Für die Gesundheit tun wir sehr viel. Doch besonders das Mit - einander trägt zur Lebensqualität bei - Lebenshilfe Vorarlberg
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www.lebenshilfe-vorarlberg.at Zeitschrift der Lebenshilfe Vorarlberg | Ausgabe 2/18 Für die Gesundheit tun wir sehr viel. Doch besonders das Mit- einander trägt zur Lebensqualität bei.
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IN DIESER AUSGABE 3 THEMEN VORWORT SEITE DAS THEMA: „Was tuan mer denn, was mach mer denn“... Alles rund um die Gesundheit 4 ...ruft meine Tochter Nora, rollt auf mich zu, blickt mich freudig an und wartet auf: „Nora, was möchtest Du heute machen? Möchtest Du ...?“ Nora denkt nach und ruft: „Genau!“. Ein spannender Moment. Beim richtigen Vorschlag startet sie mit eleganter Kurve in ihr Zimmer, um ihre Anziehsachen zu holen. Diesen Dialog, gekoppelt mit Wiedersehensfreude, genieße ich. Als Mutter frage ich mich oft: Wie zufrieden ist Nora mit sich, mit mir, ihrem Umfeld, mit ihrer Lebensform, ihrer Ge- sundheit? Natürlich habe ich Antworten für mich, aber gleich- zeitig bin ich froh um Rückmeldungen von ihren vertrau- ensvollen Bezugspersonen im Wohnhaus Dornbirn Birken- wiese und der Tagesgruppe „Füranand“. Gastkommentar: Inklusive Medizin 12 Achtsame Kommunikation und aktives Miteinander mit Men- schen mit Behinderungen machen es erst möglich – wie von Ehrenpräsidentin Gabriele Nußbaumer im letzten Vorwort auf- SCHREIB & KUNST WERKSTATT 15 gerufen – mit Mut den Aufbruch zu wagen. Für mich als neue Fachtagung zu „Gesundheit ohne 15 Präsidentin eine spannende Aufgabe mit all jenen, denen ich Barrieren“ für das Vertrauen danke! Für mich persönlich ein Lernen mit Vom Koma zurück ins Leben 16 Herausforderungen und Stolpersteinen. Mit den Fragen: „Wo und wie funktioniert Zusammenarbeit? Welche Faktoren haben positiven Anteil am Gelingen?“ Ich bin gespannt auf die Erfah- MAGAZIN 19 rungen, den Austausch und die Gedankensprünge. Neue Präsidentin der Lebenshilfe 20 Vorarlberg im Interview Als Ärztin freut es mich, dass in dieser Ausgabe der „Mitein- IAZ Röthis: Näherei & Kreativhandwerk 22 ander Leben“ das Thema Gesundheit in vielen Facetten be- leuchtet wird: Sei es zur gesunden Ernährung, regelmäßiger INFORMATION & BERATUNG 24 Bewegung oder der speziellen Begleitung im Alter. Der Gast- kommentar zur „Inklusiven Medizin“ zeigt uns neue Aspekte auf. Besonders hilfreiche Informationen bieten etwa der Artikel zur Zahnprophylaxe bei Menschen mit Behinderungen oder jener zum Krankenhaus Pass. Erfahren Sie aber auch, welche neuen Projekte es in der Lebenshilfe Vorarlberg gibt. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen! KURZMELDUNGEN 28 FREUNDE & GÖNNER 29 TERMINE 30 Titel: Das Kantine.L-Team mit Schülerinnen und Dr. Adriane Feurstein Schülern in der neuen „Schule am See“ in Hard. Präsidentin der Lebenshilfe Vorarlberg
4 Anfang Oktober schaute Margit Immler (Werkstätte Hard, M.) den Schülerinnen und Schülern der 7a und 7b noch über die Schulter. Unten: Tanja Pietschnig zeigt Carina Masnetz und Margit Immler (v.l.) die Zubereitung der frischen Salate. Mit- tels Draisin-Fahrrad holt das Team der Werkstätte Hard das Essen ab.
THEMA: GESUNDHEIT 5 Kantine.L: Gesunde Ernährung und gelebte Inklusion Mit Schulbeginn Anfang September tober haben es sich die ersten fünf Be- Menüs konnten im Schulrestaurant auch wurde die „Schule am See“ in Hard er- schäftigten mal angesehen. Sie mögen schon auswärtige Gäste begrüßt wer- öffnet. Das Schulrestaurant wird seit- es zu kochen, mitzuhelfen und freuten den. Zudem beliefert werktags das Kan- her von der Kantine.L geführt – wo sich auf das Neue. Seither schauen wir tine.L-Team die Mittelschule Mittelwei- gesundes Essen und ein inklusives täglich, wer mit ins Schulrestaurant herburg und das Lebenshilfe-Wohnhaus „Mitanand“ im Fokus stehen. möchte und wie lange er oder sie mithel- in Hard. Für die Werkstätte erfolgt die fen kann. Da die Werkstätte gleich dane- Lieferung mittels Draisin-Fahrrad. „Um Die Kantine.L der Lebenshilfe Vorarlberg ben liegt, können wir das ganz flexibel 11.00 Uhr fährt eine Beschäftige oder ein gibt es seit 2007. Bisher wurden acht gestalten und Personen auch wieder zu- Beschäftigter mit einer Begleitperson Schulkantinen, der Wildpark-Kiosk in rück begleiten. Eine Mitarbeiterin oder zum Schulrestaurant – wenn möglich bei Feldkirch und die Kantine.L Batschuns ein Mitarbeiter ist zur Unterstützung jedem Wetter – und holt das Essen ab. geführt. „Als für das Schulrestaurant der dabei. Wir schauen einfach, wie sich das Eventuell können wir später auch Liefe- ‚Schule am See‘ ein Betreiber gesucht Ganze entwickelt – sind aber sehr zuver- rungen für andere Kunden übernehmen. wurde, war für mich klar, dass die Kan- sichtlich.“ Möglich ist diese Flexibilität Zudem ist geplant, dass wir später mit tine.L genau dazu passt. Wir verarbeiten auch durch das fixe Kantine.L-Team mit einer Gruppe direkt im Schulrestaurant frische und regionale Produkte, als Aus- Küchenchef David Kegele, drei Mitarbei- essen“, so Markus Dür abschließend. gangspunkt für eine gesunde Ernährung. terinnen und einem Zivildiener. Sie er- Dazu qualifizieren wir nicht nur Men- möglichen, dass dem reibungslosen schen mit Behinderungen für den Ar- Ablauf des Großküchenbetriebes nichts beitsmarkt, sondern versuchen inklusive im Wege steht. Denn immerhin werden Begegnungen zu schaffen“, erklärt bis zu 500 Essen täglich zubereitet. Georg Eberharter, Leiter Gastronomie der Lebenshilfe Vorarlberg. Auch die Ge- „Mitanand“ in der Schule meinde war von der Kombination über- Die 650 Schülerinnen sowie Schüler und zeugt und entschied sich im Dezember die 100 Lehrpersonen sind aber nicht nur 2016 für die Kantine.L. Gäste des Schulrestaurants. „Eine Be- sonderheit ist, dass täglich fünf Kinder Gemeinsam mit der Werkstätte bzw. Jugendliche mit einer Lehrperson Mit dem neuen Schulrestaurant wurden mitkochen. So arbeiten alle mindestens Bgm. Harald Köhlmeier aus Hard. die bisherigen Erfahrungen genutzt, um einmal pro Schuljahr im Schulrestaurant das inklusive Kantine.L-Konzept zu er- mit. Die ersten hatten bei ihren Durchläu- weitern. „In den anderen Schulkantinen fen bereits viel Spaß und freuen sich auf EIN- Aus Sicht der arbeiten gut eingespielte Teams von weitere Einsätze. Die Philosophie der Menschen mit Behinderungen mit. In Kantine.L passt sehr gut zu dem, was BLICKE Gemeinde Hard sollen aber auch Menschen mit hö- uns wichtig ist: Frischkochküche, Regio- herem Unterstützungsbedarf die Mög- nalität und Saisonalität. Außerdem ist die ne und ge- „Eine gute, ausgewoge lichkeit bekommen, reinzuschnuppern Zusammenarbeit ein weiterer Schritt zur entbehrlich, sunde Ernährung ist un und mitzuarbeiten. Was nur auf flexible gelebten Inklusion. Es freut uns, dass ein d Jugendliche damit sich Kinder un Weise geht“, erklärt Georg Eberharter. so tolles Team mit unserer Schule zu- nnen. Dem- richtig entwickeln kö Das Team rund um Werkstätten-Leiter sammenarbeitet“, so Direktorin Karin r sehr klare entsprechend hatten wi Markus Dür trägt diese Chance für die Dorner und Direktor Christian Grabher. forderun- Vorstellungen, welche An Beschäftigen engagiert mit: „Anfang Ok- Durch die täglich frisch gekochten Wahl- r unseres gen der künftige Betreibe en sollte. Schulrestaurants erfüll e frische Zu- Zum einen war uns ein n und re- bereitung von saisonale Es freut uns, dass ein so tolles Team mit gionalen Lebensm itteln be sonders sol lte aber wichtig. Zum anderen unserer Schule zusammenarbeitet.“ auch der soziale Aspekt Be rüc ksi ch- ep t de r Kan- tigung finden. Das Konz r.“ tine.L stellt beides siche
6 Ernst Reich und Michael Hehle (r.) probierten das neue Draisin-Fahrrad Ländle-Reise mit dem Fahrrad: Cor- des Wohnhauses Hard gleich aus. dula Bischof und Saskia Linder Christa Allaart vom Wohnhaus (hinten), Irmgard Plechaty (M.) und Feldkirch Gisingen. Bei der Übergabe des neuen Spezial- Fahrrades für das Wohnhaus Hard: Andreas Karg und Mandy Strasser (beide Lions Club Bregenz), Marlies Wieser, Roman Feurstein, Michael Hehle (v.l.) und Bewohner Ernst Reich.
THEMA: GESUNDHEIT 7 Bewegung, Erlebnis und Teilhabe in einem Gerade bei Menschen mit mehrfa- chen Behinderungen spielt Mobilität eine wichtige Rolle. In Bewegung zu So können Menschen mit hohem Un- sein, Umweltreize zu erfahren und die frische Luft zu genießen, das terstützungsbedarf am gesellschaft- alles lässt sich mit dem Draisin Spe- zial-Fahrrad besonders gut erleben. lichen Leben teilhaben.“ Abwechslung in den täglichen Ablauf zu bringen, ist gerade in der Freizeit ein allgegenwärtiges Thema. Doch wie ist chael Hehle. Die restlichen 2.000 Euro Mit dem Fahrrad aktiv dabei das auch für Menschen mit hohem Un- organisierte der engagierte Wolfurter Doch nicht nur in Hard spielt das Fahr- terstützungsbedarf möglich, die nicht über private Spenden. radfahren eine Rolle. Im Wohnhaus selbst mobil sind? Dornbirn Birkenwiese kommen regel- Dank Spenden möglich mäßig Freiwillige vorbei, um mit dem Eine ideale Möglichkeit sind die Spe- Noch im August wurde das neue Spe- „Rikscha“-Fahrrad abwechslungsrei- zial-Fahrräder der Firma Draisin. „Die zial-Fahrrad geliefert und natürlich che Ausflüge zu ermöglichen. gemeinsamen Radausflüge sind bei auch gleich ausprobiert. Bei der ersten unseren Bewohnerinnen und Bewoh- Probefahrt waren Mandy Strasser für Im Wohnhaus Feldkirch Gisingen ist nern, aber auch beim Team sehr be- den Lions Club Bregenz und Michael das eigene Draisin-Spezial-Fahrrad liebt. Durch die Spezial-Fahrräder wird Hehle mit dabei. „Es ist schön zu ebenfalls fixer Bestandteil der Freizeit- es Menschen mit Behinderungen mög- sehen, wie viel Spaß die neu gewon- gestaltung. Anfang August ermöglichte lich, das ‚Radfahren‘ zu erleben, auch nene Mobilität allen hier macht. So kön- es sogar eine zweitägige Urlaubsreise. wenn sie selbst nicht in die Pedale tre- nen sie wieder gemeinsam im Ort und Cordula Bischof und Bewohnerin Sas- ten können. Es ist eine komfortable darüber hinaus unterwegs sein“, freut kia Linder waren dabei mit dem elektri- Möglichkeit unterwegs zu sein und sich Mandy Strasser. Auch Michael schen Spezial-Fahrrad unterwegs. damit die Gegend zu erkunden“, be- Hehle ist froh, dass es geklappt hat und Ingrid Plechaty trat genauso selbst in richtet Walter Küng, Leiter des Wohn- ergänzt: „Gerade durch die Radaus- die Pedale, wie Mitarbeiterin Christa hauses Hard. flüge – wo auch viele Begegnungen Allaart. Das Wetter passte bestens – stattfinden – können Menschen mit schön, aber nicht allzu heiß. Am ersten Persönliches Engagement hohem Unterstützungsbedarf am ge- Tag führte die 30 km lange Route von Leider war das bisherige Spezial-Fahr- sellschaftlichen Leben teilhaben.“ Feldkirch nach Frastanz, über das rad des Wohnhauses nicht mehr zu re- Nenzinger Schwimmbad bis nach Blu- parieren. Ein Ersatz stellte eine große Begeistert zeigten sich die beiden aber denz. Natürlich wurden mehrere Pau- finanzielle Investition dar, das war Mi- auch von der Wertschätzung der Be- sen gemacht. Im „Hotel über den chael Hehle, der einige Stunden in der wohnerinnen sowie Bewohner und des Dächern“ übernachteten die Vier. Woche im Wohnhaus arbeitet, klar. „Es Wohnhaus-Teams für ihren Einsatz. Im war mir aber sehr wichtig, dass die Namen aller bedankte sich Leiter Wal- Am nächsten Tag ging es „über die Radausflüge auch weiterhin stattfinden ter Küng „für das großartige Engage- Dörfer-Route“ nach Feldkirch. Im Stadt- können. Da ich hauptberuflich ein Ca- ment von Michael, ohne das es nicht zentrum genoss man als Abschluss tering-Unternehmen führe, bin ich auch möglich gewesen wäre. Herzlichen noch ein Eis. „Für alle war es ein Erleb- Mitglied im Lions Club Bregenz. So Dank an Mandy Strasser und den ge- nis und Ingrid hat uns alle toll motiviert. habe ich mit den Verantwortlichen, samten Lions Club Bregenz für ihre Zudem hat sie die ganze Strecke al- allen voran Mandy Strasser, Kontakt großzügige Spende. Und überhaupt leine bewältigt – großartig. Ich freue aufgenommen. Sie waren bereit, 5.000 allen, die mithalfen, Menschen mit Be- mich, dass solche Aktivitäten möglich Euro für ein neues Draisin-Fahrrad zur hinderungen mehr Lebensqualität zu sind", so Christa Allaart abschließend. Verfügung zu stellen“, erinnert sich Mi- ermöglichen.“
8 Jaqueline Oberleiter (Personalab- teilung) und Pflegedirektor Michael Scheffknecht vom Landeskranken- haus Feldkirch. Tobias Renoth (l.) arbeitet dank „Job- wärts“ im LKH Bregenz. Rechts: To- bias mit Betriebsrätin und Mentorin Patricia Zangerl. Oben: Inklusions-Tagung im LKH Bregenz – Adriane Cecco-Pap (Mo- deration), Andreas Pap (Lebenshilfe Vorarlberg) und Christoph Maurer (Interspar Gastronomie, v.l.).
THEMA: GESUNDHEIT 9 Krankenhaus, Arbeitsplatz und Ort für Inklusion Bei gesundheitlichen Problemen stationär bei uns sind, können wir uns mit Andreas Pap von der Lebenshilfe bleibt der Gang ins Krankenhaus besser auf die besonderen Bedürfnisse haben wir zuerst Tobias Stärken ausge- meist nicht aus. Gerade für Menschen einstellen, als in der Akutsituation wo es lotet. Was kann ihm anvertraut werden, mit Behinderungen stellt dieser eine schnell gehen muss“, so der Pflegedirek- wo benötigt er Unterstützung. Auch Infor- große Herausforderung dar. Doch ge- tor. Im Bereich der Ambulanz gibt es im mationen, ob es im Umgang mit ihm meinsam versucht man die Hürden zu LKH Feldkirch jedoch konkrete Umbau- etwas zu beachten gibt, waren hilfreich.“ meistern. pläne. „Es wird eine Notfallambulanz für Mittlerweile hat Tobias Renoth einige Auf- alle Akut-Patientinnen und -Patienten gaben, die er selbständig ausübt. Seine Täglich herrscht viel Betrieb im Landes- geben, die ohne Termin ins Krankenhaus Hauptaufgabe ist der tägliche Jausenver- krankenhaus (LKH) Feldkirch. Da kommt kommen müssen. Für alle mit Termin kauf in den Bürotrakten. Für einen klei- es schon mal in den Ambulanzen zu län- wird es für alle Fachbereiche Ambulan- nen Unkostenbeitrag können die An- geren Wartezeiten oder nachts stört im zen geben. Wartezeiten werden dadurch gestellten des LKH Bregenz gesundes Zimmer eine Neuaufnahme den Schlaf- deutlich verbessert“, so Michael Scheff- Obst, aber wenn nötig auch einen Scho- rythmus. Für Menschen mit Behinderun- knecht. koriegel bei ihm kaufen. gen sind das zwei von vielen He- rausforderungen, die ein Aufenthalt im Integrative Arbeitsplätze „Chancen ergreifen“ Krankenhaus mit sich bringt. Für das Doch Menschen mit Behinderungen sind Nachdem die Zusammenarbeit zwischen Pflegepersonal wird es wiederum im LKH Feldkirch nicht nur Patientinnen dem LKH Bregenz und der Lebenshilfe schwierig, wenn die Person keine Laut- und Patienten. Im Verwaltungsbereich so gut funktioniert, kamen Anfragen von sprache besitzt. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter absolvieren regelmäßige Schulungen – aktuell speziell für Perso- Beim richtigen Umgang spielt Zeit nen mit Demenz. Denn bei der Grund- ausbildung sind nur Menschen mit kör- eine wichtige Rolle.“ perlichen Behinderungen ein Thema. Bei Menschen mit intellektuellen Beeinträch- tigungen sind wir sehr auf die Unterstüt- arbeiten zwei Personen an einem inte- anderen Unternehmen. Daraufhin ent- zung der Angehörigen oder Begleit- grativen Arbeitsplatz. „Uns war wichtig, schloss man sich, gemeinsam eine Inklu- personen angewiesen. Wobei der Kran- dass die beiden Mitarbeiter nicht über- sions-Tagung Mitte Juli zu veranstalten. kenhaus Pass eine zusätzliche Informa- oder unterfordert sind. Wir haben ihre Der Einladung unter dem Motto „Chan- tionsquelle darstellt, der wichtige per- Tätigkeiten so gestaltet, dass sie sie cen ergreifen – Hemmschwellen senken“ sönliche Gewohnheiten enthält“, erklärt möglichst selbständig ausüben können. folgten Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitge- Michael Scheffknecht, Pflegedirektor des Als Mentorin begleite ich die Beiden bei ber, Betroffene und Angehörige gleicher- LKH Feldkirch. Bedarf. Zudem gibt es eine Ansprechper- maßen. LKH Verwaltungsdirektor An- son in der jeweiligen Abteilung“, erklärt dreas Lauterer hob hervor: „Von Inklu- Bei der Entstehung des Krankenhaus Jaqueline Oberleiter von der Personal- sion im Unternehmen profitieren alle. Passes war er mit dabei und schätzt be- abteilung. Das Unternehmen wird als Arbeitgeber sonders, dass hier Angehörige, Betrof- attraktiver, die Beschäftigten mit Behin- fene, Organisationen wie die Lebenshilfe Auch das LKH Bregenz hat zwei integra- derungen sind hochgradig motiviert und Vorarlberg und Krankenhauspersonal tive Arbeitsplätze – ein dritter ist in Pla- bringen neue Perspektiven mit hinein.“ gleichermaßen involviert waren. Denn In- nung. Seit Anfang 2016 arbeitet etwa Neben den Firmen-Berichten aus der formationen zu Therapien oder Medika- Tobias Renoth dort. Über „Jobwärts“ der Praxis informierte Andreas Pap über För- menten sind im Arztbrief enthalten, aber Lebenshilfe Vorarlberg absolvierte er zu- dergelder oder die Errichtung eines inte- wie die Person vielleicht auf einfache erst im Oktober 2015 ein Praktikum. grativen Arbeitsplatzes. Gemeinsam mit Weise ihre Medikamente nimmt, das Nachdem er sich bestens bewährte, den über 60 Teilnehmenden wurden fehlte zuvor. „Beim richtigen Umgang mit wurde extra für ihn eine Stelle geschaf- Ideen für neue integrative Arbeitsplätze Menschen mit Behinderungen spielt der fen. Maßgeblich daran beteiligt war Be- gesammelt. Zudem ist eine weitere Ver- Zeitfaktor eine große Rolle. Wenn sie triebsrätin Patricia Zangerl: „Gemeinsam anstaltung für 2019 geplant.
10 Gerhard Unger und Sabine Lampert verstehen sich sehr gut. Neben dem Pflegebett in seinem Zimmer steht das Sauerstoffgerät für die Nacht. Der Balkon des Wohnhauses wird gemeinsam genutzt: Christine Pich- ler, Marlene Bachmann, Silvana Doppler und Gerhard Unger (v.l.).
THEMA: GESUNDHEIT 11 Begleitung am Sunnahof auch im Alter Gerhard Unger lebt im Wohnhaus des Sunnahof in Göfis. In den letzten Jahren macht sich das Alter durch Es ist schön, junge Leute um sich zu gesundheitliche Probleme immer mehr bemerkbar. haben – alt bin ich selber.“ Als das alte Wohnhaus des Sunnahof 2002 bezugsfertig war, war Gerhard krankung hatte weitreichende Folgen, Hof-Gastronomie zum Mittagessen. Mit Unger einer der ersten Bewohner. Der denn seither braucht er Sauerstoff – meiner Nachbarin Silvana komme ich heute 71-Jährige erlitt bei seiner Geburt Tag und Nacht. Zudem kamen weitere gut aus. Wir gehen auch mal zusammen einen schweren Sauerstoffmangel, den körperliche Beschwerden dazu. „Un- einkaufen. Am Sunnahof ist immer was er nur knapp überlebte. Er wuchs ge- sere Dienstleistung ‚Miteinander Woh- los und es ist schön, junge Leute um meinsam mit sieben Schwestern in Rö- nen‘ und die Begleitung tagsüber – das sich zu haben – alt bin ich selber.“ this auf. Bereits mit 15 Jahren arbeitete sogenannte ‚Leben im Alter‘ – wird er mit seinem Vater auf dem Bau. Viele durch die Integrationshilfe des Landes Recht auf Normalität Arbeitsplätze folgten, etwa in einem Sä- finanziert. Doch für die medizinischen Die richtige Balance in der Begleitung gewerk, aber vor allem auf verschiede- Hilfsmittel müssen Betroffene selbst von älteren Menschen mit Behinderun- nen Bauernhöfen. „Dort habe ich als aufkommen, was bei Gerhard nur gen musste erst gefunden werden. „Als Knecht gearbeitet und auch gewohnt. schwer möglich ist. So sind wir froh, wir mit der Dienstleistung ‚Leben im Die Arbeit war streng und es gab immer dass wir günstig ein gebrauchtes Pfle- Alter‘ begonnen haben, dachten wir, es viel zu tun“, erinnert sich Gerhard Unger. gebett für ihn organisieren konnten“, bräuchte eine Rund-um-die-Uhr-Beglei- Gerade Menschen mit Behinderungen berichtet Sabine Lampert. tung. Doch dann sind wir Gerhard damit wurden früher oft auf Bauernhöfen be- auch auf die Nerven gegangen. Er geht schäftigt. Meist gab es dafür Kost und Pflege bestens organisiert ganz gerne selbst am Tag mal los oder Logis, aber keine oder nur eine geringe Aufgrund der körperlichen Beschwer- sieht nachmittags fern. Jetzt gibt es fixe Bezahlung. „Obwohl Gerhard so viele den wurde vermehrt Pflege im Wohn- Tage und Zeiten, wo wir zum Beispiel Jahre gearbeitet hat, war er nie als Ar- haus notwendig. „Morgens bekommt mit ihm die Körperpflege machen. Es ist beiter angemeldet. Daher bekommt er Gerhard seine Medikamente und muss nun gut und flexibel eingeteilt, denn es keine richtige Pension. Nur eine kleine inhalieren. Zudem unterstützt uns der ist immer jemand da, falls was sein aus der Schweiz, wo er auch einige Krankenpflegeverein vor Ort. Zum Arzt sollte“, so Sabine Lampert. Jahre arbeitete“, erzählt Wohnhauslei- wird Gerhard am liebsten von Frauen terin Sabine Lampert. begleitet, was wir gerne übernehmen. Obwohl alles gut organisiert ist, muss Seit kurzem haben wir auch eine aus- die Wohnhausleiterin mit dem Land re- Gesundheitliche Probleme gebildete Krankenschwester im Team, gelmäßig die Leistungsvereinbarungen Trotz aller Umstände arbeitete Gerhard die uns fachlich bestens berät. Unser für die Begleitung von Gerhard Unger Unger immer gerne auf einem Bauern- oberstes Ziel ist, seine Lebensqualität abklären. Das ist notwendig, damit er hof. So ergab es sich, dass er 2001 am sicherzustellen“, betont die Wohnhaus- am Sunnahof bleiben kann und nicht in Sunnahof zu arbeiten begann. „Zuerst leiterin. ein Pflegeheim muss. „Ich will nicht in habe ich in der Landwirtschaft gearbei- ein Heim. Ich bin am Sunnahof zuhause tet, danach in der Hof-Gastronomie. Gerhard Unger weiß die Bemühungen und möchte hier sterben“, erklärt der 71- Auch das war streng. Bei den Festen zu schätzen und fühlt sich am Sunnahof Jährige. Auch seine Begleiterin sieht habe ich immer mitgeholfen, zum Bei- wohl: „Ich hab‘ mein eigenes Zimmer. das so und betont: „Ich werde mein spiel beim Parkplatzdienst – auch wo Seit ich das Pflegebett habe, kann ich Möglichstes Tun, damit Gerhard bis zum ich schon in Pension war. So mit 65ig. besser schlafen und aufstehen. Mor- Schluss bleiben kann. Er hat das Recht Doch dann habe ich zweimal Lungen- gens esse ich mit den anderen in der in Normalität zu leben und dort, wo er entzündung bekommen. Nun geht das Küche. Wenn es mir gut geht, dann sich wohlfühlt, wie andere auch!“ nicht mehr“, so der 71-Jährige. Die Er- gehe ich spazieren und mittags in die
12 INKLUSIVE MEDIZIN Barrieren in der Gesundheits- versorgung abbauen Gastkommentar zur Die Zeitschrift „Miteinander Leben“ bestehen Barrieren hinsichtlich Mobili- trägt eine hervorragende Definition tät, verständlicher Kommunikation und „Inklusiven Medizin“ von dem, was unter Inklusion zu ver- Gewähren von ausreichend Zeit Infor- stehen ist. Damit ein Miteinander mationen zu verarbeiten, um selbst von Menschen mit unterschiedlich- Entscheidungen treffen zu können. sten Bedürfnissen gelingen kann, be- darf es – wenn man an das Leben von Eine weitere Barriere in der Gesund- Menschen mit Beeinträchtigungen heitsversorgung für Menschen mit Be- denkt – besonderer Anpassungen auf einträchtigungen liegt aber auch darin, vielen Ebenen. dass sich nur sehr wenige Ärztinnen und Ärzte ausreichend auf spezielle Gerade bei Gesundheitsproblemen Gesundheitsprobleme von Menschen spüren wir, wie zerbrechlich unser mit Beeinträchtigungen spezialisiert Leben – dieses großartige Geschenk – haben, wie zum Beispiel auf die Be- ist und wie froh wir sind, wenn uns bei handlung von erwachsenen Menschen gesundheitlichen Problemen in richti- mit Cerebralparese. Cerebralparese ist ger Weise geholfen wird. ein Sammelbegriff für Folgen einer Schädigung des Gehirns vor, bei oder Es ist wichtig festzuhalten, dass Men- nach der Geburt, wobei vorwiegend schen mit Beeinträchtigungen nicht motorische Zentren betroffen sind. automatisch krank sind, wie viele Leute meinen. Viele Menschen mit Beein- Verein „Inklusive Medizin“ trächtigungen haben eine hohe subjek- Im Jänner 2018 wurde von Professor Prim. Priv.-Doz. Dr. tive Lebensqualität, auch wenn sie Dr. Peter Martin aus Deutschland, Dr. Johannes Fellinger erhebliche gesundheitliche Herausfor- Felix Brem aus der Schweiz und von derungen meistern müssen, wie zahl- mir für Österreich der Verein „Inklusive KONVENTHOSPITAL reiche Studien zeigen. Medizin“ gegründet. Das Ziel ist, Ärz- der Barmherzigen tinnen und Ärzte in Deutschland, Öster- Brüder in Linz Diesen hohen gesundheitlichen Her- reich und der Schweiz durch gute ausforderungen kann die allgemeine Fortbildungsangebote für Gesundheits- Gesundheitsversorgung in vielen Fäl- probleme von Menschen mit Beein- len nicht ausreichend entsprechen. Es trächtigungen kompetent zu machen. Johannes Fellinger skizziert hier: Barrierefreiheit wird realisiert, aber nur die Inklusive Medi- zin mit hochspezialisierter Kompetenz führt zur richtigen Behandlung.
INKLUSIVE MEDIZIN 13 Darüber hinaus ergibt sich der Auftrag Bedürfnisse der Menschen mit Beein- zur intensiven Partnerschaft mit Verei- trächtigungen zielsicher zu erkennen nigungen Betroffener, um eine barrie- und Hilfe anzubieten. Eine Spezialisie- refreie Gesundheitsversorgung in rung auf neurologische/psychiatrische großer Breite zu erreichen. Dazu be- Fragestellungen und eine enge Verbin- darf es auch immer wieder spezifischer dung mit der entwicklungsmedizini- INFO Zum Verein Modelle. schen Diagnostik ist dabei sehr hilfreich. Ambulanz für Inklusive Medizin Inklusive Medizin hat den Auftrag: Am 10. Oktober 2018 wurde in Linz die n Prof. Dr. Im Jänner 2018 gründete „Ambulanz für Inklusive Medizin“ (AIM) sowohl die klassischen Barrieren Bre m und Peter Martin, Dr. Felix im Krankenhaus der Barmherzigen abzubauen und durch entsprechende an ne s Fel- Prim. Priv.-Doz. Dr. Joh Brüder nach einem Jahr Vorlaufzeit of- Strukturierungen des medizinischen -CH klu- -In linger den Verein „D-A fiziell vorgestellt. Die Gebietskranken- Angebots eine möglichst stressfreie den seither sive Medizin“ und bil kasse und das Land Oberösterreich Zugänglichkeit zur Gesundheitsver- d. auch den ersten Vorstan finanzieren dafür gemeinsam einen sorgung zu schaffen. Facharzt für Neurologie und auch di- ns ist die In- Schwerpunkt des Verei plomiertes Pflegepersonal für 20 Stun- zur fachlichen Spezialisierung auf tio n und er- formation, Koordina den die Woche. Für die Patientinnen spezielle Gesundheitsprobleme von Organis on ati von gänzende bzw. Patienten mit Mehrfachbeein- Menschen mit Beeinträchtigungen. Da- rbildung s- deutschsprachigen Weite trächtigungen stehen spezielle Behand- bei kommt einer gelebten Multiprofes- bo ten üb er und Fortbildungsange lungs- und Warteräume zur Verfügung. sionalität eine große Bedeutung zu. i Menschen mit schwe- Medizin be gen, Intelli- ren Entwicklungsstörun Das Angebot der „Ambulanz für Inklu- Auf diesen beiden „Beinen“ steht Inklu- Mehrfach- genzminderung oder sive Medizin“ umfasst Untersuchungen sive Medizin mit dem klaren Auftrag, behinderungen. bzw. Behandlungen sowie die Vermitt- dem Leben von Menschen mit Beein- lung und Begleitung zu anderen Fach- trächtigungen so zu dienen, dass ein m Verein Mehr Informationen zu abteilungen. „Miteinander Leben“ möglichst lange w.d-a-ch- erhalten Sie unter: ww und mit möglichst guter Gesundheit ge- / inklusivemedizin.org/ts Im Namen AIM wird auch das engli- lingen kann. sche Wort „Ziel“ ausgedrückt. Ein zen- trales Anliegen ist es, die echten Prim. Priv.-Doz. Dr. Johannes Fellinger bei der Fachtagung „Gesundheit ohne Barrieren“ der Lebenshilfe Österreich und rechts mit seinen Vorstandskollegen Prof. Dr. Peter Martin und Dr. Felix Brem (v.l.) vom Verein „D-A-CH-Inklusive Medizin“.
14 THEMA: GESUNDHEIT Familienservice: Begleitung, damit es allen gut geht Dilan Yilmaz ist 16 Jahre alt und rung zu gewöhnen, wird gemeinsam ge- aufgebaut. Wir versuchen gemeinsam, wurde mit Down-Syndrom geboren. kocht oder die gesunde Jause für die dass es allen gut geht. Da sie nicht so Um sie und ihre Mutter Birhan zu un- Schule vorbereitet. „Das Problem des gut Deutsch kann, übernehme ich auch terstützen, kommt Edith Vogel wö- Übergewichtes ist bei uns allen ein all- Arztbesuche mit Dilan oder gehe mit ihr chentlich zu ihnen nach Hause. gegenwärtiges Thema. Gerade Kindern zur Therapie“, skizziert die Begleiterin und Jugendlichen schmecken die Sa- ihren Alltag in der Familie. Die alleinerziehende Birhan Yilmaz chen besonders gut, die viel Zucker ent- wohnt mit ihren sechs Kindern, im Alter halten. Damit die Gesundheit aber nicht Die Begleitung innerhalb der Familie ge- zwischen sechs und 18 Jahren, in Lu- darunter leidet, versuche ich mit Spaß staltet sich also ganz flexibel und indivi- stenau. Neben Dilan wird auch ihre an der Zubereitung frische, gesunde Le- duell – ganz wie es gerade gebraucht Schwester Berfin aufgrund ihrer epilep- bensmittel ins Spiel zu bringen“, so wird. Das gilt auch für die anderen vier tischen Anfälle von Edith Vogel mitbe- Edith Vogel. Aber natürlich kommt auch Familien mit Kindern mit Behinderun- gleitet. „Seit zwei Jahren komme ich ein- der Freizeitspaß nicht zu kurz. Gemein- gen, die Edith Vogel ebenfalls unterstützt. bis zweimal die Woche zu Dilan und sam wird gespielt oder auch sehr gerne Berfin nach Hause. Je nachdem, wo gebastelt. Dabei zeigt sich das Trio be- Hilfe gebraucht wird, bin ich zwischen sonders kreativ, wenn im Familienser- vier und acht Stunden vor Ort. Meist ver- vice in Hohenems aus Alltagsgegen- KONTAKT & bringe ich mit Dilan die Zeit im Freien, ständen oder aus der Natur Dekoratives INFO INFORMATION damit sie mehr Bewegung bekommt. für die jeweilige Jahreszeit entsteht. Wir laufen dann zum Spielplatz oder auch zur Schule. Frische Luft tut ihr gut Unterstützung für die ganze Familie Birgit Loacker und wir üben gleichzeitig den Weg, so Mutter Birhan Yilmaz ist froh über die izeit“ Leiterin „Familie und Fre dass sie vielleicht später einmal selbst- Unterstützung und auch dankbar, dass 9 5 9 8 6 Tel.: 0 6 6 4 8 3 ständig dorthin laufen kann“, erzählt die sie sich mit anderen Fragen an Edith lhv.or.at E-Mail: birgit.loacker@ Mitarbeiterin des Familienservice. Vogel wenden kann. „Mittlerweile ge- rar lberg.at www.lebenshilfe-vo Um die 16-Jährige und ihre Schwester höre ich schon zur Familie. Die Mutter Berfin auch mehr an gesunde Ernäh- und ich haben ein Vertrauensverhältnis Mutter Birhan Yilmaz (M.) und ihre Töchter sind froh über die Unterstützung von Edith Vogel (r.). Gutes Team: Edith Vogel und die 16-jährige Dilan.
15 Die „SCHREIB & KUNST WERK- SCHREIB & KUNST STATT“ wird in Wort und Bild von Menschen mit Behinderungen ge- staltet. Lassen Sie sich überra- WERKSTATT schen. Was ist für ein Gesundheits-System ohne Barrieren notwendig? Mitte September veranstaltete die Le- send. Es gab Vorträge, Arbeitsgruppen Diese schauen, dass die leichte Spra- benshilfe Österreich eine Fach-Ta- und Workshops. Ich war bei der Arbeits- che überall verwendet wird. Oder „Ge- gung zum Thema „Gesundheit ohne gruppe, bei der es um spezielle Ambu- sundheits-Assistenten“, die erklären, was Barrieren“ in Wien. lanzen in den Krankenhäusern für Men- alles im Zusammenhang mit Krankheit schen mit Behinderungen ging. Hier ist und Gesundheit wichtig ist. Für seine ei- Bei der Tagung ging es vor allem um die medizinisch inklusive Ambulanz im gene Gesundheit ist man letztendlich Barrieren im Zugang zum Gesundheits- Krankenhaus Melk in Niederösterreich selbst verantwortlich. Aber es gibt viele, System. Menschen mit Behinderungen besonders hervorzuheben, weil das die brauchen dabei Unterstützung. werden nicht ernst genommen. Oft Team dort besonders geschult ist. Die Ergebnisse der Tagung werden nun spricht die Ärztin oder der Arzt, aber Zudem gab es einen Workshop, bei in einem so genannten „Memorandum“ auch das Pflegepersonal mit der Be- dem es darum ging, wie wichtig ge- zusammengefasst. Dieses Papier erhal- gleitperson und nicht mit der betroffenen sunde Ernährung für die Vorsorge von ten dann wichtige Stellen in der Politik Person. Auch werden Menschen mit Be- Gesundheit ist. und im Gesundheitswesen. hinderungen zum Teil gar nicht angehört oder zur Behandlung abgelehnt. Es Durch die Tagung wurde noch einmal Die Tagung war sehr interessant und wir kommt auch vor, dass wir frühzeitig klar, dass es in Krankenhäusern und bei Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter nach Hause geschickt werden nach der Ärztin oder beim Arzt Broschüren in müssen andere Menschen mit Behinde- einer Operation. Mit dieser Tagung soll- „leichter Sprache“ geben sollte. Denn rungen nun darüber informieren. Wir ten Ideen erarbeitet werden, wie man durch die leichte Sprache wird vieles müssen uns bei der Politik und im Kran- das verbessern kann. Es kamen Teil- verständlicher und ich weiß, an wen ich kenhaus für leichte Sprache und für ent- nehmende aus ganz Österreich. Klaus mich wenden kann. Gut wäre auch, sprechende Assistenz einsetzen. Es Brunner und ich waren als Selbstvertre- wenn es in Krankenhäusern beauftragte gibt also noch viel zu tun! ter der Lebenshilfe Vorarlberg dabei. Personen für barrierefreie Kommunika- Auch der gesamte Selbstvertreter-Beirat tion gebe, wie es im Landeskranken- der Lebenshilfe Österreich war anwe- haus in Innsbruck schon der Fall ist. Siegfried Glössl Selbstvertreter Expertinnen und Experten diskutierten gemeinsam mit den Gästen. Dr. Maria Bruckmüller und Siegfried Glössl waren bei der Tagung dabei.
16 SCHREIB & KUNST WERKSTATT Vom Koma zurück ins Leben Am 1. April 1994, um ca. 6.00 Uhr sie für mich getan haben und was für ein Selbstbewusstsein und einen starken früh, fuhr ich mit dem Auto vom Wahnsinns-Aufwand es war. Es folgten Charakter. Das hat mir dann geholfen, Kleinwalsertal in Richtung Bregenz, nämlich nach dem Unfall einige Kran- mein Leben weiterzuleben. Überhaupt um die Bankgeschäfte für einen kenhaus-Aufenthalte und Arzt-Besuche wäre ich ohne meine innere Einstel- Freund zu erledigen. Aber gleich bei in ganz Deutschland und Österreich. lung, auch mit den besten Ärztinnen, Kornau (Ort in Deutschland), verlor Ärzten und Therapeutinnen bzw. The- ich aus ungeklärter Ursache die Bekannter Snowboarder rapeuten, nie wieder so weit gekom- Kontrolle über das Auto und prallte Richtig blöd fand ich halt, dass mich die men, wie ich es heute bin. gegen einen Baum. Leute nach dem Unfall ganz anders behandelten als vorher. Ich kann ihnen Neues Leben Bei dem Unfall damals zog ich mir aber gar keinen Vorwurf machen, denn Mein Leben hat sich seit dem Unfall einige Verletzungen zu, wie einen ich hätte es wahrscheinlich auch nicht komplett verändert. Ich habe das Leberriss, eine geprellte Lunge und anders gemacht. Ich benahm mich vor Malen für mich entdeckt. Jede Sch… Milz sowie einen Oberschenkelhals- dem Unfall etwas eingebildet und arro- die man erlebt, hat halt auch immer ir- trümmerbruch. Aber die schlimmste gant. Ich nahm mir, durch die Tatsache, gendwas Gutes. Mittlerweile habe ich Verletzung war ein schweres Schädel- dass ich damals der wahrscheinlich schon viele meiner Bilder verkauft und hirntrauma. Wobei ich am Leberriss beste Snowboarder des Tales war, viel bin stolz darauf. Es war mir aber auch fast verblutet wäre. heraus. Ich konnte mir auch alles er- wichtig, mich trotz der körperlichen lauben und hatte trotzdem einen Veränderungen (Koordination/Motorik) Ich bin auch in ein Koma gefallen, das großen Freundeskreis. weiterhin sportlich herauszufordern. Ich durch die Ärztinnen und Ärzte noch kann immer noch Snowboard fahren, verlängert wurde, um mein Gehirn zu Durch die Verletzung am Gehirn verän- wenn auch nicht so gut wie vorher. Und schützen. Ich war 9 Wochen im Tief- derte sich meine Psyche – also sozu- ich habe sogar mit dem Golfspielen Koma und ebenso lange im Wach- sagen mein Verhalten. Damit kamen angefangen. Mit der Lebenshilfe ist es Koma – das ist eigentlich das Gleiche, dann viele nicht klar und zogen sich mir auch gelungen, mich eben künst- nur dass man beim Wach-Koma die von mir zurück. Sie zeigten zwar Be- lerisch und beruflich zu verwirklichen. Augen offen hat und mir die Augen mit troffenheit oder sogar Mitleid. Aber man Auch das Schreiben von Texten für die Tropfen feucht gehalten werden muss- hat mich nicht mehr für ganz voll Lebenshilfe-Zeitung oder meine Tä- ten. Erinnern kann ich mich erst ab der genommen oder ist mir nicht mehr auf tigkeiten als Werkstatt-Sprecher ge- ersten Reha in Burgau. Das liegt gleich Augenhöhe begegnet. Dieses her- hören dazu. in der Nähe von Augsburg. Aber trotz ablassende Verhalten hat mich genervt der Entfernung besuchten mich meine und verletzt. Ich musste die Ein- Eltern jeden Tag. Das wusste ich nicht schränkungen und Veränderungen zu schätzen in dem Zustand, in dem auch selber erstmal akzeptieren. Aber Dominic Gessner ich damals war. Heute ist mir klar, was zum Glück hatte ich immer ein gutes Redaktionsmitglied Dominic Gessner war ein bekannter Snowboarder. Nach dem Unfall folgten Reha-Aufenthalte. Heute zeigt er seine Bilder in Ausstellungen.
SCHREIB & KUNST WERKSTATT 17 Neue technische Hilfsmittel Vom 24. bis 27. Juni war ich in Cardiff davon. Die Organisation vom Simon lichkeit, Gespräche mit Menschen mit in Wales auf einer Studienreise. Es macht zum Beispiel Seminare und Trai- Behinderungen über Techniken zu füh- ging um das Thema Technologien für nings für Menschen mit Behinderungen, ren, welche es für sie gibt. Da ich kein Menschen mit Behinderungen, was wie sie besser mit Technik umgehen Englisch kann, hat Elisabeth Kling (Le- für mich als Selbstvertreter sehr inter- können. Ein paar Beispiele, was die Or- benshilfe Österreich, LHÖ) für mich essant ist. ganisation anbietet: übersetzt. Im Gespräch ging es haupt- „Our Voices, our Rights“: Men- sächlich um „Alexa“, das ist ein Sprach- Am ersten Abend sind wir zu einem typi- schen mit Behinderungen werden zu Steuerungs-Gerät. Wir haben erfahren, schen walisischen Abendessen gegan- Trainern ausgebildet. wie man es für Menschen mit Behinde- gen. Wir, das sind Personen aus ver- „Easy Read Projects“: Das sind rungen einsetzen kann. schiedenen Lebenshilfen Österreichs. Projekte, dass die leichte Sprache Am Nachmittag haben wir dann noch Wir haben uns mit dem Veranstalter besser bekannt wird. eine dritte Organisation besucht und Simon Rose getroffen. Simon ist Trainer „Engaged to Change“: Das ist ein zwar ging es nach Swansea (Ort) zu bei der Organisation „Learning Disability Projekt für Arbeitsplätze von Men- „Community Live Consortium“. Dort lern- Wales“. Wir hatten die Gelegenheit, uns schen mit Behinderungen in Firmen. ten wir einige technische Hilfsmittel näher kennen zu lernen. „Gig Buddy“: Da begleiten Freiwil- kennen, wie: Türöffner durch Sprach- lige Menschen mit Behinderungen zu Erkennung, einen Panik-Knopf, um Hilfe Am ersten Tag der Lernreise steuerten Veranstaltungen und in der Freizeit. zu rufen oder Küchen-Regale, die sich wir unser erstes Ziel an, die Organisation Es werden dafür auch neue Techni- automatisch verschieben. Diesen Be- von Simon Rose, also „Learning Disabi- ken erklärt und verwendet. such fand ich persönlich am Interessan- lity Wales“. Diese Organisation gibt es testen. Manches war für mich zwar nicht seit 31 Jahren. Es ist eine Beratungs- Gespräch zum Austausch neu, aber Manches habe ich neu ken- Stelle für Menschen mit Behinderungen Am Vormittag von Tag 2 ging es zu einer nen gelernt. aus ganz Wales. Wales gehört zu Groß- weiteren Organisation und zwar zu „In- britannien und Cardiff ist die Hauptstadt novate Trust". Dort hatten wir die Mög- Klaus Brunner Selbstvertreter Es gibt verschiedene technische Hilfsmittel, wie zum Beispiel die Umfeld-Steuerung für den Elektro-Rollstuhl. Oben: Die Lebenshilfe-Gruppe besuchte die Organisation „Learning Disability Wales“. Rechts: Klaus Brunner (M.) mit Elisabeth Kling (LHÖ) und Carmen Hohenberger (LHV, v.l.).
18 SCHREIB & KUNST WERKSTATT 5 Fragen an: Stefan Fischnaller Seit 2014 gibt es in der Volkshoch- schule Götzis auch ein Angebot an inklusiven Kursen. Hier sollen Men- schen mit und ohne Behinderungen gemeinsam ihr Wissen erweitern. Klaus Brunner und Cindy Eksarhos wollten mehr darüber wissen und haben Direktor Stefan Fischnaller zum Interview getroffen. Wie lange arbeiten Sie schon für die Volkshochschule (VHS) Götzis? Ursprünglich komme ich aus Südtirol und in Innsbruck habe ich Pädagogik studiert. Mittlerweile arbeite ich schon mehr als 20 Jahre in der Erwachsenen- bildung. Zuerst in der Volkshochschule in Bozen und seit 2000 in Vorarlberg. Seit fünf Jahren ist die VHS Götzis nun am Garnmarkt in Götzis und steht allen offen, die Interesse an Bildung haben. Klaus Brunner mit Stefan Fischnaller (Volkshochschule Götzis, M.) und Cindy Eksarhos. oder Langlaufen. In Vorarlberg war es rekt in unserem Gesamtprogramm mit Was ist besonders an Ihrer Arbeit? leider lange kein Thema. Aber ich hatte dabei und nicht nur mehr als eignes Es sind die vielen schönen Momente in die Idee sicher schon vor sechs bis sie- Programmheft. Es soll zeigen, dass der Arbeit mit Menschen. Jene, die zu ben Jahren, die VHS Götzis für Men- auch dieses Angebot allen offen steht. uns in die VHS Götzis kommen, kom- schen mit Behinderungen zu öffnen. Zudem haben wir die Kurszeiten ange- men freiwillig und wollen sich bilden. Denn für mich sind alle gleich wichtig. passt. Aber gerade die PC- oder Koch- Wir können ihnen dafür ein breites An- Alle können voneinander profitieren und Kurse sind schon jetzt ein gutes gebot bieten – von Basisbildung über sich gemeinsam weiterentwickeln. Mit Beispiel für inklusives Lernen. Wir neh- Kurse zur Gesundheit oder Förderung dem barrierefreien Gebäude am Garn- men auch immer wieder Ideen aus der der Kreativität. Hier treffen sich Men- markt war die bauliche Voraussetzung Lebenshilfe-Akademie auf. So gibt es schen unterschiedlichen Alters und Her- schon mal gegeben. Um die Idee der jetzt einen Kurs zum richtigen Umgang kunft und führen miteinander Ge- „Inklusiven Volkshochschule (IVHS)“ mit Geld. spräche. So entsteht zum Beispiel am umzusetzen, brauchte es eine Koope- Kaffeeautomaten ganz selbstverständ- ration. Daher habe ich mit der Lebens- Aber es gibt ja nicht nur den Direk- lich Integration. hilfe Kontakt aufgenommen und wir toren-Job. Was machen Sie in Ihrer entwickelten gemeinsam die Kurse. Freizeit? Wie kam es zur Inklusiven VHS und Ich tue gerne, was ich tue. Aber natür- zur Zusammenarbeit mit der Lebens- Werden die Kurse der IVHS gut lich braucht es auch Zeit zum Abschal- hilfe Vorarlberg? angenommen? ten. Meine Freizeit verbringe ich mit Schon in meiner Kindheit in Bozen Die Kurse werden schon sehr gut ange- meiner Frau und meinen drei Kindern habe ich Erfahrungen mit Menschen mit nommen. Aber natürlich könnten es meist in der Natur. Je nach Jahreszeit Beeinträchtigungen gesammelt – wie noch mehr nutzen. Zudem ist der gehen wir Wandern oder Skifahren, etwa mit meinem Vater, der blind ist. Aspekt des Inklusiven noch nicht über- aber wir reisen auch gerne. Besuche bei Während meiner Tätigkeit in der VHS all gegeben – denn meist sind mehr meinen Eltern in Bozen sind eine will- Bozen wurden dort schon Kurse für Menschen mit Behinderungen in den kommene Abwechslung und neben diese Zielgruppe angeboten, wie sport- Kursen als ohne. Dafür haben wir im meinem Wohnort Hörbranz ist es meine liche Angebote zu Yoga, Schwimmen Herbst nun die Kurse der IVHS auch di- zweite Heimat, wo ich mich wohlfühle.
MAGAZIN 19 Niederösterreich: PatientenInnen- Broschüre in leichter Sprache In Niederösterreich gibt es eine Bro- Was ist für dich als Selbstvertreter schüre mit dem Titel „Informiert als persönlich dabei wichtig? INFO Medinklusions- Patientin und Patient“. Als Selbstver- Es ist mir sehr wichtig, dass Menschen Ambulanz treter der Lebenshilfe Niederöster- mit Behinderungen keine Angst mehr reich war Andreas Zehetner an der haben vor der Ärztin oder dem Arzt. Und z (MIA) ist Medinklusions-Ambulan Erstellung beteiligt. dass sie verstehen, was sie oder er sagt. desklinikum als Pilotprojekt im Lan Sie sollen sich gut auf den Arztbesuch t. Da s Angebot Melk (NÖ) gestarte Hast du die Broschüre angestoßen? vorbereiten können. Es ist wichtig, dass en mit Behin- richtet sich an Mensch Nein, die Idee zur Broschüre hatte die Vertrauen aufgebaut wird – zwischen der er grundle- derungen, die nach ein Landesregierung – genauer gesagt Lan- Ärztin oder dem Arzt und uns Menschen t der Haus- genden Abklärung mi desrätin Barbara Schwarz. Es gab vorher mit Behinderungen. t eine spe- ärztin bzw. dem Hausarz ein kleines Heft zum selben Thema, das gnostische zielle, weiterführende dia war aber nicht in leichter Sprache. Kennst du die Medinklusions-Ambu- klärung im und therapeutische Ab lanz (MIA) in Melk? en. Das Per- Landesklinikum benötig Wer war alles daran beteiligt? Ich selbst war noch nicht dort. Wir haben im Um gang mit sonal ist geschult Jemand von der Sozialabteilung des die Fotos für die Broschüre im Kranken- de run gen. Es Menschen mit Behin Landes, je eine Selbstvertreterin oder ein haus Melk gemacht. Es sind noch wei- Kra nk heits- kennt die spezifischen Selbstvertreter von der Caritas und der tere solcher Ambulanzen in Planung: in m au f die bilder und geht behutsa Lebenshilfe Niederösterreich. Dann noch Gmünd, Wiener Neustadt und Mistel- isse de r Per- Wünsche und Bedürfn Prim. Dr. Walter Fuchs und DGKP Jo- bach. Ich wünschte mir, dass es so etwas n Vorge- son ein. Oftmals werde hann Mosch von der medizinisch inklusi- in Vorarlberg auch gibt. Die Ärztinnen ten Person, spräche mit der begleite ven Ambulanz des Krankenhauses Melk. und Ärzte nehmen sich dort Zeit für Vor- gleitperso- den Angehörigen und Be gespräche mit den Betroffenen, Angehö- Än gst e abzubau- nen geführt – um Wo wird das Heft überall verwendet? rigen und Begleitpersonen. Hier wird viel od er Operatio- en. Untersuchungen Hauptsächlich bei Hausärztinnen und Vertrauen aufgebaut. Das ist gut! ert , dass nur nen werden so koordini -ärzten in deren Praxis. Aber es ist auch ist . Mehr eine Vollnarkose nötig für die Krankenhäuser gedacht. unter www.melk.lknoe.at Andreas Zehetner (l.) mit der Broschüre in leichter Sprache und im Interview mit Friedrich Gföllner (Lebenshilfe Vorarlberg, r.).
20 DAS INTERVIEW „Mit diesem Ehrenamt möchte ich etwas zurückgeben“ Bei der Jahreshauptversammlung am ermöglicht, wie etwa in die Berge wan- Interview mit 18. Juni 2018 wurde Adriane Feur- dern zu gehen. Daher möchte ich mit stein einstimmig zur neuen Präsiden- diesem Amt und meinem Engagement Adriane Feurstein tin der Lebenshilfe Vorarlberg ge- etwas zurückgeben. wählt. Wir haben die Ärztin und Mut- ter einer Tochter mit hohem Unter- Ist Ihnen die Entscheidung für das stützungsbedarf zum Interview ein- Ehrenamt leicht gefallen? Neue Präsidentin geladen, um mehr zu ihren Beweg- Nein, gar nicht – ich habe sehr lange gründen für das Ehrenamt und ihren überlegt. Meine Gedanken waren: „Ich der Lebenshilfe Ambitionen zu erfahren. bin berufstätig, habe ich die Zeit dafür? Ich habe in meinem Beruf auch Bereit- Vorarlberg Bereits im Angehörigen-Beirat haben schaftsdienste und kann daher nicht so Sie sich engagiert. Warum jetzt als spontan sein. Nora braucht mich, sie Präsidentin? kommt oft am Wochenende nach Hause Als mich meine Vorgängerin Gabriele und ich besuche sie gerne im Wohn- Nußbaumer gefragt hat, ob ich das Amt haus. Der Oma-Tag mit meinen Enkel- übernehmen möchte, war ich ganz über- kindern ist mir sehr wichtig….“ rascht. Aber sie meinte, dass gerade die Anliegen von Menschen mit hohem Un- Dazu noch der Name „Präsidentin“, terstützungsbedarf und deren Angehöri- denn Präsentieren in der Öffentlichkeit gen mehr in den Mittelpunkt rücken ist eigentlich nicht so meine Sache. Aber sollten. Da meine Tochter Nora einen Gabriele Nußbaumer hat mir bei einem hohen Unterstützungsbedarf hat, kann persönlichen Treffen Mut gemacht, auch ich mich gut in die Lage der Eltern ver- dass ich den Zeitaufwand selbst lenken setzen. Zudem haben Nora und ich eine kann. Zudem habe ich es mit meiner Fa- hohe Lebensqualität, dank der Beglei- milie besprochen. Sie konnten es sich tung im Wohnhaus Dornbirn Birken- gut vorstellen und sie wussten, es liegt wiese oder damals als sie klein war mir, denn es geht um mein Lebens- durch den Familienservice. Nora hat im thema. Denn seit Noras Geburt enga- Wohnhaus eine Lebensform gefunden, giere ich mich für die Verbesserung der die sie als erwachsener Mensch auto- Lebensqualität von Menschen mit Be- nom werden ließ und wo sie sich wohl- hinderungen und ihre gesellschaftliche fühlt. Mir hat es wiederum Freiräume Teilhabe. Nora ist daher in den Integrati-
DAS INTERVIEW 21 onskindergarten und in eine Integrati- möchten – sei es, dass sie in ihrer Ge- onsklasse gegangen. Zudem habe ich meinde bleiben möchten. Um herauszu- 2002 mit anderen Eltern den Verein „Fü- finden, was die Betroffenen möchten, ist ranand“ in Dornbirn gegründet. Nora die „Persönliche Zukunftsplanung“ (PZP) wird noch heute dort tagsüber begleitet. entscheidend. Als Ärztin ist mir natürlich das Thema Gesundheit sehr wichtig. Was sehen Sie als Ihre Aufgabe als Denn schon in der UN-Konvention ist Präsidentin? das Recht auf Gesundheit für Menschen Ich sehe meine Aufgabe darin, die Inter- mit Behinderungen verankert. essen von Menschen mit Behinderun- Vorstand gen und ihren Angehörigen zu vertreten. Was ist Ihnen beim Thema Gesund- INFO des Vereins Mit der Lebenshilfe im Hintergrund ist es heit besonders wichtig? möglich, mit den politischen Verantwort- Gerade der Krankenhaus Pass hilft in lichen zu sprechen und auch etwas zu der Kommunikation mit Menschen mit entin erreichen. Ich finde aber besonders den hohem Unterstützungsbedarf sehr wei- Adriane Feurstein, Präsid Austausch mit Betroffenen entschei- ter. Daher sollte er weiterentwickelt wer- rar lbe rg der Lebenshilfe Vo dend. Ich möchte ihnen zuhören und er- den. Zudem würde ich eine eigene to, Michaela Wagner-Brai Vereins fahren, was sie möchten. Daher ist es so Ausbildung für inklusive Medizin, wie es Geschäftsführerin de s bereichernd, dass Klaus Brunner als ge- sie in Holland gibt, sehr begrüßen. (beratend) wählter Selbstvertreter im Vorstand der Klaus Brunner, tvertre- Lebenshilfe Vorarlberg ist. Er sagt uns Wichtige Themen sind aber auch ge- Vorsitzender des Selbs ganz klar, was wichtig ist. Ich möchte mit sunde Ernährung oder Mobilität. Auch tungs-Beirates den Selbstvertretern im Gleichschritt die psychische Gesundheit ist für das Raimund Frick, nder des gehen. Auch die Begegnungen und der Wohlbefinden ausschlaggebend. Dann Vizepräsident, Vorsitze nen Austausch beim jährlichen Trialog der sollte auf die Zahnhygiene und Zahnbe- Ausschusses der Re gio Lebenshilfe-Akademie sind sehr wertvoll handlung geachtet werden. Was bei Werner Summer, zaus- für mich. Den Austausch mit anderen Or- Menschen mit hohem Unterstützungs- Vorsitzender des Finan ganisationen möchte ich auch angehen. bedarf in der Umsetzung schwierig sein schusses kann. Denn gerade sie können Schmer- Andrea Feuerstein, rigen- Welche Themen sind Ihnen ein An- zen nicht klar bestimmen. Die Diagnostik Vorsitzende des Angehö liegen? ist daher sehr schwierig. Umso wichtiger Beirates Ein wichtiges Thema ist „Arbeit statt Ta- sind die Bezugspersonen (Angehörige, Gerhard Huber, schengeld“. Auch Menschen mit hohem Begleitpersonen), die die Betroffenen s Mitglied des Vorstande Unterstützungsbedarf sollen am allge- sehr gut kennen. Alles in allem ist ein meinen Arbeitsmarkt arbeiten können. gutes Auge für die Pflege entscheidend Dafür ist ein Umdenken und die Sicher- – und es lohnt sich. stellung für persönliche Assistenz not- wendig. Es soll ihnen auch möglich sein, dort zu arbeiten und zu wohnen, wo sie
22 Jessica Seewald (r.) mit ihrer Aus- bilderin Ursula Amann im IAZ Röthis. Unten: Auch kreative Produkte werden im IAZ Röthis hergestellt, wie hier von Stefanie Peter (l.). Rechts: Ulrike Amann (ALLMENDA, l.) und Armin Hotz (M.) mit seinem IAZ-Team vom „‘s Fachl-Eck“.
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