Mobile Daten-nutzung in der Schweiz - Datenwachstum und Datenstau im mobilen Datennetz der Schweiz - 2010 bis 2021

Die Seite wird erstellt Silvester Mayer
 
WEITER LESEN
Mobile Daten-
nutzung in der
Schweiz
Datenwachstum und Datenstau im
mobilen Datennetz der Schweiz –
2010 bis 2021
Mai 2021
1   Zur Studie                         3

2   Die mobile Daten-Explosion         5
2.1 Exponentielle Entwicklung           5
2.2 Gesamte Last bei 4G LTE             7

3   Ländlicher Datenschub              9
3.1 Wachstum in die Breite              9
3.2 Kein digitaler Graben              11

4   Engpässe und Datenstau             15
4.1 Wettlauf gegen Datenstau           15
4.2 Grenzen der Kapazitätsausweitung   19

5   Effekte der Corona-Pandemie        22
5.1 Geglättete Nutzung                 22
5.2 Geographie des Lockdowns           24
IMPRESSUM
     Mobile Datennutzung in der Schweiz

             Auftraggeber_in: succèSuisse

Auftragnehmer_in: Sotomo, Dolderstrasse 24, 8032 Zürich.

     Autor_innen: Lorenz Bosshardt, Michael Hermann
Zur Studie
Für die meisten Menschen in der Schweiz gehört das
Smartphone schon lange zum Alltag. Dennoch nahm
die mobile Datennutzung im vergangenen Jahrzehnt
beinahe exponentiell zu. Während sich die Zahl der
Nutzerinnen und Nutzer von Smartphones seit 2010
verdreifacht hat, steigerte sich das mobile
Datenvolumen um Faktor 200. Dieses rasche
Wachstum führt zu einer immer stärkeren Belastung
des Antennennetzes und es führt, ähnlich wie beim
Strassenverkehr, zu Staugefahr. Stau im Datennetz
bedeutet, dass Verbindungen zeitverzögert aufgebaut
und Seiten weniger schnell geladen werden. Stau
heisst, dass Übertragungen stocken und Videos
einfrieren.
Erstmalige Analyse

In der vorliegenden Studie von Sotomo im Auftrag von succèSu-
isse wurde die Entwicklung der mobilen Datennutzung sowie
des Datenstaus erstmals umfassend und räumlich differenziert
untersucht und dargestellt. Für die Studie konnte auf die um-
fassende Datenbasis der Swisscom zurückgegriffen werden. Die
Swisscom besitzt im Mobilfunkbereich einen Marktanteil von
fast 60 Prozent und steht repräsentativ für den Mobilfunkmarkt
insgesamt.
Überbrücken des digitalen Grabens

Die Datenanalyse zeigt, dass in den Ballungsräumen zwar
insgesamt der grösste Bedarf an mobilen Daten besteht, die Da-
tennutzung hat jedoch in den vergangenen Jahren im ländlichen
Raum am stärksten zugenommen. Die mobile Datennutzung pro

                              3
Mobile Datennutzung in der Schweiz                        4

Kopf ist im untersuchten Netz im ländlichen Raum am grössten.
Gerade in eher peripheren Regionen mit einer weniger ent-
wickelten Netzinfrastruktur sind mobile Daten entscheidend
zum Überbrücken des digitalen Grabens.
Datenstau
Das stark wachsende mobile Datenvolumen muss heute haupt-
sächlich durch Kapazitätssteigerungen bestehender Zellen
gedeckt werden. Dieser Kapazitätsausbau auf Basis der be-
stehenden 4G-Technologie hat seinen Preis. Die Untersuchung
zeigt, dass je grösser die erbrachte Leistung einer Zelle, desto
eher kommt es dort zu Engpässen in der Datenübermittlung.
Die technischen Möglichkeiten der aktuellen Generation der
Mobilfunktechnologie sind zunehmend ausgeschöpft. Das be-
deutet Stau für alle, die diese Zellen nutzen. Interessant ist, dass
die Corona-Situation zwar nicht das Datenwachstum gebremst
hat, jedoch den Datenstau. Seit April 2020 verteilt sich aufgrund
der Präventionsmassnahmen die Bevölkerung gleichmässiger
über Zeit und Raum.
Grenzen der bestehenden Technologie
Mit dem Ende der Pandemie wird sich dies jedoch rasch wieder
ändern. Wie beim Strassenverkehr nehmen die Engpässe bei den
Mobilfunkdaten nicht linear mit der Belastung zu, sondern es
gibt Kipppunkte, die zu vom flüssigen Verkehr zum Stau führen.
Nur mit dem Einbezug der neuen Generation Mobilfunktechno-
logie 5G lassen sich die heute bestehenden, technisch bedingten
Grenzen der mobilen Datenübertagung soweit verschieben, dass
das Nachfragewachstum künftig keine flächengreifenden Eng-
pässe verursachen. Oder um beim Bild zu bleiben: Nur mit ei-
ner neuen Mobilfunkgeneration lässt sich ein mobiler Datenver-
kehrskollaps verhindern.
5                Mobile Datennutzung in der Schweiz

      Die mobile
    Daten-Explosion
    Für die meisten Menschen in der Schweiz gehört das
    Smartphone längst zum Alltag. Während der
    Mobilfunkmarkt weitgehend gesättigt ist, nimmt die
    mobile Datennutzung ungebremst zu. Im Vergleich zu
    2010 gibt es heute rund dreimal so viele Smartphones.
    Das mobile Datenvolumen hat in derselben Zeit jedoch
    um Faktor 200 zugenommen. Die dafür verwendete
    Technologie ist heute noch immer 4G LTE. Diese
    stammt aus einer Zeit, in der erst ein Zwanzigstel des
    heutigen Datenvolumens benötigt wurde.

               2.1. EXPONENTIELLE ENTWICKLUNG

    Als Steve Jobs Anfang 2007 das erste iPhone vorstellte, markier-
    te dies nicht nur eine technologische Revolution. Es katapultier-
    te das Smartphone aus dem Nischenmarkt, in dem es zuvor jah-
    relang verharrt hatte. 2010 verfügte bereits fast jede dritte er-
    wachsene Person in der Schweiz über ein Smartphone, heute
    sind es über 90 Prozent. Das heisst, die Zahl der Smartphones
    hat sich etwas mehr als verdreifacht. In derselben Zeit hat sich
    jedoch das mobile Datenvolumen, das über die Netze der Swiss-
    com rauf- und runtergeladen wird, um den Faktor 200 vergrö-
    ssert. Die sichtbare Verbreitung des Smartphones wird von ei-
    ner unsichtbaren Datenexplosion begleitet. Die Datenvolumen,
    die heute von einem Smartphone verarbeitet werden, sind we-
    sentlich grösser als noch vor 10 Jahren.
Mobile Datennutzung in der Schweiz                          6

          «Die sichtbare Verbreitung
          des Smartphones wird von
              einer unsichtbaren
          Datenexplosion begleitet.»
Veränderung Zahl der Mobiltelefone versus Mobildatenvolumen (Abb. 1)
Schweizweites Mobildatenvolumen im Januar 2010 im Vergleich zu Januar 2020

                 2020
                                                          2010                       2020
         2010

      Anzahl Smartphones                               Mobiles Datenvolumen

                Das Bedürfnis nach Anwendungen mit immer grösserem Daten-
                bedarf ist bis heute nicht gesättigt. Mit den neuen technologi-
                schen Möglichkeiten steigt auch die Nachfrage nach Daten für
                unterwegs. Wie Abbildung 2 zeigt, verlief das Wachstum der mo-
                bilen Datennutzung seit 2010 annähernd exponentiell. In den
                ersten Jahren nach 2010 verdoppelte sich die genutzte mobile
                Datenmenge alle 1,5 Jahre. Heute verdoppelt sich das nachge-
                fragte Datenvolumen alle 2 bis 2,5 Jahre. Das heisst konkret, dass
7                                        Mobile Datennutzung in der Schweiz

                     die Swisscom und die anderen Mobilfunkanbieter in dieser Zeit-
                     spanne die Leistung ihrer Antennen-Infrastruktur in der gesam-
                     ten Schweiz jeweils verdoppeln müssen.

Indexierte Entwicklung des monatlichen Datenvolumens seit 2010 (Abb. 2)
Durchschnittliches Mobildatenvolumen (Uplink/Downlink) pro Monat in Prozent seit Januar 2010
                1.1 J.          1.4 J.    0.6 J.   1.3 J.    1.2 J.      1.3 J.            2.5 J.

    24000%

    22000%

    20000%

    18000%

    16000%

    14000%

    12000%

    10000%

    8000%

    6000%

    4000%

    2000%

       0%
         2010            2011     2012    2013     2014     2015      2016        2017   2018       2019   2020   2021

                                         2.2. GESAMTE LAST BEI 4G LTE

                     Bis ins Jahr 2014 war der wichtigste Träger für mobile Daten in
                     der Schweiz die 3G-Technologie. Seither dominiert die 4G-LTE-
                     Technologie. Mit dem Jahresbeginn 2015 erfolgte zwei Drittel
                     des Datenverkehrs via 4G. Seit mehr als fünf Jahren spielt die 3G-
                     Technologie nur noch eine marginale Rolle und der überwiegen-
                     de Teil der Daten werden über 4G verbreitet. Seit 2019 arbeiten
                     die ersten Zellen von Swisscom mit der neusten Generation der
                     5G-Technologie. Aufgrund aktueller gesetzlicher Auflagen und
                     Grenzwerte spielt diese Technologie weiterhin nur eine unterge-
                     ordnete Rolle. Die wachsenden Datenvolumen werden von einer
Mobile Datennutzung in der Schweiz                                   8

                                        Technologie übertragen aus einer Zeit, als erst ein Zwanzigstel
                                        des heutigen Datenvolumens benötigt wurde.

Entwicklung des Datenvolumens nach Technologie (Abb. 3)
Mobildatenvolumen (Uplink/Downlink) pro Woche seit Januar 2010 nach Mobilfunktechnologie

                            1.5e+07

                            1.0e+07
 Datenvolumen in Gigabyte

                                                                                                                        5G
                                                                                                                        4G
                                                                                                                        3G
                                                                                                                        2G

                            5.0e+06

                            0.0e+00

                                 2010     2011   2012    2013   2014   2015   2016   2017   2018   2019   2020   2021

                                  «Mobile Daten werden von
                                      einer Technologie
                                 übertragen aus einer Zeit, als
                                   erst ein Zwanzigstel des
                                   heutigen Datenvolumens
                                      benötigt wurde.»
9               Mobile Datennutzung in der Schweiz

            Ländlicher
            Datenschub
    Der grösste Bedarf an mobilen Daten besteht in den
    grossen Ballungsräumen. Das grösste relative
    Wachstum mobiler Datennutzung fand in den
    vergangenen Jahren jedoch im ländlichen Raum statt.
    Die Nutzung mobiler Daten pro Kopf ist heute im
    Swisscom-Netz im ländlichen Raum am grössten. Es
    zeigt sich kein digitaler Graben, sondern vielmehr wird
    deutlich, dass in ländlichen Gebieten mit einer
    weniger entwickelten Netzinfrastruktur mobile Daten
    heute besonders wichtig sind.

                 3.1. WACHSTUM IN DIE BREITE

    Während die Entwicklung des gesamten von der Swisscom
    transportierte mobile Datenvolumen bis ins Jahr 2010 zurück-
    verfolgt werden kann, liegen Daten für die einzelnen Zellen
    des Swisscom-Antennennetzes seit Mitte 2017 vor. In dieser
    relativ kurzen Zeitspanne von 3,5 Jahren zeigen sich markante
    Entwicklungen im Raum. Abbildung 4 zeigt die Antennenstand-
    orte des Swisscom-Mobilfunknetzes. Dabei ist für den ersten
    und den letzten verfügbaren Monat das durchschnittliche
    Tages-Downlink-Volumen dargestellt.
Mobile Datennutzung in der Schweiz                                               10

Mobiles Datenvolumen pro Zelle des Swisscom-Netzes (Abb. 4)
Durchschnittliches Tages-Downlink-Volumen pro Monat und Zelle – Vergleich zwischen Juni 2017 und Dezember 2020

   Juni 2017                                               Dezember 2020

               Das an einem Ort benötigte Datenvolumen hängt wesentlich von
               der Bevölkerungsdichte ab. Je mehr Personen, desto mehr po-
               tenzielle Nutzerinnen und Nutzer. Für die Karten in Abbildung
               5 wurde der Verbrauch an mobilen Daten auf die rund 2200
               Gemeinden der Schweiz umgelegt. Dargestellt ist das Downlink-
               Volumen pro Quadratkilometer. Die Karte zeigt die Regionen
               der Schweiz, an denen sich viele Menschen bewegen. Neben
               den städtischen Zentren gehören dazu auch die wichtigsten
               Verkehrskorridore. In den dreieinhalb Untersuchungsjahren
               sind die Zonen intensiver Datennutzung über die städtischen
               Zentren hinausgewachsen.

            «Die Zonen intensiver
          Datennutzung sind über die
             städtischen Zentren
             hinausgewachsen.»
11                              Mobile Datennutzung in der Schweiz

Mobiles Datenvolumen pro Gemeindefläche (Abb. 5)
Durchschnittliches Tages-Downlink-Volumen pro Monat und Gemeindefläche – Vergleich zwischen Juni 2017 und Dezem-
ber 2020
             Juni 2017

                                                                                                                                                            100

                                                                                                                                                            90

                                                                                                  Durchschnittliches mobiles Tagesvolumen [GByte] pro km²
                                                                                                                                                            80

                                                                                                                                                            70

                                                                                                                                                            60

             Dezember 2020                                                                                                                                  50

                                                                                                                                                            40

                                                                                                                                                            30

                                                                                                                                                            20

                                                                                                                                                            10

                                   3.2. KEIN DIGITALER GRABEN

             Die intensivste Nutzung mobiler Daten pro Raumeinheit er-
             folgt typischerweise im städtischen Raum. Dennoch kann von
             einem digitalen Graben nicht die Rede sein. Wird die Datennut-
             zung nicht pro Flächeneinheit, sondern pro Einwohnerin und
             Einwohner gerechnet, war die räumliche Verteilung der Da-
Mobile Datennutzung in der Schweiz                                                                                                              12

             tennutzung 2017 zumindest über das Swisscom-Netz räumlich
             weitgehend ausgeglichen.

Mobiles Datenvolumen pro Einwohnende (Abb. 6)
Durchschnittliches Tages-Downlink-Volumen pro Monat und Einwohnende – Vergleich zwischen Juni 2017 und Dezember
2020
            Juni 2017

                                                                                                                                                                         0.3

                                                                                                       Durchschnittliches mobiles Tagesvolumen [GByte] pro Einwohnende
                                                                                                                                                                         0.25

                                                                                                                                                                         0.2

            Dezember 2020
                                                                                                                                                                         0.15

                                                                                                                                                                         0.1

                                                                                                                                                                         0.05

             Nur dreieinhalb Jahre später – Ende 2020 – ist die Nutzung mo-
             biler Swisscom-Daten gemessen pro Einwohnerin und Einwoh-
             ner jedoch im ländlichen Raum am grössten. Besonders markant
             zeigt sich dies im alpinen Raum. Es gilt dabei zu berücksichtigen,
             dass die Markanteile der Swisscom im ländlichen Raum tradi-
13                               Mobile Datennutzung in der Schweiz

               tionell besonders gross sind. Entscheidend ist jedoch, dass auch
               innerhalb des Swisscom-Netzes die Nutzung mobiler Daten im
               ländlichen Raum pro Kopf besonders rasch gewachsen ist. Gera-
               de in ländlichen Gebieten mit einer weniger entwickelten Netz-
               infrastruktur sind mobile Daten heute besonders wichtig.

Indexierte Entwicklung des Datenvolumen nach Stadt / Land (Abb. 7)
Downlink-Volumen in Prozent seit 06/2017 im Vergleich zur gesamtschweizerischen Entwicklung (rot)
 350%

                                                                                                            Ländlich

 300%

                                                                                                            Intermediär

 250%

                                                                                                            Städtisch

 200%

 150%

                                                                                     Coronamassnahmen
 100%

     06/2017       01/2018                     01/2019                     01/2020                      12/2020

                 «Gerade in ländlichen
               Gebieten mit einer weniger
                     entwickelten
                 Netzinfrastruktur sind
                  mobile Daten heute
                  besonders wichtig.»
Mobile Datennutzung in der Schweiz                                                             14

Indexierte Entwicklung des Datenvolumen in touristischen Gebieten (Abb. 8)
Downlink-Volumen in Prozent seit 06/2017 im Vergleich zur gesamtschweizerischen Entwicklung (rot) sowie zur Entwick-
lung von Kernstädten
 450%
                                                                                                            Tourismusregionen

 400%

 350%

 300%

 250%                                                                                                       Schweiz

 200%

 150%

                                                                                     Coronamassnahmen
 100%

   06/2017         01/2018                     01/2019                     01/2020                      12/2020

              Daten werden nicht nur von den Einwohnerinnen und Einwoh-
              ner einer Gemeinde genutzt. In städtischen Zonen spielen Ar-
              beitsplätze aber auch Einkaufen und Freizeit eine wichtige Rol-
              le für das Ausmass der mobilen Datennutzung. Besonders stark
              wird die mobile Datennutzung von Personen, die sich dort nur
              temporär aufhalten in den touristischen Regionen (ausserhalb
              der urbanen Zentren) getrieben. Dabei kommt es hier zu ausge-
              prägten saisonalen Schwankungen, die besondere Ansprüche an
              die mobile Netzinfrastruktur stellen. Wie in Abbildung 8 ersicht-
              lich, zeichnen sich touristische Regionen nicht nur besondere
              saisonale Schwankungen aus, sondern insbesondere auch durch
              eine überproportionale Zunahme des nachgefragten Datenvolu-
              mens.
Engpässe und
      Datenstau
Dem raschen Wachstum der mobilen Datennutzung
wird heute vor allem durch Kapazitätssteigerungen an
bestehenden Standorten begegnet. Der
Kapazitätsausbau auf Basis der bestehenden
4G-Technologie hat jedoch seinen Preis: Je grösser die
erbrachte Leistung einer Zelle, desto grösser ist die
Wahrscheinlichkeit von Engpässen bei der Auslieferung
der Daten. Wie das Verkehrsnetz ist auch
Mobilfunknetz ein gemeinsam genutztes Medium, bei
dem bei zunehmender Nutzung Einschränkungen für
alle entstehen können.
Weil immer mehr Zellen an die Grenzen ihrer
technischen Möglichkeiten gelangen, hat der durch
Engpässe verursachte Datenstau seit Anfang 2019
stärker zugenommen als das Datenvolumen insgesamt.

           4.1. WETTLAUF GEGEN DATENSTAU

Das rasche Wachstum der mobilen Datennutzung führt zu einer
immer stärkeren Belastung des mobilen Antennennetzes. Ähn-
lich wie im Strassenverkehr erhöht dies die Staugefahr. Stau
im Datennetz bedeutet, dass Verbindungen zeitverzögert auf-
gebaut und Seiten weniger schnell geladen werden. Stau heisst,
dass Übertragungen stocken und Videos einfrieren. Um solche
Einschränkungen in der Verbindungs- und Übermittlungsquali-

                             15
Mobile Datennutzung in der Schweiz                                                 16

                  tät zu minimieren, wird die Netzinfrastruktur mit zusätzlichen
                  Standorten und der Erhöhung der Übertagungskapazität der
                  Zellen fortlaufend ausgebaut. Dieser Ausbau erfolgt dezentral
                  und schrittweise und führt punktuell zu einer Reduktion der
                  Engpässe bei der Datenübertragung bzw. des Datenstaus.

                  Das Ausmass des Datenstaus bei mobilen Daten lässt sich im
                  Swisscom-Netz bis 2017 für alle Zellen zurückverfolgen. Abbil-
                  dung 9 zeigt die Entwicklung des Downlink-Datenvolumen, das
                  von Datenstau betroffen ist, gemessen am Referenzzeitpunkt
                  Anfang 2017. Das entspricht dem mobilen Datenvolumen, das
                  aufgrund von Überbeanspruchung des Netzes eine reduzierte
                  Empfangsqualität aufwies. Als Vergleichsgrösse ist zusätzlich
                  auch das relative Wachstum des gesamten Datenvolumens
                  dargestellt.

Indexierte Entwicklung von Datenvolumen und Engpässen (Abb. 9)
Engpässe «Pain» und Downlink-Volumen im Vergleich zum Juni 2017

 350%

 300%

 250%

 200%

 150%

 100%

                                                                                        Coronamassnahmen
  50%

        06/2017         01/2018                     01/2019                   01/2020                      12/2020

                                                    Datenvolumen   Engpässe

                  Bis Anfang 2019 nahmen die Engpässe im mobilen Datennetz we-
                  niger rasch zu als das Datenvolumen. Das heisst, dass es zwar
17                Mobile Datennutzung in der Schweiz

      insgesamt mehr Engpässe gab, der Anteil der betroffenen Daten
      am gesamten Datenvolumen aber zurückging. Seit Anfang 2019
      hat der Datenstau jedoch stärker zugenommen als das Datenvo-
      lumen insgesamt. Werden die Grenzen eines Systems erreicht,
      steigt der Druck überproportional.

      «Der Datenstau hat stärker
        zugenommen als das
       Datenvolumen. An den
     Grenzen eines Systems steigt
             der Druck
         überproportional.»
      Zwar konnte der Druck aufs Netz mit dem Ausbau der Kapazitä-
      ten weiterhin punktuell abgebaut werden. Die Entlastung blieb
      jedoch jeweils nur kurzfristig. Im Wettlauf mit dem wachsen-
      den Datenvolumen werden die Netzkapazitäten erweitert, was
      das digitale Staugeschehen entlastet, bevor es wieder zunimmt.
      Bis zum März 2020 hat sich das von Datenstau betroffene
      Datenvolumen mehr als verdreifacht. Mit dem Beginn der
      Corona-Pandemie hat sich die Lage entspannt. Zwar nimmt
      nach einem kurzen Unterbruch das Datenvolumen wieder zu.
      Das Wachstum des Datenstaus ist jedoch nicht mehr überpro-
      portional. Wie noch gezeigt wird, hat dies vor allem mit der
      gleichmässigeren Verteilung der Bevölkerung im Raum zu tun.
      Trotz dieses (vorübergehenden) Rückgangs ist das von ver-
      minderter Empfangsqualität betroffene Datenvolumen aktuell
      zweieinhalbmal so gross wie Anfang 2017.
Mobile Datennutzung in der Schweiz                                              18

Engpässe nach Zellenstandort (Abb. 10)
Engpässe «Pain» im Vergleich zum Juni/Dezember 2017 und 2020 – je grösser ein Punkt, desto grösser der Engpass
                           06/2017                                                  06/2018

                           06/2019                                                  06/2020

             Abbildung 10 das Ausmass des Datenstaus bei den einzelnen
             Zellen des mobilen Datennetzes der Swisscom zu verschiede-
             nen Zeitpunkten. Hier wird das starke Datenstauwachstum
             zwischen 2017 und 2020 sichtbar. Ebenso die punktuelle Ent-
             spannung ab April 2020.
19                                 Mobile Datennutzung in der Schweiz

                        4.2. GRENZEN DER KAPAZITÄTSAUSWEITUNG

                  Der Ausbau der Kapazität im Wettlauf gegen den Datenstau er-
                  folgt mit zwei Ansätzen. Erstens mit dem Ausbau der Kapazität
                  pro Zelle und zweitens mit der Inbetriebnahme zusätzlicher
                  Zellen bzw. zusätzlicher Antennenstandorte. Wie Abbildung
                  11 zeigt, wird der Kapazitätsausbau hauptsächlich durch den
                  Ausbau der Leistung der einzelnen Zellen erreicht. Seit Mitte
                  2017 hat sich das Datenvolumen pro Mobilfunkzelle mehr als
                  verdoppelt. Ebenfalls zugenommen hat die Zahl der Mobilfunk-
                  zellen, dies aber weit weniger rasch, nämlich um knapp einen
                  Viertel. Das Potenzial neue Standorte und Funkzellen in Betrieb
                  zu nehmen ist limitiert, die Prozesse sind langwierig, so dass
                  damit nur der kleinste Teil des Nachfragewachstums abgedeckt
                  werden kann.

Entwicklung der Anzahl Zellen im Vergleich zum Datenvolumen pro Zelle (Abb. 11)
Indexierte Entwicklung der Anzahl Zellen sowie des durchschnittlichen täglichen Datenvolumens im Monat seit Juni 2017
(=100%)

 200%

 175%

 150%

 125%

                                                                                                                Coronamassnahmen
 100%

        06/2017          01/2018                            01/2019                                   01/2020                      12/2020

                                            Anzahl Zellen      Durchschnittliches Datenvolumen pro Zelle
Mobile Datennutzung in der Schweiz                                               20

             Das stark zunehmende mobile Datenvolumen muss heute
             hauptsächlich durch Kapazitätssteigerungen bestehender Zel-
             len abgedeckt werden. Dieser Kapazitätsausbau auf Basis der
             bestehenden 4G-Technologie hat jedoch seinen Preis: Je grösser
             die erbrachte Leistung einer Zelle, desto grösser ist die Wahr-
             scheinlichkeit von Engpässen bei der Übertragung der Daten.
             Abbildung 12 zeigt den Zusammenhang zwischen Datenmenge
             pro Zelle und Datenstau. In der Vertikalen ist die Datenlei-
             stung der Zellen dargestellt in der Horizontalen der Anteil der
             gelieferten Datenmenge mit verminderter Empfangsqualität.
             Die Zellen gelangen an ihre technisch bedingten Grenzen. Die
             Datenmenge wird zwar gesteigert, die Übertragung der Daten
             erfolgt jedoch nicht mehr reibungslos.

Anteil der Engpässe je Mobilfunkzellenkategorie im Dezember 2020 (Abb. 12)
Kategorie von Engpässen nach Kategorie von Mobilfunkzellen (gemessen am Volumen)
                                              500-950

                                              450-500

                                              400-450

                                              350-400

                                              300-350
                                                                                              Keine Engpässe
                                              250-300                                         Geringe Engpässe
                                                                                              Grosse Engpässe
                                              200-250

                                              150-200

                                              100-150

                                               50-100

                                                 0-50
                                                   0%

                                                           %

                                                                    %

                                                                            %

                                                                                    %

                                                                                         0%
                                                          20

                                                                   40

                                                                           60

                                                                                   80

                                                                                        10

             Dies zeigt, dass die technischen Möglichkeiten der aktuellen
             Generation Mobilfunktechnologie zunehmend ausgeschöpft
             sind. Eine Steigerung des Datenvolumens an den bestehenden
             Standorten in reibungsloser Übertragungsqualität ist vieler-
             orts nicht mehr möglich. Wie der Stau beim Strassenverkehr
             nehmen die Engpässe bei den Mobilfunkdaten nicht linear mit
             der Verkehrs- bzw. Datenmenge zu. Solange die technischen
             Kapazitätsgrenzen nicht erreicht sind, lässt zunehmendes
             Datenvolumen gut bewältigen. Je näher das System an diese
21               Mobile Datennutzung in der Schweiz

     Grenzen kommt, desto schneller nimmt jedoch auch das Stau-
     geschehen zu. Nur mit dem Einbezug der neuen Generation
     Mobilfunktechnologie 5G lassen sich die heute bestehenden,
     technisch bedingten Grenzen der mobilen Datenübertagung
     soweit verschieben, dass das Nachfragewachstum künftig keine
     flächengreifenden Engpässe verursachen. Oder um beim Bild
     zu bleiben: Nur mit einer neuen Mobilfunkgeneration lässt sich
     ein mobiler Datenverkehrskollaps verhindern.

      «Nur mit einer neuen
     Mobilfunkgeneration lässt
         sich ein mobiler
      Datenverkehrskollaps
           verhindern.»
Effekte der
           Corona-
          Pandemie
Die Corona-Krise hat sich kaum spürbar auf die
Dynamik des Wachstums mobilen Daten ausgewirkt.
Sie hat jedoch einen dämpfenden Effekt auf die
Engpässe bei der Datenübertagung. Die Pandemie
macht deutlich, dass die Kapazität des Mobilfunknetzes
nicht nur von der konsumierten Datenmenge, sondern
insbesondere auch von der raum-zeitlichen Verteilung
der Nutzung abhängt. Durch die gleichmässigere
Verteilung der Bevölkerung in Raum und Zeit
aufgrund der Covid-19-Präventionsmassnahmen ist es
zu einer (vorübergehenden) Entlastung der
Datenhotspots gekommen. Die gegenwärtige Entlastung
des Systems aufgrund der geglätteten Nutzung ist
allerdings gebunden an die Zeitdauer der Pandemie.

               5.1. GEGLÄTTETE NUTZUNG

Die unmittelbaren Effekte der Corona-Pandemie lassen sich
am besten durch einen Vergleich von Februar und April 2020
sichtbar machen. Im Februar 2020 war das gesellschaftliche
und wirtschaftliche Leben in der Schweiz noch kaum betroffen
von der nahenden Pandemie. Im April stand das Land mitten im
ersten Lockdown. Der kurze zeitliche Abstand der beiden Ver-

                            22
23                               Mobile Datennutzung in der Schweiz

             gleichsmonate garantiert, dass im Zeitvergleich hauptsächlich
             der Pandemie-Effekt sichtbar wird und nicht die anhaltende
             Zunahme der mobilen Datennutzung.

Datenvolumen Feb. Und Apr. 2020 nach Grösse der Funkzellen (Abb. 13)
Downlink-Volumen von Februar 2020 und April 2020 in Abhängigkeit der Übertragungsleistung der Mobilfunkzellen

                                               500-1000

                                                450-500

                                                400-450

                                                350-400

                                                300-350

                                                250-300

                                                200-250

                                                150-200

                                                100-150

                                                 50-100

                                                   0-50

                                                          0      50000      100000          150000          200000   250000

                                                                             Februar 2020      April 2020

             Abbildung 13 zeigt, dass die Corona-Situation zu einer deutli-
             chen Entlastung der Hochleistungsstandorte beigetragen hat.
             Der Vergleich der beiden Flächen zeigt, dass das Downlink-
             Datenvolumen ist insbesondere bei den leistungsstarken Zellen
             zurückgegangen ist. Es sind Zellen an räumlichen Hotspots, die,
             wie oben gezeigt, oft am Rand der technischen Kapazitätsgren-
             zen arbeiten und deshalb besonders anfällig sind für Datenstau.
             Die räumliche und zeitliche Glättung der Nutzung mobiler Da-
             ten aufgrund der Einschränkung menschlicher Aktivitäten hat
             damit unmittelbar zu einer Entlastung des Staugeschehens im
             mobilen Datennetz beigetragen. Mit dem Ende der Pandemie
             wird sich die Bevölkerung wieder vermehrt bewegen, treffen
             und räumlich konzentrieren.

                    «Mit dem Ende der
                  Pandemie wird sich die
Mobile Datennutzung in der Schweiz                   24

   Bevölkerung wieder
vermehrt bewegen, treffen
      und räumlich
    konzentrieren.»
Zwischenzeitlich hat bis dahin allerdings auch das konsumierte
Datenvolumen weiter zugenommen, das dann wieder häufiger
unterwegs und damit mobil ausgeliefert werden muss.

           5.2. GEOGRAPHIE DES LOCKDOWNS

Die räumliche Glättung der mobilen Datennutzung lässt sich
sehr gut auch direkt im Raum erfassen. Insbesondere im Umfeld
der grossen Zentren ist es zwischen Februar und April 2020
zu einer markanten Verlagerung der mobilen Datennutzung
gekommen. Die folgenden Abbildungen zeigen die Veränderung
der Datennutzung anhand der drei Zentren Bern, Lausanne und
Zürich. Dabei zeigt sich sehr schön, wie die Datennutzung in
den Zonen mit hoher Arbeitsplatzdichte, an Verkehrsknoten
sowie an Orten mit vielen Einkaufs- und Freizeitangeboten
zurückgegangen ist. Demgegenüber hat das Datenvolumen an
klassischen Wohnstandorten zugenommen.
25                             Mobile Datennutzung in der Schweiz

Prozentuale Veränderung des Datenvolumen Feb. – Apr. 2020 in der Region Bern (Abb. 14)
Prozentuale Veränderung des Downlink Volumen vom April 2020 im Vergleich zum Februar 2020 (vor und während dem
coronabedingten Lockdown)

                                                                                                Prozentuale Veränderung zwischen Februar und April 2020
                                                                                                                                                          50%

                                                                                                                                                          70%

                                                                                                                                                          90%

                                                                                                                                                          110%

                                                                                                                                                          130%

                                                                                                                                                          150%

Prozentuale Veränderung des Datenvolumen Feb. – Apr. 2020 in der Region Lausanne (Abb. 15)
Prozentuale Veränderung des Downlink Volumen vom April 2020 im Vergleich zum Februar 2020 (vor und während dem
coronabedingten Lockdown)
                                                                                                Prozentuale Veränderung zwischen Februar und April 2020

                                                                                                                                                          50%

                                                                                                                                                          70%

                                                                                                                                                          90%

                                                                                                                                                          110%

                                                                                                                                                          130%

                                                                                                                                                          150%
Mobile Datennutzung in der Schweiz                                                                                                  26

Prozentuale Veränderung des Datenvolumen Feb. – Apr. 2020 in der Region Zürich (Abb. 16)
Prozentuale Veränderung des Downlink Volumen vom April 2020 im Vergleich zum Februar 2020 (vor und während dem
coronabedingten Lockdown)

                                                                                                  Prozentuale Veränderung zwischen Februar und April 2020
                                                                                                                                                            50%

                                                                                                                                                            70%

                                                                                                                                                            90%

                                                                                                                                                            110%

                                                                                                                                                            130%

                                                                                                                                                            150%
Sie können auch lesen