Messeabsagen verursachen hohe wirtschaftliche Einbußen
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DATEN UND PROGNOSEN Horst Penzkofer Messeabsagen verursachen hohe wirtschaftliche Einbußen IN KÜRZE die Zahl der ausländischen Aussteller beträgt rund 113 000 (vgl. AUMA Compact 2020a; 2020b). Diese Werte zeigen deutlich die Anziehungskraft der in Zum Schutz vor der Verbreitung des Coronavirus wurden zwi- Deutschland stattfindenden überregionalen Messen. schen März und September fast alle Messeveranstaltungen ab- Neben den internationalen und nationalen Messen gesagt oder auf das nächste Jahr verschoben. Dies führt nicht finden in Deutschland noch ca. 160 Fach- und Pub- likumsmessen mit regionalem Einzugsgebiet auf der nur bei der Messewirtschaft zu gravierenden Umsatzeinbußen, Besucherseite statt. Diese Veranstaltungen ermög- sondern auch bei vielen weiteren von der Messetätigkeit abhän- lichen den Besuchern eine dezentrale, verbraucher- gigen Wirtschaftsbereichen, wie etwa den Messebauern, dem bzw. gewerbenahe Information. Dabei informieren sich Gastgewerbe, dem Transport- und Verkehrssektor sowie den knapp 6 Mio. Besucher bei etwa 54 000 Austellern. Im veranstaltungsaffinen Dienstleistern. Im Vergleich zu einem Unterschied zu internationalen und nationalen Mes- normalen Messejahr dürfte das durch die Ausgaben der Aus- sen, die sich überwiegend auf einige größere Stand- orte konzentrieren, werden regionale Messen an einer steller und Messebesucher induzierte Produktionsvolumen in Vielzahl von Orten durchgeführt. diesem Jahr um rund 21 Mrd. Euro geringer ausfallen und das Steueraufkommen um rund 3,4 Mrd. Euro sinken. Außerdem DIE MESSEWIRTSCHAFT ZÄHLT ZU DEN AM sind rund 173 000 Arbeitsplätze gefährdet. Durch die Absagen STÄRKSTEN BETROFFENEN BRANCHEN DER von Messen und in Folge davon durch ausfallende Auftrags- CORONAKRISE abschlüsse entsteht der Volkswirtschaft aber ein noch größe- Zum Schutz vor der Verbreitung des Coronavirus wur- rer wirtschaftlicher Schaden. Nach einer Sondererhebung im den zwischen März und September fast alle Messe- Rahmen der ifo Konjunkturumfrage rufen für über die Hälfte veranstaltungen abgesagt oder auf das nächste Jahr der ausstellenden Unternehmen fehlende Messeteilnahmen verschoben. Die ersten medienwirksamen Absagen wirtschaftliche Einbußen hervor. Die Corona-bedingten Mes- betrafen die Leipziger Buchmesse und die Reisemes- seabsagen werden nach den Befragungsergebnissen zudem se ITB (Berlin). Für Messen, die im Jahresturnus auch das Messebeteiligungsverhalten der Aussteller verän- durchgeführt werden, ist eine Verschiebung in das kommende Jahr mit einer endgültigen Absage gleich- dern. Es werden zwar weiterhin rund 60% der Aussteller den zusetzen. Zwischen März und September herrschte Umfang ihres Messeengagements aufrechterhalten, aber im- auf den Geländen der deutschen Messeveranstalter merhin rund 40% der Aussteller wollen sich an der einen oder Stillstand.1 Es wurden aber nicht nur in Deutschland, anderen Messe nicht mehr beteiligen. Beschleunigt durch die sondern weltweit Messeveranstaltungen abgesagt. Corona-Pandemie spielen darüber hinaus digitale Kommunika- Damit ist bei größeren deutschen Messegesellschaf- tionsinstrumente bei knapp zwei Drittel der Aussteller künftig ten, die teilweise zahlreiche Veranstaltungen im Aus- land durchführen, auch das Auslandsgeschäft zum eine stärkere Rolle. Die Verknüpfung von realer und digitaler Erliegen gekommen. Der Umsatz der deutschen Messe ermöglicht es dabei dem Medium Messe, die Reichweite Messeveranstalter betrug zuletzt jährlich rund 4 Mrd. zu erhöhen und zugleich effizienter zu werden. Daher werden Euro (Umsatz inkl. Auslands-, Kongress- und Service- vor allem Fachmessen auch nach der Coronakrise überwie- geschäft); in diesem Jahr dürfte der Umsatz aller- gend als Hybridveranstaltungen konzipiert werden müssen. dings unter 2 Mrd. Euro liegen und damit um mehr als 50% sinken. Die deutsche Messewirtschaft zählt damit zu den am stärksten betroffenen Branchen der Der Messeplatz Deutschland ist in der Durchführung Coronakrise. von internationalen Leitmessen weltweit führend. Un- Seit September finden unter Einhaltung der Ab- gefähr 60% der global führenden Messen finden in standsregeln und Hygienevorschriften wieder erste Deutschland statt. Pro Jahr werden rund 170 interna- tionale und nationale Messen mit etwa 185 000 Aus- 1 Einige wenige Messen wurden als digitale Veranstaltung durchge- stellern und rund 10 Mio. Besuchern in Deutschland führt. So etwa die Veranstaltungen HANNOVER MESSE Digital Days (Hannover), ILA GOES DIGITAL (Berlin), servparc (Frankfurt), durchgeführt. Die Zahl der ausländischen Fachbesu- SENSOR+TEST digital (Nürnberg), PCIM Europe digital days (Nürn- cher liegt gegenwärtig bei rund 3,2 Mio. Personen und berg) und gamescom (Köln). 58 ifo Schnelldienst 10 / 2020 73. Jahrgang 14. Oktober 2020
DATEN UND PROGNOSEN Präsenzmessen statt.2 Aufgrund der Corona-Ver- Euro niedriger ausfallen. Zudem gefährdet die Absage ordnungen, bestehender Reisebeschränkungen und bzw. Verschiebung von Messen in diesem Jahr rund sicherlich auch wegen anhaltender Verunsicherung 173 000 Arbeitsplätze (Hochrechnung des ifo Insti- lagen die Aussteller- und Besucherzahlen bei den tuts auf Basis der ifo Studie aus dem Jahr 2018).4 Die Messen jedoch sehr deutlich unter den Werten der beschlossenen Hilfsprogramme (u.a. Ausweitung des jeweiligen Vorveranstaltung. Die Corona-bedingt ver- Kurzarbeitergeldes) sollten jedoch dazu beitragen, änderten Rahmenbedingungen für Messen haben zu- dass die bedrohten Arbeitsplätze weitgehend erhal- dem auch mehrfach zu der Entscheidung geführt, in ten bleiben. den kommenden Monaten Messen als digitales Event Die direkten Ausgaben der Messebesucher und durchzuführen.3 Wie schnell die deutsche Messewirt- Aussteller zeigen, welche Wirtschaftsbereiche vor al- schaft nach Beendigung der durch die Corona-Pande- lem von der Durchführung von Messen und Ausstellun- mie ausgelösten Beschränkungen wieder Fahrt auf- gen in Deutschland profitieren und damit besonders nimmt, also die Fachbesucher sich wieder in gleichem negativ von den Absagen von Messeveranstaltungen Umfang auf Messen informieren und die Unternehmen betroffen sind (vgl. Abb. 1). Jahr für Jahr geben die mit gewohnter Intensität ihre neuen Produkte und Besucher und Aussteller von Messen rund 14,3 Mrd. Dienstleistungen auf Messen präsentieren werden, Euro in Deutschland aus. Ein Viertel der Ausgaben ist gegenwärtig noch nicht abzuschätzen. kommt der Hotellerie und Gastronomie zugute und ungefähr ein Fünftel der Ausgaben geht in den Mes- MESSEABSAGEN BELASTEN IN HOHEM AUSMASS sebau sowie in Arbeiten bzw. Dienstleistungen, die DIE HOTEL- UND GASTRONOMIEBRANCHE SOWIE mit dem Messestand zusammenhängen. Hotellerie- DIE MESSEBAUER und Gastronomiebetriebe sowie Messebauunterneh- men sind somit die Bereiche, die durch die Absage Die Absagen und Verschiebungen von Messen in von Messeveranstaltungen in besonderem Ausmaß Deutschland treffen nicht nur die Messewirtschaft, in Mitleidenschaft gezogen werden. Jeweils knapp sondern viele weitere von der Messetätigkeit abhän- ein Sechstel der Ausgaben fließt an die Veranstal- gige Wirtschaftsbereiche, wie etwa die Messebauer, ter (z.B. Eintritt, Standmiete und Gebühren für den die Hotel- und Gastronomiebranche, den Transport- Standbetrieb) und in Wirtschaftszweige des Nah- und und Verkehrssektor sowie Dienstleister für Veranstal- Fernverkehrs. tungen (z.B. Eventagenturen, Licht- und Bühnentechni- ker, Künstler verschiedener Sparten für Bühnenshows). FEHLENDE MESSETEILNAHMEN FÜHREN BEI Aussteller und Besucher von Messen sind nämlich ÜBER DER HÄLFTE DER AUSSTELLENDEN UNTER Kunden für zahlreiche Unternehmen. Durch die aus- NEHMEN ZU WIRTSCHAFTLICHEN EINBUSSEN steller- und besucherinduzierte Nachfrage entstehen Arbeitsplätze, zusätzliche Steuereinnahmen und Kauf- Die durch Messeabsagen bedingten Umsatzeinbu- kraft. Die insgesamt direkt und indirekt induzierten ßen bei Messeveranstaltern und messeabhängigen gesamtwirtschaftlichen Produktionseffekte betragen Branchen geben nur einen Teil der wirtschaftlichen in Deutschland Jahr für Jahr rund 28,0 Mrd. Euro (vgl. Verluste wieder. Nicht berücksichtigt ist hierbei, dass Penzkofer 2018). Die Durchführung von Messen sichert 4 Die bis Dezember noch geplanten Präsenzmessen gingen im Ver- zudem im Durchschnitt pro Jahr rund 231 000 Ar- gleich zur jeweiligen Vorveranstaltung aufgrund der anzuwendenden beitsplätze und für alle Gebietskörperschaften der Abstands- und Hygienerichtlinien sowie den internationalen Reise- einschränkungen mit 40% der Besucher- und Ausstellerzahl in die Bundesrepublik Deutschland ergeben sich in einem Hochrechnung ein. Sollten weitere der für dieses Jahr geplanten normalen Messe- und Ausstellungsjahr Steuereinnah- Messen noch abgesagt oder als digitales Event durchgeführt werden, erhöhen sich entsprechend die Produktionseinbußen und Steuer- men in Höhe von rund 4,5 Mrd. Euro. Infolge der zu mindereinnahmen sowie die Zahl der gefährdeten Arbeitsplätze. diesem Zeitpunkt für das Jahr 2020 abgesagten bzw. verschobenen Messen (über 60% aller in diesem Jahr Abb. 1 geplanten Messen) dürfte das messeinduzierte Pro- Ausgaben der Messebesucher und Ausstellerᵃ duktionsvolumen in diesem Jahr um rund 21 Mrd. Euro Hotellerie, Gastronomie 24,8 sinken und das Steueraufkommen um rund 3,4 Mrd. Standbau, -montage usw. 20,3 2 Im September fanden beispielsweise die Messen IFA 2020 Special Edition (Berlin, hybride Veranstaltung), CARAVAN SALON (Düssel- Messeeintritt, Standmiete usw. 16,2 dorf), Nordstil (Hamburg), TrendSet (München), CADEAUX/MIDORA (Leipzig), CREATIVA/FAIR FRIENDS (Dortmund) und Interboot (Fried- Reisekosten 16,0 richshafen) statt. 3 Bis Jahresende werden unter anderem folgende Messen als digi- Personalkosten der Aussteller 10,4 tale bzw. hybride Veranstaltung durchgeführt: DMEXCO und FIBO (beide Köln), Chillventa und BrauBeviale (beide Nürnberg), INTER- Freizeit, Einkäufe 7,3 GEO (wechselnde Veranstaltungsorte), Frankfurter Buchmesse und Formnext (beide Frankfurt), EXPO REAL (München), glasstec und Sonstiges 5,0 MEDICA (beide Düsseldorf), OTWorld (Leipzig) und WindEnergy (Hamburg). Für 2021 wurden beispielsweise bereits die Messen ISH 0 5 10 15 20 25 30 % und Creativeworld (beide Frankfurt) sowie die Messe R+T (Stuttgart) als digitales Event angekündigt und die Messe MEDICA (Düsseldorf) ᵃ Gesamtes Ausgabenvolumen: 14,3 Mrd. Euro wird im hybriden Konzept durchgeführt. Quelle: ifo Institut, 2018. © ifo Institut ifo Schnelldienst 10 / 2020 73. Jahrgang 14. Oktober 2020 59
DATEN UND PROGNOSEN Abb. 2 neuer Kunden und Erschließung neuer Märkte. Daher Wirtschaftliche Einbußen infolge fehlender Messeteilnahmen ist es nicht verwunderlich, dass der Corona-bedingte bei ...% der Ausstellerᵃ im Verarbeitenden Gewerbe nach Beschäftigtengrößenklassen Messestillstand für die Mehrheit der ausstellenden In hohem Umfang In geringem Umfang Industrieunternehmen (52%) zu wirtschaftlichen Bis 49 7 46 Einbußen führt (vgl. Abb. 2). Dabei gaben 46% der 50 bis 99 8 44 Aussteller an, in geringem Umfang wirtschaftliche 100 bis 249 4 49 Einbußen zu haben, und jeder 16. Aussteller bezeich- 250 bis 499 nete die wirtschaftlichen Einbußen sogar als »hoch«. 6 44 Hinter dem aggregierten Wert verbergen sich aller- 500 bis 999 9 47 dings zum Teil deutliche Unterschiede in den Wirt- 1 000 und mehr 1 46 schaftszweigen und Beschäftigtengrößenklassen. Insgesamt 6 46 Während »nur« 47% der ausstellenden Großunter- 0 10 20 30 40 50 60 % nehmen (1 000 und mehr Beschäftigte) wirtschaft- ᵃ Aussteller auf Fachmessen. liche Einbußen beklagen, war es bei allen anderen Quelle: Berechnungen des ifo Instituts. © ifo Institut Größenklassengruppen zumindest die Hälfte der Un- ternehmen. Darüber hinaus gab auch lediglich 1% der durch fehlende Messeaufträge der Volkswirtschaft ausstellenden Großunternehmen an, dass fehlende zusätzlich ein beträchtlicher Schaden entsteht. Die Messeteilnahmen in hohem Umfang zu wirtschaft- wirtschaftlichen Wirkungen, die letztlich durch ange- lichen Einbußen führen. Mit Blick auf die einzelnen bahnte oder abgeschlossene Messeaufträge ausgelöst Wirtschaftszweige zeigt sich, dass insbesondere werden, lassen sich aber in absoluter Größenordnung Aussteller aus den Bereichen Herstellung von Druck- kaum quantifizieren, da häufig keine exakte Zuord- erzeugnissen (inkl. Vervielfältigung von bespielten nung von Messebeteiligung und Auftragsabschluss Ton-, Bild- und Datenträgern) (80%), Möbeln (73%) hergestellt werden kann. So setzen beispielsweise sowie Textilien, Bekleidung, Leder, Lederwaren und mittlere und vor allem größere Unternehmen eine Schuhen (59%) durch Messeabsagen und -verschie- Vielzahl von Kommunikationsmedien ein. Welches Me- bungen wirtschaftliche Einbußen in Kauf nehmen dium mit welchem Anteil letztlich zu einem Auftrag müssen. führt, lässt sich empirisch kaum ermitteln.5 Durch die fehlende Möglichkeit, sich an Messen Da es also kaum möglich ist, die wirtschaftlichen beteiligen zu können, sind die ausstellenden Unter- Auswirkungen der fehlenden Messeteilnahmen exakt nehmen des Großhandels in etwa in gleichem Umfang zu quantifizieren, wurde im Rahmen einer Sondererhe- wie die Industrieunternehmen wirtschaftlich betroffen bung in der ifo Konjunkturumfrage6 der Frage nachge- (rund 55%). Dabei zeigen sich hinsichtlich der Unter- gangen, ob die Corona-bedingten Messeabsagen und nehmensgrößen kaum nennenswerte Unterschiede. -verschiebungen überhaupt wirtschaftliche Einbußen Im Vergleich zu den Industrieunternehmen fällt aber bei den ausstellenden Unternehmen zur Folge haben. auf, dass der Anteil der ausstellenden Großhandels Der zweite Schwerpunkt der Befragung war auf das unternehmen mit wirtschaftlichen Einbußen »in ho- Messebeteiligungsverhalten der ausstellenden Unter- hem Umfang« doppelt so hoch ausfällt (12%; Ausstel- nehmen nach der Coronakrise gerichtet. Hierbei sollte ler aus der Industrie: 6%). vor allem geklärt werden, inwieweit künftig digitale Alternativen zu Messen eine Rolle bei ausstellenden ÜBER EIN DRITTEL DER AUSSTELLENDEN Unternehmen spielen. UNTERNEHMEN AUS DER INDUSTRIE WOLLEN Mit ihren Messebeteiligungen verfolgen die Aus- IHRE MESSETEILNAHMEN VERRINGERN steller eine Vielzahl von Zielen, wie etwa die Stamm- kundenpflege, Steigerung der Bekanntheit des Unter- Nach der Corona-Pandemie wollen 61% der Aussteller nehmens, Präsentation von Neuheiten, Gewinnung des Verarbeitenden Gewerbes ihre Präsenz auf Messen beibehalten (59%) bzw. ausweiten (2%). Bei größeren 5 Nach den Zahlen des AUMA beteiligen sich rund 58 000 deutsche Unternehmen (500 und mehr Beschäftigte) ist die- Unternehmen (davon rund 30 000 aus der Industrie und rund 11 500 aus dem Handel) an fachbesucherorientierten Messen in Deutsch- ser Trend nicht so stark ausgeprägt (52%). Vor allem land. Die Bedeutung der Messen im Vergleich zu anderen Kommuni- kleine und mittlere Unternehmen setzen somit auch kationsinstrumenten zeigt sich daran, dass die deutschen Aussteller rund 48% ihres B2B-Kommunikationsetats in Messebeteiligungen weiterhin im Vergleich zu größeren Unternehmen stär- investieren. In der B2B-Kommunikation sind für die Aussteller die ker auf das Kommunikationsinstrument Messe. Dies Unternehmens-Website (89%), der Außendienst (79%) und Messen (78%) die wichtigsten Instrumente (vgl. AUMA MesseTrend 2020, erklärt sich vermutlich auch daraus, dass kleine und Stand November 2019). mittlere Unternehmen aufgrund ihres eher geringeren 6 Die Fragen zur Messebeteiligung in der ifo Konjunkturumfrage im August beantworteten 2 250 Unternehmen (Verarbeitendes Gewerbe: Kommunikationsbudgets gerade durch eine Messebe- 1 667 Meldungen, Großhandel: 565 Meldungen). Für die weiteren teiligung relativ kostengünstig mit neuen (inter-)natio- Analysen konnten die Angaben von 1 148 Ausstellern verwendet wer- den (Verarbeitendes Gewerbe: 939 Meldungen, Großhandel: 209 Mel- nalen Kunden Kontakt aufnehmen können. Ohne eine dungen). Für die Ermittlung repräsentativer Ergebnisse wurden die Messebeteiligung könnten unter Umständen Aufträge Meldungen der Firmen anhand der amtlichen Statistik entsprechend ihrer Größenklassenstruktur (Beschäftigtenzahl) und Branchenzuge- nicht akquiriert werden und damit Wachstumspoten- hörigkeit gewichtet. ziale für das Unternehmen verlorengehen. 60 ifo Schnelldienst 10 / 2020 73. Jahrgang 14. Oktober 2020
DATEN UND PROGNOSEN Wenn 39% der Aussteller aus der Industrie ihre Abb. 3 Messeteilnahmen verringern wollen, bedeutet dies Verringerung der Messeteilnahmen bei ...% der Ausstellerᵃ im jeweiligen Wirtschaftszweig aber nicht, dass sich diese Unternehmen nicht mehr an Messen beteiligen werden. Die Ergebnisse zeigen Metallerzeugung und -bearbeitung 20 Chemie, Pharmazie 28 aber auch, dass weit über ein Drittel der Aussteller Textilien, Bekleidung, Lederwaren 29 aus der Industrie sein Messeengagement wohl da- Kraftwagen und -teile 30 Druckerzeugnisse, Vervielfältigung 32 hingehend anpasst, dass sich das Unternehmen pro Datenverarbeitungsgeräte 38 Holz-, Flecht-, Korb- und Korkwaren 39 Jahr anstelle von beispielsweise fünf »nur« noch an Maschinenbau 40 vier Messen beteiligt.7 Eine Reduzierung ihrer Mes- Metallerzeugnisse 40 Glaswaren, Keramik 43 seteilnahmen planen dabei vor allem größere aus- Nahrungs- und Genussmittel Elektrische Ausrüstungen 43 44 stellende Unternehmen (48%) und Hersteller von Papier, Pappe und Waren daraus 46 Gummi- und Kunststoffwaren 52 Möbeln (52%; vgl. Abb. 3). Generell ist hierbei jedoch Möbel 52 Insgesamt 39 zu berücksichtigen, dass das Medium Messe in der 0 10 20 30 40 50 60 % B2B-Kommunikation der Aussteller bereits eine sehr ᵃ Aussteller auf Fachmessen. hohe Bedeutung hat und die Aussteller durch neu ver- Quelle: Berechnungen des ifo Instituts. © ifo Institut fügbare Kommunikationsmedien auf einen zunehmend breiteren Instrumentenmix in der B2B-Kommunikation zu machen. Darüber hinaus dürften künftig auch zurückgreifen können. am Messestand vermehrt virtuelle Instrumente (z.B. Die Ergebnisse zum künftigen Messeverhalten der Augmented Reality) und neue Kommunikationsmög- Aussteller aus dem Großhandel weichen nur minimal lichkeiten (z.B. Online-Übertragungen, Live-Chats) von denen der Unternehmen aus der Industrie ab: eingesetzt werden. 60% der Aussteller wollen ihre Messebeteiligungen Wie beim Verarbeitenden Gewerbe überlegen mit beibehalten (59%) bzw. ausweiten (1%). Hierbei sind 62% annähernd zwei Drittel der Aussteller aus dem es auch im Großhandel mit rund 75% vor allem die Großhandel, digitale Alternativen zu Messen vermehrt kleineren Unternehmen (bis zu zehn Beschäftigte), nutzen zu wollen. Mit einem Anteil von etwas über die ihre Messeteilnahmen aufrechterhalten wollen. 70% planen auch beim Großhandel insbesondere die größeren Unternehmen, entsprechende Alternativen DIE NUTZUNG VIRTUELLER KOMMUNIKATIONS einzusetzen. MEDIEN GEWINNT KÜNFTIG AN BEDEUTUNG CORONA-PANDEMIE BESCHLEUNIGT INTEGRATION Die Sonderbefragung des ifo Instituts ergab zudem, DIGITALER FORMATE BEIM MEDIUM MESSE dass künftig digitale Alternativen zu Messen eine stärkere Rolle bei den ausstellenden Unternehmen Die Ergebnisse der ifo Konjunkturumfrage zeigen, des Verarbeitenden Gewerbes spielen werden (65%; dass für die Aussteller das Medium Messe auch nach vgl. Abb. 4). Vor allem größere Unternehmen den- der Coronakrise in der Kommunikations- und Ab- ken daran, entsprechende Alternativen vermehrt zu satzpolitik eine bedeutende, aber in Form der rei- nutzen (73%). Dies hängt vermutlich mit den finan- nen Präsenzmesse wohl eine eher leicht abnehmende ziellen Möglichkeiten größerer Unternehmen zusam- Rolle spielen wird. Darüber hinaus deuten die Be men, denn auch virtuelle »Messe«-Auftritte oder den fragungsergebnisse darauf hin, dass – beschleunigt Einsatz digitaler Tools auf Messeständen gibt es nicht durch die Corona-Pandemie – die Digitalisierung und kostenlos. damit die Nutzung virtueller Kommunikationsmedien Die geplante verstärkte Inanspruchnahme digi- in der Messewirtschaft stark an Bedeutung gewin- taler Alternativen ist nicht nur bei Ausstellern anzu- nen wird. treffen, die ihre Messeteilnahmen reduzieren wollen (79%), auch Aussteller mit unverändertem Messe- Abb. 4 verhalten wollen künftig digitale Alternativen ver- Künftig stärkere Nutzung digitaler Alternativen zu Messen bei ...% der Ausstellerᵃ im Verarbeitenden Gewerbe nach Beschäftigtengrößenklassen mehrt einsetzen (57%). Dabei zielen die Unterneh- men unter anderem wohl darauf ab, in Ergänzung Bis 49 60 zu Präsenzmessen einer breiteren Öffentlichkeit ak- tuell Neuheiten präsentieren zu können oder ihre 50 bis 99 65 Geschäftskunden auch außerhalb der Messezeiten 100 bis 249 69 auf designtechnisch veränderte Produkte bzw. neu 250 bis 499 67 ins Sortiment aufgenommene Produkte aufmerksam 500 bis 999 74 7 Nach den Ergebnissen des AUMA MesseTrends (Stand: November 2019) beteiligen sich die ausstellenden Unternehmen im Jahres- 1 000 und mehr 72 durchschnitt in Deutschland an etwa fünf Fachbesuchermessen. Hin- Insgesamt 65 sichtlich der Bedeutung von Messebeteiligungen im Marketing-Mix der Unternehmen in den nächsten fünf Jahre gaben 30% der Ausstel- 0 10 20 30 40 50 60 70 80 % ler an, dass Messebeteiligungen wohl eine geringere Bedeutung ha- ben werden. Rund 8% der Aussteller gingen von einer Bedeutungszu- ᵃ Aussteller auf Fachmessen. nahme des Mediums Messe aus. Quelle: Berechnungen des ifo Instituts. © ifo Institut ifo Schnelldienst 10 / 2020 73. Jahrgang 14. Oktober 2020 61
DATEN UND PROGNOSEN Die deutschen Messegesellschaften haben schon knüpfung von realer und digitaler Messe ermöglicht es vor einiger Zeit damit begonnen, Ausstellern und dabei dem Medium Messe, die Reichweite zu erhöhen Fachbesuchern digitale Angebote bereitzustellen und zugleich effizienter zu werden. Daher werden vor und damit neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die allem Fachmessen auch nach der Coronakrise über- Corona-Pandemie forciert die Integration dieser vir- wiegend als Hybridveranstaltungen konzipiert werden tuellen Formate und die Entwicklung neuer digitaler müssen. Angebote. Ganzjährige Online-Angebote für Aussteller und Fachbesucher, Live-Streaming-Plattformen für LITERATUR Aussteller, Plattformen für Online-Meetings während AUMA (Hrsg., 2019), »AUMA MesseTrend 2020, Infografiken vom Novem- der Messe, Online-Panel-Diskussionen oder der ex- ber 2019«, Berlin. klusive Zugang zu digitalen Seminaren sind nur einige AUMA (Hrsg., (2020a), AUMA Compact (14), Berlin. Beispiele für digitale Anwendungsfelder. AUMA (Hrsg., (2020b), AUMA Compact (13), Berlin. Digitale Alternativen werden reale Messen nicht Penzkofer, H. (2018), Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Messen und Ausstellungen in Deutschland, AUMA-Schriftenreihe – Edition 49, Aus- ersetzen, aber in Verbindung mit dem Einsatz digita- stellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V., Institut ler Kommunikationsinstrumente verändern. Die Ver- der deutschen Messewirtschaft, Berlin. 62 ifo Schnelldienst 10 / 2020 73. Jahrgang 14. Oktober 2020
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