Diabetes verändern mit DAWN Youth - Weltweites Programm zur Erforschung und Verbesserung der Lebenssituation von jungen Menschen mit Diabetes

 
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Diabetes verändern mit DAWN Youth - Weltweites Programm zur Erforschung und Verbesserung der Lebenssituation von jungen Menschen mit Diabetes
Diabetes
verändern mit
DAWN Youth
Weltweites Programm zur Erforschung
und Verbesserung der Lebenssituation
von jungen Menschen mit Diabetes
Diabetes verändern mit DAWN Youth - Weltweites Programm zur Erforschung und Verbesserung der Lebenssituation von jungen Menschen mit Diabetes
Inhalt

    Vorwort Thomas Danne  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .         5

    Diabetes bei Kindern und Jugendlichen
    2001 fiel der Startschuss für die DAWN-Studie (Diabetes Attitudes, Wishes & Needs), eine der größten internationalen Studien zur
    psychosozialen Situation von Menschen mit Diabetes. Die Studie zeigte unter anderem, dass Diabetes für junge Menschen und ihre
    Familien anders verläuft als Diabetes im Erwachsenenalter. Als Reaktion auf diese Erkenntnis wurde 2007 das DAWN Youth-Projekt
    ins Leben gerufen.

    Was ist eigentlich Diabetes? .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .        6

    Diabetes in der Kindheit .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .      8

    Warum ist es so wichtig, mehr zu wissen?  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                   9

    Diabetes und Schule  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .      10

    Die Sicht der Eltern .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .   12

    Psychosoziale Aspekte  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .       13

    Psychosoziale Forschung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .         14

    Bewältigungsverhalten  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .          15

    DAWN Youth in Deutschland
    Der 2007 durchgeführte DAWN Youth WebTalk ist eine weltweite, internetbasierte Datenerhebung zu psychosozialen Faktoren.
    Beteiligt waren Jugendliche mit Diabetes, deren Eltern, Fachkräfte und Lehrer. Zwar kann die medizinische Versorgung in Deutsch-
    land als gut beurteilt werden, dennoch gibt es auch bei uns noch immer verbesserungswürdige Bereiche.

    DAWN Youth für junge Menschen mit Diabetes  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                            16

    DAWN Youth WebTalk – ein richtungsweisender „Kompass“  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                      18

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Inhalt

Eine Vision wurde in Deutschland wahr: my Camp D .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                           20

DAWN Youth-Studie: Ergebnisse zweier Diabetescamps .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                               23

DAWN Youth-Botschafter Deutschland  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                   27

DAWN Youth aktiv  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .    28

DAWN Youth international
Alle jungen Menschen mit Diabetes sollten das Recht haben auf eine bestmögliche Versorgung sowie die Chance, ein erfülltes Leben
zu führen. Unterstützt von den DAWN Youth-Botschaftern werden in Deutschland und vielen weiteren Ländern weltweit unterschied-
liche Aktivitäten zur Verbesserung der Diabetesversorgung in die Tat umgesetzt. Hier einige Beispiele:

DAWN Youth – Brasilien  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .       30

DAWN Youth – Dänemark  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .           32

DAWN Youth – Niederlande .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .            34

DAWN Youth – Südafrika  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .       36

Changing Diabetes® – Diabetes verändern
Die erfolgreiche Kampagne UNite for Diabetes der International Diabetes Federation (IDF) führte dazu, dass die Vollversammlung der
Vereinten Nationen die Resolution zu Diabetes verabschiedete. 2007 entwickelte die IDF eine eigene Diabetes-Jugend-Charta, die zu
einer weltweiten positiven Veränderung für junge Menschen mit Diabetes beitragen soll.

Resolution der Vereinten Nationen zu Diabetes .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                     38

Novo Nordisk: Über 85 Jahre im Dienst der Menschheit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                            40

Unser „Novo Spirit“ ist einzigartig  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .         42

                                                                                                                                                                                                 3
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Diabetes verändern mit DAWN Youth - Weltweites Programm zur Erforschung und Verbesserung der Lebenssituation von jungen Menschen mit Diabetes
Vorwort

Zeit zum
Handeln
In Deutschland hat eins von 600 Kindern Diabetes, insgesamt gibt es 25.000 Betroffene bis 18 Jahre. Jedes Jahr wird weltweit
bei 70.000 Kindern und Jugendlichen Diabetes diagnostiziert. Die Anzahl der Fälle nimmt in einem solchen Umfang zu, dass man
schon von einer Pandemie sprechen kann. Und noch nie haben wir so viel über Diabetes und darüber, wie man ihn kontrollieren
kann, gewusst.

Die International Diabetes Federation (IDF), die International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (Internationale Kinder-
diabetes-Gesellschaft, ISPAD) und Novo Nordisk haben im Jahr 2007 ihre Kräfte gebündelt, um ein dringend benötigtes Projekt
für Kinder und Jugendliche mit Diabetes zu initiieren. Das DAWN Youth-Projekt will die Ansichten, Wünsche und Nöte von jungen
Menschen mit Diabetes oder Diabetesrisiko erforschen. Wir müssen aber nicht nur die medizinischen Konsequenzen der Behandlung
verstehen, sondern vor allem auch die psychosozialen Auswirkungen eines Lebens mit Diabetes.

Niemals war der Bedarf an dieser Initiative größer. Denn wenn man nicht weiß, was Jugendliche mit Diabetes bewegt, wenn man
ihre Wünsche, Sorgen und Nöte nicht kennt, wie kann man ihnen dann helfen, dass sie mit dem Diabetes eine Zukunft in unserer
Gesellschaft haben und ihr Leben erfüllt leben können – ohne Sorge um gesundheitliche Komplikationen oder psychosoziale Beein-
trächtigungen.

Diese Broschüre über die internationale DAWN Youth-Initiative will informieren, will die Kommunikation anregen, will als themen­
übergreifende Wissensplattform die Arbeit mit dem Diabetes unterstützen – in den Praxen und Kliniken, in den Beratungsstellen und
Schulen, in den Forschungseinrichtungen wie auch in den Familien. Besonders wichtig erschien es uns, dass wir mit dieser Publika­
tion jungen Menschen mit Diabetes eine Möglichkeit bieten, mit der Öffentlichkeit ins Gespräch zu kommen. Wie Sie sehen werden,
sind die DAWN Youth-Botschafter engagierte, kluge Köpfe, die sich für eine größere Aufklärung und ein besseres Verständnis von
Diabetes und seinen Auswirkungen einsetzen. Ihr Wunsch ist es, mit ihrem Engagement anderen Jugendlichen zu helfen und ihnen
Mut zu machen, ihr Leben selbstbestimmt und mit Freude zu leben.

Unsere Hoffnung ist es, dass die Erkenntnisse, die wir mit DAWN Youth gewinnen, zu neuen Initiativen, Aktionen und Maßnahmen
führen, die die Qualität der bisherigen Unterstützung weiter verbessern. Mit all dem was wir tun, wollen wir Kinder und Jugendliche
mit Diabetes nachhaltig fördern und ihr Leben in jedem Bereich unserer Gesellschaft erleichtern.

Thomas Danne
Präsident der ISPAD
Mitglied des Ausschusses
für Kinderdiabetes, IDF

Das Ziel von Novo Nordisk ist es, Diabetes eines Tages zu heilen. Bis wir das erreichen, tun wir alles, was in unserer Macht
steht, um das Leben der Menschen mit Diabetes zu verbessern. Unserem Verständnis nach umfasst die Betreuung von
Menschen mit Diabetes mehr als nur das Angebot von Arzneimitteln und Injektionssystemen. Im Rahmen unseres ganz-
heitlichen Changing Diabetes®-Programms unterstützen wir die International Diabetes Federation (IDF) und engagieren
uns weltweit für DAWN Youth.

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Was ist eigentlich
    Diabetes?
    Derzeit sind weltweit 246 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt – davon nach Angaben der WHO alleine
    acht Millionen in Deutschland. Diabetes mellitus oder auch die „Zuckerkrankheit“, wie man sie umgangssprach­
    lich nennt, ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen, die sich mit den modernen
    Diabetestherapien erfolgreich behandeln lässt.

    Der Stoff, der uns antreibt                                         Diabetes mellitus Typ 1
    Der vollständige Name für Diabetes ist Diabetes mellitus, abge-     Der Diabetes mellitus Typ 1 wird auch als „Diabetes im Kindes- /
    leitet vom griechischen Wort Diabetes „Durchfluss“ und dem          Jugendalter“ oder als „Insulinmangeldiabetes“ bezeichnet. Er
    lateinischen Wort mellitus „honigsüß“. Der Name bezieht sich        kann zwar in jedem Alter auftreten, meist sind die Betroffenen
    auf die Hauptsymptomatik der Krankheit, die bereits vor mehr        bei Ausbruch aber unter 20 Jahre alt. Direkte Ursache des
    als 4.000 Jahren festgestellt wurde: Zucker im Urin und die Aus-    absoluten Insulinmangels ist eine Zerstörung der Betazellen in
    scheidung einer großen Urinmenge.                                   der Bauchspeicheldrüse durch das körpereigene Immunsystem,
                                                                        so dass der Körper schließlich überhaupt kein Insulin mehr
    Diabetiker leiden an einer Störung des Zuckerstoffwechsels.         produzieren kann. Der Grund für diesen Krankheitsprozess ist
    Der Zuckergehalt im Blut, der Blutzucker, steigt über die Normal-   bis heute nicht vollständig geklärt. Virusinfekte, Überempfind-
    werte an. Grund dafür ist entweder ein Insulinmangel in der         lichkeitsreaktionen gegen bestimmte Eiweiße, Umweltfaktoren
    Bauchspeicheldrüse oder eine Insulinresistenz.                      sowie genetische Defekte können einen Diabetes mellitus Typ 1
                                                                        auslösen. Da das körpereigene Insulin fehlt, muss mit Insulin
    Insulin selbst ist ein körpereigenes Hormon, das dafür sorgt,       behandelt werden.
    dass die Körperzellen ausreichend mit Energie (Zucker) ver-
    sorgt werden. Bei einem Mangel an Insulin bleibt der Zucker,        Diabetes mellitus Typ 2
    der durch die Nahrung aufgenommen wird, im Blut. Als Folge          Der Diabetes mellitus Typ 2 wurde früher auch als „Altersdia-
    erhalten die Körperzellen zu wenig Energie. Dabei steigt der        betes“ bezeichnet. Dieser Begriff ist aber nicht wirklich korrekt,
    Blutzucker über die Normalwerte an und man fühlt sich müde          da immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene von dieser
    und schlapp. Menschen mit Diabetes haben unbehandelt häufig         Erkrankung betroffen sind. Typischerweise befinden sich Men-
    Durst und Harndrang, leiden unter Juckreiz, Infektionen und         schen mit Typ 2 Diabetes bei der Diagnoseerstellung im mitt-
    verlieren an Gewicht.                                               leren Lebensalter und sind häufig auch übergewichtig. Neben
                                                                        einer erblichen Vorbelastung gelten ungesunde Ernährung mit
    Das Ziel jeder Diabetesbehandlung muss individuell abgestimmt       Zunahme des Körpergewichtes und Bewegungsmangel als
    werden. Dazu gehören Wohlbefinden und Vermeidung von dia-           wesentliche Risikofaktoren.
    betesbedingten Folgeerkrankungen durch Normalisierung des
    Blutzuckerspiegels. Bei einem Nichterkennen oder Nichtbehan-        Anders als bei einem Diabetes mellitus Typ 1 produziert die
    deln der Krankheit werden die Blutgefäße, Nerven und inneren        Bauchspeicheldrüse bei Typ 2 Diabetes zunächst zwar ausrei-
    Organe auf Dauer geschädigt.                                        chend Insulin, dieses wird aber zu langsam und zum falschen
                                                                        Zeitpunkt freigesetzt – oder es wirkt aufgrund des Überge-
    Diabetes mellitus tritt überwiegend in zwei Ausprägungen auf:       wichtes nicht ausreichend an den Zielzellen (Insulinresistenz).
    Diabetes mellitus Typ 1 und Diabetes mellitus Typ 2.                Zunächst kann der Diabetes mellitus Typ 2 häufig durch eine
                                                                        Umstellung der Lebens- und Ernährungsweise sowie verstärkte
                                                                        körperliche Aktivität gebessert und behandelt werden. Im
                                                                        Verlauf werden dann oft Tabletten bzw. die Injektion von so­-
                                                                        genannten Inkretinmimetika oder Insulin notwendig, um die
                                                                        Therapieziele zu erreichen.

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Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

Andere Typen des Diabetes mellitus
Dazu zählen zum einen der Gestationsdiabetes, der plötzlich
während der Schwangerschaft bei Frauen auftritt, die niemals
zuvor Anzeichen auf erhöhte Blutzuckerwerte hatten, zum
anderen der sekundäre Diabetes, welcher durch eine andere
Grundkrankheit oder auch Medikamente ausgelöst werden
kann.

Verantwortung übernehmen
Diabetes mellitus ist zu einer weltweit verbreiteten Massener-
krankung geworden. Die International Diabetes Federation (IDF)
spricht von der Epidemie des 21. Jahrhunderts. Immer mehr
Menschen erkranken an Diabetes mellitus und die Vorhersa-
geschätzungen werden immer wieder nach oben revidiert. Der
Diabetes mellitus Typ 2 stellt mit über 90 % die weitaus häu-
figste Form dar.

Als international tätiges, forschendes Pharmaunternehmen
übernimmt Novo Nordisk seit mehr als 85 Jahren Verantwor-
tung im Diabetesbereich. Unser Ziel ist es, den Diabetes eines
Tages zu heilen. Bis wir das erreichen, tun wir alles, was in
unserer Macht steht, um das Leben von Kindern, Jugendlichen
und Erwachsenen mit Diabetes zu verbessern.

                                                                                                         7
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Diabetes
    in der Kindheit
    Diabetes ist eine der häufigsten chronischen Krankheiten in der Kindheit und kann Kinder jeden Alters
    betreffen, auch Vorschulkinder und Kleinkinder. Die Anzahl der Neuerkrankungen, sowohl von Typ 1 Diabetes
    als auch von Typ 2 Diabetes, nimmt bei Kindern und Jugendlichen rasch zu.

    Insgesamt leben weltweit 440.000 Kinder zwischen 0 und 14         Diabetische Ketoazidose
    Jahren mit Typ 1 Diabetes. Südostasien weist die höchste Zahl     Die diabetische Ketoazidose (DKA) ist für Kinder mit Typ 1 Dia-
    von Kindern mit Typ 1 Diabetes auf. Aber auch in Gegenden         betes lebensgefährlich. Der Körper verliert Flüssigkeit, Blutsalze
    mit einer geringeren Krankheitshäufigkeit wie Mittel- und Ost-    und trocknet aus. Dadurch entgleist schließlich der gesamte
    europa nimmt Typ 1 Diabetes zu. Inzwischen kommt es welt-         Stoffwechsel. Eine Ketoazidose kann bei Kindern sehr schnell
    weit täglich bei 200 Kindern zum Typ 1 Diabetes, wobei sich die   entstehen und führt, mehr als bei Erwachsenen, zu Herz-Kreis-
    Anzahl der Neuerkrankungen bei jungen Menschen um ca. 3 %         lauf-Problemen und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma.
    pro Jahr erhöht.                                                  Bei der Häufigkeit von Ketoazidose zu Beginn des Diabetes gibt
                                                                      es erhebliche geografische Unterschiede: In Europa und Nord­
    Wenn Diabetes bei jungen Menschen diagnostiziert wird, ver­       amerika liegt die berichtete Häufigkeit zwischen 15 % und
    kürzt sich die Lebenserwartung im Mittel um 10 bis 20 Jahre.      67 % und kann in weniger entwickelten Ländern häufiger sein.
    Diabetes bereits in der Kindheit zu bekommen, erhöht das          Die anfälligsten Patienten sind Menschen mit schlecht einge-
    Risiko von Komplikationen wie ein frühzeitiges Auftreten von      stelltem Diabetes aufgrund von beschränktem Zugang zu medi-
    Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erblindung, Nierenversagen und       zinischer Versorgung und Diabetesschulung, Menschen mit
    neurologischen Schäden.                                           mangelnder familiärer Unterstützung und Stabilität sowie
                                                                      Familien, die sich keine angemessene medizinische Versorgung
                                                                      leisten können.

                                                                      In Studien wurde nachgewiesen, dass eine bessere Stoffwech-
                                                                      seleinstellung mit einer besseren Lebensqualität für Jugendliche
                                                                      einhergeht und von Eltern und Ärzten als weniger belastend
                                                                      empfunden wird.

                                                                      Typ 2 Diabetes auf dem Vormarsch
                                                                      Typ 2 Diabetes – der früher als „Altersdiabetes“ bezeichnet
                                                                      wurde und vor allem bei übergewichtigen Erwachsenen auf-
                                                                      trat – zeigt sich in alarmierendem Maße immer mehr auch bei
                                                                      Kindern. Bedingt durch Übergewicht und Fettleibigkeit sowie
                                                                      die voranschreitende Urbanisierung und Modernisierung der
                                                                      Lebensweise nimmt der Typ 2 Diabetes inzwischen auch in den
                                                                      Entwicklungsländern stark zu.

                                                                      Während vor 20 Jahren nur bei 1 % bis 2 % der Fälle ein Typ 2
                                                                      Diabetes diagnostiziert wurde, nimmt man heute an, dass es
                                                                      sich bei 2 % bis 3 % aller Diabetesfälle bei jungen Menschen
                                                                      um einen Typ 2 Diabetes handelt.

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Diabetes verändern mit DAWN Youth - Weltweites Programm zur Erforschung und Verbesserung der Lebenssituation von jungen Menschen mit Diabetes
Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

Warum ist es so wichtig,
mehr zu wissen?
Die dringende Notwendigkeit,                                       Vorschulkinder
mehr über junge Menschen                                           Die Diabetesdiagnose eines Kindes wirkt sich auch auf die
                                                                   Familie aus. Kleine Kinder können ihre Erkrankung weder ver-
mit Diabetes zu lernen                                             stehen noch handhaben. Erwachsene müssen sich die Last der
                                                                   Behandlung teilen. Die Familien benötigen Hilfe, um mit der
Thomas Danne (Präsident der ISPAD und Kinder­-                     Erkrankung fertig zu werden, während sie über Diabetes und
dia­be­tologe) und Olga Kordonouri (Kinderdiabe­                   dessen Behandlung lernen. Die Unterstützung muss dauerhaft
tologin), beide aus Hannover                                       sein, altersentsprechend und sich mit den Erfordernissen des
                                                                   heranwachsenden Kindes verändern.
Die spezifischen Bedürfnisse von Kindern mit Dia­
betes werden oft übersehen. Es gibt immer mehr                     Die Auswirkung der Pubertät
Menschen mit Typ 1 Diabetes, jedes Jahr wird von                   Die Pubertät hat eine erhebliche Auswirkung auf die Bewältigung
über 70.000 neuen Fällen weltweit berichtet.                       des Diabetes. Einige Studien deuten darauf hin, dass Teenager
                                                                   mit Diabetes mit ihrem Leben weniger zufrieden sind und ihre
                                                                   Gesundheit negativer empfinden als Gleichaltrige ohne die Er-
Die Behandlung von jungen Menschen mit Diabetes stellt uns         krankung. Jedoch zeigte eine weltweite Kooperationsstudie, dass
Ärzte weiterhin vor besondere Herausforderungen. Während           bessere Behandlungsergebnisse mit weniger Sorgen und einer
die Erfordernisse im Hinblick auf Insulin und Ernährung diesel-    besseren Lebensqualität einhergingen und die Belastung durch
ben wie bei Erwachsenen sind, gibt es große psychologische,        den Diabetes für die Familie als weniger schwer angesehen wurde.
medizinische, psycho­soziale und mentale Unterschiede. Wie bei     Dies unterstreicht die Bedeutung einer optimalen physischen und
Erwachsenen besteht bei jungen Menschen mit Diabetes das           psychologischen Versorgung für junge Menschen mit Diabetes.
Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen. Ca. 12 Jahre nach
der Diagnose kommt es bei über 50 % der Kinder mit Diabetes        Mehr Referenzzentren für pädiatrische
zu Komplikationen oder Begleiterkrankungen. Zudem bestätigen       Diabetologie
Studien, dass Kinder mit Diabetes eine höhere Sterberate auf-      Wir hoffen, dass Initiativen, in denen die speziellen Bedürfnisse
weisen als gesunde Kinder.                                         von Kindern und jungen Menschen mit Diabetes hervorgehoben
                                                                   werden, zur Einrichtung von mehr Referenzzentren für pädi-
Bedürfnisse bei Kindern ändern sich                                atrische Diabetologie führen. In diesen Zentren sollen Familien
In der Diabetesbehandlung gibt es eine Reihe von Unterschieden     Zugang zu der medizinischen, psychosozialen, ökonomischen
zwischen Erwachsenen und Kindern. Kinder haben in der Regel        und emotionalen Unterstützung haben, die sie brauchen und
längere Schlafphasen und auch die Essgewohnheiten sind nicht       die sie auch verdienen.
so starr und daher weniger gut planbar als bei Erwachsenen.
Das Verhalten von Kindern (Bewegung, Ernährung etc.) ist
generell weniger gut vorhersagbar, was die Insulinanpassung
erschwert. Ein weiterer Faktor ist die erhöhte Empfindlichkeit
für Insulin. Ferner haben Kinder häufiger Infektionskrankheiten,
die ebenfalls eine Anpassung des Insulins erfordern.
Diabetes verändern mit DAWN Youth - Weltweites Programm zur Erforschung und Verbesserung der Lebenssituation von jungen Menschen mit Diabetes
Diabetes
     und Schule
     Schulsituation
     in Deutschland
     In Deutschland gibt es eine Schulpflicht, aber chronisch kranke Kinder werden mit der Behandlung ihrer
     Erkrankung in der Schule alleine gelassen. Wenn medizinische Probleme im Zusammenhang mit der Erkran­
     kung auftreten, müssen die Lehrer nicht helfen, und Lehrer, die freiwillig Hilfe leisten, sind dabei nicht
     versichert.

     Fehlende Hilfe                                                       Ansätze einer möglichen Strategie:
     Da die Behandlung von Diabetes nicht unter den Verantwor-            das Beispiel Schweden
     tungsbereich des Lehrplans fällt, haben deutsche Schulkinder         In einigen Ländern, wie z. B. Schweden, gibt es Regelungen zur
     mit Diabetes einige Probleme: In der Schule gibt es keine Schul-     Ausbildung und rechtlichen Absicherung des Schulpersonals,
     krankenschwestern oder sonstiges geschultes Personal, das Hilfe      um die Beaufsichtigung des Diabetes-Selbstmanagements wäh-
     leisten könnte. Kinder, die nicht in der Lage sind, ihre Insulin­    rend der Schulzeit zu gewährleisten.
     behandlung selbst zu handhaben, sind auf Hilfe der Eltern aus
     der Ferne über Handy oder Ähnliches angewiesen.                      In der schwedischen Bildungsordnung wird eine klare Unter-
                                                                          scheidung zwischen der Selbstbehandlung self care und der
     Entsprechend der aktuellen Gesetzgebung ist es möglich, per-         medizinischen Behandlung medical care definiert. Selbstbe-
     sönliche Hilfe zu erhalten, diese wird jedoch nur in wenigen         handlung schließt alle Maßnahmen ein, die üblicherweise auch
     Fällen genehmigt.                                                    unter der Aufsicht der Eltern oder durch die Eltern durchgeführt
                                                                          werden, wenn sie dementsprechend durch das Behandlungs-
     Politische Lösungen erforderlich                                     team geschult worden sind. Diese Selbstbehandlung soll auch
     Eine Lösung auf politischer Ebene könnte darin bestehen, die         während der Schulzeit mit Unterstützung des Schulpersonals
     Verfügbarkeit einer Integrationskraft, wie z. B. einer Kinderkran-   oder eines Schulhelfers gewährleistet sein. Medizinische
     kenschwester oder sonstigen geschulten Person, die unter der         Behandlung betrifft alle Maßnahmen, die nur von entsprechen­
     Aufsicht eines Kinderarztes oder eines Kinderkrankenhauses           dem Fachpersonal durchgeführt werden dürfen.
     steht, zu gewährleisten. Ferner müssen Regeln für die Koope-
     ration zwischen Eltern, Kind und Integrationskraft / Schwester       Wenn die Behandlungsaufgaben als Selbstbehandlung durch
     definiert werden.                                                    den Arzt eingestuft wurden, dann liegt die Verantwortung zur
                                                                          Durchführung bei den Erziehungsberechtigten. Ist ein Kind nicht
                                                                          in der Lage, diese Aufgabe selbstständig zu erfüllen, dann ist es
                                                                          die Aufgabe der Schulleitung, entsprechendes Personal zur
                                                                          Schulung durch das medizinische Personal zu benennen, damit
                                                                          die Selbstbehandlung auch während der Schulzeit in Vertretung
                                                                          der Eltern durchgeführt werden kann. Korrespondierende Rege-
                                                                          lungen wurden für Kindergarten- und Hortaktivitäten geschaffen.

                                                                          Da die Diabetesbehandlung in Schweden als Selbstbehandlung
                                                                          eingestuft wird, erhalten die Kinder während der Schulzeit
                                                                          und Klassenfahrten auf Veranlassung der Schulleitung entspre-
                                                                          chende Unterstützung.

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Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

Diabetesunterstützung                                                          Medizinische Unterstützung
in deutschen Schulen                                                           an deutschen Schulen
                                                                               An deutschen Schulen gibt es keine Krankenschwestern. Die
                                                                               Diabetesbehandlung in der Schule liegt letztendlich allein in der
Allgemeine Gesetzgebung                                                        Verantwortung der Eltern und der Schüler.
Das Antidiskriminierungsgesetz stellt in Deutschland sicher, dass
Personen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen,                       Forschung über Diabetes an Schulen
einschließlich Diabetes, Zugang zu Bildung haben.                              Eine jüngste Umfrage ergab, dass 60 % der Eltern mit einem
                                                                               Kind mit Diabetes ihre berufliche Tätigkeit wegen der unzurei-
Diabetesspezifische gesetzliche                                                chenden Unterstützung durch die Schule verändert haben.
Bestimmungen und Richtlinien
Kinder mit Diabetes dürfen sich in der Schule selbst behandeln                 Beteiligung von Eltern und
(d. h. sich selbst Insulin spritzen, Blutzucker testen). Die Lehrer            Patienten­vereinigungen
können in Notfällen helfen, d. h. Glukose verabreichen, Insulin                • diabetes DE, www.diabetesDE.org
oder Glucagon hingegen nicht.                                                  • Bundesweite Fördergemeinschaft Junger Diabetiker,
                                                                                 www.bfjd.de
Anwendung von gesetzlichen
Bestimmungen und Richtlinien                                                   Informationsquellen
Für die gesetzlichen Bestimmungen im Bildungsbereich und                       The European Network of Legal Experts in the Non-Discrimina-
deren Umsetzung sind die jeweiligen Länder verantwortlich.                     tion Field. European Anti-Discrimination Law Review. July 2007.
                                                                               Issue No 5. Zugang unter: http://ec.europa.eu/employment_social/
Schulung von Lehrpersonal                                                      fundamental_rights/pdf/legnet/07lawrev5_en.pdf
Es findet keine Schulung von Lehrpersonal auf nationaler Ebene
statt. Pädiatrische Arbeitsgruppen haben aber Materialien für                  Peters, SJ for the World Bank, Disability Group. Inclusive Educa-
Lehrpersonal erstellt.                                                         tion: Achieving education for all by including those with disabili-
                                                                               ties and special education needs. April 2003.

                                                                                                                                                        Informationen
                                                                                                                                                                        für Lehrerinn
                                                                                                                                                                                      en     und Lehrer

                                                                      Informationen für Erzieherinnen und Erzieher in Kindergärten

                                                                                                                                                   Kinder mit
                                                                                                                                                              Diabetes in
                                                                                                                                                                          der
                                                                                                                                                  Schule

                                                                                      Kinder mit Diabetes im

                                                                                      Kindergarten                                                                       Arbeitsgemein
                                                                                                                                                                        Pädiatrische schaft für
                                                                                                                                                                                    Diabetologie

Novo Nordisk unterstützt die Arbeitsgemeinschaft
für pädiatrische Diabetologie u. a. bei Informations­                                                            Arbeitsgemeinschaft für
                                                                                                                Pädiatrische Diabetologie

broschüren für Kindergärten und Schulen.

                                                                                                                                                                                                          11
Die Sicht
     der Eltern
     Kari Rosenfeld, Mutter einer Tochter mit Diabetes

     Es gibt nichts Wertvolleres als unsere Kinder. Wir bringen sie auf die Welt und haben den natürlichen Instinkt,
     Schaden von ihnen fernzuhalten. Wenn ein Typ 1 Diabetes bei unseren Kindern diagnostiziert wird, ist alles,
     was wir glaubten, als Eltern tun zu müssen, infrage gestellt. Diabetes bei Kindern ist anders.

     Kinder müssen wachsen und gedeihen können. Aber Diabetes
     bedroht ihren körperlichen Zustand, ihr mentales Wachstum
     und ihre Langzeitentwicklung. Wir Eltern müssen den Kindern
     helfen, durch sorgfältige, kontinuierliche Überwachung und
     Behandlung der Erkrankung gegen schwerwiegende langfristige
     Komplikationen zu kämpfen, und sie dabei gleichzeitig ermuti-
     gen, Kinder zu sein und das Leben voll zu genießen.

     Eine Gesellschaft, die unterstützt
     Kinder mit Diabetes benötigen eine Gesellschaft, die sie akzep-
     tiert und den elterlichen Beschützerinstinkt unterstützt. Dies
     bedeutet, dass wir mit den Eltern gemeinsam dafür sorgen
     müssen, dass die Kinder sicher sind, z. B. während sie in der
     Schule sind und ihre Eltern nicht direkt regulierend eingreifen
     können. Es bedeutet auch, dass wir uns um die Erfüllung der         Aus meiner Sicht ist es meine Aufgabe als Mutter einer Tochter
     physischen Bedürfnisse der Kinder kümmern müssen, ein-              mit Typ 1 Diabetes, ihr ein Umfeld zu erhalten, in dem sie sich
     schließlich eines Zugangs zu Arzneimitteln und Diabetesschu-        sicher und geborgen fühlt. Dies ist die Voraussetzung für alle
     lungen, um ihre Erkrankung zu meistern.                             Kinder, um wachsen und sich entwickeln zu können. Ich möchte,
                                                                         dass meine Tochter trotz Diabetes ein produktives Mitglied der
     Es bedeutet aber auch, dass eine psychische Unterstützung           Gesellschaft wird und einen positiven Beitrag leisten kann.
     vorhanden sein muss, wenn die Last der Erkrankung verbunden         Daher wünsche ich mir vor allem eine Gesellschaft, die Kinder
     mit anderen Stresssituationen des Lebens für die Familien alleine   mit Diabetes und deren Eltern unterstützt. Das sind wir unseren
     zu schwer zu bewältigen ist.                                        Kindern schuldig.

12
Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

Psychosoziale
Aspekte
Barbara Anderson, klinische Psychologin und Professorin für Pädiatrie
am Baylor College of Medicine in Houston, Texas

Psychosoziale Faktoren spielen eine entscheidende Rolle im Diabetesmanagement von jungen Menschen.
Neben der weltweiten Aufklärung ist die Unterstützung von Kindern und jungen Menschen mit Diabetes
von entscheidender Bedeutung für die Gewährleistung einer optimalen Versorgung und Verbesserung der
Lebensqualität. Dafür setzt sich die Diabetes-Jugend-Charta (siehe Seite 39) ein.

Die Diabetestherapie bei Kindern stellt eine Behandlung dar, die   Das Diabetesteam muss außerdem eine altersentsprechende
vom Patienten selbst und seiner Familie durchgeführt wird und      Aufklärung und Unterstützung für das Kind und die Eltern leis­
die an diese erhebliche Anforderungen stellt. Die psychosozialen   ten und diese fortlaufend anpassen. Die Diagnose stellt für das
Auswirkungen resultieren aus der Angst und Besorgnis, die die      Kind und die Familienmitglieder eine Lebenskrise dar. Es muss
Therapieanforderungen einer komplexen chronischen Erkrankung       besondere Sorgfalt darauf verwendet werden, die Ressourcen
bei einem Kind in der Entwicklung mit sich bringen. Psychoso-      der Familie für die Bewältigung der Erkrankung zu beurteilen.
ziale Faktoren haben einen Einfluss auf Therapietreue und Blut-    Aufklärung bewirkt, dass Kinder und Familie den Diabetes in
zuckereinstellung und sind daher ein wesentlicher Bestandteil      den verschiedenen Stadien der Entwicklung des Kindes meis­
des Managements von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes          tern können und dass das Instrumentarium für das Erreichen
und des Schutzes und Erhalts ihrer Gesundheit und Lebensqua-       einer gesunden Blutzuckereinstellung verbessert wird.
lität. Aus diesem Grund ist das Kapitel zu den psychosozialen
Aspekten integraler Bestandteil der Kampagne für die globale       Wenn das Kind in die Schule kommt, steigt die Zahl der Men-
Aufklärung über die Last des Diabetes bei jungen Menschen.         schen, die das Kind bei der Bewältigung des Diabetes unter-
                                                                   stützen. Wichtig ist, dass sowohl das Schulsystem als auch das
Zentrale Empfehlungen der Diabetes-Jugend-                         Umfeld über Diabetes aufgeklärt werden. Ziel ist es, das Stigma
Charta hinsichtlich psychosozialer Aspekte                         und die Mythen abzubauen, die dem Kind / der Familie, die mit
Fortlaufende Auswertung von psychosozialen und sozialen Fra-       Diabetes leben, anhaften. Die Schule und sonstige Betreuungs-
gen, die das Kind und die Familie betreffen, müssen ein fester     oder Freizeiteinrichtungen müssen ebenfalls über eine altersent-
Bestandteil der routinemäßigen Diabetestherapie werden. Psy-       sprechende Diabetesbehandlung und -unterstützung aufgeklärt
chosoziale Unterstützung wird mit einer besseren Einstellung       werden, wenn das Kind den Schritt in die Jugend und ins junge
des Diabetes, mehr adaptiven Bewältigungsstrategien und einer      Erwachsenenalter nimmt.
verbesserten Lebensqualität verbunden. Diese Unterstützung
schließt Geschwister, die ebenfalls psychosoziale Bedürfnisse
und Sorgen haben, mit ein.

                                                                                                                                        13
Psychosoziale
     Forschung
     Chas Skinner

     Psychosoziale Unterstützung führt zu einer
     besseren Einstellung des Diabetes, passenderen
     Bewältigungsstrategien und einer verbesserten
     Lebensqualität.

     Die Erkenntnisse der
     Hvidøre-Studiengruppe
     Die Hvidøre-Studiengruppe ist eine internationale
     Vereinigung von Kinderärzten, die sich dazu ver­
     pflich­tet haben, eine qualitativ hochwertige multi­         Hvidøre – erbaut 1871 – liegt nördlich von Kopenhagen.
     zentrische Forschungsarbeit an Kindern und Jugend­           Seit Anfang der 90er Jahre dient es Novo Nordisk als Konfe-
     lichen durchzuführen, um die Diabetesversorgung              renzzentrum – nicht nur für die Hvidøre-Studiengruppe.
     so zu verbessern.

     Die Forschungen zeigten, dass es zwischen den pädiat-        Erste Ergebnisse
     rischen Diabeteszentren erhebliche Unterschiede hinsicht-    Die Auswertung der Ergebnisse deutet darauf hin, dass
     lich der Ergebnisse der durchgeführten Behandlung gibt.      ins­besondere zwischen Jugendlichen mit Diabetes und
     Diese Unterschiede ließen sich jedoch nicht allein durch     ihren Eltern Uneinigkeit darüber besteht, wer innerhalb des
     medizinische und soziodemografische Faktoren wie Ge­-        Diabetesmanagements wofür zuständig ist. Gerade die Rol-
     schlecht, Alter, Religionszugehörigkeit, Haushaltsgröße,     lenverteilung im Diabetesmanagement sollte jedoch deut-
     soziale Schicht etc. erklären.                               lich zugewiesen und allen Beteiligten klar sein, da dieser
                                                                  Punkt augenscheinlich Auswirkungen auf die Blutzucker­
     Unterschiede in der Art der Versorgung                       einstellung und die Lebensqualität hat. Außerdem ist bei
     Dies veranlasste die Studiengruppe zu der Hypothese,         Jugendlichen, die sich gesund ernähren und weniger Zeit
     dass Unterschiede in Umfang, Typ und Art der Versorgung      mit Fernsehen / Computerspielen verbringen, der Diabetes
     durch das Diabetesteam, kulturelle Unterschiede in der       besser eingestellt. Allerdings scheinen diese Faktoren in
     Lebensweise der verschiedenen Länder, verschiedene An­­      allen Zentren mit dem Behandlungsergebnis zusammenzu-
     sätze des Selbstmanagements und die Anpassung der The-       hängen und erklären nicht Unterschiede zwischen den
     rapie sowie psychologische Faktoren zumindest teilweise      Zentren. Offenbar unterscheiden sich die Zentren in ande-
     diese Unterschiede zwischen den Zentren erklären. In einer   ren Variablen und dem Ziel, welches Jugendliche, Eltern
     weiteren Studie wurde versucht, diesen Unterschieden auf     und Fachpersonal anstreben.
     den Grund zu gehen. Junge Menschen mit Diabetes, Eltern
     und medizinisches Fachpersonal aus unterschiedlichen         Die Gruppe beabsichtigt, diese Forschung in enger Koope-
     Diabetesteams aus verschiedenen Zentren wurden gebeten,      ration mit der DAWN Youth-Initiative weiterzuführen. Ziel
     einen Fragebogen u. a. zu familiären Verhältnissen, der      der Forschung ist es, den Therapieverlauf und psychoso-
     Wahl von Lebensmitteln, Freizeitaktivitäten, Fakten zum      ziale Barrieren über die gesamte Kindheit und Jugend zu
     Selbstmanagement und für Patienten bzw. deren Eltern         verfolgen und Daten zu sammeln, die es ermöglichen, die
     angebotenen Diabetesversorgungsleistungen (medizinisch,      besonderen Belastungen von jungen Menschen mit Dia-
     psychologisch) auszufüllen.                                  betes zu erkennen und auf diese einzugehen. Derzeit wird
                                                                  in einem ersten Schritt der Aufbau von Langzeitstudien zur
                                                                  Versorgung von jüngeren Kindern mit Diabetes geprüft, um
                                                                  sie miteinander vergleichen zu können.

                                                                  www.hvidoeregroup.org

14
Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

Bewältigungsverhalten
und psychosoziale Barrieren
des Selbstmanagements
Frank J. Snoek, Professor für medizinische Psychologie, Vrije Universiteit Amsterdam

Für Kinder mit Diabetes bedeutet es, anders zu sein als ihre Freunde. Aber Kinder wollen nicht anders sein!
Eine der größten Herausforderungen, die sich für Kinder im täglichen Leben stellt, ist die Regulierung des
Blutzuckers beim Spielen, Lernen und unterwegs. Kindern gelingt es im Allgemeinen sehr gut, mit den täg­
lichen Herausforderungen fertig zu werden und (ein bisschen) anders zu sein.

Für Kinder zählt das Hier und Jetzt                               Psychosoziale Barrieren
Aus diesem Grund ist es leicht nachvollziehbar, dass Kinder und   Diese Turbulenzen tragen nicht unbedingt zu einem einfachen
Jugendliche mit Diabetes sich mehr Sorgen darum machen,           Diabetesmanagement bei, zumal auch die hormonellen Verän-
dass der Blutzucker nicht absackt, als um zu hohe Werte. Das      derungen zusätzlich Schwierigkeiten bereiten können. Oftmals
Austarieren zwischen hoch und niedrig kann schwierig sein. Das    stehen sich der Wunsch nach Autonomie und die gleichzeitige
Verhalten eines Kindes ist oft wechselhaft und das Kind kann      Notwendigkeit entgegen, gemeinsam mit anderen Verantwor-
weniger gut auf Frühzeichen einer Überzuckerung oder Unter-       tung für den Diabetes zu übernehmen. Häufig verschlechtert
zuckerung reagieren. Eltern, Lehrer und Freunde spielen eine      sich die Blutzuckereinstellung in dieser Phase des Umbruchs
wichtige Rolle dabei, dem Kind Sicherheit zu vermitteln und die   aufgrund von schlechterer Einhaltung der Therapie – junge Pati-
Erkrankung in den Griff zu bekommen.                              enten vergessen zum Beispiel, das Insulin zu injizieren. Bei Mäd-
                                                                  chen droht auch die Gefahr, Insulininjektionen auszulassen, um
Der Beginn der Pubertät wird in vielen, wenn nicht in den meis­   abzunehmen, was zu gefährlich erhöhten Blutzuckerspiegeln
ten Fällen von Gefühlen von Zwiespältigkeit, Impulsivität und     führt. Essstörungen sind eine Hauptbarriere für eine erfolgreiche
Stimmungsschwankungen bei den Jugendlichen begleitet. Dies        Diabetesbehandlung bei Mädchen (siehe hierzu auch den Bei-
hat natürlich wesentliche Auswirkungen auf die Bewältigung        trag aus Dänemark auf Seite 32).
des Diabetes. Manche Studien deuten darauf hin, dass Teenager
mit Diabetes weniger zufrieden mit ihrem Leben sind und ihre      Wer von Kindheit an mit dem Diabetes leben muss, ist auf eine
Gesundheit negativer empfinden als gesunde Gleichaltrige.         unglaubliche Weise gefordert. Vieles hängt von der Unterstüt-
                                                                  zung ab, die das Kind von Eltern und Betreuern erhält. Mass-
                                                                  nahmen, die die Kommunikation verbessern, helfen Schwierig­
                                                                  keiten aus dem Weg zu räumen und können Familien die
                                                                  Bewältigung des Diabetes erleichtern.

                                                                                                                                       15
DAWN Youth
     für junge Menschen
     mit Diabetes
     Die International Diabetes Federation (IDF), die International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes
     (ISPAD) und Novo Nordisk haben ihre Kräfte gebündelt, um ein dringend benötigtes Projekt innerhalb des
     DAWN-Programms zu initiieren, das sich auf die speziellen Bedürfnisse von jungen Menschen mit Diabetes
     oder Diabetesrisiko konzentriert.

     Das DAWN-Programm                                                 Ziel von DAWN Youth
     Das Programm „Diabetes, Attitudes, Wishes & Needs” (DAWN –        Das Ziel von DAWN Youth ist es, zur Verbesserung des Lebens
     Diabetes-Ansichten, Wünsche & Nöte) begann mit der globa-         von jungen Menschen mit Diabetes und ihren Familien bei-
     len DAWN-Studie 2001, in der die erheblichen Defizite in der      zutragen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Überwindung
     Diabetesversorgung in den 13 teilnehmenden Ländern deutlich       psychosozialer Barrieren. DAWN Youth setzt auf koordinierte
     wurden. Daraufhin konnten neue Wege zur Überwindung psy-          Forschungsaktivitäten, nationale und internationale Datenerhe-
     chosozialer Barrieren für ein effektives Diabetesmanagement       bungen, Fürsprache, Dialoge, Partnerschaften und Aktionen in
     erschlossen werden. Der 2004 von der IDF weltweit publizierte     den teilnehmenden Ländern.
     „DAWN Call to Action“ ruft zu breit angelegten, partnerschaft-
     lichen Bemühungen zur Verbesserung der Diabetesversorgung         DAWN Youth – erste aktive Schritte
     auf. Heute wird die Vision durch Aktivitäten in über 20 Ländern   Im ersten Schritt werden wichtige Interessenvertreter aufge-
     in die Tat umgesetzt.                                             fordert, die erforderlichen Initiativen zu formen. Es werden
                                                                       Überwachungstools und Aktionsstrategien entwickelt, um die
     Von DAWN zu DAWN Youth                                            Bedürfnisse junger Menschen mit Diabetes und ihrer Familien
     DAWN Youth ist die Antwort auf die Erkenntnis, dass Diabetes      sowie von Ärzten und medizinischem Personal herauszufinden.
     für junge Menschen und ihre Familien anders verläuft, als Dia-    Außerdem soll Einrichtungen, Regionen oder Ländern geholfen
     betes im Erwachsenenalter. Ferner ist DAWN Youth eine Reaktion    werden, Wege zu finden, um die psychosoziale Unterstützung
     auf die IDF Diabetes-Jugend-Charta 2007 (siehe Seite 39).         zu verbessern.

16
DAWN Youth in Deutschland

Diabetesexperten und nationale Vereinigungen in Japan, Brasi-
lien, Südafrika, den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Däne-
mark, Italien, den Niederlanden und Deutschland haben sich
getroffen, um diesen Prozess in Gang zu setzen und als Folge
davon die DAWN Youth-Initiative zu leiten und Themen von
nationaler Priorität und Aktionsstrategien zu definieren.

Im Jahr 2007 suchte Novo Nordisk im DAWN Youth WebTalk
(siehe Seite 18) die Zusammenarbeit mit jungen Menschen, Eltern,
medizinischem Fachpersonal und politischen Entscheidungsträ-
gern aus acht Ländern, um positive Veränderungen anzuregen.
Alle jungen Menschen mit Diabetes sollten das Recht haben
auf eine bestmögliche Versorgung und die Chance, ein erfülltes
Leben zu führen.

Mit DAWN Youth hat jeder die Möglichkeit, aktiv mit­zuhelfen,
damit dieses Ziel verwirklicht wird.

www.dawnyouth.com

                                                                                               17
DAWN Youth WebTalk –
     ein richtungsweisender „Kompass“
     Was sind die besonderen Herausforderungen in der Diabetestherapie bei jungen Menschen? Wie kann man
     sie identifizieren, wie verstehen? Was muss getan werden, um den Dialog zwischen jungen Menschen mit
     Diabetes, ihren Eltern und sonstigen unterstützenden Helfern zu fördern? Um diese Fragen zu beantworten
     und positive Veränderungen herbeizuführen, wurde 2007 u. a. mit Unterstützung der International Diabetes
     Federation (IDF), der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD) und Novo Nordisk
     eine globale internetbasierte Datenerhebung durchgeführt, die sich auf psychosoziale Faktoren fokussierte:
     der DAWN Youth WebTalk.

                                                                       gelnder Therapietreue wurden u. a. fehlende Unterstützung
                                                                       im persönlichen Umfeld, Angst vor Unterzuckerungen und
                                                                       Gewichtszunahme sowie Wissenslücken und Verdrängung ver-
                                                                       mutet. Rebellion oder Motivationsprobleme scheinen dabei eine
                                                                       nachrangige Rolle zu spielen.

                                                                       Als kritisch erwies sich vor allem die Unterstützung sowie das
     Weltweit folgten fast 6.800 Betreuer von Kindern mit Typ 1        erfolgreiche Diabetesmanagement in der Schule. Die Behandeln-
     Diabetes (vorwiegend Eltern), junge Erwachsene bis 25 Jahre       den sahen das nur für etwa ein Drittel der Patienten als gegeben.
     sowie Behandelnde (Ärzte, Schwestern, Psychologen, Diabetes-      Auch gaben 10 % der Befragten mit Diabetes an, dass sie ein-
     beraterinnen etc.) dem Aufruf, am DAWN Youth WebTalk teil-        mal pro Monat in der Schule fehlen, ein weiteres Drittel 2- bis
     zunehmen. Sie kamen aus Deutschland, Dänemark, Italien, den       6-mal pro Jahr. Ein Fünftel der jungen Erwachsenen mit Dia-
     Niederlanden, Spanien, Japan, Brasilien und den USA.              betes zeigte sich unzufrieden mit der Art und Weise, wie sie in
                                                                       der Schule behandelt wurden bzw. werden. Eine Verbesserung
     Im Nachfolgenden berichten wir über die wichtigsten Ergeb-        der Situation erwarten die Betroffenen am ehesten durch mehr
     nisse aus Deutschland, die auf strukturierten Fragebögen von      Information für Lehrkräfte über Diabetes allgemein und über
     78 Behandelnden und je knapp 200 Betreuern sowie jungen           das Verhalten in Notfallsituationen.
     Erwachsenen mit Diabetes basieren.
                                                                       Dringend benötigt:
     Zwischen Schein und Sein:                                         mehr Unterstützung im Alltag
     die Diabetestherapie in der Realität                              Nur ca. ein Drittel der jungen Menschen mit Diabetes kann nach
     Wie nehmen die Jugendlichen ihre Diabetestherapie wahr, wie       Einschätzung der Behandelnden den Diabetes erfolgreich
     schätzen ihre Eltern die Umsetzung in der Realität ein, was ist   emotional bewältigen, wobei ungelöste psychische und soziale
     die Sicht der Behandelnden? Besonders auffällig war die Diskre-   Probleme hier offenbar die wichtigste Rolle spielen. Gute Unter-
     panz hinsichtlich der Blutzuckereinstellung. Während 66 % der     stützung und Hilfe erfahren die Befragten vor allem in der
     jungen Erwachsenen und 83 % der Eltern der Meinung waren,         Familie, auch wenn z. B. überfürsorgliche Eltern Schwierigkeiten
     dass die Blutzuckereinstellung den Vorgaben der Therapeuten       bereiten können.
     entspräche, sahen die Therapeuten hingegen dies nur bei ca.
     einem Drittel ihrer Patienten als gegeben.                        Aber auch die Eltern selbst sehen sich, gerade bei präpuber-
                                                                       tären Kindern, einer starken Belastung ausgesetzt. 80 % aller
     Was die Injektions- und Blutzuckermessgeräte anging, so           Eltern fühlen sich zumindest manchmal mit dem Diabetes ihres
     bestand insgesamt eine hohe Zufriedenheit. Trotzdem gaben         Kindes überfordert. Mehr als drei Viertel der Eltern sind im
     20 % der Patienten selbst an, die Diabetesmedikation nicht        Alltag und / oder im Beruf durch den Diabetes des Kindes beein-
     zuverlässig, d. h. wie von den Therapeuten empfohlen, anzu-       trächtigt. Und bei über der Hälfte der Betreuer findet sich der
     wenden. Letztere schätzten den Anteil sogar noch höher ein,       Hinweis auf ein eingeschränktes Wohlbefinden bis hin zu einer
     wie die Abbildung auf Seite 15 zeigt. Als Hauptgründe man-        möglichen Depression.

18
DAWN Youth in Deutschland

Die Diabetestherapie bei Jugendlichen aus der Sicht der Therapeuten

Von den Behandlern geschätzter Prozentsatz ihrer Patienten, die folgende Aspekte des Diabetesmanagements (mit oder ohne Hilfe von
Familie oder anderen) meistens / fast immer / immer erfolgreich umsetzen können.

Vernetzung und Austausch unter Gleichaltri­gen bzw. unter            Ein Drittel der jungen Erwachsenen mit Diabetes und ein Fünftel
Betreuern in einer vergleichbaren Situation wird von der Mehr-       der Eltern von Kindern mit Diabetes haben das Gefühl, dass
zahl der Befragten als besonders wichtig erachtet. Wobei Aktivi­     Arzt und Diabetesteam die Herausforderungen im Alltag für
täten wie z. B. Diabetescamps von den Betroffenen und ihren          Patient und Familie nicht wirklich verstehen. Nur ca. ein Fünftel
Eltern hilfreicher eingeschätzt werden als lokale Aktivitäten oder   der Behandelnden erfasst routinemäßig die psychosoziale Situ-
der Austausch im Internet.                                           ation ihrer Patienten mit einem strukturierten Fragebogen, und
                                                                     das, obwohl bei fast 90 % der Behandelnden eine hohe Bereit-
Ein erfolgreiches Beispiel in Deutschland ist das von Novo Nordisk   schaft dazu besteht.
veranstaltete „my Camp D“ (siehe auch Seite 20 – 26).
                                                                     Ein Fünftel der Eltern gibt an, dass der Arzt mit ihnen nie über
Den Dialog fördern:                                                  das Leben des Kindes außerhalb der medizinischen Versorgung
zwischen Diabetesteam und Patient                                    spreche. Nur etwa die Hälfte der Behandelnden spricht von sich
Diabetologen nehmen sowohl für Patienten als auch für die            aus aktiv emotionale Spannungssituationen bei ihren Patienten
Betreuer diabetischer Kinder eine herausragende Rolle als Infor-     an. Dabei gibt es in ca. drei Viertel der Familien mit diabetischen
mationsquelle über Diabetes ein – gefolgt von Internet, anderen      Kindern mindestens manchmal Streit über die Art und Weise,
Betroffenen und Diabetesvereinigungen bzw. Selbsthilfegrup-          wie mit dem Diabetes umgegangen wird.
pen. Obwohl die Diabetestherapie in Deutschland auf einem
vergleichsweise hohen Niveau liegt, deckt der DAWN Youth             Neue Wege für eine erweiterte
WebTalk auch einzelne Bereiche auf, denen noch besondere             psychosoziale Unterstützung
Beachtung geschenkt werden sollte:                                   Eine erhöhte Aufmerksamkeit und ein besseres Verständnis für
                                                                     Diabetes sind die Hauptforderung aller Befragten – und dazu
So besucht z. B. nur ca. ein Drittel der jungen Erwachsenen mit      trägt der DAWN Youth WebTalk selbst aktiv bei. Die Ergebnisse
Diabetes regelmäßig eine Diabetesberatung. Junge Erwachse-           sollen nun Anregung und Motivation für weitere Aktionen lie-
ne gaben nur zu 42 % (Eltern: 65 %) an, dass alle, die in die        fern, mit dem Ziel, die Diabetestherapie zu verbessern und neue
Behandlung eingebunden sind, auch untereinander kommuni-             Wege für eine erweiterte psychosoziale Unterstützung zu bah-
zierten. Etwa ein Viertel der jungen Erwachsenen mit Diabetes        nen. Aufgabe für die Zukunft ist es, das Leben mit Diabetes von
bzw. der betreuenden Eltern fühlen sich in Therapieentschei-         Kindern, jungen Erwachsenen sowie deren Eltern und Familien
dungen nicht maßgeblich eingebunden.                                 nachhaltig positiv zu verändern.

                                                                                                                                           19
Eine Vision wurde in Deutschland
     wahr: my Camp D
     Christina Betz-Senftleben, Leitung Organisationsteam my Camp D

     Camp D hatte eine einfache, aber durchschlagende Botschaft: Lebe dein Leben! Am ersten Camp D 2006 in
     Bad Segeberg nahmen fast 500 junge Menschen mit Diabetes zwischen 16 und 25 Jahren teil. Am zweiten
     Camp im Jahr 2008 waren es bereits ca. 700 junge Teilnehmer. Sie tagten in einer ungezwungenen Outdoor­
     umgebung, tauschten sich über Erkenntnisse aus und sprachen offen über die Herausforderungen, denen
     sich junge Menschen mit Diabetes gegenüber sehen.

     Von der Vision zur Aktion                                         Atmosphäre des Austauschs
     Als Erstes war da eine ganz verrückte Vision. Eine Vision, an     Viele fragten zunächst: „Was soll uns dieses Camp bringen?“
     welche eigentlich niemand recht glauben wollte. Doch sie          Nun, es ist eigentlich ganz einfach. Stellen Sie sich vor, Sie
     setzte sich im Hinterkopf einiger Enthusiasten fest und wollte    wären Diabetiker und hätten die Gelegenheit, drei Tage mit
     sich einfach nicht mehr entfernen lassen. Im Laufe der Zeit       hunderten junger Menschen zu verbringen, die dieselben Ängste
     haben sich immer mehr dieser Idee angenommen und so konnte        und Fragen haben wie Sie. Wäre dies nicht für Sie eine einzig-
     Novo Nordisk schließlich diese Vision in die Tat umsetzen.        artige Chance, sich mit so vielen Gleichgesinnten über Ihre Situ-
                                                                       ation, Probleme und Erfahrungen auszutauschen und Dinge zu
     Immer wieder haben Diabetologen, Pädiater und Diabetesbera-       erfahren, die Ihnen bisher verborgen geblieben sind? Sie wür-
     terinnen an den Seminaren der Novo Nordisk Akademie davon         den neue Ideen und Impulse für Ihr eigenes Leben bekommen
     berichtet, dass sie an junge Menschen mit Diabetes im Alter       und auf viele offene Fragen, die Sie beschäftigen, eine fundierte
     von ca. 20 Jahren nicht richtig herankommen. Dass viele von       Antwort von anerkannten Fachleuten, Ärzten und anderen jun-
     ihnen zuvor gut eingestellt waren, doch irgendwann die Null-      gen Menschen mit Diabetes erhalten.
     Bock-Phase eintritt, in der es schwierig ist, mit den Patienten
     überhaupt ins Gespräch zu kommen. Und dies gerade in einem        my Camp D für junge Menschen mit Diabetes
     Lebensabschnitt, in dem die Weichen für die persönliche und       Ein verlängertes, begeisterndes Wochenende für junge Teilneh-
     berufliche Zukunft gestellt werden sollen!                        mer zwischen 16 und 25 Jahren, Diabetologen, Diabetesberate-
                                                                       rinnen, Psychologen und Mitarbeiter von Novo Nordisk sollte es
     Hansruedi Stahel, der Gründer der Novo Nordisk Akademie           sein. Mit einem Programm, welches die jungen Leute ihr ganzes
     hatte die Idee, dieses Problem anzugehen. Die jungen Leute        Leben lang nicht vergessen sollen, weil es ihnen geholfen hat,
     müssten einige Tage mit anderen jungen Menschen mit Diabetes      ihre eigenen Wünsche und Visionen wahr werden zu lassen.
     verbringen können, ungestört, fernab der Diabetespraxis in        Dies alles in Bad Segeberg. Einem Ort, der neben dem Thema
     einer ganz ungezwungenen Atmosphäre – die Idee des Camp D         Diabetes jede Menge Spaß, Sport und Kultur bieten konnte.
     war geboren!

20
DAWN Youth in Deutschland

Schließlich entstand nach mehr als zweijähriger Planung im Som-   radfahren und Yoga auch eher unbekannte Sportarten wie Kick-
mer 2006 das erste Camp D für junge Menschen mit Diabetes.        boxen, Speedminton, Klettern an einem sieben Meter hohen
Das Programm wurde in vielen Stunden intensiven Gedanken-         Kletterturm oder Slacklining ausprobiert werden. Vor allem aber
austauschs mit Spezialisten aus der Wissenschaft, Diabetologen,   hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, mit anderen Diabetikern
persönlich Betroffenen und der Unterstützung des Bürgermeisters   und Therapeuten zu sprechen – und dieses Angebot wurde von
von Bad Segeberg und dessen Team auf die Beine gestellt.          allen gerne angenommen.

Themen, die begeistern                                            Gleichzeitig gab es auch praktische Ziele. Während Camp D wur-
Beim Camp D sprachen prominente Diabetesexperten zu den           den insgesamt 400 Fragebögen zu den Problemen, Wünschen
jungen Zuhörern. Mit großer Hingabe und Enthusiasmus hörten       und Nöten junger Menschen mit Diabetes von den Teilnehmern
diese sich Vorträge an wie „Burn fat statt burn out“, „Soweit     ausgefüllt. Außerdem wollte man auch Themen wie die Ver-
die Füße tragen“ und „Die Zukunft gehört mir“. Außerdem           besserung der Versorgung außerhalb der Familie, Stärkung der
waren bekannte Sportgrößen mit Diabetes zugegen, um über          Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Eltern, das Eintreten für
ihre Erfahrung mit Diabetes im Alltag zu sprechen. Aber auch      Krankenschwestern für Kinder mit chronischen Erkrankungen
der Spaß kam am Sporttag nicht zu kurz. Hier konnten neben        an Ganztagsschulen und die Bereitstellung von Ansprechpart-
bekannten Sportarten wie Fußball, Volleyball, Basketball, Fahr-   nern für Eltern an Kindergärten und Grundschulen angehen.

                                                                                                                                    21
Zweites Camp in 2008                                              Der Erfolg der beiden Camps hat auch dazu beigetragen, das
     Der Erfolg des ersten Camps im Jahr 2006 spiegelte sich in den    Bild von ( jungen) Menschen mit Diabetes in der Öffentlichkeit
     Gesichtern, den Gästebucheinträgen und Anfragen der Teilneh-      positiver zu gestalten und Vorurteile und Vorbehalte abzubauen.
     mer und deren Eltern wider. Bedingt durch diesen Erfolg konnte    Aber es ist weiterhin wichtig, in der breiten Öffentlichkeit für
     Novo Nordisk zwei Jahre darauf ein weiteres Erlebnis­camp –       Aufklärung zu sorgen und fundierte Informationen über Diabe-
     my Camp D 2008 – anbieten. Mit ähnlichem Programm, aber           tes mellitus zu geben.
     mit mehr Teilnehmern, mehr Betreuern und einer weiteren
     my Camp D-Studie. Und wieder waren es Tage im Juli, die alle      www.mycampd.de
     bewegten: die Medizinspezialisten, die Betreuer, die anwe-
     senden Hochleistungssportler mit Diabetes wie u. a. die Kick­
     boxerin Anja Renfordt, der Rennfahrer Carlo Bermes oder
     der Triathlet Peter Riemer und – das Wichtigste überhaupt –
     die 700 jungen Menschen mit Diabetes.

     Es gab viele bekannte Gesichter, aber auch neue, die sich ent-
     schlossen hatten, mit Novo Nordisk aktiv zu werden. Mit ihrer
     Begeisterung, ihrer Lebensfreude und ihrer unglaublichen Dis-
     ziplin machten sie my Camp D 2008 erneut zu einem großen
     Erfolg. Alles stimmte! Die Stimmung, das Vertrauen, der Spirit.
     Wieder wurde ganz offen über die Herausforderungen des
     Lebens diskutiert.

22
DAWN Youth in Deutschland

DAWN Youth-Studie: Ergebnisse
zweier Diabetescamps
Prof. Karin Lange, Leiterin der Forschungs- und
Lehreinheit medizinische Psychologie, Medizinische
Hochschule Hannover

Diabetesbehandlung in Deutschland aus der Sicht
von 16- bis 25-jährigen Teilnehmern an zwei
Diabetes­camps.

Aus ganz Deutschland trafen sich unter dem Namen „Camp D
2006“ und „my Camp D 2008“ mehr als 500 bzw. 700 junge
Leute mit Diabetes im Alter zwischen 16 und 25 Jahren. Wäh-
rend der zwei viertägigen Camps in Bad Segeberg konnten sich
die Teilnehmer in diversen Workshops umfassend über die Dia-
betestherapie im Alltag informieren, aktiv Sport treiben, Erfah-
rungen austauschen, feiern und neue Kontakte knüpfen. Beide
Camps wurden von Hansruedi Stahel (Novo Nordisk) initiiert         Professor Karin Lange (2. v. l.) führte bei beiden Camps die
und von ihm zusammen mit Christina Betz-Senftleben und             DAWN Youth-Studie durch und wertete sie anschließend aus.
einem großen Team ehrenamtlicher diabetesversierter Betreuer
geplant und mit großem Engagement durchgeführt.
                                                                   Großes Interesse an den zwei Studien
Während beider Veranstaltungen wurden alle Teilnehmer ein­ge­      Im Jahr 2006 nahmen 409 junge Menschen mit Typ 1 Diabetes
laden, sich an der DAWN Youth-Studie zu beteiligen und dabei       an der Studie teil, 2008 konnten wegen der begrenzten Mög-
über ihre Wünsche und Erfahrungen mit der chronischen Krank-       lichkeit zur HbA1c-Bestimmung nur 437 der ca. 700 Teilnehmer
heit zu berichten. Sie beantworteten Fragebögen zu ihrer Lebens-   in die Studie einbezogen werden. Beide Studien­gruppen und
situation, zum psychischen Wohlbefinden, zur Art der Diabetes-     deren Einschätzungen sowie Erfahrungen werden im Folgenden
therapie, zur Belastung durch die Therapie im Alltag und zur       zusammenfassend dargestellt.
Zufriedenheit mit verschiedenen Aspekten der Langzeitbetreu-
ung. Außerdem wurde der aktuelle HbA1c-Wert bestimmt.              Die Teilnehmer
                                                                   Die Daten in Tabelle 1 (siehe Seite 24) zeigen, dass sich die
                                                                   Teilnehmerstrukturen in beiden Untersuchungen sehr ähnelten.
                                                                   129 junge Leute nahmen an beiden Studien teil.

                                                                   Die Diabetestherapie
                                                                   In beiden Gruppen gaben nahezu alle Teilnehmer (99 % bzw.
                                                                   98 %) an, einen Typ 1 Diabetes zu haben. Jeweils 92 % waren
                                                                   bei einem Diabetologen DDG (internistisch oder pädiatrisch) in
                                                                   Behandlung. Die intensivierte Insulintherapie setzten 97,1 % der
                                                                   Teilnehmer (2006) ein, im Jahr 2008 waren es alle jungen Leute.
                                                                   Auffällig war im Vergleich der zwei Erhebungen der deutliche
                                                                   Anstieg der Pumpenträger (CSII = continuous subcutaneous
                                                                   insulin infusion) von 37,4 % (2006) auf 47,4 % (2008) gegen­
                                                                   über den Teilnehmern mit mehrfachen Injektionen täglich
                                                                   (MDI = multiple daily injections).

                                                                                                                                       23
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