Meine Zeit steht in Gottes Händen - Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
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Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern elkb Meine Zeit steht in Gottes Händen. Handreichung zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung (4. überarbeitete Auflage 2020) elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 1 11.05.20 15:56
Inhalt 3 Inhalt 4 Grußwort 6 Einleitung 9 Vorsorge treffen 11 Vorsorge zwischen Selbstbestimmung und Angewiesenheit 15 Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung 15 Patientenverfügung 20 Vorsorgevollmacht 21 Betreuungsverfügung 23 Dokumentation bezüglich der Organspende 24 Behandlung im Voraus planen: Advance Care Planning 26 Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter im Horizont biblischer Lebensperspektiven 30 Eine christliche Grundüberzeugung: Der Mensch ist Gottes Ebenbild 34 Selbstbestimmung, Patientenwille und Sterbehilfe 39 Palliativmedizin und Palliative Care 41 Sterben begleiten und zum Sterben bereiten 43 Sterbebegleitung und Sterbehilfe ethisch betrachtet 50 Formulierung eigener Wertvorstellungen 51 Anregungen zur persönlichen Meditation 52 Häufig gestellte Fragen 54 Hilfreiche Adressen 55 Weitere Publikationen 57 Impressum elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 3 11.05.20 15:56
4 Grußwort Grußwort Der Tod gehört zum Leben. Und doch neigen wir dazu, ihn zu verdrängen. Wahrscheinlich ist es menschlich, sich zu Lebzeiten lieber nicht mit dem Tod und mit dem Prozess des Sterbens auseinander- zusetzen. Wenn wir aber doch den Blick auf unser Sterben und auf unseren Tod richten, liegt uns vor allem eines am Herzen: Wir wünschen uns, dass unser Leben in Würde und ohne Schmerzen zu Ende geht. Viele Errungenschaften der modernen Medizin- technik sind ein Segen. Sie verlängern unser Leben und retten es nicht selten. Gleichzeitig kann die Abhängigkeit von der medizinischen Technologie ein Gefühl der Beklemmung hervorrufen. Gerade am Ende unseres Lebens sehnen wir uns nach menschlicher Nähe. Wir haben Angst davor, dass an die Stelle dieser menschlichen Nähe Anonymisierung, Entfrem- dung und emotionale Kälte treten, die wir mit der sogenannten Apparatemedizin verbinden. In unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft spielt die Selbstbestimmung des Einzelnen eine zentrale Rolle. Viele Menschen schätzen die Freiheit der Lebensgestaltung. Ihnen graut vor dem Augenblick, in dem sie nicht mehr in ihrem vertrauten Zuhause leben können. Der Wunsch, so viel Selbstbestimmung wie möglich zu bewahren, wird zu einem existenziellen Bedürfnis, wenn Menschen in einer fremden und unvertrauten Umgebung der eigenen Intimsphäre beraubt und auf Andere angewiesen sind. Angesichts der rasch fortschreitenden Entwicklungen in der Medizintechnik stellt sich immer drängender die Frage von Christen und Christinnen, wie ein achtsames, elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 4 11.05.20 15:56
Grußwort 5 würdevolles und möglichst selbstbestimmtes Sterben aus evangelischer Sicht gelingen kann. Wir freuen uns daher, dass die Handreichung der Evangelisch- Lutherischen Kirche in Bayern zur Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung jetzt in neuer Form vorliegt. Sie wurde im Blick auf die rechtli- chen, medizinischen und ethischen Veränderungen der vergangenen Jahre überarbeitet. Von Herzen danken wir allen, die daran mit ihrer Expertise mitgewirkt haben. Die ethischen Überlegungen, die juristischen Tipps und die Fragen am Ende dieser Handreichung dienen dazu, individuelle Entscheidungsschritte für den letz- ten Abschnitt des Lebensweges vorzubereiten und zu gehen. Wir hoffen, dass diese Handreichung von Patienten, Angehörigen, Ärztinnen, Pflegenden und Seelsorgern zur Hand genommen wird und dabei hilft, Unsicherhei- ten zu überwinden, Ängste zu lindern und Orientierung auf einem schwierigen und schmerzlichen Terrain zu gewinnen. Der Tod gehört zum Leben. Es wäre schön, wenn diese Handreichung ein Anstoß dazu sein könnte, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen und ihn anzunehmen – im Vertrauen darauf, dass Gott uns im Leben und Sterben nicht allein lässt. Ihre/Ihr Dr. Annekathrin Preidel Dr. Heinrich Bedford-Strohm Präsidentin der Landessynode Landesbischof elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 5 11.05.20 15:56
6 Einleitung Einleitung D ank moderner Medizin und intensiver Pflege können heute viele Krankheiten geheilt und Leiden gemindert werden. So sehr dieser Fortschritt auf der einen Seite begrüßt wird, so birgt er doch auch Proble- me. Die medizinisch-technischen Möglich- keiten fordern von uns Menschen1, dass wir in immer mehr Situationen Entscheidungen treffen müssen. Wir sind immer weniger in der Situation, dass wir eine Krankheit als ‚unheilbar‘ hinnehmen müssen. Vieles er- scheint ‚machbar‘ – und unterliegt damit aber auch dem Druck zur Entscheidung. Das gilt nicht nur am Lebensende. Auch im reproduktionsmedizinischen Bereich am Anfang des Lebens müssen zunehmend Entscheidungen aktiv getroffen werden, wo man früher vielleicht ‚hilflos zusehen‘ oder ‚Dinge hinnehmen‘ musste. So sehr wir auf und willentlich in Lebensprozesse eingreifen der einen Seite davon profitieren, dass uns und das Leben so bewusst beenden oder diese Möglichkeiten zur Verfügung stehen, auch erhalten. so sehr müssen wir hierfür aber auch ak- tiv Entscheidungen treffen – die ebenfalls Manche Menschen fürchten, dass ihr Lei- sehr belastend sein können. Im Bereich der den und Sterben verlängert werden könn- Unfall- und Intensivmedizin bedeutet das te, wenn alles technisch und medizinisch schon länger, dass wir der Natur nicht ein- Mögliche auch gemacht wird. Und die fach ihren Lauf lassen, sondern wissentlich gesellschaftlichen wie fachwissenschaftli- 1 In diesem Text verwenden wir männliche bzw. weibliche Bezeichnungen für Personen oder Personen- gruppen in der Regel abwechselnd und beziehen damit alle Geschlechter (weiblich, männlich, divers) ein. In einigen Fällen wird auch das Gerundivum (z. B. Mitarbeitende) verwendet, um alle Geschlechter anzuspre- chen. Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf Unterstriche, Sternchen oder Binnen-I verzichtet. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 6 11.05.20 15:56
Einleitung 7 chen Debatten lassen erkennen, dass solche Maßnahmen, mitunter sogar der Verzicht Befürchtungen nicht völlig unbegründet auf weitere medizinische Behandlungen. sind. Vielfach wird hierbei das Argument der Was zu tun ist, kann letztlich nur aus der Würde ins Spiel gebracht, z. B. dass man es Situation heraus geklärt werden und muss ablehne, „unwürdig“ dahinzuvegetieren und mit den Wünschen, Bedürfnissen und Ver- deshalb weitere medizinische Maßnahmen fügungen des sterbenden Menschen in keine Anwendung finden sollten. Einklang gebracht werden. In vielen Fällen sind die sterbenden Menschen nicht allein, Hier ist genauer hinzusehen: Dem Leben und so ist es auch eine Sache der An- und in Würde kann beides dienen, intensive Zugehörigen, hier – wenn nicht mit zu medizinische und pflegerische Betreuung entscheiden, so doch – über die Entschei- unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten, dungen in Kenntnis gesetzt zu sein und sie aber auch die Begrenzung medizinischer mittragen zu können. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 7 11.05.20 15:56
8 Einleitung Unterm Strich bedeutet das, dass für im- Kraft (§ 1901a und b BGB) und muss von mer mehr Situationen Vorsorge in Form von den behandelnden Ärzten beachtet werden. Entscheidungen und Verfügungen getragen Auf diese Weise kann jeder eine Verfügung werden soll, und diese Entscheidungen und hinsichtlich bestimmter Situationen treffen Verfügungen dann auch klar dokumentiert und darauf vertrauen, dass dieser Verfügung und kommuniziert werden, sodass danach in der entsprechenden Situation Rechnung gehandelt werden kann. getragen wird. Verfügungen wie Patientenverfügung, Vor- Seit 2016 ist das sogenannte „Behandlungen sorgevollmacht und Betreuungsverfügung im Voraus Planen“ (BVP), häufig auch unter haben für die medizinische und pflegeri- dem Begriff Advance Care Planning (ACP), sche Behandlung eine zunehmende Be- eine weitere Form der Vorausverfügung, die deutung in der Begleitung von Menschen allerdings einen anderen rechtlichen Status in ihrer letzten Lebensphase oder in den und eine eingeschränktere Bedeutung hat. Momenten, in denen sie nicht äußerungs- Der Vollständigkeit halber und weil sie eine fähig sind, gewonnen. Seit 2009 hat die Pa- zunehmende Bedeutung gewinnt, soll sie tientenverfügung eine gesetzlich bindende hier auch erwähnt werden. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 8 11.05.20 15:56
Einleitung Warum Vorsorge treffen 9 Warum Vorsorge treffen? Vorsorge zu treffen, wird aus verschiede- erwartet wurden. Vorsorge treffen heißt, für nen Gründen in unserer Gesellschaft immer sich selbst zu sorgen, sich zu befragen, was wichtiger. Erstens verhelfen entsprechende einem selbst wichtig ist und was dafür von Verfügungen dazu, dass dem eigenen Willen anderer Seite getan werden kann und muss, auch dann entsprochen werden kann, wenn damit dieser Wichtigkeit entsprochen wird. man selbst aktuell nicht äußerungsfähig Vorsorge treffen heißt zugleich, die Sorge ist. Zweitens entlasten solche Verfügungen um das eigene Leben (und Sterben) in die Angehörige, Freunde, aber auch behandeln- Hände anderer zu legen, weil man selbst des und begleitendes Personal von der Last, diese Sorge nicht mehr tragen kann. Nicht für die nicht äußerungsfähige Person etwas zuletzt heißt Vorsorge treffen, sich daran zu entscheiden zu müssen – und hierbei auch erinnern, dass Gott uns Menschen zugeru- irren zu können. Drittens werden unsere fen hat: „Darum sage ich euch: Sorgt nicht gesellschaftlichen Lebenszusammenhänge um euer Leben […], denn euer himmlischer immer komplexer. Organisationen versu- Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft“. (Mt chen, möglichst reibungslos ihre Aufgaben 6, 25.31). Die Sorge um das eigene Leben zu verrichten. Und damit wächst die Forde- rung an den Einzelnen, durch entsprechen- de Äußerungen zu dieser Reibungslosigkeit auch im Gesundheitswesen beizutragen. Das mag man bedenklich finden, aber so tragen diese Anforderungen auch dazu bei, dass Vorsorgeverfügungen einen Anstoß bieten, um innezuhalten und das eigene Leben neu zu bedenken. Versteht man Vorsorge so, ist sie einerseits ein Planen und Feststellen-Wollen des eigenen Lebens für die noch unbekannte Zukunft. Andererseits respektiert solch vorsorgendes Handeln, dass dies nur begrenzt möglich ist, weil das Leben selbst Veränderung ist und Situationen eintreten können, die so nicht elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 9 11.05.20 15:56
10 Einleitung Warum Vorsorge treffen und Sterben ist also immer umfangen von vorangegangenen und andauernden Kom- der Sorge der anderen und im Letzten von munikations- und Beratungsprozesses über der Sorge Gottes für uns. Vorsorge treffen diese Sorge. Für sich selbst zu sorgen heißt, heißt dann aber auch, anderen mitzuteilen, darum zu wissen, was einem selbst wichtig wofür Sorge getragen werden soll. ist. Andere für sich sorgen zu lassen heißt, ihnen mitzuteilen, was einem wichtig ist Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Be- und wofür andere Sorge tragen sollen. An- treuungsverfügung, BVP / ACP-Formulare, dere für sich sorgen zu lassen heißt letzt- aber auch Organspendeausweis, Testament lich, sich und anderen zu sagen, woran man und Ähnliches sind Dokumente, die dieser sein eigenes Leben festmacht, wovon es im Form der Sorge Ausdruck verleihen. Und sie Letzten getragen ist. Es heißt aber auch, sind nie nur Dokumente aus Papier, sondern sich der Sorge anderer zu überlassen, weil idealerweise schriftlicher Ausdruck eines man das selbst nicht mehr kann oder will. Dieser Schritt muss kein leichtfertiger sein. Vielmehr kann es ein sehr selbstbewusster Schritt sein, bei dem die eigene Begrenztheit und Schwäche bewusst in die Hände anderer gelegt wird, um hier gut aufgehoben zu sein. Dies erfordert, dass solche Sorge-Verfü- gungen möglichst klar und umfassend ab- gefasst werden, was angesichts komplexer werdender Behandlungsmöglichkeiten und sich verändernder Diskussionslagen nicht einfacher geworden ist. Entsprechend hat sich auch die Anzahl der Verfügungsfor- mulare vergrößert. Das bedeutet nicht, dass jede und jeder alle Formulare für sich aus- füllen müsste. Vielmehr geht es darum, für sich selbst zu sehen, welche Formulare für einen in der jeweiligen Situation notwendig bzw. sinnvoll sind. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 10 11.05.20 15:56
Einleitung Vorsorge zwischen Selbstbestimmung & Abhängigkeit 11 Vorsorge zwischen Selbstbestimmung und Abhängigkeit Sorge orientiert sich an zwei zueinander in rungsbestimmungen ihren Niederschlag fin- Spannung stehenden Grundsätzen: Einer- det und im Alltag umgesetzt werden muss. seits ist da die Autonomie des Patienten, Abhängigkeit wird in unserer Gesellschaft der in der Medizinethik ein hoher Stellen- nicht in der gleichen Weise geschätzt, und wert zukommt und die als Selbstbestim- es gibt viele rechtliche, moralische und so- mung des Menschen einen Teil seiner Würde ziale Regeln, die verhindern sollen, dass ausmacht. Autonomie bedeutet, über sich Menschen in unguter Abhängigkeit von selbst bestimmen zu können und das be- anderen stehen. Zugleich bedarf es aber ei- wusste Zentrum eigener Handlungen, Ziele nes Regelwerks und alltäglicher Praktiken, und Setzungen zu sein.2 Andererseits ist die die eine ‚gute Abhängigkeit‘ zulassen und Abhängigkeit des Menschen eine biologi- garantieren. Das gilt nicht nur für unmün- sche und soziale Tatsache, der wir uns alle dige Kinder, sondern auch für Menschen, stellen müssen. Kein Mensch ist je völlig un- die aufgrund temporärer oder dauerhafter abhängig von anderen Menschen. Es ist aber körperlicher, geistiger oder anderer Ein- auch nicht erstrebenswert, über ein gewis- schränkungen ihre Selbstbestimmung nicht ses Alter (der Kindheit und Jugend) hinaus in dem nötigen Maße ausüben können und von anderen abhängig zu bleiben. auf Unterstützung, Fürsprache, Fürsorge an- gewiesen sind. Allerdings darf es auch geschehen, dass Menschen mit zunehmendem Alter und da- Es ist Aufgabe der Gesellschaft, durch Regeln mit verbundenen Einschränkungen wieder und Praktiken die Bedingungen zu schaffen, abhängiger von anderen werden. Das Wech- damit Menschen ihr Leben zwischen den selspiel aus Selbstbestimmung und Abhän- Polen von Abhängigkeit und Selbstbestim- gigkeit ist kompliziert und lässt sich nicht mung gestalten können. Und es ist Aufgabe prinzipiell nach seinen Anteilen regeln. des einzelnen Menschen, sich dieser Gestal- tungsaufgabe nach den eigenen Möglich- In unserer Gesellschaft hat die Selbstbe- keiten zu stellen – und sie nicht anderen zu stimmung des Einzelnen einen sehr hohen überlassen bzw. dieses Sich-Überlassen als Stellenwert, die in der Rechtsprechung von einen bewussten Akt gemeinsam mit den der Verfassung bis zu einzelnen Ausfüh- betreffenden Menschen zu gestalten. 2 Peter Bieri, Eine Art zu leben. Über die Vielfalt menschlicher Würde, Frankfurt, Fischer 2015. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 11 11.05.20 15:56
12 Einleitung Vorsorge zwischen Selbstbestimmung & Abhängigkeit Autonomie Der Begriff der Autonomie, insbesondere der Patientenautonomie, hat einen wichtigen Stellenwert in den Sorgehandlungen und Versorgungsprozessen im Gesundheitswesen. Ein wichtiger Impuls hierfür war die beklemmende Erfahrung, wie menschenverachtend medizinisches Handeln im „Dritten Reich“ sein konnte. Menschen wurden schlichtweg zu Material medizinischer Forschung degradiert, oder zu dem, was Forschung genannt wurde. Dieser Erfahrung wurde das Konzept der Patientenautonomie entgegengesetzt und der Grundsatz, dass kein Mensch medi- zinisch oder pflegerisch behandelt werden dürfe, solange diese Person nicht aus- drücklich über die Maßnahme und ihre möglichen Folgen aufgeklärt wurde und der Behandlung zugestimmt habe. Dieses Verständnis von Patientenautonomie im Sinne einer Selbstbestimmung über den eigenen Körper, im weiteren Sinne aber auch über die eigene Person, ist ele- mentar für die Ethik im Gesundheitswesen. Zudem versteht sie sich als unmittelbarer Ausfluss der individuellen und unveräußerlichen Menschenwürde. Diese Aufgabe gewinnt auch darin ihre Ge- Vertretung berechtigt sind und das darüber stalt, wie ein Mensch sich über diese Fragen in Kenntnis setzt, was die beauftragende kundig macht, sie mit anderen bespricht und Person tatsächlich will. Andernfalls wird die- zu eigenen Bestimmungen kommt im Blick se Stellvertretung schwerlich Anerkennung auf Entscheidungen im Krankheitsfall, bei und Umsetzung finden. Geschäftsunfähigkeit, bei Verlust der Sprach-, Äußerungs- und Orientierungsfähigkeit und Wer sich entscheidet, nichts zu entscheiden, am Lebensende. Verfügungen sind das zu sollte sich bewusst sein, dass diese Nicht- Schrift gewordene Dokument dieser Orien- Entscheidung unter Umständen anderen tierungs- und Gestaltungsbemühungen. (z.B. Angehörigen oder behandelnden Ärz- ten) enorme Lasten auferlegt. Denn die Ent- Es mag Menschen geben, die entscheiden, scheidungen anderer für einen selbst stehen dass sie nichts entscheiden wollen oder immer unter der bedrängenden Vermutung, diese Entscheidung bewusst in die Hände geirrt und falsch entschieden zu haben. anderer übergeben. Letzteres gelingt nur, wenn die beauftragten Menschen dann tat- Dem mündigen Bürger wurde mit der recht- sächlich ein entsprechendes Dokument in lichen Verbindlichkeit der Patientenverfü- der Hand halten, das nachweist, dass sie zur gung im Patientenverfügungsgesetz viel elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 12 11.05.20 15:56
Einleitung Vorsorge zwischen Selbstbestimmung & Abhängigkeit 13 Selbstverantwortung übergeben, aber auch se nicht in dem erwarteten Umfang gege- zugemutet. Damit sind zwei Herausforde- ben ist. Es lässt sich eben nicht alles in allen rungen für den Einzelnen, aber auch für die Einzelheiten voraussehen und vorausplanen. Gesellschaft verbunden: Christenmenschen wissen, dass mensch- 1. Menschen können sich nun gefordert se- liches Leben nicht isoliert, nur auf sich hen, eine Patientenverfügung zu erstellen selbst bezogen verstanden werden kann. und sich zugleich durch die Aufgabe über- Der Mensch lebt in Beziehung zu Gott, zum fordert fühlen. Hier müssen Gesellschaft Mitmenschen und zur Mitwelt. Das heißt und Institutionen Wege finden, diese Men- schließlich, dass eine vorsorgende Verfügung schen anzusprechen und zu unterstützen. immer vorläufig ist. Und dass sie eingebet- 2. Das Verfassen einer Patientenverfügung tet ist in einen sozialen Zusammenhang, aus kann eine Verfügbarkeit über die letzte dem sie zu verstehen und in dem sie gelebt Lebensphase suggerieren, die möglicherwei- werden will. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 13 11.05.20 15:56
14 Einleitung Vorsorge zwischen Selbstbestimmung & Abhängigkeit Eigene Überlegungen Um sich selbst auf die Spur zu kommen und zu formulieren, was einem im Leben und Sterben wichtig ist, kann es hilfreich sein, sich mit folgenden Fragen zu beschäftigen: Wie lebe ich mein Leben, was erwarte ich davon, was will und kann ich dafür tun? Was bedeutet für mich Sterben? Welche Vorstellungen habe ich davon? Verbinde ich damit spezielle Wünsche oder Befürchtungen? Was wäre mir unter allen Umständen wichtig? Was kann und will ich dafür tun? Wer soll bei mir sein und mich begleiten? Wofür will ich vorsorgen, was will ich an andere übergeben? Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bay- Zeitpunkt, um das Thema mit dieser Per- ern plädiert dafür, den Schutz von Leben son bzw. diesen Personen zu besprechen? und Menschenwürde sowie den Respekt Unter Umständen braucht es auch mehrere vor Selbstbestimmung und Patientenau- Gesprächstermine, weil es nicht einfach ist tonomie möglichst immer eingebettet in und nicht schnell geht, solche Fragen zu Vertrauensbeziehungen zu betrachten. Wer besprechen und zu tragfähigen Entschei- sich mit seiner Ärztin und seiner Vertrau- dungen zu kommen. ensperson (Bevollmächtigtem oder Vertre- terin) intensiv berät, kann darauf vertrau- Die Seelsorgerinnen und Seelsorger in en, dass sein in einer Patientenverfügung Krankenhäusern, in Alten- und Pflegehei- niedergelegter Wille auch im Zweifelsfall men oder auch in der Gemeinde, Fachkräf- gut zum Tragen kommen wird. Dabei ist te in Pflegestützpunkten oder Pflegebera- es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, an tungen, vom Sozialdienst, in Hospizen oder welchen Orten die Fragen nach dem Ster- palliativen Einrichtungen3 und insbeson- ben und seiner Begleitung aufkommen dere auch die Hausärzte stehen für solche können, und welche Personen einem hier Gespräche in der Regel zur Verfügung. Es zur Seite stehen können. Wer erscheint als ist gut, das Gespräch zu suchen, sei es für eine geeignete Person, um diese Fragen zu sich selbst oder auch für einen Angehöri- besprechen? Von welcher Person will man gen, für den man Sorge trägt. sich im gegebenen Fall fürsprecherisch vertreten lassen? Wann ist ein geeigneter 3 Die deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin hat im Netz einen Wegweiser aufgestellt, der Menschen dabei hilft, für Ihre eigene Situation oder für Ihre Angehörigen die entsprechenden Angebote zu finden: https://www.wegweiser-hospiz-palliativmedizin.de/de/ elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 14 11.05.20 15:56
Verfügungen & Vollmacht Patientenverfügung 15 Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung I m Folgenden sollen die verschiedenen Vorsorgeformulare dargestellt und in ih- rer Funktion erläutert werden. Schließlich diesen Zusammenhang gehören die gesetz- lich verbriefte Respektierung des Patienten- willens und die Erhebung und Dokumenta- wird noch auf Zusammenhänge hingewie- tion des Patientenwillens an den verschie- sen, die es beim Ausfüllen der verschiede- denen Orten. nen Formulare zu beachten gilt. Die drei Verfügungen (Patientenverfügung, Die Versorgungslandschaft hat sich in den Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfü- letzten Jahren stark ausdifferenziert. Pal- gung) haben unterschiedliche Geltungs- liativmedizin, Palliative Care und Hospize bereiche und sind für unterschiedliche haben einen ganz wesentlichen Anteil da- Adressaten gedacht. In allen drei Fällen ran, dass die Begleitung am Lebensende aber geht es darum, dass eine Person ihren eine neue Aufmerksamkeit erhalten hat Willen hinsichtlich bestimmter Entschei- und dieser Aufmerksamkeit neue Orte bzw. dungen im Voraus verfügt und mit diesen veränderte Bedingungen entsprechen. In Verfügungen dokumentiert. Patientenverfügung Solange Menschen selbst orientiert und nen alle Menschen, jüngere und ältere, äußerungsfähig sind, brauchen sie keine gesunde und kranke, im Voraus Bestim- Patientenverfügung, weil sie direkt ange- mungen für medizinische Behandlungen sprochen, befragt und dementsprechend festlegen und damit Vorsorge für die Ge- behandelt werden können. Schwierig wird stalt und die Qualität ihres Lebens in der es, wenn Behandlungsentscheidungen an- letzten Lebensphase bzw. für Situationen stehen, zu denen die Menschen selbst nicht treffen, in denen sie selbst ihren Willen befragt werden können. In solchen Fällen nicht mehr äußern können. Die Patien- dienen Patientenverfügungen als eine tenverfügung dokumentiert den Willen Vorausverfügung. in Bezug auf ärztliche bzw. pflegerische Mit Hilfe einer Patientenverfügung kön- Maßnahmen. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 15 11.05.20 15:56
16 Verfügungen & Vollmacht Patientenverfügung auch die Tatsache, dass die beauf- tragte Person in der vorausverfügten Weise für den Beauftragenden zu agieren hat. Im Falle von Unsicher- heit, wie diese mündliche Verfügung in der gegebenen Situation zu ver- stehen ist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das behandelnde Team dem eigenen Urteil hinsichtlich des mutmaßlichen Patientenwillen folgt. Die schriftliche Patientenverfü- gung ist für die behandelnden Ärzte verbindlich. Es muss jedoch zweifelsfrei klar sein, wie der darin geäußerte Wille in der aktuell ge- gebenen Situation zu verstehen ist. Außerdem muss sichergestellt sein, dass der Patient seine Meinung inzwischen nicht geändert hat. Eben deshalb ist es wichtig, eine Patientenverfügung möglichst un- Die Patientenverfügung muss schrift- missverständlich und konkret zu formulie- lich vorliegen, damit sie nach dem Gesetz ren und sie gegebenenfalls (zum Beispiel (§ 1901 a BGB) bindend ist. Mündliche Ein- bei Veränderung der Lebenssituation) zu lassungen haben nicht den Status einer Pa- bestätigen oder zu ändern. Deshalb ist die tientenverfügung. Im Fall einer mündlichen Datierung der Patientenverfügung wich- Verfügung müssen die entsprechenden tig, weil sich daran ablesen lässt, ob diese Personen (behandelnde Ärzte, andere Ver- Verfügung (oder bestimmte Passagen da- trauenspersonen) sehr klar und unmissver- raus) dem letzten Stand entsprechen. ständlich instruiert worden sein. Das betrifft Patientenverfügungen, in denen sich ver- nicht nur den Inhalt der Verfügung, sondern schiedene Varianten mit unterschiedli- elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 16 11.05.20 15:56
Verfügungen & Vollmacht Patientenverfügung 17 chem Datum finden, machen deutlich, dass wortlich Handelnden interpretiert werden, sich die Person schon länger mit diesen um Anwendung finden zu können. Je klarer Fragen beschäftigt hat und über die Zeit das Bild ist, das sich behandelnde oder für- gegebenenfalls auch ihre Einstellung geän- sprechende Personen machen können von dert hat. dem Menschen, der eine Patientenverfü- gung abfasst, desto wahrscheinlicher ist es, Unabhängig davon, wie klar eine Patienten- dass sie in der Interpretation der Patienten- verfügung formuliert ist, gilt immer: Sie muss verfügung für eine entsprechende Situation in der aktuellen Situation von den verant- dem Willen des Verfügenden entsprechen. Patientenverfügung Wer eine Patientenverfügung ausfertigt, sollte sich am besten mit einem Arzt bzw. einer Ärztin seines Vertrauens über die möglichen Optionen verständigen, um in der Verfügung die Anweisungen für die jeweiligen Situationen so klar wie möglich zu formulieren. Diese Patientenverfügung sollte in einem datierten und unterschriebe- nen Exemplar bei diesem Arzt hinterlegt sein, das andere Exemplar sollte die verfü- gende Person bei sich zu Hause oder einem anderen bekannten und gut erreichbaren Ort aufbewahren. Einzelne Passagen in der Patientenverfügung können im Verlauf der Zeit geändert werden – z. B. weil sich Situationen oder Einstellungen verändert haben. Diese Ände- rungen sollten in allen Exemplaren eingetragen und mit dem aktuellen Datum ver- sehen und unterschrieben sein. So muss nicht die ganze Patientenverfügung neu formuliert werden. Patientenverfügungen können auch als ganze jederzeit formlos widerrufen werden, aber auch das muss für andere zweifelsfrei erkennbar sein. Wichtig ist in jedem Fall, dass die in der Verfügung Bevollmächtigen über diese Änderungen informiert worden sind und sie mit den entsprechend geänderten Formularen ausgestattet werden. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 17 11.05.20 15:56
18 Verfügungen & Vollmacht Patientenverfügung © Rolf van Melis/PIXELIO Bei der Patientenverfügung ist die Verwen- sich selbst ein Verständnis für die in Frage dung eines Formulars mit vorgegebenen stehenden Entscheidungen zu bekommen. Texten zweckmäßig, weil die häufigsten Si- Darüber hinaus helfen entsprechende Be- tuationen, für die eine Patientenverfügung ratungsgespräche, in der Abfassung der wirklich hilfreich sein kann, dort erwähnt Patientenverfügung einen möglichst hohen und die gewählten Formulierungen eindeu- Grad an Eindeutigkeit und Verbindlichkeit tig sind. Von Freitext wird abgeraten, weil zu erreichen. dieser in der Regel nicht die notwendige Präzision erreicht. Sollten Sie – wie in man- Eine Patientenverfügung entsteht idealer- chen Formularen zur Patientenverfügung weise im Dialog mit Familienangehörigen, vorgeschlagen – einen freien Text zu Ihren mit Freunden und Ärzten, also mit Men- „Wertehaltungen“ formulieren, so ist es rat- schen des eigenen Vertrauens. Das sind dann sam, diese Passagen noch einmal mit der auch die Personen, die für einen sprechen Hausärztin oder anderen kundigen Perso- können, wenn es um die Auslegung der Pa- nen abzusprechen. So lässt sich vermeiden, tientenverfügung in der jeweiligen Situati- dass zwischen den Angaben in vorgegebe- on geht. nen Texten und ihren freien Formulierun- Sie haben die Möglichkeit, in der Patienten- gen Widersprüche entstehen. In jedem Fall verfügung einen Vorsorgebevollmächtigen sollte man von bestehenden Beratungs- oder auch einen Betreuer zu benennen. möglichkeiten Gebrauch machen, um für Gespräche um die Patientenvollmacht ha- elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 18 11.05.20 15:56
Verfügungen & Vollmacht Patientenverfügung 19 ben jedoch nicht nur medizinische bzw. bewunsch angesichts sinkender Lebenskraft pflegerische Fragen zum Thema. In einer oder einer tödlich verlaufenden Krankheit. sehr grundsätzlichen Weise kann es in sol- Neben Ärztinnen und Ärzten sind auch die chen Gesprächen auch um die Bilanz des Seelsorgenden in der Gemeinde, im Alten- eigenen Lebens, um Sinnfragen, um Ver- heim oder Krankenhaus ansprechbar auf strickungen, erlebte Schuld oder ungelöste diese Themen. Sie haben Zeit und können Konflikte gehen. Fragen danach, ob und wie helfen, mit der Fülle, dem Bedrängenden es nach diesem Leben weitergeht, können oder dem nicht mehr Aushaltbaren, dem hier ebenso eine Rolle spielen wie ein Ster- kaum Aussprechbaren umzugehen. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 19 11.05.20 15:56
20 Verfügungen & Vollmacht Vorsorgevollmacht Vorsorgevollmacht Wenn Sie wollen, dass jemand für Sie ei- nen eingeschriebenen Brief bei der Post abholt, müssen Sie dieser Person eine Vollmacht ausstellen, mit der sie sich ausweisen kann, dass sie in Ihrem Sinne und entscheidungsfähigen Vollmachtgebers. Die mit Ihrem Willen handelt. Mit einer Vor- Bevollmächtigten sind dabei zwar an die sorgevollmacht bestimmen Sie, wer Sie in Vorausverfügungen z. B. in der Patienten- welchen Regelungsbereichen des täglichen verfügung gebunden, aber – wie ausgeführt Lebens vertreten soll. Das kann medizini- – Patientenverfügungen sind nicht immer sche Behandlungsentscheidungen betref- selbsterklärend und müssen im konkreten fen, aber auch Geld- oder andere Rechts- Anwendungsfall gegebenenfalls interpre- geschäfte. Vorsorgevollmachten können tiert werden. Deshalb setzt eine Vorsorge- für verschiedene Regelungsbereiche erteilt vollmacht ein in Gesprächen gewachsenes werden und auch auf verschiedene Perso- persönliches Vertrauen zwischen Vollmacht- nen aufgeteilt werden. geber und Bevollmächtigtem voraus. Diese Gespräche setzen den Bevollmächtigten da- Für den Fall, dass eine Person nicht mehr rüber in Kenntnis, was dem Vollmachtgeber vollständig orientiert, äußerungs- oder wichtig ist und voran der Bevollmächtige handlungsfähig ist, kann sie im Voraus ne- sich in seinen stellvertretenden Entschei- ben der Patientenverfügung eine Vorsorge- dungen orientieren sollte. vollmacht erteilen. Diese bezieht sich auch auf Entscheidungen, die über unmittelbar Mit der Vorsorgevollmacht sollte eine Ver- medizinische Behandlungen hinausgehen. trauensperson betraut werden, die die be- Das betrifft insbesondere Geld- und Rechts- auftragende Person gut kennt und bereit ist, geschäfte. Mit der Vorsorgevollmacht wird eine Fürsprecherrolle für sie einzunehmen. der Bevollmächtigte zum Vertreter der Per- Das stärkt noch einmal die Beachtung der son, d.h., er oder sie entscheidet an Stelle Patientenverfügung. Denn man muss von des nicht mehr oder nicht vollumfänglich der Möglichkeit ausgehen, dass der behan- elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 20 11.05.20 15:56
Verfügungen & Vollmacht Betreuungsverfügung 21 delnde Arzt nicht alle seine Patienten so gevollmacht auszustellen, wenn in einem gut kennt. Die bevollmächtigte Person kann intensiven Gespräch zwischen der betroffe- hingegen – aus der Kenntnis der Person und nen Person und der bzw. dem Bevollmäch- ihrer Wünsche – bei der Interpretation der tigten die Behandlungswünsche formuliert schriftlichen Verfügung helfen. Deshalb ist wurden und auf eine schriftliche Fixierung eine Vorsorgevollmacht eine gute und wich- verzichtet wurde. Für die behandelnden tige Ergänzung zur Patientenverfügung. Ärzte ist das aber nicht im gleichen Maße präzise wie eine schriftlich abgefasste Pati- Natürlich besteht auch die Möglichkeit, auf entenverfügung. Zudem dürfte die Verant- die Erstellung einer Patientenverfügung wortung und ggf. auch die Belastung der ganz zu verzichten und nur eine Vorsor- Bevollmächtigten gesteigert werden. Betreuungsverfügung Es gibt auch Situationen, in denen im nä- verfügungen betreffen – vergleichbar der heren Umfeld keine Person gefunden wer- Vorsorgevollmacht – Situationen, in denen den kann, die die Rolle eines oder einer die betreffende Person die entsprechenden Bevollmächtigten ausfüllen kann. Oder es rechtsverbindlichen Akte nicht mehr selbst besteht kein ausreichendes Vertrauen zu durchführen kann. den nahestehenden Personen, weshalb diese nicht mit Vollmachten ausgestattet wer- Alle Vorsorgeinstrumente, die Patienten- den sollen. In diesen Fällen ist es möglich, verfügung, die Vorsorgevollmacht und die eine Betreuungsverfügung auszustellen, in Betreuungsverfügung sind im Bürgerlichen der festgelegt ist, dass im Bedarfsfall vom Gesetzbuch rechtlich geregelt. Vormundschaftsgericht ein Betreuer einge- setzt werden soll. Zugleich können damit Bei der schriftlichen Abfassung einer Patien- auch Personen ausdrücklich von der Betreu- tenverfügung, einer Vorsorgevollmacht oder ung ausgeschlossen werden. Betreuungs- Betreuungsverfügung sollten Sie unbedingt elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 21 11.05.20 15:56
22 Verfügungen & Vollmacht Betreuungsverfügung solche Vordrucke verwenden, die der jeweils rin, ihre Vorstellungen zu formulieren. aktuellen Rechtslage entsprechen. Im Eingangsteil dieser Broschüre werden in verständlicher Sprache die wichtigsten Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Fragen zum Thema aus juristischer, medi- Bayern empfiehlt, die Broschüre und zinischer und praktischer Perspektive be- Formularvorlagen „Vorsorge für Unfall, antwortet. Daneben finden sich die ent- Krankheit und Alter“, herausgegeben sprechenden Formulare. vom Bayerischen Staatsministerium der Die Broschüre des bayerischen Justizmi- Justiz, für die Abfassung von für Pati- nisteriums wird kontinuierlich gemäß der entenverfügung, Vorsorgevollmacht und jeweils gültigen Rechtslage und dem neu- Betreuungsverfügung zu nutzen. Diese esten Stand des medizinischen Wissens ak- Broschüre klärt umfassend auf und un- tualisiert. An ihrer Fortschreibung arbeiten terstützt die interessierten Personen da- Juristinnen, Sozialpädagogen, Theologinnen, elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 22 11.05.20 15:56
Verfügungen & Vollmacht Dokumentation Organspende 23 Pflegekräfte und Ärzte mit und bringen ihre lage vom September 2019 vor; sie steht unterschiedlichen Erfahrungen ein. Sie kön- kostenlos im Internet. nen die Verfügungen auch online ausfüllen und haben am Ende eine elektronische und In jedem Fall ist zu beachten, dass Patienten- ausdruckbare Version zu Ihrer Verfügung verfügungen mit dem Tod des Verfügenden (https://patientenverfuegung.beck.de/). enden, wohingegen die Bevollmächtigung aus einer Vorsorgevollmacht oder einer Betreu- Die Broschüre „Vorsorge für Unfall, Krank- ungsverfügung über den Tod hinausreicht. heit und Alter“ liegt aktuell in der 19. Auf- Dokumentation bezüglich der Organspende Die Vielzahl der Verfügungen bringt es mit Widerspruch. Die Organtransplantation er- sich, dass diese nicht nur jeweils eigene Be- fordert es, dass zum Erhalt der Organe ent- reiche regeln, sondern sich auch überkreu- sprechende Maßnahmen ergriffen werden, zen können, sodass geprüft werden muss, ob die durch die Patientenverfügung eigent- es hier nicht zu widersprüchlichen Aussagen lich ausgeschlossen sind. Hier sollten in den kommt, die im Ernstfall von den Bevoll- entsprechenden Beratungsgesprächen die mächtigten oder den behandelnden Ärzten verschiedenen Verfügungen angesprochen nur schwer zu interpretieren sind. Wer z. B. und miteinander abgeglichen werden, so in einem Organspendeausweis seine Spen- dass unmissverständliche Formulierungen debereitschaft für innere Organe wie Niere, gefunden werden. Im oben genannten Fall Leber, Herz oder Lunge erklärt und zugleich ist es möglich, den Widerspruch durch einen in einer Patientenverfügung für den Fall des entsprechenden Passus aufzulösen. Hilfrei- unabwendbaren und unmittelbaren Sterbe- che Informationen sind im Musterformular prozesses erklärt, keine lebenserhaltenden bei Putz / Steldinger, S. 299; zur Informati- Maßnahmen zu wollen, stellt die Inter- on vgl. Praxis Palliative Care Heft 44 / 2019 preten der beiden Verfügungen vor einen zu finden. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 23 11.05.20 15:56
24 Verfügungen & Vollmacht Advance Care Planning Behandlung im Voraus planen: Advance Care Planning4 Neben den genannten Verfügungen ge- te Lebensphase häufig mit dem Einzug in winnt die Gesundheitliche Versorgungspla- eine entsprechende Einrichtung verbunden. nung für die letzte Lebensphase eine zu- Hier sind dann aber nicht nur medizinische nehmende Bedeutung. Der demographische Behandlungsentscheidungen bedeutsam, Wandel bringt es mit sich, dass Menschen vielmehr noch ist die Orientierung über statistisch gesehen ein immer höheres Al- pflegerische Maßnahmen und die Betreu- ter erreichen und aufgrund dieses Alters ung in der letzten Lebensphase entschei- mit altersassoziierten Krankheiten und Ein- dend – eine Lebensphase, in der vielleicht schränkungen konfrontiert sind. Zugleich nichts mehr zu machen, sehr wohl aber verändern sich die Familienstrukturen, so noch eine Menge zu tun ist – so auch der dass viele alte Menschen nicht in ihren Fa- Buchtitel der Palliative Care-Spezialisten milien gepflegt werden können – oder dies Stein Husebø, Andreas Heller und Kathari- auch gar nicht wollen. Und so ist die letz- na Heimerl: Wenn nichts mehr zu machen 4 Eine gute, knappe Darstellung von Advance Care Planning (ACP bzw. BVP) findet sich im Internet unter folgendem Link: https://www.christophorus-akademie.de/images/pdf/Allgemein/acp_info_170324.pdf elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 24 11.05.20 15:56
Verfügungen & Vollmacht Advance Care Planning 25 ist, ist noch viel zu tun. Wie alte Menschen Das entsprechende Formular wird in ei- würdig sterben können, Freiburg (Lamber- nem ausführlichen Erstgespräch, dem dann tus) 2007. noch weitere Gespräche folgen können, ausgefüllt und orientiert die Mitarbeiten- Das Angebot der Gesundheitlichen Versor- den dieser Einrichtung über die jeweiligen gungsplanung, das in Deutschland auch Wünsche und Vorstellungen der Bewohner unter dem englischen Titel Advance Care oder Patienten. Die Gespräche werden je Planning bekannt ist, gilt nur in stationären nach Situation mit der einziehenden Person Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für und ihren vertretungsberechtigten Personen Menschen mit Behinderungen. Die Einrich- (Angehörigen) geführt oder – wenn es an- tungen müssen das Gesprächsangebot für ders nicht mehr möglich ist – nur mit den ein vorausplanendes Handeln machen, die Angehörigen bzw. vertretungsberechtigten Patientinnen sind ihrerseits nicht verpflich- Personen. Für solche Gespräche ist dann tet, dieses Angebot anzunehmen. Gegebe- eine bestehende Patientenverfügung sehr nenfalls wird das Gesprächsangebot zu einem hilfreich, weil sie über wesentliche Punkte späteren Zeitpunkt noch einmal erneuert. schon einmal informiert. Advance Care Planning (ACP) Im 2015 verabschiedeten Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) wurde in § 132g SGB V das Angebot einer „Gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebenspha- se“ in Pflegeeinrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe verankert. „Gesundheitli- che Versorgungsplanung“ ist eine der vielen Übersetzungen von „Advance Care Plan- ning“ (ACP). Im deutschsprachigen Raum wird auch die Bezeichnung „Behandlung im Voraus planen“ (BVP) verwendet. In Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe können sich Bewohner, die gesetz- lich krankenversichert sind, über die medizinisch-pflegerische Versorgung und Be- treuung in der letzten Lebensphase beraten lassen. Ihnen sollen Hilfen und Angebote der Lebensplanung und der Sterbebegleitung aufgezeigt werden. Im Rahmen von Fallbesprechungen soll nach individuellen Entscheidungen am Lebensende in Not- situationen gefragt und beraten werden. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 25 11.05.20 15:56
26 Vorsorge im Horizont biblischer Lebensperspektiven Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter im Horizont biblischer Lebensperspektiven D er christliche Glaube versteht das Leben als ein Geschenk Gottes. Das Leben je- des Einzelnen ist in seiner Weise wunderbar und jeden von uns, sich der Frage zu stellen, worauf es im eigenen Leben ankommt und welche Gestalt man selbst ihm geben kann und einzigartig. Das Leben als Vollzug ist und soll – wozu wir in der Regel durch Er- zugleich auch eine Forderung, aus diesem ziehung und Bildung befähigt werden. Leben etwas zu machen. Es führt sich nicht von selbst, es soll auch nicht von anderen „Die wichtigste Lebensaufgabe des Men- geführt werden, sondern es fordert jede schen besteht darin, sich selbst zur Geburt zu verhelfen und das zu werden, was er potentiell ist. Das wichtigste Ergebnis seines Bemühens ist die eigene Persön- lichkeit“5 , so sagt es der Psychoanalyti- ker Erich Fromm. Diese Lebensaufgabe stellt sich für uns alle gleichermaßen. Allerdings verfügen nicht alle über die gleichen Startbedingungen und Möglichkeiten (Bildung, Einkommen, Status, körperliche und geistige Fä- higkeiten), um dieser Aufgabe mit der gleichen Energie und Aussicht auf „Er- folg“ nachzugehen. Deshalb gehört es zu den solidarischen Aufgaben unserer Gesellschaft, Menschen bei dieser Le- bensaufgabe zu unterstützen, ohne sie zu bevormunden. Das gilt gleicherweise für Kinder, Jugendliche oder Erwach- sene mit geistigen oder körperlichen Ein-schränkungen. Das gilt schließlich auch für Menschen, die altersbedingt mit Einschränkungen zu kämpfen ha- 5 Erich Fromm: Psychoanalyse und Ethik, in: Gesamtausgabe Bd. 2, Stuttgart (DVA) 1980, S. 149). elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 26 11.05.20 15:56
Vorsorge im Horizont biblischer Lebensperspektiven 27 ben. Auch Ihnen sollte unsere Bemühungen gelten, dass sie bis zuletzt ihr eigenes Leben führen können. Christlich gesprochen beruhen diese Bemü- hungen nie allein auf der eigenen Kraft und dem eigenen Vermögen. Auch ist das Ziel dieser Lebensaufgabe, die eigene Persön- lichkeit, nicht ausschließlich Ergebnis un- serer eigenen Zielsetzungen. Christenmen- lichkeit des Lebens unterstreicht noch einmal schen wissen darum, dass der Grund ihrer die Notwendigkeit, Entscheidungen für das Persönlichkeit in der Personwerdung durch eigene Leben zu treffen und ihm – soweit Gottes Geist und seinen Anruf liegt (vgl. das in der eigenen Verfügung steht – eine Gen 1,27f.). Dies ist eine Vor-Gabe, die dem ganz individuelle Gestalt zu geben. Darin eigenen Leben und allen eigenen Bemühun- liegt nicht zuletzt auch ein wesentliches Mo- gen vorausliegt. Schließlich ist das letzte ment der Würde eines jeden Menschen. Der Wort über unserem Leben, und was daraus Tod ist ein harter Einschnitt, denn er beendet geworden ist und noch werden mag, kein unweigerlich jedes irdische Leben. Damit ist menschliches Wort – so freundlich es ange- dem Menschen jede Möglichkeit genommen, sichts des Todes oder über dem Grab auch über sein Leben zu verfügen. Angesichts der sein mag. Gott behält sich hier das letzte Macht des Todes erfährt der Mensch seine Wort vor. Was wir sind und was wir noch vollständige Machtlosigkeit. sein werden, das liegt in Gottes Handeln be- schlossen (vgl. 1 Kor 15, 35–49). Im Zentrum des Evangeliums steht jedoch die Überwindung der Macht des Todes Zum Leben gehört auch das Sterben und durch Gottes Heilshandeln. Der Tod ist nicht damit die Endlichkeit alles irdischen Lebens. das letzte Wort über unserem Leben, und In der Bibel wird darauf hingewiesen: „Herr, auch die Gestalt unseres Lebens wird nicht lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, durch den Tod bestimmt, sondern durch auf dass wir klug werden“ (Ps 90, 12). Das An- Gottes Leben schaffendes und erhaltendes erkennen der eigenen Sterblichkeit macht le- Handeln. Was unser Leben im Letzten und benstüchtig. Die Begrenztheit und Zerbrech- als Ganzes ausmacht, das liegt am Ende nicht elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 27 11.05.20 15:56
28 Vorsorge im Horizont biblischer Lebensperspektiven bei uns und unseren Plänen, sondern im Han- Scham verbunden und mit dem Wunsch, deln Gottes, das unsere Möglichkeiten und anderen nicht zur Last fallen zu wollen. Hier Pläne übersteigt. Die Verheißung, die Paulus kämpft nicht selten der Wunsch nach Selb- den Christenmenschen zuruft, lautet: „Dar- ständigkeit mit der Scham, gewisse Dinge um: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue nicht mehr zu können, und der Ohnmacht, Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe Neues dem Verlust eigener Stärke und Vermögen ist geworden. Aber das alles von Gott, der uns nichts entgegensetzen zu können. mit sich selbst versöhnt hat durch Christus“ (2Kor 5, 17f.) Zu diesen zweifelsohne berechtigten psy- chischen Schmerzen kommen häufig krank- Die Überwindung von Sterben und Tod wird heitsbedingt physische Schmerzen hinzu, die an der Person Jesu Christi erkennbar. Er ist einem Menschen die Sinne und den Sinn für einen grausamen Tod gestorben, aber er ist alles andere rauben können. Auch wenn wir durch Gottes Kraft aus dem Tod auferstan- persönlich über keinerlei eigene Erfahrung den zu einem neuen Leben. Christen glauben im Sterben verfügen können, so reicht uns darum, dass jedes Sterben von Christus um- doch oft ein Hörensagen oder ein Erlebnis fangen ist: Nichts trennt uns von seiner Nähe im Umfeld. Es reicht, um Angst zu haben und (Röm 8,34–39). Uns allen ist versprochen, dass für sich selbst zu entscheiden: „So will ich das wir nach dem Tod bei Gott geborgen sind. nicht erleben!“ Umgekehrt gibt es den weit Denn Gott allein ist Herr über Leben und Tod. verbreiteten Wunsch, möglichst schmerz- frei und im Kreis „seiner Lieben“ sanft ein- Trotzdem fällt uns der Gedanke an das ei- zuschlafen. Die einen wünschen sich einen gene Sterben nicht leicht. Werde ich allein möglichst schnellen Tod, der sie unvorberei- sein, oder vertraute Menschen um mich ha- tet mitten aus dem Leben reißt. Andere wie- ben? Werde ich in fremder oder vertrauter derum wollen sich auf ihren Tod vorbereiten Umgebung sterben? Werde ich unerträgli- und überlegen sich minutiös alle Schritte bis che Schmerzen haben, oder werde ich ohne zur Gestalt der Abschiedsfeier oder dem Ort Bewusstsein dahindämmern? Oft ist die der Bestattung. Es gibt nicht ›die‹ richtige letzte Lebensphase verbunden mit Schmer- Form des Sterbens, aber es gibt Formen der zen, körperlichen und geistigen Einschrän- Vorbereitung, die andere in Kenntnis setzt – kungen und der Angewiesenheit auf andere weil die anderen davon auch betroffen sind. Menschen. Das ist für viele Menschen mit In den biblischen Schriften wird das Sterben elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 28 11.05.20 15:56
Vorsorge im Horizont biblischer Lebensperspektiven 29 nicht verklärt. Einerseits gibt es Vorstellun- vier Wänden, lässt sich nicht pauschal be- gen vom guten Tod am Ende eines langen antworten. In den vergangenen Jahren ist es und erfüllten Lebens, andererseits gibt es gelungen, auch zuhause eine palliativmedizi- auch das Wissen, dass der Todes-Zeitpunkt nische Betreuung (SAPV) zu ermöglichen. Für zur Unzeit kommen und als furchtbares sie besteht ein gesetzlicher Anspruch nach §§ Schicksal erfahren werden kann. 37b und 132d im Sozialgesetzbuch V (SGB V). Gleichwohl sind die Kapazitäten leider noch Heute ist das Sterben zu Hause selten ge- unzureichend. SAPV wird vom Hausarzt ver- worden. Die meisten Menschen sterben im ordnet, deshalb ist es wichtig, dass man sich Krankenhaus oder in Pflegeeinrichtungen. mit dem Hausarzt bespricht und nach den Hier werden sie von fachkundigem Personal besten Versorgungsmöglichkeiten in der je- medizinisch, pflegerisch und seelsorglich weiligen Situation sucht. Gerade bei häusli- betreut. Ob die Versorgung in einer stati- cher Versorgung empfiehlt es sich außerdem, onären Einrichtung mehr Lebensqualität engen Kontakt zur nächsten Palliativ-Station bietet als eine Begleitung in den eigenen und zum örtlichen Hospizverein zu halten6. Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) Die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) hat das Ziel, die Lebensquali- tät und die Selbstbestimmung von Palliativpatienten so weit wie möglich zu erhalten, zu fördern und zu verbessern und ihnen ein menschenwürdiges Leben bis zum Tod in ihrer gewohnten Umgebung, in stationären Pflegeeinrichtungen bzw. stationären Hospizen zu ermöglichen. Hierfür arbeitet ein multiprofessionelles Team zusammen, um für die zentralen Dimensionen menschlichen Lebens (physisch, psychisch, sozial und spirituell) in dieser Lebensphase Sorge zu tragen. SAPV wird über die gesetzliche Krankenversicherung finanziert und steht deshalb jedermann offen. 5 Vgl. hierzu: https://www.bhpv.de/wissenswertes-und-gesetze/wegweiser-fuer-bayern. elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 29 11.05.20 15:56
30 Vorsorge christliche Grundüberzeugung In der letzten Lebensphase kann es erfor- an Belastungen abfangen, die angesichts derlich sein, den Umfang der medizinischen der letzten Lebensphase bei einem sterben- Maßnahmen noch einmal zu überprüfen den Menschen und seinem Umfeld auftau- und in Absprache mit dem medizinischen chen mögen. Wichtig zu wissen ist, dass es und pflegerischen Personal sowie den An- bei palliativer Medizin und Pflege nicht nur gehörigen zu bestimmen, welche Maßnah- um die physischen Nöte geht, sondern der men noch ergriffen und welche unterlassen sterbende Mensch umfassend in seiner phy- werden. Die Fortschritte in Palliativmedizin sischen, psychischen, sozialen und spirituel- und palliativer Pflege können hier sehr viel len Dimension gesehen und begleitet wird. Eine christliche Grundüberzeugung: Der Mensch ist Gottes Ebenbild Die christliche Tradition sieht den Menschen ziehung zueinander gesetzt: „Was ist der als Ebenbild Gottes. Im 1. Buch Mose heißt es Mensch, dass du seiner gedenkst, und des im Zusammenhang der Erschaffung der Welt: Menschen Kind, dass du dich seiner an- „Und Gott sprach: Lasset uns Men- schen nimmst? Du hast ihn wenig niedriger ge- machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da macht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit herrschen über die Fische im Meer und über hast du ihn gekrönt.“ (V.5f) die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Über viele Jahrhunderte hat sich die christ- Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott liche Theologie um das Verständnis dieses schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum grundlegenden Gedankens der Verhältnis- Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als bestimmung des Menschen zu Gott, Mit- Mann und Frau.“ (1Mose 1,26f.) In ähnlicher mensch und Welt bemüht. Mit der Vorstel- Weise werden im Psalm 8 die Herrlichkeit lung von der Ebenbildlichkeit des Menschen Gottes und die Größe des Menschen in Be- wird der Mensch als geschöpfliches Wesen elkb20_patientenverfuegung_NEU.indd 30 11.05.20 15:56
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