Mehr Tierwohl in der Schweinehaltung - Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration - Bundesministerium ...

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Mehr Tierwohl in der Schweinehaltung - Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration - Bundesministerium ...
Mehr Tierwohl in der
Schweinehaltung
Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration
„Tiere sind unsere Mitgeschöpfe,
     und ihr Wohlergehen muss
    uns allen am Herzen liegen.“
VORWORT

Liebe Leserinnen und Leser,

ab dem 1. Januar 2021 gilt in der Schweinehaltung in       Wir als Bundeslandwirtschaftsministerium begleiten
Deutschland ein neuer Standard. Dann dürfen Ferkel         die Umstellung intensiv. Denn unser Ziel ist, dass
nur noch unter wirksamer Schmerzausschaltung kas­          Deutschland beim Tierwohl Vorreiter bleibt. Dazu ist es
triert werden. Schon jetzt kommen Produkte auf den         wichtig, dass es uns gelingt, die Nutztierhaltung weiter­
Markt, die diesem Standard entsprechen. Sie können         zuentwickeln und ihr hierzulande eine gute Zukunfts­
im Supermarkt und beim Metzger danach fragen.              perspektive zu bieten. Die Umstellung stellt vor allem
Je mehr Verbraucher sich dafür interessieren, desto        kleine und mittelgroße landwirtschaftliche Betriebe
schneller werden die Betriebe umstellen.                   vor Herausforderungen. Die Alternativen bringen einen
                                                           höheren Aufwand und zusätzliche Investitionen mit sich.
Mit dieser Broschüre geben wir Ihnen einen fundierten      Was nicht passieren darf, ist, dass die Ferkelerzeugung
Überblick über die Alternativen zur betäubungslosen        nun in Länder abwandert, in denen geringere tierschutz­
Ferkelkastration an die Hand – damit in Zukunft jeder      rechtliche Auflagen gelten. Aus diesem Grund unter­
beim Fleischeinkauf bestens informiert ist. Denn Tier­     stützt das Bundesministerium für Ernährung und Land­
schutz geht uns alle an: die Politik, die Wirtschaft und   wirtschaft unsere Tierhalter bei der Umsetzung. Wir
Sie als Verbraucherinnen und Verbraucher.                  fördern beispielsweise die Anschaffung von Narkose­
                                                           geräten, sprechen mit dem Schlacht- und Verarbeitungs­
Worum geht es ? Männliche Ferkel werden kastriert,         sektor und dem Einzelhandel über die Vermarktung und
weil das Fleisch sonst unter Umständen einen un­           wir fördern Forschungsprojekte zur Weiterentwicklung
angenehmen Geruch entwickeln kann. Mittlerweile            der Schweinehaltung.
gibt es drei erprobte Verfahren, die eine Kastration
ohne Betäubung ersetzen werden: die Mast von Jung­         Tiere sind unsere Mitgeschöpfe, und ihr Wohlergehen
ebern, die Impfung gegen Ebergeruch und die Kastra­        muss uns allen am Herzen liegen.
tion unter Vollnarkose.
                                                           Herzlichst
Alle Optionen stehen den Tierhaltern jetzt zur Ver­
fügung. In dieser Broschüre erklären wir Ihnen die         Ihre
drei Verfahren. Wir zeigen ihre Vorteile und auch
die jeweiligen Nachteile auf und stellen dar, wie sie
in der Praxis funktionieren. Denn je nach Betrieb
und Struktur ist für die Landwirte die eine oder andere    Julia Klöckner
Methode sinnvoller.                                        Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft

                                                                                                                   3
HINTERGRUND

Warum männliche Ferkel kastriert                                 Tierschutz – Deutschland als
werden                                                           Vorreiter in der EU
Das Schwein ist eines der ältesten Nutztiere des                 Das deutsche Tierschutzgesetz ist hinsichtlich der
Menschen und in Deutschland der größte Fleisch­-                 Ferkelkastration eines der ambitioniertesten Geset-
liefe­rant.                                                      ze innerhalb der EU. Zum einen sieht das deutsche
                                                                 Recht im Vergleich zu vielen anderen Mitgliedstaaten
Das Fleisch männlicher Schweine, die nicht kastriert             ein Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration vor.
wurden, kann jedoch beim Erhitzen einen unan­geneh­              Zum anderen müssen in Deutschland mit der Betäu-
men Geruch entwickeln und gilt dann als schwer                   bung Schmerzen wirksam ausgeschaltet werden. In
bis gar nicht verkäuflich. Daher werden in Deutschland           anderen Mitgliedstaaten gilt hingegen eine Schmerz-
die meisten männlichen Ferkel chirurgisch kastriert –            linderung als ausreichend. Weiterhin müssen den
bei unter acht Tage alten Ferkeln geschieht das bisher           Ferkeln in Deutschland im Gegensatz zu anderen
meist ohne Betäubung. Dabei handelt es sich um eine              Mitgliedsstaaten Schmerzmittel verabreicht werden,
oft sehr schmerzhafte Prozedur für die Tiere. Früher             die den Wundschmerz lindern.
wurde angenommen, dass Ferkel noch kein so ausge­
prägtes Schmerzempfinden haben. Das ist heute wider­
legt. Schon in den ersten Lebenstagen verfügen Ferkel
über voll entwickelte Schmerzrezeptoren.

                                                           Wie es jetzt weitergeht: So setzt sich
Die Reform des Tierschutz­gesetzes                         das BMEL für mehr Tierwohl ein
Der Bundestag hat eine Änderung des Tierschutzgeset­       Die Zeit bis zum Ende der Übergangsfrist (Ende 2020)
zes beschlossen, um unter anderem die betäubungslose       müssen nun alle Beteiligten nutzen, um auf alternative
Ferkelkastration gesetzlich zu verbieten. Diese Regelung   Methoden umzustellen. Das Bundesministerium für
tritt zum 1. Januar 2021 in Kraft.                         Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) setzt alles daran,
                                                           die Alternativen zur betäubungslosen Ferkel­kastration
Die Zeit bis zum Inkrafttreten des Verbotes wird aktiv     weiterzuentwickeln, insbesondere mit Blick auf ihre
genutzt, um die verfügbaren Alternativen zu verbessern     Praxis­tauglichkeit.
und praxisgerechter zu machen. Denn auch künftig soll
die Fleischproduktion in Deutschland möglich sein und      Für Betriebe, die Schweine halten, gibt es drei erprobte
nicht ins Ausland abwandern – wo zum Teil geringere        Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration:
tierschutzrechtliche Anforderungen, auch beim Thema        die Impfung gegen Ebergeruch, die Jungebermast und
Ferkelkastration, gelten.                                  die Kastration unter Vollnarkose.

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HINTERGRUND

Die Alternativen im Überblick
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirt­          und Verarbeitungsbranche sowie den Einzelhandel
schaft sieht alle Alternativen grundsätzlich als gleich­   im Rahmen eines runden Tisches dazu ermutigt, alle
wertig an. Es möchte Verbraucherinnen und Verbrau­         drei Alter­­­­na­tiven zu akzeptieren und entsprechend
chern ermöglichen, sich sachlich zu informieren:           gemästete Tiere auf­zunehmen und zu vermarkten. Der
über die tierschutzrelevanten Fragen zur Schweine­         Schlacht- und Verarbeitungssektor sowie der Einzel­
haltung und insbesondere über die Alternativen zur be­     handel haben dies zugesagt.
täubungslosen Ferkelkastration. Außerdem fördert das
BMEL die Anwendung von Alternativen zur betäubungs­        Die Umsetzung der Anwendung der Alternativmethoden
losen Ferkelkastration durch vielfältige Maßnahmen.        liegt nun in der Hand der gesamten Wertschöpfungs­
                                                           kette – also bei den landwirtschaftlichen Betrieben, der
Bereits mehrfach, zuletzt im Dezember 2019, hat Bundes­-   Schlacht- und Verarbeitungsbranche sowie dem Lebens­
landwirtschafts­ministerin Julia Klöckner die Schlacht-    mitteleinzelhandel.

    1           Impfung gegen Ebergeruch

    2           Operation unter Vollnarkose

    3           Jungebermast

                                                                                                                    5
1
Impfung gegen Ebergeruch

So funktioniert es                                       Faktencheck

Die Impfung gegen den Ebergeruch (Immunokastration)             Tierwohl: Empfinden die Tiere
unterdrückt bei den Tieren die Produktion der Ge­               Schmerzen ?
schlechtshormone, die für den typischen Ebergeruch
verantwortlich sind. Dadurch wird die Entfernung der     Die Immunokastration ist besonders tierschonend. Denn
Hoden überflüssig.                                       die Impfung ist – bis auf den kurzen Einstichschmerz
                                                         bei der Injektion – schmerzfrei für die Tiere. Die Eber
Hauptbestandteil des Impfstoffs ist ein Eiweiß. Damit    bleiben außerdem körperlich unversehrt. Es entstehen,
genügend Antikörper gebildet werden, erhalten die        anders als bei der Kastration, keine Wunden.
Eber zwei Impfungen: die erste im Alter von circa zehn
bis zwölf Wochen, die zweite vier bis sechs Wochen vor   Dass diese Methode besonders tierschonend ist, bestä­
der Schlachtung.                                         tigt auch die Forschung. Geimpfte Tiere haben zum
                                                         Beispiel weniger Magengeschwüre. Das lässt auf weni­
Die EU hat den verwendeten Impfstoff 2009 zugelassen.    ger Stress schließen. Nach bisherigem Kenntnisstand
In anderen EU-Ländern wie beispielsweise Belgien         verändert die Immunokastration das Verhalten der
setzen ihn viele Erzeugerinnen und Erzeuger bereits      geimpften Tiere positiv: Sie sind weniger aggressiv, Ver­
seit Längerem erfolgreich ein.                           letzungen durch Penisbeißen kommen daher selten vor.

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Impfung gegen Ebergeruch

       Zuverlässigkeit: Ist die                                    Lebensmittelsicherheit:
       Methode wirksam ?                                           Kann das Fleisch unbedenklich
Die Methode ist sehr zuverlässig. Nur bei sehr wenigen             verzehrt werden ?
Ebern ist die Impfung nicht wirksam: Schätzungsweise        Ja. Der Konsum des Fleisches ist völlig unbedenklich.
bilden nur etwa 0,5 bis 2 Prozent der Eber zu wenig         Das bestätigen Wissenschaftlerinnen und Wissen­
Antikörper – dies muss jedoch in der Regel auf eine feh­-   schaftler sowie europäische und internationale Zulas­
lerhafte Verabreichung zurückgeführt werden.                sungsbehörden. In Studien äußern manche Verbrau­
                                                            cherinnen und Verbraucher ihre Sorge darüber, ob das
Dass die Impfung nicht wirkt, ist bei diesem Verfahren      Fleisch geimpfter Eber sicher sei. Tests haben jedoch
nach aktuellem Kenntnisstand nahezu ausgeschlossen.         ergeben, dass das Medikament vollständig abgebaut
Allerdings kann es passieren, dass Tiere versehentlich      wird. Konsumentinnen und Konsumenten können das
nur einmal geimpft werden. Solches Fleisch gelangt          Fleisch deshalb auch schon direkt nach der Impfung
jedoch nicht in den Handel.                                 essen. Da keine Hormone gespritzt werden, hinter­-
                                                            lässt die Impfung zudem keine Rückstände im Fleisch.
Wenn Tierhalterinnen bzw. Tierhalter bei einer der Imp­
fungen einzelne Eber übersehen, ist das etwa zwei Wo­
chen nach der zweiten Impfung gut zu erkennen. Denn                Akzeptanz: Wie gut ist die
erfolgreich geimpfte Tiere sind ruhiger und weniger                Methode bisher akzeptiert ?
aggressiv. Außerdem werden auch die Hoden erfolgreich
geimpfter Tiere kleiner, was deutlich sicht­bar ist. So     Das Verfahren ist bereits in mehr als 60 Ländern zuge­
können Fleisch produzierende Betriebe nicht ausreichend     lassen und wird jährlich millionenfach angewandt.
geimpfte Tiere gut erkennen und nachimpfen.                 Die Zahl der geimpften Tiere steigt aktuell auch in
                                                            Deutschland an. Die Resonanz der landwirtschaftlichen
                                                            Betriebe, die die Immunokastration durchführen, ist
       Geschmack: Wie schmeckt                              durchweg sehr positiv. Die Schlacht- und Verarbeitungs­
                                                            branche nimmt verstärkt immunokastrierte Tiere an.
       das Fleisch ?
                                                            Auch auf dem Markt erfährt diese Methode immer
Untersuchungen haben gezeigt, dass geimpfte Tiere           größere Akzeptanz: Erste Handelsketten haben in den
im Vergleich zu chirurgisch kastrierten Tieren mehr         vergangenen Jahren Erfahrungen mit der Impfung
mageres Fleisch produzieren. Das Fleisch ist aber           gesammelt, unterstützen die Methode und verkaufen
immer noch fettreicher als das unkastrierter Eber aus       bereits das Fleisch von immunokastrierten Tieren.
der Ebermast. Manche Menschen empfinden es
wegen des etwas höheren Fettgehalts deshalb auch
als schmackhafter.

                                                                                                                    7
Impfung gegen Ebergeruch

       Aufwand: Wie aufwendig ist                           Expertenmeinungen
       die Methode für die Erzeuger ?
                                                            Aus Sicht des Tierschutzes ist die Impfung gegen Eber­
Ein chirurgischer Eingriff ist bei der Immunokastration     geruch die beste Alternative zur betäubungslosen
nicht nötig. Die Landwirtinnen und Landwirte dürfen         Kastration. Denn die Tiere erleiden so am wenigsten
die Impfung selbst durchführen, ohne dass eine Tier­        Schmerzen und sind nur geringen Belastungen ausge­
ärztin oder ein Tierarzt anwesend sein muss. Allerdings     setzt, hauptsächlich durch das Selektieren der Tiere, ihre
führt erst die zweite Impfung zu einer Ver­änderung des     kurzzeitige Fixierung und den Einstich der Impfpistole
Verhaltens. Bis dahin verhalten sich die Tiere wie un­      sowie gegebenenfalls durch Reaktionen an der Injektions­
kastrierte Eber und sind daher aggressiver. Das macht       stelle. Mögliche Gründe für eine Ablehnung des Fleisches
den Umgang mit den Tieren etwas aufwen­diger (siehe         von geimpften Tieren sind wissenschaftlich nicht haltbar.
Kapitel 3 „Jungebermast“).                                  Der Impfstoff ist auch im Hinblick auf die Lebensmittel­
                                                            sicherheit unbedenklich. Zwar wird mit der Impfung in
                                                            den Hormonhaushalt der Tiere eingegriffen, dies passiert
       Preis: Wird das Fleisch teurer ?                     jedoch bei jeglicher Form der Kastration.

Nein. Bei den meisten in einer Studie untersuchten          Prof. Dr. Lars Schrader, Leiter des Instituts
Betrieben konnte die Immunokastration den Schlacht­-        für Tierschutz und Tierhaltung am
er­lös sogar noch erhöhen. Zwar entstehen durch die         Friedrich-Loeffler-Institut (FLI)
Impfung Kosten, diese können die Erzeugerinnen und
Erzeuger aber teil­weise wieder wettmachen: Denn ge­
impfte Tiere ver­werten ihr Futter besser als chirurgisch
kastrierte Tiere und geben mehr Fleisch. Die Erzeu­         Wir verzichten seit Januar 2019 auf die chirurgische Kas­
ger können damit die Impfkosten und den zeitlichen          tration unserer Ferkel. Die Impfung können wir Tierhalter
Aufwand für die Impfung teilweise kompensieren.             eigenständig organisieren und durchführen. Die anderen
Die Immunokastration ist deshalb laut Thünen-Institut       Methoden sind zeitaufwendiger und teurer. Wir Tierhalter
insgesamt günstiger als die anderen Alternativen zur        werden außerdem versuchen, einen Teil der gestiegenen
betäu­bungslosen Ferkelkastration.                          Kosten in unseren Betrieben aufzufangen. Die „unblutige
                                                            Kastration“ beendet eine der großen Baustellen der
                                                            Sauenhaltung. Sehr viele Verbände, Organisationen und
                                                            Fachleute empfehlen sie. Und die Verbraucherinnen und
                                                            Verbraucher können sichergehen, dass auch in puncto
                                                            Tierschutz Verantwortung übernommen wird.

                                                            Dietrich Pritschau, Vizepräsident des Bauernverbands
                                                            Schleswig-Holstein e. V. und Schweinehalter aus
                                                            Schleswig-Holstein
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Impfung gegen Ebergeruch

Vorteile                                              Nachteile
> Kein chirurgischer Eingriff nötig, keine            > Auf dem Markt bisher noch wenig akzeptiert
  Kastrations­wunde
> Besonders tierschonend, da schmerzarm
  für die Tiere
> Tiere zeigen weniger aggressives Verhalten und
  damit auch weniger Stress­symptome
> Betriebe sparen Zeit, da die Kastration entfällt
> Geimpfte Eber verwerten ihr Futter besser als
  kastrierte Eber, das heißt, sie benötigen weniger
  Futter für die gleiche Menge an Fleisch

                                                                                                       9
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Operation unter Vollnarkose

So funktioniert es                                         Faktencheck

Männliche Ferkel können unter Narkose, also unter                 Tierwohl: Empfinden die Tiere
vollständiger Betäubung, kastriert werden. Aktuell                Schmerzen ?
wenden die Betriebe in der Praxis zwei Betäubungs­
verfahren an:                                              Beide Methoden sind Eingriffe in die Unversehrtheit der
                                                           Tiere. Um die Ferkel zu kastrieren, wird die Haut über
> die Injektionsnarkose oder                               den Hoden eingeschnitten, der Hoden herausgedrückt
> die Inhalationsnarkose.                                  und der Samenleiter durchtrennt. Die Prozedur erzeugt
                                                           eine Wunde, die heilen muss.
Die Injektionsnarkose darf nur von einer Tierärztin
bzw. einem Tierarzt, die Inhalationsnarkose mit dem        Injektionsnarkose
Narkosegas Isofluran darf seit Inkrafttreten der Ferkel­   Aktuell sind in Deutschland die Wirkstoffe Ketamin und
betäubungssachkundeverordnung im Januar 2020               Azaperon zugelassen. Die Tiere erhalten sie per Injektion.
auch durch sachkundige Personen durchgeführt               Die Injektionsnarkose stellt sicher, dass die Tiere bei der
wer­den. Die Tiere müssen begleitend mit Schmerz­          Kastration keine Schmerzen empfinden. Bei dieser Form
mitteln ver­­­sorgt werden, damit sie nach der Operation   der Narkose kann es in Einzelfällen bis zu vier Stunden
keine Schmer­zen haben.                                    dauern, bis die Ferkel wieder aufwachen. Sie waren dann

10
Operation unter Vollnarkose

längere Zeit von der Sau getrennt und nehmen während              Lebensmittelsicherheit:
dieser Zeit keine Milch auf. Außerdem können sie                  Kann das Fleisch unbedenklich
auskühlen. Sie müssen daher gewärmt und vor ande­
ren, nicht narko­tisierten Tieren geschützt werden,
                                                                  verzehrt werden ?
um Risiken für die Tiere zu vermeiden.                     Für die Lebensmittelsicherheit gibt es keine Unter­
                                                           schiede zu Fleisch, das von Ebern stammt, die ohne
Inhalationsnarkose                                         Narkose kastriert wurden.
Eine weitere Methode ist die Narkose mit Isofluran. Seit
November 2018 ist das Narkosegas auch für die Ferkel­
kastration zugelassen. Die Tiere erhalten Isofluran über          Akzeptanz: Wie gut ist die
ein spezielles Gerät per Atemmaske. Die Vorteile: Das             Methode bisher akzeptiert ?
Narkosegas wirkt innerhalb von 70 bis 90 Sekunden.
Wenige Minuten nach dem Eingriff ist das Ferkel wieder     In der Aufzucht, Mast, Schlachtung und Verarbeitung
wach. Im Vergleich zur Narkose per Injektion sind die      ändert sich für den produzierenden Betrieb nichts:
Ferkel nicht so lange von der Mutter getrennt.             Die Landwirtin bzw. der Landwirt kann nach der chirur­
                                                           gischen Kastration das bestehende Betriebsmanagement
                                                           unverändert beibehalten.
       Zuverlässigkeit:
       Ist die Methode wirksam ?
                                                                  Aufwand: Wie aufwendig ist
Die chirurgische Kastration ist eine sichere Methode, um
den Ebergeruch im Fleisch zu verhindern. Beide Narko­
                                                                  die Methode für die Erzeuger ?
semethoden ermöglichen eine schmerzfreie chirurgi­         Grundsätzlich hat die chirurgische Kastration für den
sche Kastration. Die Tiere werden rasch bewusstlos und     Betrieb den Vorteil, dass im Anschluss keine weiteren
empfinden keine Schmerzen. Ein Schmerzmittel, das den      Umstellungen bei Aufzucht, Mast, Schlachtung, Ver­
Tieren etwa 20 Minuten vor dem Eingriff gespritzt wird,    arbeitung und Vermarktung notwendig sind.
lindert den Wundschmerz nach der Operation.
                                                           Die chirurgische Kastration per Injektionsnarkose
                                                           verursacht relativ hohe Kosten – von 1,50 bis 6 Euro
       Geschmack: Wie schmeckt                             pro Ferkel.
       das Fleisch ?
                                                           Die Inhalationsnarkose dürfen sachkundige Perso­
Das so produzierte Fleisch unterscheidet sich im Ge­       nen, also auch Landwirtinnen und Landwirte nach
schmack nicht vom Fleisch von Ebern, die ohne Narkose      entsprechen­der Schulung, selbst durchführen. Dadurch
kastriert wurden.                                          ist diese Methode günstiger als die Injektionsnarkose.
                                                           Für die Inhalationsnarkose sind jedoch Investitionen

                                                                                                                   11
Operation unter Vollnarkose

in Form der Anschaffung des Narkosegerätes notwendig.   Expertenmeinungen
Das BMEL fördert die Anschaffung von Narkosegeräten,
die im Hinblick auf Arbeits-, Umwelt- und Tierschutz    In der Schweiz können wir bei der Ferkelkastration auf
zertifiziert wurden.                                    zehn Jahre Erfahrung mit Isofluran zurückblicken.
                                                        Isofluran wirkt nur in hohen Dosierungen, die Wirkung
                                                        lässt außerdem sehr schnell wieder nach. Damit die
       Preis: Wird das Fleisch teurer ?                 Betäubung tierschutzkonform ist, müssen die Ferkel vor
                                                        der Kastration rechtzeitig ein Schmerzmittel erhalten und
Durch beide Betäubungsverfahren für die chirurgische    die Geräte müssen regelmäßig gewartet werden.
Kastration entstehen Mehrkosten für die Betriebe.       Die Narkose mit Isofluran ist im Vergleich zur Ebermast,
Umgerechnet auf ein Kilogramm Fleisch wären die         der Immunokastration oder einer lokalen Betäubung zeit-
Mehrkosten allerdings marginal. Das BMEL hat Haus­      und kostenintensiv. Sie kann aber als sicher, zuverlässig
haltsmittel zur Verfügung gestellt, um Schweine         und praxistauglich bewertet werden. Anfangs waren Pro­
haltende Betriebe bei der Finanzierung von Narkose­     duzenten, Tierärzte und auch Konsumenten in der Schweiz
geräten zu unterstützen.                                skeptisch. Heute ist die Methode sehr gut anerkannt,
                                                        und nur ganz wenige Produzenten möchten zum alten
                                                        Zustand zurückkehren.

                                                        PD Dr. Xaver Sidler, Leiter Abteilung für Schweine­
                                                        medizin, Universität Zürich

                                                        Wenn die Kastration unter Vollnarkose professionell
                                                        durchgeführt wird, die Narkose ohne Zwischenfälle
                                                        abläuft und die Ferkel begleitend Schmerzmittel erhalten,
                                                        ist sie ein effektives und tierschonendes Verfahren. Für
                                                        mich ist die Kastration unter Narkose aber nur eine Über­
                                                        gangslösung, da durch den chirurgischen Eingriff
                                                        die Integrität der Tiere beeinträchtigt ist.

                                                        Dr. Jürgen Harlizius, Fachtierarzt für Schweine,
                                                        Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen,
                                                        Tiergesundheitsdienst

12
Operation unter Vollnarkose

Vorteile                                             Nachteile
Für beide Methoden gilt:                             Für beide Methoden gilt:
> Bestehendes Betriebsmanagement von Aufzucht,       > Trotz Narkose chirurgischer Eingriff, der zu einer
   Mast, Schlachtung, Verarbeitung und Vermarktung      Wunde führt und Stress (zum Beispiel durch die
   kann beibehalten werden.                             Fixierung) verursacht.

Inhalationsnarkose                                   Inhalationsnarkose
> Kurze Narkosedauer, Ferkel sind kurz nach dem      > Anschaffungskosten für das Narkosegerät, zudem
   Eingriff wieder wach.                                Wartungskosten und Kosten für Medikamente und
> Kaum Nebenwirkungen für die Ferkel                    Narkosemittel
                                                     > Bei entweichendem Isofluran mögliche Belastungen
Injektionsnarkose                                       für Umwelt und Anwenderin beziehungsweise An­
> Geringer Apparateaufwand, bessere Arbeits­-           wender. Darf daher und aus Tierschutz­gründen nur
    sicherheit für Anwenderinnen und Anwender           von geschultem Personal vorgenommen werden.
    (kein Narkosegas im Einsatz), keine Umwelt­
    problematik                                      Injektionsnarkose
                                                     > Nach dem Eingriff sind die Ferkel gegebenenfalls
                                                         länger bewusstlos und nehmen keine Milch zu sich;
                                                         während des Eingriffs ist ihre Atmung beeinträchtigt.

                                                                                                            13
3
Jungebermast

So funktioniert es                                   Faktencheck

Bei der Ebermast werden männliche Tiere aufgezo­-           Tierwohl: Empfinden die
gen und gemästet, ohne dass die Hoden entfernt              Tiere Schmerzen ?
werden. Die Kastration entfällt. Die Tiere bleiben
körperlich unversehrt.                               Den Ferkeln bleibt die Kastration bzw. ein chirurgischer
                                                     Eingriff erspart. Spätestens mit Eintritt der Geschlechts­
                                                     reife nehmen bei den Tieren jedoch soziale Auseinander­
                                                     setzungen, Rangordnungskämpfe und gegenseitiges,
                                                     sexuell motiviertes Aufspringen zu. Denn unkastrierte
                                                     Eber spielen mehr, sind unruhiger und aggressiver. Vor
                                                     allem rangniedere Eber leiden dann vermehrt unter
                                                     Stress und an den ihnen zugefügten Verletzungen, zum
                                                     Beispiel an Gliedmaßen, Haut und Geschlechtsteilen.

                                                     Diese Probleme verringern sich zwar, wenn die Tiere
                                                     gemischtgeschlechtlich gehalten werden. Dabei kann
                                                     es aber zu sogenannten Frühträchtigkeiten kommen;

14
Jungebermast

manche weibliche Tiere sind also zum Zeitpunkt der           Eber. Dieser Wert soll in Zukunft durch Forschung zu
Schlachtung bereits im Frühstadium einer Trächtigkeit.       den Einflussfaktoren weiter reduziert werden. So wird
                                                             beispielsweise gegen Ebergeruch gezüchtet: Bestimmte
Eine Studie der Universität Kassel zeigt: Wenn die Tiere     Rassen oder selektierte Linien weisen ein geringeres
unter ökologischen Bedingungen – das heißt unter             Risiko für Ebergeruch auf. Außerdem tragen bestimmte
anderem mit mehr Platz und Auslauf – gehalten werden,        Futtermittel sowie eine großzügige Umgebung dazu bei,
kommt es nur bei etwa zehn Prozent der Eber zu Verlet­       den Geruch zu reduzieren.
zungen des Penis. Denn männliche Hormone werden vor
allem ausgeschüttet, wenn Eber sich behaupten müssen.        Beim Schlachtprozess werden die Eber zudem verläss­
Wenn die produzierenden Betriebe in der Schweine­            lich kontrolliert, um geruchsbelastetes Fleisch auszu­
mast die Ur­sachen für solchen Stress vermeiden, ist das     sortieren. Bewährt hat sich dabei die menschliche Nase:
nicht nur tierschutzgerechter, sondern verhindert auch       Speziell geschulte Prüferinnen oder Prüfer identifizieren
das Auftreten von Ebergeruch: Durch Stress und soziale       geruchsbelastetes Fleisch nach der Schlachtung objektiv
Rangkämpfe produzieren die Tiere mehr Sexualhormone          nach standardisierten Faktoren.
wie Androstenon. Durch diese steigt das Risiko, dass das
Fleisch geruchsauffällig wird. Jungeber brauchen deshalb     Allerdings reagieren nicht alle Menschen gleich sensibel
mehr Futterplätze als kastrierte Eber, mehr Raum für         auf den Geruch: Manche nehmen ihn stärker wahr, an­
Rückzug und Ausweichmöglichkeiten sowie mehr Mate­           dere weniger stark. Studien zeigen, dass etwa ein Drittel
rial, mit dem sie sich beschäftigen können. Wer richtig      der Menschen den Geruch selbst in einer hohen Kon­
füttert und dafür sorgt, dass die Tiere beim Transport und   zentration nicht wahrnehmen kann. Ein weiteres Drittel
kurz vor der Schlachtung nicht unnötigem Stress ausge­       ist hingegen hochempfindlich: Diese Menschen nehmen
setzt werden, verringert dieses Risiko ebenfalls.            den Geruch schon bei niedrigen Konzentrationen wahr.

       Zuverlässigkeit:                                             Geschmack: Wie schmeckt
       Ist die Methode wirksam ?                                    das Fleisch ?
Das Fleisch männlicher Schweine, die nicht kastriert         Fleisch aus Ebermast weist einen höheren Anteil an un­
wurden, kann beim Erhitzen einen unangenehmen                gesättigten Fettsäuren auf. Das erschwert die Verarbeitung
Geruch entwickeln. Dafür verantwortlich sind unter           der Rohmaterialien zu Wurstprodukten wie Salami oder
anderem das Geschlechtshormon Androstenon und                Schinken. Bei Frischfleisch ist dies weniger relevant. Laut
Skatol. Nur drei bis fünf Prozent der Eber riechen jedoch    Studien kann das Fleisch aus Ebermast auch etwas zäher
im Schlachthof überhaupt so stark, dass man ihr Fleisch      sein. Bedingt ist das durch den geringeren Fettgehalt.
nicht ohne Weiteres vermarkten kann. Eine Studie mit
ökologisch gehaltenen Ebern der Hochschule Ostwest­
falen-Lippe fand sogar nur 1,4 Prozent geruchsbelastete

                                                                                                                      15
Jungebermast

       Lebensmittelsicherheit:                            Expertenmeinungen
       Kann das Fleisch unbedenklich
                                                          Für mich ist es aus Tierschutzgründen ein langfristiges
       verzehrt werden ?                                  Ziel, männliche Ferkel nicht mehr zu kastrieren. Denn
Fleisch aus der Ebermast kann bedenkenlos gegessen        die Kastration ist ein schmerzhafter Eingriff. Allerdings
werden. Sogar wenn es geruchsbelastet ist, hat der Ver­   ist die Haltung bei der Ebermast etwas aufwendiger,
zehr keine gesundheitlichen Auswirkungen. Solches         der Betreuungsaufwand für die Landwirte erhöht sich.
Fleisch kommt allerdings erst gar nicht in den Handel     Darüber hinaus besteht die Gefahr von Penisverlet­
und landet damit auch nicht auf den Tellern der Ver­      zungen. Aktuell wird schon daran gearbeitet bezie­
braucherinnen und Verbraucher.                            hungsweise geforscht, das Risiko für den Ebergeruch
                                                          zu verringern. Beispielsweise indem man genetische
                                                          Faktoren identifiziert und entsprechend züchtet.
       Akzeptanz: Wie gut ist die
                                                          Dr. Hansjörg Schrade, Leiter des Bildungs- und
       Methode bisher akzeptiert ?
                                                          Wissenszentrums Boxberg – Schweinehaltung,
Etwa 20 Prozent der männlichen Ferkel in Deutsch­         Schweinezucht
land werden bereits als intakte Eber gemästet. Eber
nutzen Nährstoffe effizienter und haben eine bessere
Futter­verwertung, sind aber auch unruhiger und tragen
Rangkämpfe aus, die zu Verletzungen führen können.        Aus Sicht des Tierwohls ist die Ebermast eine gute Alter­
Gerade kurz vor der Schlachtung ist das Verletzungs­      native zur Kastration. In der von uns untersuchten
risiko groß. Schlachtunternehmen nehmen Eber nicht        ökologischen Haltung fanden wir nur sehr wenig Penis­
uneingeschränkt an und bezahlen dafür weniger als für     verletzungen oder andere Schäden. Gleichwohl müssen
kastrierte Eber oder Sauen. Jungeberfleisch kann wegen    die aktiveren Eber etwas besser im Blick behalten
des Risikos des Ebergeruchs aktuell noch etwas schlech­   werden. Unsere Untersuchungen zeigen: Die Haltung
ter vermarktet werden.                                    intakter Eber ist unproblematisch, wenn sie ausreichend
                                                          Platz, Ausweichmöglichkeiten und Beschäftigung
                                                          haben. Unter diesen Haltungsbedingungen bevorzuge
       Aufwand: Wie aufwendig ist                         ich klar die Ebermast, denn sie ist mit keinen Eingriffen
                                                          für die Tiere verbunden.
       die Methode für die Erzeuger ?
Die Ebermast hat aus betriebswirtschaftlicher Sicht       Prof. Dr. Ute Knierim, Fachgebietsleiterin
einige Vorteile: Der zeitliche Aufwand für die Kastra­    Nutztierethologie und Tierhaltung,
tion – verbunden mit den Risiken und nachoperativen       Universität Kassel
Folgen – entfällt. Jungeber verwerten ihr Futter besser
als kastrierte Eber. Sie benötigen bis zu einem halben

16
Jungebermast

­ ilogramm weniger Futter, um ein Kilogramm Körper­
K                                                         Da es zum unangenehmen Geruch erst kommt, wenn
substanz zu bilden. Außerdem bilden sie höhere Fleisch­   Tiere geschlechtsreif sind, empfiehlt es sich, die Tiere
anteile und weniger Körperfett aus.                       schon vorher zu schlachten.

Die Ebermast ist aber auch anspruchsvoller für die Be­
triebe. So brauchen die unkastrierten Tiere ausreichend          Preis: Wird das Fleisch teurer ?
Platz (siehe Abschnitt „Tierwohl“). Sowohl beim Trans­
port zum Schlachthof als auch in dessen Wartebereich      Nicht unbedingt. Denn die aufwendigere Haltung und
müssen Eber aufmerksamer und feinfühliger behandelt       den anspruchsvolleren Umgang machen die Eber
werden. Denn lange Transportzeiten und Wartezeiten        wieder wett, weil sie ihr Futter besser verwerten und da­
vor der Schlachtung beeinflussen ebenfalls (durch den     her mehr Fleisch ansetzen und die Kosten der Kastration
Anstieg der Androstenon- und Skatol-Konzentration)        eingespart werden. So gleichen sich die Kosten für die
das Risiko für den Ebergeruch.                            produzierenden Betriebe wieder aus.

Vorteile                                                  Nachteile
> Kein chirurgischer Eingriff nötig, kein Stress durch    > Höhere Gefahr von Verletzungen aufgrund des
  die Kastration, keine Kastrationswunde                    eber­typischen Verhaltens
> Einsparung von zeitlichen Ressourcen im Betrieb,        > Höhere Anforderungen an die Haltung wegen des
  da die Kastration entfällt                                ebertypischen Verhaltens (zum Beispiel mehr Platz,
> Einsparung von Futterkosten und daher ressourcen­         mehr Möglich­keiten zum Rückzug)
  schonender                                              > Höhere Anforderungen an die Futtermischung
> Höhere Anteile an Muskelfleisch                           (zum Beispiel in Bezug auf den Energiegehalt)

                                                                                                                     17
Fragen und Antworten

Wie lange ist die betäubungslose Ferkel­                    Praxis und durch ökonomische Analysen relativ genau
kastration noch erlaubt ?                                   beziffern.
Das betäubungslose Kastrieren männlicher Ferkel ist noch
bis zum 31. Dezember 2020 erlaubt. Danach dürfen Ferkel     Welche Verfahren werden in Deutschland
nur kastriert werden, wenn sie dabei keine Schmerzen        aktuell angewendet ?
erleiden. Das ist nach derzeitigem wissenschaftlichem Er­   Aktuell werden in Deutschland circa 80 Prozent der
kenntnisstand nur im Rahmen einer Vollnarkose möglich.      Tiere kastriert. Weniger als ein Prozent der Eber wird
Alternativ können die Tiere in der Jungebermast aufgezo­    geimpft beziehungsweise immunokastriert. Etwa 20
gen und gemästet werden – mit oder ohne Kombination         Prozent der männlichen Ferkel wachsen als unkastrier­
mit einer Impfung gegen Ebergeruch.                         te, das heißt in­takte, Eber auf.

Sind die Alternativen schon heute nutzbar ?                 Wie steht das Bundesministerium für Ernährung
Alle Optionen sind bereits praxiserprobt, zahlreiche Be­    und Landwirtschaft (BMEL) zu den Alternativen?
triebe wenden sie schon an. Unterstützend steht eine        Das BMEL sieht alle Alternativen grundsätzlich als
Reihe wissenschaftlicher Studien zur Verfügung, in          gleichwertig an. Welche Methode die Betriebe wählen,
denen die einzelnen Verfahren untersucht wurden und         entscheiden sie selbst – abhängig von den Gegeben­
aus denen sich Strategien für die Haltung und Aufzucht      heiten vor Ort, ihrer Größe, der Art der Erzeugung sowie
ableiten lassen. Auch die Mehrkosten für die Betriebe       der Vermarktung.
lassen sich durch die vorliegenden Erfahrungen aus der

18
Fragen und Antworten

Wie unterstützt das BMEL Landwirtinnen und               für Verbraucherinnen und Verbraucher gibt und beim
Landwirte bei der Umstellung ?                           Fleisch nach wissenschaftlichen Kriterien in puncto
Das BMEL unterstützt die Anwendung der Alternativen      Lebensmittelsicherheit keine Unterschiede bestehen,
zur betäubungslosen Ferkelkastration durch vielfälti­    ist keine verpflichtende Kennzeichnung geplant und
ge Maßnahmen – zum Beispiel indem es Schulungs­          notwendig. Viele Handelsketten informieren jedoch
materialien zur Verfügung stellt, die Anschaffung von    im Rahmen ihrer Haltungskennzeichnungen über die
Narkosegeräten fördert und im regelmäßigen Austausch     Ferkel­kastration. Einige Handelsketten führen schon
mit Verbänden, Wirtschaft, Handel und Schlachtunter­     jetzt kein Schweinefleisch von betäubungslos kastrierten
nehmen ist.                                              Tieren mehr.

Darüber hinaus fördert das BMEL verschiedene             Welche dieser Methoden eignen sich für die
Forschungsprojekte zum Thema. Dazu gehören zum           Produktion von Biofleisch ?
Beispiel:                                                Grundsätzlich eignen sich für die Produktion von Bio­
                                                         fleisch die Ebermast, die chirurgische Kastration sowie
> Praxiserprobungen der chirurgischen Kastration         die Immunokastration. Letztere befindet sich noch in der
  von Ferkeln unter Betäubung und postoperativer         rechtlichen Klärung mit der Europäischen Kommission.
  Schmerzausschaltung in der konventionellen und         Mit Blick auf die zukünftige Marktentwicklung hat die
  ökologischen Schweinehaltung / Ferkelerzeugung         Kommission eine Untersuchung zur Etablierung von
> Untersuchung zur Optimierung der automatisierten       Schweineproduktionsverfahren initiiert, bei denen auf
  Isoflurannarkose für die Ferkelkastration mittels      eine chirurgische Kastration verzichtet werden kann.
  mobiler Narkosegeräte und Implementierung der
  Methode in Ferkelerzeugerbetrieben                     Warum ist die Kastration unter lokaler Betäu-
> Studien zur Wirksamkeit der Schmerzausschaltung        bung keine geeignete Methode ?
  durch Lokalanästhesie bei der Ferkelkastration         Nach heutigem Stand erfüllt die lokale Betäubung die
> Genomische Indikatoren für Ebergeruch, Frucht­         ab Januar 2021 geltenden Anforderungen des Tierschutz­
  barkeit und Robustheit in Landrasse- und Edel­         gesetzes nicht, nach dem eine wirksame Schmerzaus­
  schweinpopulationen                                    schaltung gewährleistet sein muss. Nach derzeitigem
                                                         Stand bewirkt die lokale Betäubung bei der Ferkelkastra­
Kann man Fleisch aus den unterschied­lichen              tion zwar eine deutliche Schmerzreduktion, aber keine
Verfahren im Handel erkennen ?                           Schmerzausschaltung. Aus rechtlicher Sicht ist dieses
Nein, Verbraucherinnen und Verbraucher können beim       Verfahren deshalb bisher keine Alternative zur Kastration
Einkauf von Fleisch in der Regel nicht erkennen, ob      ohne Betäubung.
und wie Ferkel kastriert wurden. Das gilt sowohl für
konventionell hergestelltes Fleisch als auch für Bio­
fleisch. Da es bei keiner der drei Methoden ein Risiko

                                                                                                                 19
Situation in Europa

So machen es andere Länder in Europa – Beispiele
In den einzelnen europäischen Ländern gibt es bei
der Schweinefleischproduktion unterschiedliche
Heran­gehensweisen. Ebermast praktizieren in Europa
derzeit vor allem Betriebe in Ländern, in denen
Tiere mit nie­drigeren Gewichten von unter 80 Kilo­
gramm geschlachtet werden. Das betrifft zum Bei­-
spiel Großbritannien und Irland, wo fast alle Betriebe
auf die Methode Ebermast setzen.                                                                                     Norwegen

Auch in Spanien und Portugal wird die Ebermast in
etwa 80 Prozent der Betriebe angewendet. Für die Pro­
duktion hochwertiger Fleischprodukte werden dort
jedoch kastrierte Eber und Sauen verwendet. Auch die
Immunokastration verbreitet sich immer mehr.                                                                             Dänemark

                                                                       Irland
In den Niederlanden werden circa 70 Prozent der
männ­lichen Schweine als Eber gemästet. Dabei kom­
munizieren vor allem die Supermärkte wesentlich                                 Großbritannien

offensiver, wenn es sich um Eberfleisch handelt. Expor­                                                Niederlande
                                                                                                                     Deutschland
tiert werden vor allem Ferkel oder das Fleisch von mit                                             Belgien

CO -Betäubung kastrierten Ferkeln – aus Tierschutz­
    ²
sicht ist das kritisch zu sehen, weil bei den Ferkeln
Erstick­ungsangst besteht.

In Italien werden Eber ohne Narkose, lediglich mit                                        Frankreich
                                                                                                               Schweiz
Schmerzmitteln, kastriert. Die Tiere wiegen bei der
Schlachtung teilweise mehr als 180 Kilogramm (zum                                                                    Italien
Beispiel für die Produktion von Parmaschinken).

                                                          Portugal   Spanien

20
Situation in Europa

                                   In Frankreich wird die Ebermast getestet, ihr Anteil liegt
                                   bei über 20 Prozent. In Belgien werden circa 10 Prozent
                                   der männlichen Schweine als Jungeber und etwa 15 Pro­
   Schweden
                                   zent als Immunokastraten gemästet.

                                   In Norwegen, Dänemark und Schweden dürfen die Er­
                                   zeugerinnen und Erzeuger die lokale Betäubung selbst
                                   durchführen. In Dänemark praktizieren lediglich fünf
                                   Prozent der Betriebe Ebermast.

                         Estland   In Schweden ist die betäubungslose Kastration verboten.
                                   Es wird überwiegend unter örtlicher Betäubung kastriert.
                                   Nur ein bis zwei Prozent der schwedischen Betriebe
                                   mästen ihre Schweine als unkastrierte Eber.
                        Litauen
                                   Auch in Norwegen ist die Kastration ohne Betäubung
                                   bereits seit 2002 verboten und es wird, ähnlich wie in
                                   Schweden, unter örtlicher Betäubung kastriert. Der
                                   Anteil von gemästeten, intakten Ebern und immuno­
              Polen                kastrierten Ferkeln wird in Norwegen auf unter zwei
                                   Prozent geschätzt.

Tschechien                         In osteuropäischen Ländern wie Tschechien, Slowakei,
             Slowakei              Estland, Litauen, Slowenien, Ungarn und Polen wer­
                                   den die Ferkel ohne Betäubung oder Schmerzmittel­
              Ungarn               gabe kas­triert, die Mast von unkastrierten Ebern spielt
                                   keine Rolle.

                                   In der Schweiz ist die betäubungslose Ferkelkastration
                                   seit 2010 verboten. Flächendeckendes Verfahren ist hier
                                   die Inhalationsnarkose mit Isofluran.

                                                                                            21
Weiterführende Informationen

Ferkelkastration:                                       Tierschutz und Tierhaltung:

Informationen des BMEL                                  Allgemeine Informationen des BMEL
> www.bmel.de/ferkelkastration                          > www.bmel.de/tierschutz

Informationen des Bundesinformationszentrums            Nutztierstrategie des BMEL
Landwirtschaft                                          > www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/
> www.landwirtschaft.de/diskussion-und-dialog/            Broschueren/Nutztierhaltungsstrategie.html
   tierhaltung/ferkelkastration-ohne-betaeubung-
   was-sind-die-alternativen                            Modell- und Demonstrationsvorhaben Tierschutz
> www.praxis-agrar.de/tier/schweine/alternativen-zur-   > www.mud-tierschutz.de
   betaeubungslosen-ferkelkastration

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HER AUSGEBER
Bundesministerium für Ernährung
und Landwirtschaft (BMEL)
Referat Öffentlichkeitsarbeit (MK2)
Wilhelmstraße 54
10117 Berlin

STAND
Juni 2020

TEXT UND GESTALTUNG
neues handeln AG

DRUCK
BMEL

BILDNACHWEIS
Foto Ministerin: Steffen Kugler/BPA

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