Diakonie in der Gemeinde Handreichung für Presbyterien und Kirchenvorstände - Rheinland Westfalen Lippe
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Rheinland Westfalen Lippe Diakonie in der Gemeinde Handreichung für Presbyterien und Kirchenvorstände Orientierungs- hilfe www.diakonie-rwl.de
Inhalt 3 Inhalt Vorwort 4 Gestaltungsräume für Diakoniepresbyter 6 Wo kommen wir her? Biblische Leitbilder 16 Arbeitsfelder der Diakonie 24 Gemeinde und Diakonie: Erleben – verstehen – gestalten 26 Aussteigen oder Umsteigen Chancen für Gemeindediakonie und Ehrenamt 38 Mitglieder der Steuerungsgruppe 46 Autoren der Beiträge 50 Anhang 52 Literaturliste Diakoniegesetze in Auszügen: Rheinland – Westfalen – Lippe 55 Gemeindediakonie und Ehrenamt im Internet 66 Impressum 68
4 Vorwort Vorwort Liebe Presbyterinnen und Presbyter, liebe Kirchenvorstände, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Ehrenamt im Leitungsgremium Ihrer Kirchengemeinde. Sie wollen sich besonders für die Belange der Diakonie Ihrer Gemeinde einsetzen. Dem Namen nach wird diese Aufgabe in unseren drei Landeskirchen zwar unterschiedlich benannt: als Diakoniepresbyterin, als Diakoniekirchmeister oder als Mitglied im Diakonieausschuss der Kirchenge- meinde. In der Sache aber handelt es sich um denselben elementaren Auftrag der Kirche in der Welt, den Sie wahrnehmen. Der Diakonie eine Struktur und eine Regelmäßigkeit zu geben und Verantwort- liche zu beauftragen, damit die Betroffenen eine verlässliche und nachhaltige Begleitung und Unterstützung erhalten, das war die erste Ordnung, die sich die junge Christengemeinde in Jerusalem gegeben hat (Apostelgeschichte 6). Wohin immer sich christliche Gemeinden ausgebreitet haben – stets gehörte eine gut geordnete Diakonie dazu. So erzählt die Apostelgeschichte (Kapitel 9) auch von Jüngerin Tabita und ihrem diakonischen Engagement in der Stadt Joppe. Die Art und Weise, wie wir heute Diakonie gestalten – ob in der Gemeinde oder in den freien Werken oder im Zusammenspiel von beidem –, das alles hat sich seit Tabitas Zeiten vielfach verändert. Anliegen und Motivation von Tabita prägen aber bis heute auch unser Engagement für die Menschen in unserem Gemeinwe- sen. Deshalb wird uns Tabita durch diese kleine Broschüre begleiten. Wir haben ihr Kommentare von Frauen und Männern in den Mund gelegt, die heute in der Gemeinde diakonische Verantwortung tragen. So kommentiert Tabita die Über- legungen der Autoren zu den Herausforderungen von Gemeindediakonie im 21. Jahrhundert. Wir möchten Sie einladen, auf dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen, Ihrer Fragen und Ihrer Ideen die kurzen Texte, die wir zusammengestellt haben, zu lesen und Ihrerseits zu kommentieren: Was fällt mir auf, was verstehe ich nicht, wozu inspiriert mich das? Besonders die Checkliste »Gestaltungsräume in eine Kirchengemeinde« regen zu einer eigenen Bearbeitung an. Das kann man auch einmal gemeinsam tun, etwa im Diakonieausschuss. Denn das gehört ja wesent- lich zu einer verantwortlichen gemeindediakonischen Arbeit: Dass wir uns
Vorwort 5 Rechenschaft geben und uns verständigen, was wir wollen – hier, ganz konkret an diesem Ort, für die Menschen, mit denen wir zusammen leben. Auch wenn wir viele nicht so oft in unseren Gottesdiensten sehen, sie sind Schwestern und Brüder, mit denen wir das Leben teilen. Diese kleine Handreichung ist ein Baustein zur Unterstützung der Gemeinde diakonie, die wir als Landesverband leisten wollen und können. Dazu kommen die Informationsveranstaltungen für neue Diakoniepresbyterinnen und -presbyter oder Mitglieder in Diakonieausschüssen, die in vielen Kirchenkreisen der Landes- kirchen in Zusammenarbeit mit den kreiskirchlichen bzw. regionalenDiakonischen Werken durchgeführt werden. Ich möchte an dieser Stelle sehr herzlich danken einem Kreis von erfahrenen Diakonie-Praktikern aus den Kirchenkreisen, die wir um Mitarbeit gebeten hatten, diese genannten Bausteine mit uns zu entwickeln. Danke für die konzeptionellen Impulse, die kreativen Ideen wie für die konkrete redaktionelle Mitarbeit, ohne die diese Handreichung nicht entstanden wäre. Alle, die mitgedacht und schon bei der Broschüre mitgemacht haben, haben sich auch bereit erklärt, vor Ort, in den Regionen für Ihre Rückfragen unterstützend zur Verfügung zu stehen. Die Namen finden Sie ab Seite 46 der Handreichung. »Die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk« So hat die Barmer Theologische Erklärung unseren Auftrag als Kirche bleibend festgehalten. Mit Ihrem Dienst in der Diakonie Ihrer Gemeinde nehmen Sie teil an diesem Auftrag. In Ihrem Tun wird die freie Gnade Gottes »begreifbar« für alle Menschen. Mit unserer Handreichung möchten wir Ihnen Mut machen zu Ihrem Dienst, wir möchten Sie unterstützen in allen Fragen, wie sich die Arbeit an Ihrem Ort gut gestalten und auch weiterentwickeln lässt. Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, kommen Sie gerne auf uns zu. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind ja benannt. Wir wünschen Ihnen Gottes Segen bei Ihrem Tun. Volker König Leiter der Stabsstelle Diakonisches Profil und Kommunikation der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.
6 Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter Fragebogen Gestaltungsräume für die Diakonie in der Gemeinde Möglichkeiten und Herausforderungen für die Aufgaben und die Rolle eines Diakoniepresbyters Heinz Frantzmann, Barbara Montag Wie bereits im Vorwort deutlich wurde, sind die Ordnungen im Hinblick auf die Ämter und Funktionen in den Kirchengemeinden in den drei Landeskirchen teilweise unterschiedlich. Das schlägt sich auch in den Begrifflichkeiten nieder. Der Einfachheit halber werden wir in dieser Checkliste von Diakoniepresbyte- rinnen oder Diakoniepresbytern sprechen. A. Leitsätze Presbyterien und Kirchenvorstände sind die Leitungsorgane einer Kirchen gemeinde. Hier werden gemeinsam die Leitvorstellungen für die Arbeit der Gemeinde entwickelt und Leitbilder formuliert, an denen sich die Arbeit in den Ausschüssen, etwa dem Diakonieausschuss, orientieren. Viele Gemeinden haben solche Leitbilder erarbeitet, teils in umfangreicheren Prozessen unter Einbeziehung von Gemeindegliedern. Die Checkliste, die wir im Folgenden vorstellen, orientiert sich an folgenden Leitsätzen über die Diakonische Arbeit einer Gemeinde: • Die diakonische Arbeit in einer Kirchengemeinde ist als Visitenkarte einer lebendigen Gemeinde zu gestalten und zu entwickeln. • Die diakonische Kirchengemeinde braucht als Mitwirkende/als Mitgestal- tende sowohl Hauptamtliche als auch Ehrenamtliche, die es zu gewinnen und zu fördern gilt. • Die diakonische Kirchengemeinde greift sozial-diakonische Herausforde- rungen vor Ort auf und entwickelt nach ihren Möglichkeiten entsprechende Initiativen. • Die diakonische Kirchengemeinde versteht sich als Anwältin sozial Schwacher und politisch Verfolgter.
Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter Fragebogen 7 B. Bestandsaufnahme – Anregungen für die Weiterarbeit Die Checkliste versteht sich als Impulsgeberin, um einige eigene Schwerpunkte in der ehrenamtlichen Arbeit zu setzen. Die aufgeführten Angebote haben somit nicht den Anspruch der Vollständigkeit, sondern der Anregung. Entwickeln Sie dabei Ihre eigenen Schwerpunkte. a. Inhaltliche Möglichkeiten Wo ist meine Gemeinde diakonisch aktiv? Kindertagesstätte, Altenarbeit, Behindertenarbeit, Kinder- und Jugendhilfe, Selbsthilfe, Besuchsdienste... ................................................................................................................................ ................................................................................................................................ Gibt es bereits eine Bestandsaufnahme? ja nein ist mir nicht bekannt Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Liegt eine Gemeindekonzeption vor, in der diakonisches Handeln verortet ist? ja nein ist mir nicht bekannt Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................
8 Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter Fragebogen Wer ist vor Ort für was zuständig? Gibt es klar benannte Ansprechpartner? Kennen Sie diese persönlich? ja nein ist mir nicht bekannt Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Wie wirken die diakonischen Aktivitäten vor Ort auf Sie? Persönliche Einschätzung und Bewertung (»Hubschrauberblick«) überschaubar klar strukturiert übersichtlich keine Struktur Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Wie ist die Arbeit verteilt? Hauptamt/Ehrenamt ist mir bekannt habe keine Kenntnis dazu Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Besteht darüber hinaus weiterer Bedarf? Haben sich die Bedarfe verändert? ja nein Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................
Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter Fragebogen 9 Kommt das Diakonische in Ihrem Gemeindebrief und in der Öffentlichkeitsarbeit vor? ja nein Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Sehen Sie die Notwendigkeit für neue Initiativen und Projekte? dazu habe einen einen Überblick dazu habe ich keinen Überblick Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Feiern Sie Diakoniegottesdienste? ja nein Wird der Diakoniesonntag besonders gestaltet? ja nein wie... ................................................................................................................................ ................................................................................................................................ ................................................................................................................................
10 Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter Fragebogen b. Finanzielle Möglichkeiten Wie viel steht Ihnen in der Diakoniekasse zur Verfügung? ist mir bekannt ist mir nicht bekannt Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Welche Sammlungen werden wann und wo durchgeführt? ist mir bekannt ist mir nicht bekannt Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Besteht darüber hinaus Finanzbedarf – gibt es Sponsoring/Fundraising? ja nein Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Welchen Stellenwert hat die Diakoniekollekte im Gottesdienst? Gibt es Erläuterungen dazu? ist mir bekannt ist mir nicht bekannt Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................
Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter Fragebogen 11 Gibt es Kriterien zur Verteilung der Diakoniegelder? ist mir bekannt ist mir nicht bekannt Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Wie lassen sich Sponsoren finden? Dazu habe ich eine Idee Dazu habe ich keine Idee Informationen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ c. Vernetzungs-Möglichkeiten Die Kirchengemeinde versteht sich als Teil der Bürgergemeinde. Wie kann Diakonie als Türöffnerin in den Stadtteil wirken (Gemeinwesendiakonie)? durch persönliche Kontakte durch politische Kontakte durch fachliche Kontakte durch fachübergreifende Projekte... ................................................................................................................................ ................................................................................................................................ ................................................................................................................................
12 Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter Fragebogen Wie kann ich mich in die Netzwerkarbeit des Stadtteils einbringen? Ich habe bereits Kontakte und Ideen Ich brauche Impulse und Unterstützung Anregungen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Wie lässt sich die gemeindliche, kreiskirchliche und unternehmerische Diakonie sinnvoll vor Ort vernetzen – als Gewinn für alle? Ich habe dazu konrekte Vorstellungen und Vorschläge Ich brauche Impulse Anregungen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Wie lassen sich Bündnispartner finden, neue Ansprechpartner suchen – etwa in Bildungseinrichtungen, Kommunalpolitik, Selbsthilfegruppen? Ich habe dazu konrekte Vorstellungen und Vorschläge Ich brauche Impulse Anregungen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................ Wie lassen sich gewinnbringend Diskussionen und Mitmachaktionen gestalten – welche Themen stehen an? Die Themen sind mir bekannt Die Themen sind mir nicht bekannt Anregungen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................
Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter Fragebogen 13 Wie lässt sich die ökumenische Zusammenarbeit stärken? Ich habe dazu konrekte Vorstellungen und Ideen Ich habe dazu keine Vorstellungen und Ideen Anregungen bekomme ich bei/über... ................................................................................................................................
14 Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter Fragebogen C. Verantwortung und Gestaltung der Diakonischen Arbeit in der Gemeinde Dem Presbyterium oder dem Kirchenvorstand obliegt die Gesamtverantwortung für den diakonischen Auftrag der Gemeinde, sowohl was die Konzeption als auch was die praktische Gestaltung der Arbeit und den Einsatz von Finanzmit- teln für diakonische Zwecke betrifft. Im Auftrag von Presbyterium oder Kirchenvorstand arbeiten Diakoniepres byterinnen und -presbyter oder Ausschüsse an der praktischen Umsetzung der diakonischen Arbeit, gemeinsam mit Pfarrerinnen und Pfarrern oder haupt- amtlich Mitarbeitenden der Gemeinde. In der Regel ordnen Satzungen diese Beauftragung hinsichtlich der Möglichkeiten wie auch der Grenzen (etwa im Bereich auf Personal- oder Budgetverantwortung). Im Einzelnen können folgende Verantwortungsbereiche beschrieben werden: • Erarbeitung von konzeptionellen, methodischen und finanziellen Grundlagen für die konkrete Arbeit sowie die Fortschreibung solcher Grundlagen; • die Beratung und Hilfe gegenüber Einzelpersonen und Gruppen in Zusammenarbeit mit Pfarrerinnen und Pfarrern, hauptamtlich Mitarbeitenden oder diakonischen oder kommunalen Beratungsdiensten; • die Verwaltung des Diakonievermögens; • die Einbeziehung der diakonischen Arbeit in das gottesdienstliche Leben und in die verschiedenen Gruppen und Kreise der Gemeinde.
Gestaltungsräume für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter Fragebogen 15 Daraus ergeben sich für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter mögliche Aufgaben: • Eine regelmäßige Berichterstattung im Presbyterium zu diakonischen Themen/Belangen/aktuellen Herausforderungen. • Die Einreichung von Anträgen an das Presbyterium zur diakonischen Arbeit der Gemeinde in Grundfragen oder im Konkreten. • Ein konstruktives und kollegiales Zusammenwirken und Mitgestalten mit den Pfarrerinnen und Pfarrern, den hauptamtlich Mitarbeitenden der Gemeinde sowie den anderen Ausschüssen des Presbyteriums oder Kirchenvorstands. • Die Anregung zur Durchführung bzw. die Mitwirkung bei der Durchführung von Diakoniesonntagen oder Diakoniegottesdiensten in der Gemeinde. • Die Verwaltung von Diakoniemitteln im Rahmen der von der Satzung vorgesehenen Spielräume. • Die Beratung über Diakoniesammlungen der Gemeinde. • Die Gestaltung bzw. der Aus-/Aufbau einer verlässlichen Netzwerkstruktur mit anderen Gemeinden (etwa in ökumenischen Bezügen), mit anderen diakonischen Einrichtungen (etwa Beratungsdiensten kreiskirchlicher Diakonischer Werke oder freier diakonischer Träger) oder anderen Akteuren im Gemeinwesen (etwa städtischen Sozialdienste oder Vereine). • Die Mitarbeit in den übergemeindlichen diakonischen Gremien als Vertretung der Kirchengemeinde. • Eine systematische, kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit über die diakonische Arbeit der Gemeinde, etwa durch Hinweise und Berichte im Gemeindebrief oder in der Lokalpresse. • Der Austausch über Erfahrungen von Diakoniepresbyterinnen und Der Austausch über Erfahrungen von Diakoniepresbyterinnen und –presbytern -presbytern anderer Gemeinden (etwa im Kirchenkreis-Diakonieausschuss) anderer Gemeinden (etwa im Kirchenkreis-Diakonieausschuss) oder in anderen oder in der Regionen anderen Regionen(etwa Landeskirche der Landeskirche (etwa Fortbildungsveranstaltun Fortbildungsveranstaltungen für Diakonie- gen für Diakoniepresbyterinnen und -presbyter in der Diakonie Rheinland- presbyterinnen und –presbyter in der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe). Westfalen-Lippe).
16 Wo kommen wir her? Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft Wo kommen wir her? Biblische Leitbilder von Diakonie und Gemeinwesen Viola Kennert Die Stadt – das ist das enge Zusammenleben. Dort ist Unruhe und das Böse hat eine Chance. Die Menschen können sich – vor Gott und voreinander – verstecken und andere werden vergessen, gehen unter. Biblische Städte fallen mir ein: Sodom und Gomorra, Babel und Ninive. Nach Ninive wird Jona von Gott geschickt, um die Menschen der Stadt zur Umkehr zu bewegen. Die Stadt – das ist biblisch der Ort, an den Gott geht, wo Gott zu den Menschen hingeht – bzw. jemanden hinschickt. Mitten hinein zu den Menschen schickt Gott Jona nach Ninive. Zwei Engel kommen nach Sodom. Und auch diese wunderbare Bild hat in der Bibel seinen Platz: Die Weisheit geht durch die Straßen. Sie geht und predigt und wirbt. Die Weisheit wandert, läuft durch die Stadt. Sie ist seit der Schöpfung die Partnerin Gottes und sie ist mitten in der Stadt, unterwegs. Das sind Bilder von Hektik, Betriebsamkeit, Verlorenheit und von Gottes Gegen- wart mittendrin. Andererseits: Viele Heilungsgeschichten finden am Rande der Stadt statt. Auch die große Bergpredigt findet abseits statt. Am Rande, außerhalb steht die einzelne, die heilende, rettende Beziehung im Mittelpunkt. Wie ein Ausschnitt, der vergrößert wird, der herangezoomt« wird. Heilendes Handeln – mitten in der Stadt – und am Rande.
Wo kommen wir her? Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft 17 Welche Bilder bewegen uns, wenn wir über diakonisches Engagement nachdenken? Was treibt uns theologisch (an)? Es sind einerseits die Bilder und andererseits die Erzählungen, die aufgeschrie- bene Botschaft, die in diesen Bildern steckt. Die heilige Schrift also – und die Suche nach einer tiefen, existenziellen Erfahrung, die uns bewegt zu den anderen hin. Uns treibt die Sehnsucht nach Heil und Frieden. Gemeinwesen – Stadt – Diakonie Auf der Suche nach biblischen Leitbildern möchte ich folgenden Weg gehen: An fünf Merkmalen von diakonischem Handeln möchte ich an biblische Bilder erinnern, die Sie inspirieren können, und – so hoffe ich – Ihnen Anstöße geben, Ihre eigenen theologischen Begründungen für das diakonische Handeln der Kirche in der Stadt weiter zu denken. 1. Diakonie ist Mahnung Gott schafft denen Recht, die Unrecht leiden. Gott speist die Hungrigen. (Psalm 146) Maria singt vor der Geburt Jesu und nimmt das Lied der Prophetin Hanna auf: Gewaltige stürzen vom Thron. Hungrige füllt er mit Gütern und Reiche lässt er leer ausgehen. (Lukas 1, 46-55 und 1. Samuel 2) Propheten und Prophetinnen kritisieren die Ausbeutung, die Ungerechtigkeit, Diskriminierung. (z. B. Amos, Hosea) Die Heilungen Jesu haben die Re-Integration der Geheilten zum Ziel. (z. B. Markus 2, 1-12).
18 Wo kommen wir her? Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft Man kann es auch so sagen: Die Heilungen qualifizieren das neue Gemeinwesen als Integration aller (Inklusion). Die sozialen Unterschiede werden aufgehoben. (z. B. Lukas 8 und Lukas 15). Die Blickwendung der Christenheit auf die Unterdrückten meint demzufolge auch immer Kritik an den politischen Verhältnissen. Bei der Frage nach dem Leid der Menschen ist immer zu unterscheiden zwischen dem Leid, das zu tragen ist (Tod, Krankheit) und dem Leid, das durch gesellschaftliche Struktur bedingt ist. 2. Diakonie ist Barmherzigkeit Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter spielt sich auf dem Weg zwischen zwei Städten ab. In diesem Gleichnis geschieht eine Zuwendung, in der der Erbarmende seinen Weg unterbricht und Initiative ergreift (Lukas 10, 25-36). Syrische Gemeindeordnung aus dem 5. Jahrhundert: Wenn der Diakon in einer Stadt tätig ist, die am Meer liegt, so soll er sorgsam das Ufer absuchen, ob nicht eine Leiche eines Schiffbrüchigen angeschwemmt worden ist. Er soll sie bekleiden und bestatten. In der Unterkunft der Fremden soll er sich erkundigen, ob es dort nicht Kranke, Arme oder Verstorbene gibt, und er wird es der Gemeinde mitteilen, dass sie für jeden tut, was nötig ist.
Wo kommen wir her? Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft 19 Die zehn Aussätzigen wohnen, leben außerhalb der Stadt. Sie rufen Jesus und er heilt sie. Alle werden geheilt, einer kehrt um, um zu danken (Lukas 17, 11-19). Über das Wesen von Erbarmung lernt man hier: Erbarmen fragt nicht nach der Ursache des Leides – Überfall oder Krankheit. Erbarmen macht aus dem Leidenden ein Gegenüber – Barmherzigkeit schließt Herablassung aus. Erbarmen fragt nicht nach Dank und Bekehrungserfolgen. Erbarmen ist die Fähigkeit mit anderen zu leiden, und ist die Erkenntnis, der eigenen Fähigkeit zu helfen. Kleines Fazit: Erbarmen ist eine persönliche Regung, die vor dem Egoismus bewahrt. Erbarmen bewahrt auch eine Gemeinde und die Kirche vor Egoismus! 3. Diakonie markiert die Schwelle zwischen »innen« und »außen« Oder: Diakonie ist die Tür, die Schwelle zur Gemeinde: Über die Diakonie kommen Menschen zur Gemeinde. Die erste Gemeinde, von der wir einen ausführlichen Bericht haben, ist die in Jerusalem. (Apostelgeschichte, hier besonders Kapitel 2, 4 und 6) Mitten in der turbulenten Stadt Jerusalem sammelt sich die Gemeinde nach dem Pfingstfest und dem darin begründeten Neuanfang nach Ostern: Sie versammeln sich, brechen das Brot, loben und beten, teilen, was sie haben und sorgen füreinander. Und sie schaffen sich sehr bald eine Struktur der Aufgabenverteilung in der sie Menschen aus ihrer Mitte aussuchen, die sich um die Armen und Witwen kümmern. (Apostelgeschichte 6) Diese Gemeinde ist attraktiv. Es kommen immer mehr dazu. Die Attraktivität ist die neue Sozialität, die anders ist als die Stadt, die aber in der Stadt stattfindet. Diese Gemeinde hat eine diakonische Ausstrahlung.
20 Wo kommen wir her? Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft Jesus sandte die Seinen aus, zu predigen und Kranke zu heilen. Und er sandte sie in die Städte und Dörfer. Das ist die Kernbestimmung des Auftrages Jesu. (Lukas 9, 1-6) Mit dieser »missionarischen Methode« – Predigt und Heilung der Kranken – wird der urbane Raum durchdrungen, ohne Besitzanspruch zu erheben. Die Attraktivität der Jesusbewegung ist, dass die Jünger und Jüngerinnen etwas wollen. Sie fragen nicht: Was bringt es? Sie sagen einander: Was bewegt uns? Das ist die Fragestellung, die die eigene Motivation klärt und unabhängig und frei macht. Oder anders zusammengefasst: An der Schwelle zwischen »in der Gemeinde« und »nicht in der Gemeinde« – hier jetzt gemeint: die Diakonie – fragen die Menschen: Was bewegt euch? Die Antwort unterscheidet uns von anderen »Anbietern« 4. Diakonie ist gegenseitiger Dienst Wir brauchen in der Kirche eine Orientierung nach innen und nach außen. Christliche Gemeinde strahlt aus (ist attraktiv), wenn sie sich auch selbst als diakonische Gemeinde versteht. (Innenperspektive) Und: Christliche Gemeinde darf sich nicht aus dem Gemeinwesen zurückziehen. Sie muss offene Türen haben und wahrnehmen, was außerhalb geschieht. (Außenperspektive) Nur das Gleichgewicht von beidem ist biblisch und macht die Gemeinde attraktiv, interessant.
Wo kommen wir her? Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft 21 Das Gleichnis von den Werken der Barmherzigkeit (Matthäus 25, 31-46) beschreibt die Außenorientierung: Jesus spricht: »Was ihr getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir getan.« Im Fremden, Armen (Nackten), Kranken, Gefangenen, begegnen wir Jesus. Und wer den Notleidenden aus dem Weg geht, geht Jesus aus dem Weg. Im ersten Korintherbrief (1. Korinther 12) beschreibt Paulus die Gemeinde als einen Leib mit vielen Gliedern. Die Gemeinde ist in sich und für sich diakonisch: Jedes Glied hat seine eigene Dignität – nur im Geben und Nehmen erfüllt sich Gemeinde. Am Ende nennt Paulus Apostel, Lehrer, Wundertäter, Heiler und ermahnt, sich nicht zu verschließen. Und im anschließenden »Hohelied der Liebe (1. Korinther 13) eröffnet den weiten Raum hin zu allen Menschen: Die Liebe. Das heißt für mich: Die diakonisch wirkende Gemeinde in der Stadt, die im Gemeinwesen ihren Platz finden will, muss sich selbst – auch als Organisation! – immer mal wieder zum Thema machen. Es geht immer um beides: Gutes zu tun – nach außen hin und Gutes zu tun nach innen hin. Die Überprüfung des eigenen Wirkens bewahrt uns davor, dass sich fremde Kriterien einschleichen. 5. Diakonie ist der Dienst der Gemeinde in der Stadt und in der Welt Die vielfach beschriebene biblischen Geschichte von der »Speisung der 5 000« (z. B. Markus 6, 30-44) beschreibt wie in einer Zeitlupe einen diakonischen Rhythmus: Zuerst sollen sich die erschöpften Aktiven zurückziehen. Sie brauchen Ruhe. Dann folgt die Predigt Jesu für die Menschen. Nach der Predigt nehmen Jesus und die Seinen ernst uns wahr, dass die Menschen Hunger haben.
22 Wo kommen wir her? Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft Die Jünger machen einen pragmatischen Vorschlag: Schicke sie zurück in die Dörfer und Städte, dort können sie sich etwas zum Essen kaufen. Jesus reagiert, in dem er den Aktionismus bremst: Seht, was da ist. Und dann: Setzt euch in Gruppen zusammen. Teilt aus, was da ist. Und es reicht. Zuerst die Wahrnehmung, dann die Konzentration auf Vorhandenes, und dann die Selbstorganisation in Gang setzen. Das sind bedachte, ruhige, aufeinander- folgende Schritte. Die Gemeinde (Jünger und Jüngerinnen) handelt besonnen und achtet, das was da ist: Menschen, die auf Teilen ansprechbar sind, weil sie miteinander leben wollen. Das wird verstärkt und von Christus gesegnet. Dieses findet auch alles außerhalb der Stadt statt. Außerhalb ist es leichter, die eigene Identität, den eigenen Weg zu finden. Innerhalb ist man immer schon festgelegt. Diakonie ist auf der Schwelle. Diakonie ist die Gemeinde, die unterwegs ist und Kompromisse findet, zwischen denen, die außerhalb sind und denen die innen sind. Diakonie – das ist die diakonische Gemeinde, die in die Stadt gesandt ist. Zum Schluss: Diakonie ist • Mahnung • Barmherzigkeit • Existenz auf der Schwelle • Gegenseitiger Dienst • Gesandte Gemeinde Diakonie kann und soll, im Gemeinwesen, in der Stadt die Liebe Gottes bezeugen. Diakonie ist berufen zu handeln und dabei den einzelnen wahr nehmen, das gesellschaftliche System (kritisch) wahrnehmen und auch die eigene Organisation, Struktur (kritisch) wahrnehmen.
Wo kommen wir her? Biblische Leitbilder von Stadt und Gemeinschaft 23 An den Schluss möchte ich die Vision aus der Offenbarung des Johannes stellen: Die neue Stadt Jerusalem, das wird ein neuer Himmel und neue Erde sein. Gott wird abwischen alle Tränen. Kein Tod, kein Leid, kein Schmerz wird mehr sein. (Offenbarung 21, 1-7) Das ist die Vision, die uns bewegt. Dazu ein Jesuswort: Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene (Markus 10,45): Unser Dienst steht im Zusammenhang mit dieser Vision aus der Offenbarung. Sie motiviert uns. Diakonie ist unterwegs sein zu den Menschen. Unterwegs sein eine Form von Hingabe. Hingabe ist Loslassen und hineinbegeben. Diakonischer Dienst hilft den Menschen und hält sie nicht fest.
24 Gemeinde und Diakonie Arbeitsfelder der Diakonie Arbeitsfelder der Diakonie
Gemeinde und Diakonie Arbeitsfelder der Diakonie 25
26 Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten Hans W. Höroldt Wie können wir den diakonischen Auftrag heute oder morgen wahrnehmen und umsetzen, in der Gemeinde oder im Pfarrbezirk, und mit wem können wir uns dabei gemeinsam auf den Weg machen? Um diese Fragen beantworten zu können, braucht es zunächst ein vertieftes Verständnis dessen, was diesen diakonischen Auftrag und seine Umsetzung heute ausmacht. Wenn in einer Kirchengemeinde von Diakonie die Rede ist, dann denkt man oft zuerst an das kreiskirchliche Diakonische Werk oder eine große diakonische Einrichtung in der Nachbarschaft, aber nicht an die eigene Gemeinde. Dabei wird leicht übersehen, dass die Kirchengemeinde als Organisation meist selber ein Träger diakonischer Aufgaben ist, etwa im Kindergarten oder im Besuchs- dienstkreis. Glaubwürdig Kirche zu sein bedeutet, für die Schwächsten da zu sein. Das bleibt die wichtigste Aufgabe. Zudem steht die Kirchengemeinde als Teil der Kirche insgesamt unter dem diakonischen Auftrag der Bibel. Dies spiegelt sich auch in der Kirchenordnung wider: Das Presbyterium (oder der Kirchenvorstand) als Leitungsorgan der Kirchengemeinde hat neben vielen anderen Aufgaben auch darauf zu achten, dass der »Auftrag zur Diakonie« erfüllt wird. Es delegiert diese Aufgabe oft an eine Einzelperson (Diakoniepresbyterin oder Diakoniepresbyter, teilweise auch Diakoniekirchmeister) und soll
Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten 27 einen entsprechenden Ausschuss des Presbyteriums (»Diakonieausschuss«) einrichten. Aber auch wenn auf der formellen Ebene die Wahrnehmung dieses Auftrags anscheinend klar geregelt ist, wird es im Alltag oft anders empfunden. Diakonie erscheint als eine Aufgabe, die eigentlich besser von anderen (etwa diakonischen oder kommunalen Einrichtungen) wahrgenommen wird. Diakonie erscheint als eine Aufgabe, die bestenfalls am Rande der Gemeindearbeit vorkommt. Diese Sicht ist kein Zufall; es gibt vielfältige Gründe, die dazu geführt haben. In der Beschreibung von Diakonie unterscheidet man zwischen der »Basis- oder Gemeindediakonie«, einer Praxis des Helfens, die ohne große eigene verfestigte Organisation zumeist durch Ehrenamtliche geleistet wird und der »Einrichtungs- diakonie oder unternehmerischen Diakonie«, die mittels kleinerer oder größerer Organisationen dauerhaft und vertraglich geregelt im staatlich geregelten System der öffentlichen Wohlfahrt mitwirkt. Hierzu zählen sowohl die großen diakoni schen Träger, die oft als Vereine neben der Kirche entstanden sind, wie auch die Diakonischen Werke auf der mittleren kirchlichen Handlungsebene (Kirchenkreis oder Dekanat) und die landeskirchlichen Diakonischen Werke. Daneben ist die weltweite Diakonie zu nennen; hierzu zählen große Organisationen wie »Brot für die Welt« oder die »Diakonie Katastrophenhilfe« der ebenso wie die Partner- schaftsinitiative der Kirchengemeinde mit einer Kirche oder Gemeinde auf einem anderen Kontinent. Schließlich ist noch die anwaltliche oder Unterstützung durch Fachdienste im Kirchenkreis sozialpolitische oder Arbeitsteilung im ökumenischen Umfeld – Diakonie zu nennen. Hier bringt sich die das gehört auf meine Wunschliste zur Zukunft Diakonie aktiv in die der diakonischen Gemeindearbeit. politische Diskussion ein und vertritt die Anliegen und Interessen der bedürftigen und benachteiligten Menschen. Wir behaupten nun: Gerade in der bewussten Wahrnehmung des diakonischen Auftrags durch die Kirchengemeinden, gerade in der Überwindung des oft beziehungslosen Nebeneinanders von Kirchengemeinden und Einrichtungs
28 Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten diakonie und in der geordneten Zusammenarbeit beider liegen vielfältige Ent- wicklungschancen, und zwar sowohl für die Kirchengemeinden als auch für die diakonischen Einrichtungen. Zunächst einmal soll der sachliche Hintergrund der Herausbildung zweier unterschiedlicher diakonischer Kulturen beschrieben und nach der Berechtigung dieser Unterschiede gefragt werden. Im zweiten und dritten Schritt werden dann das »Warum« und das »Wie« der gemeinsamen Wahrnehmung des diakonischen Auftrags diskutiert. Das Hauptaugenmerk richtet sich auf die Beantwortung der Frage, wie ein stärkeres Miteinander von Kirchengemeinde und Einrichtungen der Diakonie gefördert werden kann. Die Perspektive, aus der diese Fragen gestellt und beantwortet werden, ist die der Kirchengemeinden. Auf die Konsequenzen, die diakonische Einrichtungen aus einer intensivierten Zusammenarbeit mit der Gemeindediakonie ziehen oder ziehen müssten, kann hier nur am Rande ein gegangen werden. Kirchengemeinde und diakonische Einrichtungen – zwei verschiedene Formen von Kirche In vielen Gesprächen in Kirchengemeinden kommt immer wieder – oft mit einem Unterton des Bedauerns, manchmal auch des Vorwurfs – die Vorstellung zur Sprache, dass die Diakonie aus der Kirchengemeinde ausgewandert sei. Spätestens seit die letzte Gemeindeschwester in die Sozialstation gewechselt ist, sei Diakonie in der Kirchengemeinde nicht mehr erkennbar. Diese Fest stellung wird häufig verbunden mit einer Klage: Die Diakonie sei immer stärker wirtschaftlich und professionell ausgerichtet und habe sich damit mehr und mehr von ihrem eigentlichen Auftrag entfernt. Gelegentlich folgt dann noch der Hinweis, dass ja die diakonischen Einrichtungen im Wesentlichen nicht durch kirchliche Finanzmittel gefördert sind, verbunden mit der rhetorischen Frage, ob sie denn tatsächlich noch kirchlich seien. Solche Vorstellungen sind nach unserer Erfahrung weitverbreitet; und schon deshalb müssen sie ernst genommen werden. Eine solche Sichtweise übersieht allerdings die vielfältigen diakonischen Tätig- keiten, die es neben der Arbeit der Gemeindeschwester in der Gemeinde gab
Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten 29 und heute noch gibt. Die sollte man aber nicht unterschätzen. Es geschieht vielfältig Diakonie auf Gemeindeebene – auch Aktivitäten wie die Arbeit eines Besuchsdienstkreises oder auch die Tageseinrichtung für Kinder sind – wie schon gesagt – dazuzuzählen. Solche Aktivitäten werden teilweise einem anderen Bereich der Kirchengemeinde zugeordnet und vielleicht noch mit einem diakonischen Akzent versehen. Andernorts werden sie aber aus einem ausge- prägten diakonischen Selbstverständnis betrieben. Welche Frage sich die oben skizzierte Kritik gar nicht stellt, ist: Existieren nicht vernünftige Gründe für die Professionalisierung diakonischer Leistungen? Angesichts der wachsenden Anforderungen etwa in den pflegerischen Berufen braucht es eine Bündelung von Kräften (etwa im Rahmen von Sozialstationen), um Menschen eine fachlich qualifizierte und gesicherte Versorgung und Unter- stützung in allen Lebenslagen rund um die Uhr zu gewährleisten. Dies war in den Formen klassischer Gemeindediakonie spätestens seit der Einführung der Pflegeversicherung nicht mehr möglich. Und warum soll eigentlich Wirtschaftlichkeit die diakonische Qualität und den Gemeindebezug einer diakonischen Einrichtung negativ beeinflussen? Wirt- schaftlichkeit dient, so lange sie nicht zur sich selbst genügenden und alles dominierenden Handlungslogik wird, dem verantwortungsvollen Umgang mit begrenzten Mitteln. Und warum soll die Herkunft der finanziellen Mittel über die diakonische Qualität entscheiden und nicht vielmehr die Haltung der Mitarbeiten den gegenüber den Menschen, für die sie sich engagieren? Vor allem aber übersieht eine solche Einstellung, dass diakonische Einrichtungen in der Wahr- nehmung des Auftrags des Evangeliums viele wichtige neue Formen diakoni- scher Arbeit geschaffen haben, die es vorher so in den Kirchengemeinden nicht gegeben hat und nicht geben konnte. Hier ist etwas Eigenständiges und Neues entstanden – Diakonie als eine kirch- liche Zweitstruktur neben den Kirchengemeinden und den anderen Ebenen der verfassten Kirche. Das ist ein Ergebnis des gesellschaftlichen Prozesses der Ausdifferenzierung, Spezialisierung und Professionalisierung des Helfens, der sich in den letzten Jahrzehnten weiter vollzogen hat. Diese Ausdifferenzierung hat zu einer erheblichen Ausweitung der Unterstützungsmöglichkeiten und -formen geführt, für die man dankbar sein muss. Mit der Ausweitung der Unter-
30 Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten stützungsmöglichkeiten und -formen differenzieren sich auch die diakonischen Einrichtungen und Angebote aus. In einer immer komplexer werdenden Gesell- schaft kann so das kirchlich-diakonische Anliegen intelligent und angemessen eingebracht werden. Die Professionalisierung und die Ausdifferenzierung der diakonischen Einrich- tungen und Angebote antwortet auf ganz einschneidende Entwicklungen: die medizinisch-technische Entwicklung, den Ausbau der sozialen Sicherung seit Mitte der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts, aber auch die Umstellungen auf marktförmige Strukturen im Bereich der sozialen und gesundheitlichen Sicherung in den letzten 20 Jahren. Diakonische Einrichtungen nehmen heute wesentliche Aufgaben im Bereich der sozialstaatlichen Hilfen wahr, agieren dabei in enger Absprache mit den Kostenträgern und Auftraggebern, sind (meist) entsprechend wirtschaftlich und fachlich durchstrukturiert und hoch qualifiziert. Das sind Ursachen dafür, dass diakonische Einrichtungen sich entsprechend einer eigenen Handlungslogik entwickeln, im Rahmen eigener (meist privat-)rechtlicher Bedingungen handeln und so eine eigene (Unternehmens-)Kultur ausbilden. Die Frage, woran sich die kirchlich-diakonische Qualität, das besondere diako- nische Profil solcher Einrichtungen festmachen lässt, beschäftigt Leitungen, Mitarbeitende und Aufsichtsgremien dieser Einrichtungen seit Jahren. Diese Diskussion mit ihren zum Teil sehr eindrücklichen und überzeugenden Ergebnis- sen spiegelt sich etwa in den Leitbildern, die diakonische Einrichtungen in den letzten Jahren diskutiert, verabschiedet und auf ihren Internetseiten veröffentlicht haben. Auch bei der Beschreibung und Sicherung der Qualität der Arbeit (Qualitätsma- nagement und Zertifizierung, etwa »Qualitätssiegel Pflege«) spielt die Frage nach dem diakonischen Profil eine wesentliche Rolle. Die Erwartung, die gewachsene Differenz zwischen Diakonie und Kirche müsse dadurch überwunden werden, dass Diakonie kirchlicher und Kirche diakonischer werden mögen, greift ange- sichts dieser Entwicklung und Gegebenheiten zu kurz und führt leicht zu frucht- losen, wechselseitigen Schuldzuweisungen und Enttäuschungen. Hier gilt vielmehr: Gerade in der Unterscheidung und Verschiedenheit von unternehmerischer Diakonie und verfasster Kirche liegen ihre Stärken; so können
Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten 31 sie sich wechselseitig entlasten und unterstützen. Doch diese klare Unterschei- dung von Diakonie und Kirchengemeinde ist nicht statisch zu verstehen; sie benennt auch keinen Ziel- oder Wunschzustand. Damit soll die Kirchengemeinde erst recht nicht von der Wahrnehmung des diakonischen Auftrags »befreit« werden. Auf dem Hintergrund dieser kurzen Analyse des realen Raumes, in dem sich Basisdiakonie und Einrichtungsdiakonie bewegen und sich zwei verschie- dene Formen von Kirche (im selben Geiste) entwickelt haben, versteht man besser die Möglichkeiten und Grenzen des diakonischen Handelns der Kirchen- gemeinde. Das schärft aber auch den Blick für die Chancen eines organisierten Miteinanders von Kirchengemeinde und diakonischer Einrichtung. Um zu verstehen, wie dringend eine Neuausrichtung diakonischer Arbeit im Allgemeinen und für die Gemeinden im Besonderen ist, dafür reicht ein Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse: Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich seit Jahren immer weiter. Verlierer sind häufig Kinder und Jugendliche und ihre Familien. Verlierer sind aber auch Menschen in ungesicher- ten und schlecht bezahlten Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitslose. Wäh- rend Industrie und Handwerk zu verstehen geben, dass ihnen der Nachwuchs ausgeht, bleiben immer mehr Jugendliche ohne Chance auf Ausbildung und Arbeit auf der Strecke. Die demografische Entwicklung, die wachsende Zahl älterer und alter Menschen bei gleichzeitiger Abnahme der Kinderzahlen verän- dert vielerorts bereits sichtbar das Zusammenleben in Städten und Dörfern. Von all diesen Entwicklungen sind auch Kirchengemeinden betroffen. Entsprechend ergeben sich daraus neue Herausforderungen für die Wahrnehmung des diako- nischen Auftrags in der Gemeinde. Und eine weiterer Aspekt ist hier wichtig: Wo sich Menschen in der Kirchenge- meinde diakonisch engagieren und soziale Aufgaben übernehmen, agieren sie nicht isoliert für sich. Sie treffen auf das umfassende Hilfesystem, das sich in Deutschland entwickelt hat. In diesem System nehmen diakonische Unterneh- men als Akteure eines Wohlfahrtsverbands eine besondere Rolle wahr: Sie wirken in zumeist vertraglich geregelter Form bei der Umsetzung der gesetzlich verankerten Ansprüche auf soziale und gesundheitliche Versorgung und Hilfe mit. Das diakonische Engagement in Kirchengemeinden ist nicht von vornherein in dieses System eingebunden. Hier bestehen Freiräume. Ungewohnte Wege
32 Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten können begangen werden. Man kann Neues versuchen. Allerdings hilft es, auch etwa im Blick auf die Wirksamkeit des Engagements, solchen Einsatz transpa- rent zu machen gegenüber denen, die hier auch (etwa aufgrund eines gesetz- lichen Auftrags des Jugendamts) aktiv sind. Wo Kirchengemeinden ihre Aktivitäten darstellen und einbringen, können sie etwa im Gespräch mit den Mitarbeitern des Jugendamts oder eines diako- nischen Trägers wichtige Hinweise, konkrete Unterstützung oder Begleitung erhalten. Umgekehrt kann hier die Kirchengemeinde Menschen helfen und stärken, die sonst keine oder nur wenig Unterstützung erhalten würden. Kirchen- gemeinden können in ihrem diakonischen Handeln partiell flexibler und innova- tiver sein als die diakonischen Einrichtungen. Wirksam wird diese Möglichkeit aber erst in der Zusammenarbeit. Gemeindediakonie als Impuls zur Gemeindeentwicklung Warum sollten sich Menschen in der Kirchengemeinde diakonisch engagieren? Warum sollte das Leitungsorgan dieses Engagement unterstützen? Wir sind überzeugt: Für Kirchengemeinden liegen in der Wahrnehmung ihres diakoni- schen Auftrags auch erhebliche Entwicklungschancen. Kirchengemeinden und diakonische Einrichtungen erfüllen einen gemeinsamen biblischen Auftrag. Der lautet, Gottes Zuwendung zu den Menschen und zu dieser Welt in unserer Zeit und unseren Verhältnissen deutlich zu machen und ihm dort Ausdruck zu verleihen. Von diesem Auftrag her kommt zunächst der Einzelne in den Blick. Der ist aber stets Teil eines komplexen Beziehungsgeflechts. Ein alltägliches Beispiel: Eine Familie stellt einen Antrag auf Unterstützung ihrer Kinder bei der Jugendfreizeit. Die Eltern können den Beitrag zur Freizeit nicht leisten. Dabei werden auch die schwierige wirtschaftliche Situation der Familie und das problematische Wohnumfeld sichtbar. In dem Bemühen um die Wahr- nehmung des diakonischen Auftrags in der Kirchengemeinde geschieht also eine Öffnung, eine Erweiterung des Blicks auf das Umfeld der Kirchengemeinde, auf die Menschen, die hier leben und auf die Lebensbedingungen dieser Menschen. Die Situation und die Lebensperspektive der Familie werden deutlich.
Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten 33 Hinter der individuellen Notlage wird bei genauerem Hinsehen auch ein Aspekt der gesellschaftlichen Entwicklung sichtbar, der dazu führt, dass die Zahl der Kinder, die in Deutschland in Armut leben, dramatisch gestiegen ist. Da die Finanznot der Städte und Gemeinden wächst, verschärft sich die Situation der Kinder noch. Angebote für Kinder und Jugendliche werden gestrichen, Einrich- tungen werden geschlossen. Was diese Familie erlebt und oft vor allem als eigenes Versagen versteht, hat über die individuellen Lebensumstände hinaus Gründe in gesellschaftlichen Entwicklungen bzw. deren Auswirkungen. Von diesen Entwicklungen ist auch die Kirchengemeinde betroffen – ob das in der Gemeinde wahrgenommen und thematisiert wird oder nicht. Wenn eine Kirchengemeinde ihren diakonischen Auftrag wahrnimmt, dann bedeutet das zunächst, genau hinzusehen, was Menschen erleben, was da geschieht und sich entwickelt – eine Sensibilität zu entwickeln für die Lebenssituation von Menschen, über den ersten Eindruck hinaus. Wenn ich mich in den Vororten umschaue, ist scheinbar alles in Ordnung. Beim genaueren Hinsehen entdecke ich, dass es eine große verdeckte Armut gibt.
34 Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten Was kann daraus erwachsen? Was kann eine Gemeinde, die sich verstärkt in ihrem Umfeld diakonisch engagieren will, dann erleben? Idealtypisch kann das etwa so aussehen: • Durch das Taufgespräch mit einer alleinerziehenden Mutter werden ihre Lebenssituation und ihre alltäglichen Probleme deutlich. Daraus entwickelt sich die Idee, eine Mütter-Kind-Gruppe speziell für Alleinerziehende im Gemeindehaus neben dem Kindergarten einzurichten. Daraus wiederum erwächst eine Arbeit, die im Stadtviertel eine zunehmend wichtige Rolle spielt. • Im Gemeindebezirk leben viele Familien, die wirtschaftlich Not leiden. Der Diakonieausschuss beschließt, in den Räumen der Jugendarbeit ein offenes Frühstücksangebot für die Kinder der benachbarten Hauptschule zu schaffen. • Es gibt einen lockeren Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe Suchtkranker, die auf der Suche nach einem Raum sind, wo sie sich regelmäßig treffen können. Durch gelegentliche Gespräche wächst das Bedürfnis, über die Abendmahls praxis in der Gemeinde nachzudenken. • Über die Diakoniestation hört die Kirchengemeinde von der schwierigen Lage der Angehörigen demenziell Erkrankter. Eine Gruppe von Ehrenamtlichen entlastet die Angehörigen durch regelmäßige häusliche Besuche. Die Stationsleitung begleitet die Arbeit dieser Gruppe, hilft bei fachlichen Fragen und sorgt für einen zuverlässigen Austausch zwischen Diakonie- station und Ehrenamtlichen. • Bei einem Gespräch im Kreis dieser Ehrenamtlichen entsteht die Idee, die Situation der Angehörigen auch im Rahmen eines Gottesdienstes zu themati- sieren. Zu diesem Gottesdienst kommen auch Menschen, die bisher keinen Kontakt zur Gemeinde hatten. Einige erklären sich spontan bereit, im Rah- men des ehrenamtlichen Besuchsdienstes mitzuarbeiten. • Einer dieser neuen Ehrenamtlichen kann aus seinen beruflichen Kenntnissen als Psychologe in der Wirtschaft wichtige Anregungen für die Arbeit dieser Gruppe und anderer Kreise in der Gemeinde einbringen.
Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten 35 Sicher verlaufen Entwicklungen im konkreten Gemeindealltag selten so glatt und linear wie hier beschrieben. Kirchengemeinden stehen heute oft vor vielfältigen Herausforderungen und haben – wenn überhaupt – nur in begrenztem Umfang zusätzliche Ressourcen, um eine neue diakonische Arbeit aufzubauen, auszuge- stalten und zu begleiten. Hier muss man sich auf einzelne Schritte und Aktivi- täten konzentrieren. Deutlich wird aber auch: Die Wahrnehmung des diakonischen Auftrags in der Kirchengemeinde kann viele Anregungen und Anfragen aus dem Gemeindealltag erfahren – sie müssen allerdings als solche beachtet und ernst genommen werden. Aus solchen Anstößen entstehen neue Ideen und Projekte, die wiede- rum in den Gemeindealltag zurückwirken. Vor allem aber strahlen sie über den Raum der Kirchengemeinde hinaus in das Stadtviertel. Und: Dabei kommt das Umfeld der Kirchengemeinde mit seinen Einrichtungen, die da tätig sind (in unserem Beispiel etwa die Diakoniestation) in den Blick. Aus einem einzelnen Kontakt kann sich also eine neue Form diakonischer Arbeit in der Gemeinde entwickeln. Damit das gelingt, ist die gute Zusammenarbeit zwischen der Diakoniestation und dem Kreis der Ehrenamtlichen entscheidend. Durch neue Formen diakonischer Arbeit wiederum erschließen sich für die Kirchengemeinde neue Zugänge zu Menschen, die sonst wahrscheinlich nicht mit der Kirchengemeinde in Berührung gekommen wären. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, welche anderen Akteure es im Umfeld der Kirchengemeinde gibt. Da sind zunächst die diakonischen Träger, das kreiskirch- liche Diakonische Werk, die große benachbarte Einrichtung oder auch der diakonische Verein. Möglicherweise sind es auch Einrichtungen der anderen Wohlfahrtsverbände, etwa der Caritas oder der AWO oder sogar Vertretungen anderer Religionsgemeinschaften, die im Quartier aktiv sind. In jedem Fall sollte man erkunden, ob das Bedürfnis nach Zusammenarbeit besteht. Mit anderen Akteuren in einer abgesprochenen und geregelten Weise zu kooperieren, fördert und erleichtert (selbst im Scheitern noch) den eigenen Entwicklungsprozess.
36 Gemeinde und Diakonie Erleben – verstehen – gestalten Kirchengemeinden und Kooperationspartner Wer kommt vor Ort als möglicher Kooperationspartner für die Kirchengemeinde in Frage? Welche Menschen, Gruppen, Vereine, Organisationen verfolgen ähnliche Anliegen? Mit solchen Fragen beginnt ein Weg der Kooperation. Im Gespräch, im Erfahrungsaustausch und im gemeinsamen Überlegen liegt die Chance, mehr zu erkennen, als es der eigene Blickwinkel in der Regel zulässt. Man erhält neue Anregungen. Wichtig ist dabei, deutlich zu machen, welche eigenen Motive und Hoffnungen uns bewegen und aus welchen Quellen sie sich speisen. Auf dieser Basis kann es – vielleicht in ganz anderer Weise als vorher zu erwarten war – zu gemeinsamem Handeln kommen. Für die Gestaltung eines solchen Prozesses der Öffnung hat es sich bewährt, sich an der Abfolge von drei Schritten zu orientieren: • sehen: Hier geht es darum, wahrzunehmen, was Menschen in der Gemeinde und in ihrem Umfeld beschäftigt, welche Fragen, Probleme, Herausforde- rungen deutlich werden, welche Entwicklungen sich erkennen lassen. Dazu gehört auch die Frage, wo wir in der Gemeinde davon besonders berührt werden. Im Blick auf die eigene Situation gilt es dabei zu klären, über welche Möglichkeiten und Ressourcen wir in der Kirchengemeinde verfügen, welche potenziellen (kirchlichen, diakonischen oder anderen) Kooperationspartner zu finden sind, wer angesprochen und einbezogen werden sollte. • urteilen: In diesem zweiten Schritt geht es darum, die vorgefundene Situati- on einzuschätzen und zu beurteilen. Es soll geklärt werden, was gewollt und angestrebt wird, was davon in der Kirchengemeinde selbst getan werden kann oder ob man Hilfe und Unterstützung von kompetenteren Partnern mobilisieren muss. Es gilt auch zu klären, wie das, was man sich vornimmt, in Verbindung steht zum sonstigen Leben der Kirchengemeinde, ihren bishe- rigen Aktivitäten und ihrem geistlichen Profil. Zu einem solchen Klärungspro- zess gehört unbedingt die Vision, das gemeinsame Ziel genau zu beschrei- ben. Aus diesen Klärungen leiten sich schließlich die Erwartungen an Partner und mögliche Verbündete ab. • handeln: Im dritten Schritt steht die Projektplanung an. Handelt es sich um ein komplexes Projekt, ist es wichtig, es in einzelne, überschaubare und
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