Mitbestimmungsrecht nutzen! - EU-Wahl - Österreichischer Behindertenrat

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Mitbestimmungsrecht nutzen! - EU-Wahl - Österreichischer Behindertenrat
EU-Wahl

Mitbestimmungsrecht nutzen!
Wahl des Europäischen Parlaments 2019			                                                      Von Gudrun Eigelsreiter

V
      on 23. bis 26. Mai 2019 wird das Europäische           von Menschen mit Behinderungen als Ziel vorgesehen.
      Parlament in allen EU-Mitgliedsstaaten neu ge-         Unter zwei Bedingungen werden finanzielle Mittel aus
      wählt. Die Wahlen zum Europäischen Parlament fin-      dem Fonds an Projekte in den Mitgliedsstaaten vergeben:
den alle 5 Jahre statt. Das EU-Parlament ist die einzige     sie müssen nach den Prinzipien der Nicht-Diskriminierung
europäische Institution, sowie supranationale Orga-          und Barrierefreiheit ausgerichtet sein. Die finanziellen
nisation, die von den EU-BürgerInnen direkt gewählt          Mittel des ESF sollen auch die Inklusion in den Arbeits-
wird und nimmt damit weltweit eine Vorbildfunktion in        markt unterstützen. In Österreich gibt es viele kofinan-
Sachen Demokratie ein.                                       zierte Arbeitsmarktprojekte für Menschen mit Behin-
                                                             derungen, wie beispielsweise das Netzwerk beruflicher
Wer darf wählen?                                             Assistenz (NEBA).
In Österreich dürfen alle Menschen ab 16 Jahren mit
österreichischer Staatsbürgerschaft oder EU-BürgerInnen      EDF-Manifest
mit Hauptwohnsitz in Österreich an nationalen und            Das EDF hat beim 4. Europäischen Parlament der Men-
europäischen Wahlen teilnehmen, auch Menschen mit            schen mit Behinderungen im Dezember 2017 im Hinblick
Behinderungen. Es gibt die Möglichkeit per Wahlkarte         auf die nächsten EU-Wahlen ein Manifest beschlossen,
zu wählen sowie durch „fliegende Wahlkommissionen“,          das folgende Punkte enthält:
die z.B. bettlägerige Personen aufsuchen. In vielen
EU-Mitgliedsstaaten wird Menschen mit Behinderungen          1. Barrierefreie und inklusive europäische Wahlen
jedoch ihr Recht, an politischen Wahlen teilzunehmen,           mit barrierefreien Wahllokalen und barrierefreien
verwehrt. Laut Ergebnis einer aktuellen Studie des              Wahlinformationen
Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses dürfen       2. Eine umfassende, neue „Europäische Behinderten-
Menschen mit Behinderungen in 16 EU-Mitgliedsstaaten            strategie 2021-2030“ mit eigenem Budget für die
nicht wählen. In 18 EU-Mitgliedsstaaten können blinde           Umsetzung von politischen Maßnahmen und Einbin-
Menschen sowie Menschen mit Sehbehinderungen nicht              dung von Menschen mit Behinderungen und ihrer
selbstständig wählen, da keine Wahlschablonen vorhan-           Organisationen
den sind und ihnen ein/e WahlassistentIn zur Verfügung       3. Eine Europäische Säule der Sozialen Rechte, welche
gestellt wird, die sie sich nicht selbst aussuchen können.      die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinde-
                                                                rungen und ihrer Familien verbessert.
EU und die UN-BRK                                            4. Ein barrierefreies Europa, z.B. durch Gesetze wie
Die EU und auch alle ihre Mitgliedsstaaten haben                den European Accessibility Act oder Schaffung eines
mittlerweile die UN-Konvention über die Rechte von              europaweit barrierefreien Transportsystems
Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) ratifiziert und          5. Ein Europa der Menschenrechte: dazu bräuchte es
sich somit auch zu ihrer Umsetzung verpflichtet. Aus            eine „horizontale Gleichstellungsgesetzgebung“ –
Artikel 29 UN-BRK geht klar hervor, dass die Teilhabe am        also Gleichstellung von Menschen mit Behinderun-
politischen und öffentlichen Leben für alle Menschen mit        gen als Querschnittsmaterie aller Politikbereiche.
Behinderungen gewährleistet werden muss.
                                                             Barrierefreie Wahlinformationen
Seit 2011 ist die UN-BRK innerhalb der EU in Kraft und       Barrierefrei zugängliche Informationen im Vorfeld von
ist somit der erste Menschenrechtsvertrag zu dessen Um-      Wahlen sind wichtig, um eine fundierte Wahlentschei-
setzung sich eine supranationale Organisation wie die        dung treffen zu können. Artikel 29 der UN-BRK über die
EU verpflichtet hat. Die „Europäische Behindertenstra-       „Teilnahme am politischen und öffentlichen Leben“ legt
tegie 2010-2020“ soll der Implementierung der UN-BRK         dar, dass die Vertragsstaaten Menschen mit Behinderun-
innerhalb der EU dienen. Auch die Europäischen Struk-        gen ihre politischen Rechte garantieren müssen. Dies
tur- und Investmentfonds, vor allem der ESF (Europäi-        schließt mit ein, Wahlmaterialien leicht verständlich und
scher Sozialfonds) haben die gesellschaftliche Inklusion     barrierefrei zugänglich zu gestalten.

12       www.behindertenrat.at
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Ausgabe 1/2019

                                                                                                              Foto: Pixabay

Warum wählen?                                              Welche Fraktionen kann man wählen?
Die EU-Parlamentswahl 2019 bestimmt, welche Abgeord-       Es gibt 8 Fraktionen im EU-Parlament. In folgenden
neten für die nächsten fünf Jahre das politische Gesche-   6 Fraktionen sind österreichische ParlamentarierInnen
hen in Europa beeinflussen. Die EU hat in Bereichen wie    vertreten: EVP (ÖVP), S&D (SPÖ), ALDE (NEOS), Grüne/
Binnenmarkt oder Sozialpolitik unmittelbaren Einfluss      EFA (die Grünen) und ENF (FPÖ).
auf die Gesetzgebung ihrer Mitgliedsstaaten und spielt
auch für die Beseitigung der Diskriminierung von           Die Disability Intergroup
Menschen mit Behinderungen schon lange eine                Die gesellschaftliche Inklusion von Menschen mit
bedeutende Rolle.                                          Behinderungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen
                                                           und Barrierefreiheit in all ihren Dimensionen (bauliche,
Jüngstes Beispiel dafür ist der European Accessibility     soziale, kommunikative) sicherzustellen, sind auch die
Act. Zu den Aufgaben des EU-Parlaments zählt auch die      Ziele der interfraktionellen Arbeitsgruppe Behinderung
Abstimmung über Gesetzesentwürfe der EU-Kommission         („Disability Intergroup“) des EU-Parlaments.
und etwaige Abänderung, die Kontrolle der EU-Kommis-       Der Österreichische Behindertenrat arbeitet gemeinsam
sion und des EU-Rats – beide Institutionen müssen dem      mit dem EDF daran, dass mehr EU-Parlamentarier sich
EU-Parlament Berichte über ihre Tätigkeiten vorlegen       dieser Disability Intergroup anschließen, um somit der
und die Wahl des EU-Kommissions-Präsidenten.               Einhaltung sowie Erweiterung der Rechte von Menschen
                                                           mit Behinderungen mehr Nachdruck zu verleihen.
Außerdem beschließt das EU-Parlament gemeinsam mit
dem EU-Rat das EU-Budget. Durch den Ausstieg Groß-         Das politische Mitbestimmungsrecht ist ein integraler
britanniens aus der EU wird es einen Einschnitt in den     Bestandteil einer Demokratie und das Recht aller
finanziellen Mitteln geben und es besteht das Risiko,      Bürgerinnen und Bürger, selbstverständlich auch von
dass das EU-Budget im sozialen Bereich gekürzt wird.       jenen 80 Millionen EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern die
Dies wird auch Auswirkungen auf Projekte und Maßnah-       mit Behinderungen leben.
men für Menschen mit Behinderungen haben. Deshalb          Um die Entwicklung in diese Richtung nachhaltig zu
ist es essentiell sich über die Positionen der EU-Par-     beeinflussen, ist es sehr wichtig, wählen zu gehen. 
laments Fraktionen zu informieren, beispielsweise zur
Sozialpolitik, und wählen zu gehen.

                                                                                      www.behindertenrat.at          13
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Die Positionen der KandidatInnen
Interviews zur EU-Wahl 2019			                                                    Von Gabriele Sprengseis und Heidemarie Egger

I
    m Februar und März 2019 fanden Interviews mit                       schriftlich. Mit diesen Gesprächen wurden die Positionen
    Kandidatinnen und Kandidaten aller zu diesem                        der Parteien zum Thema Behinderung im EU-Kontext
    Zeitpunkt zur Wahl stehenden Parteien statt. Grund-                 erfragt und auch wichtige Sensibilisierungsarbeit für das
sätzlich waren alle interessiert an einem Interview                     Thema Behinderung geleistet.
zum Thema Behinderung und nahmen sich die Zeit für                      Auf den folgenden vier Seiten finden Sie Antworten auf
ausführliche Gespräche. Herr Vilimsky musste das verein-                die fünf brennendsten aktuellen behindertenpolitischen
barte Gespräch aus gesundheitlichen Gründen absagen                     Fragen für Menschen mit Behinderungen zur EU-Wahl.
und übermittelte uns die Antworten auf unsere Fragen                    Die KandidatInnen kommen alphabetisch zu Wort. 

Gabriele Sprengseis und Claudia Gamon               Foto: Felix Egger   G. Eigelsreiter, A. Brandstetter, O. Karas   Foto: Michael Janoussek

Andreas Schieder und Gabriele Sprengseis    Foto: Michael Janoussek     Monika Vana und Herbert Pichler               Foto: Michael Janoussek

Harald Vilimsky    			                     Foto: Harald Vilimsky, FPÖ   J. Voggenhuber, G. Sprengseis, H. Pichler            Foto: Alex Böhm

                                                                                                       www.behindertenrat.at           15
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Claudia Gamon, NEOS        Foto: Felix Egger   Othmar Karas, ÖVP          Foto: Janoussek   Andreas Schieder, SPÖ      Foto: Janoussek

Frage 1: Derzeit wird an der nächsten EU Behindertenstrategie (2021-2030) gearbeitet.
Wie kann es zu einer starken EU Behindertenstrategie kommen?

Wie bei vielen anderen Bereichen               Nach der Neuwahl des EU-Parlaments           Die derzeitige Behindertenstrategie
in Europa wird eine Strategie erst             muss eine Kommissionsstrategie               läuft bis 2020 und spricht die richti-
dann wirksam, wenn konkrete und                beschlossen werden. Bei der Neuwahl          gen Punkte an. Bei einer Verlänge-
messbare Ziele gesetzt und mittels             des EU-Kommissionspräsidenten                rung bzw. bei einer neuen Strategie
Monitoring nachgewiesen werden.                muss eine der Forderungen des Parla-         geht es darum, wie Zugänglichkeit
Ein eigenes Budget ist dafür wichtig.          ments sein, dass er oder sie sich dazu       und Barrierefreiheit definiert werden
Das hat mit Wertschätzung zu tun.              erklärt. Die Kommissionsstrategie            und welche Möglichkeit der Umset-
"Es zeigt sich in Europa und auch              muss einerseits eine Umsetzungs-             zung geschaffen werden. "Zusätzlich
national, wenn kein Geld hinterlegt            stragie der UN-Behindertenrechts-            dazu ist Barrierefreiheit ein Quer-
ist, dann ist es schwierig, etwas wei-         konvention sein und andererseits die         schnittsthema und muss überall
ter zu bringen", stellt Gamon fest.           Sicht der Betroffenen selbst, einge-         mitgedacht werden", hält Schieder
                                               bracht durch das European Disability         fest. 
                                               Forum, berücksichtigen. 

Frage 2: Nach den Trilogverhandlungen steht nun ein Entwurf des European Accessibility Acts (EAA) fest.
Wie wollen Sie die Umsetzung des EAA unterstützen?

Es liegt nun an den nationalen                 "Menschen mit Behinderungen müs-             "Es ist gut, wenn es europäische
Politikerinnen und Politikern den              sen von den Vorteilen der Europäi-           Richtlinien und Standards gibt" hält
European Accessibility Act umzuset-            schen Union profitieren können, ge-          Schieder fest. Gerade bei der bau-
zen. "Es wäre schön, wenn Öster-               rade was die Produktanforderungen            lichen Barrierefreiheit geht es um
reich hier ein Best-Practice Land              oder die Barrierefreiheit betrifft"          Selbstbestimmung. Unternehmen
wäre", wünscht sich Gamon. Die                 hält Karas fest. Der nächste wichtige        sagen oft, Menschen mit Behinde-
persönliche Freiheit von jedem Men-            Schritt für den EAA ist, dass der eu-        rungen könnten anläuten und es
schen in Europa wird in der liberalen          ropäische Rat dieses Trilogergebnis          würde ihnen dann geholfen werden.
Fraktion sehr hoch geschätzt.                 beschließt. Durch die Einrichtung            Menschen mit Behinderungen wol-
                                               einer begleitenden Gruppe könnten            len diese Art von Angewiesenheit
                                               Vorschläge für die Umsetzung und             nicht. Dafür müsse Bewusstsein in
                                               für Verbesserungen eingebracht               der Gesellschaft geschaffen werden,
                                               werden.                                     fordert Schieder. 

16       www.behindertenrat.at
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Monika Vana, Die Grünen   Foto: Janoussek   Harald Vilimsky, FPÖ          Foto: FPÖ   Johannes Voggenhuber, Initiative 1
                                                                                      Europa (Liste Jetzt)       Foto: Alex Böhm

Frage 1: Derzeit wird an der nächsten EU Behindertenstrategie (2021-2030) gearbeitet.
Wie kann es zu einer starken EU Behindertenstrategie kommen?

Die Erfahrung mit diesen Strategien         Es ist notwendig, sich auf die wich-      Voggenhuber sieht den Weg zur
zeigt, dass es verbindliche Maßnah-         tigsten Problembereiche zu konzen-        Inklusion nicht nur in der Behinder-
men und ein Budget geben muss.              trieren, um Menschen mit Behinde-         tenstrategie. Der Rechtsweg steht
Viele Strategien klingen nur am             rungen einen ganzheitlichen Ansatz        ebenfalls offen, um im nationalen
Papier gut und es fehlt an Geld und         für die noch lange nicht abgeschlos-      Recht Verbindlichkeiten zu schaffen.
am Willen der Mitgliedsstaaten zur          sene Inklusion in der Gesellschaft        Anti-Diskrimnierung ist laut Voggen-
Umsetzung. "Es muss von Anfang              bieten zu können. "Ich erwarte mir        huber "eine relativ starke Rechts-
an Druck gemacht werden, nicht              nicht nur eine aktuelle Evaluierung,      ebene" und bis zum EuGH einklagbar.
nur was die Inhalte der Strategie,          sondern werde auch die zuständi-          "Es besteht die Möglichkeit Präze-
sondern auch was die verbindlichen          gen Kommissionsdirektionen bitten,        denzfälle zu schaffen. Die Kommission
Umsetzungsmaßnahmen anbelangt",             anhand einer Benchmarkanalyse alle        macht aus Präzedenzfällen dann
fordert Vana.                              2015 kritisierten Bereiche selbst zu      allgemeines Recht", zeigt Voggen-
                                            bewerten", plant Vilimsky.               huber einen weiteren Weg auf. 

Frage 2: Nach den Trilogverhandlungen steht nun ein Entwurf des European Accessibility Acts (EAA) fest.
Wie wollen Sie die Umsetzung des EAA unterstützen?

"Mit dem European Accessibility Act         Die FPÖ-Abgeordneten haben am             Barrierefreiheit sei für Menschen
wurde ein wichtiger Schritt vorwärts        14. September 2017 den im Fokus           mit Behinderungen essentiell, ist
gemacht, aber der EAA geht nicht            stehenden Bericht über Barriere-          Voggenhuber überzeugt. "Vieles, was
weit genug", ist Vana überzeugt.            freiheitsanforderungen für Produkte       ich da weiß, habe ich von Theresia
Das EU Parlament hätte eine pro-            und Dienstleistungen im Europäi-          Haidlmayr, mit der ich viele Jahre
gressivere Position gehabt und die          schen Parlament mitgetragen.              gemeinsam Politik gemacht habe.
Umsetzungsfristen seien zu lang,            "Darüber hinausgehend unterstützten       Sie war früher meine ganz persönli-
gibt Vana zu Bedenken. Die Mit-             wir Forderungen zur Schaffung einer       che Informationsquelle", berichtet
gliedstaaten haben blockiert. Jetzt         Folgenabschätzung, um zu verdeut-         Voggenhuber. 
muss darauf geachtet werden, dass           lichen, welche Stellen zusätzlichen
der European Accessibility Act auch         Handlungsbedarf bedürfen", berich-
von den Mitgliedstaaten umgesetzt           tet Vilimsky. 
wird. 

                                                                                              www.behindertenrat.at         17
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              Claudia Gamon                             Othmar Karas                              Andreas Schieder
              NEOS                                      ÖVP                                       SPÖ

Frage 3: Die von der EU Kommission initiierte EU-Disability Card (europäischer Behindertenpass) wird nur in 8
Ländern angeboten. Österreich ist nicht dabei. Wie stehen Sie zu dem Projekt eines europäischen Behindertenpasses?

Innerhalb der EU gibt es große           "Der europäische Behindertenpass           Bis jetzt gibt es den europäischen
Unterschiede, wie Behinderung defi-      muss kommen, am besten in allen            Behindertenpass in acht Ländern. Es
niert wird. "Der Europäische Behin-      Mitgliedsstaaten", fordert Karas und       fehlen noch die großen Länder und
dertenpass kann ein wichtiger erster     fände eine rasche Einführung in Ös-        auch die skandinavischen Länder.
Schritt dahin sein, allen EuropäerIn-    terreich erfreulich. Das Grundproblem      "Mir erscheint ein europäischer Be-
nen ihre Rechte zu garantieren", so      ist, dass es noch keine Anerkennung        hindertenpass sinnvoll", so Schieder.
Gamon. Die Personenfreizügigkeit         des Behindertenstatus zwischen den         Die EU gründet sich auf mehrere
für Menschen mit Behinderungen ist       Mitgliedsstaaten gibt. Daran müsse         Freiheiten, eines davon ist die Per-
in Europa nicht gegeben. Das sollte      gemeinsam gearbeitet werden, hält          sonenfreizügigkeit. Die Verankerung
eine prioritäre Herausforderung in       Karas fest.                               des Prinzips der Freizügigkeit gilt für
der nächsten Periode der EU sein.                                                  alle Menschen. 

Frage 4: Auf EU-Ebene gibt es kaum statistische Daten zu Menschen mit Behinderungen.
Wie kann das EU-Parlament die Sammlung statistischer Daten zu Menschen mit Behinderungen unterstützen?

                                                                                    Schieders Erfahrung ist, dass dort
"Wir sind grundsätzlich große            Das EU-Parlament hat im Februar            wo es gute Statistiken über Fra-
Fans einer evidenzbasierten Poli-        über die Verordnung zur Sammlung           gestellungen gibt, Diskussionen
tik und unterstützen das, immer          von statistischen Daten abgestimmt         sachlicher geführt werden. Oft ist
aber auch mit dem Fokus auf einen        und gezeigt, das es Daten zu Men-          die Verweigerung von Statistik der
ausreichenden Datenschutz" erklärt       schen mit Behinderungen sammeln            erste Schritt, um politische Maßnah-
Gamon. Auf einzelne Fälle sollen         will. Die Verhandlungen mit den            men zu verhindern. "Wenn es wenig
keine Rückschlüsse gezogen werden        Mitgliedsstaaten darüber stehen noch       statistisches Material über Menschen
können. Es wäre sinnvoll, wenn man       aus. "In den Mitgliedsstaaten muss         mit Behinderungen gibt, werden
die Behindertenstrategie mit Budget      nun Druck gemacht werden, dass             auch weniger politische Diskussionen
hinterlegt, um zu einer gemeinsa-        diese Verhandlungen rasch zu einem         darüber geführt, was zu tun ist",
men Datenbasis zu kommen.               Ergebnis führen", fordert Karas.          gibt Schieder zu bedenken. 

Frage 5: Momentan sind 18 Abgeordnete aus Österreich im EU-Parlament, nur einer ist Teil der Disability Intergroup
(Heinz Becker, EVP). Was können Sie tun, damit mehr ParlamentarierInnen der Intergroup beitreten?

Gamon kann sich sehr gut vorstel-        Mit der federführenden Mitglied-           Innerhalb der österreichischen
len, Teil der Disability Intergroup zu   schaft von Heinz Becker sei die ÖVP        Abgeordneten schaut man über die
sein. "Meine Mutter hat eine körper-     Delegation sehr gut vertreten, erklärt     Fraktion hinweg, dass alles, was für
liche Behinderung, dadurch bin ich       Karas. "Ich bin stolz darauf, die einzi-   Österreich wichtig ist, abgedeckt
etwas sensibilisiert. Ist man selber     ge in der Disability Group vertretene      wird. "Wir haben ein buntes Team,
direkt oder indirekt betroffen, än-      Delegation aus Österreich zu sein", so     alle haben unterschiedliche Erfah-
dert das die Sichtweise", so Gamon.      Karas. Becker sei nicht nur für sich,      rungshorizonte aus ihren bisherigen
Die Teilnahme in dieser Intergroup       sondern auch für die Delegation dort       politischen Tätigkeiten und bringen
sei jedoch etwas, das man innerhalb      und berichtet über die diskutierten        diese ein", erläutert Schieder. 
der liberalen Fraktion vereinbare,       Themen. So funktioniert die Arbeits-
schränkt Gamon ein.                     teilung innerhalb der Delegation. 

18       www.behindertenrat.at
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Ausgabe 1/2019

              Monika Vana                               Harald Vilimsky                          Johannes Voggenhuber
              Die Grünen                                FPÖ                                       Initiative 1 Europa
                                                                                                 (Liste Jetzt)

Frage 3: Die von der EU Kommission initiierte EU-Disability Card (europäischer Behindertenpass) wird nur in 8
Ländern angeboten. Österreich ist nicht dabei. Wie stehen Sie zu dem Projekt eines europäischen Behindertenpasses?

"Es ist beschämend, dass Österreich       Dieses Projekt widmet sich der           Ein europäischer Behinderten-
den europäischen Behindertenpass          Anerkennung und Wertschätzung            pass wäre wichtig. Die Fragen,
nicht hat" so Vana. Österreich ist lei-   von Menschen mit Behinderungen.          die sich hier stellen, betreffen die
der nicht Vorreiter in Sozialfragen,      Dennoch befürchteten einige Regie-       Standards. Wird es in jedem Land
obwohl das immer wieder behauptet         rungen die Geltendmachung uner-          dieselben Standards geben und wie
wird. Die Personenfreizügigkeit in        warteter sozialer Ansprüche durch        können diese aussehen? 
Europa werde dadurch für Menschen         EU-Bürger. "Ich würde es begrüßen,
mit Behinderungen möglich oder            wenn Österreich eine Teilnahme,
erleichtert und ein barrierefreier        nach einer transparenten Bewertung
Zugang zu insbesondere Kulturein-         des Pilotprojekts, in Erwägung ziehen
richtungen ist eminent wichtig.          würde", argumentiert Vilimsky. 

Frage 4: Auf EU-Ebene gibt es kaum statistische Daten zu Menschen mit Behinderungen.
Wie kann das EU-Parlament die Sammlung statistischer Daten zu Menschen mit Behinderungen unterstützen?

Für die Datenerhebung zu Men-             Das EU-Parlament kann der Kom-           Wenn man politisch handeln will,
schen mit Behinderungen ist die           mission durch Initiativberichte          hat man einen großen Bedarf an
Grundrechteagentur mit Sitz in Wien       vorschlagen, Menschen mit Behin-         Daten. "Wie sieht es bsw. mit dem
eine Anlaufstelle. Das europäische        derungen auch im statistischen           Wohlstandsgefälle innerhalb der
Parlament steht sehr geschlossen          Arbeitsprogramm zu inkludieren.          Gruppe von Menschen mit Behin-
hinter der Forderung, mehr Daten zu       "Leider kann ich Ihnen nicht sagen,      derungen aus und wie verändert
erheben, für mehr Vergleichbarkeit        wieso dies bislang nicht der Fall ist,   sich das?" fragt sich Voggenhuber.
in der EU. "So könnte europaweit          darf Ihnen aber versprechen mich         Für die Datenerhebung selbst ist
der Bedarf für Menschen mit Behin-        darüber zu erkundigen und einen          Datenschutz wichtig. Menschen mit
derungen erhoben werden", ist sich        dahingehenden Initiativbericht           Behinderungen sollten ein Mitspra-
Vana sicher.                             anzuregen", so Vilimsky.                cherecht dahingehend haben. 

Frage 5: Momentan sind 18 Abgeordnete aus Österreich im EU-Parlament, nur einer ist Teil der Disability Intergroup
(Heinz Becker, EVP). Was können Sie tun, damit mehr ParlamentarierInnen der Intergroup beitreten?

Vana gibt zu bedenken, dass Inter-        Vilimsky versichert, "auch als           "Ich unterstütze Sie auf jeder Schie-
groups zwar wichtige überparteiliche      Nicht-Mitglied dieser interfrakti-       ne, so wie ich kann. Ich bin gerne
Arbeitsgruppen sind, es gäbe jedoch       onellen Arbeitsgruppe, stets im          die Anlaufstelle für den Österreichi-
dutzende von Intergroups und viele        Interesse von Menschen mit Behin-        schen Behindertenrat. Was ich tun
Abgeordnete seien nur symbolisch          derungen zu handeln und dieses           kann, werde ich selbstverständlich
dort Mitglied. "Um auf Themen und         stille Engagement auch weiterhin         tun", betont Voggenhuber. 
Inhalte aufmerksam zu machen, ist         fortzusetzen." 
Aktionismus rund um Plenartage ein
ebenso nützliches Mittel," regt
Vana an. 

                                                                                          www.behindertenrat.at       19
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