GRUR Jahrestagung 26 - 29. September 2012 Lizenzen in der Insolvenz - Prof. Dr. Christian Berger
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GRUR Jahrestagung 26. – 29. September 2012 Lizenzen in der Insolvenz Prof. Dr. Christian Berger 1
Einführung • Gesetzgebungsinitiativen § 108a InsO • Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen vom 22.08.2007 • Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen (Januar 2012) 2
Phasen der Insolvenz Insolvenz Insolvenz Insolvenz Insolvenz Schluss Grund Antrag Eröffnung Verwaltung termin t Eröffnungsvf. 3
Einführung • Verwertungspflicht des Insolvenzverwalter, § 159 InsO • Erfasst auch Immaterialgüterrechte • Bestehende Lizenzen erweisen sich als hinderlich / wirtschaftlich nachteilig – Bei Eigennutzung – Bei Veräußerung infolge Sukzessionsschutz – Erneute Lizenzvergabe ist für die Insolvenzmasse mitunter günstiger als Einziehung bestehender Lizenzforderungen • Insolvenzeröffnung ermöglicht vertragsrechtlich einen „Neustart“ durch Wahlrecht nach § 103 InsO 4
Einführung • Von der Konkursordnung zur Insolvenzordnung: Die Insolvenzfestigkeit der Lizenz ist verloren gegangen • § 21 KO – (1) Hatte der Gemeinschuldner eine von ihm gemieteten oder verpachteten Gegenstand dem Mieter oder dem Pächter vor der Eröffnung des Verfahrens überlassen, so ist der Miet- oder Pachtvertrag auch der Konkursmasse gegenüber wirksam. 5
Einführung • § 108 InsO – (1) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. • § 103 InsO – (1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen. 6
Fall 1: Lizenz in der Insolvenz des Lizenzgebers [LG] LN Verwalter 7
Fall 2a: Unterlizenz in der Insolvenz des Haupt-Lizenzgebers [HLG] HLN Verwalter ULN 8
Fall 2b: Unterlizenz in der Insolvenz des Haupt-Lizenznehmers HLG [HLN] Verwalter ULN 9
Überblick über den Vortrag • Insolvenzrechtliche Rahmenbedingungen – Gleichbehandlungsgrundsatz, Wahlrecht • Immaterialgüterrechtliche Ausgangspunkte – Lizenzvertrag, Sukzessionsschutz • Literatur • Vertragsgestaltung • (Neuere) Rechtsprechung • Gesetzgebungsinitiativen • Verbleibende Optionen / Vorschläge 10
Insolvenzrechtliche Rahmenbedingungen • Gleichbehandlungsgrundsatz – Leitlinie der Vermögensverteilung; anerkannte Durchbrechungen • Lösung der Schuldverhältnisse in der Insolvenz – Erlöschen, §§ 115, 116 InsO – Kündigung von Dauerschuldverhältnissen • des Verwalters (§§ 113, 120 Abs. 1 Satz 2 InsO) • des Erwerbers von Massegegenständen (§ 111 InsO) – Wahlrecht, § 103 InsO • Erfüllungsablehnung; Schadensersatz, §103 Abs. 2 InsO • Erfüllungswahl: Gegenleistung Masseschuld, §§ 53,55 Abs. 1 Nr. 2 InsO – Sonderbestimmungen §§ 106/107 InsO 11
Immaterialgüterrechtliche Ausgangspunkte • Lizenzvertrag – „Ein Lizenzvertrag ist ein Vertrag, der den Lizenznehmer zur Nutzung immaterieller Güter berechtigen soll, ohne ihm das Gut dauerhaft zu übertragen.“ – Definition nicht abschließend gelungen; Arbeitsgrundlage – Lizenzvertrag / Anspruch auf Lizenz / Lizenz 12
Immaterialgüterrechtliche Ausgangspunkte • Sukzessionsschutz – (Allgemeiner zivilrechtlicher) Begriff: Aufrechterhaltung eines abgeleiteten Rechts auch dann, wenn der Inhaber des Mutterrechts das Mutterrecht überträgt. – Funktion: Bestandsschutz – Beispiele: • Dingliche Rechte wie Grundpfandrechte und Nießbrauch • „verdinglichte“ obligatorische Rechte wie Miete (§ 566 BGB) • Im Immaterialgüterrecht: §15 Abs. 3 PatG; § 30 Abs. 5 MarkenG; § 33 UrhG – Reichweite: Nur Bestandserhalt des Rechts oder Vertragsübernahme durch Erwerber (§ 566 BGB) 13
Immaterialgüterrechtliche Ausgangspunkte • Sukzessionsschutz; Bedeutung bei Insolvenz/Lizenz: – Bindung des Verwalters – Bindung des Erwerbers nach Veräußerung durch Verwalter – Sukzessionsschutz als Grundlage für einen allgemeinen Grundsatz der „Dinglichkeit“ der Lizenz ? 14
Immaterialgüterrechtliche Ausgangspunkte • Merkmale dinglicher Rechte („Drittwirkungen“) – Aktivlegitimation – Sukzessionsschutz – Insolvenzfestigkeit • „Verdinglichung obligatorischer Rechte“ (Dulckeit) – Einzelne Elemente der Dinglichkeit haften auch obligatorischen Rechten an 15
Immaterialgüterrechtliche Ausgangspunkte • Schluss von Einzelelementen auf Dinglichkeit oder andere Merkmale der Verdinglichung ist unzulässig – Beispiel: Einfache Lizenz; Sukzessionsschutz, aber kein Klagerecht – BGH GRUR 1982, 411 – Verankerungsteil: Keine Analogie zu § 571 BGB (aF); keine Analogie zu § 33 UrhG: „Mit dem Argument, dass ‚spürbare‘ Nachteile bereits die Durchbrechung des Grundsatzes [der nur obligatorischer Wirkung; Verf.] rechtfertigen, setzt sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu der vom Gesetz getroffenen Grundentscheidung …“ – Gesetzgeber entscheidet: [1987: § 15 Abs. 3 PatG] – Drittwirkung 16
Ausgangspunkt der Rechtsprechung • BGH GRUR 2006, 435 – Softwarenutzungsrecht (IX. Zivilsenat) – „Ein Lizenzvertrag wird entsprechend der Rechtspacht als Dauernutzungsvertrag i. S. der §§ 108, 112 InsO eingeordnet. … Da hier kein unbewegliches Vermögen betroffen ist, eröffnen derartige Nutzungsverträge nach übereinstimmender Auffassung der insolvenzrechtlichen und der urheberrechtlichen Literatur für den Insolvenzverwalter eines jeden Beteiligten ein Wahlrecht nach §103 InsO …“ (Rn. 21). 17
Literatur – Wege zur Insolvenzfestigkeit Überblick: • § 103 InsO – Tatbestandslösung – Rechtsfolgenlösung • § 108 InsO analog • Dinglichkeit der Lizenz • Ausschließlichkeit der Lizenz 18
Literatur – Wege zur Insolvenzfestigkeit § 103 InsO „Tatbestandslösung“ • Mit Lizenzeinräumung bereits vollständige Erfüllung • Dauerschuldcharakter • Dagegen spricht auch ein Umkehrschluss aus § 108 InsO, der überflüssig wäre, wenn mit Überlassung der Mietsache bereits vollständige Erfüllung einträte • Miete beweglicher Sachen fällt auch nach Überlassung unbestritten unter §103 InsO 19
Literatur – Wege zur Insolvenzfestigkeit § 103 InsO „Rechtsfolgenlösung“ • Lizenz von Erfüllungsablehnung des Lizenzvertrags unberührt • Zur Begründung angeführtes „Abstraktionsprinzip“ ungeeignet 20
Literatur – Wege zur Insolvenzfestigkeit § 108 InsO analog? • Für Lizenzverträge ist eine Regelungslücke vor dem Hintergrund des als Auffangvorschrift konzipierten § 103 InsO schwer zu begründen; allerdings hat InsO- Gesetzgeber Lizenzen nicht angesprochen. 21
Literatur – Wege zur Insolvenzfestigkeit § 108 InsO analog? • Gefahr des Rosinenpickens: §108 InsO mit § 111 InsO lesen: – „Veräußert der Insolvenzverwalter einen unbeweglichen Gegenstand oder Räume, die der Schuldner vermietet oder verpachtet hatte, und tritt der Erwerber anstelle des Schuldners in das Miet- oder Pachtverhältnis ein, so kann der Erwerber das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen.“ • Miet- und Pachtverhältnisse über Immobilien sind keineswegs insolvenzfest; § 111 InsO - § 566 BGB • Müsste daher nicht die Analogie zu § 108 InsO dem (sukzessionsschutzgebundenen) Erwerber ebenfalls ein Sonderkündigungsrecht geben? 22
Literatur – Wege zur Insolvenzfestigkeit Lizenzen als „dingliche“ / gegenständliche Rechte • Kein Begründungsgehalt: Dinglichkeit betrifft Wirkungen bestimmter Rechte, die einzelne oder mehrere Elemente umfassen kann: • 1. Weil BGH GRUR 2009, 946 - Reifen Progressiv der einfachen Lizenz dinglichen Charakter zugesprochen hat, folgt daraus noch nicht deren Insolvenzfestigkeit – Dinglicher Charakter bei Reifen Progressiv betraf Fortwirkung des Tochterrechts nach Wegfall des Mutterrechts; nicht die Frage der Insolvenzfestigkeit • 2. Weil eine Lizenz Sukzessionsschutz genießt, folgt daraus nicht ihre Insolvenzfestigkeit 23
Literatur – Wege zur Insolvenzfestigkeit Ausschließliche Lizenzen als insolvenzfeste Rechte • Kein Begründungsgehalt: Ausschließlichkeit betrifft die Aktivlegitimation des Lizenznehmers … – RGZ 57, 38 • … und damit nur eine Ausprägung der Drittwirkung • Die Aktivlegitimation sagt nichts über Insolvenzfestigkeit 24
Vertragsgestaltung Überblick: • „Umgehung“ § 103 InsO: Lizenzvertrag als Kaufvertrag ? • Treuhandmodelle • Lizenzsicherungsnießbrauch 25
Vertragsgestaltung Lizenzvertrag als Kaufvertrag ? • Rechtskauf § 453 BGB • Anzuerkennen, wenn wirklich gewollt, weil einem Rechtskauf wirtschaftlich entsprechend • Zu bejahen bei: Einmalzahlung gegen umfassende, ausschließliche, unbefristete und unbeschränkte Lizenz • Wirtschaftlich riskant 26
Vertragsgestaltung Doppeltreuhand • Lizenz wird einem Treuhänder übertragen – Dieser hält Lizenz treuhänderisch für Lizenzgeber und Lizenznehmer • Sicherungsvereinbarung: Lizenz sichert Schadensersatzanspruch des Lizenznehmers, wenn Verwalter nach § 103 InsO vorgeht • Abwicklung in der Insolvenz: – Treuhänder gibt Lizenz an Lizenznehmer – Lizenznehmer verwertet aufgrund Sicherungsvertrags 27
Doppeltreuhand LG LN Treuhänder 28
Vertragsgestaltung Doppeltreuhand – Offene Fragen: • Ist Treuhandvertrag wirklich insolvenzfest? • Hält Treuhandübertragung der Insolvenzanfechtung stand? • Keine Sicherheit, dass Lizenznehmer die Lizenz auch erwirbt, wenn ein Dritter mehr bietet • § 119 InsO: – „Vereinbarungen, durch die im voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 ausgeschlossen oder beschränkt wird, sind unwirksam.“ 29
Vertragsgestaltung Lizenzsicherungsnießbrauch • Ziel: Schaffung eines dinglichen Nutzungsrechts nur für den Fall der Insolvenz • Modell: „Mietsicherungsdienstbarkeit“ • Nießbrauch kompensiert insolvenzrechtliche Schwächen der Lizenz 30
Vertragsgestaltung Lizenzsicherungsnießbrauch - Gestaltung • gewöhnlicher Lizenzvertrag • parallel: gewöhnlicher Nießbrauch nach §§ 1030, 1068 BGB an dem Schutzrecht • eingeschränkt durch Sicherungsvertrag; daher: „Sicherungsnießbrauch“ – Nutzung des Guts erfolgt zunächst aufgrund Lizenz – Bei Erfüllungsablehnung „schaltet der Lizenznehmer um“: Nutzung aufgrund Nießbrauchs 31
Lizenzsicherungsnießbrauch Lizenz LG LN Nießbrauch Sicherungsvertrag 32
Vertragsgestaltung Lizenzsicherungsnießbrauch - Bedenken: • Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung? • Bei Vertragsverhandlungen durchsetzbar? • § 119 InsO: – „Vereinbarungen, durch die im voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 ausgeschlossen oder beschränkt wird, sind unwirksam.“ 33
Rechtsprechung • BGH GRUR 2006, 435 - Softwarenutzungsrecht • BGH GRUR 2009, 946 - Reifen Progressiv • BGH GRUR 2012, 914 - Take Five • BGH GRUR 2012, 916 - M2Trade 34
BGH GRUR 2006, 435 - Softwarenutzungsrecht Sachverhalt: • 1998: Softwarevertrag (Nutzung, Entwicklung, Vertrieb) • 2001: Insolvenzeröffnung Softwarehaus (= Lizenzgeber) • Verwalter lehnt Erfüllung ab • Lizenznehmer kündigt (nach Erfüllungsablehnung!) • gleichwohl: Weiternutzung der Software durch den Lizenznehmer aufgrund einer aufschiebend bedingten Rechteeinräumung im Softwarevertrag 1998 35
BGH GRUR 2006, 435 - Softwarenutzungsrecht • Maßgebliche Klausel (BGH aaO. Rn. 2): „Dieser Vertrag kann von jedem Vertragsteil nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden. Bei Kündigung dieses Vertrags ... gehen die Source-Codes von A. in der ... aktuellen Version incl. der Nutzungs- und Vertriebsrechte auf die Firma p. über. ...“ 36
BGH GRUR 2006, 435 - Softwarenutzungsrecht BGH aaO. Rn. 26: „Zwar wird die Wahl der Nichterfüllung seitens des kl. Insolvenzverwalters im praktischen Ergebnis durch die vorliegende Vertragsgestaltung unterlaufen. Rechtlich war diese jedoch nicht auf dieses Ziel gerichtet.“ 37
BGH GRUR 2009, 946 - Reifen Progressiv Sachverhalt: • Der Kläger hatte einer A-GmbH ausschließliche Softwarenutzungsrechte eingeräumt, die A-GmbH der Beklagten einfache Unternutzungsrechte. Nachdem die A- GmbH ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatte, erklärte der Kläger nach § 41 UrhG den Rückruf des ausschließlichen Nutzungsrechts und nahm die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch. 38
BGH GRUR 2009, 946 - Reifen Progressiv Sachverhalt: Kläger A-GmbH Rückruf Bekl. 39
BGH GRUR 2009, 946 - Reifen Progressiv • Fortbestand der Unterlizenz bei Wegfall der Hauptlizenz • „Das einfache Nutzungsrecht hat – wie auch das ausschließliche Nutzungsrecht – keinen schuldrechtlichen, sondern dinglichen Charakter …“ • Keine Frage des § 103 InsO, sondern § 41 UrhG 40
BGH GRUR 2012, 914 - Take Five Sachverhalt: • Der Komponist Paul Desmond hatte der Klägerin weltweite ausschließliche Nutzungsrechte (Musikverlagsrechte) an der Komposition Take Five eingeräumt, die Klägerin einer B Music Company die Rechte für Europa vergeben, die ihrerseits die Rechte für Deutschland und Österreich der Beklagten eingeräumt hatte. Später war der Hauptlizenzvertrag zwischen der Klägerin und B einvernehmlich beendet worden. • Die Feststellungsklage der Klägerin, dass die Beklagte nicht mehr Inhaberin der Rechte an der Komposition Take Five ist, blieb erfolglos. 41
BGH GRUR 2012, 914 - Take Five Sachverhalt: B Ltd Aufhebung Kl. Bekl. Paul Desmond 42
BGH GRUR 2012, 914 - Take Five • Fortbestand des Unternutzungsrechts nach Aufhebung des Hauptnutzungsrechts. • Fortschreibung Reifen Progressiv • Begründet mit Sukzessionsschutz und Interessenlage – Nicht mehr mit „Dinglichkeit“ • Kein insolvenzrechtlicher Hintergrund 43
BGH GRUR 2012, 916 - M2Trade Sachverhalt: • Die Klägerin machte gegen den Beklagten, einen Insolvenzverwalter, Ansprüche wegen der Verletzung ihrer Rechte an Software geltend. Über diese Software hatte die Klägerin mit M Netcom einen Softwareüberlassungsvertrag geschlossen. Die M Netcom war für den Erwerb und die Weiterlizenzierung von Software innerhalb des M- Konzerns zuständig. Sie schloss einen Unterlizenzvertrag mit der M eCom, die ihrerseits die Schuldnerin lizenzierte. Nachdem die M NetCom keine Zahlungen an die Klägerin leistete, kündigte die Klägerin den Softwareüberlassungsvertrag. Später wurde über das Vermögen sämtlicher Gesellschaften der M –Gruppe das Insolvenzverfahren eröffnet. 44
BGH GRUR 2012, 916 - M2Trade Sachverhalt: M-AG M NetCom M eCom [M P&S GmbH] Kündigung Kl. Bekl./Verwalter 45
BGH GRUR 2012, 916 - M2Trade • Mit Kündigung des Softwarevertrags falle das Nutzungsrecht ispo iure an Klägerin / Lizenzgeberin zurück • Gleichwohl Fortbestand der Unterlizenzen • Hauptlizenzgeber hat aus § 812 BGB gegen Hauptlizenznehmer einen Anspruch auf Abtretung des Anspruchs auf Lizenzgebühren aus dem Unterlizenzvertrag 46
BGH GRUR 2012, 916 - M2Trade • „Ein solcher Bereicherungsanspruch bestünde auch im Falle einer Insolvenz des Hauptlizenznehmers, [Hervorhebung Verf.] wenn der Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO zwar die Nichterfüllung des Hauptlizenzvertrags, aber die Erfüllung des Unterlizenzvertrags wählt.“ (Rn. 26). • BGH GRUR 2012, 916 - M2Trade: – geht von Wahlrecht des Verwalters in der Insolvenz des Lizenzgebers aus; – Ipso iure Wegfall der Lizenz bei „Beendigung“ des Lizenzvertrags – Aber: Unterlizenzen bleiben gleichwohl bestehen 47
BGH GRUR 2012, 916 - M2Trade Überträgt man das auf die Insolvenz, so gilt: • Die Hauptlizenz ist nicht insolvenzfest • Die Unterlizenz in der Insolvenz des Hauptlizenzgebers sehr wohl • Die Unterlizenz ist in der Insolvenz des Hauptlizenzgebers also stärker als die Hauptlizenz • Eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten 48
Gesetzgebungsinitiativen • § 108a InsO Regierungsentwurf 2007 – „Kontinuitätslösung“ • § 108a InsO Referentenentwurf 2012 – „Novationslösung“ 49
§ 108a InsO Regierungsentwurf 2007 • „Ein vom Schuldner als Lizenzgeber abgeschlossener Lizenzvertrag über ein Recht am geistigen Eigentum besteht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. • Dies gilt für vertragliche Nebenpflichten nur in dem Umfang, als deren Erfüllung zwingend geboten ist, um dem Lizenznehmer eine Nutzung des geschützten Rechts zu ermöglichen. • Besteht zwischen der im Lizenzvertrag vereinbarten Vergütung und einer marktgerechten Vergütung ein auffälliges Missverhältnis, so kann der Insolvenzverwalter eine Anpassung der Vergütung verlangen. In diesem Fall kann der Lizenznehmer den Vertrag fristlos kündigen.” 50
§ 108a InsO Regierungsentwurf 2007 • Fortbestand des Lizenzvertrags – Und damit der Lizenz • Aber nur für Hauptpflichten, i.ü. in beschränktem Umfang – Richtiger Gedanke • Anpassung der Vergütung 51
§ 108a InsO Regierungsentwurf 2007 Kritik: • Trennung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Nebenpflichten schwierig • Preisanpassungsklausel – Weshalb soll der Verwalter nicht an Schuldnervereinbarung gebunden sein? – Sonderanfechtungsrecht für Lizenzverträge? • Keine Lösung für Unterlizenzen – wenn Verwalter in der Insolvenz des Hauptlizenznehmers gegenüber dem Hauptlizenzgeber Erfüllung ablehnt 52
§ 108a InsO Referentenentwurf 2012 § 108a Schuldner als Lizenzgeber (1) Lehnt der Insolvenzverwalter nach § 103 die Erfüllung eines Lizenzvertrages ab, den der Schuldner als Lizenzgeber geschlossen hat, so kann der Lizenznehmer binnen eines Monats, nachdem die Ablehnung zugegangen ist, vom Verwalter oder einem Rechtsnachfolger den Abschluss eines neuen Lizenzvertrages verlangen, der dem Lizenznehmer zu angemessenen Bedingungen die weitere Nutzung des geschützten Rechts ermöglicht. Bei der Festlegung der Vergütung ist auch eine angemessene Beteiligung der Insolvenzmasse an den Vorteilen und Erträgen des Lizenznehmers aus der Nutzung des geschützten Rechts sicherzustellen; die Aufwendungen des Lizenznehmers zur Vorbereitung der Nutzung sind zu berücksichtigen, soweit sie sich werterhöhend auf die Lizenz auswirken. (Abs. 2 und 3 … ) 53
§ 108a InsO Referentenentwurf 2012 • „Novationslösung“ • Wahlrecht bleibt unberührt – Lizenzvertrag endet – Lizenz? – Verwalter kann das Recht verwerten • … aber Anspruch des Lizenznehmers auf Neuabschluss • zu „angemessenen Bedingungen“ – Maßstab §§ 32, 32a UrhG? • Anspruch auch gegen „Rechtsnachfolger“ – Gedanke des Sukzessionsschutzes – Ist (ausschließlicher) Lizenznehmer ebenfalls „Rechtsnachfolger“? • Was ist zwischen Erfüllungsablehnung und Neuabschluss? 54
§ 108a InsO Referentenentwurf 2012 • Abs. 3 Vorläufige Nutzungsbefugnis des Lizenznehmers: Der Lizenznehmer ist berechtigt, bis zum Abschluss eines neuen Lizenzvertrages das lizenzierte Recht gemäß dem bisherigen Lizenzvertrag zu nutzen. Wird innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Aufforderung des Lizenznehmers zum Neuabschluss des Lizenzvertrags kein neuer Lizenzvertrag abgeschlossen, so ist die weitere Nutzung nur zulässig, wenn 1. eine Vergütung gezahlt wird, deren Höhe sich nach den Anforderungen von Absatz 1 bemisst, und 2. der Lizenznehmer spätestens innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nachweist, dass er gegen den Verwalter, im Fall des Absatzes 2 gegen den Hauptlizenzgeber, Klage auf Abschluss eines Lizenzvertrages erhoben hat. Wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren, wirkt der neue Vertrag auf den Zeitpunkt der Eröffnung des lnsolvenzverfahrens zurück. 55
§ 108a InsO Referentenentwurf 2012 Komplizierte zeitliche Rahmenbedingungen: • Insolvenzeröffnung • Ablehnung Erfüllung • 1 Monat: Verlangen neuer Vertrag • (bis) 3 Monate nach Verlangen: Nutzung zulässig [Abs. 3 S. 1] • Weitere 2 Wochen: Klage auf Abschluss des Lizenzvertrags [Abs. 3 S. 2 Nr. 2] • Neuer Vertrag wirkt zurück [Abs. 3 S. 3] – Auch die Lizenz? Wie wenn Verwalter zwischenzeitlich andere Lizenzen bestellt hatte? 56
§ 108a InsO Referentenentwurf 2012 Insolvenzeröffnung Verlangen neuer Vertrag Klage auf Abschluss des Lizenzvertrags 1 Monat 2 Wochen Ablehnung [bis] 3 Monate nach Verlangen Erfüllung Nutzung zulässig [Altvergütung] [angemessene Vergütung] 57
Reformansätze RefE 2012 - Kritik • Novationslösung führt zwingend zu lizenzfreier Lücke • Grundlage der vorläufigen Nutzungsbefugnis nach Erfüllungsablehnung unklar – Gesetzliches Nutzungsrecht – Die alte Lizenz? – Erschöpfungsgrundsatz verlangt Zustimmung zur Verbreitung • § 108a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 InsO-RefE: Zahlung einer Vergütung nach Absatz 1 – Risiken für Lizenznehmer nach Ablauf der 3 Monatsfrist • Gilt Nutzungsbefugnis auch für einen Unterlizenznehmer? 58
§ 108a InsO Referentenentwurf 2012 • Unterlizenz Abs. 2: „Handelt es sich bei dem Vertrag, den der Schuldner als Lizenzgeber geschlossen hat, um einen Unterlizenzvertrag und lehnt der Insolvenzverwalter gegenüber dem Hauptlizenzgeber die Erfüllung des Lizenzvertrages ab, so kann ein Unterlizenznehmer des Schuldners vom Hauptlizenzgeber den Abschluss eines Lizenzvertrages nach den in Absatz 1 genannten Bedingungen verlangen.“ 59
§ 108a InsO Referentenentwurf 2012 • Unterlizenz Abs. 2: „Handelt es sich bei dem Vertrag, den der Schuldner als Lizenzgeber geschlossen hat, um einen Unterlizenzvertrag und lehnt der Insolvenzverwalter gegenüber dem Hauptlizenzgeber die Erfüllung des Lizenzvertrages ab, so kann ein Unterlizenznehmer des Schuldners vom Hauptlizenzgeber den Abschluss eines Lizenzvertrages nach den in Absatz 1 genannten Bedingungen verlangen.“ HLG [HLN] Verwalter ULN 60
§ 108a InsO Referentenentwurf 2012 • Unterlizenz Abs. 2: „Handelt es sich bei dem Vertrag, den der Schuldner als Lizenzgeber geschlossen hat, um einen Unterlizenzvertrag und lehnt der Insolvenzverwalter gegenüber dem Hauptlizenzgeber die Erfüllung des Lizenzvertrages ab, so kann ein Unterlizenznehmer des Schuldners vom Hauptlizenzgeber den Abschluss eines Lizenzvertrages nach den in Absatz 1 genannten Bedingungen verlangen.“ HLG [HLN] Verwalter Anspruch auf Neuabschluss ULN 61
§ 108a InsO Referentenentwurf 2012 • Unterlizenz Nicht geregelt: Insolvenz des Hauptlizenzgebers Nach §108a nur Anspruch des Hauptlizenznehmers [HLN] [HLG] HLN Verwalter ULN 62
Optionen des Gesetzgebers • Allgemeines • Grundentscheidung • Vergütungsanpassung • Unterlizenzen 63
Optionen des Gesetzgebers – Allgemeines • Für Transaktionen mit Immaterialgüterrechten sollten – wie im allgemeinen Sachen-/Vermögensrecht – Wahlmöglichkeiten zwischen obligatorischen und insolvenzfesteren Rechtspositionen bestehen. • Nachdem die Unterlizenz in der Insolvenz des Hauptlizenzgebers insolvenzfest sein dürfte (BGH GRUR 2012, 916 - M2Trade), der Hauptlizenzvertrag aber dem Wahlrecht unterworfen bleibt, sollte eine Harmonisierung angestrebt werden. 64
Optionen des Gesetzgebers – Grundentscheidung • Kontinuitäts- oder Novationslösung? – Vieles spricht für Kontinuität der Lizenz: – Wegfall und (erzwingbarer) Neuabschluss eines Rechtsverhältnisses sind in der Insolvenz bislang unbekannt – Keine „lizenzlose“ Lücke zwischen Erfüllungsablehnung und Neuabschluss – Lizenz als Sicherungsgut – Wahrung des Erschöpfungsgrundsatzes 65
Optionen des Gesetzgebers – Grundentscheidung • Rechtstechnische Umsetzung einer Kontinuitätslösung? 1. Ansatz beim Lizenzvertrag, Ausschluss des Wahlrechts, – In Anlehnung an § 108 InsO: – „Ein vom Schuldner als Lizenzgeber geschlossener Lizenzvertrag besteht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort.“ – Problem dieser Lösung ist die umfassende und dauerhafte Fortwirkung aller Lizenzgeberpflichten – Sonderkündigungsrecht § 111 InsO scheidet aus – Problem ferner Masseunzulänglichkeit, § 209 InsO verlangt Quotenlösung auch für Massegläubiger 66
Optionen des Gesetzgebers – Grundentscheidung • Rechtstechnische Umsetzung einer Kontinuitätslösung? 2. Ansatz bei der Lizenz / Fortbestand des Wahlrechts – In Anlehnung an §§ 106/107 InsO: bei Vormerkung und Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers … 67
InsO • § 106 Abs. 1 – „Ist zur Sicherung eines Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück des Schuldners … eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen, so kann der Gläubiger für seinen Anspruch Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen. Dies gilt auch, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber weitere Verpflichtungen übernommen hat und diese nicht oder nicht vollständig erfüllt sind. • § 107 Abs. 1 – Hat vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Schuldner eine bewegliche Sache unter Eigentumsvorbehalt verkauft und dem Käufer den Besitz an der Sache übertragen, so kann der Käufer die Erfüllung des Kaufvertrages verlangen. Dies gilt auch, wenn der Schuldner dem Käufer gegenüber weitere Verpflichtungen übernommen hat und diese nicht oder nicht vollständig erfüllt sind. 68
Optionen des Gesetzgebers – Grundentscheidung • §§ 106/107 InsO eignen sich als Modell: – Vormerkung und Anwartschaftsrecht sind ebenso wie Lizenzen akzessorische Rechte – §§ 106/107 InsO sichern nur das „Recht“, anders als §108 InsO nicht sämtliche Verpflichtungen – Lassen insofern das Wahlrecht unberührt – Ermöglichen einen aussonderungsähnlichen Rechtsschutz • Der bei Masseunzulänglichkeit ebenfalls wirkt – „Lizenzen, die der Schuldner vor Insolvenzeröffnung eingeräumt hatte, bleiben der Insolvenzmasse gegenüber wirksam, auch wenn der Verwalter die Erfüllung des Lizenzvertrags ablehnt.“ 69
Optionen des Gesetzgebers – Vergütung • Auch für die Vergütung eignen sich §§ 106/107 InsO als Vorbilder: – Grundsatz: Kontinuitätsgedanke;Verwalter muss Entgeltabrede grundsätzlich hinnehmen, vorbehaltlich §§ 129 ff. InsO – Aber Herabsetzung der Vergütung, wenn Verwalter Erfüllung ablehnt (was bei Vormerkung / Anwartschaftsrecht anerkannt ist): – „Der Lizenznehmer hat der Insolvenzmasse die vereinbarte Vergütung zu entrichten. Der Anspruch auf die Vergütung ist in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem die Insolvenzmasse durch die Erfüllungsablehnung von lizenzvertraglichen Pflichten frei geworden ist. § 110 InsO findet entsprechende Anwendung.“ 70
Optionen des Gesetzgebers – Unterlizenzen • Kein spezieller Regelungsbedarf mehr, wenn Gesetzgeber einer Kontinuitätslösung (gemäß § 108 InsO oder §§ 106/107 InsO) folgt: • In der Insolvenz des Hauptlizenzgebers besteht Hauptlizenz fort – und damit ohne weiteres auch die Unterlizenz • In der Insolvenz des Hauptlizenznehmers kann Verwalter zwar Erfüllung des Hauptlizenzvertrags ablehnen; nach den Grundsätzen BGH GRUR 2012, 916 - M2Trade bleibt Unterlizenz bestehen 71
Zusammenfassung • Aus Gründen der „Artenvielfalt“ immaterialgüterrechtlicher Nutzungsrechte und zur Harmonisierung der Insolvenzfestigkeit von Haupt- und Unterlizenzen sollte der Gesetzgeber tätig werden. • Die Novationslösung 2012 sollte er nicht weiter verfolgen. • Vorzugswürdig ist die Kontinuitätslösung. • Neben dem Modell des § 108 InsO kommen §§ 106 / 107 InsO als Regelungsvorbilder in Betracht. 72
Ich danke Ihnen! 73
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