
Zurverfügungstellung von Konnektivität
— entsprechen. Im Jahr 2015 wurden
innerhalb des gesamten Internet-Ökosys-
tems schätzungsweise nur noch rund
17 Prozent des Marktumsatzvolumens
ausschließlich mit Konnektivität erzielt.22
Während es in den vergangenen Jahren
bei Internetdiensten und der Ausrüs-
tungsindustrie massive anteilsmäßige
Zugewinne gab, verzeichneten Telcos
eine gegenläufige Entwicklung.23

22 GSMA (2016), S. 13.
23 Carpenter (2017), S. 128–130.
24 World Economic Forum (2017), S. 11.

                                                     Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos |   15
ter darauf hin, dass kein Marktteilneh-              Dieser Frage wird im nachfolgenden                     Das Hinterlassen eines eigenen Fuß-
mer in der Lage sei, vom Sensor bis hin              Abschnitt 3 mit speziellem Fokus auf die               abdrucks im Rahmen von Produkteinfüh-
zur Applikation sämtliche Lösungen                   Länder der GSA-Region nachgegangen.                    rung sowie die schnelle Adaption neuer
kosteneffizient anzubieten.                                                                                 Technologien über das gesamte Portfolio
                                                     Insgesamt betrachtet, ergibt sich für                  wären erste wichtige Schritte, die heute
Gerade der Anwendungsbereich IoT/                    die Telcos ein recht komplexes Anforde-                einfach zu langsam und zu zaghaft ge-
M2M mit seinen hohen technologischen                 rungsprofil für die positive und wettbe-               gangen werden. Entweder reichen dazu
Anforderungen — unter anderem kurze                  werbsfähige Gestaltung der Zukunft.                    die eigenen Fähigkeiten nicht aus oder
Verzögerung im Bereich von 1ms — ist                 Es sind dringende Fragen rund um Schul-                notwendige anorganische Ergänzungen
wesentlich auf 5G als infrastrukturelle              denlevel, ROCI, Infrastrukturinvestitionen             werden nicht nachhaltig umgesetzt. Als
Voraussetzung (Key-Enabler) ange-                    vor dem Hintergrund eines sich immer                   Mehrwertdienste stehen derzeit Cloud,
wiesen.25 Eine weitere Bedingung sind                stärker maturierenden Connectivity-                    Security und IoT für die meisten Telcos
kleine, einfache und kostengünstige                  Business mit geringen Margen zu lösen.                 an erster Stelle. Wir betrachten nun im
Endgeräte, die einfach in industrielle                                                                      Weiteren insbesondere die Möglichkeiten
Anwendungsprozesse zu integrieren                    Zudem stellt sich natürlich für alle                   im Bereich IoT.
sind.26 Nur unter diesen Voraussetzun-               Telcos die Frage, an welchen Wert-
gen lassen sich im Bereich IoT/M2M                   schöpfungsketten sie basierend auf
immer mehr Geräte mit Sensoren aus-                  ihren bestehenden Assets und Kompe-
statten und in der Folge entsprechende               tenzen zukünftig teilhaben können. Hier
Datenkommunikationen zwischen den                    zeigen sich doch sehr deutliche Schwie-
verbundenen Komponenten realisieren.                 rigkeiten in dem notwendigen Antrieb
Einzelne Branchenstudien sehen hierin                und der Agilität für die Transformation
ein enormes Wachstumspotenzial. Bei-                 — sowohl was die Organisation an sich
spielsweise geht EY von einem Gesamt-                als auch was die Reallokation und
anstieg der globalen IoT/M2M-Umsätze                 Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten
von 656 Milliarden US-Dollar im Jahr                 angeht: Die Telcos stehen auf der
2014 auf 1.677 Milliarden US-Dollar                  Dienst-/Service-Ebene sowohl mit glo-
im Jahr 2020 aus.27 Im Hinblick auf die              bal agierenden Unternehmen mit nahe-
mengenmäßige globale Entwicklung                     zu unbegrenzten Finanzmitteln (OTTs)
wird ein Anstieg von rund 15 Milliarden              als auch Kombattanten aus der eigenen
vernetzten Endgeräten im Jahr 2014                   Branche im Wettbewerb. Telcos müssen
auf rund 35 Milliarden im Jahr 2024                  nun kurzfristig Lösungen finden: Es
erwartet.28 Im Jahr 2030 sollen es dann              reicht nicht mehr, beispielsweise die
schon 50 Milliarden sein.29 Abgesehen                schwierige Regulationslage in Europa
von den Marktunsicherheiten stellt sich              vorzuschieben, sondern die Telcos
für Telcos im Festnetz- und Mobilfunk-               müssen pragmatische und schnelle
bereich gleichermaßen die Frage, wie                 Wege finden, die verbleibenden Be-
sich über die bloße Zurverfügungstel-                wirtschaftungsfreiräume nachhaltig
lung von Konnektivität hinaus künftig                zu sichern und den eigenen Anteil an
Anteile am IoT/M2M-Gesamtmarkt                       der sich teilweise neu entwickelnden
gewinnen lassen — und in welcher Form.               Wertschöpfung anzuheben.

25 EY (2017), S. 5–9.
26 Komplementär dazu bildet ein flächendeckendes Glasfasernetz im Festnetz eine essenzielle Vorausset-
    zung zur Anbindung (Backhaul) von Tausenden von Basisstationen eines Mobilfunknetzes an das Kernnetz
    (Reichl et al. (2017), S. 11, 15). Neben der industriellen Nachfrage benötigen auch private Endkunden
    neue, 5G-kompatible Mobilfunkendgeräte.
27 EY (2017, S. 4).
28 EY (2017), S. 24, sowie Experteninterviews.
29 World Economic Forum (2017), S. 19.

16      | Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos
Abbildung 4
Zentrale Wertschöpfungsstufen des globalen Internet-Ökosystems, umsatzstärkste Unternehmen,
Produkt- und Wachstumsfelder für Telcos

                                                       Telekommunikationsausrüster

 Topanbieter                                                     Produkte
 Huawei, Cisco, Fujitsu, Ericsson, NEC, ZTE                      Netzwerkinfrastrukturen (z. B. Antennen für mobiles Breitband;
                                                                 optische Übertragungssysteme), Router, Switches, (W)LAN

                                           Telcos: Festnetz- und Mobilfunknetzbetreiber

 Topanbieter                                                     Produkte
 AT&T, Verizon, China Mobile, NTT, Deutsche                      Netzkonnektivität QoS
 Telekom, Vodafone
                                                                 Dienste
                                                                 Sprache, VoIP, SMS, MMS, IPTV CATV

 Topanbieter GSA-Region (inkl. Reseller und MVNOs)
 Deutsche Telekom, Telekom Austria, Swisscom; 1&1, Sunrise; Salt; Telefónica; Vodafone; T-Mobile; Drei; HoT

                                                             Internetdienste/OTTs

 Topanbieter                                                     Produkte
 Amazon, Microsoft, Apple, Facebook, Tencent,                    Content & Video, E-Travel, E-Commerce, Gaming, Gambling, soziale
 Uber, Youtube, Bwin, Twitter, Cisco, Skype,                     Medien und Kommunikationsplattformen, Communications, Such-
 Google, Baidoo, Wikipedia, Google AdWords,                      maschinen, Cloud-Services (z. B. Amazon Web Services, Microsoft Azure)
 Nielsen, Bosch
                                                                 Dienste mit hohem Wachstumspotenzial für Telcos
                                                                 Content & Video, ICT & Cloud Services, Werbung & Big Data
                                                                 Internet of Things/M2M
                                                                 (SIM Management & M2M-Plattformen)

                                            Benutzeroberflächen und Basistechnologien

 Topanbieter                                                     Produkte
 Amazon, Microsoft, Apple, Facebook, Tencent,                    Hardware (Smartphones, PCs, Digital Media Receivers, Tablets,
 Uber, Youtube, Bwin, Twitter, Cisco, Skype,                     Consoles, Wearables, Notebooks), Software (Betriebssysteme, Sicher-
 Google, Baidoo, Wikipedia, Google AdWords,                      heitssoftware), Content Delivery Networks, M2M-Plattformen
 Nielsen, Bosch

Quelle: Fransman, 2014; Carpenter, 2017; GSMA, 2016; EY, 2017.

                                                                                          Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos |   17
Interview
                                                                Johannes Kaumanns
                                                                Vice President IoT Strategie- und Geschäftsentwicklung,
                                                                Deutsche Telekom AG

EY                                                                      patibilität und Interoperabilität mit der jeweiligen IoT-Plattform
Was sind die IoT-Kernbereiche und Fixpunkte eines                       untersucht und entsprechend zertifiziert. So können bei der
vertikal integrierten Telcos?                                           Neueinführung von Netzelementen bereits Kompatibilitäten zu
                                                                        anderen Technologien sowie zur Hardware etabliert und damit
Johannes Kaumanns                                                       ein schnellerer Marktabsatz realisiert werden. Zudem führen
„IoT Connectivity“ ist das Brot-und-Butter-Geschäft der                 Kooperationen zu einem frühzeitigen Feedback in der Entwick-
Telekom. Es ist ein horizontales und nicht kundenspezifisches           lungs- und Konzeptionsphase.
Produkt, welches voll skalierbar ist. Das konkrete Ziel ist es,
Connectivity beispielsweise in Form einer SIM-Karte zur Verfü-          EY
gung zu stellen, die weltweit funktioniert und vom Kunden selbst        Was sind die Grundvoraussetzungen („Key-Enabler“) für den
administrierbar ist. Die Erweiterung um neue Zugangstechno-             Vertrieb von IoT neben 5G sowie Sicherheitsaspekten?
logien im Schmalband-Bereich, beispielsweise „Narrowband
IoT“ und „LTE-M for IoT“, sowie im Breitband-Bereich, wie bei           Johannes Kaumanns
„HotSpot Drive“ (Hotspot im Auto), werden ebenfalls verfolgt.           Der Kundenkontakt sowie die direkte Zusammenarbeit mit
„Connected Things Management“ (CTM), in dem es um Device                Kunden und anderen Unternehmen. Dabei besteht die Heraus-
Management und Condition Monitoring in einer Plattform geht,            forderung darin, ein breites Verständnis der kundenspezifischen
ist ein weiterer Fixpunkt.                                              Prozesse zu erlangen und damit Optimierungs- und Innova-
                                                                        tionspotenziale durch passgenaue End-to-End-IoT-Lösungen
EY                                                                      herauszuarbeiten. Der Kunde und seine Prozesse stehen immer
In welcher Form spielen Kooperationen hinsichtlich                      im Mittelpunkt. IoT-Produkte haben spezifische Eigenschaften,
IoT eine Rolle?                                                         wie etwa eine hohe Gebäudedurchdringung und Reichweite bei
                                                                        niedrigem Energieverbrauch. Diese Vorteile erlebbar zu machen
Johannes Kaumanns                                                       ist Grundvoraussetzung für den IoT-Vertrieb.
Kooperationen sind sehr wichtig. Bei spezifischer Software
„partnern“ wir mit internationalen Firmen oder kaufen diese             EY
von spezialisierten Unternehmen zu. Hinsichtlich Hardware               Was sind die zentralen Hindernisse („Key-Obstacles“) bei der
werden Produkte anderer Unternehmen auf Sicherheit, Kom-                Realisierung von Wachstumspotenzialen?

18     | Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos
Johannes Kaumanns
Es klingt paradox, aber die positive Konjunktur hemmt den
Blick auf digitale Zukunftsinnovationen. Viele Mittelständler
sind damit beschäftigt, volle Auftragsbücher abzuarbeiten. Da
fehlt die Zeit, sich über neue digitale Geschäftsmodelle und
IoT-Lösungen Gedanken zu machen. Viele hegen zudem Be-
fürchtungen hinsichtlich der Sicherheit, wenn Geschäftsprozes-
se des Unternehmens überwacht werden sollen und Externe
Einblick in diese Prozesse erhalten. Daher ist es essenziell,
Vertrauen aufzubauen. Beispiele einer gelungenen Integration
von IoT-Produkten wirken sich positiv auf deren Vermarktung
aus. Wir als Deutsche Telekom sind gerade für Industrieunter-
nehmen ein neutraler Spieler — kein Wettbewerber. Wir stehen
für Beständigkeit und zuverlässige, sichere Konnektivität.

EY
In welcher Form spielen Skaleneffekte im Bereich IoT eine Rolle?

Johannes Kaumanns
Hier muss differenziert werden. In der Telekommunikation sind,
wie bei allen Netzindustrien, Netzwerk- und Skaleneffekte ganz
wesentlich. Heute und in Zukunft dreht sich alles um die durch
IoT-Sensoren gewonnenen Daten. Je mehr Wissen (Daten) man
über Produkte und Prozesse erlangt, desto schneller kann man
reagieren, sei es durch Optimierung und Verbesserung oder
durch Weiterentwicklung. Im Handel und in der Logistik spielen
Skaleneffekte und IoT-Daten eine große Rolle.

                                                                   Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos |   19
// 3
IoT/M2M als (zukünftiges)
Handlungsfeld für Telcos

20   | Mehr als Konnektivität — digitale Chancen für Telcos
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