Morbidität und Mortalität nach Eingriffen an der Leber
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Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. med. M. Büsing Dienstort: Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen Abteilung für Allgemein- und Unfallchirurgie Morbidität und Mortalität nach Eingriffen an der Leber Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Anita Ide aus Bochum 2002
Dekan: Prof. Dr. med. G. Muhr Referent: Prof. Dr. med. M. Büsing Korreferent: Prof. Dr. med. G. Hohlbach Tag der Mündlichen Prüfung: 27.05.2003 1
Inhaltsverzeichnis 1. Abkürzungsverzeichnis……………………………………………………………… 3 2. Einleitung / Ziel der Arbeit ………………………………………………………….. 5 3. Allgemeiner Teil 3.1. Historische Entwicklung der Leberchirurgie...................................................…. 7 3.2. Präoperative Diagnostik..................................................................................... 12 3.3. Behandlungsstrategie........................................................................................ 13 3.4. Chirurgische Therapie........................................................................................ 16 3.4.1. Resektionsverfahren.......................................................................................... 21 3.4.1.1. Lagerung und Zugangswege..........................................................................… 24 3.4.1.2. Linksseitige bzw. rechtsseitige Hemihepatektomie.......................................…. 25 3.4.1.3. Erweiterte linksseitige bzw. rechtsseitige Hemihepatektomie........................... 31 3.4.1.4. Segmentresektion............................................................................................. 37 3.4.1.5. Atypische Segmentresektion.........................................................................… 41 3.4.1.6. Zystektomie....................................................................................................... 42 3.4.1.7. Leberabszess.................................................................................................... 42 3.5. Postoperative Phase.....................................................................................…. 43 4. Spezieller Teil 4.1. Patienten und Methoden................................................................................… 45 4.2. Ergebnisse…………………………………………………………………………… 61 5. Diskussion…………………………………………………………………………… 72 6. Zusammenfassung…………………………………………………………………. 77 7. Literaturverzeichnis…………………………………………………………………. 78 8. Danksagung…………………………………………………………………………. 88 9. Lebenslauf……………………………………………………………………………. 89 2
1. Abkürzungen A. ……………………………………… Arteria Abb. ……………………………………… Abbildung anatom. ……………………………………… anatomisch aPTT ……………………………………… aktivierte partielle Thromboplastinzeit AT III ……………………………………… Antithrombin III atyp. ……………………………………… atypisch bzgl. ……………………………………… bezüglich bzw. ……………………………………… beziehungsweise Ca. ……………………………………… Carcinom CT ……………………………………… Computertomographie D. ……………………………………… Ductus D-Bili ……………………………………… Direktes Bilirubin EK ……………………………………… Erythrozytenkonzentrat erw. ……………………………………… erweitert evtl. ……………………………………… eventuell FFP ……………………………………… Fresh Frozen Plasma GB ……………………………………… Gallenblase G-Bili ……………………………………… Gesamt-Bilirubin ggf. ……………………………………… gegebenenfalls GGT ……………………………………… Gamma-Glutamyl-Transferase GOT ……………………………………… Glutamat-Oxalacetat-Transaminase GPT ……………………………………… Glutamat-Pyruvat-Transaminase HCC ……………………………………… Hepatozelluläres Karzinom Hemi. ……………………………………… Hemihepatektomie i.d.R. ……………………………………… in der Regel Lig. ……………………………………… Ligamentum Ligg. ……………………………………… Liggamenta max. ……………………………………… maximal min. ……………………………………… Minuten mind. ……………………………………… mindestens MRT ……………………………………… Magnetresonanztomographie OP ……………………………………… Operation PHR ……………………………………… percent hepatic replacement by tumor R. ……………………………………… Ramus sec. ……………………………………… Sekunden 3
Seg. ……………………………………… Segmentresektion Tab. ……………………………………… Tabelle TK ……………………………………… Thrombozytenkonzentrat u. a. ……………………………………… unter anderen UICC ……………………………………… Union International Contre le Cancer V. ……………………………………… Vena v.a. ……………………………………… vor allem v. Chr. ……………………………………… vor Christus vs. ……………………………………… versus z.B. ……………………………………… zum Beispiel 4
2. Einleitung / Ziel der Arbeit Die Leberchirurgie stellt heute mit ihren Möglichkeiten einen Gewinn hinsichtlich der Behandlungen von benignen und insbesondere malignen Lebertumoren dar. Die letzten 20- 30 Jahre sind geprägt von einer zunehmenden Bedeutung der Leberresektionen, welche ohne Zweifel auch heute noch zu den anspruchsvollen Operationen in der Abdominalchirurgie gehören. Durch Kenntnis und Berücksichtigung des segmentalen anatomischen Aufbaus des Organs und Anwendung adäquater chirurgischer Techniken, sowie wachsender individueller und allgemeiner Erfahrung, ist die Leberresektion inzwischen, von einer sehr riskanten, anfangs eher experimentellen Operation, an den entsprechenden erfahrenen Zentren zu einem standardisierten Eingriff geworden. [9,53] Auf der Basis der erforderlichen chirurgischen, anästhesiologischen und intensivmedizinischen Erfahrung und nicht zuletzt aufgrund der hohen funktionellen Reservekapazität einerseits und der ausgeprägten Regenerationsfähigkeit andererseits können auch, ohne dass daraus dauerhafte funktionelle Einschränkungen resultieren, ausgedehnte Leberresektionen unter kurativer Zielsetzung mit einer postoperativen Mortalität von etwa 5% vorgenommen werden. Die meisten Erfahrungen liegen bisher mit den Metastasen kolorektaler Karzinome vor, welche die größte Gruppe sekundärer Malignome der Leber bilden (80-90%). Die verbleibenden Fälle verteilen sich auf Lebermetastasen bei Karzinomen anderen Ursprungs (Pankreas-, Magen-, Mamma-, Nasopharynx-Ca. u.a.), cholangiozelluläres Karzinom oder benignen Veränderungen wie den Leberzysten, der FNH, dem Leberhämangiom, dem Leberzelladenom und der Histoplasmose. [9] Die chirurgischen Resektionen bieten als einziges Behandlungsverfahren die Möglichkeit einer kurativen Behandlung mit der Chance eines längerfristigen tumorfreien Überlebens (2- Jahresüberlebensrate von etwa 70% (in der Literatur stark variierend) und 5- Jahresüberlebensrate von etwa 25-30%), während im Spontanverlauf kein Langzeitüberleben beobachtet werden kann. Trotz zahlreicher Studien, die den Einfluss der Leberresektion auf die Überlebensrate bei Patienten mit Metastasen kolorektaler Karzinome untersuchten, wird der Stellenwert einzelner prognostischer Faktoren kontrovers diskutiert. Die nach wie vor begrenzten Kenntnisse über tatsächlich relevante Prognosefaktoren unterstreichen somit die Notwendigkeit zusätzlicher kritischer Analysen. 5
Der Ansatzpunkt der vorliegenden Arbeit war, anhand einer retrospektiven Untersuchung, hierzu einen Beitrag zu leisten, mit dem Ziel, hierbei einerseits die Gesamtergebnisse einer einzigen Institution über einen Zeitraum von etwa drei Jahren darzustellen, andererseits evtl. bedeutsame Prognosekriterien herauszuarbeiten und mit den vorliegenden Ergebnissen anderer Arbeitsgruppen zu vergleichen. Zusätzlich wurde nicht nur der Frage bezüglich der Operationsmorbidität und –mortalität nach reserzierenden und ablativen (kryothrapeutischen) Eingriffen an der Leber bei malignen Leberveränderungen (wie bereits erwähnt insbesondere Lebermetastasen kolorektaler Karzinome) nachgegangen, sondern auch benigne Leberveränderungen unter diesem Aspekt analysiert und ein Vergleich hinsichtlich gutartiger und bösartiger Lebererkrankungen unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien (Geschlecht, Alter, OP-Technik u.a.) aufgestellt. Für diese Untersuchungen wurden im Zeitraum von Mai 1998 bis Januar 2001 in der chirurgischen Abteilung des Knappschaftskrankenhauses Recklinghausen unter der Leitung von Professor Büsing 94 Patienten mit benignen und malignen Erkrankungen bzw. Tumoren an der Leber behandelt, wobei 89 Patienten unter kurativer Zielsetzung an der Leber operiert wurden. 72 Patienten unterzogen sich einer Leberresektion. Die restlichen 17 Patienten wurden einer anderen chirurgischen Therapie zugeführt. Bei 5 Patienten kam aufgrund der intrahepatischen Tumorausdehnung keine Leberresektion oder andere chirurgische Therapie zur Anwendung. Der Eingriff wurde bei diesen als explorative Laparotomie beendet. Die weitere Behandlung erfolgte dann unter palliativen Aspekt. 6
3.1. Historische Entwicklung der Leberchirurgie Die Leber- und Pfortaderchirurgie ist zwar mit ihrem heutigen Facettenreichtum ein neuzeitliches Phänomen und auch die Erkenntnisse und daraus resultierenden Entwicklungen erfuhren erst im letzten Jahrhundert einen explosionsartigen Anstieg, jedoch beschäftigten sich die Menschen schon seit Jahrhunderten mit der größten Drüse und mit einem Gewicht von etwa einem Kilogramm schwersten Organ unseres Körpers. Die Entwicklungsgeschichte der Leberchirurgie war in den frühen Anfängen von vielen Mythen und Spekulationen geprägt. Erste Hinweise zur Leberanatomie fanden sich in Dokumenten um 3500 v. Chr., in denen die Leber als das „schicksalstragende Organ“ herausgestellt wurde. Aber nicht nur die schicksalstragende Funktion, sondern auch der Glaube, die Leber sei Sitz der Organseele (Platon 427-347 v. Chr.) spiegeln die Bedeutung wieder [73]. In weiteren alten Schriften ließen sich immer wieder verschiedenartige Kenntnisse über einzelne Lebercharakteristika finden, wie z.B. die Regenerationsfähigkeit der Leber (Prometheussage, 4. Jh. v. Chr.) [29]; die Leber als blutreiches Organ (Homer, um 800 v. Chr.) [26]; die Größe, die Lage, die Konturen und die Blutversorgung der Leber (Herophilos 334-280 v. Chr.) [73]; die Leber als Ort der Blutbildung und der Verlauf der Pfortader (Galenus 129-199 v. Chr.) [19,40]. Galenus schuf mit seinen anatomischen Untersuchungen und Beobachtungen an verschiedenen Spezies ein umfassendes System der Medizin, den Galenismus, welches mehrere Jahrhunderte die Heilkunde und das medizinische Denken und Handeln bestimmte (Abb. 1). Detailreichere Aufschlüsse über die Anatomie der Leber gaben Capri (1470-1530) [14], Vesal (1514-1564) [69], Hildanus (1560-1643), Harvey (1578-1656) [30], Glisson (1592-1656) [26] und Ruysch. Vesal veröffentlichte 1543 sein Buch „De humani corporis fabrica libri septem“ und läutete damit den Beginn der wissenschaftlichen Anatomie der Neuzeit ein [69]. Der Name Hildanus wird im Zusammenhang mit einer um 1600 durchgeführten Exzision eines Leberstücks nach einem aufgetretenen Trauma genannt. Der Patient überlebte den Eingriff. Harvey entdeckte den großen Blutkreislauf und die Funktion des Herzens als dessen Antriebspumpe, wodurch die Heilung vieler Krankheiten und die Verlängerung der mittleren Lebenserwartung begründet wurde [30]. Glisson postulierte 1654 nach Eingriffen an der Leber mit Präparation der Lebergefäße die Verbindung zwischen Vena portae und Lebervenen [26]. Ruysch gab 1732 erste Hinweise bezüglich portaler Injektionsräume. 7
In Dokumenten des 17.,18. und 19. Jahrhunderts fanden sich vermehrt Hinweise über verschiedene Eingriffe an der Leber, die mit dem Überleben der Patienten einhergingen. MacPerson (1688) und Berta (1716) berichteten über Entfernungen von prolabierten Teilen der Leber nach Verletzungen im Abdominalbereich [6,47]. Ähnliches dokumentierte auch Garre´ 1889 mit Bezug auf den von Paul von Bruns durchgeführten Lebereingriffen während des Krieges 1871/1872 [23]. Thompson dokumentierte zwölf Leberverletzungen gründend auf die Schlacht von Waterloo und berichtete davon, dass einige Patienten den Eingriff an der Leber überlebten (1815). Morton (1846) und Lister (1865) nahmen eine gewisse Schlüsselposition im weiteren Verlauf der Leberchirurgie ein. Die sogenannten Urväter in den Bereichen Anästhesie und Antisepsis gaben mit ihren Entdeckungen die Möglichkeit, die Eingriffe an der Leber zu erweitern, zu präzisieren und in die Richtung der zukünftigen modernen Chirurgie zu lenken [29]. Abb. 1. Galen C. Stich nach Abb. 2. Langenbuch Karl J. A. Rubens [Deutsche Fotothek [73] Dresden, Kramer] [73] Die ersten Schritte im Bereich der Pfortaderchirurgie setzte von Eck 1877 mit einer im Tierexperiment durchgeführten laterolateralen portokavalen Anastomose [17]. Der Franzose Lenoir nahm diese Operation erstmalig am Menschen (1901), Rosenstein erstmalig erfolgreich bei einer Patientin mit Leberzirrhose und Aszites vor (1912). Eine Weiterentwicklung dieses Verfahrens u.a. in Form porto-systemischer Shunts erfolgten erst nach 1945 durch die Amerikaner Linton und Warren. Der Name Langenbuch (1846-1901) steht für die erste geplante und erfolgreiche Linksresektion der Leber beim Menschen (1888). Langenbuch entfernte einen sogenannten 8
Schnürlappen mittels Durchstichligaturen und behandelte eine postoperativ aufgetretene Nachblutung mit Umstechungen [41] (Abb. 2). William Williams Keen führte 1891 die erste Leberresektion in den USA durch. Er entfernte erfolgreich ein gestieltes Lebercystadenom. Eine Erweiterung der Kenntnisse auf dem Gebiet der Leberchirurgie erlangte man auch durch Ponfick, Tillmanns [28], Gluck und Meister, welche zum einen eine Resektionsfähigkeit von bis zu 70-80% zeigten, zum anderen die enorme Regenerationsfähigkeit der Leber nahezu bis zu ihrem Ausgangsgewicht herausstellten (1889). Mit ihren tierexperimentellen Studien hatten sie die Prinzipien der Leberresektion etabliert. Weitere Erungenschaften auf dem Weg zur heute existierenden modernen Leberchirurgie waren die von Kousnetzoff mit stumpfer Nadel ausgeführten Matratzennähte zur Blutstillung (1896), die Markierung der Grenzebene zwischen rechter und linker Leber durch Gallenblase und V. cava inferior (Cantlie 1898) [13], die weiterführende Kenntnis der Leberanatomie bezüglich der Aufteilung in einzelne Lappen und deren Blutversorgung (Cantlie 1898 und Rex 1888) [13,55], die experimentelle Unterbindung der Leberarterie von Haberer (1903) [28] und die stumpfe Parenchymdissektion der Leber von Anschütz (1903) [3]. 1886 beschrieb Lius die Entfernung eines kindskopfgroßen Lebertumors (1886) [45]. Aufgrund einer schwerwiegenden Nachblutung verstarb jedoch der Patient sechs Stunden nach dem Eingriff. Zwar berichteten Tiffany (1890) und Lucke (1891) über die ersten erfolgreichen Tumorresektionen, die Komplikation der intra- und postoperativ auftretenen Blutungen blieb aber bestehen. Ein Name drängt sich hierbei in den Vordergrund, durch dem der weitere Schritt in die heutige Richtung gebahnt wurde. Es war „Pringle“ (1908) und dessen herausragende Leistung der temporären Blutungskontrolle durch Okklusion des Ligamentum hepatoduodenale, durch welche Blutungen verringert und somit die Versorgung erleichtert wurde [52]. Das Prinzip der normothermen Lebereinflussstauung findet noch heute als sogenanntes Pringle-Manöver Anwendung. Auch Fortner und Huguet trugen zur Erweiterung der Erfahrungen auf diesem Gebiet bei: Fortner 1975 mit der Isolations- Perfusions-Technik der Leber-Teilresektion, Huguet 1978 mit der normothermen vaskulären Exklusion der Leber. Weitere Erkenntnisse auf dem Gebiet der Leberchirurgie errang James Israel (1848-1926). Ihm gelang mittels besonderer Abschnürligatur die Exstirpation eines Leberkavernoms (1911). Er begann die Resektion an der Grenzlinie zwischen beiden Lappen mit sukzessiv angelegten großen Umstechungsnähten [36]. 9
Die erste erfolgreiche Hemihepatektomie rechts gelang Walter Wendel 1911 durch Ligatur des rechten Astes der A. hepatica propria nach Abgang der A. cystica bei Leberzellkarzinom mit Unterlassen der zentralen Unterbindung des rechten Pfortaderastes und Anlegen von Durchstichligaturen mit Hilfe einer Öhrsonde im Bereich der Resektionsfläche [71] (Abb. 3). Die erste erfolgreiche Resektion einer kolorektalen Lebermetastase publizierte Cattell 1940. Die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts spiegelten zusammen mit Hjortsjös Topographie der intrahepatischen Gallenwege (1951), Healeys anatomischen Erkenntinssen der Leberarterie (1953) und Couinauds anatomischer Darstellung der Leber in acht Segmenten (1954) den Durchbruch in der Leberchirurgie wieder [15] (Abb. 4). Abb. 3. Wendel W. [73] Abb. 4. Couinaud C. [73] Die Erweiterung der anatomischen und topographischen Kenntnisse, die Verbesserung der operativen Technik, die Kenntnisse zur Leberischämie und der Einsatz protektiver Maßnahmen sowie die Erfahrungen auf den Gebieten der Narkose und Intensivtherapie ebneten den Weg zur heute existierenden modernen Leberchirurgie. Jedoch blieb ein weiteres Problem gerade im Bereich der Resektion maligner Tumoren bestehen. Für die operative Verfahrenswahl waren und sind auch heute noch in der Leberchirurgie zwei gegensätzliche Aspekte bedeutsam: die onkologische Radikalität und die postoperative Leberfunktion bzw. funktionelle hepatische Reserve. Bei einer gesunden Leber sind im Extremfall Resektionen von bis zu 80% durchaus vertretbar, aber bei einer kranken Leber bzw. einer Leber, bei der die postoperative Leberfunktion nicht gewährleistet bzw. die funktionelle hepatische Reserve erschöpft ist, ist die Grenze der operativen Therapie erreicht. Erst durch Tom E. Starzl wurde diese Grenze überwunden (Abb. 5). Er führte 1963 die erste orthotope Lebertransplantation und 1968 die erste erfolgreiche orthotope Lebertransplantation durch [67]. Daraufhin folgten die erste Lebertransplantation in Deutschland von Gütgemann (1968) [27] und die Trisegmentektomie und Transplantation einer größenreduzierten Leber von Starzl (1975) [67]. Eine Zunahme der 10
Lebertransplantationen zeigte sich mit der erheblichen Verbesserung der Immunsuppression durch Cyclosporin, welche auf die Arbeit von Calne zurückging (1980) [12]. Die Transplantationen in den 80er Jahren wurden geprägt von der Split-liver Transplantation von Pichlmayr und Bismuth (1984), der ex situ / ante situm Resektion von Pichlmayr (1988) (Abb. 6) und der Leber-Lebendspende von Raia (1989) [51,59,72]. Abb. 5. Starzl T [73] Abb. 6. Pichlmayr R [73 Letztendlich waren die exakten Kenntinsse der Leberanatomie, die Möglichkeit der Blutungskontrolle, das Wissen über die Leberischämie, der Einsatz protektiver Maßnahmen, ein optimiertes Regime bei Narkose und Intensivtherapie sowie die Verbesserungen in der operativen Technik die Wegbereiter für die moderne Leberchirurgie mit ihrem Facettenreichtum und Möglichkeiten. Auf dieser Grundlage und immer wieder angeregt durch klinische Erfordernisse konnten weitere zahlreiche chirurgisch-technische Innovationen entwickelt werden, deren Idee und Ausführung inzwischen von vielen übernommen worden ist. Gerade das Streben die Morbidität und Mortalität nach Eingriffen an der Leber, welche schon im Verlauf der Geschichte einen enormen Rückgang verzeichneten (anfangs lag die Operationsletalität nur unwesentlich unter 100%, heute ist eine Letalität von 5% und darunter zu verzeichnen), weiterhin zu senken wird den Ehrgeiz weitere gezieltere Therapien zu erforschen aufrecht erhalten. Aber nicht nur im makroskopischen Bereich werden die Forschungen weitergehen, auch zukünftige Bestrebungen lassen Möglichkeiten auf dem Gebiet der Mikroskopie verbunden mit Erkenntinssen auf subzellulärer Ebene deutlich werden. Eine Optimierung der Leberzellisolierung, -kultivierung und -transplantation ist anzustreben. Auch die Idee der sogenannten Entwicklung einer „künstlichen Leber“ ist heute keine Utopie, sondern ein Gebiet reger medizinischer Forschung. 11
3.2. Präoperative Diagnostik Die Wahl der Untersuchungsverfahren und die Reihenfolge ihres Einsatzes hängen im Einzelfall von der klinischen Fragestellung ab. Dabei können zwei Ausganssituationen unterschieden werden, zum einen die Charakterisierung eines bekannten Herdes mit bekannter oder unbekannter Ätiologie, zum anderen die Detektion fokaler Läsionen bei bekannten oder vermutetem Tumorleiden. Beide Fragen stellen unterschiedliche Anforderungen an die Untersuchungstechnik, welche sich nach dem jeweiligen Ausgangsbefund richtet. Die diagnostischen Anforderungen bei Tumoren, deren Ätiologie unbekannt ist erstrecken sich zunächst auf die Charakterisierung und Dignitätsabschätzung, die bei denen die Ätiologie bekannt ist auf Staging und Monitoring. Steht jedoch die Suche nach dem Primärtumor und/oder den Metastasen im Vordergrund zentriert sich die diagnostische Anforderung auf die Detektion. Die in die Studie aufgenommenen Patienten lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Zum einen stellten sich Patienten mit bekanntem oder vermutetem Tumorleiden vor, bei denen dann die Detektion fokaler Läsion im Vordergrund stand; zum anderen stellten sich Patienten vor, bei denen im Rahmen einer ungezielten Leberuntersuchung (meist durch Sonographie oder Computertomographie) eine herdförmige Läsion entdeckt wurde. Bei der Frage nach der Dignität konnte bei einem Teil der Patienten schon aus der Erstuntersuchung anhand des sonographischen bzw. computertomographischen Befundes eine definitive Diagnose gestellt werden (dies betraf vor allem die zystischen Lebererkrankungen, die Leberhämangiome und die fokalen nodulären Hyperplasien), so dass hier keine weitere Diagnostik erforderlich war. Bestand jedoch noch eine Unsicherheit bezüglich der Diagnose wurde eine erweiterte Diagnostik (MRT/Szintigraphie) durchgeführt; in Verbindung mit der führenden Klinik konnten so vor allem das hepatozelluläre Karzinom, Metastasen bei bekanntem Tumorleiden und Leberabszesse diagnostiziert werden. Konnte auch aufgrund der erweiterten Diagnostik keine definitive Diagnose gestellt werden stand die Biopsie oder Resektion als Verfahren der Wahl im Vordergrund, wodurch letztendlich auf bioptisch histologischem Weg die Diagnose gesichert werden konnte. Unabhängig von der erst erzielten Tumordiagnose oder einem schon bekannten Tumorleiden hängt die angestrebte diagnostische Strategie und Wahl des Untersuchungsverfahrens in erster Linie von den therapeutischen Konsequenzen ab. Besteht schon bei der Eingansuntersuchung Irresektabilität erübrigt sich die weitere 12
Diagnostik. Ist die Frage der Resektabilität offen sind Spiral-CT und MRT Methode der Wahl. Wird erst intraoperativ eine Irresektabilität festgestellt, kann die Operation auch als explorative Laparotomie beendet werden (was immerhin auf 5 Patienten in der Studie zutrifft) [22]. 3.3. Behandlungsstrategie Die Wahl des Behandlungsverfahrens richtet sich nach dem Ausmaß der Lebererkrankung. Während benigne Lebertumoren anhand operativer Verfahren kurativ behandelt werden können, besteht bei den malignen Erkrankungen der Leber häufig das Problem der Resektabilität. Ob ein Lebertumor resektabel ist richtet sich nach dem Allgemeinzustand des Patienten, dem Tumorstadium, der lokalen Ausdehnung und der nach der Resektion zu erwartenden Restfunktion der Leber. Besteht allgemeine oder lokale Inoperabilität muss individuell abgewogen werden, ob lokale (Alkoholinjektion, Thermokoagulation, Kryotherapie, Laser-Photokoagulation, elektromagnetische Wellen (Radiowellen, Mikrowellen), Gentherapie, Strahlentherapie) bzw. regionale (regionale Chemotherapie, Chemoembolisation) oder systemische medikamentöse Therapieverfahren (systemische Chemotherapie, Hormontherapie) oder nur supportive Maßnahmen angewandt werden. Bei auf die Leber beschränkten irresektablen Tumoren ist eher ein regionales Therapieverfahren das Mittel der Wahl. Wird der Lebertumor erst durch Exploration als irresektabel gesichert, kann die Implantation eines Arteria-hepatika-Katheter zur regionalen Chemotherapie erwogen werden. Die Chemoembolisation steht bei nichtresektablem HCC als Therapiemöglichkeit zur Verfügung. Alle regionalen, nichtreserzierenden Verfahren haben mehrere Eigenschaften gemeinsam. Zum einen richtet sich die Therapie direkt gegen den Tumor, zum anderen wird eine fokale Nekrose erzeugt. Desweiteren können Lokalisation und Ausdehnung der Nekrosen durch den Therapeuten beeinflusst werden und die Nekrosen verbleiben im Gewebe [25]. Da im Rahmen der prospektiven Studie neben der Resektion auch konservative Verfahren angewandt wurden (Chemotherapie, Ethanolinjektion, Kryochirurgie und Strahlentherapie) sollen diese im Folgenden kurz erörtert werden. Die 1983 in Japan entwickelte perkutane Alkoholinjektion beruht auf eine Entstehung einer kompletten Koagulationsnekrose nach Injektion von 100% Ethanol in den Tumorherd und das umgebende Gewebe. Diese Therapie erfolgt in mehrfachen Sitzungen. Vor allem unilokuläre, möglichst durch eine Pseudokapsel gut abgegrenzte Tumoren, die einen Maximaldurchmesser von etwa 3 cm aufweisen, scheinen geeignet. Die Therapie scheint 13
sinnvoll bei einer begrenzten Anzahl von Herden. Limitiert wird der Indikationsbereich dieser Methode durch eine fehlende Begrenzung der meist weit fortgeschrittenen Tumoren zum umgebenden normalen Leberparenchym bzw. bei sehr kapselnah liegenden Tumoren. Vorteile sind die geringe Patientenbelastung, die niedrigen Kosten und die wiederholte Therapiemöglichkeit. Die in Lokalanästhesie durchgeführte Punktion erfolgt unter Ultraschall- oder CT-Kontrolle, wobei unter behutsamen Zurückziehen der Nadel einige Milliliter des 100%igen Alkohols injiziert werden. Die zur Nekrose führende Wirkung von Alkohol wurde sowohl im Tierversuch als auch in humanen, reserzierten Tumoren nachgewiesen. Die seit 1963 bei Lebermetastasierung durchgeführte Kryotherapie basiert auf der ultraschallgesteuerten Vereisung eines Tumors anhand von im Tumor plazierten Sonden mittels flüssigem Stickstoff (-196°Celsius, da die Nukleationstemperatur bei verschiedenen Zellarten unterschiedlich ist und bei Tumorzellen nicht genau bekannt ist, wird im Schrifttum zur Tumorzerstörung eine Temperatur von wenigstens –50°C gefordert). Die Vereisung führt zu einer Nekrosenbildung (Absterben von Gewebe), wobei im Rahmen eines multifaktoriellen Geschehens bei der Gefrierschädigung von Zellen die intrazelluläre Eisbildung nach Erreichen der sogenannten Nukleationstemperatur das entscheidende letale Ereignis sein dürfte. Ein wichtiger Vorteil der Kryochirurgie gegenüber anderen lokalen, nichtreserzierenden Therapieverfahren ist die mechanische Fixation der Tumorzellen durch die extrazelluläre Eismatrix. Dadurch wird eine Dissemination der Tumorzellen während des Eingriffs verhindert. Die Wirksamkeit der Kryotherapie korreliert mit der Größe der Tumoren und der kompletten Nekrose aller Tumorzellen. Letzeres Ziel kann in der Regel bei multiplen Tumoren nicht erreicht werden. Zur Verstärkung kann eine regionale Chemotherapie angewendet werden. Hauptindikationen für die Kryobehandlung sind solitäre, nichtresektable Tumoren < 6cm und die komplementäre Therapie bei Resektion nicht im Gesunden oder mit zu geringem Sicherheitsabstand [25]. Steht die Chemotherapie als Therapieverfahren der Wahl im Vordergrund wird bevorzugt die regionale anstelle der systemischen Therapie angewandt. Zielvorstellung der regionalen Chemotherapie ist es, eine hohe lokale Zytostatikakonzentration d.h. höhere lokale Medikamenten-Konzentrationen mit gesteigerter lokaler Wirksamkeit in das Tumorgewebe zu erzielen und andererseits die Rate an unerwünschten Nebenwirkungen, wie sie vorwiegend bei systemischer Applikation auftreten, zu verringern. Die Gabe des Medikamentes erfolgt transarteriell über die A. gastroduodenalis in die A. hepatica permanent implantierten Portkatheter-Systemen basierend auf der Tatsache, dass die Tumoren (HCC, Metastasen) in erster Linie arteriell versorgt werden. Kontraindikationen für das Therapieverfahren sind extrahepatische Metastasen, ein Tumorbefall der Leber von 14
mehr als 50%, primär nicht resektabel erscheinende Metastasen oder intraoperativ als nicht resektabel erwiesene Metastasen, ein Quick-Wert von weniger als 50%, Thrombozytenkonzentrationen von weniger als 50G/l, Serumbilirubin von mehr als 7mg/dl oder ein massiver Aszites, desweiteren eine Enzephalopathie oder ein Karnofsky-Index weniger als 60%. In Bezug auf sekundäre Lebermalignome ist die regionale FUDR- (Fluordeoxyuridin) Therapie heute gerade wegen der hohen Kosten und hepatobiliären Toxizität bis hin zu einer biliären Sklerose zugunsten der Folinsäure/5-FU-Therapie (nach ART-I-Protokoll, „Arbeitsgemeinschaft Regionale Tumortherapie“) weitgehend ersetzt, welche zu ähnlich hohen Remissionsraten und zu sehr günstigen Überlebenszeiten führt (entsprechend unserem Krankengut). Auch bei den primären Lebermalignomen ist ein Wandel zu verzeichnen. Die früher geltende FUDRAM- (FUDR+Adriamycin+Mitomycin) Therapie nach Patt et al. hat zugunsten der Therapie mit einer Kombination aus Cisplatin und Adriamycin von Carr et al. an Bedeutung verloren. Neben der regionalen Chemotherapie ist eine transarterielle Chemoembolisation möglich, unter deren Annahme der lokale Wirkungsgrad der regionalen arteriellen Chemotherapie durch die gleichzeitige Applikation des Chemotherapeutikums zusammen mit einem Embolisat, z.B. dem öligen Kontrastmittel Lipiodol, gesteigert werden kann. Lipiodol wird selektiv in den Tumorgefäßen gespeichert. Doxorubicin oder Epirubicin werden als Monotherapie, Cisplatin und Mitomycin in Kombination mit verschiedenen Embolisaten am häufigsten verwendet. Ein weiteres Therapieverfahren ist die konventionelle, extrakorporale Bestrahlung. Sie hat in der Behandlung von Lebertumoren einen marginalen Stellenwert aufgrund der durch die Strahlenexposition verursachten Leberfibrose und der Strahlenresistenz der HCC. Vor allem 131Jod-Lipiodol oder 90Yttrium fanden als sogenannte „interne“ Radiojodtherapie durch intraarterielle Injektion und lokaler Tumorzerstörung Anwendung [25]. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass allen hier genannten Verfahren keine kurative Rolle in der Behandlung von Lebertumoren zukommt. Sie ermöglichen im günstigsten Fall eine Tumorverkleinerung, häufig einen Wachstumsstillstand und erreichen dadurch sekundäre palliative Effekte. Ob eine Lebensverlängerung möglich ist, kann heute nicht sicher beurteilt werden. Es hat sich herausgestellt, dass sich gerade die regionalen/lokalen Therapieverfahren für die Tumorbehandlung eignen, da vor allem bei zirrhotischer Leber das nicht-tumoröse Parenchym nicht oder nur wenig beeinträchtigt wird. Es ist darauf zu achten, dass jede Behandlungsmaßnahme definierte Indikationen sowie Behandlungsausschlüsse hat, die im Einzelfall geprüft werden müssen. 15
3.4 Chirurgische Therapie Nach Abschluß der präoperativen Diagnostik und bei bestehender Resektabilität, tritt die chirurgische Therapie in den Vordergrund. Insbesondere etablierte sich gerade im Bereich maligner Erkrankungen eine zunehmend aggressive chirurgische Therapie mit potentiell kurativer Zielsetzung in der Behandlung von resektablen malignen Lebertumoren. Für die Darstellung der chirurgischen Vorgehensweise werden im Folgenden die in der Studie hauptsächlich verwendeten Methoden der chirurgischen Therapie benigner und maligner Lebererkrankungen vorgestellt. Für die operative Verfahrenswahl sind in der Leberchirurgie, insbesondere bei bestehender Malignität, zwei gegensätzliche Aspekte bedeutsam: die onkologische Radikalität und die postoperative Leberfunktion bzw. funktionelle hepatische Reserve. Bei einer gesunden Leber sind im Extremfall Resektionen von bis zu 80% durchaus vertretbar aber nicht grundsätzlich voraussetzbar. Eine klinische relevante Leberinsuffizienz kann allerdings nur ausgeschlossen werden, wenn weniger als 50% des funktionalen Leberparenchyms reserziert werden. Desweiteren ist darauf zu achten, dass das Verfahren der Wahl einen tumorfreien Resektionsrand garantiert, ohne dabei unnötig intaktes Parenchym zu opfern. Letztendlich ist die Kenntnis und Beachtung der segmentorientierten Anatomie und der Gefäßstrukturen grundlegende Voraussetzung für eine chirurgische Therapie [7,66]. Die an der intrahepatischen Aufteilung der portalen Strukturen orientierte Gliederung der Leber erfolgt nach Couinaud. Die Leber lässt sich demnach in zwei Hälften (linker und rechter Leberlappen), fünf Sektoren (lateraler (Segment VI und VII) und paramedianer (Segment V und VIII) Sektor der rechten Seite, paramedianer Sektor (Segment IV) sowie linker Lappen (Segment II und III) der linken Seite und Lobus caudatus) und zehn Segmente (I(a+b), II, III, IV(a+b), V, VI, VII, VIII“ aufteilen). Der linke Leberlappen besteht aus den Segmenten II, III, IV(a+b), der rechte Leberlappen aus den Segmenten V, VI, VII und VIII. Segment I(a+b) entspricht dem Lobus caudatus [44,64] (Abb. 7: Segment I befindet sich hinter (über) der Leberpforte und ist auf der Abbildung nicht zu erkennen). Die Leber durchziehen zwei Systeme von Gefäßstraßen, zum einen das System der afferenten Blutgefäße bestehend aus der Arteria hepatica und Vena portae, zum anderen das System der efferenten Blutgefäße bestehend aus den Lebervenen. Die beiden afferenten Blutgefäße laufen mit den intrahepatischen Gallengängen immer als Trias 16
hepatica (Glissonsche Trias) vereint. Die Lebertrias wird von etwas Bindegewebe und Lymphgefäße begleitet und bildet etwa dreieckige Zwickel zwischen den Leberläppchen [43]. Abb. 7. Segmentale Anatomie der Leber (nach Couinaud) [10] Die arterielle Versorgung der Leber erfolgt über die Arteria hepatica propria. Sie kommt aus dem Truncus coeliacus und ist die Fortsetzung der Arteria hepatica communis nach Abgang der Arteria gastroduodenalis. Bevor sie sich in der Porta hepatis in den Ramus dexter und den Ramus sinister aufteilt (häufigster Fall) gibt sie noch zwei Äste ab: die Arteria gastrica dextra zur kleinen Magenkrümmung und die Arteria cystica zur Gallenblase und zum Gallenblasengang (Abb.8). Für den linken Leberlappen wird meist noch eine Aufteilung für den lateralen Sektor beobachtet: eine sogenannte Arteria hepatica media für das Segment IV und eine Arteria lobi caudati sinister für den linken Teil des Lobus caudatus. Für den rechten Leberlappen beobachtet man noch eine Aufteilung für den posterioren und anterioren Sektor sowie rechten Teil des Lobus caudatus (Abb.9). Neben diesem hauptsächlich vorzufindenen arteriellen Gefäßverlauf sind noch einige Variationen bekannt. Zum einen können Ramus dexter und Ramus sinister getrennt aus dem Truncus coeliacus oder ein zusätzlicher Ast zum linken Leberlappen aus der Arteria gastrica sinistra entspringen, zum anderen besteht die Möglichkeit, dass die Arteria hepatica propria aus der Arteria mesenterica inferior oder der Ramus dexter aus der Arteria mesenterica superior entspringt und am Hinterrand zwischen Ductus hepatocholedochus und Pfortader zur Leber läuft. Die Leberarterienaufteilung im Hilus kann man gelegentlich als Trifikation vorfinden. Dies ist bei Eingriffen am Ligamentum hepatoduodenale, am Pankreaskopf und bei Einlegen eines arteriellen Ports zur Chemotherapie zu beachten [9,43,64]. 17
Abb. 8. Verteilung der Äste des Truncus coeliacus (nach Broelsch E, Kremer K, von Lüdinghausen M: Leber. In: Kremer K et al. , Chirurgische Operationslehre, Thieme-Verlag, Stuttgart New York 1993) 1. Truncus coeliacus 8. R. sinister a. hepaticae 2. A. hepatica communis 9. R. dexter a. hepaticae 3. A. gastrica sinistra 10. A. cystica 4. A. splenica 11. R. sinister accessorius der A. gastrica sinistra 5. A. hepatica propria 12. R. dexter accessorius der A. gastroduodenalis 6. A. gastroduodenalis 13. R. dexter accessorius der A. mesenterica superior 7. A. gastrica dextra 14. Sonderfall einer A. gastrica sinstra als Ast des R. sinister der A. hepatica propria Abb. 9. Schemazeichnung der intrahepatischen Arterienverzweigung (nach Skandalakis. In: Köckerling F, Waclawiczek H. W: Leberchirurgie, JA Barth-Verlag, Heidelberg Leipzig 1999) 18
Die Lebervenen verlaufen unabhängig von den Ästen der Vena portae ähnlich wie die Lungenvenen an den Segmentgrenzen immer von ventrokaudal in leichtem Bogen zum kraniodorsalen Leberrand bzw. zum oberen Abschnitt des Sulcus venae cavae und sind damit wichtige Grenzmarker für den Chirurgen. Es wird zwischen einer oberen Gruppe: rechte Lebervene (V. hepatica dextra), mittlere Lebervene (V. hepatica intermedia) und linke Lebervene (V. hepatica sinistra) und einer unteren Gruppe kleinerer, sehr variabler Venen (retrohepatische Venen, Vv. hepaticae inferiores, posteriores sive dorsales) unterschieden. Die Vena hepatica dextra liegt in der rechten Grenzspalte und entsorgt die posterioren und anterosuperioren Segmente (Segmente V,VI,VII und Teile von VIII). Die Vena hepatica media verläuft i. d. R. in der Trennebene zwischen rechtem und linkem Versorgungsgebiet und projiziert sich meist auf die Hauptgrenzspalte der Facies diaphragmatica. Sie entsorgt v.a. den Lobus quadratus und große Teile des rechten vorderen und linken mittleren Segmentes (vorwiegend Segmente IV und V) sowie des hinteren Abschnittes von Segment VIII. Die Vena hepatica sinistra liegt in der linken Grenzspalte bzw. der Tiefe des hinteren Abschnittes der Fissura ligamenti venosi. Sie entsorgt die linken lateralen Segmente (Segmente II und III) und die oberen Abschnitte des medialen Segmentes (IV) und gelegentlich auch des Lobus caudatus (Abb.10). Die retrohepatischen Venen sind eigenständige Abflüsse des paramedianen Leberparenchyms, insbesondere aus dem Lobus caudatus und aus den kavanahen Teilen des rechten Lappens. Die beiden Gruppen münden unmittelbar unter dem Foramen venae cavae des Zwerchfells in die Vena cava inferior [9,43]. Bei typischen Leberteilresektionen ist der Pfortaderverlauf zu beachten. Die 6-11 cm lange Pfortader mit einem Durchmesser von 10-12 mm entsteht aus der hinter dem Pankreaskopf gelegenen Vereinigung von Vena splenica und Vena mesenterica superior in Höhe des 2. Lendenwirbels. Nach Unterkreuzung des Duodenums erfolgt der weitere Verlauf im Ligamentum heptoduodenale. In der Regel teilt sich die Pfortader unmittelbar vor Erreichen des Leberparenchyms in einen kürzeren etwas stärkeren rechten und längeren etwas schwächeren linken Hauptast. Der linke Hauptstamm (R. sinister) verläuft bis in die linke intersektoriale Fissur extrahepatisch, dann gibt er Äste zum Segment II ab. Danach teilt er sich auf und verzweigt sich in die Segmente III und IV. Zu beachten ist, dass aus dem Hauptstamm ein bis drei posteriore Äste zum Segment I-links ziehen. Der rechte Hauptstamm nimmt an der rechten Seite der portalen Bindegewebsplatte die Vena cystica auf und teilt sich am Eintritt in das Parenchym nach Abgabe des R. caudatus (Segment I unter Einschluss des Processus caudatus) in einen Ast für den anterioren und einen Ast für den posterioren Sektor (Abb.10). Weiterhin ist zu beachten, dass in vereinzelten Fällen die Pfortaderäste für beide Sektoren unabhängig voneinander entspringen können. Diese 19
Variante ist bei der linksseitigen Hemihepatektomie von Bedeutung. Unterbindet man den Pfortaderast nach dem Abgang des ersten großen nach rechts ziehenden Astes, ohne die Aufteilung zu beachten, kommt es zu einer Durchblutungsstörung der Segmente V und III [9]. Abb. 10. Venöse und portalvenöse Gefäßarchitektur der Leber Der rechte und linke Leber-Gallen-Gang (Ductus hepaticus dexter et sinister) vereinigen sich i. d. R. am Hilum und damit extrahepatisch und zwar knapp unterhalb der Birfucatio v. portae zum Ductus hepaticus communis. Bevor dieser sich als Ductus choledochus fortsetzt mündet noch der Ductus cysticus in den Ductus hepaticus communis (Abb.11) [9]. Abb. 11. Gallenwegsystem Abb. 12. Intrahepatische Gallengangsverzweigung (nach Skandalakis 1989. In: Köckerling F, Waclawiczek H. W: Leberchirurgie, JA Barth-Verlag 1999) 20
3.4.1 Resektionsverfahren Heute stehen verschiedene Resektionsverfahren zur Verfügung. Bei peripher gelegenen Tumoren geringeren Ausmaßes oder unklaren Läsionen können kleine, nicht anatomische Resektionen durchgeführt werden. Bei größeren Tumoren oder sonstigen Prozessen, die auf ein oder mehrere Segmente bzw. auf einen Leberlappen beschränkt sind, werden Standardresektionen wie Mono- oder Polysegmentresektionen bzw. links- oder rechtsseitige Hemihepatektomien vorgenommen. Liegen Tumoren vor, welche die anatomischen Grenzen zwischen linken und rechten Leberlappen überschreiten, können erweiterte Resektionen durchgeführt werden, wobei dann ein größerer Parenchymverlust in Kauf genommen wird. Unter erweiterten Hemihepatektomien kann auch die Kombination einer klassischen Leberresektion mit Resektion der zentralen Gallenwege und/oder der essentiellen Gefäße (Pfortader, Leberarterie, Lebervene, Hohlvene) verstanden werden. Bei diesen ausgedehnten Resektionen kann die komplette vaskuläre Okklusion oder die Resektion an der gekühlten, mit Konservierungslösung durchspülten Leber notwendig werden. Als sogenannte Perfusionslösung stehen heute die durch ihr günstigeres Fließverhalten und geringerem Risiko hyperkaliämischer Herz-Rhythmus-Störungen aufgrund des niedrigeren Kaliumgehaltes bevorzugte Histidin-Tryptophan-Ketogluturat (HTK)- Lösung nach Bretschneider und die University-of-Wisconsin-Lösung zur Verfügung. Eine Infiltration der großen Lebervenen, der Vena cava inferior sowie gegebenenfalls der zentralen Hilusstrukturen verbunden mit aufwendigen Gefäßrekonstruktionen kann eine Resektion in situ erheblich erschweren oder unmöglich machen. Um das Operationsgebiet zugänglicher zu machen kann in diesem Fall die Leber teilweise oder vollständig aus dem Körper genommen werden, sogenannte Ante-situ- und Ex-situ-Resektionen der Leber. Dieses Verfahren wird aber eher in seltenen Fällen angewandt. Liegen Tumoren vor, die als sicher benigne eingestuft werden (z.B. Hämangiome; Leberzysten) versucht man diese tumorösen Prozesse mit Hilfe von Enukleationen oder Zystentdachungen zu entfernen, um möglichst das gesamte gesunde Leberparenchym zu erhalten [53]. Unter der Voraussetzung, dass die meisten Lebertumoren anfangs auf ihr Segment begrenzt wachsen, hat sich die segmentorientierte Resektionstechnik als optimales Operationsverfahren der Wahl in Bezug auf Radikalität und Funktionalität (die portalvenöse, lebervenöse und arterielle Versorgung der Restleber wird nicht kompromittiert; die Orientierung der intrahepatischen Gallenwege am segmentalen Aufbau der Leber gewährleistet die biliäre intrahepatische Drainage des verbleibenden Restleberparenchyms) herausgestellt, da sie sich an den entsprechenden anatomischen Grenzflächen orientiert. 21
Es werden vier Segmentresektionsformen unterschieden. Ist der Tumor nur auf ein Segment begrenzt wird eine Monosegmentresektion (komplette Entfernung einer einzelnen anatomischen Einheit) durchgeführt. Sind mehrere nebeneinander liegende Segmente betroffen steht die Bi- und Polysegmentresektion im Vordergrund (Entfernung mehrerer miteinander verbundener Einzelsegmente). Liegen die Tumorherde an verschiedenen Bereichen der Leber wird die Mehrfach-Segmentresektion (simultan an verschiedenen Bereichen der gleichen Leber durchgeführte Segmentresektion) angewandt. Die vierte Resektionsform, die „segmentorientierte Modifikation klassischer Resektionen“ ist eine Untergruppe von Polysegmentresektionen, bei der die Lobektomie rechts unter Erhaltung des Lobus quadratus im Vordergrund steht. Die Resektion kann als eigentliche Segmentresektion durchgeführt werden, bei der das Leberparenchym möglichst exakt in der gefäßarmen Grenzschicht durchtrennt wird. Anwendung findet dieses Verfahren bei umschriebenen benignen Veränderungen und bei malignen Tumoren, bei denen die prä- und intraoperative Untersuchung eine ausreichende Distanz zwischen Tumorrand und venösem Hauptstamm bzw. portaler Aufzweigungsebene nachgewiesen hat. Bei ungünstig gelegenen Malignomen, die nahe an die intrahepatischen Grenzflächen heranreichen oder diese sogar verlagern findet nicht die Segmentresektion sondern die sogenannte Perisegmentresektion Anwendung. In unmittelbarer Umgebung solcher Tumor- Kontaktbereiche wird daher die Resektionsebene unter Schonung des portalen Zuflusses, 5- 10 mm in das jeweilige Nachbarsegment verschoben. Im Falle einer über die Segmentgrenzen hinausreichende Tumorausbreitung ist eine an der anatomischen Gliederung orientierte Resektion nicht mehr möglich. Als Therapieverfahren der Wahl steht dann die atypische Segmentresektion im Vordergrund [66]. Bei den Hemihepatektomien unterscheidet man drei Resektionsformen. Die rechtsseitige Hemihepatektomie umfasst die Entfernung der Segmente V-VIII. Die linksseitige Hemihepatektomie geht mit dem Verlust der Segmente II-IV und eventuell zusätzlich Segment I einher. Bei der linkslateralen Leberresektion werden die Segmente II und III entfernt. Breitet sich der Tumor über die anatomischen Grenzen aus werden, wie bereits erwähnt, erweiterte Hemihepatektomien durchgeführt. Die erweiterte Rechtsresektion umfasst zusätzlich zu den Segmenten V-VIII die Segmente IVa und IVb und gegebenenfalls Segment I. Bei der erweiterten Linksresektion werden neben den Segmenten I-IV die Segmente V und VIII entfernt, so dass nur die Segmente VI und VII zurückbleiben [53]. Die Leberresektionsverfahren konnten in den vergangenen zwei Jahrzehnten durch die Fortschritte der Operationstechnik wesentlich verbessert werden. Aus einem zunächst eher experimentell durchgeführten Eingriff hat sich zusehends ein standardisierter Eingriff entwickelt. Die Leberresektion, insbesondere zur Behandlung metastasierender, solider 22
Tumoren, kann heute mit sehr geringer perioperativer Letalität (Senkung von 10-25% auf mittlerweile
Kremer, Lierse, Platzer, Schreiber und Weller geben beispielsweise eine postoperative Letalität von 5 und 25% bei Rechtsresektion der Leber an, während selektive Eingriffe und gutartige Tumoren mit einer Letalität von
3.4.1.2. Linksseitige bzw. rechtsseitige Hemihepatektomie [8, 9, 44] 1.) Identifizierung von Diagnose und Indikation. 2.) Eröffnen des Abdomens und Exploration des gesamten Situs sowie Darstellung der Leberoberfläche, Palpation und ultrasonographische Evaluation des Gesamtorgans. [ Besondere Aufmerksamkeit gilt einem möglichen Lokalrezidiv (bei Vorliegen von Lebermetastasen) oder einem extrahepatischen Lymphknotenbefall. ] 3.) Durchtrennung der Ligg. falciforme hepatis und triangulare sinistrum bzw. dextrum (Abb. 13). 4.) Cholezystektomie. [ Inzision des Peritoneum entlang des D. choledochus zum Calotschen Dreieck und Aufsuchen und Durchtrennen der A. cystica und des D. cysticus; anschließend Entfernung der Gallenblase aus dem Leberbett mit Inzision der Leberkapsel. ] Abb. 13. Mobilisation des betreffenden Leberlappens (nach Broelsch E, Kremer K, von Lüdinghausen M: Leber. In: Kremer K et al., Chirurgische Operationslehre, Thieme-Verlag 1993. Kleines Bild nach Köckerling F, Waclawiczek H. W: Leberchirurgie, JA Barth-Verlag 1999) 25
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