Diakonie in der Gemeinde Handreichung für Presbyterien und Kirchenvorstände - Rheinland Westfalen Lippe

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Diakonie in der Gemeinde Handreichung für Presbyterien und Kirchenvorstände - Rheinland Westfalen Lippe
Rheinland
Westfalen
Lippe

Diakonie in der Gemeinde
Handreichung für Presbyterien
und Kirchenvorstände
Orientierungs-
hilfe

www.diakonie-rwl.de
Diakonie in der Gemeinde Handreichung für Presbyterien und Kirchenvorstände - Rheinland Westfalen Lippe
2   Handreichung für Presbyterien und Kirchenvorstände
Diakonie in der Gemeinde Handreichung für Presbyterien und Kirchenvorstände - Rheinland Westfalen Lippe
Inhalt   3

Inhalt

Vorwort                                                        4

Gestaltungsräume für Diakoniepresbyter                         6

Wo kommen wir her? Biblische Leitbilder                      16

Arbeitsfelder der Diakonie                                   24

Gemeinde und Diakonie: Erleben – verstehen – gestalten       26

Aussteigen oder Umsteigen
Chancen für Gemeindediakonie und Ehrenamt                    38

Mitglieder der Steuerungsgruppe                              46

Autoren der Beiträge                                         50

Anhang                                                       52
Literaturliste
Diakoniegesetze in Auszügen: Rheinland – Westfalen – Lippe   55
Gemeindediakonie und Ehrenamt im Internet                    66

Impressum                                                    68
Diakonie in der Gemeinde Handreichung für Presbyterien und Kirchenvorstände - Rheinland Westfalen Lippe
4   Vorwort

    Vorwort
    Liebe Presbyterinnen und Presbyter, liebe Kirchenvorstände,

    herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Ehrenamt im Leitungsgremium Ihrer
    Kirchengemeinde. Sie wollen sich besonders für die Belange der Diakonie Ihrer
    Gemeinde einsetzen. Dem Namen nach wird diese Aufgabe in unseren drei
    Landeskirchen zwar unterschiedlich benannt: als Diakoniepresbyterin, als
    Diakoniekirchmeister oder als Mitglied im Diakonieausschuss der Kirchenge-
    meinde. In der Sache aber handelt es sich um denselben elementaren Auftrag
    der Kirche in der Welt, den Sie wahrnehmen.

    Der Diakonie eine Struktur und eine Regelmäßigkeit zu geben und Verantwort-
    liche zu beauftragen, damit die Betroffenen eine verlässliche und nachhaltige
    Begleitung und Unterstützung erhalten, das war die erste Ordnung, die sich die
    junge Christengemeinde in Jerusalem gegeben hat (Apostelgeschichte 6). Wohin
    immer sich christliche Gemeinden ausgebreitet haben – stets gehörte eine gut
    geordnete Diakonie dazu. So erzählt die Apostelgeschichte (Kapitel 9) auch von
    Jüngerin Tabita und ihrem diakonischen Engagement in der Stadt Joppe. Die
    Art und Weise, wie wir heute Diakonie gestalten – ob in der Gemeinde oder in
    den freien Werken oder im Zusammenspiel von beidem –, das alles hat sich seit
    Tabitas Zeiten vielfach verändert. Anliegen und Motivation von Tabita prägen
    aber bis heute auch unser Engagement für die Menschen in unserem Gemeinwe-
    sen. Deshalb wird uns Tabita durch diese kleine Broschüre begleiten. Wir haben
    ihr Kommentare von Frauen und Männern in den Mund gelegt, die heute in der
    Gemeinde diakonische Verantwortung tragen. So kommentiert Tabita die Über-
    ­legungen der Autoren zu den Herausforderungen von Gemeindediakonie im
     21. Jahrhundert.

    Wir möchten Sie einladen, auf dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen, Ihrer Fragen
    und Ihrer Ideen die kurzen Texte, die wir zusammengestellt haben, zu lesen und
    Ihrerseits zu kommentieren: Was fällt mir auf, was verstehe ich nicht, wozu
    inspiriert mich das? Besonders die Checkliste »Gestaltungsräume in eine
    Kirchengemeinde« regen zu einer eigenen Bearbeitung an. Das kann man auch
    einmal gemeinsam tun, etwa im Diakonieausschuss. Denn das gehört ja wesent-
    lich zu einer verantwortlichen gemeinde­diakonischen Arbeit: Dass wir uns
Diakonie in der Gemeinde Handreichung für Presbyterien und Kirchenvorstände - Rheinland Westfalen Lippe
Vorwort    5

Rechenschaft geben und uns verständigen, was wir wollen – hier, ganz konkret
an diesem Ort, für die Menschen, mit denen wir zusammen leben. Auch wenn wir
viele nicht so oft in unseren Gottesdiensten sehen, sie sind Schwestern und
Brüder, mit denen wir das Leben teilen.

Diese kleine Handreichung ist ein Baustein zur Unterstützung der Gemeinde­­
diakonie, die wir als Landesverband leisten wollen und können. Dazu kommen
die Informationsveranstaltungen für neue Diakoniepresbyterinnen und -presbyter
oder Mitglieder in Diakonieausschüssen, die in vielen Kirchenkreisen der Landes-
kirchen in Zusammenarbeit mit den kreiskirchlichen bzw. regionalen­­Diako­nisch­en
Werken durchgeführt werden.

Ich möchte an dieser Stelle sehr herzlich danken einem Kreis von erfahrenen
Diakonie-Praktikern aus den Kirchenkreisen, die wir um Mitarbeit gebeten hatten,
diese genannten Bausteine mit uns zu entwickeln. Danke für die konzeptionellen
Impulse, die kreativen Ideen wie für die konkrete redak­tionelle Mitarbeit, ohne die
diese Handreichung nicht entstanden wäre. Alle, die mitgedacht und schon bei
der Broschüre mitgemacht haben, haben sich auch bereit erklärt, vor Ort, in den
Regionen für Ihre Rückfragen unterstützend zur Verfügung zu stehen. Die Namen
finden Sie ab Seite 46 der Handreichung.

»Die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk«
So hat die Barmer Theologische Erklärung unseren Auftrag als Kirche bleibend
festgehalten. Mit Ihrem Dienst in der Diakonie Ihrer Gemeinde nehmen Sie teil an
diesem Auftrag. In Ihrem Tun wird die freie Gnade Gottes »begreifbar« für alle
Menschen. Mit unserer Handreichung möchten wir Ihnen Mut machen zu Ihrem
Dienst, wir möchten Sie unterstützen in allen Fragen, wie sich die Arbeit an Ihrem
Ort gut gestalten und auch weiterentwickeln lässt.

Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, kommen Sie gerne auf uns zu.
Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind ja benannt.

Wir wünschen Ihnen Gottes Segen bei Ihrem Tun.

Volker König
Leiter der Stabsstelle Diakonisches Profil und Kommunikation
der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.
6   Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter   Fragebogen

    Gestaltungsräume für die Diakonie
    in der Gemeinde
    Möglichkeiten und Herausforderungen für die
    Aufgaben und die Rolle eines Diakoniepresbyters
    Heinz Frantzmann, Barbara Montag

    Wie bereits im Vorwort deutlich wurde, sind die Ordnungen im Hinblick auf die
    Ämter und Funktionen in den Kirchengemeinden in den drei Landeskirchen
    teilweise unterschiedlich. Das schlägt sich auch in den Begrifflichkeiten nieder.
    Der Einfachheit halber werden wir in dieser Checkliste von Diakoniepresbyte-
    rinnen oder Diakoniepresbytern sprechen.

    A. Leitsätze

    Presbyterien und Kirchenvorstände sind die Leitungsorgane einer Kirchen­
    gemeinde. Hier werden gemeinsam die Leitvorstellungen für die Arbeit der
    Gemeinde entwickelt und Leitbilder formuliert, an denen sich die Arbeit in den
    Ausschüssen, etwa dem Diakonieausschuss, orientieren. Viele Gemeinden
    haben solche Leitbilder erarbeitet, teils in umfangreicheren Prozessen unter
    Einbeziehung von Gemeindegliedern. Die Checkliste, die wir im Folgenden
    vorstellen, orientiert sich an folgenden Leitsätzen über die Diakonische Arbeit
    einer Gemeinde:

    • Die diakonische Arbeit in einer Kirchengemeinde ist als Visitenkarte einer
      lebendigen Gemeinde zu gestalten und zu entwickeln.
    • Die diakonische Kirchengemeinde braucht als Mitwirkende/als Mitgestal-
      tende sowohl Hauptamtliche als auch Ehrenamtliche, die es zu gewinnen
      und zu fördern gilt.
    • Die diakonische Kirchengemeinde greift sozial-diakonische Herausforde-
      rungen vor Ort auf und entwickelt nach ihren Möglichkeiten entsprechende
      Initiativen.
    • Die diakonische Kirchengemeinde versteht sich als Anwältin sozial
      ­Schwacher und politisch Verfolgter.
Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter                              Fragebogen        7

B. Bestandsaufnahme – Anregungen für die Weiterarbeit

Die Checkliste versteht sich als Impulsgeberin, um einige eigene Schwerpunkte
in der ehrenamtlichen Arbeit zu setzen. Die aufgeführten Angebote haben somit
nicht den Anspruch der Vollständigkeit, sondern der Anregung.
Entwickeln Sie dabei Ihre eigenen Schwerpunkte.

a. Inhaltliche Möglichkeiten

Wo ist meine Gemeinde diakonisch aktiv?

Kindertagesstätte, Altenarbeit, Behindertenarbeit, Kinder- und Jugendhilfe,
Selbsthilfe, Besuchsdienste...

................................................................................................................................

................................................................................................................................

Gibt es bereits eine Bestandsaufnahme?

    ja
    nein
    ist mir nicht bekannt
    Informationen bekomme ich bei/über...

................................................................................................................................

Liegt eine Gemeindekonzeption vor, in der diakonisches Handeln verortet ist?

    ja
    nein
    ist mir nicht bekannt
    Informationen bekomme ich bei/über...

................................................................................................................................
8   Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter                               Fragebogen

    Wer ist vor Ort für was zuständig? Gibt es klar benannte Ansprechpartner?
    Kennen Sie diese persönlich?

        ja
        nein
        ist mir nicht bekannt
        Informationen bekomme ich bei/über...

    ................................................................................................................................

    Wie wirken die diakonischen Aktivitäten vor Ort auf Sie?
    Persönliche Einschätzung und Bewertung (»Hubschrauberblick«)

        überschaubar
        klar strukturiert
        übersichtlich
        keine Struktur
        Informationen bekomme ich bei/über...

    ................................................................................................................................

    Wie ist die Arbeit verteilt? Hauptamt/Ehrenamt

        ist mir bekannt
        habe keine Kenntnis dazu
        Informationen bekomme ich bei/über...

    ................................................................................................................................

    Besteht darüber hinaus weiterer Bedarf? Haben sich die Bedarfe verändert?

        ja
        nein
        Informationen bekomme ich bei/über...

    ................................................................................................................................
Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter                              Fragebogen        9

Kommt das Diakonische in Ihrem Gemeindebrief
und in der Öffentlichkeitsarbeit vor?

    ja
    nein
    Informationen bekomme ich bei/über...

................................................................................................................................

Sehen Sie die Notwendigkeit für neue Initiativen und Projekte?

    dazu habe einen einen Überblick
    dazu habe ich keinen Überblick
    Informationen bekomme ich bei/über...

................................................................................................................................

Feiern Sie Diakoniegottesdienste?

    ja
    nein

Wird der Diakoniesonntag besonders gestaltet?

    ja
    nein
    wie...

................................................................................................................................

................................................................................................................................

................................................................................................................................
10      Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter                              Fragebogen

     b. Finanzielle Möglichkeiten

     Wie viel steht Ihnen in der Diakoniekasse zur Verfügung?

         ist mir bekannt
         ist mir nicht bekannt
         Informationen bekomme ich bei/über...

     ................................................................................................................................

     Welche Sammlungen werden wann und wo durchgeführt?

         ist mir bekannt
         ist mir nicht bekannt
         Informationen bekomme ich bei/über...

     ................................................................................................................................

     Besteht darüber hinaus Finanzbedarf – gibt es Sponsoring/Fundraising?

         ja
         nein
         Informationen bekomme ich bei/über...

     ................................................................................................................................

     Welchen Stellenwert hat die Diakoniekollekte im Gottesdienst?
     Gibt es Erläuterungen dazu?

         ist mir bekannt
         ist mir nicht bekannt
         Informationen bekomme ich bei/über...

     ................................................................................................................................
Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter                               Fragebogen          11

Gibt es Kriterien zur Verteilung der Diakoniegelder?

    ist mir bekannt
    ist mir nicht bekannt
    Informationen bekomme ich bei/über...

................................................................................................................................

Wie lassen sich Sponsoren finden?

    Dazu habe ich eine Idee
    Dazu habe ich keine Idee
    Informationen bekomme ich bei/über...

................................................................................................................................

c. Vernetzungs-Möglichkeiten

Die Kirchengemeinde versteht sich als Teil der Bürgergemeinde.
Wie kann Diakonie als Türöffnerin in den Stadtteil wirken
(Gemeinwesendiakonie)?

    durch persönliche Kontakte
    durch politische Kontakte
    durch fachliche Kontakte
    durch fachübergreifende Projekte...

................................................................................................................................

................................................................................................................................

................................................................................................................................
12      Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter                              Fragebogen

     Wie kann ich mich in die Netzwerkarbeit des Stadtteils einbringen?

         Ich habe bereits Kontakte und Ideen
         Ich brauche Impulse und Unterstützung
         Anregungen bekomme ich bei/über...

     ................................................................................................................................

     Wie lässt sich die gemeindliche, kreiskirchliche und unternehmerische Diakonie
     sinnvoll vor Ort vernetzen – als Gewinn für alle?

         Ich habe dazu konrekte Vorstellungen und Vorschläge
         Ich brauche Impulse
         Anregungen bekomme ich bei/über...

     ................................................................................................................................

     Wie lassen sich Bündnispartner finden, neue Ansprechpartner suchen –
     etwa in Bildungseinrichtungen, Kommunalpolitik, Selbsthilfegruppen?

         Ich habe dazu konrekte Vorstellungen und Vorschläge
         Ich brauche Impulse
         Anregungen bekomme ich bei/über...

     ................................................................................................................................

     Wie lassen sich gewinnbringend Diskussionen und Mitmachaktionen gestalten –
     welche Themen stehen an?

         Die Themen sind mir bekannt
         Die Themen sind mir nicht bekannt
         Anregungen bekomme ich bei/über...

     ................................................................................................................................
Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter                               Fragebogen          13

Wie lässt sich die ökumenische Zusammenarbeit stärken?

    Ich habe dazu konrekte Vorstellungen und Ideen
    Ich habe dazu keine Vorstellungen und Ideen
    Anregungen bekomme ich bei/über...

................................................................................................................................
14    Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter   Fragebogen

     C. Verantwortung und Gestaltung
     der Diakonischen Arbeit in der Gemeinde

     Dem Presbyterium oder dem Kirchenvorstand obliegt die Gesamtverantwortung
     für den diakonischen Auftrag der Gemeinde, sowohl was die Konzeption als
     auch was die praktische Gestaltung der Arbeit und den Einsatz von Finanzmit-
     teln für diakonische Zwecke betrifft.

     Im Auftrag von Presbyterium oder Kirchenvorstand arbeiten Diakoniepres­
     byterinnen und -presbyter oder Ausschüsse an der praktischen Umsetzung
     der diakonischen Arbeit, gemeinsam mit Pfarrerinnen und Pfarrern oder haupt-
     amtlich Mitarbeitenden der Gemeinde. In der Regel ordnen Satzungen diese
     Beauftragung hinsichtlich der Möglichkeiten wie auch der Grenzen (etwa im
     Bereich auf Personal- oder Budgetverantwortung).

     Im Einzelnen können folgende Verantwortungsbereiche
     beschrieben werden:

     • Erarbeitung von konzeptionellen, methodischen und finanziellen Grundlagen
       für die konkrete Arbeit sowie die Fortschreibung solcher Grundlagen;
     • die Beratung und Hilfe gegenüber Einzelpersonen und Gruppen in
       Zusammenarbeit mit Pfarrerinnen und Pfarrern, hauptamtlich Mitarbeitenden
       oder diakonischen oder kommunalen Beratungsdiensten;
     • die Verwaltung des Diakonievermögens;
     • die Einbeziehung der diakonischen Arbeit in das gottesdienstliche Leben und
       in die verschiedenen Gruppen und Kreise der Gemeinde.
Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter   Fragebogen   15

Daraus ergeben sich für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter
mögliche Aufgaben:

• Eine regelmäßige Berichterstattung im Presbyterium zu diakonischen
  ­Themen/Belangen/aktuellen Herausforderungen.
• Die Einreichung von Anträgen an das Presbyterium zur diakonischen Arbeit
   der Gemeinde in Grundfragen oder im Konkreten.
• Ein konstruktives und kollegiales Zusammenwirken und Mitgestalten mit den
   Pfarrerinnen und Pfarrern, den hauptamtlich Mitarbeitenden der Gemeinde
   sowie den anderen Ausschüssen des Presbyteriums oder Kirchenvorstands.
• Die Anregung zur Durchführung bzw. die Mitwirkung bei der Durchführung
   von Diakoniesonntagen oder Diakoniegottesdiensten in der Gemeinde.
• Die Verwaltung von Diakoniemitteln im Rahmen der von der Satzung
   vorgesehenen Spielräume.
• Die Beratung über Diakoniesammlungen der Gemeinde.
• Die Gestaltung bzw. der Aus-/Aufbau einer verlässlichen Netzwerkstruktur
   mit anderen Gemeinden (etwa in ökumenischen Bezügen), mit anderen
   diakonischen Einrichtungen (etwa Beratungsdiensten kreiskirchlicher
   Diakonischer Werke oder freier diakonischer Träger) oder anderen Akteuren
   im Gemeinwesen (etwa städtischen Sozialdienste oder Vereine).
• Die Mitarbeit in den übergemeindlichen diakonischen Gremien als Vertretung
   der Kirchengemeinde.
• Eine systematische, kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit über die diakonische
   Arbeit der Gemeinde, etwa durch Hinweise und Berichte im Gemeindebrief
   oder in der Lokalpresse.
• Der Austausch über Erfahrungen von Diakoniepresbyterinnen und
Der Austausch über Erfahrungen von Diakoniepresbyterinnen und –presbytern
   -presbytern anderer Gemeinden (etwa im Kirchenkreis-Diakonieausschuss)
anderer Gemeinden (etwa im Kirchenkreis-Diakonieausschuss) oder in anderen
   oder in der
Regionen    anderen Regionen(etwa
               Landeskirche   der Landeskirche  (etwa Fortbildungsveranstaltun­
                                   Fortbildungsveranstaltungen  für Diakonie-
   gen  für Diakoniepresbyterinnen und  -presbyter in der Diakonie Rheinland-
presbyterinnen und –presbyter in der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe).
   Westfalen-Lippe).
16    Wo kommen wir her?    Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft

     Wo kommen wir her?
     Biblische Leitbilder von Diakonie und
     Gemeinwesen
     Viola Kennert

     Die Stadt – das ist das enge Zusammenleben.
     Dort ist Unruhe und das Böse hat eine Chance. Die Menschen können sich – vor
     Gott und voreinander – verstecken und andere werden vergessen, gehen unter.
     Biblische Städte fallen mir ein:

     Sodom und Gomorra, Babel und Ninive.

     Nach Ninive wird Jona von Gott geschickt, um die Menschen der Stadt zur
     Umkehr zu bewegen.

     Die Stadt – das ist biblisch der Ort, an den Gott geht, wo Gott zu den Menschen
     hingeht – bzw. jemanden hinschickt. Mitten hinein zu den Menschen schickt Gott
     Jona nach Ninive.

     Zwei Engel kommen nach Sodom.

     Und auch diese wunderbare Bild hat in der Bibel seinen Platz: Die Weisheit geht
     durch die Straßen. Sie geht und predigt und wirbt. Die Weisheit wandert, läuft
     durch die Stadt. Sie ist seit der Schöpfung die Partnerin Gottes und sie ist mitten
     in der Stadt, unterwegs.

     Das sind Bilder von Hektik, Betriebsamkeit, Verlorenheit und von Gottes Gegen-
     wart mittendrin.

     Andererseits: Viele Heilungsgeschichten finden am Rande der Stadt statt.
     Auch die große Bergpredigt findet abseits statt. Am Rande, außerhalb steht die
     einzelne, die heilende, rettende Beziehung im Mittelpunkt. Wie ein Ausschnitt,
     der vergrößert wird, der herangezoomt« wird.
     Heilendes Handeln – mitten in der Stadt – und am Rande.
Wo kommen wir her?   Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft   17

Welche Bilder bewegen uns, wenn wir über diakonisches Engagement
nachdenken?

Was treibt uns theologisch (an)?

Es sind einerseits die Bilder und andererseits die Erzählungen, die aufgeschrie-
bene Botschaft, die in diesen Bildern steckt. Die heilige Schrift also – und
die Suche nach einer tiefen, existenziellen Erfahrung, die uns bewegt zu den
anderen hin.

Uns treibt die Sehnsucht nach Heil und Frieden.

Gemeinwesen – Stadt – Diakonie

Auf der Suche nach biblischen Leitbildern möchte ich folgenden Weg gehen:
An fünf Merkmalen von diakonischem Handeln möchte ich an biblische Bilder
erinnern, die Sie inspirieren können, und – so hoffe ich – Ihnen Anstöße geben,
Ihre eigenen theologischen Begründungen für das diakonische Handeln der
Kirche in der Stadt weiter zu denken.

1. Diakonie ist Mahnung

Gott schafft denen Recht, die Unrecht leiden. Gott speist die Hungrigen.
(Psalm 146)

Maria singt vor der Geburt Jesu und nimmt das Lied der Prophetin Hanna auf:
Gewaltige stürzen vom Thron.

Hungrige füllt er mit Gütern und Reiche lässt er leer ausgehen. (Lukas 1, 46-55
und 1. Samuel 2)

Propheten und Prophetinnen kritisieren die Ausbeutung, die Ungerechtigkeit,
Diskriminierung. (z. B. Amos, Hosea)

Die Heilungen Jesu haben die Re-Integration der Geheilten zum Ziel.
(z. B. Markus 2, 1-12).
18    Wo kommen wir her?   Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft

     Man kann es auch so sagen: Die Heilungen qualifizieren das neue Gemeinwesen
     als Integra­tion aller (Inklusion). Die sozialen Unterschiede werden aufgehoben.
     (z. B. Lukas 8 und Lukas 15).

     Die Blickwendung der Christenheit auf die Unterdrückten meint demzufolge auch
     immer Kritik an den politischen Verhältnissen.

     Bei der Frage nach dem Leid der Menschen ist immer zu unterscheiden
     zwischen dem Leid, das zu tragen ist (Tod, Krankheit) und dem Leid, das durch
     gesellschaftliche Struktur bedingt ist.

     2. Diakonie ist Barmherzigkeit

     Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter spielt sich auf dem Weg zwischen
     zwei Städten ab. In diesem Gleichnis geschieht eine Zuwendung, in der der
     Erbarmende seinen Weg unterbricht und Initiative ergreift (Lukas 10, 25-36).

       Syrische Gemeindeordnung aus dem 5. Jahrhundert:
       Wenn der Diakon in einer Stadt tätig ist, die am Meer liegt,
       so soll er sorgsam das Ufer absuchen, ob nicht eine Leiche
       eines ­Schiffbrüchigen angeschwemmt worden ist. Er soll
       sie bekleiden und bestatten. In der Unterkunft der Fremden
       soll er sich erkundigen, ob es dort nicht Kranke, Arme oder
       Verstorbene gibt, und er wird es der Gemeinde mitteilen,
       dass sie für jeden tut, was nötig ist.
Wo kommen wir her?    Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft   19

Die zehn Aussätzigen wohnen, leben außerhalb der Stadt. Sie rufen Jesus und
er heilt sie. Alle werden geheilt, einer kehrt um, um zu danken (Lukas 17, 11-19).

Über das Wesen von Erbarmung lernt man hier:

Erbarmen fragt nicht nach der Ursache des Leides – Überfall oder Krankheit.

Erbarmen macht aus dem Leidenden ein Gegenüber – Barmherzigkeit schließt
Herablassung aus.

Erbarmen fragt nicht nach Dank und Bekehrungserfolgen.
Erbarmen ist die Fähigkeit mit anderen zu leiden, und ist die Erkenntnis, der
eigenen Fähigkeit zu helfen.

Kleines Fazit:
Erbarmen ist eine persönliche Regung, die vor dem Egoismus bewahrt.
Erbarmen bewahrt auch eine Gemeinde und die Kirche vor Egoismus!

3. Diakonie markiert die Schwelle zwischen »innen« und »außen«

Oder: Diakonie ist die Tür, die Schwelle zur Gemeinde: Über die Diakonie
kommen Menschen zur Gemeinde.

Die erste Gemeinde, von der wir einen ausführlichen Bericht haben, ist die in
Jerusalem. (Apostelgeschichte, hier besonders Kapitel 2, 4 und 6)

Mitten in der turbulenten Stadt Jerusalem sammelt sich die Gemeinde nach dem
Pfingstfest und dem darin begründeten Neuanfang nach Ostern: Sie versammeln
sich, brechen das Brot, loben und beten, teilen, was sie haben und sorgen
füreinander.

Und sie schaffen sich sehr bald eine Struktur der Aufgabenverteilung in der sie
Menschen aus ihrer Mitte aussuchen, die sich um die Armen und Witwen
kümmern. (Apostelgeschichte 6)

Diese Gemeinde ist attraktiv. Es kommen immer mehr dazu. Die Attraktivität ist
die neue Sozialität, die anders ist als die Stadt, die aber in der Stadt stattfindet.
Diese Gemeinde hat eine diakonische Ausstrahlung.
20    Wo kommen wir her?    Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft

     Jesus sandte die Seinen aus, zu predigen und Kranke zu heilen. Und er sandte
     sie in die Städte und Dörfer. Das ist die Kernbestimmung des Auftrages Jesu.
     (Lukas 9, 1-6)

     Mit dieser »missionarischen Methode« – Predigt und Heilung der Kranken – wird
     der urbane Raum durchdrungen, ohne Besitzanspruch zu erheben.
     Die Attraktivität der Jesusbewegung ist, dass die Jünger und Jüngerinnen
     etwas wollen.

     Sie fragen nicht: Was bringt es?

     Sie sagen einander: Was bewegt uns?

     Das ist die Fragestellung, die die eigene Motivation klärt und unabhängig
     und frei macht.

     Oder anders zusammengefasst: An der Schwelle zwischen »in der Gemeinde«
     und »nicht in der Gemeinde« – hier jetzt gemeint: die Diakonie – fragen die
     Menschen: Was bewegt euch? Die Antwort unterscheidet uns von anderen
     »Anbietern«

     4. Diakonie ist gegenseitiger Dienst

     Wir brauchen in der Kirche eine Orientierung nach innen und nach außen.

     Christliche Gemeinde strahlt aus (ist attraktiv), wenn sie sich auch selbst als
     diakonische Gemeinde versteht. (Innenperspektive)

     Und: Christliche Gemeinde darf sich nicht aus dem Gemeinwesen zurückziehen.
     Sie muss offene Türen haben und wahrnehmen, was außerhalb geschieht.
     (Außenperspektive)

     Nur das Gleichgewicht von beidem ist biblisch und macht die Gemeinde
     attraktiv, interessant.
Wo kommen wir her?   Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft   21

Das Gleichnis von den Werken der Barmherzigkeit (Matthäus 25, 31-46)
beschreibt die Außenorientierung:

Jesus spricht: »Was ihr getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr
mir getan.«

Im Fremden, Armen (Nackten), Kranken, Gefangenen, begegnen wir Jesus.
Und wer den Notleidenden aus dem Weg geht, geht Jesus aus dem Weg.

Im ersten Korintherbrief (1. Korinther 12) beschreibt Paulus die Gemeinde als
einen Leib mit vielen Gliedern. Die Gemeinde ist in sich und für sich diakonisch:

Jedes Glied hat seine eigene Dignität – nur im Geben und Nehmen erfüllt sich
Gemeinde.

Am Ende nennt Paulus Apostel, Lehrer, Wundertäter, Heiler und ermahnt,
sich nicht zu verschließen. Und im anschließenden »Hohelied der Liebe
(1. Korinther 13) eröffnet den weiten Raum hin zu allen Menschen: Die Liebe.

Das heißt für mich: Die diakonisch wirkende Gemeinde in der Stadt, die im
Gemeinwesen ihren Platz finden will, muss sich selbst – auch als Organisation!
– immer mal wieder zum Thema machen. Es geht immer um beides: Gutes zu
tun – nach außen hin und Gutes zu tun nach innen hin. Die Überprüfung des
eigenen Wirkens bewahrt uns davor, dass sich fremde Kriterien einschleichen.

5. Diakonie ist der Dienst der Gemeinde
in der Stadt und in der Welt

Die vielfach beschriebene biblischen Geschichte von der »Speisung der 5 000«
(z. B. Markus 6, 30-44) beschreibt wie in einer Zeitlupe einen diakonischen
Rhythmus:

Zuerst sollen sich die erschöpften Aktiven zurückziehen. Sie brauchen Ruhe.

Dann folgt die Predigt Jesu für die Menschen.

Nach der Predigt nehmen Jesus und die Seinen ernst uns wahr, dass die
Menschen Hunger haben.
22    Wo kommen wir her?    Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft

     Die Jünger machen einen pragmatischen Vorschlag: Schicke sie zurück in die
     Dörfer und Städte, dort können sie sich etwas zum Essen kaufen.

     Jesus reagiert, in dem er den Aktionismus bremst: Seht, was da ist.

     Und dann: Setzt euch in Gruppen zusammen. Teilt aus, was da ist. Und es reicht.

     Zuerst die Wahrnehmung, dann die Konzentration auf Vorhandenes, und dann
     die Selbstorganisation in Gang setzen. Das sind bedachte, ruhige, aufeinander-
     folgende Schritte.

     Die Gemeinde (Jünger und Jüngerinnen) handelt besonnen und achtet, das was
     da ist: Menschen, die auf Teilen ansprechbar sind, weil sie miteinander leben
     wollen. Das wird verstärkt und von Christus gesegnet.

     Dieses findet auch alles außerhalb der Stadt statt.
     Außerhalb ist es leichter, die eigene Identität, den eigenen Weg zu finden.
     Innerhalb ist man immer schon festgelegt.

     Diakonie ist auf der Schwelle. Diakonie ist die Gemeinde, die unterwegs ist und
     Kompromisse findet, zwischen denen, die außerhalb sind und denen die innen
     sind.

     Diakonie – das ist die diakonische Gemeinde, die in die Stadt gesandt ist.

     Zum Schluss: Diakonie ist
     • Mahnung
     • Barmherzigkeit
     • Existenz auf der Schwelle
     • Gegenseitiger Dienst
     • Gesandte Gemeinde

     Diakonie kann und soll, im Gemeinwesen, in der Stadt die Liebe Gottes ­
     bezeu­gen. Diakonie ist berufen zu handeln und dabei den einzelnen wahr­
     nehmen, das gesellschaftliche System (kritisch) wahrnehmen und auch die
     eigene Organisation, Struktur (kritisch) wahrnehmen.
Wo kommen wir her?   Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft   23

An den Schluss möchte ich die Vision aus der Offenbarung des Johannes
stellen:

Die neue Stadt Jerusalem, das wird ein neuer Himmel und neue Erde sein.
Gott wird abwischen alle Tränen.

Kein Tod, kein Leid, kein Schmerz wird mehr sein. (Offenbarung 21, 1-7)

Das ist die Vision, die uns bewegt.

Dazu ein Jesuswort:

Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern
dass er diene (Markus 10,45):

Unser Dienst steht im Zusammenhang mit dieser Vision aus der Offenbarung.
Sie motiviert uns. Diakonie ist unterwegs sein zu den Menschen.

Unterwegs sein eine Form von Hingabe.

Hingabe ist Loslassen und hineinbegeben.

Diakonischer Dienst hilft den Menschen und hält sie nicht fest.
24    Gemeinde und Diakonie   Arbeitsfelder der Diakonie

     Arbeitsfelder der Diakonie
Gemeinde und Diakonie   Arbeitsfelder der Diakonie   25
26    Gemeinde und Diakonie   Erleben – verstehen – gestalten

     Gemeinde und Diakonie
     Erleben – verstehen – gestalten
     Hans W. Höroldt

     Wie können wir den diakonischen Auftrag heute oder morgen wahrnehmen
     und umsetzen, in der Gemeinde oder im Pfarrbezirk, und mit wem können wir
     uns dabei gemeinsam auf den Weg machen? Um diese Fragen beantworten zu
     können, braucht es zunächst ein vertieftes Verständnis dessen, was diesen
     diakonischen Auftrag und seine Umsetzung heute ausmacht.

     Wenn in einer Kirchengemeinde von Diakonie die Rede ist, dann denkt man oft
     zuerst an das kreiskirchliche Diakonische Werk oder eine große diakonische
     Einrichtung in der Nachbarschaft, aber nicht an die eigene Gemeinde. Dabei
     wird leicht übersehen, dass die Kirchengemeinde als Organisation meist selber
     ein Träger diakonischer Aufgaben ist, etwa im Kindergarten oder im Besuchs-
     dienstkreis.

                               Glaubwürdig Kirche zu sein bedeutet,
                               für die Schwächsten da zu sein.
                               Das bleibt die wichtigste Aufgabe.

                              Zudem steht die Kirchengemeinde als Teil der Kirche
                               insgesamt unter dem diakonischen Auftrag der Bibel.
                                Dies spiegelt sich auch in der Kirchenordnung wider:

                                  Das Presbyterium (oder der Kirchenvorstand) als
                                  Leitungsorgan der Kirchengemeinde hat neben
                                   vielen anderen Aufgaben auch darauf zu achten,
                                    dass der »Auftrag zur Diakonie« erfüllt wird. Es
                                     delegiert diese Aufgabe oft an eine Einzelperson
                                      (Diakoniepresbyterin oder Diakoniepresbyter,
                                       teilweise auch Diakoniekirchmeister) und soll
Gemeinde und Diakonie   Erleben – verstehen – gestalten   27

einen entsprechenden Ausschuss des Presbyteriums (»Diakonieausschuss«)
einrichten.

Aber auch wenn auf der formellen Ebene die Wahrnehmung dieses Auftrags
anscheinend klar geregelt ist, wird es im Alltag oft anders empfunden. Diakonie
erscheint als eine Aufgabe, die eigentlich besser von anderen (etwa diakonischen
oder kommunalen Einrichtungen) wahrgenommen wird. Diakonie erscheint als
eine Aufgabe, die bestenfalls am Rande der Gemeindearbeit vorkommt.

Diese Sicht ist kein Zufall; es gibt vielfältige Gründe, die dazu geführt haben. In
der Beschreibung von Diakonie unterscheidet man zwischen der »Basis- oder
Gemeinde­­diakonie«, einer Praxis des Helfens, die ohne große eigene verfes­tig­te
Organisation zumeist durch Ehrenamtliche geleistet wird und der »Einrichtungs-
diakonie oder unternehmerischen Diakonie«, die mittels kleinerer oder größerer
Organisationen dauer­haft und vertraglich geregelt im staatlich geregelten System
der öffentlichen Wohlfahrt mitwirkt. Hierzu zählen sowohl die großen diakoni­
schen Träger, die oft als Vereine neben der Kirche entstanden sind, wie auch die
Diakonischen Werke auf der mittleren kirch­lichen Hand­lungsebene (Kirchenkreis
oder Dekanat) und die landeskirchlichen Diako­nischen Werke. Daneben ist die
weltweite Diakonie zu nennen; hierzu zählen große Organisationen wie »Brot für
die Welt« oder die »Diakonie Katastrophenhilfe« der ebenso wie die Partner-
schaftsinitiative der Kirchengemeinde mit einer Kirche oder Gemeinde auf einem
anderen Kontinent.
Schließlich ist noch
die anwaltliche oder      Unterstützung durch Fachdienste im Kirchenkreis
sozialpolitische          oder Arbeitsteilung im ökumenischen Umfeld –
Diakonie zu nennen.
Hier bringt sich die      das gehört auf meine Wunschliste zur Zukunft
Diakonie aktiv in die     der diakonischen Gemeindearbeit.
politische Diskussion
ein und vertritt die
Anliegen und Interessen der bedürftigen und benachteiligten Menschen.

Wir behaupten nun: Gerade in der bewussten Wahrnehmung des diakonischen
Auftrags durch die Kirchengemeinden, gerade in der Überwindung des oft
beziehungslosen Nebeneinanders von Kirchengemeinden und Einrichtungs­
28    Gemeinde und Diakonie   Erleben – verstehen – gestalten

     diakonie und in der geordneten Zusammenarbeit beider liegen vielfältige Ent-
     wicklungschancen, und zwar sowohl für die Kirchengemeinden als auch für die
     diakonischen Einrichtungen. Zunächst einmal soll der sachliche Hintergrund der
     Herausbildung zweier unterschiedlicher diakonischer Kulturen beschrieben und
     nach der Berechtigung dieser Unterschiede gefragt werden. Im zweiten und
     dritten Schritt werden dann das »Warum« und das »Wie« der gemeinsamen
     Wahrnehmung des diakonischen Auftrags diskutiert.

     Das Hauptaugenmerk richtet sich auf die Beantwortung der Frage, wie ein
     stärkeres Miteinander von Kirchengemeinde und Einrichtungen der Diakonie
     gefördert werden kann. Die Perspektive, aus der diese Fragen gestellt und
     beantwortet werden, ist die der Kirchengemeinden. Auf die Konsequenzen, die
     diakonische Einrichtungen aus einer intensivierten Zusammenarbeit mit der
     Gemeindediakonie ziehen oder ziehen müssten, kann hier nur am Rande ein­
     gegangen werden.

     Kirchengemeinde und diakonische Einrichtungen –
     zwei verschiedene Formen von Kirche

     In vielen Gesprächen in Kirchengemeinden kommt immer wieder – oft mit einem
     Unterton des Bedauerns, manchmal auch des Vorwurfs – die Vorstellung zur
     Sprache, dass die Diakonie aus der Kirchengemeinde ausgewandert sei.
     Spätestens seit die letzte Gemeindeschwester in die Sozialstation gewechselt
     ist, sei Diakonie in der Kirchengemeinde nicht mehr erkennbar. Diese Fest­
     stellung wird häufig verbunden mit einer Klage: Die Diakonie sei immer stärker
     wirtschaftlich und professionell ausgerichtet und habe sich damit mehr und mehr
     von ihrem eigentlichen Auftrag entfernt. Gelegentlich folgt dann noch der
     Hinweis, dass ja die diakonischen Einrichtungen im Wesentlichen nicht durch
     kirchliche Finanzmittel gefördert sind, verbunden mit der rhetorischen Frage, ob
     sie denn tatsächlich noch kirchlich seien. Solche Vorstellungen sind nach unserer
     Erfahrung weitverbreitet; und schon deshalb müssen sie ernst genommen
     werden.

     Eine solche Sichtweise übersieht allerdings die vielfältigen diakonischen Tätig-
     keiten, die es neben der Arbeit der Gemeindeschwester in der Gemeinde gab
Gemeinde und Diakonie   Erleben – verstehen – gestalten   29

und heute noch gibt. Die sollte man aber nicht unterschätzen. Es geschieht
vielfältig Diakonie auf Gemeindeebene – auch Aktivitäten wie die Arbeit eines
Besuchsdienstkreises oder auch die Tageseinrichtung für Kinder sind – wie
schon gesagt – dazuzuzählen. Solche Aktivitäten werden teilweise einem
anderen Bereich der Kirchengemeinde zugeordnet und vielleicht noch mit einem
diakonischen Akzent versehen. Andernorts werden sie aber aus einem ausge-
prägten diakonischen Selbstverständnis betrieben.

Welche Frage sich die oben skizzierte Kritik gar nicht stellt, ist: Existieren nicht
vernünftige Gründe für die Professionalisierung diakonischer Leistungen?
Angesichts der wachsenden Anforderungen etwa in den pflegerischen Berufen
braucht es eine Bündelung von Kräften (etwa im Rahmen von Sozialstationen),
um Menschen eine fachlich qualifizierte und gesicherte Versorgung und Unter-
stützung in allen Lebenslagen rund um die Uhr zu gewährleisten. Dies war in den
Formen klassischer Gemeindediakonie spätestens seit der Einführung der
Pflegeversicherung nicht mehr möglich.

Und warum soll eigentlich Wirtschaftlichkeit die diakonische Qualität und den
Gemeindebezug einer diakonischen Einrichtung negativ beeinflussen? Wirt-
schaftlichkeit dient, so lange sie nicht zur sich selbst genügenden und alles
dominierenden Handlungslogik wird, dem verantwortungsvollen Umgang mit
begrenzten Mitteln. Und warum soll die Herkunft der finanziellen Mittel über die
diakonische Qualität entscheiden und nicht vielmehr die Haltung der Mitarbei­­ten­
den gegenüber den Menschen, für die sie sich engagieren? Vor allem aber
über­sieht eine solche Ein­stellung, dass diakonische Einrichtungen in der Wahr-
nehmung des Auftrags des Evangeliums viele wichtige neue Formen ­diakoni­-
scher Arbeit geschaffen haben, die es vorher so in den Kirchengemeinden nicht
gegeben hat und nicht geben konnte.

Hier ist etwas Eigenständiges und Neues entstanden – Diakonie als eine kirch-
liche Zweitstruktur neben den Kirchengemeinden und den anderen Ebenen der
verfassten Kirche. Das ist ein Ergebnis des gesellschaftlichen Prozesses der
Ausdifferenzierung, Spezialisierung und Professionalisierung des Helfens, der
sich in den letzten Jahrzehnten weiter vollzogen hat. Diese Ausdifferenzierung
hat zu einer erheblichen Ausweitung der Unterstützungsmöglichkeiten und
-formen geführt, für die man dankbar sein muss. Mit der Ausweitung der Unter-
30    Gemeinde und Diakonie   Erleben – verstehen – gestalten

     stützungsmöglichkeiten und -formen differenzieren sich auch die diakonischen
     Einrichtungen und Angebote aus. In einer immer komplexer werdenden Gesell-
     schaft kann so das kirchlich-diakonische Anliegen intelligent und angemessen
     eingebracht werden.

     Die Professionalisierung und die Ausdifferenzierung der diakonischen Einrich-
     tungen und Angebote antwortet auf ganz einschneidende Entwicklungen: die
     medizinisch-technische Entwicklung, den Ausbau der sozialen Sicherung seit
     Mitte der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts, aber auch die Umstellungen auf
     marktförmige Strukturen im Bereich der sozialen und gesundheitlichen Sicherung
     in den letzten 20 Jahren. Diakonische Einrichtungen nehmen heute wesentliche
     Aufgaben im Bereich der sozialstaatlichen Hilfen wahr, agieren dabei in enger
     Absprache mit den Kostenträgern und Auftraggebern, sind (meist) entsprechend
     wirtschaftlich und fachlich durchstrukturiert und hoch qualifiziert. Das sind
     Ursachen dafür, dass diakonische Einrichtungen sich entsprechend einer
     eigenen Handlungslogik entwickeln, im Rahmen eigener (meist privat-)rechtlicher
     Bedingungen handeln und so eine eigene (Unternehmens-)Kultur ausbilden.

     Die Frage, woran sich die kirchlich-diakonische Qualität, das besondere diako-
     nische Profil solcher Einrichtungen festmachen lässt, beschäftigt Leitungen,
     Mitarbeitende und Aufsichtsgremien dieser Einrichtungen seit Jahren. Diese
     Diskussion mit ihren zum Teil sehr eindrücklichen und überzeugenden Ergebnis-
     sen spiegelt sich etwa in den Leitbildern, die diakonische Einrichtungen in den
     letzten Jahren diskutiert, verabschiedet und auf ihren Internetseiten veröffentlicht
     haben.

     Auch bei der Beschreibung und Sicherung der Qualität der Arbeit (Qualitätsma-
     nagement und Zertifizierung, etwa »Qualitätssiegel Pflege«) spielt die Frage nach
     dem diakonischen Profil eine wesentliche Rolle. Die Erwartung, die gewachsene
     Differenz zwischen Diakonie und Kirche müsse dadurch überwunden werden,
     dass Diakonie kirchlicher und Kirche diakonischer werden mögen, greift ange-
     sichts dieser Entwicklung und Gegebenheiten zu kurz und führt leicht zu frucht-
     losen, wechselseitigen Schuldzuweisungen und Enttäuschungen.

     Hier gilt vielmehr: Gerade in der Unterscheidung und Verschiedenheit von
     unternehmerischer Diakonie und verfasster Kirche liegen ihre Stärken; so können
Gemeinde und Diakonie   Erleben – verstehen – gestalten   31

sie sich wechselseitig entlasten und unterstützen. Doch diese klare Unterschei-
dung von Diakonie und Kirchengemeinde ist nicht statisch zu verstehen; sie
benennt auch keinen Ziel- oder Wunschzustand. Damit soll die Kirchengemeinde
erst recht nicht von der Wahrnehmung des diakonischen Auftrags »befreit«
werden. Auf dem Hintergrund dieser kurzen Analyse des realen Raumes, in dem
sich Basisdiakonie und Einrichtungsdiakonie bewegen und sich zwei verschie-
dene Formen von Kirche (im selben Geiste) entwickelt haben, versteht man
besser die Möglichkeiten und Grenzen des diakonischen Handelns der Kirchen-
gemeinde. Das schärft aber auch den Blick für die Chancen eines organisierten
Miteinanders von Kirchengemeinde und diakonischer Einrichtung.

Um zu verstehen, wie dringend eine Neuausrichtung diakonischer Arbeit im
Allgemeinen und für die Gemeinden im Besonderen ist, dafür reicht ein Blick auf
die gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse: Die Schere zwischen Arm und
Reich öffnet sich seit Jahren immer weiter. Verlierer sind häufig Kinder und
Jugendliche und ihre Familien. Verlierer sind aber auch Menschen in ungesicher-
ten und schlecht bezahlten Beschäftigungsverhältnissen und Arbeits­lose. Wäh-
rend Industrie und Handwerk zu verstehen geben, dass ihnen der Nachwuchs
ausgeht, bleiben immer mehr Jugendliche ohne Chance auf Ausbildung und
Arbeit auf der Strecke. Die demografische Entwicklung, die wachsende Zahl
älterer und alter Menschen bei gleichzeitiger Abnahme der Kinderzahlen verän-
dert vielerorts bereits sichtbar das Zusammenleben in Städten und Dörfern. Von
all diesen Entwicklungen sind auch Kirchengemeinden betroffen. Entsprechend
ergeben sich daraus neue Herausforderungen für die Wahrnehmung des diako-
nischen Auftrags in der Gemeinde.

Und eine weiterer Aspekt ist hier wichtig: Wo sich Menschen in der Kirchenge-
meinde dia­­konisch engagieren und soziale Aufgaben übernehmen, agieren sie
nicht isoliert für sich. Sie treffen auf das umfassende Hilfesystem, das sich in
Deutschland entwickelt hat. In diesem System nehmen diakonische Unterneh-
men als Akteure eines Wohlfahrtsverbands eine be­sondere Rolle wahr: Sie
wirken in zumeist vertraglich geregelter Form bei der Umsetzung der gesetzlich
verankerten Ansprüche auf soziale und gesundheitliche Versorgung und Hilfe mit.

Das diakonische Engagement in Kirchengemeinden ist nicht von vornherein in
dieses System eingebunden. Hier bestehen Freiräume. Ungewohnte Wege
32    Gemeinde und Diakonie   Erleben – verstehen – gestalten

     können begangen werden. Man kann Neues versuchen. Allerdings hilft es, auch
     etwa im Blick auf die Wirksamkeit des Engagements, solchen Einsatz transpa-
     rent zu machen gegenüber denen, die hier auch (etwa aufgrund eines gesetz-
     lichen Auftrags des Jugendamts) aktiv sind.

     Wo Kirchengemeinden ihre Aktivitäten darstellen und einbringen, können sie
     etwa im Gespräch mit den Mitarbeitern des Jugendamts oder eines diako-
     nischen Trägers wichtige Hinweise, konkrete Unterstützung oder Begleitung
     erhalten. Umgekehrt kann hier die Kirchengemeinde Menschen helfen und
     stärken, die sonst keine oder nur wenig Unterstützung erhalten würden. Kirchen-
     gemeinden können in ihrem diakonischen Handeln partiell flexibler und innova-
     tiver sein als die diakonischen Einrichtungen. Wirksam wird diese Möglichkeit
     aber erst in der Zusammenarbeit.

     Gemeindediakonie als Impuls zur Gemeindeentwicklung

     Warum sollten sich Menschen in der Kirchengemeinde diakonisch engagieren?
     Warum sollte das Leitungsorgan dieses Engagement unterstützen? Wir sind
     überzeugt: Für Kirchengemeinden liegen in der Wahrnehmung ihres diakoni-­
     schen Auftrags auch erhebliche Entwicklungschancen. Kirchengemeinden und
     diakonische Einrichtungen erfüllen einen gemeinsamen biblischen Auftrag.
     Der lautet, Gottes Zuwendung zu den Menschen und zu dieser Welt in unserer
     Zeit und unseren Verhältnissen deutlich zu machen und ihm dort Ausdruck zu
     verleihen. Von diesem Auftrag her kommt zunächst der Einzelne in den Blick.
     Der ist aber stets Teil eines komplexen Beziehungsgeflechts.

     Ein alltägliches Beispiel: Eine Familie stellt einen Antrag auf Unterstützung ihrer
     Kinder bei der Jugendfreizeit. Die Eltern können den Beitrag zur Freizeit nicht
     leisten. Dabei werden auch die schwierige wirtschaftliche Situation der Familie
     und das problematische Wohnumfeld sichtbar. In dem Bemühen um die Wahr-
     nehmung des diakonischen Auftrags in der Kirchengemeinde geschieht also eine
     Öffnung, eine Erweiterung des Blicks auf das Umfeld der Kirchengemeinde, auf
     die Menschen, die hier leben und auf die Lebensbedingungen dieser Menschen.
     Die Situation und die Lebensperspektive der Familie werden deutlich.
Gemeinde und Diakonie   Erleben – verstehen – gestalten   33

Hinter der individuellen Notlage wird bei genauerem Hinsehen auch ein Aspekt
der gesellschaftlichen Entwicklung sichtbar, der dazu führt, dass die Zahl der
Kinder, die in Deutschland in Armut leben, dramatisch gestiegen ist. Da die
Finanznot der Städte und Gemeinden wächst, verschärft sich die Situation der
Kinder noch. Angebote für Kinder und Jugendliche werden gestrichen, Einrich-
tungen werden geschlossen.

Was diese Familie erlebt und oft vor allem als eigenes Versagen versteht, hat
über die individuellen Lebensumstände hinaus Gründe in gesellschaftlichen
Entwicklungen bzw. deren Auswirkungen. Von diesen Entwicklungen ist auch die
Kirchengemeinde betroffen – ob das in der Gemeinde wahrgenommen und
thematisiert wird oder nicht. Wenn eine Kirchengemeinde ihren diakonischen
Auftrag wahrnimmt, dann bedeutet das zunächst, genau hinzusehen, was
Menschen erleben, was da geschieht und sich entwickelt – eine Sensibilität zu
entwickeln für die Lebenssituation von Menschen, über den ersten Eindruck
hinaus.

      Wenn ich mich in den Vororten
      umschaue, ist scheinbar alles
      in Ordnung. Beim genaueren
      Hinsehen entdecke ich, dass
      es eine große verdeckte
      Armut gibt.
34    Gemeinde und Diakonie   Erleben – verstehen – gestalten

     Was kann daraus erwachsen? Was kann eine Gemeinde, die sich verstärkt
     in ihrem Umfeld diakonisch engagieren will, dann erleben?

     Idealtypisch kann das etwa so aussehen:

     • Durch das Taufgespräch mit einer alleinerziehenden Mutter werden ihre
       Lebenssituation und ihre alltäglichen Probleme deutlich. Daraus entwickelt
       sich die Idee, eine Mütter-Kind-Gruppe speziell für Alleinerziehende im
       Gemeindehaus neben dem Kindergarten einzurichten. Daraus wiederum
       erwächst eine Arbeit, die im Stadtviertel eine zunehmend wichtige Rolle
       spielt.

     • Im Gemeindebezirk leben viele Familien, die wirtschaftlich Not leiden.
       Der Diakonieausschuss beschließt, in den Räumen der Jugendarbeit ein
       offenes Frühstücksangebot für die Kinder der benachbarten Hauptschule
       zu ­schaffen.

     • Es gibt einen lockeren Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe Suchtkranker, die
       auf der Suche nach einem Raum sind, wo sie sich regelmäßig treffen können.
       Durch gelegentliche Gespräche wächst das Bedürfnis, über die Abendmahls­
       praxis in der Gemeinde nachzudenken.

     • Über die Diakoniestation hört die Kirchengemeinde von der schwierigen Lage
       der Angehörigen demenziell Erkrankter. Eine Gruppe von Ehrenamtlichen
       entlastet die Angehörigen durch regelmäßige häusliche Besuche.
       Die Stationsleitung begleitet die Arbeit dieser Gruppe, hilft bei fachlichen
       Fragen und sorgt für einen zuverlässigen Austausch zwischen Diakonie-
       station und Ehrenamtlichen.

     • Bei einem Gespräch im Kreis dieser Ehrenamtlichen entsteht die Idee, die
       Situation der Angehörigen auch im Rahmen eines Gottesdienstes zu themati-
       sieren. Zu diesem Gottesdienst kommen auch Menschen, die bisher keinen
       Kontakt zur Gemeinde hatten. Einige erklären sich spontan bereit, im Rah-
       men des ehrenamtlichen Besuchsdienstes mitzuarbeiten.

     • Einer dieser neuen Ehrenamtlichen kann aus seinen beruflichen Kenntnissen
       als Psycho­loge in der Wirtschaft wichtige Anregungen für die Arbeit dieser
       Gruppe und anderer Kreise in der Gemeinde einbringen.
Gemeinde und Diakonie   Erleben – verstehen – gestalten   35

Sicher verlaufen Entwicklungen im konkreten Gemeindealltag selten so glatt und
linear wie hier beschrieben. Kirchengemeinden stehen heute oft vor vielfältigen
Herausforderungen und haben – wenn überhaupt – nur in begrenztem Umfang
zusätzliche Ressourcen, um eine neue diakonische Arbeit aufzubauen, auszuge-
stalten und zu begleiten. Hier muss man sich auf einzelne Schritte und Aktivi-
täten konzentrieren.

Deutlich wird aber auch: Die Wahrnehmung des diakonischen Auftrags in der
Kirchen­gemeinde kann viele Anregungen und Anfragen aus dem Gemeindealltag
erfahren – sie müssen allerdings als solche beachtet und ernst genommen
werden. Aus solchen Anstößen entstehen neue Ideen und Projekte, die wiede-
rum in den Gemeindealltag zurückwirken. Vor allem aber strahlen sie über den
Raum der Kirchengemeinde hinaus in das Stadtviertel.

Und: Dabei kommt das Umfeld der Kirchengemeinde mit seinen Einrichtungen,
die da tätig sind (in unserem Beispiel etwa die Diakoniestation) in den Blick. Aus
einem einzelnen Kontakt kann sich also eine neue Form diakonischer Arbeit in
der Gemeinde entwickeln. Damit das gelingt, ist die gute Zusammenarbeit
zwischen der Diakoniestation und dem Kreis der Ehrenamtlichen entscheidend.
Durch neue Formen diakonischer Arbeit wiederum erschließen sich für die
Kirchengemeinde neue Zugänge zu Menschen, die sonst wahrscheinlich nicht
mit der Kirchengemeinde in Berührung gekommen wären.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, welche anderen Akteure es im Umfeld der
Kirchengemeinde gibt. Da sind zunächst die diakonischen Träger, das kreiskirch-
liche Diakonische Werk, die große benachbarte Einrichtung oder auch der
diakonische Verein. Möglicherweise sind es auch Einrichtungen der anderen
Wohlfahrtsverbände, etwa der Caritas oder der AWO oder sogar Vertretungen
anderer Religionsgemeinschaften, die im Quartier aktiv sind.

In jedem Fall sollte man erkunden, ob das Bedürfnis nach Zusammenarbeit
besteht. Mit anderen Akteuren in einer abgesprochenen und geregelten Weise zu
kooperieren, fördert und erleichtert (selbst im Scheitern noch) den eigenen
Entwicklungsprozess.
36    Gemeinde und Diakonie   Erleben – verstehen – gestalten

     Kirchengemeinden und Kooperationspartner

     Wer kommt vor Ort als möglicher Kooperationspartner für die Kirchengemeinde
     in Frage? Welche Menschen, Gruppen, Vereine, Organisationen verfolgen
     ähnliche Anliegen? Mit solchen Fragen beginnt ein Weg der Kooperation. Im
     Gespräch, im Erfahrungsaustausch und im gemeinsamen Überlegen liegt die
     Chance, mehr zu erkennen, als es der eigene Blickwinkel in der Regel zulässt.
     Man erhält neue Anregungen. Wichtig ist dabei, deutlich zu machen, welche
     eigenen Motive und Hoffnungen uns bewegen und aus welchen Quellen sie sich
     speisen. Auf dieser Basis kann es – vielleicht in ganz anderer Weise als vorher zu
     erwarten war – zu gemeinsamem Handeln kommen. Für die Gestaltung eines
     solchen Prozesses der Öffnung hat es sich bewährt, sich an der Abfolge von drei
     Schritten zu orientieren:

     • sehen: Hier geht es darum, wahrzunehmen, was Menschen in der Gemeinde
       und in ihrem Umfeld beschäftigt, welche Fragen, Probleme, Herausforde-
       rungen deutlich werden, welche Entwicklungen sich erkennen lassen. Dazu
       gehört auch die Frage, wo wir in der Gemeinde davon besonders berührt
       werden. Im Blick auf die eigene Situation gilt es dabei zu klären, über welche
       Möglichkeiten und Ressourcen wir in der Kirchengemeinde verfügen, welche
       potenziellen (kirchlichen, diakonischen oder anderen) Kooperationspartner zu
       finden sind, wer angesprochen und einbezogen werden sollte.

     • urteilen: In diesem zweiten Schritt geht es darum, die vorgefundene Situati-
       on einzuschätzen und zu beurteilen. Es soll geklärt werden, was gewollt und
       angestrebt wird, was davon in der Kirchengemeinde selbst getan werden
       kann oder ob man Hilfe und Unterstützung von kompetenteren Partnern
       mobilisieren muss. Es gilt auch zu klären, wie das, was man sich vornimmt, in
       Verbindung steht zum sonstigen Leben der Kirchengemeinde, ihren bishe-
       rigen Aktivitäten und ihrem geistlichen Profil. Zu einem solchen Klärungspro-
       zess gehört unbedingt die Vision, das gemeinsame Ziel genau zu beschrei-
       ben. Aus diesen Klärungen leiten sich schließlich die Erwartungen an Partner
       und mögliche Verbündete ab.

     • handeln: Im dritten Schritt steht die Projektplanung an. Handelt es sich um
       ein komplexes Projekt, ist es wichtig, es in einzelne, überschaubare und
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