Mehrsprachigkeit forum tweetalig - Kongress "Lernen vom Nachbarn & leren van de buren" Wasserburg (Rindern), 23.04.2018 - Radboud Universiteit

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Mehrsprachigkeit forum tweetalig - Kongress "Lernen vom Nachbarn & leren van de buren" Wasserburg (Rindern), 23.04.2018 - Radboud Universiteit
forum tweetalig
                        Mehrsprachigkeit
- ein Begriff, viele Ideen, noch mehr Konzepte
                                                          Eva Knopp
                                                (e.knopp@let.ru.nl)
              Duitse Taal en Cultuur, Radboud Universiteit, Nijmegen

             Kongress “Lernen vom Nachbarn & leren van de buren”
                                 Wasserburg (Rindern), 23.04.2018
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Vorab-Entschuldigung
Hiermit entschuldige ich mich schon einmal vorab für die relative
                Einsprachigkeit dieses Vortrags.

Momenteel is mijn actief Nederlands nog niet goed genoeg om dit
   soort presentatie op bi- of multilinguale manier te leiden.

               Graag bedankt voor jauw begrip!
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Überarbeite Zusammenfassung und Motivation für den Vortrag:

Betrachtet man den Begriff Mehrsprachigkeit (oft auch Zweisprachigkeit) verbergen sich
dahinter oft ganz unterschiedliche Vorstellungen. So dient das Label im Schulkontext zur
Beschreibung ganz unterschiedlicher sprachlicher Bildungsprogramme. Daraus resultiert,
dass Bildungskontexte und -ziele, sowie Sprachkombinationen und Zielgruppen
miteinander verglichen und gegeneinander abgewogen oder ausgespielt werden, obwohl
sie auf ganz unterschiedlichen Voraussetzungen beruhen.
In diesem Vortrag gebe ich Erklärungsansätze dafür, wie und warum es zu so
unterschiedlichen Vorstellungen von Mehrsprachigkeit kommt. Hierfür werden einerseits
beständige Mythen, die den Erwerb und das Erlenen mehrerer Sprachen betreffen,
besprochen. Außerdem soll mit Hilfe der Differenzierung in „Mehrsprachigkeit als
Bildungsvoraussetzung“ und „Mehrsprachigkeit als Bildungsziel“ verdeutlicht werden, wie
sich dies auf den Umgang mit Mehrsprachigkeit in Bildungssystemen auswirkt.
Der exemplarische Vergleich zwischen dem deutschen und niederländischen
Bildungssystem wird hierzu den Hintergrund liefern und so auch einen Einblick in
mehrsprachige Bildungsprogramme in Deutschland und den Niederlanden geben und
diese Bildungsprogramme hinsichtlich der oben genannten Faktoren vergleichen. Zur
Veranschaulichung werden Beispiele aus der Praxis und ausgewählte
Forschungsergebnisse zu mehrsprachigen Bildungsprogrammen vorgestellt.
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Fahrplan für den Hörshop

1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

2. Bedingungen und Ziele mehrsprachiger Bildungskontexte

3. Kontextsensible mehrsprachige Bildungskonzepte

4. Schlussfolgerungen
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1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

                       Was ist Mehrsprachigkeit?

         individuelle                         gesellschaftliche
       Mehrsprachigkeit                       Mehrsprachigkeit

  Die Fähigkeit eines Individuums      Geltung und Anwendung mehrerer
  mehrere Sprachen zu sprechen      Sprachen innerhalb eines Staats(-gebiets)
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1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

  Was verstehen Sie unter individueller Mehrsprachigkeit?
                   Eine kleine Umfrage:

1. Würden Sie sich selbst als mehrsprachig bezeichnen?

2. Um mehrsprachig zu sein, muss man zwei oder mehr Sprachen...
  •   ... in der frühesten Kinderheit erwerben.
  •   ... auf möglichst “natürlichem” Wege erwerben.
  •   ... in jeder Lebenssituation verwenden können.
  •   ... muttersprachlich sprechen können.

  https://www.mentimeter.com/s/059bda3406f0c156a9230001744f7989/d90ca98afa04/edit
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1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

                          Individuelle Mehrsprachigkeit
                            - Vorurteile und Mythen* -
 1. Mehrsprachigkeit ist ein kognitiver Ausnahmezustand
 2. Man kann nur eine Sprache perfekt beherrschen
 3. Kinder sollten zuerst EINE Sprache richtig können, bevor sie weitere lernen
 4. Für die Identitätsentwicklung ist EINE Sprache wichtig
 5. Sprachmischungen sind Anzeichen von sprachlichen Defiziten
 6. Eltern sollten mit ihren Kindern die Umgebungssprache beibringen, egal,
    wie gut sie sie sprechen.
 7. Zum Spracherwerb reicht ganzheitliche “Immersion” aus

KOMMENTAR: Dies alles beruht auf der Perspektive, dass Monolingualität die Norm ist und
Einzelsprachen in sich abgeschlossene Systeme sind. Gogolin bezeichnet dies als den
„monolingualen Habitus“ (1994) unserer Gesellschaft.
 * Tracy, R. 2007. “Einführung ins Thema”. In: Frühe Mehrsprachigkeit. Mythen-Risiken-
 Chancen. Kongressdokuentation. Stuttgart: Landesstiftung Badenwürtemberg. 10-15.
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1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

                  Individuelle Mehrsprachigkeit
               - Vorteile und Idealvorstellungen* -

1. sozialpsychologische Vorteile
   1. höhere soziale Flexibilität
   2. höhere Ambiguitätstoleranz                  *KOMMENTAR: Es gibt hierzu in
2. kognitive Vorteile                             den letzten Jahren viele Studien.
                                                  Die Ergebnisse dieser Studien
   1. höhere kognitive Flexibilität               und der damit einhergehende
   2. höhere Aufmerksamkeit und Konzentration     Hype, sollten aber auch
   3. langsamere kognitive Alterung               realistisch eingeschätzt werden.
                                                  Denn alle oben beschriebenen
3. linguistische Vorteile                         Fähigkeiten sind ebenso abhängig
   1. höheres Sprachbewusstsein                   von vielen anderen Faktoren (z.B.
                                                  sozio-ökonomischem Status,
   2. bessere Lernstrategien bei neuen Sprachen   Gesundheit, etc.).
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1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

                        bevolking naar migratieachtergrond
                                               =
                Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund

Niederlande: ca. 22,1% der Gesamtbevölkerung mit Migrationshintergrund, 1. &
2. Generation
(Quelle: CBS, 2016, https://www.cbs.nl/nl-nl/achtergrond/2016/47/bevolking-naar-
migratieachtergrond)

Deutschland: ca. 22,5 % der Gesamtbevölkerung mit Migrationshintergrund, 1.,
2. & 3. Generation
(Quelle: Statistisches Bundesamt, 2016, http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-
situation-in-deutschland/61646/migrationshintergrund-i)
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1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

                     maatschappelijk mertaaligheid
                                      ≠
                   gesellschaftliche Mehrsprachigkeit

• Recherchiert man die Begriffe “meetaligheid” und “Mehrsprachigkeit” bzw.
  “talen in Nederland” und “Sprachen in Deutschland” ergibt sich ein sehr
  unterschiedliches Bild in Bezug auf die beiden Länder:

• Niederlande: Fokus auf Regionalsprachen (z.B. Friesisch, Limburgisch) und
  Sprachen der Übersee-Gebiete (z.B. Papiamento)
• Deutschland: Fokus auf Immigrantensprachen (z.B. Russisch, Türkisch,
  Arabisch)
1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

                 Mehrsprachigkeit im Schulkontext
                    meertaligheid op school
 Mehrsprachigkeit als
Bildungsvoraussetzung

                                               Mehrsprachigkeit als
                                                  Bildungsziel
1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

                               meertaligheid op school
                             Mehrsprachigkeit in der Schule
 Mehrsprachigkeit als
Bildungsvoraussetzung

                                                          Mehrsprachigkeit als
                                                             Bildungsziel

KOMMENTAR: Interessanterweise werden die
„Vorurteile und Mythen“ von individueller
Mehrsprachigkeit oft mit der
Bildungsvoraussetzung in Verbindung gebracht, die
„Vorteile und Idealvorstellungen“ von individueller
Mehrsprachigkeit hingegen mit Mehrsprachigkeit
als Bildungsziel.
1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

                      Auf die Sprache kommt es an!
  Mehrsprachigkeit als                                  Mehrsprachigkeit als
 Bildungsvoraussetzung                                     Bildungsziel

Minderheitensprachen                                 Mehrheitssprachen
• Herkunfts-/Familiensprachen von                    • moderne Fremdsprachen
   Migranten (z.B. Türkisch in                         (z.B. Englisch, Französisch)
   Deutschland oder den Niederlanden)                • Mehrheitensprachen (z.B.
• Regionalsprachen & Dialekte (z.B.                    Deutsch und Französisch in
   Friesisch in den Niederlanden)                      Luxemburg)

          niedrig                soziales Prestige              hoch
KOMMENTAR: Und was ist mit der
1. Spielarten von Mehrsprachigkeit                   Nachbarsprache? Überlegen Sie, welchen
                                                     Status Deutsch in den Niederlanden bzw.
                                                     Niederländisch in Deutschland hat. Wovon
                                                     ist dies abhängig?
                      Auf die Sprache kommt es an!
  Mehrsprachigkeit als                                   Mehrsprachigkeit als
 Bildungsvoraussetzung                                      Bildungsziel

Minderheitensprachen                                 Mehrheitssprachen
• Herkunfts-/Familiensprachen von                    • moderne Fremdsprachen
   Migranten (z.B. Türkisch in                         (z.B. Englisch, Französisch)
   Deutschland oder den Niederlanden)                • Mehrheitensprachen (z.B.
• Regionalsprachen & Dialekte (z.B.                    Deutsch und Französisch in
   Friesisch in den Niederlanden)                      Luxemburg)

          niedrig                soziales Prestige                hoch
1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

                    meertaligheid op school
                               =
                 Mehrsprachigkeit in der Schule

Gemeinsamkeiten:
• Bildungsvoraussetzung “Mehrsprachigkeit” als Risiko
• Bildungsziel “Mehrsprachigkeit” als Chance
• monolingualer Habitus des Bildungssystems (Gogolin, 1994)
• monolinguales Verständnis von (Fremd-)Spracherwerb (Cummins,
  2007)
1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

                              meertaligheid op school
                                            ≠
                         Mehrsprachigkeit in der Schule

Aber: Unterschiede im Fokus des bildungspolitischen Diskurses:
•   Deutschland – stärker mehrsprachig orientiert, zumindest auf Papier:
    • stärkerer Fokus auf Bildungsvoraussetzung “Mehrsprachigkeit”
    • stärkerer Fokus auf Familien- und Herkunftssprachen
    • stärkerer Fokus auf integrativen Sprachförderkonzepten, sprachübergreifender
       Unterricht

•   Niederlande – stärker zweisprachig orientiert, zumindest auf Papier:
    • stärkere Fokus auf Bildungsziel “Mehrsprachigkeit”
    • stärkerer Fokus auf Fremdsprache Englisch (teils auch auf Nachbar- und
       Regionalsprachen, z.B. VVTO buurtalen, Friesisch)
    • stärkerer Fokus auf tweetalig onderwijs (TTO, TPO → ausschließlich Englisch)
1. Spielarten von Mehrsprachigkeit

                        meertaligheid op school
                                   ≠
                     Mehrsprachigkeit in der Schule

     Trotz vieler Gemeinsamkeiten, die individuelle und gesellschaftliche
Mehrsprachigkeit und den Umgang mit Sprachen im Schulsystem betreffen, wird
    das Thema Mehrsprachigkeit in den beiden Nachbarländern dennoch
   unterschiedlich aufgefasst. Dies äußert sich insbesondere in Bezug auf:

→ den Fokus auf Bildungsvoraussetzung oder Bildungsziel
→ die betroffenen Sprachen
→ die Stellung von Mehrsprachigkeit im Lehrplan/kerndoelen
2. Bedingungen und Ziele mehrsprachigen Lernens

Die Verankerung von Mehrsprachigkeit im Bildungskontext
ist also stark kontextsensibel und hängt ab vom:

1. allgemeinen Verständnis von Mehrsprachigkeit

→ Verständnis von individueller Mehrsprachigkeit?

→ Verständnis von gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit

2. Umgang mit Mehrsprachigkeit im Schulsystem

→ Verständnis von Mehrsprachigkeit als Bildungsvoraussetzung

→ Verständnis von Mehrsprachigkeit als Bildungsziel
2. Bedingungen und Ziele mehrsprachigen Lernens

Die Verankerung von Mehrsprachigkeit im Bildungskontext
ist also stark kontextsensibel und hängt ab vom:

1. allgemeinen Verständnis von Mehrsprachigkeit

→ Verständnis von individueller Mehrsprachigkeit hat Auswirkungen auf:

   → die Implementierung und Integration von Sprachunterricht ins Curriculum
   → den Umgang mit Sprachmischung innerhalb und außerhalb des Unterrichts
   → Beratung der Eltern hinsichtlich Sprachgebrauch
2. Bedingungen und Ziele mehrsprachigen Lernens

Die Verankerung von Mehrsprachigkeit im Bildungskontext ist
also stark kontextsensibel und hängt ab vom:

1. allgemeinen Verständnis von Mehrsprachigkeit

→ Verständnis von gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit hat Auswirkungen auf:

   → die Rolle, die einzelnen Sprachen im Bildungssystem zugewiesen wird:
      →   Regionalsprachen
      →   Familien- und Herkunftssprachen
      →   Nachbarsprachen
      →   Englisch

   → welchen Kindern, welcher Zugang zu welchen Sprachen gegeben wird
      → In Deutschland:
          → Türkisch im muttersprachlichen Unterricht: ja
          → Türkisch im Fremdsprachenunterricht: nein
2. Bedingungen und Ziele mehrsprachigen Lernens

Die Verankerung von Mehrsprachigkeit im Bildungskontext
ist also stark kontextsensibel und hängt ab vom:
2. Umgang mit Mehrsprachigkeit im Schulsystem
→ Verständnis von Mehrsprachigkeit als Bildungsvoraussetzung
→ Verständnis von Mehrsprachigkeit als Bildungsziel

   →   Welche Sprachen sprechen die Schüler und Schülerinnen (SuS)?
   →   Welche Sprachen sprechen die SuS noch nicht?
   →   Welche Rollen sollen diese Sprachen in der Schule spielen?
   →   Welche Sprachen sollen gefördert werden?
   →   Wessen Aufgabe ist es, die Sprachen zu förden?

   Im Idealfall würden in einem mehrsprachig ausgerichteten Bildungssystem alle
   sprachlichen Ressourcen der SuS gefördert und die Sprachen, die
   Bildungsvoraussetzung sind, auch diejenigen sein, die Bildungsziel sind.
3. Kontextsensible mehrsprachige Bildungskonzepte

1. Bildungsprogramme in mehrsprachigen Gesellschaften
  •   Unterrichtssprachen am lycée in Luxemburg (Scheer, 2016)

2. Herkunftssprachliche Bildungsprogramme
  •   koordinierte Alphabetisierung in Köln, KOALA (Reich, 2012)

3. Regionalsprachliche Bildungsprogramme
  •   Trilingualer Unterricht in Friesland (van Ruiven & Ytsma, 2008)

4. Nachbarsprachliche Bildungsprogramme
  •   die Euregio Realschule Kranenburg – ein Konzept im Aufbau
3. Kontextsensible mehrsprachige Bildungskonzepte

1. Bildungsprogramme in mehrsprachigen Gesellschaften
  •   Unterrichtssprachen am lycée in Luxemburg (Scheer, 2016)
                                 Mehrsprachigkeit als Bildungsvoraussetzung:
                                 -   ursprünglich dreisprachige Gesellschaft:
                                        - Muttersprache: Luxemburgisch
                                        - Verkehrssprache: Deutsch
                                        - Verkehrs- /Verwaltungssprache: Französisch
                                 Lycée secondaire general:
                                 • eher akademisch ausgerichtet
                                 • Französisch und Deutsch
                                 • Prestige-Sprache
                                 Lycée secondaire technique:
                                 • eher beruftsorientiert
                                 • Französisch und Deutsch
                                 • Alltags- und Berufskommunikation
                                 • „einfachere Bildungssprache“
                                 • Verwaltungskommunikation
                                 → kontextsensibel auf „klassische“ luxemburgische, drei-
                                 sprachige Situation eingestellt
3. Kontextsensible mehrsprachige Bildungskonzepte

1. Bildungsprogramme in mehrsprachigen Gesellschaften
  •   Unterrichtssprachen am lycée in Luxemburg (Scheer, 2016)

                                 ABER:
                                 •   durch Migration (v.a. aus Portugal) haben sich
                                     starke Änderungen bzgl. der Mehrsprachigkeit als
                                     Bildungsvoraussetzung ergeben
                                 •   über 60% der 5-jährigen sprechen bei Schuleintritt
                                     kein Luxemburgisch
                                 •   Luxemburgisch-Kenntnisse können nicht als
                                     Ressource für den stark Deutsch geprägten
                                     Unterricht am Lycée secondaire technique dienen

                                 •   Daher kontextsensible Anpassungen:
                                      • höherer Anteil französischsprachiger
                                          Unterrichtsfächer
                                      • stärkerer Anteil an Deutsch-Förderklassen
                                      • Einführung von Schulen, mit frz. und engl.
                                          Abschlüssen
3. Kontextsensible mehrsprachige Bildungskonzepte

2. Herkunftssprachliche Bildungsprogramme

   •    koordinierte Alphabetisierung (KOALA) an Kölner Grundschulen,
        Klassen 1-4, 6-10 Jahre (Reich, 2012)
              Muttersprachlicher Unterricht (seit      Koordinierte Alphabetisierung im
              1980er Jahren, Förderung                 Anfangsunterricht
              zweisprachiger Kinder in der nicht-      (seit 2008/9 an Grundschulen in Köln)
              deutschen Muttersprache)
involvierte   -   NRW: derzeit 19 Einzelsprachen       -   Köln: Deutsch-Türkisch, Deutsch-Italienisch
Sprachen          (Türkisch, Russisch, Griechisch …)
Zielgruppe    -   zweisprachige Kinder                 - alle Kinder einer mehrsprachigen Klasse
Methode:      - max. 5 UE pro Woche                    - 4 UE pro Woche
              - monolingual auf Familiensprache        - Verknüpfung von Deutsch und
                ausgerichteter Unterricht                Familiensprache
              - ein muttersprachlicher Lehrer          - Teamteaching Deutsch- und Türkisch-
              - oft in den Nachmittag ausgelagert        Lehrer
              - oft schul- und                         - integriert in Regelunterricht in der Klasse
                jahrgangsübergreifend organisiert        am Vormittag
3. Kontextsensible mehrsprachige Bildungskonzepte

2. Herkunftssprachliche Bildungsprogramme

  Ergebnisse der vergleichenden Wirksamkeitsstudie (Reich, 2012)
  → Vergleich zwischen deutsch-türkischen Kindern im:
    → im deutsch-türkischen KOALA-Unterricht (KOALA)
    → im herkömmlichen muttersprachlichen Unterricht (D+MU)
    → ohne Förderung in Türkisch (nur Deutsch)
  → Was wurde getestet?:
     → Wort- und Textschreibung, Leseverständnis in beiden Sprachen

  • Ergebnisse am Ende der 4. Klasse (Grundschule):
  1. Türkisch-Kenntnisse: KOALA-Kinder > D+MU-Kinder > nur Deutsch-Kinder
  2. Deutsch-Kenntnisse: KOALA-Kinder > nur Deutsch-Kinder > D+MU-Kinder

  • Vergleich über vier Jahre hinweg:
  1. Die Leistungen schwanken unterschiedlich, je nach Bildungskonzept
  2. Erst nach dem 4. Schuljahr zeigen sich konsistente Vorteile des KOALA-
     Konzeptes. → NACHHALTIGKEIT von MEHRSPRACHIGKEIT
3. Kontextsensible mehrsprachige Bildungskonzepte

3. Regionalsprachliche Bildungsprogramme
  Trilingualer Unterricht in Friesland (van Ruiven & Ytsma, 2008)

  1. Friesisch
  •   seit 1970 offizielle “tweede Rijkstaal”
  •   Sprachgebrauch ca. 55% Friesisch, 45% Niederländisch

  2. Trilinguale Grundschulen in Friesland
  •  seit 1997
  •  2014: 25 basis scholen registriert (steigend)
  •  Sprache als Medium (CLIL-Konzept)
  •  1-6 groep (4-9 Jahre):
    • 50% Niederländisch, 50% Friesisch
  • 7-8 groep (10-12 Jahre):
    • 40% Niederländisch, 40% Friesisch & 20% Englisch

      https://www.youtube.com/watch?v=DStOVr7CGEA&feature=youtu.be
3. Kontextsensible mehrsprachige Bildungskonzepte

3. Regionalsprachliche Bildungsprogramme
  Trilingualer Unterricht in Friesland (van Ruiven & Ytsma, 2008)
  3. Ergebnisse der Wirksamkeitsstudie (ebenda)
  → friesischsprachige und niederländischsprachige Kinder
  → Vergleich:
     → Wer?: Projektschulen (3-talig), Kontrollschulen (CONT), regionaler/nationaler
       Durchschnitt (REG-Ø, NAT- Ø)
     → Was?: Schreib- und Lesekompetenz, Selbsteinschätzung zu Sprachfertigkeit
 Sprache                 Kompetenzbereich             Resultate
 Friesisch               Schreibkompetenz             3-talig > CONT, REG-Ø

 Niederländisch          Lesekompetenz                3-talig = CONT, NAT-Ø
                         Rechtschreibung:             3-talig = CONT < NAT-Ø
 Englisch                Sprachkompetenz:             3-talig = CONT = NAT-Ø
                         positive Selbsteinschätzung: 3-talig > CONT
3. Kontextsensible mehrsprachige Bildungskonzepte

3. Nachbarsprachliche Bildungsprogramme
   Die Euregio Realschule in Kranenburg

  https://www.youtube.com/watch?time_continue=70&v=yPS0ZKITEC4
3. Kontextsensible mehrsprachige Bildungskonzepte

3. Nachbarsprachliche Bildungsprogramme
   Die Euregio Realschule in Kranenburg
  •    Das Ziel:
      • Deutsche und niederländische Einwohner der Grenzregion enger zusammen bringen
      • Verbindung einer deutschen und niederländischen Schulkultur
      • Ermöglichen von Übergängen ins deutsche und niederländische Regelschulsystem
          → Hierin geht die Schule wesentlich weiter als die anderen vorgestellten Konzepte!

  •    Das Konzept:
      • Realschule ab 5. Klasse (groep 7, 10 Jahre)
      • 50%-50% Immersionskonzept (außer Englisch)
      • neben Sprachunterricht (Deutsch, Niederländisch) werden alle weiteren Fächer entweder
          auf Deutsch oder auf Niederländisch unterrichtet
      • Stärkung des Selbstbewusstseins in ALLEN Sprachen (auch andere Herkunftssprachen)
      • Förderung eigenverantwortlichen Lernens durch Wochenplan
      • Kinder müssen bei Eintritt in die Schule NICHT zweisprachig sein
      • Lehrpersonen sprechen beide Sprachen
      • enge Kooperation mit Partnerschule Notre-Dame-des Anges (Ubbergen)
3. Kontextsensible mehrsprachige Bildungskonzepte

3. Nachbarsprachliche Bildungsprogramme
   Die Euregio Realschule in Kranenburg
  •    Die Zukunft:
      • April 2018: erster Testversuch für den Übergang ins niederländische System
          • Zentrale Testung in Niederländisch
          • CITO-Toets Äquivalent
          • Ermöglichen des Übergangs in Voortgezet Onderweijs

      •   August/September 2018: Einrichtung der Zweizügigkeit
          • Aufgrund hoher Anmeldungszahlen werden zum neuen Schuljahr 2018/19 zwei
             neue 5 Klassen eingerichtet
4. Schlussfolgerungen

• Mehrsprachigkeit ist nicht gleich Mehrsprachigkeit
• Die Einbettung von Mehrsprachigkeit im Bildungskontext ist von vielen
  Variablen abhängig
     •   vom vorherrschenden Verständnis von individueller Mehrsprachigkeit
     •   vom vorherrschenden Verständnis von gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit
     •   davon, welchen Stellenwert Mehrsprachigkeit als Bildungsvoraussetzung hat
     •   davon, welchen Stellenwert Mehrsprachigkeit als Bildungsziel hat

• Kontextsensibler Umgang mit Mehrsprachigkeit bedeutet:
     •   … Mehrsprachigkeit als Bildungsvoraussetzung mit Mehrsprachigkeit als
         Bildungsziel in Einklang zu bringen.
     •   … die bereits vorhandene Mehrsprachigkeit in der Umgebung für ALLE Kinder
         nutzbar zu machen.
     •   … die einzelnen Sprachen, die durch mehrsprachiges Lernen gefördert werden,
         NICHT in Konkurrenz miteinander zu betrachten.
     •   … auch immer Mehrkulturalität und Offenheit demgegenüber.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
       Hartelijk bedankt voor uw aandacht!

                 Besonderer Dank
    dem Organisationsteam des Kongresses und
dem Leitungsteam der Euregio-Realschule Kranenburg!
Literatur:

• Centraal Burau voor de StatistiekBS, 21.11.2016. ´”Bevolking naar migratieachtergrond.”
  Abrufbar unter: https://www.cbs.nl/nl-nl/achtergrond/2016/47/bevolking-naar-
  migratieachtergrond , letzter Abruf 20.03.2018.
• Cummins, J. 2007. Rethinking monolingual instructional strategies in multilingual classrooms.
  Canadian Journal of Applied Linguistics. 10/2. 221-240.
• Gogolin, Ingrid. 1994. Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule. Münster/New York:
  Wachsmann.
• Reich, H. 2011. „Sprachstark: Schriftsprachliche Fähigkeiten türkisch-deutscher
  Grundschülerinnen und Grundschüler in Köln. Ein Untersuchungsbericht.“ Köln:
  Bezirksregierung.
• Ruijven, B. van & Ytsma, J. 2008. „Trijtalige Skoalle yn Fryslan. Onderzoek naar de opbrengsten
  van het drietalig onderwijsmodel in Fryslan.“ Leeuwarden: Fryske Akademy.
• Scheer, F. 2016. “Mit Mythen aufräumen. Unterrichtssprachen im enseignement secondaire
  technique”. Forum 365 September 2016. 35-37.
• Bundeszentrale für politische Bildung. 4.4.2018. “Bevölkerung mit Migrationshintergrund I”.
  Abrufbar unter: http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-
  deutschland/61646/migrationshintergrund-i, letzter Abruf 20.03.2018.
• Tracy, R. 2007. “Einführung ins Thema”. In: Frühe Mehrsprachigkeit. Mythen-Risiken-Chancen.
  Kongressdokuentation. Stuttgart: Landesstiftung Badenwürtemberg. 10-15.
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