Diabetes verändern mit DAWN Youth - Weltweites Programm zur Erforschung und Verbesserung der Lebenssituation von jungen Menschen mit Diabetes
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Diabetes verändern mit DAWN Youth Weltweites Programm zur Erforschung und Verbesserung der Lebenssituation von jungen Menschen mit Diabetes
Inhalt Vorwort Thomas Danne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Diabetes bei Kindern und Jugendlichen 2001 fiel der Startschuss für die DAWN-Studie (Diabetes Attitudes, Wishes & Needs), eine der größten internationalen Studien zur psychosozialen Situation von Menschen mit Diabetes. Die Studie zeigte unter anderem, dass Diabetes für junge Menschen und ihre Familien anders verläuft als Diabetes im Erwachsenenalter. Als Reaktion auf diese Erkenntnis wurde 2007 das DAWN Youth-Projekt ins Leben gerufen. Was ist eigentlich Diabetes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Diabetes in der Kindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Warum ist es so wichtig, mehr zu wissen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Diabetes und Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Die Sicht der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Psychosoziale Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Psychosoziale Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Bewältigungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 DAWN Youth in Deutschland Der 2007 durchgeführte DAWN Youth WebTalk ist eine weltweite, internetbasierte Datenerhebung zu psychosozialen Faktoren. Beteiligt waren Jugendliche mit Diabetes, deren Eltern, Fachkräfte und Lehrer. Zwar kann die medizinische Versorgung in Deutsch- land als gut beurteilt werden, dennoch gibt es auch bei uns noch immer verbesserungswürdige Bereiche. DAWN Youth für junge Menschen mit Diabetes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 DAWN Youth WebTalk – ein richtungsweisender „Kompass“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2
Inhalt Eine Vision wurde in Deutschland wahr: my Camp D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 DAWN Youth-Studie: Ergebnisse zweier Diabetescamps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 DAWN Youth-Botschafter Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 DAWN Youth aktiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 DAWN Youth international Alle jungen Menschen mit Diabetes sollten das Recht haben auf eine bestmögliche Versorgung sowie die Chance, ein erfülltes Leben zu führen. Unterstützt von den DAWN Youth-Botschaftern werden in Deutschland und vielen weiteren Ländern weltweit unterschied- liche Aktivitäten zur Verbesserung der Diabetesversorgung in die Tat umgesetzt. Hier einige Beispiele: DAWN Youth – Brasilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 DAWN Youth – Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 DAWN Youth – Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 DAWN Youth – Südafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Changing Diabetes® – Diabetes verändern Die erfolgreiche Kampagne UNite for Diabetes der International Diabetes Federation (IDF) führte dazu, dass die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Resolution zu Diabetes verabschiedete. 2007 entwickelte die IDF eine eigene Diabetes-Jugend-Charta, die zu einer weltweiten positiven Veränderung für junge Menschen mit Diabetes beitragen soll. Resolution der Vereinten Nationen zu Diabetes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Novo Nordisk: Über 85 Jahre im Dienst der Menschheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Unser „Novo Spirit“ ist einzigartig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3
Vorwort Zeit zum Handeln In Deutschland hat eins von 600 Kindern Diabetes, insgesamt gibt es 25.000 Betroffene bis 18 Jahre. Jedes Jahr wird weltweit bei 70.000 Kindern und Jugendlichen Diabetes diagnostiziert. Die Anzahl der Fälle nimmt in einem solchen Umfang zu, dass man schon von einer Pandemie sprechen kann. Und noch nie haben wir so viel über Diabetes und darüber, wie man ihn kontrollieren kann, gewusst. Die International Diabetes Federation (IDF), die International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (Internationale Kinder- diabetes-Gesellschaft, ISPAD) und Novo Nordisk haben im Jahr 2007 ihre Kräfte gebündelt, um ein dringend benötigtes Projekt für Kinder und Jugendliche mit Diabetes zu initiieren. Das DAWN Youth-Projekt will die Ansichten, Wünsche und Nöte von jungen Menschen mit Diabetes oder Diabetesrisiko erforschen. Wir müssen aber nicht nur die medizinischen Konsequenzen der Behandlung verstehen, sondern vor allem auch die psychosozialen Auswirkungen eines Lebens mit Diabetes. Niemals war der Bedarf an dieser Initiative größer. Denn wenn man nicht weiß, was Jugendliche mit Diabetes bewegt, wenn man ihre Wünsche, Sorgen und Nöte nicht kennt, wie kann man ihnen dann helfen, dass sie mit dem Diabetes eine Zukunft in unserer Gesellschaft haben und ihr Leben erfüllt leben können – ohne Sorge um gesundheitliche Komplikationen oder psychosoziale Beein- trächtigungen. Diese Broschüre über die internationale DAWN Youth-Initiative will informieren, will die Kommunikation anregen, will als themen übergreifende Wissensplattform die Arbeit mit dem Diabetes unterstützen – in den Praxen und Kliniken, in den Beratungsstellen und Schulen, in den Forschungseinrichtungen wie auch in den Familien. Besonders wichtig erschien es uns, dass wir mit dieser Publika tion jungen Menschen mit Diabetes eine Möglichkeit bieten, mit der Öffentlichkeit ins Gespräch zu kommen. Wie Sie sehen werden, sind die DAWN Youth-Botschafter engagierte, kluge Köpfe, die sich für eine größere Aufklärung und ein besseres Verständnis von Diabetes und seinen Auswirkungen einsetzen. Ihr Wunsch ist es, mit ihrem Engagement anderen Jugendlichen zu helfen und ihnen Mut zu machen, ihr Leben selbstbestimmt und mit Freude zu leben. Unsere Hoffnung ist es, dass die Erkenntnisse, die wir mit DAWN Youth gewinnen, zu neuen Initiativen, Aktionen und Maßnahmen führen, die die Qualität der bisherigen Unterstützung weiter verbessern. Mit all dem was wir tun, wollen wir Kinder und Jugendliche mit Diabetes nachhaltig fördern und ihr Leben in jedem Bereich unserer Gesellschaft erleichtern. Thomas Danne Präsident der ISPAD Mitglied des Ausschusses für Kinderdiabetes, IDF Das Ziel von Novo Nordisk ist es, Diabetes eines Tages zu heilen. Bis wir das erreichen, tun wir alles, was in unserer Macht steht, um das Leben der Menschen mit Diabetes zu verbessern. Unserem Verständnis nach umfasst die Betreuung von Menschen mit Diabetes mehr als nur das Angebot von Arzneimitteln und Injektionssystemen. Im Rahmen unseres ganz- heitlichen Changing Diabetes®-Programms unterstützen wir die International Diabetes Federation (IDF) und engagieren uns weltweit für DAWN Youth. 5
Was ist eigentlich Diabetes? Derzeit sind weltweit 246 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt – davon nach Angaben der WHO alleine acht Millionen in Deutschland. Diabetes mellitus oder auch die „Zuckerkrankheit“, wie man sie umgangssprach lich nennt, ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen, die sich mit den modernen Diabetestherapien erfolgreich behandeln lässt. Der Stoff, der uns antreibt Diabetes mellitus Typ 1 Der vollständige Name für Diabetes ist Diabetes mellitus, abge- Der Diabetes mellitus Typ 1 wird auch als „Diabetes im Kindes- / leitet vom griechischen Wort Diabetes „Durchfluss“ und dem Jugendalter“ oder als „Insulinmangeldiabetes“ bezeichnet. Er lateinischen Wort mellitus „honigsüß“. Der Name bezieht sich kann zwar in jedem Alter auftreten, meist sind die Betroffenen auf die Hauptsymptomatik der Krankheit, die bereits vor mehr bei Ausbruch aber unter 20 Jahre alt. Direkte Ursache des als 4.000 Jahren festgestellt wurde: Zucker im Urin und die Aus- absoluten Insulinmangels ist eine Zerstörung der Betazellen in scheidung einer großen Urinmenge. der Bauchspeicheldrüse durch das körpereigene Immunsystem, so dass der Körper schließlich überhaupt kein Insulin mehr Diabetiker leiden an einer Störung des Zuckerstoffwechsels. produzieren kann. Der Grund für diesen Krankheitsprozess ist Der Zuckergehalt im Blut, der Blutzucker, steigt über die Normal- bis heute nicht vollständig geklärt. Virusinfekte, Überempfind- werte an. Grund dafür ist entweder ein Insulinmangel in der lichkeitsreaktionen gegen bestimmte Eiweiße, Umweltfaktoren Bauchspeicheldrüse oder eine Insulinresistenz. sowie genetische Defekte können einen Diabetes mellitus Typ 1 auslösen. Da das körpereigene Insulin fehlt, muss mit Insulin Insulin selbst ist ein körpereigenes Hormon, das dafür sorgt, behandelt werden. dass die Körperzellen ausreichend mit Energie (Zucker) ver- sorgt werden. Bei einem Mangel an Insulin bleibt der Zucker, Diabetes mellitus Typ 2 der durch die Nahrung aufgenommen wird, im Blut. Als Folge Der Diabetes mellitus Typ 2 wurde früher auch als „Altersdia- erhalten die Körperzellen zu wenig Energie. Dabei steigt der betes“ bezeichnet. Dieser Begriff ist aber nicht wirklich korrekt, Blutzucker über die Normalwerte an und man fühlt sich müde da immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene von dieser und schlapp. Menschen mit Diabetes haben unbehandelt häufig Erkrankung betroffen sind. Typischerweise befinden sich Men- Durst und Harndrang, leiden unter Juckreiz, Infektionen und schen mit Typ 2 Diabetes bei der Diagnoseerstellung im mitt- verlieren an Gewicht. leren Lebensalter und sind häufig auch übergewichtig. Neben einer erblichen Vorbelastung gelten ungesunde Ernährung mit Das Ziel jeder Diabetesbehandlung muss individuell abgestimmt Zunahme des Körpergewichtes und Bewegungsmangel als werden. Dazu gehören Wohlbefinden und Vermeidung von dia- wesentliche Risikofaktoren. betesbedingten Folgeerkrankungen durch Normalisierung des Blutzuckerspiegels. Bei einem Nichterkennen oder Nichtbehan- Anders als bei einem Diabetes mellitus Typ 1 produziert die deln der Krankheit werden die Blutgefäße, Nerven und inneren Bauchspeicheldrüse bei Typ 2 Diabetes zunächst zwar ausrei- Organe auf Dauer geschädigt. chend Insulin, dieses wird aber zu langsam und zum falschen Zeitpunkt freigesetzt – oder es wirkt aufgrund des Überge- Diabetes mellitus tritt überwiegend in zwei Ausprägungen auf: wichtes nicht ausreichend an den Zielzellen (Insulinresistenz). Diabetes mellitus Typ 1 und Diabetes mellitus Typ 2. Zunächst kann der Diabetes mellitus Typ 2 häufig durch eine Umstellung der Lebens- und Ernährungsweise sowie verstärkte körperliche Aktivität gebessert und behandelt werden. Im Verlauf werden dann oft Tabletten bzw. die Injektion von so- genannten Inkretinmimetika oder Insulin notwendig, um die Therapieziele zu erreichen. 6
Diabetes bei Kindern und Jugendlichen Andere Typen des Diabetes mellitus Dazu zählen zum einen der Gestationsdiabetes, der plötzlich während der Schwangerschaft bei Frauen auftritt, die niemals zuvor Anzeichen auf erhöhte Blutzuckerwerte hatten, zum anderen der sekundäre Diabetes, welcher durch eine andere Grundkrankheit oder auch Medikamente ausgelöst werden kann. Verantwortung übernehmen Diabetes mellitus ist zu einer weltweit verbreiteten Massener- krankung geworden. Die International Diabetes Federation (IDF) spricht von der Epidemie des 21. Jahrhunderts. Immer mehr Menschen erkranken an Diabetes mellitus und die Vorhersa- geschätzungen werden immer wieder nach oben revidiert. Der Diabetes mellitus Typ 2 stellt mit über 90 % die weitaus häu- figste Form dar. Als international tätiges, forschendes Pharmaunternehmen übernimmt Novo Nordisk seit mehr als 85 Jahren Verantwor- tung im Diabetesbereich. Unser Ziel ist es, den Diabetes eines Tages zu heilen. Bis wir das erreichen, tun wir alles, was in unserer Macht steht, um das Leben von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Diabetes zu verbessern. 7
Diabetes in der Kindheit Diabetes ist eine der häufigsten chronischen Krankheiten in der Kindheit und kann Kinder jeden Alters betreffen, auch Vorschulkinder und Kleinkinder. Die Anzahl der Neuerkrankungen, sowohl von Typ 1 Diabetes als auch von Typ 2 Diabetes, nimmt bei Kindern und Jugendlichen rasch zu. Insgesamt leben weltweit 440.000 Kinder zwischen 0 und 14 Diabetische Ketoazidose Jahren mit Typ 1 Diabetes. Südostasien weist die höchste Zahl Die diabetische Ketoazidose (DKA) ist für Kinder mit Typ 1 Dia- von Kindern mit Typ 1 Diabetes auf. Aber auch in Gegenden betes lebensgefährlich. Der Körper verliert Flüssigkeit, Blutsalze mit einer geringeren Krankheitshäufigkeit wie Mittel- und Ost- und trocknet aus. Dadurch entgleist schließlich der gesamte europa nimmt Typ 1 Diabetes zu. Inzwischen kommt es welt- Stoffwechsel. Eine Ketoazidose kann bei Kindern sehr schnell weit täglich bei 200 Kindern zum Typ 1 Diabetes, wobei sich die entstehen und führt, mehr als bei Erwachsenen, zu Herz-Kreis- Anzahl der Neuerkrankungen bei jungen Menschen um ca. 3 % lauf-Problemen und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. pro Jahr erhöht. Bei der Häufigkeit von Ketoazidose zu Beginn des Diabetes gibt es erhebliche geografische Unterschiede: In Europa und Nord Wenn Diabetes bei jungen Menschen diagnostiziert wird, ver amerika liegt die berichtete Häufigkeit zwischen 15 % und kürzt sich die Lebenserwartung im Mittel um 10 bis 20 Jahre. 67 % und kann in weniger entwickelten Ländern häufiger sein. Diabetes bereits in der Kindheit zu bekommen, erhöht das Die anfälligsten Patienten sind Menschen mit schlecht einge- Risiko von Komplikationen wie ein frühzeitiges Auftreten von stelltem Diabetes aufgrund von beschränktem Zugang zu medi- Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erblindung, Nierenversagen und zinischer Versorgung und Diabetesschulung, Menschen mit neurologischen Schäden. mangelnder familiärer Unterstützung und Stabilität sowie Familien, die sich keine angemessene medizinische Versorgung leisten können. In Studien wurde nachgewiesen, dass eine bessere Stoffwech- seleinstellung mit einer besseren Lebensqualität für Jugendliche einhergeht und von Eltern und Ärzten als weniger belastend empfunden wird. Typ 2 Diabetes auf dem Vormarsch Typ 2 Diabetes – der früher als „Altersdiabetes“ bezeichnet wurde und vor allem bei übergewichtigen Erwachsenen auf- trat – zeigt sich in alarmierendem Maße immer mehr auch bei Kindern. Bedingt durch Übergewicht und Fettleibigkeit sowie die voranschreitende Urbanisierung und Modernisierung der Lebensweise nimmt der Typ 2 Diabetes inzwischen auch in den Entwicklungsländern stark zu. Während vor 20 Jahren nur bei 1 % bis 2 % der Fälle ein Typ 2 Diabetes diagnostiziert wurde, nimmt man heute an, dass es sich bei 2 % bis 3 % aller Diabetesfälle bei jungen Menschen um einen Typ 2 Diabetes handelt. 8
Diabetes bei Kindern und Jugendlichen Warum ist es so wichtig, mehr zu wissen? Die dringende Notwendigkeit, Vorschulkinder mehr über junge Menschen Die Diabetesdiagnose eines Kindes wirkt sich auch auf die Familie aus. Kleine Kinder können ihre Erkrankung weder ver- mit Diabetes zu lernen stehen noch handhaben. Erwachsene müssen sich die Last der Behandlung teilen. Die Familien benötigen Hilfe, um mit der Thomas Danne (Präsident der ISPAD und Kinder- Erkrankung fertig zu werden, während sie über Diabetes und diabetologe) und Olga Kordonouri (Kinderdiabe dessen Behandlung lernen. Die Unterstützung muss dauerhaft tologin), beide aus Hannover sein, altersentsprechend und sich mit den Erfordernissen des heranwachsenden Kindes verändern. Die spezifischen Bedürfnisse von Kindern mit Dia betes werden oft übersehen. Es gibt immer mehr Die Auswirkung der Pubertät Menschen mit Typ 1 Diabetes, jedes Jahr wird von Die Pubertät hat eine erhebliche Auswirkung auf die Bewältigung über 70.000 neuen Fällen weltweit berichtet. des Diabetes. Einige Studien deuten darauf hin, dass Teenager mit Diabetes mit ihrem Leben weniger zufrieden sind und ihre Gesundheit negativer empfinden als Gleichaltrige ohne die Er- Die Behandlung von jungen Menschen mit Diabetes stellt uns krankung. Jedoch zeigte eine weltweite Kooperationsstudie, dass Ärzte weiterhin vor besondere Herausforderungen. Während bessere Behandlungsergebnisse mit weniger Sorgen und einer die Erfordernisse im Hinblick auf Insulin und Ernährung diesel- besseren Lebensqualität einhergingen und die Belastung durch ben wie bei Erwachsenen sind, gibt es große psychologische, den Diabetes für die Familie als weniger schwer angesehen wurde. medizinische, psychosoziale und mentale Unterschiede. Wie bei Dies unterstreicht die Bedeutung einer optimalen physischen und Erwachsenen besteht bei jungen Menschen mit Diabetes das psychologischen Versorgung für junge Menschen mit Diabetes. Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen. Ca. 12 Jahre nach der Diagnose kommt es bei über 50 % der Kinder mit Diabetes Mehr Referenzzentren für pädiatrische zu Komplikationen oder Begleiterkrankungen. Zudem bestätigen Diabetologie Studien, dass Kinder mit Diabetes eine höhere Sterberate auf- Wir hoffen, dass Initiativen, in denen die speziellen Bedürfnisse weisen als gesunde Kinder. von Kindern und jungen Menschen mit Diabetes hervorgehoben werden, zur Einrichtung von mehr Referenzzentren für pädi- Bedürfnisse bei Kindern ändern sich atrische Diabetologie führen. In diesen Zentren sollen Familien In der Diabetesbehandlung gibt es eine Reihe von Unterschieden Zugang zu der medizinischen, psychosozialen, ökonomischen zwischen Erwachsenen und Kindern. Kinder haben in der Regel und emotionalen Unterstützung haben, die sie brauchen und längere Schlafphasen und auch die Essgewohnheiten sind nicht die sie auch verdienen. so starr und daher weniger gut planbar als bei Erwachsenen. Das Verhalten von Kindern (Bewegung, Ernährung etc.) ist generell weniger gut vorhersagbar, was die Insulinanpassung erschwert. Ein weiterer Faktor ist die erhöhte Empfindlichkeit für Insulin. Ferner haben Kinder häufiger Infektionskrankheiten, die ebenfalls eine Anpassung des Insulins erfordern.
Diabetes und Schule Schulsituation in Deutschland In Deutschland gibt es eine Schulpflicht, aber chronisch kranke Kinder werden mit der Behandlung ihrer Erkrankung in der Schule alleine gelassen. Wenn medizinische Probleme im Zusammenhang mit der Erkran kung auftreten, müssen die Lehrer nicht helfen, und Lehrer, die freiwillig Hilfe leisten, sind dabei nicht versichert. Fehlende Hilfe Ansätze einer möglichen Strategie: Da die Behandlung von Diabetes nicht unter den Verantwor- das Beispiel Schweden tungsbereich des Lehrplans fällt, haben deutsche Schulkinder In einigen Ländern, wie z. B. Schweden, gibt es Regelungen zur mit Diabetes einige Probleme: In der Schule gibt es keine Schul- Ausbildung und rechtlichen Absicherung des Schulpersonals, krankenschwestern oder sonstiges geschultes Personal, das Hilfe um die Beaufsichtigung des Diabetes-Selbstmanagements wäh- leisten könnte. Kinder, die nicht in der Lage sind, ihre Insulin rend der Schulzeit zu gewährleisten. behandlung selbst zu handhaben, sind auf Hilfe der Eltern aus der Ferne über Handy oder Ähnliches angewiesen. In der schwedischen Bildungsordnung wird eine klare Unter- scheidung zwischen der Selbstbehandlung self care und der Entsprechend der aktuellen Gesetzgebung ist es möglich, per- medizinischen Behandlung medical care definiert. Selbstbe- sönliche Hilfe zu erhalten, diese wird jedoch nur in wenigen handlung schließt alle Maßnahmen ein, die üblicherweise auch Fällen genehmigt. unter der Aufsicht der Eltern oder durch die Eltern durchgeführt werden, wenn sie dementsprechend durch das Behandlungs- Politische Lösungen erforderlich team geschult worden sind. Diese Selbstbehandlung soll auch Eine Lösung auf politischer Ebene könnte darin bestehen, die während der Schulzeit mit Unterstützung des Schulpersonals Verfügbarkeit einer Integrationskraft, wie z. B. einer Kinderkran- oder eines Schulhelfers gewährleistet sein. Medizinische kenschwester oder sonstigen geschulten Person, die unter der Behandlung betrifft alle Maßnahmen, die nur von entsprechen Aufsicht eines Kinderarztes oder eines Kinderkrankenhauses dem Fachpersonal durchgeführt werden dürfen. steht, zu gewährleisten. Ferner müssen Regeln für die Koope- ration zwischen Eltern, Kind und Integrationskraft / Schwester Wenn die Behandlungsaufgaben als Selbstbehandlung durch definiert werden. den Arzt eingestuft wurden, dann liegt die Verantwortung zur Durchführung bei den Erziehungsberechtigten. Ist ein Kind nicht in der Lage, diese Aufgabe selbstständig zu erfüllen, dann ist es die Aufgabe der Schulleitung, entsprechendes Personal zur Schulung durch das medizinische Personal zu benennen, damit die Selbstbehandlung auch während der Schulzeit in Vertretung der Eltern durchgeführt werden kann. Korrespondierende Rege- lungen wurden für Kindergarten- und Hortaktivitäten geschaffen. Da die Diabetesbehandlung in Schweden als Selbstbehandlung eingestuft wird, erhalten die Kinder während der Schulzeit und Klassenfahrten auf Veranlassung der Schulleitung entspre- chende Unterstützung. 10
Diabetes bei Kindern und Jugendlichen Diabetesunterstützung Medizinische Unterstützung in deutschen Schulen an deutschen Schulen An deutschen Schulen gibt es keine Krankenschwestern. Die Diabetesbehandlung in der Schule liegt letztendlich allein in der Allgemeine Gesetzgebung Verantwortung der Eltern und der Schüler. Das Antidiskriminierungsgesetz stellt in Deutschland sicher, dass Personen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, Forschung über Diabetes an Schulen einschließlich Diabetes, Zugang zu Bildung haben. Eine jüngste Umfrage ergab, dass 60 % der Eltern mit einem Kind mit Diabetes ihre berufliche Tätigkeit wegen der unzurei- Diabetesspezifische gesetzliche chenden Unterstützung durch die Schule verändert haben. Bestimmungen und Richtlinien Kinder mit Diabetes dürfen sich in der Schule selbst behandeln Beteiligung von Eltern und (d. h. sich selbst Insulin spritzen, Blutzucker testen). Die Lehrer Patientenvereinigungen können in Notfällen helfen, d. h. Glukose verabreichen, Insulin • diabetes DE, www.diabetesDE.org oder Glucagon hingegen nicht. • Bundesweite Fördergemeinschaft Junger Diabetiker, www.bfjd.de Anwendung von gesetzlichen Bestimmungen und Richtlinien Informationsquellen Für die gesetzlichen Bestimmungen im Bildungsbereich und The European Network of Legal Experts in the Non-Discrimina- deren Umsetzung sind die jeweiligen Länder verantwortlich. tion Field. European Anti-Discrimination Law Review. July 2007. Issue No 5. Zugang unter: http://ec.europa.eu/employment_social/ Schulung von Lehrpersonal fundamental_rights/pdf/legnet/07lawrev5_en.pdf Es findet keine Schulung von Lehrpersonal auf nationaler Ebene statt. Pädiatrische Arbeitsgruppen haben aber Materialien für Peters, SJ for the World Bank, Disability Group. Inclusive Educa- Lehrpersonal erstellt. tion: Achieving education for all by including those with disabili- ties and special education needs. April 2003. Informationen für Lehrerinn en und Lehrer Informationen für Erzieherinnen und Erzieher in Kindergärten Kinder mit Diabetes in der Schule Kinder mit Diabetes im Kindergarten Arbeitsgemein Pädiatrische schaft für Diabetologie Novo Nordisk unterstützt die Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Diabetologie u. a. bei Informations Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie broschüren für Kindergärten und Schulen. 11
Die Sicht der Eltern Kari Rosenfeld, Mutter einer Tochter mit Diabetes Es gibt nichts Wertvolleres als unsere Kinder. Wir bringen sie auf die Welt und haben den natürlichen Instinkt, Schaden von ihnen fernzuhalten. Wenn ein Typ 1 Diabetes bei unseren Kindern diagnostiziert wird, ist alles, was wir glaubten, als Eltern tun zu müssen, infrage gestellt. Diabetes bei Kindern ist anders. Kinder müssen wachsen und gedeihen können. Aber Diabetes bedroht ihren körperlichen Zustand, ihr mentales Wachstum und ihre Langzeitentwicklung. Wir Eltern müssen den Kindern helfen, durch sorgfältige, kontinuierliche Überwachung und Behandlung der Erkrankung gegen schwerwiegende langfristige Komplikationen zu kämpfen, und sie dabei gleichzeitig ermuti- gen, Kinder zu sein und das Leben voll zu genießen. Eine Gesellschaft, die unterstützt Kinder mit Diabetes benötigen eine Gesellschaft, die sie akzep- tiert und den elterlichen Beschützerinstinkt unterstützt. Dies bedeutet, dass wir mit den Eltern gemeinsam dafür sorgen müssen, dass die Kinder sicher sind, z. B. während sie in der Schule sind und ihre Eltern nicht direkt regulierend eingreifen können. Es bedeutet auch, dass wir uns um die Erfüllung der Aus meiner Sicht ist es meine Aufgabe als Mutter einer Tochter physischen Bedürfnisse der Kinder kümmern müssen, ein- mit Typ 1 Diabetes, ihr ein Umfeld zu erhalten, in dem sie sich schließlich eines Zugangs zu Arzneimitteln und Diabetesschu- sicher und geborgen fühlt. Dies ist die Voraussetzung für alle lungen, um ihre Erkrankung zu meistern. Kinder, um wachsen und sich entwickeln zu können. Ich möchte, dass meine Tochter trotz Diabetes ein produktives Mitglied der Es bedeutet aber auch, dass eine psychische Unterstützung Gesellschaft wird und einen positiven Beitrag leisten kann. vorhanden sein muss, wenn die Last der Erkrankung verbunden Daher wünsche ich mir vor allem eine Gesellschaft, die Kinder mit anderen Stresssituationen des Lebens für die Familien alleine mit Diabetes und deren Eltern unterstützt. Das sind wir unseren zu schwer zu bewältigen ist. Kindern schuldig. 12
Diabetes bei Kindern und Jugendlichen Psychosoziale Aspekte Barbara Anderson, klinische Psychologin und Professorin für Pädiatrie am Baylor College of Medicine in Houston, Texas Psychosoziale Faktoren spielen eine entscheidende Rolle im Diabetesmanagement von jungen Menschen. Neben der weltweiten Aufklärung ist die Unterstützung von Kindern und jungen Menschen mit Diabetes von entscheidender Bedeutung für die Gewährleistung einer optimalen Versorgung und Verbesserung der Lebensqualität. Dafür setzt sich die Diabetes-Jugend-Charta (siehe Seite 39) ein. Die Diabetestherapie bei Kindern stellt eine Behandlung dar, die Das Diabetesteam muss außerdem eine altersentsprechende vom Patienten selbst und seiner Familie durchgeführt wird und Aufklärung und Unterstützung für das Kind und die Eltern leis die an diese erhebliche Anforderungen stellt. Die psychosozialen ten und diese fortlaufend anpassen. Die Diagnose stellt für das Auswirkungen resultieren aus der Angst und Besorgnis, die die Kind und die Familienmitglieder eine Lebenskrise dar. Es muss Therapieanforderungen einer komplexen chronischen Erkrankung besondere Sorgfalt darauf verwendet werden, die Ressourcen bei einem Kind in der Entwicklung mit sich bringen. Psychoso- der Familie für die Bewältigung der Erkrankung zu beurteilen. ziale Faktoren haben einen Einfluss auf Therapietreue und Blut- Aufklärung bewirkt, dass Kinder und Familie den Diabetes in zuckereinstellung und sind daher ein wesentlicher Bestandteil den verschiedenen Stadien der Entwicklung des Kindes meis des Managements von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes tern können und dass das Instrumentarium für das Erreichen und des Schutzes und Erhalts ihrer Gesundheit und Lebensqua- einer gesunden Blutzuckereinstellung verbessert wird. lität. Aus diesem Grund ist das Kapitel zu den psychosozialen Aspekten integraler Bestandteil der Kampagne für die globale Wenn das Kind in die Schule kommt, steigt die Zahl der Men- Aufklärung über die Last des Diabetes bei jungen Menschen. schen, die das Kind bei der Bewältigung des Diabetes unter- stützen. Wichtig ist, dass sowohl das Schulsystem als auch das Zentrale Empfehlungen der Diabetes-Jugend- Umfeld über Diabetes aufgeklärt werden. Ziel ist es, das Stigma Charta hinsichtlich psychosozialer Aspekte und die Mythen abzubauen, die dem Kind / der Familie, die mit Fortlaufende Auswertung von psychosozialen und sozialen Fra- Diabetes leben, anhaften. Die Schule und sonstige Betreuungs- gen, die das Kind und die Familie betreffen, müssen ein fester oder Freizeiteinrichtungen müssen ebenfalls über eine altersent- Bestandteil der routinemäßigen Diabetestherapie werden. Psy- sprechende Diabetesbehandlung und -unterstützung aufgeklärt chosoziale Unterstützung wird mit einer besseren Einstellung werden, wenn das Kind den Schritt in die Jugend und ins junge des Diabetes, mehr adaptiven Bewältigungsstrategien und einer Erwachsenenalter nimmt. verbesserten Lebensqualität verbunden. Diese Unterstützung schließt Geschwister, die ebenfalls psychosoziale Bedürfnisse und Sorgen haben, mit ein. 13
Psychosoziale Forschung Chas Skinner Psychosoziale Unterstützung führt zu einer besseren Einstellung des Diabetes, passenderen Bewältigungsstrategien und einer verbesserten Lebensqualität. Die Erkenntnisse der Hvidøre-Studiengruppe Die Hvidøre-Studiengruppe ist eine internationale Vereinigung von Kinderärzten, die sich dazu ver pflichtet haben, eine qualitativ hochwertige multi Hvidøre – erbaut 1871 – liegt nördlich von Kopenhagen. zentrische Forschungsarbeit an Kindern und Jugend Seit Anfang der 90er Jahre dient es Novo Nordisk als Konfe- lichen durchzuführen, um die Diabetesversorgung renzzentrum – nicht nur für die Hvidøre-Studiengruppe. so zu verbessern. Die Forschungen zeigten, dass es zwischen den pädiat- Erste Ergebnisse rischen Diabeteszentren erhebliche Unterschiede hinsicht- Die Auswertung der Ergebnisse deutet darauf hin, dass lich der Ergebnisse der durchgeführten Behandlung gibt. insbesondere zwischen Jugendlichen mit Diabetes und Diese Unterschiede ließen sich jedoch nicht allein durch ihren Eltern Uneinigkeit darüber besteht, wer innerhalb des medizinische und soziodemografische Faktoren wie Ge- Diabetesmanagements wofür zuständig ist. Gerade die Rol- schlecht, Alter, Religionszugehörigkeit, Haushaltsgröße, lenverteilung im Diabetesmanagement sollte jedoch deut- soziale Schicht etc. erklären. lich zugewiesen und allen Beteiligten klar sein, da dieser Punkt augenscheinlich Auswirkungen auf die Blutzucker Unterschiede in der Art der Versorgung einstellung und die Lebensqualität hat. Außerdem ist bei Dies veranlasste die Studiengruppe zu der Hypothese, Jugendlichen, die sich gesund ernähren und weniger Zeit dass Unterschiede in Umfang, Typ und Art der Versorgung mit Fernsehen / Computerspielen verbringen, der Diabetes durch das Diabetesteam, kulturelle Unterschiede in der besser eingestellt. Allerdings scheinen diese Faktoren in Lebensweise der verschiedenen Länder, verschiedene An allen Zentren mit dem Behandlungsergebnis zusammenzu- sätze des Selbstmanagements und die Anpassung der The- hängen und erklären nicht Unterschiede zwischen den rapie sowie psychologische Faktoren zumindest teilweise Zentren. Offenbar unterscheiden sich die Zentren in ande- diese Unterschiede zwischen den Zentren erklären. In einer ren Variablen und dem Ziel, welches Jugendliche, Eltern weiteren Studie wurde versucht, diesen Unterschieden auf und Fachpersonal anstreben. den Grund zu gehen. Junge Menschen mit Diabetes, Eltern und medizinisches Fachpersonal aus unterschiedlichen Die Gruppe beabsichtigt, diese Forschung in enger Koope- Diabetesteams aus verschiedenen Zentren wurden gebeten, ration mit der DAWN Youth-Initiative weiterzuführen. Ziel einen Fragebogen u. a. zu familiären Verhältnissen, der der Forschung ist es, den Therapieverlauf und psychoso- Wahl von Lebensmitteln, Freizeitaktivitäten, Fakten zum ziale Barrieren über die gesamte Kindheit und Jugend zu Selbstmanagement und für Patienten bzw. deren Eltern verfolgen und Daten zu sammeln, die es ermöglichen, die angebotenen Diabetesversorgungsleistungen (medizinisch, besonderen Belastungen von jungen Menschen mit Dia- psychologisch) auszufüllen. betes zu erkennen und auf diese einzugehen. Derzeit wird in einem ersten Schritt der Aufbau von Langzeitstudien zur Versorgung von jüngeren Kindern mit Diabetes geprüft, um sie miteinander vergleichen zu können. www.hvidoeregroup.org 14
Diabetes bei Kindern und Jugendlichen Bewältigungsverhalten und psychosoziale Barrieren des Selbstmanagements Frank J. Snoek, Professor für medizinische Psychologie, Vrije Universiteit Amsterdam Für Kinder mit Diabetes bedeutet es, anders zu sein als ihre Freunde. Aber Kinder wollen nicht anders sein! Eine der größten Herausforderungen, die sich für Kinder im täglichen Leben stellt, ist die Regulierung des Blutzuckers beim Spielen, Lernen und unterwegs. Kindern gelingt es im Allgemeinen sehr gut, mit den täg lichen Herausforderungen fertig zu werden und (ein bisschen) anders zu sein. Für Kinder zählt das Hier und Jetzt Psychosoziale Barrieren Aus diesem Grund ist es leicht nachvollziehbar, dass Kinder und Diese Turbulenzen tragen nicht unbedingt zu einem einfachen Jugendliche mit Diabetes sich mehr Sorgen darum machen, Diabetesmanagement bei, zumal auch die hormonellen Verän- dass der Blutzucker nicht absackt, als um zu hohe Werte. Das derungen zusätzlich Schwierigkeiten bereiten können. Oftmals Austarieren zwischen hoch und niedrig kann schwierig sein. Das stehen sich der Wunsch nach Autonomie und die gleichzeitige Verhalten eines Kindes ist oft wechselhaft und das Kind kann Notwendigkeit entgegen, gemeinsam mit anderen Verantwor- weniger gut auf Frühzeichen einer Überzuckerung oder Unter- tung für den Diabetes zu übernehmen. Häufig verschlechtert zuckerung reagieren. Eltern, Lehrer und Freunde spielen eine sich die Blutzuckereinstellung in dieser Phase des Umbruchs wichtige Rolle dabei, dem Kind Sicherheit zu vermitteln und die aufgrund von schlechterer Einhaltung der Therapie – junge Pati- Erkrankung in den Griff zu bekommen. enten vergessen zum Beispiel, das Insulin zu injizieren. Bei Mäd- chen droht auch die Gefahr, Insulininjektionen auszulassen, um Der Beginn der Pubertät wird in vielen, wenn nicht in den meis abzunehmen, was zu gefährlich erhöhten Blutzuckerspiegeln ten Fällen von Gefühlen von Zwiespältigkeit, Impulsivität und führt. Essstörungen sind eine Hauptbarriere für eine erfolgreiche Stimmungsschwankungen bei den Jugendlichen begleitet. Dies Diabetesbehandlung bei Mädchen (siehe hierzu auch den Bei- hat natürlich wesentliche Auswirkungen auf die Bewältigung trag aus Dänemark auf Seite 32). des Diabetes. Manche Studien deuten darauf hin, dass Teenager mit Diabetes weniger zufrieden mit ihrem Leben sind und ihre Wer von Kindheit an mit dem Diabetes leben muss, ist auf eine Gesundheit negativer empfinden als gesunde Gleichaltrige. unglaubliche Weise gefordert. Vieles hängt von der Unterstüt- zung ab, die das Kind von Eltern und Betreuern erhält. Mass- nahmen, die die Kommunikation verbessern, helfen Schwierig keiten aus dem Weg zu räumen und können Familien die Bewältigung des Diabetes erleichtern. 15
DAWN Youth für junge Menschen mit Diabetes Die International Diabetes Federation (IDF), die International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD) und Novo Nordisk haben ihre Kräfte gebündelt, um ein dringend benötigtes Projekt innerhalb des DAWN-Programms zu initiieren, das sich auf die speziellen Bedürfnisse von jungen Menschen mit Diabetes oder Diabetesrisiko konzentriert. Das DAWN-Programm Ziel von DAWN Youth Das Programm „Diabetes, Attitudes, Wishes & Needs” (DAWN – Das Ziel von DAWN Youth ist es, zur Verbesserung des Lebens Diabetes-Ansichten, Wünsche & Nöte) begann mit der globa- von jungen Menschen mit Diabetes und ihren Familien bei- len DAWN-Studie 2001, in der die erheblichen Defizite in der zutragen. Ein besonderer Fokus liegt auf der Überwindung Diabetesversorgung in den 13 teilnehmenden Ländern deutlich psychosozialer Barrieren. DAWN Youth setzt auf koordinierte wurden. Daraufhin konnten neue Wege zur Überwindung psy- Forschungsaktivitäten, nationale und internationale Datenerhe- chosozialer Barrieren für ein effektives Diabetesmanagement bungen, Fürsprache, Dialoge, Partnerschaften und Aktionen in erschlossen werden. Der 2004 von der IDF weltweit publizierte den teilnehmenden Ländern. „DAWN Call to Action“ ruft zu breit angelegten, partnerschaft- lichen Bemühungen zur Verbesserung der Diabetesversorgung DAWN Youth – erste aktive Schritte auf. Heute wird die Vision durch Aktivitäten in über 20 Ländern Im ersten Schritt werden wichtige Interessenvertreter aufge- in die Tat umgesetzt. fordert, die erforderlichen Initiativen zu formen. Es werden Überwachungstools und Aktionsstrategien entwickelt, um die Von DAWN zu DAWN Youth Bedürfnisse junger Menschen mit Diabetes und ihrer Familien DAWN Youth ist die Antwort auf die Erkenntnis, dass Diabetes sowie von Ärzten und medizinischem Personal herauszufinden. für junge Menschen und ihre Familien anders verläuft, als Dia- Außerdem soll Einrichtungen, Regionen oder Ländern geholfen betes im Erwachsenenalter. Ferner ist DAWN Youth eine Reaktion werden, Wege zu finden, um die psychosoziale Unterstützung auf die IDF Diabetes-Jugend-Charta 2007 (siehe Seite 39). zu verbessern. 16
DAWN Youth in Deutschland Diabetesexperten und nationale Vereinigungen in Japan, Brasi- lien, Südafrika, den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Däne- mark, Italien, den Niederlanden und Deutschland haben sich getroffen, um diesen Prozess in Gang zu setzen und als Folge davon die DAWN Youth-Initiative zu leiten und Themen von nationaler Priorität und Aktionsstrategien zu definieren. Im Jahr 2007 suchte Novo Nordisk im DAWN Youth WebTalk (siehe Seite 18) die Zusammenarbeit mit jungen Menschen, Eltern, medizinischem Fachpersonal und politischen Entscheidungsträ- gern aus acht Ländern, um positive Veränderungen anzuregen. Alle jungen Menschen mit Diabetes sollten das Recht haben auf eine bestmögliche Versorgung und die Chance, ein erfülltes Leben zu führen. Mit DAWN Youth hat jeder die Möglichkeit, aktiv mitzuhelfen, damit dieses Ziel verwirklicht wird. www.dawnyouth.com 17
DAWN Youth WebTalk – ein richtungsweisender „Kompass“ Was sind die besonderen Herausforderungen in der Diabetestherapie bei jungen Menschen? Wie kann man sie identifizieren, wie verstehen? Was muss getan werden, um den Dialog zwischen jungen Menschen mit Diabetes, ihren Eltern und sonstigen unterstützenden Helfern zu fördern? Um diese Fragen zu beantworten und positive Veränderungen herbeizuführen, wurde 2007 u. a. mit Unterstützung der International Diabetes Federation (IDF), der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD) und Novo Nordisk eine globale internetbasierte Datenerhebung durchgeführt, die sich auf psychosoziale Faktoren fokussierte: der DAWN Youth WebTalk. gelnder Therapietreue wurden u. a. fehlende Unterstützung im persönlichen Umfeld, Angst vor Unterzuckerungen und Gewichtszunahme sowie Wissenslücken und Verdrängung ver- mutet. Rebellion oder Motivationsprobleme scheinen dabei eine nachrangige Rolle zu spielen. Als kritisch erwies sich vor allem die Unterstützung sowie das Weltweit folgten fast 6.800 Betreuer von Kindern mit Typ 1 erfolgreiche Diabetesmanagement in der Schule. Die Behandeln- Diabetes (vorwiegend Eltern), junge Erwachsene bis 25 Jahre den sahen das nur für etwa ein Drittel der Patienten als gegeben. sowie Behandelnde (Ärzte, Schwestern, Psychologen, Diabetes- Auch gaben 10 % der Befragten mit Diabetes an, dass sie ein- beraterinnen etc.) dem Aufruf, am DAWN Youth WebTalk teil- mal pro Monat in der Schule fehlen, ein weiteres Drittel 2- bis zunehmen. Sie kamen aus Deutschland, Dänemark, Italien, den 6-mal pro Jahr. Ein Fünftel der jungen Erwachsenen mit Dia- Niederlanden, Spanien, Japan, Brasilien und den USA. betes zeigte sich unzufrieden mit der Art und Weise, wie sie in der Schule behandelt wurden bzw. werden. Eine Verbesserung Im Nachfolgenden berichten wir über die wichtigsten Ergeb- der Situation erwarten die Betroffenen am ehesten durch mehr nisse aus Deutschland, die auf strukturierten Fragebögen von Information für Lehrkräfte über Diabetes allgemein und über 78 Behandelnden und je knapp 200 Betreuern sowie jungen das Verhalten in Notfallsituationen. Erwachsenen mit Diabetes basieren. Dringend benötigt: Zwischen Schein und Sein: mehr Unterstützung im Alltag die Diabetestherapie in der Realität Nur ca. ein Drittel der jungen Menschen mit Diabetes kann nach Wie nehmen die Jugendlichen ihre Diabetestherapie wahr, wie Einschätzung der Behandelnden den Diabetes erfolgreich schätzen ihre Eltern die Umsetzung in der Realität ein, was ist emotional bewältigen, wobei ungelöste psychische und soziale die Sicht der Behandelnden? Besonders auffällig war die Diskre- Probleme hier offenbar die wichtigste Rolle spielen. Gute Unter- panz hinsichtlich der Blutzuckereinstellung. Während 66 % der stützung und Hilfe erfahren die Befragten vor allem in der jungen Erwachsenen und 83 % der Eltern der Meinung waren, Familie, auch wenn z. B. überfürsorgliche Eltern Schwierigkeiten dass die Blutzuckereinstellung den Vorgaben der Therapeuten bereiten können. entspräche, sahen die Therapeuten hingegen dies nur bei ca. einem Drittel ihrer Patienten als gegeben. Aber auch die Eltern selbst sehen sich, gerade bei präpuber- tären Kindern, einer starken Belastung ausgesetzt. 80 % aller Was die Injektions- und Blutzuckermessgeräte anging, so Eltern fühlen sich zumindest manchmal mit dem Diabetes ihres bestand insgesamt eine hohe Zufriedenheit. Trotzdem gaben Kindes überfordert. Mehr als drei Viertel der Eltern sind im 20 % der Patienten selbst an, die Diabetesmedikation nicht Alltag und / oder im Beruf durch den Diabetes des Kindes beein- zuverlässig, d. h. wie von den Therapeuten empfohlen, anzu- trächtigt. Und bei über der Hälfte der Betreuer findet sich der wenden. Letztere schätzten den Anteil sogar noch höher ein, Hinweis auf ein eingeschränktes Wohlbefinden bis hin zu einer wie die Abbildung auf Seite 15 zeigt. Als Hauptgründe man- möglichen Depression. 18
DAWN Youth in Deutschland Die Diabetestherapie bei Jugendlichen aus der Sicht der Therapeuten Von den Behandlern geschätzter Prozentsatz ihrer Patienten, die folgende Aspekte des Diabetesmanagements (mit oder ohne Hilfe von Familie oder anderen) meistens / fast immer / immer erfolgreich umsetzen können. Vernetzung und Austausch unter Gleichaltrigen bzw. unter Ein Drittel der jungen Erwachsenen mit Diabetes und ein Fünftel Betreuern in einer vergleichbaren Situation wird von der Mehr- der Eltern von Kindern mit Diabetes haben das Gefühl, dass zahl der Befragten als besonders wichtig erachtet. Wobei Aktivi Arzt und Diabetesteam die Herausforderungen im Alltag für täten wie z. B. Diabetescamps von den Betroffenen und ihren Patient und Familie nicht wirklich verstehen. Nur ca. ein Fünftel Eltern hilfreicher eingeschätzt werden als lokale Aktivitäten oder der Behandelnden erfasst routinemäßig die psychosoziale Situ- der Austausch im Internet. ation ihrer Patienten mit einem strukturierten Fragebogen, und das, obwohl bei fast 90 % der Behandelnden eine hohe Bereit- Ein erfolgreiches Beispiel in Deutschland ist das von Novo Nordisk schaft dazu besteht. veranstaltete „my Camp D“ (siehe auch Seite 20 – 26). Ein Fünftel der Eltern gibt an, dass der Arzt mit ihnen nie über Den Dialog fördern: das Leben des Kindes außerhalb der medizinischen Versorgung zwischen Diabetesteam und Patient spreche. Nur etwa die Hälfte der Behandelnden spricht von sich Diabetologen nehmen sowohl für Patienten als auch für die aus aktiv emotionale Spannungssituationen bei ihren Patienten Betreuer diabetischer Kinder eine herausragende Rolle als Infor- an. Dabei gibt es in ca. drei Viertel der Familien mit diabetischen mationsquelle über Diabetes ein – gefolgt von Internet, anderen Kindern mindestens manchmal Streit über die Art und Weise, Betroffenen und Diabetesvereinigungen bzw. Selbsthilfegrup- wie mit dem Diabetes umgegangen wird. pen. Obwohl die Diabetestherapie in Deutschland auf einem vergleichsweise hohen Niveau liegt, deckt der DAWN Youth Neue Wege für eine erweiterte WebTalk auch einzelne Bereiche auf, denen noch besondere psychosoziale Unterstützung Beachtung geschenkt werden sollte: Eine erhöhte Aufmerksamkeit und ein besseres Verständnis für Diabetes sind die Hauptforderung aller Befragten – und dazu So besucht z. B. nur ca. ein Drittel der jungen Erwachsenen mit trägt der DAWN Youth WebTalk selbst aktiv bei. Die Ergebnisse Diabetes regelmäßig eine Diabetesberatung. Junge Erwachse- sollen nun Anregung und Motivation für weitere Aktionen lie- ne gaben nur zu 42 % (Eltern: 65 %) an, dass alle, die in die fern, mit dem Ziel, die Diabetestherapie zu verbessern und neue Behandlung eingebunden sind, auch untereinander kommuni- Wege für eine erweiterte psychosoziale Unterstützung zu bah- zierten. Etwa ein Viertel der jungen Erwachsenen mit Diabetes nen. Aufgabe für die Zukunft ist es, das Leben mit Diabetes von bzw. der betreuenden Eltern fühlen sich in Therapieentschei- Kindern, jungen Erwachsenen sowie deren Eltern und Familien dungen nicht maßgeblich eingebunden. nachhaltig positiv zu verändern. 19
Eine Vision wurde in Deutschland wahr: my Camp D Christina Betz-Senftleben, Leitung Organisationsteam my Camp D Camp D hatte eine einfache, aber durchschlagende Botschaft: Lebe dein Leben! Am ersten Camp D 2006 in Bad Segeberg nahmen fast 500 junge Menschen mit Diabetes zwischen 16 und 25 Jahren teil. Am zweiten Camp im Jahr 2008 waren es bereits ca. 700 junge Teilnehmer. Sie tagten in einer ungezwungenen Outdoor umgebung, tauschten sich über Erkenntnisse aus und sprachen offen über die Herausforderungen, denen sich junge Menschen mit Diabetes gegenüber sehen. Von der Vision zur Aktion Atmosphäre des Austauschs Als Erstes war da eine ganz verrückte Vision. Eine Vision, an Viele fragten zunächst: „Was soll uns dieses Camp bringen?“ welche eigentlich niemand recht glauben wollte. Doch sie Nun, es ist eigentlich ganz einfach. Stellen Sie sich vor, Sie setzte sich im Hinterkopf einiger Enthusiasten fest und wollte wären Diabetiker und hätten die Gelegenheit, drei Tage mit sich einfach nicht mehr entfernen lassen. Im Laufe der Zeit hunderten junger Menschen zu verbringen, die dieselben Ängste haben sich immer mehr dieser Idee angenommen und so konnte und Fragen haben wie Sie. Wäre dies nicht für Sie eine einzig- Novo Nordisk schließlich diese Vision in die Tat umsetzen. artige Chance, sich mit so vielen Gleichgesinnten über Ihre Situ- ation, Probleme und Erfahrungen auszutauschen und Dinge zu Immer wieder haben Diabetologen, Pädiater und Diabetesbera- erfahren, die Ihnen bisher verborgen geblieben sind? Sie wür- terinnen an den Seminaren der Novo Nordisk Akademie davon den neue Ideen und Impulse für Ihr eigenes Leben bekommen berichtet, dass sie an junge Menschen mit Diabetes im Alter und auf viele offene Fragen, die Sie beschäftigen, eine fundierte von ca. 20 Jahren nicht richtig herankommen. Dass viele von Antwort von anerkannten Fachleuten, Ärzten und anderen jun- ihnen zuvor gut eingestellt waren, doch irgendwann die Null- gen Menschen mit Diabetes erhalten. Bock-Phase eintritt, in der es schwierig ist, mit den Patienten überhaupt ins Gespräch zu kommen. Und dies gerade in einem my Camp D für junge Menschen mit Diabetes Lebensabschnitt, in dem die Weichen für die persönliche und Ein verlängertes, begeisterndes Wochenende für junge Teilneh- berufliche Zukunft gestellt werden sollen! mer zwischen 16 und 25 Jahren, Diabetologen, Diabetesberate- rinnen, Psychologen und Mitarbeiter von Novo Nordisk sollte es Hansruedi Stahel, der Gründer der Novo Nordisk Akademie sein. Mit einem Programm, welches die jungen Leute ihr ganzes hatte die Idee, dieses Problem anzugehen. Die jungen Leute Leben lang nicht vergessen sollen, weil es ihnen geholfen hat, müssten einige Tage mit anderen jungen Menschen mit Diabetes ihre eigenen Wünsche und Visionen wahr werden zu lassen. verbringen können, ungestört, fernab der Diabetespraxis in Dies alles in Bad Segeberg. Einem Ort, der neben dem Thema einer ganz ungezwungenen Atmosphäre – die Idee des Camp D Diabetes jede Menge Spaß, Sport und Kultur bieten konnte. war geboren! 20
DAWN Youth in Deutschland Schließlich entstand nach mehr als zweijähriger Planung im Som- radfahren und Yoga auch eher unbekannte Sportarten wie Kick- mer 2006 das erste Camp D für junge Menschen mit Diabetes. boxen, Speedminton, Klettern an einem sieben Meter hohen Das Programm wurde in vielen Stunden intensiven Gedanken- Kletterturm oder Slacklining ausprobiert werden. Vor allem aber austauschs mit Spezialisten aus der Wissenschaft, Diabetologen, hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, mit anderen Diabetikern persönlich Betroffenen und der Unterstützung des Bürgermeisters und Therapeuten zu sprechen – und dieses Angebot wurde von von Bad Segeberg und dessen Team auf die Beine gestellt. allen gerne angenommen. Themen, die begeistern Gleichzeitig gab es auch praktische Ziele. Während Camp D wur- Beim Camp D sprachen prominente Diabetesexperten zu den den insgesamt 400 Fragebögen zu den Problemen, Wünschen jungen Zuhörern. Mit großer Hingabe und Enthusiasmus hörten und Nöten junger Menschen mit Diabetes von den Teilnehmern diese sich Vorträge an wie „Burn fat statt burn out“, „Soweit ausgefüllt. Außerdem wollte man auch Themen wie die Ver- die Füße tragen“ und „Die Zukunft gehört mir“. Außerdem besserung der Versorgung außerhalb der Familie, Stärkung der waren bekannte Sportgrößen mit Diabetes zugegen, um über Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Eltern, das Eintreten für ihre Erfahrung mit Diabetes im Alltag zu sprechen. Aber auch Krankenschwestern für Kinder mit chronischen Erkrankungen der Spaß kam am Sporttag nicht zu kurz. Hier konnten neben an Ganztagsschulen und die Bereitstellung von Ansprechpart- bekannten Sportarten wie Fußball, Volleyball, Basketball, Fahr- nern für Eltern an Kindergärten und Grundschulen angehen. 21
Zweites Camp in 2008 Der Erfolg der beiden Camps hat auch dazu beigetragen, das Der Erfolg des ersten Camps im Jahr 2006 spiegelte sich in den Bild von ( jungen) Menschen mit Diabetes in der Öffentlichkeit Gesichtern, den Gästebucheinträgen und Anfragen der Teilneh- positiver zu gestalten und Vorurteile und Vorbehalte abzubauen. mer und deren Eltern wider. Bedingt durch diesen Erfolg konnte Aber es ist weiterhin wichtig, in der breiten Öffentlichkeit für Novo Nordisk zwei Jahre darauf ein weiteres Erlebniscamp – Aufklärung zu sorgen und fundierte Informationen über Diabe- my Camp D 2008 – anbieten. Mit ähnlichem Programm, aber tes mellitus zu geben. mit mehr Teilnehmern, mehr Betreuern und einer weiteren my Camp D-Studie. Und wieder waren es Tage im Juli, die alle www.mycampd.de bewegten: die Medizinspezialisten, die Betreuer, die anwe- senden Hochleistungssportler mit Diabetes wie u. a. die Kick boxerin Anja Renfordt, der Rennfahrer Carlo Bermes oder der Triathlet Peter Riemer und – das Wichtigste überhaupt – die 700 jungen Menschen mit Diabetes. Es gab viele bekannte Gesichter, aber auch neue, die sich ent- schlossen hatten, mit Novo Nordisk aktiv zu werden. Mit ihrer Begeisterung, ihrer Lebensfreude und ihrer unglaublichen Dis- ziplin machten sie my Camp D 2008 erneut zu einem großen Erfolg. Alles stimmte! Die Stimmung, das Vertrauen, der Spirit. Wieder wurde ganz offen über die Herausforderungen des Lebens diskutiert. 22
DAWN Youth in Deutschland DAWN Youth-Studie: Ergebnisse zweier Diabetescamps Prof. Karin Lange, Leiterin der Forschungs- und Lehreinheit medizinische Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover Diabetesbehandlung in Deutschland aus der Sicht von 16- bis 25-jährigen Teilnehmern an zwei Diabetescamps. Aus ganz Deutschland trafen sich unter dem Namen „Camp D 2006“ und „my Camp D 2008“ mehr als 500 bzw. 700 junge Leute mit Diabetes im Alter zwischen 16 und 25 Jahren. Wäh- rend der zwei viertägigen Camps in Bad Segeberg konnten sich die Teilnehmer in diversen Workshops umfassend über die Dia- betestherapie im Alltag informieren, aktiv Sport treiben, Erfah- rungen austauschen, feiern und neue Kontakte knüpfen. Beide Camps wurden von Hansruedi Stahel (Novo Nordisk) initiiert Professor Karin Lange (2. v. l.) führte bei beiden Camps die und von ihm zusammen mit Christina Betz-Senftleben und DAWN Youth-Studie durch und wertete sie anschließend aus. einem großen Team ehrenamtlicher diabetesversierter Betreuer geplant und mit großem Engagement durchgeführt. Großes Interesse an den zwei Studien Während beider Veranstaltungen wurden alle Teilnehmer einge Im Jahr 2006 nahmen 409 junge Menschen mit Typ 1 Diabetes laden, sich an der DAWN Youth-Studie zu beteiligen und dabei an der Studie teil, 2008 konnten wegen der begrenzten Mög- über ihre Wünsche und Erfahrungen mit der chronischen Krank- lichkeit zur HbA1c-Bestimmung nur 437 der ca. 700 Teilnehmer heit zu berichten. Sie beantworteten Fragebögen zu ihrer Lebens- in die Studie einbezogen werden. Beide Studiengruppen und situation, zum psychischen Wohlbefinden, zur Art der Diabetes- deren Einschätzungen sowie Erfahrungen werden im Folgenden therapie, zur Belastung durch die Therapie im Alltag und zur zusammenfassend dargestellt. Zufriedenheit mit verschiedenen Aspekten der Langzeitbetreu- ung. Außerdem wurde der aktuelle HbA1c-Wert bestimmt. Die Teilnehmer Die Daten in Tabelle 1 (siehe Seite 24) zeigen, dass sich die Teilnehmerstrukturen in beiden Untersuchungen sehr ähnelten. 129 junge Leute nahmen an beiden Studien teil. Die Diabetestherapie In beiden Gruppen gaben nahezu alle Teilnehmer (99 % bzw. 98 %) an, einen Typ 1 Diabetes zu haben. Jeweils 92 % waren bei einem Diabetologen DDG (internistisch oder pädiatrisch) in Behandlung. Die intensivierte Insulintherapie setzten 97,1 % der Teilnehmer (2006) ein, im Jahr 2008 waren es alle jungen Leute. Auffällig war im Vergleich der zwei Erhebungen der deutliche Anstieg der Pumpenträger (CSII = continuous subcutaneous insulin infusion) von 37,4 % (2006) auf 47,4 % (2008) gegen über den Teilnehmern mit mehrfachen Injektionen täglich (MDI = multiple daily injections). 23
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