Modellierung der Gleislage am Beispiel der Längshöhe für den Ursache-Wirkung-Zusammenhang

 
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Modellierung der Gleislage am Beispiel der Längshöhe für den Ursache-Wirkung-Zusammenhang
MODELLIERUNG DER GLEISLAGE                                                                      INFRASTRUKTUR & BAU

                                Modellierung der Gleislage
                            am Beispiel der Längshöhe für den
                            ­Ursache-Wirkung-Zusammenhang
                         Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen in Deutschland stehen vor der Heraus­
                         forderung, die Zustandsentwicklung ihrer Infrastruktur modellhaft abzubilden,
                                 damit Instandhaltungs- und Erneuerungsbedarfe im Kontext der

                                                                                                                                          Homepageveröffentlichung unbefristet genehmigt für RWTH Aachen, KIT, DB Netz AG /
                              Infrastrukturqualität prognostiziert werden können. In diesem Artikel
                                wird beschrieben, wie ein solches Modell für die Gleislage auf Basis
                                      der Längshöhenabweichung aufgestellt werden kann.

                                                                                                                                          Rechte für einzelne Downloads und Ausdrucke für Besucher der Seiten
1. Einleitung                                  maßnahmen sowie der damit erzielbaren                 Christopher Wink, M. Sc.
                                               Infrastrukturqualität abgebildet werden               Wissenschaftlicher Mitarbeiter
In der 3. Leistungs- und Finanzierungsver­     können, siehe Bild 1.                                 Verkehrswissenschaftliches
                                                                                                     Institut der RWTH Aachen (VIA)
einbarung (LuFV III) wurde zwischen der            Um genau diesen UWZ beschreiben
                                                                                                     wink@via.rwth-aachen.de
Deutschen Bahn AG und dem Bund verein­         zu können, wurden vom Verkehrswissen­
bart, dass die Eisenbahninfrastrukturunter­    schaftlichen Institut der RWTH Aachen
nehmen (EIU) ihre Infrastruktur in einem       (VIA) im Auftrag der DB Netz AG in den

                                                                                                                                          genehmigt / © DVV Media Group GmbH
qualitativ hochwertigen Zustand erhalten       letzten Jahren bereits Prognose- und Risi­            Saskia Bluhm, M. Sc.
und diesen verbessern [1]. Dabei kommt         komodelle für die Anlagenklassen Gleise,              Wissenschaftliche Mitarbeiterin
der Fragestellung, welche Qualität die EIU     Brücken, Stellwerke, Bahnübergänge und                Institut für Wirtschaftsinformatik
                                                                                                     und Marketing am Karlsruher
mit den verfügbaren Finanzmitteln über­        Weichen aufgestellt. Darüber hinaus wur­              Institut für Technologie
haupt erzielen können, eine besondere          de zur Berechnung das UWZ-Werkzeug als                saskia.bluhm@kit.edu
Bedeutung zu. Eine Lösung ist die Entwick­     prototypische Software programmiert.
lung geeigneter Modelle, mit denen der Ur­         Im Netz eines EIU liegen verschiedene
sache-Wirkung-Zusammenhang (UWZ) [2,           Anlagenklassen vor, deren momentane                   Tamme Emunds, M. Sc.
3] zwischen eingesetzten Finanzmitteln für     Qualität aufzunehmen, abzubilden sowie                Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Ersatzinvestitionen und Instandhaltungs­       zu prognostizieren ist, um daraus entspre­            Verkehrswissenschaftliches
                                                                                                     Institut der RWTH Aachen (VIA)
                                                                                                     emunds@via.rwth-aachen.de

                                                                                                     Dr.-Ing. Björn Dickenbrok
                                                                                                     Projektleiter „Weiterentwick-
                                                                                                     lung des Ursache-Wirkung-
                                                                                                     Zusammen­hangs für die LuFV III“
                                                                                                     DB Netz AG, Planung und
                                                                                                     Segmentsteuerung,
                                                                                                     Frankfurt am Main
                                                                                                     bjoern.dickenbrok
                                                                                                     @deutschebahn.com

                                                                                                     Univ.-Prof. Dr.-Ing. Nils Nießen
                                                                                                     Institutsleiter
                                                                                                     Verkehrswissenschaftliches
                                                                                                     I­nstitut der RWTH Aachen (VIA)
                                                                                                     niessen@via.rwth-aachen.de

 1: Konzept des Ursache-Wirkung-Zusammenhang

www.eurailpress.de/etr                                                                      ETR  |  Dezember  2021  |  NR. 12        43
Modellierung der Gleislage am Beispiel der Längshöhe für den Ursache-Wirkung-Zusammenhang
INFRASTRUKTUR & BAU                                                                           MODELLIERUNG DER GLEISLAGE

chende Handlungsbedarfe abzuleiten.            Belastung bzw. Geschwindigkeit und die                       Der UWZ beschreibt den
Dazu sind diejenigen Merkmale pro Anla­        Klasse 5 eine sehr hohe Belastung bzw. Ge­
genklasse zu identifizieren, mit denen der     schwindigkeit.                                            ­Zusammenhang zwischen
Anlagenzustand umfassend abgebildet
werden kann. Um den UWZ modelltech­            2.1. Datenauswahl und Datenvorverarbeitung
                                                                                                       ­eingesetzten Finanzmitteln
nisch zu beschreiben, werden das Ab­                                                                      und der damit erzielbaren
nutzungsverhalten und die Wirkung von          Um die Instandhaltungszyklen in den Clus­
Instandhaltungs- und Ersatzinvestitions­       tern der Gleise zu modellieren, werden die                      ­Infrastrukturqualität.
maßnahmen betrachtet. Die Herausforde­         mittleren Maßnahmenhäufigkeiten aus
rung besteht dabei insbesondere darin,         den Auftragsdaten für Instandhaltungs­
das Abnutzungsverhalten und die Maß­           maßnahmen der DB Netz AG aus den Jah­
nahmenwirkung aus den verfügbaren Zu­          ren 2009 bis 2020 berechnet. Dazu werden
standsdaten abzuleiten.                        feingranular die an den Gleisen durchge­
     Bei Gleisen gilt die Längshöhenab­        führte Anzahl maschineller Durcharbei­          punkt und die örtlichen Beurteilungsmaß­

                                                                                                                                                Homepageveröffentlichung unbefristet genehmigt für RWTH Aachen, KIT, DB Netz AG /
weichung, die auch Längshöhenfehler            tungen (DUA) je Alter bestimmt. Die mitt­       stäbe (SR-Werte) [4] für die Längshöhe be­
genannt wird und für die Infrastruktur der     lere Maßnahmenhäufigkeit pro Abschnitt          stimmen. Neben dem SRA (Einplanen einer
DB Netz AG gemäß Richtlinie 821 [4] re­        eines bestimmten Alters wird schließlich        Instandsetzungsmaßnahme) sind dort der
gelmäßig gemessen wird, als maßgeben­          als Quotient aus der Maßnahmenanzahl je         SR100 (technischer/wirtschaftlicher Abnut­
des Merkmal für die Gleislage. In diesem       Alter und der Anzahl an Abschnitten dieses      zungsvorrat ist aufgezehrt, eine baldige
Artikel wird vorgestellt, wie mithilfe der     Alters bestimmt. Im nächsten Schritt wird       Instandsetzung ist erforderlich) sowie der

                                                                                                                                                Rechte für einzelne Downloads und Ausdrucke für Besucher der Seiten
erhobenen Messdaten der Längshöhen­            eine quadratische Regressionsfunktion als       SRlim, bei welchem ein Fehler mit betrieb­
abweichung die für den UWZ benötigten          beste Näherung an diese Daten angepasst,        lichen Einschränkungen vorliegt, definiert.
Verschlechterungsfunktionen und die Wir­       wobei die mittleren Maßnahmenhäufigkei­             Die CTM-Daten werden im nächsten
kung von Maßnahmen der Gleise model­           ten über das Alter kumuliert aufgetragen        Schritt in sogenannte Langshöhenmess­
liert werden können.                           sind. Mithilfe dieser Auswertungen können       reihen für 10 m-Abschnitte aufgeteilt.
                                               die durchschnittlichen Längen der Instand­      Damit kann für jeden Abschnitt separat
2. Aufstellen der                              haltungszyklen zwischen zwei aufeinan­          ermittelt werden, wie sich die Längshö­
Verschlechterungsfunktionen                    derfolgenden DUA-Maßnahmen über den             henabweichung im betrachteten Zeitraum
                                               gesamten Lebenszyklus einer Anlage er­          entwickelt hat. Diese Messreihen werden
Die Gleislage wird für die Infrastruktur der   mittelt werden.                                 anschließend mit Hilfe einer MATLAB-Funk­

                                                                                                                                                genehmigt / © DVV Media Group GmbH
DB Netz AG in Abhängigkeit von der Stre­            Für die Modellierung der Verschlech­       tion [7] auf Stellen abrupter Verbesserung
ckengeschwindigkeit alle 3 bis 18 Monate       terungsfunktionen innerhalb der einzel­         untersucht. Gefundene Verbesserungen
durch Messzugfahrten erhoben, sodass aus       nen Instandhaltungszyklen zwischen zwei         werden als eine Maßnahmendurchführung
den letzten Jahren eine maschinenlesbare       aufeinanderfolgenden DUA-Maßnahmen              interpretiert und die Daten vor bzw. nach
Historie der Messwerte vorliegt.               können prinzipiell die Messwerte der            diesem Zeitpunkt gesondert den entspre­
    Da zwischen zwei aufeinanderfolgen­        Längshöhenabweichung des Integrierten           chenden Instandhaltungszyklen zugeord­
den Messfahrten stets auch Zustandsver­        Inspektionssystems (IIS) [5] oder des Conti­    net. Da die vorhandenen CTM-Daten einen
besserungen der Längshöhenabweichung           nuous Track Monitorings (CTM) [6] verwen­       Zeitraum von sieben Jahren umfassen,
aus durchgeführten Instandhaltungs- und        det werden. Die IIS-Messungen werden in         kann anhand einzelner Abschnitte nicht
Erneuerungsmaßnahmen enthalten sein            definierten Inspektionsabständen mit spe­       immer ein vollständiger Instandhaltungs­
können, ist das Aufstellen von Verschlech­     ziellen Messzügen durchgeführt, während         zyklus zwischen zwei aufeinanderfolgen­
terungsfunktionen in zwei Teilschritte un­     die CTM-Daten mithilfe entsprechend aus­        den DUA-Maßnahmen nachgewiesen wer­
terteilt. Zunächst sind die Zeitpunkte in      gestatteter Fahrzeuge im Regelbetrieb auf       den. Daher werden die Abschnitte getrennt
der Vergangenheit durchgeführter Maß­          den befahrenen Strecken kontinuierlich          nach den Clustern ausgewertet. Mittels ei­
nahmen zu identifizieren, um im nächsten       erfasst werden. Aufgrund der deutlich hö­       ner Regressionsanalyse wird anschließend
Schritt den Verschlechterungsverlauf zwi­      heren Datendichte mit potentiell täglichen      die durchschnittliche Verschlechterungs­
schen zwei Maßnahmen zu betrachten. Im         Messwerten werden hier für die Modellie­        rate zwischen zwei Maßnahmen ermittelt.
nächsten Schritt werden aus den generier­      rung der Verschlechterungsverläufe die
ten Verschlechterungsverläufen die Funk­       CTM-Daten verwendet.                            2.2. Datenauswertung
tionen zur Modellierung der Gleislagever­           In den CTM-Daten sind für jeden Längs­
schlechterung abgeleitet. Diese werden         höhenmesswert unter anderem das zuge­           Die Auswertung der kumulierten Maßnah­
im vorgestellten UWZ-Modell spezifisch         hörige Messdatum, die Streckennummer,           menhäufigkeiten über das Alter zeigt, dass
für fest definierte Geschwindigkeits- und      die Kilometrierung und Richtung sowie die       sowohl mit höherer zulässiger Streckenge­
Belastungs-Cluster erstellt. Dabei werden      Geschwindigkeit des Zuges angegeben.            schwindigkeit als auch mit höherer Belas­
die Cluster aus einer Kombination von ört­     Diese Daten werden zudem mit weiteren           tung die Abstände zwischen zwei Instand­
lich zulässiger Geschwindigkeit und der        Informationen zum Inbetriebnahmezeit­           haltungsmaßnahmen geringer werden.
Streckenbelastung gebildet. Jede dieser        punkt sowie der zulässigen Streckenge­          Dies entspricht den bekannten Mechanis­
beiden Größen wird in fünf verschiedene        schwindigkeit und der täglichen Strecken­       men und wird daher als plausibel bewertet.
Ausprägungsklassen unterteilt. Die Klas­       belastung angereichert. Daraus lassen sich          Aus den CTM-Daten ist erkennbar,
se 1 beschreibt dabei eine sehr niedrige       das Gleisalter zum jeweiligen Messzeit­         dass sich eine Verschlechterung der

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MODELLIERUNG DER GLEISLAGE                                                                                       INFRASTRUKTUR & BAU

Längshöhenabweichung oftmals (annä­
hernd) linear auf sehr niedrigem Niveau
entwickelt. Zwischen solchen linearen
Verläufen befinden sich sprunghafte Än­
derungen, siehe Bild 2. Bei einer sprung­
haften Verschlechterung ist dies auf einen
Gleislagefehler zurückzuführen, bei einer
sprunghaften Verbesserung auf eine Maß­
nahme.
     Meistens sind die aus den Messdaten
ermittelten Verschlechterungsraten so
gering, dass in einem typischen Lebens­
zyklus eines Gleises und damit auch in­
nerhalb der zuvor bestimmten Instand­              2: Beispielhafte Entwicklung einer Längshöhenabweichung

                                                                                                                                                      Homepageveröffentlichung unbefristet genehmigt für RWTH Aachen, KIT, DB Netz AG /
haltungszyklen keinerlei Durcharbeitung
notwendig wäre. Auffällig ist zudem die
meist sehr geringe Längshöhenabwei­
chung im Bereich des SRA, bei welcher
eine abrupte Verbesserung – also mut­             raum geringe Verschlechterungsrate nach           Bild 3 sind beispielhaft die Funktionen ei­
maßlich eine Maßnahme – zu beobachten             Maßnahmen, als auch der sprunghafte An­           nes Clusters dargestellt.

                                                                                                                                                      Rechte für einzelne Downloads und Ausdrucke für Besucher der Seiten
ist. Die Auftragsdaten zur Bestimmung             stieg bei Auftreten eines Initialfehlers mo­           Die aufgestellten Funktionen werden
der Länge der Instandhaltungszyklen               dellieren. Ein Polynom sechster Ordnung           in einem nächsten Schritt programmtech­
basieren jedoch auf einer Maßnahmen­              erlaubt eine realitätsnahe Modellierung           nisch in das bestehende UWZ-Werkzeug
durchführung bei Erreichen des SR100 ge­          der Zustandsentwicklung, da ihr quasi-            integriert und Berechnungen mit den de­
mäß Richtlinie 821 [4]. Dies führt zu der         linearer Anteil am Beginn groß genug und          finierten Testszenarien für das Gesamtnetz
Überlegung, die Verschlechterung durch            die Steigung gegen Ende des Zyklus nicht          der DB Netz AG durchgeführt.
eine Funktion zu modellieren, welche am           zu stark ist. Da aus den Messdaten ersicht­
Beginn über einen längeren Zeitraum die           lich ist, dass der mittlere Anfangswert nach      3. Plausibilisierung der aufgestellten
in den CTM-Daten sichtbare, sehr gute             einer Maßnahme nicht beim Optimum von             Funktionen
Gleislage sowie nach einem Initialfehler          0 mm liegt, wird dies ebenfalls in den Ver­

                                                                                                                                                      genehmigt / © DVV Media Group GmbH
eine deutlich beschleunigte Verschlech­           schlechterungsfunktionen berücksichtigt.          Um die Plausibilität der neuen Verschlech­
terung abbilden kann.                                 Der Parameter b des Polynoms be­              terungsfunktionen zu überprüfen, wird
     Zwischen der Verschlechterungsrate           schreibt die Verschlechterungsrate unmit­         der Datenstand der Infrastruktur zum Ende
und dem Gleisalter ist darüber hinaus ein         telbar nach einer Maßnahmendurchfüh­              des Jahres 2019 für das UWZ-Werkzeug ge­
positiver Zusammenhang erkennbar. Zu­             rung in Abhängigkeit des Gleisalters und          nutzt. Die eingespielten Daten umfassen
dem wird durch die Auswertung deutlich,           wird aus den Auswertungen der CTM-Da­             aufgeteilt in Abschnitte von 100 Metern
dass die Wahrscheinlichkeit einer hohen           ten bestimmt. Der Parameter c definiert die       Länge die jeweiligen Merkmale wie zuläs­
Verschlechterungsrate bei höherem Gleis­          mittlere Höhe der Längshöhenabweichung            sige Geschwindigkeit, Belastung, Alter und
alter und damit einer größeren Anzahl be­         am Anfang jedes Instandhaltungszyklus             Messwerte mit Messdatum. Von diesem
reits durchgeführter Maßnahmen größer             und wird entsprechend auf den halben              Zustand ausgehend wird eine netzweite
ist. Auch dies entspricht den bekannten           Abnahmegrenzwert SR0 gesetzt. Das Errei­          Prognose für den Gleiszustand zum Ende
Beobachtungen aus der Praxis.                     chen des SR100 am jeweiligen Ende eines           des Jahres 2020 berechnet. Mit Hilfe von
                                                  Instandhaltungszyklus wird schließlich zur        Auftragsdaten über erfolgte Instandhal­
2.3. Resultierende                                Bestimmung des Parameters a genutzt. In           tungen werden die betrachteten Anlagen
Verschlechterungsfunktionen                                                                         anschließend auf jene reduziert, die in den
                                                                                                    Monaten August bis Dezember (im UWZ-
Werden nun die Auswertungen der Maß­                                                                Werkzeug erfolgt die Prognose jährlich für
nahmenzeitpunkte und die Verschlechte­                                                              einen Tag im Oktober) der Jahre 2019 und
rungsverläufe zwischen den Maßnahmen                                                                2020 durch einen Messzug befahren und
zusammengeführt, so ergeben sich für                  Sowohl mit höherer Strecken-                  auf denen in diesen Jahren keine doku­
jedes Cluster die für den UWZ benötigten               geschwindigkeit als auch mit                 mentierten Instandhaltungsmaßnahmen
Verschlechterungsfunktionen.                                                                        der Gleislage durchgeführt wurden.
     Da ein linearer Verschlechterungs­                   höherer Belastung werden                      Zuerst wird für diese Abschnitte die Dif­
verlauf zwischen den Maßnahmen das                                                                  ferenz der Messwerte zwischen den Jahren
über lange Zeit niedrige Niveau über­                   die Abstände zwischen zwei                  2020 und 2019 gebildet, um so die tatsäch­
schätzt, werden für die Modellierung der               Instandhaltungsmaßnahmen                     lichen Verschlechterungen der Gleislage
Verschlechterung zwischen Maßnahmen                                                                 zu erhalten. Das Bild 4 zeigt, dass für über
Polynome sechster Ordnung der Form                                         geringer.                40 % der Abschnitte eine Abweichung von
f(x) = a · x6 + b · x + c gewählt. Damit lassen                                                     mindestens 1 mm zwischen 2019 und 2020
sich sowohl die über einen längeren Zeit­                                                           existiert. Außerdem sind obgleich des Aus­

www.eurailpress.de/etr                                                                                       ETR  |  Dezember  2021  |  NR. 12   45
INFRASTRUKTUR & BAU                                                                                        MODELLIERUNG DER GLEISLAGE

                                                                                                                                                                   Homepageveröffentlichung unbefristet genehmigt für RWTH Aachen, KIT, DB Netz AG /
                                                                                                                                                                   Rechte für einzelne Downloads und Ausdrucke für Besucher der Seiten
 3: Beispielhafte Verschlechterungsfunktion für Gleise mit einer zulässigen Geschwindigkeit von 81 – 120 km/h und einer Belastung von 10 000 – 30 000 t/d

                                                                                                                  Ungefähr 40 % der Prognosen stimmen

                                                                                                                                                                   genehmigt / © DVV Media Group GmbH
                                                                                                              bis auf maximal 1 mm mit den gemesse­
                                                                                                              nen Werten überein. Insgesamt ist eine
                                                                                                              rechtsschiefe Verteilung zu erkennen und
                                                                                                              der Mittelwert liegt mit 2,79 mm rechts des
                                                                                                              optimalen Wertes von 0 mm. Die Standard­
                                                                                                              abweichung beträgt 3,86 mm. Das deutet
                                                                                                              insgesamt darauf hin, dass die Prognose im
                                                                                                              Vergleich zu den Messdaten eine schnel­
                                                                                                              lere Verschlechterung unterstellt. Bedingt
                                                                                                              durch die scheinbaren Zustandsverbesse­
                                                                                                              rungen in den Messdaten sind die Abwei­
                                                                                                              chungen teilweise dadurch erklärbar, dass
                                                                                                              die aufgestellten Funktionen stets eine
                                                                                                              Verschlechterung der Gleislage mit zuneh­
                                                                                                              mender kumulierter Belastung bzw. dem
                                                                                                              Alter vorsehen. Die Dichtefunktion in Bild 6
                                                                                                              zeigt weiterhin, dass die Längshöhenab­
 4: Verteilung der Längshöhenänderung in den Messwerten zwischen den Jahren 2019 und 2020

                                                                                                                  Ein Polynom sechster Ordnung
schlusses von Abschnitten mit Instandhal­             dass auch Rundungseffekte eine Rolle spie­
tungsaufträgen deutliche Anteile mit einer            len können.                                                      erlaubt eine realitätsnahe
scheinbaren Verbesserung zu beobachten.                   Im nächsten Schritt werden die berech­                               Modellierung der
Diese können beispielsweise aus dem an­               neten Prognosewerte des Jahres 2020 mit
gewendeten, nicht formtreuen Sehnen­                  den realen Messdaten desselben Jahres                                Zustandsentwicklung.
messverfahren resultieren. Die Genauigkeit            verglichen. Das Histogramm dazu ist in
der verfügbaren Daten liegt bei 1 mm, so­             Bild 5 dargestellt.

46        ETR  |  Dezember  2021  |  NR. 12                                                                                               www.eurailpress.de/etr
MODELLIERUNG DER GLEISLAGE                                                                                      INFRASTRUKTUR & BAU

                                                                                                 Implementierung dieser Funktionen in das
                                                                                                 UWZ-Werkzeug ermöglicht die Prognose
                                                                                                 der Gleislageentwicklung in Abhängigkeit
                                                                                                 vom Mitteleinsatz für Ersatzinvestitionen
                                                                                                 und Instandhaltung. Eine detaillierte Plau­
                                                                                                 sibilisierung durch den Abgleich mit vor­
                                                                                                 liegenden Messdaten der DB Netz AG über
                                                                                                 das Gesamtnetz des Jahres 2020 wurde im
                                                                                                 Anschluss daran erfolgreich durchgeführt.
                                                                                                 Die Ergebnisse zeigen, dass mit dem ent­
                                                                                                 wickelten Ansatz eine gute Prognose der
                                                                                                 Längshöhenabweichungen          aufgestellt
                                                                                                 werden kann, sodass dieses Modell im
                                                                                                 weiteren Verlauf für den UWZ angewendet

                                                                                                                                                                 Homepageveröffentlichung unbefristet genehmigt für RWTH Aachen, KIT, DB Netz AG /
                                                                                                 wird.                                    

 5: Verteilung der Längshöhendifferenz zwischen Prognose und Messwerten im Jahr 2020                Literatur

                                                                                                                                                                 Rechte für einzelne Downloads und Ausdrucke für Besucher der Seiten
                                                                                                 [1] Eisenbahn-Bundesamt: Leistungs- und Finanzie-
                                                                                                 rungsvereinbarung III.
                                                                                                 [2] Jacke, T.; Dickenbrok, B.; Friesen, N.; Grub, A.; Nießen,
                                                                                                 N.: Ursache-Wirkung-Zusammenhang: Zusammen-
                                                                                                 hang zwischen Mitteleinsatz und Infrastrukturqualität
                                                                                                 abbilden. In: ETR – Eisenbahntechnische Rundschau 68
                                                                                                 (2019) Nr. 9, S. 37 – 41.
                                                                                                 [3] Jacke, T.; Dickenbrok, B.; Friesen, N.; Grub, A.; Nießen,
                                                                                                 N.: Ursache-Wirkung-Zusammenhang zwischen
                                                                                                 Mitteleinsatz und erzielter Infrastrukturqualität am
                                                                                                 Beispiel von Brücken. In: IRSA2019: Tagungsband,

                                                                                                                                                                 genehmigt / © DVV Media Group GmbH
                                                                                                 Proceedings: 2nd International Railway Symposium
                                                                                                 Aachen, 26.11.2019 – 28.11.2019, Aachen, Deutschland,
                                                                                                 S. 28 – 42.
                                                                                                 [4] DB NETZE: Richtlinie 821 „Oberbau inspizieren“.
                                                                                                 [5] Marx, L.; Moßmann, D.: Arbeitsverfahren für die
                                                                                                 Instandhaltung des Oberbaus. 7. Auflage. Berlin: Bahn-
                                                                                                 Fachverlag, 2011.
                                                                                                 [6] Wolter, K. U.; Erhard, F.; Gabler, H.; Hempe, T.:
                                                                                                 Fahrzeugseitige Überwachung der Infrastruktur im Re-
                                                                                                 gelbetrieb. In: ETR – Eisenbahntechnische Rundschau
                                                                                                 63 (2014) Nr. 7+8, S. 32 – 36.
                                                                                                 [7] The MathWorks, Inc.: MATLAB®-Funktion „ischange“ –
                                                                                                 Find abrupt changes in data.

 6: Dichtefunktion der Abweichungen zwischen Prognose und Messwerten für das Jahr 2020

                                                                                                    Summary

                                                                                                 Modelling of track-position using the example
                                                                                                 of longitudinal height for the cause-effect
weichung zu 75 % mit einem absoluten               rianzen z. B. in der Belastung, die derzeit
                                                                                                 relationship
Fehler von weniger als 4 mm prognostiziert         nicht vollständig erfasst werden, ursäch­
werden kann.                                       lich sein.                                    For the cause-effect relationship between
                                                                                                 resources and quality, it is essential to model the
    Neben dieser globalen Auswertung
                                                                                                 wear and tear functions of the different infra-
wurde auch eine clusterspezifische Plau­           4. Fazit
                                                                                                 structure facilities close to reality. This is realized
sibilisierung vorgenommen. Hierbei                                                               in the presented process for the track position by
fielen die Cluster hoher Geschwindig­              Mit dem beschriebenen Verfahren als           connecting data analysis of the measuring trains
keiten sowie Cluster mittlerer Belastung           Kombination aus Gleismessdaten unter­         and an engineering approach. The resulting dete-
systematisch mit einer geringeren Prog­            schiedlicher Quellen konnten Verschlech­      rioration functions for the track-position provide
nosegüte als das Gesamtnetz auf. Neben             terungsfunktionen für die Gleislage auf       a good prognosis and were implemented in the
schwach besetzten Clustern mit geringer            Basis der Längshöhenabweichung zur An­        cause-effect-tool.
Datendichte können hier auch große Va­             wendung im UWZ modelliert werden. Die

www.eurailpress.de/etr                                                                                     ETR  |  Dezember  2021  |  NR. 12              47
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