Migrationsbericht Jena 2021 - Rathaus
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Impressum: August 2021 Herausgeber: Stadtverwaltung Jena Dezernat 1 Büro für Migration und Integration Saalbahnhofstraße 9 07743 Jena In Zusammenarbeit mit: Stadtverwaltung Jena Dezernat 2 Team Statistik Am Anger 28 07743 Jena Timourou Wohn- und Stadtraumkonzepte Karl-Liebknecht-Str. 141 04275 Leipzig Sowie alle weiteren mitwirkenden Bereiche der Stadtverwaltung Jena und ihrer Eigenbetriebe. Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen, auch auszugsweise, sind nur mit Quellenangaben gestattet. -2-
Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................................................................................................... 4 1. Migration in Jena im Vergleich ..................................................................................................... 5 2 Demographie .................................................................................................................................. 8 2.1 Entwicklung der Anzahl der Migrant_innen ............................................................................. 8 2.2 Altersstruktur der Migrant_innen ........................................................................................... 10 2.3 Herkunftsländer der Ausländer_innen ................................................................................... 12 2.4 Wanderungsbewegungen der Ausländer_innen ................................................................... 14 2.5 Ausländer_innen nach Aufenthaltszwecken .......................................................................... 17 3 Soziale und sozioökonomische Merkmale ................................................................................ 19 3.1 Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, in den Kindertageseinrichtungen .......... 19 3.2 Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist.................................................... 20 3.3 Ausländische Studierende an Universität und Hochschule ................................................... 22 3.4 Beschäftigungsverhältnisse und Gewerbeanmeldungen von Ausländer_innen ................... 24 3.5 Leistungsberechtigte Ausländer_innen nach Asylbewerberleistungsgesetz ........................ 27 3.6 Leistungsberechtigte Ausländer_innen nach SGB II ............................................................. 29 3.7 Einkommenssituation von Personen mit und ohne Migrationshintergrund im Vergleich ...... 31 4 Anzahl und Struktur von Haushalten mit Migrationshintergrund ........................................... 32 5 Planungsräume im Vergleich ...................................................................................................... 35 5.1 Planungsraum Lobeda .......................................................................................................... 41 5.2 Planungsraum West/Zentrum ................................................................................................ 44 5.3 Planungsraum Nord ............................................................................................................... 46 5.4 Planungsraum Ost ................................................................................................................. 48 5.5 Planungsraum Winzerla ........................................................................................................ 51 5.6 Planungsraum Ortschaften .................................................................................................... 54 6 Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Migrationsberichtes ....................................... 56 Anhang ................................................................................................................................................. 57 -3-
Einleitung Hinter jeder Wanderungsbewegung steht ein In- Doch was wissen wir eigentlich über die neuen dividuum, dessen soziale Beziehungen sich mit Mitbürger_innen? Warum haben sie ihr Her- der räumlichen Verschiebung entweder nur zeit- kunftsgebiet verlassen? Warum sind sie nach lich begrenzt oder gar dauerhaft verändern. Die Jena gekommen und nicht in eine andere deut- Migration ist ein Teil der Gesellschaft und führt sche Gemeinde gezogen? Wie lange möchten dazu, dass sich diese tagtäglich neu konstituiert. sie bleiben? Dieser gesellschaftliche Aushandlungsprozess geschieht größtenteils unbewusst und unschein- Um sich diesen und weiteren Fragen zu widmen bar. Gleichzeitig können in Interaktionsprozes- und der zunehmenden Bedeutung von Migration sen sowohl zwischen als auch innerhalb der in Jena, die sich auf alle ökonomischen, sozialen Gruppe der Einheimischen, der schon länger An- und gesellschaftlichen Bereiche auswirkt, besser sässigen und den neu Hinzuziehenden Konflikte gerecht zu werden, wurde 2018 erstmals ein auftreten, die es aufzugreifen und zu diskutieren Migrationsbericht erstellt, der hiermit zum zwei- gilt. ten Mal aktualisiert wird. Verfolgt werden dabei drei wesentliche Ziele: Im aktuellen Integrationskonzept der Stadt Jena von 2020 wird festgestellt, dass „dank der Attrak- • Bereitstellung einer umfassenden Daten- tivität unserer Stadt als Arbeits- und Ausbil- sammlung zu verschiedenen statistischen dungsort [die Migration] Normalität, Chance und Aspekten von Migration, Herausforderung [ist].“ • Erstellung einer Informationsgrundlage für die kommunale Politik sowie Normalität ist sie dahingehend geworden, als in • Zusammenstellung allgemeiner Informatio- den letzten Jahren die Intensität der internatio- nen für an der Thematik interessierte Bür- nalen Wanderungsbewegungen stetig zugenom- ger_innen. men hat und seit 2010 jährlich mehr Menschen über die Grenze nach Deutschland zu- als weg- Aus diesen Zielen resultieren unterschiedliche ziehen. Auch in Jena stieg der Anteil der Mig- Anforderungen an den Bericht. Der Schwerpunkt rant_innen an der Gesamtbevölkerung im Zeit- liegt auf der Darstellung empirischer Fakten auf raum von 2011 bis 2020 von 8,3 auf 14,8 % an. Grundlage vorhandener Datenquellen der Statis- Trotz des Anstieges bedeutet dies im Umkehr- tikstelle der Stadt Jena, des Thüringer Landes- schluss, dass der Großteil der Jenaer keinen amtes für Statistik und weiteren Institutionen. Er- Migrationshintergrund aufweist. forderlich ist aber auch eine fundierte Interpreta- tion und Bewertung der Daten. Von den Migrant_innen sind derzeit rd. 11.300 Personen oder 70,8 % Ausländer_in- Die Aussagekraft vorhandener Daten variiert und nen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung liegt ist teilweise begrenzt. Teilweise liegen keine bei 10,4 %. Darüber hinaus leben rd. 4.675 Mig- oder nur geringe oder wenig differenzierte Infor- rant_innen mit deutscher Staatsangehörigkeit in mationen vor, sodass nicht alle Fragen beant- Jena. Dabei ist die Zahl der Eingebürgerten et- wortet werden können. was höher als die der (Spät-) Aussiedler_innen (2,3 % und 2,0 % an der Gesamtbevölkerung). Auch wenn in der Statistik zwischen Deutschen ohne Migrationshintergrund und Migrant_innen unterschieden wird und die folgenden Darstel- lungen auf dieser Unterteilung fußen, soll an die- ser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen wer- den, dass die Gruppe der Migrant_innen als ein Teil der Jenaer Gesellschaft verstanden wird. Hinweis: Aufgrund von Rundungen bei den Prozentangaben kann die Summe unter Umständen von 100 % leicht abwei- chen. -4-
1. Migration in Jena im Vergleich DEUTSCHLAND WIRD INTERNATIONALER Migration – zum Beispiel aus Pandemiegründen – zu sinkenden Einwohnerzahlen führt. Seit ungefähr 2010 ziehen jährlich deutlich mehr Ausländer_innen nach Deutschland zu als weg HERKUNFTSREGION UND WANDERUNGS- (siehe Abb. 1). Angesichts der Wanderungsbe- MOTIVE IM WANDEL wegungen nahm in Deutschland laut Mikrozen- sus von 2010 bis 2019 die Zahl der Deutschen Inzwischen ziehen immer häufiger Personen aus mit Migrationshintergrund um rd. 6,5 Millionen Asien nach Deutschland, was im Wesentlichen Personen zu. Demgegenüber steht eine Ab- auf eine stärker international ausgerichtete Ver- nahme der Deutschen ohne Migrationshinter- flechtung von Wirtschafts- und Lebensräumen, grund um rd. 5 Millionen Personen. Entspre- die Attraktivität deutscher Hochschulen für Stu- chend stieg der Anteil an Migrant_innen von dierende sowie auf die zunehmende Fluchtmig- 18 % auf 26 %.1 ration zurückzuführen ist. Trotzdem bestehen die Insgesamt lässt sich das Einwohnerwachstum in stärksten Verflechtungen weiterhin mit europäi- Deutschland auf die Wanderungsgewinne ge- schen Ländern. genüber dem Ausland zurückführen. Im Umkehr- schluss bedeutet dies auch, dass ausbleibende ABB. 1 ZU- UND WEGZÜGE VON AUSLÄNDER_INNEN ÜBER DIE GRENZEN DEUTSCHLANDS absolut 2.250.000 2.000.000 1.750.000 1.500.000 Zuzüge 1.250.000 1.000.000 Wegzüge 750.000 500.000 250.000 0 ‚ Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder Darstellung und Berechnungen: Timourou In ostdeutschen Gemeinden leben weniger Migrant_innen als in westdeutschen Gemeinden Die Anzahl der Migrant_innen in Deutschland ist Die westlichen Bundesländer weisen eine län- in den letzten Jahren angestiegen. In Abhängig- gere und intensivere Zuwanderungsgeschichte FAZIT keit von der zeitlichen und räumlichen Entwick- auf. Dort lebende Migrant_innen sind häufig lung entstanden dabei unterschiedliche Schwer- schon länger und teilweise über mehrere Gene- punkträume. Insgesamt nehmen Migrant_innen rationen in Deutschland, sodass der Anteil an in westdeutschen Gemeinden einen höheren An- Eingebürgerten höher liegt. Demzufolge liegt der teil an der Einwohnerzahl ein als beispielsweise Anteil an neu hinzugezogenen Ausländer_innen in Jena, Leipzig, Erfurt oder Potsdam. in den ostdeutschen Gemeinden auf einem hö- heren Niveau. 1 Im Vergleich dazu lag der Anteil in Thüringen 2019 bei 8 %. Weitere Informationen siehe Ergebnisse des Mik- rozensus 2010 und 2019. -5-
REGIONALE UNTERSCHIEDE Letztlich leben im Durchschnitt in Westdeutsch- land mehr Migrant_innen als in Ostdeutschland. Aufgrund verschiedener Rahmenbedingungen – Doch wie hoch liegen die jeweiligen Anteile in von Politik über Wirtschaft bis hin zu gesell- Jena im Vergleich? Weil für entsprechende Ver- schaftlichen Faktoren – entstanden und entwi- öffentlichungen von Kommunen zunächst Aus- ckeln sich unterschiedliche räumliche Schwer- wertungen des Einwohnermelderegisters mit punkte der Migration. So weist das frühere Bun- dem speziellen Programm mit MigraPro notwen- desgebiet eine längere und intensivere Migrati- dig sind, ist ein Vergleich auf der Gemeinde- onsgeschichte auf als die ostdeutschen Bundes- ebene nur für eine begrenzte Auswahl an Städ- länder, was Auswirkungen auch auf die aktuellen ten möglich. Verglichen wird mit den ostdeut- Migrationsbewegungen hat. Beispielsweise schen Städten Leipzig, Potsdam und Erfurt so- schloss die Bundesrepublik Anfang der 1950er- wie mit westdeutschen Universitätsstädten ähnli- Jahre mit Mittelmeeranrainerstaaten sogenannte cher Größe wie Erlangen, Göttingen oder Müns- Anwerbevereinbarungen ab, um neue Arbeits- ter. kräfte für das hohe Wirtschaftswachstum gewin- nen zu können. In diesem Kontext kamen insge- Im Vergleich mit den westdeutschen Städten samt bis zu 4 Millionen Ausländer_innen in die weisen Jena und die anderen drei ostdeutschen Bundesrepublik zum Arbeiten, darunter Italie- Städte sowohl die geringsten Anteile an Mig- ner_innen, Spanier_innen, Türk_innen, Marok- rant_innen als auch an Ausländer_innen auf kaner_innen. 1973 wurde ein Anwerbestopp als (siehe Abb. 2). Aufgrund der Zuwanderungsge- Folge der Ölkrise verhängt, in den 1970er und schichte liegen die Anteile in den westdeutschen 1980er-Jahre erfolgte ein Familiennachzug die- Städten deutlich höher. Über ein Drittel der Ein- ser sogenannten „Gastarbeiter“. Als Arbeits- wohner_innen sind in Darmstadt, Erlangen und kräfte kamen auch in die neuen Bundesländer Mainz Migrant_innen. sogenannte „Vertragsarbeiter“ beispielsweise aus Ungarn, Mosambique, Kuba oder Vietnam. In Westdeutschland leben die Migrant_innen im Im Gegensatz zu den alten Ländern wurde der Durchschnitt schon länger, unter ihnen sind Ein- Aufenthalt jedoch von vornherein zeitlich be- gebürgerte häufiger als in den neuen Ländern. grenzt, der Familiennachzug unterbunden und Aus diesem Grund liegt die Spanne zwischen die Unterbringung erfolgte in der Regel in sepa- dem Anteil an Migrant_innen und Ausländer_in- raten Wohnheimen. nen bei den westdeutschen Gemeinden höher als bei den ostdeutschen. ABB. 2 ANTEIL DER MIGRANT_INNEN UND AUSLÄNDER_INNEN AN DER GESAMTBEVÖLKE- RUNG MIT HAUPTWOHNSITZ 2019 Erfurt 12,6% Migrant_innen Erfurt 8,8% Ausländer_innen Potsdam* 13,5% Potsdam 9,7% Jena 14,5% Leipzig 10,2% Leipzig 15,4% Jena 10,3% Münster 23,0% Münster 10,8% Göttingen 27,9% Würzburg 13,3% Würzburg 29,6% Göttingen 14,6% Regensburg** 31,2% Regensburg 16,6% FAZIT Mainz 34,7% Mainz 18,8% Erlangen 36,9% Erlangen 19,8% Darmstadt 41,2% Darmstadt 21,1% 0% 10% 20% 30% 40% 0% 5% 10% 15% 20% 25% Anteil in % Anteil in % ‚ * Datenstand 2018 ** Datenstand 2017 Datengrundlage: kommunale Statistiken der aufgeführten Gemeinden Darstellung und Berechnungen: Timourou -6-
UNTERSCHIEDLICHE WANDERUNGSDYNA- Verteilung der Geflüchteten innerhalb Deutsch- MIKEN SEIT DEN 1950ER-JAHREN lands erfolgte über den „Königsteiner Schlüssel“ proportional auf die Bundesländer. Indem aller- Sowohl in den 1990er-Jahren als auch um dings in den ostdeutschen Gemeinden weniger 2015/2016 kamen zahlreiche Asylsuchende Ausländer_innen leben, fällt dort rechnerisch der nach Deutschland. Nach dem Höchststand im prozentuale Anstieg stärker aus als in den west- Jahr 2016 mit rd. 720.000 Asylantragsstellungen deutschen Gebieten. nimmt das Volumen wieder ab. Die räumliche ABB. 3 ENTWICKLUNG DER ASYLANTRAGSZAHLEN BIS 1994 ERST- UND FOLGEANTRÄGE UND AB 1995 NUR ERSTANTRÄGE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND absolut 800.000 700.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 ‚ * 2021 Januar bis Mai Datengrundlage: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Darstellung und Berechnungen: Timourou -7-
2 Demographie Wie sich die einzelnen Gruppen der Migrant_in- welchen Gründen sie in Jena wohnen, ist Ge- nen in Jena entwickelt haben, wie alt sie sind, genstand dieses Kapitels. woher sie kommen, wohin sie gehen und aus 2.1 Entwicklung der Anzahl der Migrant_innen MEHR MIGRANT_INNEN IN JENA PHASEN DER ZUWANDERUNGSDYNAMIK Mit inzwischen fast 16.000 Personen hat sich die Während sich von 2009 bis 2012 die Anzahl der Anzahl der Migrant_innen in Jena seit 2009 ver- Migrant_innen um rd. 1.100 Personen erhöhte, doppelt (siehe Abb. 4). Da die Anzahl der Deut- war das Plus in den Jahren von 2013 bis 2016 schen ohne Migrationshintergrund im gleichen mit 4.200 Personen fast viermal so groß. Im We- Zeitraum um rd. 2.600 Personen gesunken ist, sentlichen ist der Niveauunterschied beider Pha- stieg der Anteil der Migrant_innen an der Ge- sen auf den stärkeren Zuzug von Geflüchteten – samtbevölkerung von 7,8 % auf 14,8 % an. vor allem in den Jahren 2015 und 2016 – zu- rückzuführen. Seitdem nahm das Zuzugsniveau wieder ab und die Anzahl der Migrant_innen stieg bis 2020 um rd. 2.600 Personen an. Vielfältig, jung und dynamisch Inzwischen weisen 14,8 % der Jenaer einen kommen mehr junge Personen nach Jena. Die Migrationshintergrund auf und der Großteil der Vielfalt an Bevölkerungs-gruppen beeinflusst Migrant_innen sind Ausländer_innen. Jena wird derzeit verschiedene Bereiche wie den Arbeits- dabei aus unterschiedlichsten Gründen zum und Wohnungsmarkt sowie die FAZIT neuen Lebensmittelpunkt gewählt. Von den Bildungsinfrastruktur. Europäer_innen kommen aufgrund der Noch sind unter den Ausländer_innen viele neu Freizügigkeit höchstwahrscheinlich mehr Hinzugezogene. Einige von ihnen werden in Personen zum Arbeiten in die Stadt, während Jena für eine längere Zeit oder dauerhaft unter den Asiat_innen der Anteil an bleiben. Im Ergebnis wird längerfristig mit einer Studierenden, Forschenden und seit 2015 auch Zunahme an Eingebürgerten gerechnet, bisher der Geflüchteten höher liegen wird. Aufgrund der liegt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bei Internationalisierungskampagnen von Universität 2,3 %. und Hochschule sowie der Fluchtmigration -8-
ABB. 4 ENTWICKLUNG DER ANZAHLEN VON DEUTSCHEN OHNE MIGRATIONSHINTER- GRUND UND MIGRANT_INNEN Deutsche ohne MH* Migrant_innen absolut Anteil Deutsche ohne MH* Anteil Migrant_innen Anteil in % 91,7% 91,2% 90,6% 89,8% 100% 88,7% 87,6% 86,8% 86,0% 100.000 85,5% 85,2% 80.000 75% 60.000 95.417 95.337 95.342 94.943 94.902 94.619 50% 94.348 93.728 93.147 92.319 40.000 14,0% 14,5% 14,8% 25% 10,2% 11,3% 12,4% 13,2% 20.000 8,3% 8,8% 9,4% 15.272 15.793 15.987 8.673 9.214 9.940 10.806 12.105 13.364 14.374 0 0% * Migrationshintergrund Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou UNTERSCHIEDLICHE WANDERUNGSMO- Veränderungen. Im Ergebnis nahm in Jena ihre TIVE Anzahl bis 2016 ab, um seitdem wieder geringfü- gig zuzunehmen. Diese leichte Zunahme könnte Da die Zuwanderungsdynamik der Migrant_in- mit dem familiären Nachwuchs von (Spät-)Aus- nen maßgeblich von Ausländer_innen geprägt siedler_innen zusammenhängen. wird, konnten die drei zuvor benannten Phasen bei den Ausländer_innen ebenso beobachtet Weil seit einigen Jahren zunehmend mehr Aus- werden (siehe Abb. 5). Aus welchen Gründen länder_innen in Jena leben, nimmt auch die die Personen im Einzelnen nach Jena gekom- Möglichkeit der Einbürgerung und letztlich die men sind, ist nicht bekannt. Die Herkunftsländer Anzahl der Eingebürgerten zu. Entsprechend der Ausländer_innen bieten jedoch einen An- steigt ihre Zahl in Jena relativ kontinuierlich um haltspunkt: Demnach ist der Anstieg im Wesent- rd. 5 % pro Jahr. lichen auf die Personengruppe aus Asien und somit vermutlich auf die Kontexte Flucht sowie Wie lange sie sich zum Zeitpunkt der Einbürge- Studium/Forschung zurückzuführen (siehe Ka- rung bereits in Deutschland aufgehalten haben, pitel 2.3). variiert von Jahr zu Jahr etwas. Insgesamt nimmt aber die Dauer tendenziell ab und die Im Vergleich zu den 1990er-Jahren war der Zu- meisten Eingebürgerten lebten zuvor zwischen 8 zug von (Spät-)Aussiedler_innen nach bis 14 Jahren in Deutschland. Deutschland in den letzten Jahren marginal, Aufgrund des überproportionalen Anstiegs der wenngleich seit 2014 aufgrund von Gesetzesän- Ausländer_innen in jüngster Zeit kann in den derungen der Zuzug leicht zugenommen hat. nächsten Jahrzehnten auch von einem stärkeren Weiterhin führt die Binnenwanderung dieser Be- Anstieg an Einbürgerungen ausgegangen wer- völkerungsgruppe innerhalb von Deutschland zu den. -9-
ABB. 5 VERTEILUNG UND ENTWICKLUNG DER VERSCHIEDENEN GRUPPEN VON MIG- RANT_INNEN absolut 15.793 15.987 16.000 15.272 Migrant_innen 14.374 13.364 14.000 12.105 12.000 10.806 11.312 11.217 9.940 10.866 9.214 10.060 10.000 8.673 9.195 8.008 6.415 8.000 5.766 5.119 4.653 Ausländer_innen 6.000 4.000 (Spät-) 2.181 2.180 2.206 2.211 Aussiedler_innen 2.504 2.490 2.483 2.607 2.198 2.180 2.000 2.370 2.464 Eingebürgerte 1.516 1.605 1.691 1.784 1.899 1.989 2.133 2.226 0 Migrant_innen ‚ Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou 2.2 Altersstruktur der Migrant_innen MIGRANT_INNEN SIND DURCHSCHNITTLICH (Spät-)Aussiedler_innen und Eingebürgerten im JÜNGER Durchschnitt eine höhere Aufenthaltsdauer auf, was sich auch in der Altersstruktur nieder- Durch einen niedrigeren Altersdurchschnitt be- schlägt. wirken Migrant_innen eine Verjüngung der Jenaer Bevölkerung. Dieser Effekt verstärkt sich, Im Vergleich zu den Eingebürgerten und Auslän- wenn der Anteil der Migrant_innen an der Bevöl- der_innen liegen die Anteile an der Gruppe „45 kerung zunimmt. Überdurchschnittlich stark sind Jahre und älter“ bei den (Spät-)Aussiedler_in- alle Altersgruppen unter 45 Jahre vertreten, ins- nen am höchsten. Markant ist insbesondere die besondere die der jungen Erwachsenen (18- bis Gruppe der Senior_innen. unter 27-Jährige; siehe Abb. 6). Eine Besonderheit der Eingebürgerten ist der Bei den Ausländer_innen werden hinter dieser ausgesprochen hohe Anteil an Minderjährigen, Altersgruppe im hohen Maße Studierende und darunter vor allem 6- bis unter 18-Jährige, das Geflüchtete stehen sowie Personen im Kontext heißt unter den Eingebürgerten befinden sich der Arbeitsmigration. häufiger Familien mit Kind(ern). Schätzungs- weise wird ungefähr ein Viertel der Minderjähri- Im Vergleich zu den Ausländer_innen weisen gen keine eigene Migrationserfahrung haben, je- aufgrund der Migrationsgeschichte und der Ein- doch wird mindestens ein Elternteil eine solche bürgerungsvoraussetzungen die aufweisen.2 2 Diese Einschätzung fußt auf den Ergebnissen des Mikrozensus 2016 für Deutschland. - 10 -
ABB. 6 ALTERSSTRUKTUR 2020 IM VERGLEICH Anteil in % Altersgruppe Migrant_innen 100% 3% 5% 6% 65 und mehr 15% 90% 12% 25% 13% 13% 80% 45 bis unter 65 21% 70% 22% 37% 27 bis unter 45 42% 24% 60% 18 bis unter 27 18% 24% 50% 40% 24% 6 bis unter 18 11% 23% 30% 24% 27% 11% 3 bis unter 6 17% 20% 13% 8% 10% 10% 7% 9% 4% unter 3 3% 10% 6% 3% 0% 3% 5% 3% Deutsche ohne Migrant_innen darunter darunter darunter Migrations- Eingebürgerte (Spät-)Aus- Aus- hintergrund siedler_innen länder_innen Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou ZUNEHMEND MIGRANT_INNEN IN ALLEN zwischendurch als einzige Altersgruppe. Seit ALTERSGRUPPEN 2018 nimmt jedoch die Anzahl der Senior_innen wieder zu. Abbildung 7 zeigt die im Zeitverlauf zunehmende Dominanz der Altersgruppen zwischen 18 und Trotz dieser Dynamiken konnte der Alterungs- unter 45 Jahren. Eine Besonderheit stellt die prozess bei der Gesamtbevölkerung in Jena Gruppe der Senior_innen dar, diese schrumpfte nicht ausgeglichen werden. ABB. 7 ENTWICKLUNG DER ALTERSSTRUKTUR DER MIGRANT_INNEN absolut 7.000 2010 2015 2020 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 unter 3 3 bis 6 bis 18 bis 27 bis 45 bis 65 unter unter unter unter unter und mehr 6 18 27 45 65 Jahre ‚ Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou Link zur Tabelle - 11 -
AUSWIRKUNGEN DER ALTERSSTRUKTUR • dem Arbeitsmarkt sowohl bezüglich der Aus- AUF VERSCHIEDENE LEBENSBEREICHE bildungs- und Weiterbildungsplätze als auch der Arbeitslosigkeit Die dargestellte Altersstruktur wirkt sich vielfältig aus: So werden die Integrationsprozesse besonders befördert. Die Auswirkungen auf dem Wohnungsmarkt zeigen sich in einer erhöhten • in den Kindertagesstätten, Nachfrage nach preiswertem Wohnraum oder/ • dem Bildungswesen mit den Schulen, Hoch- und kleinen Wohnungen für Alleinlebende. Im schulen und Forschungseinrichtungen sowie Gegensatz dazu spielen jedoch die Themen Al- tersvorsorge und Wohnen im Alter noch eine un- tergeordnete Bedeutung. 2.3 Herkunftsländer der Ausländer_innen MIGRANT_INNEN KOMMEN URSPRÜNGLICH wobei fast alle Länder als Herkunftsgebiete an VOR ALLEM AUS EUROPA ODER ASIEN Bedeutung gewonnen haben (siehe Anhang Abb. 3). Hinsichtlich der Herkunftsländer liegen auf kom- munaler Ebene nur Daten für die Gruppe der Die Vielfalt an Herkunftsländern ist bei den Aus- Ausländer_innen vor. Aufgrund historischer Er- länder_innen im Vergleich am höchsten, wobei eignisse kommen (Spät-)Aussiedler_innen je- auch hier der Schwerpunkt auf den europäi- doch meist aus Polen, Rumänien, Kasachstan schen und asiatischen Ländern liegt (siehe oder der Russischen Föderation. Bei den Einge- Abb. 8). bürgerten entsteht ein heterogenes Bild: Den Ergebnissen des Mikrozensus von 2019 zufolge Inzwischen kommen die Ausländer_innen zur kommen von allen in Deutschland lebenden Ein- Hälfte aus Asien, rd. 40 % aus Europa und je- gebürgerten zwei Drittel ursprünglich aus einem weils rd. 5 % aus Afrika und Amerika sowie nur europäischen Land, schwerpunktmäßig aus der 0,2 % aus Australien und Neuseeland. Im Laufe Türkei, Polen oder der Russischen Föderation. der Zeit zeigt sich ein stetiger Anstieg der Perso- Fast ein Viertel stammt ursprünglich aus Asien, nen aus europäischen und asiatischen Ländern beispielsweise aus Kasachstan, Afghanistan und von 2014 bis 2015 kam der sprunghafte An- oder dem Iran. Ein Blick auf die Ergebnisse von stieg mit der Flüchtlingswanderung hinzu. 2010 zeigt im Detail leichte Veränderungen auf, ABB. 8 AUSLÄNDER_INNEN NACH HERKUNFTSGEBIETEN IM ZEITVERLAUF absolut 6.000 Asien 5.000 Europa 4.000 Afrika 3.000 Amerika 2.000 ungeklärt 1.000 Australien und Neuseeland 0 staatenlos Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou - 12 -
ABB. 9 ANZAHL UND ANTEIL DER AUSLÄNDER_INNEN NACH HERKUNFTSGEBIETEN AM 31.12.2020 Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou MIGRANT_INNEN LEBEN AUS UNTER- Indien sowie aus den europäischen Ländern ver- SCHIEDLICHEN GRÜNDEN IN JENA bunden (siehe Kapitel 3.3). Auch hier zeichnet sich ein kontinuierlicher Anstieg ab, wonach Die einzelnen Beweggründe für ein Leben in Jena als Wissenschafts- und Forschungsstand- Jena werden statistisch nicht erfasst. Anhand ort international an Bedeutung gewinnt. Anhand der Herkunftsländer lassen sich aber Vermutun- der Karte ist erkennbar, dass zum Beispiel 7 % gen und Annahmen ableiten. Darüber hinaus der Ausländer_innen aus China und 6 % aus In- wurden 2020 die Zuzugsgründe von 1.642 Mig- dien kommen. rant_innen in einer Bürgerumfrage erhoben.3 Die Bildungsmigration spielt in Jena eine aus- schlaggebende Rolle. Mit einem Anteil von Der erste und augenfälligste Kontext wurde mit rd. 27 % sind den Befragungsergebnissen nach der Fluchtmigration bereits benannt. Im Beson- die meisten Migrant_innen aufgrund eines Studi- deren spiegelt sich dies in der Anzahl der Aus- ums, der Schule oder einer Ausbildung nach länder_innen aus Syrien: Kamen Ende 2013 Jena gekommen. noch rd. 100 Personen ursprünglich aus Syrien, so waren es Ende 2015 bereits knapp 890 Per- Die Arbeitsmigration kann ebenfalls auf Perso- sonen und am Stichtag 31.12.2020 nen aus unterschiedlichen Ländern zutreffen. rd. 1.815 Personen. Demnach kommen derzeit Aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit inner- rd. 16 % der Ausländer_innen aus Syrien halb der EU wird die wirtschaftliche Verflechtung (siehe Abb. 9). untereinander erleichtert und die Arbeitsmigra- tion befördert. Auf der Ebene der EU-Mitglied- Zwar kommen auch Personen aus Syrien oder staaten kommen mit einem Anteil von 3 % die Afghanistan zum Studieren und Forschen nach meisten Ausländer_innen aus Italien, gefolgt von Jena, doch der Kontext der Bildungsmigration Polen, Rumänien, Spanien und Bulgarien mit je- wird vorrangig mit Personen aus China und weils 2 %. 3 Siehe „Leben in Jena. Ergebnisse der Bürgerumfrage 2020“. - 13 -
Weiterhin spielen individuelle Gründe bei der Insgesamt wird der Migration nicht selten ein Mix Migrationsentscheidung eine wichtige Rolle, in an Handlungsmotiven zugrunde liegen. Vor al- Frage kommen etwa Neugier, Interesse oder so- lem aber steht hinter jeder Migration immer ein ziale Bindungen. Diesbezüglich bieten die Her- individueller Abwägungs- und Entscheidungspro- kunftsländer keinerlei Anhaltspunkte. In welchem zess. Maße solche Motive zur Migration führten, kann nicht abgeschätzt werden. 2.4 Wanderungsbewegungen der Ausländer_innen WANDERUNGSBEWEGUNGEN VOR DER WEITERHIN WANDERUNGSGEWINNE VOR CORONA-PANDEMIE … ALLEM AUS ASIEN UND EUROPA 2017 bis 2019 kamen jährlich rd. 7.140 Perso- Im Hinblick auf die Außenwanderung – damit nen nach Jena, 6.880 Personen zogen weg; die ist hier die Wanderung über die Grenzen des Wanderungsgewinne umfassten demnach Bundesgebietes gemeint – konnte 2020 ein posi- rd. 260 Menschen pro Jahr. Fast 40 % der Zuge- tiver Wanderungssaldo von 283 Ausländer_in- zogenen waren Ausländer_innen und unter den nen ausgewiesen werden (siehe Abb. 10). Zwei Weggezogenen waren es nur 30 %, sodass sich Jahre zuvor lag dieser noch bei 1.000 Personen. die Anzahl der Ausländer_innen erhöhte und die der Deutschen verringerte. Zudem sind Auslän- Bei den Wanderungsbewegungen entsteht ein der_innen im Durchschnitt deutlich mobiler als analoges Bild zu der in Kapitel 2.3 dargestellten Deutsche. So betrug die Zuzugsquote4 bei den Untergliederung der Ausländer_innen nach Her- Ausländer_innen 26 % und bei den Deutschen kunftsländern. Die meisten Zuzüge und Gewinne nur 4 %. Ein weiterer Unterschied kommt bei der konnten gegenüber asiatischen Ländern ver- räumlichen Dimension zum Tragen: Auslän- zeichnet werden. Dabei handelt es sich vorran- der_innen ziehen erwartungsgemäß häufiger gig um Bildungsmigration, was der Anstieg der über die Bundesgrenze nach Jena, während bei Zahl Studierender aus diesen Ländern verdeut- den Deutschen die innerdeutschen Wande- licht. Lag sie zum Wintersemester 2015/16 noch rungsbewegungen stärker ausgeprägt sind. bei 1.536, so betrug sie 2019/20 schon 2.228. Zu einem geringeren Teil ist auch der Familiein- … UND IM PANDEMIEJAHR 2020 nachzug Geflüchteter ein Grund für die Zuzüge. Dieses Wanderungsmuster konnte prinzipiell An zweiter Stelle folgen die europäischen Län- 2020 ebenfalls beobachtet werden. Im Unter- der, darunter vor allem EU-Mitgliedsstaaten. schied zu den Vorjahren zogen jedoch deutlich Wanderungsverluste treten hingegen in erster Li- weniger Personen um. Vor allem das Niveau der nie gegenüber Europa auf und weniger gegen- Zuzüge nahm ab: 2020 zogen rd. 5.580 Perso- über Asien. Dies liegt in der stärkeren wirtschaft- nen nach Jena, darunter rd. 1.720 Ausländer_in- lichen Verflechtung zwischen Jena und den eu- nen, was einem Anteil von nur noch 31 % ent- ropäischen Ländern, die zu einem stärkeren spricht. Auch die Zuzugsquote bei den Auslän- Austausch führt. Im Gegensatz dazu handelt es der_innen fiel von 26 auf 15 %. sich bisher bei der Fluchtmigration um eine ein- seitige Wanderungsbewegung. Inwieweit in Zu- Obwohl Jena insgesamt 2020 einen negativen kunft eine Rückwanderung in nennenswertem Wanderungssaldo von -557 Personen verzeich- Maß einsetzen wird, hängt vor allem von der In- nete, lag der Wanderungssaldo bei den Auslän- tegration der Geflüchteten in Jena und der Situa- der_innen mit 134 Personen im positiven Be- tion in den Herkunftsgebieten ab. reich, allerdings deutlich niedriger als in den Vor- jahren. 4 Die Zuzugsquote berechnet sich aus dem Anteil der zugezogenen Personen einer Bevölkerungsgruppe an allen Personen dieser Gruppe. - 14 -
ABB. 10 AUSSENWANDERUNG DER AUSLÄNDER_INNEN 2020 ‚ absolut Zuzüge Wegzüge Saldo 2.500 2.000 1.500 1.000 500 283 30 68 43 25 88 320 37 343 121 150 5 1 1 1 950 0 -18 -58 -283 -222 -4 0 -667 -82 -500 -1.000 -1.500 Afrika Amerika Asien EU nicht-EU Ozeanien unbekannt gesamt Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou WEITERHIN WANDERUNGSVERLUSTE GE- Der jüngste Anstieg aus Thüringen hängt mit ei- GENÜBER ANDEREN DEUTSCHEN GEMEIN- ner abnehmenden Zahl an Wegzügen zusam- DEN men. Fügt man die Ergebnisse der Außenwanderung Im Gegensatz dazu nahm die Anzahl der nach mit denen der innerdeutschen Wanderung zu- Westdeutschland wegziehenden Ausländer_in- sammen, so ergibt sich ein komplexes Migrati- nen etwas zu. In den westdeutschen Metropolen onsmuster, in dem verschiedene Wanderungs- sind vermutlich die Einstiegsmöglichkeiten in bewegungen der Ausländer_innen zusammen- den Arbeitsmarkt sowie die sozio-kulturellen Ge- hängen (siehe Abb. 10 und 11): meinschaften stärker ausgeprägt als in Jena. Unter den rd. 500 Weggezogenen waren fast • Gegenüber dem Ausland erzielt Jena deutli- 200 Schutzsuchende und die Anzahl der nach che, wenn auch seit 2018 wieder rückläufige Westdeutschland wegziehenden Schutzsuchen- Wanderungsgewinne. den nahm in den letzten Jahren tendenziell zu • Gegenüber Thüringen steigen seit 2018 wie- (siehe Anhang Abb. 4). Es ist davon auszuge- der die Wanderungsgewinne von Auslän- hen, dass dieser Prozess weiter anhält, je weni- der_innen. ger das Wohnortzuweisungsgesetz eine be- • Gegenüber Westdeutschland sind seit Jahren schränkende Wirkung entfaltet.5 deutliche Wanderungsverluste auf einem re- lativ konstanten Niveau zu verzeichnen. 5 Gemäß des Wohnortzuweisungsgesetzes können die Geflüchteten drei Jahre lang nach der Anerkennung ihren Wohnsitz nicht außerhalb von Thüringen wählen, außer zur Aufnahme einer Arbeit. - 15 -
ABB. 11 INNERDEUTSCHE WANDERUNG DER AUSLÄNDER_INNEN 2020 absolut Zuzüge Wegzüge Saldo 2.500 2.000 1.500 1.000 500 160 300 311 43 115 -3 0 769 -149 0 -514 -83 -40 -63 -203 -118 -140 -63 -918 -500 -1.000 -1.500 West- Berlin Ost- Thüringen unbekannt gesamt deutschland deutschland ‚ ohne Thüringen Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou Auswirkungen der Covid-19-Pandemie Die Covid-19-Pandemie dämpfte 2020 deutsch- Entwicklung. Insgesamt stieg 2020 die Arbeitslo- landweit die wirtschaftliche Entwicklung und senquote. Ausländer_innen waren im Unter- führte zu einer eingeschränkten Mobilität. schied zu Deutschen davon stärker betroffen. Die finanziellen Belastungen dürften bei Auslän- Alle deutschen Großstädte verzeichneten einen der_innen folglich stärker gestiegen sein. deutlichen Rückgang der Zuzüge; insbesondere aus dem Ausland. Auch die Wegzüge haben Im Gegensatz zu Wanderungsbewegungen und sich reduziert, jedoch nicht im gleichen Maße, Beschäftigungsverhältnissen lassen sich die so- INFORMATION sodass der Wanderungssaldo negativ ausfiel. zialen Folgen der Pandemie (noch) nicht in Zah- Zusammen mit einem Sterbeüberschuss ver- len fassen. „Erste Gespräche mit Migrantenorga- zeichnete Jena 2020 einen Einwohnerrückgang.6 nisationen und Trägern der Migrationsarbeit ha- Beispielsweise Chemnitz, Gera, Halle, Magde- ben bereits ergeben, dass migrantische Haus- burg oder Erfurt schrumpften ebenfalls. halte oft in besonderem Maße von den wirt- schaftlichen und sozialen Folgen des Lockdowns Im gesamten Jahr 2020 meldeten fast betroffen sind. Neben den finanziellen Belastun- 1.500 Personen weniger ihren Wohnsitz in Jena gen vor allem für Selbstständige und Beschäf- an als im Jahr zuvor.7 Dieser Rückgang konnte tigte im Dienstleistungssektor kommen in vielen besonders stark im Oktober beobachtet werden. Fällen Isolation und gravierende Nachteile im Dies dürfte mit massiven Einschränkungen im Bereich Bildung dazu, zum Beispiel für Schü- Studienbetrieb und dem geringeren Zuzug vor ler_innen oder Teilnehmende an Spracher- allem ausländischer Studierender zusammen- werbsformaten“.8 Das tatsächliche Ausmaß der hängen. Als Folge dessen verringerten sich vor Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die allem die Wanderungsgewinne gegenüber Integration von Migrant_innen wird sich jedoch Asien. erst in den nächsten Monaten tatsächlich erfas- sen lassen. Neben dem Bildungssektor, beeinträchtigte die Covid-19-Pandemie auch die wirtschaftliche 6 Corona selbst beeinflusste die Sterbefallzahlen nur bedingt. 7 Siehe „Jena verliert in einem Jahr 500 Einwohner. Einwohnerzahl sinkt im ersten Halbjahr erneut. Spannende Frage ist: Wie viele Studenten kommen im Herbst?“ in Ostthüringer Zeitung vom 03.07.2021 8 Siehe „Integrationskonzept 2020“ der Stadt Jena - 16 -
2.5 Ausländer_innen nach Aufenthaltszwecken Reist eine ausländische Person nach Deutsch- Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge land beziehungsweise Jena und möchte sich (BAMF) prüft die Anträge der Asylbewerber_in- dort länger aufhalten, so muss ein Antrag ge- nen. Die Anzahl der Jenaer Asylbewerber_in- stellt werden, um einen Aufenthaltstitel erhalten nen im Verfahren stieg von 36 Personen im zu können.9 Von dieser Regelung ausgenom- Jahr 2012 auf 529 Personen im Jahr 2015 deut- men sind Bürger_innen aus einem EU-Mitglied- lich an und sank 2020 auf 237 Personen (siehe staat oder einem anderen Mitgliedstaat des Eu- Abb. 12 und Anhang Abb. 5). Nach der Bearbeitung ropäischen Wirtschaftsraums sowie Diplomaten erhalten Asylbewerber_innen entweder einen – für sie gilt die Freizügigkeit. positiven oder negativen Bescheid. Den Ergeb- nissen nach stieg im Jahr 2020 auch die Anzahl RECHTLICHER STATUS VON ASYLBEWER- abgelehnter Asylbewerber_innen und damit ge- BER_INNEN IN JENA duldeter oder ausreisepflichtiger Auslän- der_innen auf 188 Personen. In der Jahres- Jeweils im Dezember eines Jahres waren in den summe haben 2020 37 Personen, die durch Ab- letzten elf Jahren in Jena durchschnittlich lehnung oder Rücknahme der Asylanträge aus- rd. 690 Anträge in Bearbeitung (siehe reisepflichtig geworden sind, die Stadt verlassen. Abb. 12). Den Antrag auf eine Aufenthaltserlaub- Im Jahr zuvor waren es 48 Personen. Weitere nis müssen Studierende, die aus einem Nicht- 14 Personen haben durch einen Erfolg vor der EU-Land kommen, stellen. Indem häufig im Ok- Thüringer Härtefallkommission den Status „aus- tober das Studium begonnen wird, nimmt im reisepflichtiger abgelehnter Asylbewerber“ verlo- Zeitverlauf eines Jahres zu jedem Wintersemes- ren. Abgeschoben wurden 2020 insgesamt 3 ter die Anzahl zu. Zudem stieg mit dem stärke- Personen und im Jahr zuvor waren es 9 Perso- ren Zuzug von Geflüchteten im Jahr 2015 die nen. Anzahl durch Verzögerungen bei der Antragsbe- arbeitung kurzfristig auf 1.215 Anträge an. ABB. 12 AUSLÄNDER_INNEN NACH AUFENTHALTSZWECK absolut mit befristetem 7.000 Aufenthalt 6.053 6.033 6.000 5.726 5.372 mit unbefristetem 5.000 Aufenthalt 4.726 3.855 3.999 4.000 3.741 3.438 mit aktuellen Anträgen 3.273 3.239 (in Bearbeitung) 3.000 2.674 2.889 2.275 2.419 2.134 2.872 2.912 2.000 2.479 Asylbewerber_innen im Verfahren 1.873 2.040 2.149 1.215 589 819 967 881 855 1.000 494 521 468 314 529 510 322 317 280 237 435 115 148 188 abgelehnte oder 21 36 29 63 53 133 79 131 109 geduldete 0 Asylbewerber_innen/ ausreisepflichtige ‚ Ausländer_innen Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou 9 In Deutschland werden die Einreise und der Aufenthalt im Wesentlichen im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ge- regelt. Der Aufenthalt von Ausländer_innen wird in Form und Dauer immer an einen Aufenthaltszweck gebun- den. - 17 -
Asylbewerber_innen mit einem positiven Be- Ausländer_innen, die eine Niederlassungser- scheid erhalten in aller Regel zunächst eine be- laubnis erhalten, können sich unbefristet in fristete Aufenthaltserlaubnis.10 Aufgrund der Deutschland aufhalten. Dies traf in Jena Ende Bearbeitungszeit erfolgte der Anstieg zeitlich 2018 auf 3.999 Ausländer_innen, rd. 35 % aller versetzt erst im Jahr 2016. Ende 2020 waren in Ausländer_innen, zu; 2010 waren es noch unge- Jena 6.033 Ausländer_innen mit einer befriste- fähr 1.600 Personen weniger. Unter ihnen sind ten Aufenthaltserlaubnis gemeldet, darunter fast zwei Drittel EU-Bürger_innen, Schweizer_in- 2.086 Personen (35 %) aus humanitären bezie- nen oder ihre Familienangehörigen. Auch die hungsweise politischen Gründen (siehe Abb. 12 Anzahl der übrigen Ausländer_innen mit einer und Abb. 13). Weiterhin stieg die Anzahl der aus Niederlassungserlaubnis ist auf 1.165 Personen familiären Gründen zugezogenen Ausländer_in- gestiegen. Darunter zählen auch nach Jena ge- nen auf 1.255 Personen, was unter anderem auf flüchtete Personen, die zuvor eine befristete Auf- den Familiennachzug zurückzuführen ist. Im Er- enthaltserlaubnis erhalten hatten und nach einer gebnis kamen aus der Gruppe der Ausländer_in- bestimmten Zeit und anhand gewisser Kriterien nen mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis inzwischen eine Niederlassungserlaubnis be- schätzungsweise zwei Drittel ohne einen Flucht- kommen haben. Ausländer_innen, darunter so- kontext nach Jena. Neben den Geflüchteten stel- genannte Konventionsflüchtlinge (Anerkennung len die Studierenden und Auszubildenden mit gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention), kön- 32 % eine größere Gruppe dar. Auch wenn der nen aus humanitären oder politischen Gründen Anteil im Jahr 2010 bei 46 % lag, ihre Anzahl ist direkt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis er- deutlich von 861 Personen auf 1.909 Personen halten – ihre Anzahl ist in Jena jedoch in den im besagten Zeitraum angestiegen. Absolut be- letzten neun Jahren auf 365 Personen leicht ge- trachtet wuchs auch die Anzahl der Erwerbstäti- sunken. gen und auch bezogen auf alle Personen mit ei- ner befristeten Aufenthaltserlaubnis stieg der An- teil auf 13 %. ABB. 13 AUSLÄNDER_INNEN MIT BEFRISTETER AUFENTHALTSERLAUBNIS 2010 UND 2020 2010 2020 9% Studium oder Ausbildung 32% Erwerbstätigkeit 35% 46% 33% familiäre Gründe humanitäre, politische Gründe 13% 12% 21% ‚ Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou 10 Eine Aufenthaltserlaubnis gilt je nach Herkunft und entsprechenden Umständen entweder drei Jahre oder ein Jahr, in der Regel aber immer mindestens ein Jahr (vgl. BAMF: Ablauf eines Asylverfahrens, Stand Oktober 2016). - 18 -
3 Soziale und sozioökonomische Merkmale Migrant_innen bewirken eine Verjüngung der Bildungseinrichtungen und auf den Arbeitsmarkt Jenaer Bevölkerung. Die Migration wirkt sich so- aus. mit auf die Situation in sozialen Einrichtungen, 3.1 Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, in den Kindertagesein- richtungen MEHR KINDER, DEREN HERKUNFTSSPRA- Aufgrund einer Software-Umstellung wurden CHE NICHT DEUTSCH IST 2019 einmalig weniger Kinder mit nicht-deut- scher Herkunftssprache erfasst. Der Integrationsprozess beginnt bereits im Kin- desalter, weshalb hier auch die Entwicklungen in Die Bedeutung des Themas Migration hat in den den Kindertageseinrichtungen analysiert werden. letzten Jahren zugenommen, denn in den Informationen zum Integrationsverlauf liegen Jenaer Kindertageseinrichtungen stieg der Anteil nicht vor, jedoch existieren Angaben zu den An- der Kinder, deren Herkunftssprache nicht zahlen der Kinder in Jenaer Kindertageseinrich- Deutsch ist von 7,8 % im Jahr 2009 auf 14,3 % tungen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch im Jahr 2020 (siehe Abb. 14). Damit verändern ist beziehungsweise die einen Migrationshinter- sich die Anforderungen an die frühkindliche Er- grund aufweisen. Wichtig ist an dieser Stelle, ziehung und Bildung. dass bei der Schul- sowie Kinder- und Jugend- hilfestatistik von einem Migrationshintergrund Absolut betrachtet waren Ende 2020 insgesamt gesprochen wird, wenn in der Familie oder im 846 Kinder mit Migrationshintergrund in den Ein- häuslichen Umfeld des Minderjährigen nicht vor- richtungen gemeldet. Seit 2009 nahm die Anzahl rangig „deutsch“ gesprochen wird. Diese Angabe pro Jahr um durchschnittlich 46 Kinder zu, was wird bei der Anmeldung des Kindes erfasst. insgesamt einem Anstieg um 145 % entspricht. Bildung und Arbeit als Grundvoraussetzung für eine gelingende Integration Migrant_innen und darunter Ausländer_innen Darüber hinaus findet an der Universität und an sind im Durchschnitt jünger als Deutsche ohne der Hochschule verstärkt ein internationaler Wis- Migrationshintergrund. Da ihre absolute Zahl und senstransfer statt. Ausländische Studierende ihr prozentualer Anteil in den letzten Jahren zu- und Forschende sind jedoch überwiegend zeit- FAZIT genommen haben, gewinnt dieses Thema in den lich befristet in Jena. Kindertages- und Bildungseinrichtungen an Be- Auf dem Arbeitsmarkt ist die Stellung der Aus- deutung. Räumlicher Schwerpunkt ist der Pla- länder_innen ungünstiger als die der Deutschen nungsraum Lobeda mit einem überdurchschnitt- – sie sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen lich hohen Anteil an ausländischen Schüler_in- und folglich abhängig von sozialen Leistungen. nen und entsprechenden Erfahrungen. Aufgrund des Mengeneffektes stieg allerdings ihre Bedeutung auf dem Arbeitsmarkt. - 19 -
ABB. 14 KINDER IN KINDERTAGESEINRICHTUNGEN, DEREN HERKUNFTSSPRACHE NICHT DEUTSCH IST Kinder mit deutscher Herkunftssprache absolut Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist Anteil in % 6.000 Anteil Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist 40,0% 35,0% 5.000 5.213 5.057 4.990 4.919 4.918 4.833 4.787 30,0% 4.678 4.534 4.396 4.000 4.195 4.074 25,0% 3.000 20,0% 14,3% 13,2% 15,0% 11,7% 12,2% 2.000 9,1% 9,6% 10,4% 7,8% 8,1% 7,8% 7,9% 7,8% 10,0% 1.000 749 725 846 572 661 389 396 477 515 5,0% 345 370 374 0 0,0% 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Datengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou 3.2 Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist Nach Angaben des Thüringer Ministeriums für Dies kann nicht über eine unterschiedliche Al- Bildung, Jugend und Sport gehen im Schuljahr tersstruktur erklärt werden. Mit Blick auf die 2019/2020 fast 10.000 Schüler_innen in ausge- Grundschulen liegt den Ergebnissen von Migra- wählte Jenaer Schulen11, darunter 12 % bezie- Pro zufolge seit 2016 in Jena der Anteil der Kin- hungsweise fast 1.200 Personen mit nicht-deut- der im Grundschulalter (6 bis unter 10 Jahre) an scher Herkunftssprache.12 allen Kindern im schulfähigen Alter (6 bis unter 18 Jahren) bei 37 %. Im Vergleich dazu fällt der SCHÜLER_INEN IN DEN SCHULARTEN UN- Anteil unter den Schüler_innen mit 38 % im TERSCHIEDLICH STARK REPRÄSENTIERT Schuljahr 2019/2020 geringfügig höher aus. Im Vergleich dazu lag der Anteil im Schuljahr zuvor Eine Auswertung nach der Schulart ergibt, dass bei 41 %. Ob dies der Beginn eines neuen die Jenaer Schüler_innen zu 38 % eine Grund- Trends ist und inwieweit dies auf den Wegzug schule und zu 31 % eine Gemeinschaftsschule junger Familien mit Migrationshintergrund zu- besuchen, aber nur 18 % Gymnasium (siehe sammenhängt, kann angesichts der kurzen Zeit- Abb. 15). reihe derzeit nicht umfassend beurteilt werden. Dies gilt es in den nächsten Jahren weiter zu be- Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht obachten. Deutsch ist, sind in den Grundschulen tendenzi- ell über- und auf den Gymnasien tendenziell un- Die leicht erhöhte Präsenz der Schüler_innen, terrepräsentiert. deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, könnte auf unterschiedliche Fähigkeiten – 11 Die Schüler_innenzahlen an Berufs- und Privatschulen wurden in dieser Statistik nicht erfasst. 12 Nach den Ergebnissen von MigraPro waren Ende 2020 insgesamt 1.937 Personen im Alter von 6 bis unter 18 Jahren in Jena gemeldet. Auch unter der Berücksichtigung, dass nicht alle Kinder und Jugendliche mit Mig- rationshintergrund in Jena zur Schule gehen, fallen die Anzahlen in der Schul- sowie Kinder- und Jugendhil- festatistik geringer aus. - 20 -
insbesondere Sprachkenntnisse – und Möglich- Erfahrungen mit der Beschulung von Kindern keiten der Kinder und Jugendlichen zurückzufüh- nicht-deutscher Herkunftssprache. ren sein. Nach den Ergebnissen von MigraPro wohnen Weiterführend kommen die Zugangsbedingun- 44 % der 6- bis unter 18-jährigen Migrant_innen gen für Gymnasien – darunter vor allem das Er- in Lobeda; ebenfalls 42 % der Schüler_innen mit lernen von Fremdsprachen – für einen Teil der nicht-deutscher Herkunftssprache gehen dort zur Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht Schule. Die annähernd gleichen Anteile weisen Deutsch ist, erschwerend hinzu. Wie hoch eine darauf hin, dass es im Saldo in Lobeda nicht zu mögliche Sprachbarriere ausfällt, dürfte vor al- einer zusätzlichen Konzentration im Bildungsbe- lem von der Wohndauer der Kinder und Jugend- reich kommt. lichen in Jena oder einer anderen Gemeinde in Deutschland abhängen. Im Gegensatz dazu wird vermutet, dass ein Teil der Lobedaer Kinder eine Grundschule in Win- STEIGENDER FÖRDERUNGSBEDARF zerla besuchen. Denn in Winzerla sind 11 % der 6- bis unter 18-Jährigen Migrant_innen, während Für die Verbesserung der sprachlichen Fähigkei- 16 % der Schüler_innen mit nicht-deutscher Her- ten sieht das Thüringer Schulgesetz Angebote kunftssprache dort zur Schule geht. an den Schulen vor.13 Diese werden je nach Be- darfslage als unterschiedliche Maßnahmen um- In den Planungsräumen West/Zentrum, Winzerla gesetzt. Die Anzahl dieser Maßnahmen ist laut und Nord liegen die Anteile nicht-deutscher dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend Schüler_innen an allen Schüler_innen bei je- und Sport trotz Corona gegenüber dem Vorjahr weils rd. 12 %. Dies entspricht in etwa dem ge- weiter angestiegen. samtstädtischen Durchschnitt. Der Planungsraum Nord weist einen unterdurch- LOBEDA ALS RÄUMLICHER SCHWERPUNKT schnittlichen Anteil auf (6 %). Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, Im Zeitverlauf nahm der räumliche Fokus in Lo- welche Schulen die Schüler_innen mit nicht- beda etwas ab, obwohl zum Schuljahr deutscher Herkunftssprache besuchen. Das 2019/2020 dort eine neue Gemeinschaftsschule räumliche Muster hängt dabei zum einen von gegründet wurde. Insbesondere in West/Zent- den Schulstandorten und den jeweiligen Bil- rum und Winzerla gehen inzwischen mehr Kin- dungsprofilen ab und zum anderen von den der mit nicht-deutscher Herkunftssprache zur Wohnstandorten der Schüler_innen. Im Ergebnis Schule. wird der Planungsraum Lobeda als Schwer- punktraum deutlich (siehe Abb. 15). Gleichzeitig GRÖßTENTEILS POSITIVE BEWERTUNG nahm dort seit 2016 die Anzahl der Schüler_in- DES DEUTSCHEN SCHULSYSTEMS nen mit nicht-deutscher Herkunftssprache über- durchschnittlich stark zu. Einerseits gehen die Die Hälfte der 2020 befragten Migrant_innen, meisten Schüler_innen, deren Herkunftssprache welche sich eigenen Angaben nach gut im deut- nicht Deutsch ist, in Lobeda zur Schule schen Schulsystem auskennen, sagen, dass (496 Schüler_innen, beziehungsweise 42 %) Kinder aus anderen Ländern (überhaupt) nicht und andererseits liegt dort der Anteil der Schü- benachteiligt werden. Diese Einschätzung fällt ler_innen mit nicht-deutscher Herkunftssprache bei Personen aus Ost und Ortschaften positiver an allen Schüler_innen am höchsten (16 %). und bei Personen aus West/Zentrum und Win- Einzelne Schulen verfügen dort über langjährige zerla negativer aus. 13 Vorkurse zielen auf die Alphabetisierung sowie die Vermittlung von Grundkenntnissen der deutschen Sprache gemäß A 1. Im Grundkurs geht es um Deutschkenntnisse gemäß B 1 sowie um eine Hinführung zu Fachspra- chen. Der Aufbaukurs vermittelt Deutschkenntnisse gemäß B 2 sowie Grundkenntnisse in Fach- und Bil- dungssprachen (weitere Informationen siehe Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport). - 21 -
ABB. 15 SCHÜLER_INNEN, DEREN HERKUNFTSSPRACHE NICHT DEUTSCH IST, SCHULJAHR 2019/2020 ‚ Datengrundlage: Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (Stichtag 03.05.2020) Kartengrundlage: Stadt Jena Darstellung und Berechnungen: Timourou 3.3 Ausländische Studierende an Universität und Hochschule Möchte ein Studierender aus dem Ausland ent- Im Wintersemester 2020/2021 waren insgesamt weder an der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) 22.398 Personen immatrikuliert. oder an der Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) in Jena studieren, so wird dies von den jeweiligen Bisher konnte der Rückgang auf weniger deut- Einrichtungen erfasst und veröffentlicht. Anga- sche Studierende zurückgeführt werden. Gleich- ben über deutsche Studierende mit Migrations- zeitig hat sich die Anzahl der ausländischen Stu- hintergrund liegen nicht vor. Der Erfassung lie- dierenden mehr als verdoppelt, was den Rück- gen unterschiedliche Stichtage zugrunde: Bei gang jedoch nicht ausgleichen konnte. der FSU zählt der 31.10. und bei der EAH der 4., 5. oder 6.11. eines Jahres. Im Wintersemester 2020/2021 kehrte sich diese Situationn um: Während die Anzahl deuscher WIEDER MEHR STUDIERENDE IN JENA Studierende zunahm, sank die der ausländi- schen Studierenden etwas. Dies führte zu einem Generell hat die Gesamtzahl der Studierenden leichten Rückgang des Anteils ausländischer bis zum Wintersemester 2018/219 stetig abge- Studierende auf 16 %, während in den Jahren nommen. Im Wintersemester 2019/2020 konnte die EAH bereits einen leichten Anstieg der Stu- dierendenzahlen verzeichnen und ein Jahr spä- ter darüber hinaus auch die FSU. - 22 -
zuvor ein deutlicher Anstieg verzeichnet wurde UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DER EAH UND (siehe Abb. 16).14 FSU Diese Umkehr wird höchstwahrscheinlich mit der Besonders stark nahm in den letzten Jahren die Covid-19-Pandemie zusammenhängen: Auf der Anzahl ausländischer Studierender an der EAH einen Seite begannen Ausländer_innen seltener zu. Folglich liegt aktuell der Anteil an Auslän- ein Studium in Jena und gleichzeitig gingen un- der_innen mit 23 % bei der EAH höher als mit ter Umständen ausländische Jenaer Studierende 15 % bei der FSU; absolut betrachtet ist es je- früher als ursprünglich geplant ins Herkunftsland doch umgekehrt. zurück. Auf der anderen Seite ist es wahrschein- lich, dass mehr (deutsche) Studierende ange- An der EAH studiert fast die Hälfte der Auslän- sichts der erschwerten Lernbedingungen und der_innen den Studiengang SciTec (Präzision- der unsicheren Arbeitsplatzaussichten ihren Stu- Optik-Materialien-Umwelt). Deutsche Studie- dienabschluss verschoben haben. rende wählen diesen Studiengang nur zu 22 %. Die Studienfachwahl an der FSU ist bei den aus- Darüber hinaus ist es denkbar, dass durch das ländischen Studierenden deutlich variabler – ge- Format des Online-Studiums ein Teil der immat- wählt werden sowohl Fächergruppen der Mathe- rikulierten Studierenden nicht in Jena gewohnt matik/Naturwissenschaften als auch der Rechts-, hat, zumal aufgrund der pandemiebedingten Ein- Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften. reisebeschränkungen visapflichtigen ausländi- Jeweils kommen die meisten Studierenden aus schen Studierenden nur nach Vorlage eines Asien nach Jena (EAH 73 % und FSU 57 %) "Physical Presence Statements" der deutschen (siehe Abb. 17). An der EAH sind allerdings in Hochschule die Möglichkeit zur Visabeantragung erster Linie Studierende aus Indien und an der eingeräumt wurde. FSU aus China eingeschrieben. Studierende aus europäischen Ländern nehmen hingegen etwas ab. ABB. 16 ENTWICKLUNG DER ANZAHL DER AUSLÄNDISCHEN STUDIERENDEN Deutsche an der FSU Deutsche an der EAH Ausländer_innen an der FSU Ausländer_innen an der EAH Anteil Ausländer_innen Studierende Anteil Ausländer_innen 40.000 17% 18% 16% 16% 35.000 15% 16% 14% 13% 14% 30.000 12% 255 249 262 12% 344 10% 25.000 1.334 1.477 406 514 1.586 1.776 1.994 603 741 841 978 1.017 1.079 10% 4.713 4.511 4.436 4.261 2.177 2.264 20.000 2.336 2.390 2.583 2.517 7% 4.193 2.478 7% 4.012 3.878 3.807 8% 6% 9% 3.672 3.616 3.589 3.724 15.000 6% 19.267 19.173 18.760 17.913 17.042 16.078 15.540 10.000 15.236 15.140 14.933 14.701 14.574 4% 5.000 2% 0 0% 2009/ 2010/ 2011/ 2012/ 2013/ 2014/ 2015/ 2016/ 2017/ 2018/ 2019/ 2020/ 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Wintersemester Datengrundlage: Friedrich-Schiller-Universität und Ernst-Abbe-Hochschule Darstellung und Berechnungen: Timourou 14 Im Vergleich dazu lag der Anteil ausländischer Studierender beispielsweise in Göttingen 2016 bei 13 %, die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster wies 2015 rd. 8 % auf. - 23 -
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