"Morgen muß ich fort von hier" - SCHULKONZERT+ | HERBST 2018 - Jeunesse

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"Morgen muß ich fort von hier" - SCHULKONZERT+ | HERBST 2018 - Jeunesse
UNTERRICHTSMATERIAL

                                                SCHULKONZERT+ | HERBST 2018

               »Morgen muß ich fort von hier«
                                Begleitendes Unterrichtsmaterial für LehrerInnen und SchülerInnen

                                       Ballaststofforchester unter der Leitung von Egon Achatz
                                                 Cornelius Obonya Rezitation, Gesang

     Österreich nach dem sogenannten »Anschluss«: Mit
     einem Schlag war die Situation für jüdische
     Kulturschaffende und solche, deren Kunst als
     »entartet«        gebrandmarkt             wurde,   fatal.   Viele
     verließen        fluchtartig        das     Land    und      damit
     verstummte jene Musik, die bis dahin den Ton
     angegeben hatte.

                                                                          Cornelius Obonya © Ruth Kappus

                                                                                  Cornelius          Obonya        und      das
                                                                                  Ballaststofforchester       präsentieren Musik
                                                                                  und Literatur, u.a. von Hermann Leopoldi,
                                                                                  Kurt Weill und Duke Ellington bzw. Anton
                                                                                  Kuh, Carl Zuckmayer und Erich Kästner, die
                                                                                  zwischen 1938 und 1945 in Österreich
                                                                                  verboten waren.

Ballaststofforchester © Ballaststofforchester

     Am 13.12. wird das Konzert speziell für Schulklassen im RadioKulturhaus aufgeführt.

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"Morgen muß ich fort von hier" - SCHULKONZERT+ | HERBST 2018 - Jeunesse
Liebe Pädagoginnen und Pädagogen!!

Wir freuen uns sehr, dass Sie zum Jeunesse-Schulkonzert+ »Morgen muß ich fort von hier« kommen.

»Brecht hat in der Emigration – und auch ich – viel mehr produziert als jemals in unserem Leben. Das soll
  aber nicht heißen, dass wir die Emigration als Produktionsquelle anregen. Aber es muss auch gesagt
             werden.« - Hanns Eisler, Gespräche mit Hans Bunge, 1958 (künste-im-exil.de)

In Zusammenarbeit mit Axel Petri-Preis, Lehrender am Institut für Musikpädagogik der Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien (MDW), schnürte die Jeunesse ein umfangreiches,
multiperspektivisches Begleitpaket zum Konzertbesuch. Diese Unterrichtsmaterialien sowie eine Auftakt-
Veranstaltung    (17.10.2018)    geben     wissenschaftlich-inhaltliche   und    didaktisch-methodische
Anhaltspunkte für die Aufarbeitung des Themas »Leben und Musizieren im Exil«. Mithilfe der
biografischen Methode nähern sich Schülerinnen und Schüler kreativ an migrantische Lebensläufe von
Personen aus ihrem Umfeld an. In einem zweiten Schritt können die Jugendlichen Musikerinnen und
Musiker kennen lernen, die heute in Österreich im Exil leben (optionaler Workshop an Ihrer Schule)
und/oder besuchen die Dauerausstellung exil.arte an der MDW, um exemplarische Künstlerbiografien
kennenzulernen (optionale Führung). Das einstündige Konzert im RadioKulturhaus samt anschließendem
Künstlergespräch mit Cornelius Obonya und Egon Achatz bilden den Abschluss und gleichzeitig den
Höhepunkt des Projekts.

Mit den folgenden Unterlagen bieten wir Ihnen erstes authentisches Material zu den Komponisten.
Natürlich können Sie jederzeit weiterrecherchieren. Auch zur Biografiemethode finden Sie gleich zu
Beginn eine Introduktion und Empfehlung von Axel Petri-Preis. Wir hoffen, Sie und Ihre Klasse damit
neugierig auf das Konzert zu machen und stehen bei Fragen, Anregungen oder Feedback gerne zur
Verfügung.

Nun wünschen wir viel Spaß mit der Materialmappe und vor allem einen spannenden und inspirierenden
Konzertbesuch! Mit herzlichen Grüßen an Sie und Ihre Klasse – wir freuen uns auf Ihr Kommen und Ihre
Teilnahme!

JEUNESSE – MUSIKALISCHE JUGEND ÖSTERREICHS
Helene Griesslehner & Anna Rockenschaub
Kinder- und Jugendprojekte
Lothringerstraße 20, 1030 Wien
Tel +43 1 710 36 16-10 (Anna Rockenschaub)
E-Mail schulkonzert@jeunesse.at

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"Morgen muß ich fort von hier" - SCHULKONZERT+ | HERBST 2018 - Jeunesse
Eine Kooperation von Jeunesse und Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

Mit freundlicher Unterstützung von KulturKontakt Austria

Das Material wurde zusammengestellt von Helene Griesslehner.

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"Morgen muß ich fort von hier" - SCHULKONZERT+ | HERBST 2018 - Jeunesse
INHALT

 1.   Vorwort – Gedanken zu »MORGEN MUSS ICH FORT VON HIER« .................................... 5

 2.   Das Programm .................................................................................................................. 7

 3.   Methode - Biografiearbeit ............................................................................................... 8

 3.   Biografisches Material .................................................................................................... 11

 4.   Noten/Texte .................................................................................................................. 21

 5.   Links & Quellen .............................................................................................................. 34

 6.   Alle Termine auf einem Blick .......................................................................................... 35

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"Morgen muß ich fort von hier" - SCHULKONZERT+ | HERBST 2018 - Jeunesse
1. Vorwort – Gedanken zu »MORGEN MUSS ICH FORT VON HIER«
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialsten war die Situation, sowohl für die jüdischen als
auch für die Kulturschaffenden, deren Kunst als entartet angesehen wurde, fatal. Sie mussten fluchtartig
das Land verlassen und so verstummte für viele Jahre ein Gutteil der Musik, die bis dahin den Ton
angegeben hatte.

Unzählige Menschen verloren ihr Leben, waren gezwungen, ihre Heimat aufzugeben, mussten Schikane
und Folter erdulden. Darunter waren viele Künstler - ihnen ist dieses Konzert gewidmet.

Die Verfolgung von Musik bzw. Musikerinnen und Musikern traf die leichte und die ernste Richtung, die
E- und die U-Musik, zwar nicht gleich, doch sie traf beide. Der Exodus bedeutender Musiker,
Komponisten und Textdichter hat auf allen Gebieten des deutschen und des »angeschlossenen«
österreichischen Musiklebens empfindliche Lücken gerissen, über die sich auch die Experten der
Repression vorher keine genaue Vorstellung verschafft hatten. Im Bereich der musikalischen Moderne
fürchtete man die Verluste nicht, man hatte sie gewollt. Die Avantgarde galt als Prototyp des
»Entarteten«. In der Unterhaltungsmusik wurden die Einbußen dagegen als bedrückend empfunden.

Hanns Eisler, geboren in Wien, war als Komponist und Theoretiker der profilierteste der KPD-nahen
Künstler in Berlin, wo er seit 1925 als Komponist und Lehrer lebte. In Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht
entstanden ab 1929 zahlreiche Lieder und Bühnenmusiken. Im Jänner 1933 kehrte Eisler von einer
Wienreise nicht mehr nach Berlin zurück. Es begann eine der ausgeprägtesten Odysseen, die erst 1938
mit der Emigration in die USA endete. Nach dem Krieg beschleunigten die unangenehmen Verhöre vor
dem »Ausschuss für unamerikanische Tätigkeiten« Eislers Entschluss zur Rückkehr - 1948 zuerst nach
Wien und 1950 dann nach Berlin. Dort wurde er eine der führenden Persönlichkeiten des Musiklebens
der DDR.

Kurt Weill, Kantorensohn aus Dessau, studierte 1918/19 an der Berliner Hochschule und war
Vorsitzender des Revolutionären Studentenrats. Kurz nach dem Examen kam die Wendung hin zum
Musiktheater. Von 1927 bis 1931 arbeitete er intensiv mit Bertolt Brecht zusammen. Die Emigration
1933 hatte Weills Existenz und Denken, sein Lebensgefühl und sein Werk verändert. Wie andere
Komponisten hatte auch er seine Bekenntnisse, wie sie die Zeit ihm abverlangten: zum Judentum, zum
Pazifismus und gegen den Faschismus, zum Freiheitsideal und zu Amerika.

1935 erließ Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky das »endgültige Verbot des »Niggerjazz« für den
gesamten deutschen Rundfunk«. Swing tanzen galt als obszön,Jazzgesang war unerwünscht und galt als
»artfremd«, ja als »undeutsch«. Benny Goodman, dessen Name mit der Interpretation von Louis Primas
»Sing Sing Sing« unauflöslich verbunden ist, bekam denunzierende Beinamen wie »Swing Jude« und
»Rattenfänger von Neu York«. Auch die Juden George Gershwin und Shalom Secunda galten den
Nationalsozialisten als rotes Tuch.

Die Spielweise der amerikanischen Bands mit den gestopften Trompeten und Posaunen wurde im
Deutschen Reich verboten. Weiters erklärte Propagandaminister Joseph Goebbels Musik mit verzerrten
Rhythmen und Musik mit atonaler Melodieführung für »grundsätzlich verboten«. Diese Regelung war für
die Darbietung jeglicher Art von Tanzmusik von da an bindend. Doch die Kontrolleure, die die Tanzlokale
nach dieser verbotenen Musik durchsuchten, waren laut zahlreicher Zeitzeugen oftmals unmusikalisch.
Sie konnten die Jazzstücke nicht erkennen, wenn sie andere Titel trugen. Also schnitten viele Musiker die
Notenblattköpfe ab und kündigten die Songs mit deutschen Titeln an. So wurde aus dem beliebten
»Tiger Rag« der »Schwarze Panther« oder die »Tigerjagd im Bürgerpark«. Die Musikschnüffler ließen sich
beirren, und die meist jugendlichen Swing-Freunde waren begeistert.

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"Morgen muß ich fort von hier" - SCHULKONZERT+ | HERBST 2018 - Jeunesse
Aber auch die deutsch-jüdischen Komponistinnen und Komponisten und Texter beliebter
Operettenlieder und Schlager wurden verfolgt und gedemütigt, in Konzentrationslagern gefoltert und
getötet, wenn es ihnen nicht rechtzeitig gelang, Heimat und Vermögen aufzugeben und zu emigrieren.

In der Zeit seiner größten Erfolge wurde Robert Gilbert nach der »Machtergreifung« als Jude verfemt.
Der Texter und Komponist des »Schönen Sigismund« für das »Weiße Rössl«, das schon früh verboten
wurde, schrieb bereits in den 20er Jahren unter dem Pseudonym David Weber Texte für Hanns Eisler.
Zuerst floh er nach Wien. Nach dem Anschluss musste er nach Paris exilieren. Am 25. März 1939 verließ
er Frankreich, um endgültig in die USA zu fliehen. 1944 nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft
an.

Mischa Spoliansky vertonte in seinen Jugendjahren für das von Max Reinhardt 1919 gegründete
literarische Kabarett »Schall und Rauch« nicht nur Texte von Kurt Tucholsky, sondern auch die Melodie
für die erste Homosexuellen-Hymne Das lila Lied. 1933 emigrierte er nach London und konnte dort seine
Karriere als Filmkomponist fortsetzen. Große Popularität erlangte er während des Krieges in England
durch das antifaschistische »Lied vom Stacheldraht«.

Auch Karl Farkas und Robert Katscher mussten als Juden nach dem Anschluss vor dem NS-Regime
fliehen. Beide konnten sich nach New York retten. Katscher wurde dort als erster Flüchtling in der ASCAP
(amerikanische Verwertungsgesellschaft für geistiges Eigentum) aufgenommen. Als Verfasser von
Wienerliedern, Schlagern und Operetten zählten Katscher und Farkas vor 1938 zu den populärsten
österreichischen Unterhaltungskünstlern, so etwa mit dem Titel »Wenn die Elisabeth nicht so schöne
Beine hätt’« aus dem Jahr 1930.

Um dem unmittelbar drohenden Anschluss Österreichs am 11. März 1938 zu entkommen, fuhr Hermann
Leopoldi noch in der Nacht zu einem schon geplanten Auftritt nach Brünn. Der bereits mit Flüchtlingen
überfüllte Zug, unter denen sich auch Fritz Grünbaum befand, wurde an der tschechischen Grenze
angehalten, und alle Flüchtlinge wurden zurückgeschickt. Nachdem Leopoldi zusammen mit seiner Frau
bereits die Einreise in die USA vorbereitet hatte, wurde er am 26. April 1938 aus seiner Wohnung zur
»Auskunft« ins Polizeikommissariat gebracht und anschließend ins KZ Dachau überstellt, wo er
gemeinsam mit Fritz Grünbaum, Paul Morgan und Fritz Löhner-Beda inhaftiert war. Im September 1938
wurden sie ins KZ Buchenwald deportiert. Dort entstand das »Buchenwald-Lied«, zu dem Leopoldi auf
den Text von Löhner-Beda die Musik komponierte. Inzwischen konnte ihn seine Frau, die bereits in den
USA war, »freikaufen« und schickte ein Affidavit. Er gelangte über Hamburg nach New York, wo er von
Familie und Reportern erwartet wurde. Gleich nach dem Betreten amerikanischen Bodens küsste er
diesen. Ein Bild, das um die (amerikanische) Welt ging und ihm beim Einstieg in das dortige
Unterhaltungsgeschäft sehr hilfreich war.

Friedrich Löhner-Beda wurde einen Tag nach dem Anschluss Österreichs verhaftet und mit dem ersten
»Prominententransport« am 1. April 1938 in das KZ Dachau gebracht. Später wurde er ins KZ
Buchenwald deportiert. Lehar, dessen Librettist er gewesen war, bemühte sich nicht um seine
Freilassung. Löhner-Beda wurde am 4. Dezember 1942 im KZ von einem Aufseher erschlagen.

Die Dichter Anton Kuh, Alfred Grünwald und Carl Zuckmayer waren doppelt gefährdet: sowohl als Juden
als auch als kritische Intellektuelle wurden sie von den Nazis als »Kulturbolschewisten« angefeindet. Sie
mussten Europa verlassen, um ins rettende amerikanische Exil zu gelangen und waren gezwungen, das
Wesen ihres Schaffens, den Umgang mit der Sprache, neu zu erlernen.

Text von Egon Achatz

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2. Das Programm
                Helmut Qualtinger & Carl Merz - Der Herr Karl
               Hanns Eisler & Bert Brecht - Lied vom SA-Mann
                         Kurt Tucholsky - Eine Frage
       Hanns Eisler & Julian Arendt - Ballade von den Säckeschmeißern
             Mischa Spoliansky & Kurt Schwabach - Das Lila Lied
          Kurt Weill & Bert Brecht - Tango Ballade (Zuhälterballade)
                    George & Ira Gershwin - I got Rhythm
          Carl Zuckmayer - Auszug aus »Als wär’s ein Stück von mir«
                         Anton Kuh - Der Anschluß
     Robert Gilbert - Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist
                            Karl Farkas - An Bord
Robert Katscher & Karl Farkas - Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt‘
                  Hermann Leopoldi & Hanns Haller - Alois
    Hanns Eisler & David Weber (Robert Gilbert) - Ballade vom Nigger Jim
                Louis Prima/Benny Goodman - Sing Sing Sing
              Erich Kästner - Über das Verbrennen von Büchern
        Hanns Eisler & Bert Brecht - Kälbermarsch (Horst Wessel Lied)
              Theodor Kramer - Wer läutet draußen an der Tür

                        Programmidee: Egon Achatz

                           Dauer: ca. 70 Minuten

       Danach: Künstlergespräch mit Cornelius Obonya + Egon Achatz

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3. Methode - Biografiearbeit
Biografiearbeit ist ein Werkzeug zur Selbstreflexion des eigenen Lebensbereichs in der pädagogischen
Arbeit mit Kindern sowie Erwachsenen. Biografiearbeit ermutigt, die eigene Lebensgeschichte in den
Blick zu nehmen. Sie bietet Unterstützung bei der Gestaltung und Bewältigung von Biografie, stärkt für
das Leben in der Gegenwart und bietet Horizonte für ein gelingendes Leben.

Biografiearbeit wird schwerpunktmäßig in der Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege eingesetzt, aber
auch in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Es ist eine strukturierte Form zur Selbstreflexion der
Biografie in einem professionellen Setting. Die Reflexion einer biografischen Vergangenheit dient ihrem
Verständnis in der Gegenwart und einer möglichen Gestaltung der Zukunft. Dabei kann die individuelle
Biografie in einem gesellschaftlichen und historischen Zusammenhang gesehen werden.

Biografiearbeit »Morgen muß ich fort von hier« nach Axel Petri-Preis

Die Idee dieser Aufgabe ist, dass Schülerinnen und Schüler die Biografie von Personen mit Migrations-
bzw. Fluchterfahrung unter besonderer Berücksichtigung von musikalischen Bezügen recherchieren und
darstellen. Einzelne Ergebnisse dieser Arbeit werden anonymisiert in einer Ausstellung im Rahmen des
Konzertes präsentiert.

Grundsätzlich sollen sich die Schülerinnen und Schüler mit einer fremden Biografie beschäftigen, es ist
aber keineswegs ausgeschlossen, dass die Jugendlichen sich mit ihrer eigenen Lebensgeschichte
auseinandersetzen. Diese Schwerpunktsetzung verbleibt bei den Pädagoginnen und Pädagogen, die ihre
Schülerinnen und Schüler am besten kennen.

Die Aufgabe ist für fächerübergreifendes Arbeiten (Deutsch, Geschichte, Ethik, Religion, BE) gut
geeignet.

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#PRAXISTIPP
                                                   2 praktische Arbeitsaufgaben

    1. Lebenserfahrungen auf/in einem Papiersackerl

Die Schülerinnen und Schüler erhalten als Aufgabe, eine Person aus dem Verwandten- oder
Bekanntenkreis (auch Schulfreundinnen und -freunde), die Migrations- oder Fluchterfahrung hat, zu
ihrer Biografie zu interviewen. Wie bereits erwähnt, können sich die Schülerinnen und Schüler
selbstverständlich auch mit der eigenen Biografie auseinandersetzen. Je nachdem, welche Biographie
dargestellt werden soll, findet dieser Arbeitsschritt entweder im Unterricht oder in der Freizeit der
Jugendlichen statt.

Die Schülerinnen und Schüler benötigen für diesen Arbeitsschritt ein großes, unbedrucktes Papiersackerl
und weitere Materialien wie buntes Papier, Filzstifte, Klebstoff und ähnliches. Auf der Außenseite des
Sackerls sollen Lebenserfahrungen abgebildet werden, die alle in der Klasse kennen dürfen, auf der
Innenseite werden Erfahrungen dargestellt, die nur für den Interviewten und die Interviewenden gedacht
sind.

!Gestalte das Sackerl mit wichtigen Lebenserfahrungen und positiven wie negativen Erinnerungen der
interviewten Person in Bezug auf ihr Leben vor, während und nach der Emigration. Besprich mit der
interviewten Person genau, welche Informationen jeder kennen darf (die kommen auf die Außenseite des
Sackerls) und welche Informationen unter euch bleiben sollen (die kommen auf die Innenseite des
Sackerls). Vielleicht gibt es auch Informationen aus der Innenseite des Sackerls, die auf Nachfrage aus
der Klasse preisgegeben werden dürfen. Bei den Informationen kann es sich um kurze Zitate, einzelne
Sätze oder auch Wörter handeln.!

Lege ein besonderes Augenmerk auf musikalische Zusammenhänge. Zum Beispiel:

    -   Welche Musik war in deiner Kindheit besonders wichtig? Haben deine Eltern spezielle Lieder mit dir
        gesungen?
    -   Welche Musik(stücke) verbindest du mit einzelnen Personen oder Situationen in deinem Leben?
    -   Welche Musik verbindest du mit besonderen Erinnerungen?
    -   Gibt es Musik(stücke), die du mit Heimat verbindest?

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Die Schülerinnen und Schüler bringen die verschlossenen Sackerl mit in den Unterricht und verteilen sie
im Raum. Alle Jugendlichen betrachten und lesen nun die Außenseiten der Sackerl ihrer
Klassenkolleginnen und -kollegen. In einem anschließenden Gespräch werden folgende Fragen
besprochen:

    -   Was ist mir besonders im Gedächtnis geblieben?
    -   In welches Sackerl hätte ich gerne hineingeschaut?
    -   Welches Sackerl ist meinem ähnlich?
    -   Was möchte ich nachfragen oder genauer wissen?

Zum Abschluss können Schülerinnen und Schüler optional ihre Sackerl vorstellen.

    2. Lebensbaum

Ausgehend von den Ergebnissen der ersten Aufgabe sollen die Schülerinnen und Schüler nun die erfragte
Biografie als Lebensbaum darstellen. Dazu benötigen sie einen großen Bogen Papier (z.B. ein großer
Bogen Packpapier), verschiedene Stifte und Materialien.

Der Baum kann Wurzeln, Äste, Zweige, Baumlöcher, Blätter, eine Krone… haben. In dieser Darstellung
können die Schülerinnen und Schüler nun auch Fotos, Bilder... hinzufügen. Falls Tonbeispiele oder
spezielle Erinnerungsstücke vorhanden sind, bringen die Schülerinnen und Schüler auch diese mit. Den
Abschluss bildet eine Ausstellung in der Klasse bzw. im Schulhaus, wobei die Lebensbäume und die
Sackerl kombiniert werden können. Besonders gelungene Arbeiten werden im Rahmen des Konzertes
präsentiert.

  Sie können als Lehrende eine Auswahl erstellen und uns diese vorschlagen. Nehmen Sie zur weiteren
                 Abwicklung bitte Kontakt mit uns auf unter schulkonzert@jeunesse.at.

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3. Biografisches Material
       a. Hanns Eisler

Geboren                   6.7.1898 in Leipzig, Deutschland

Gestorben                 6.9. 1962 in Berlin, Deutschland
Exil                      Frankreich, Sowjetunion, Spanien, Tschechien, USA

Beruf                     Komponist

Hanns Eisler war von 1919 bis 1923 Schüler des Komponisten Arnold Schönberg. Er stand der KPD nahe
und schrieb für Arbeiterchöre und Agitprop-Gruppen. 1927 begann eine enge Freundschaft und
Arbeitsgemeinschaft mit dem Schriftsteller Bertolt Brecht. Kompositionsaufträge für Filme wurden zu
einer verlässlichen Einnahmequelle, auf die Eisler einige Jahre später im US-amerikanischen Exil bauen
konnte.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten floh Eisler zunächst nach Paris; ein unruhiges
Wanderleben durch Europa und die USA begann. Im Januar 1938 reiste er mit einem Besuchsvisum zu
einer Vortragsreise in die USA. Während dieses Aufenthalts erhielt er für drei Monate eine Unterstützung
durch die »American Guild for German Cultural Freedom«. Ende Oktober 1940 konnte Eisler unbefristet
in die USA einreisen.

Eisler komponierte auch in den USA politisch engagiert und verleugnete seine kommunistische Haltung
nicht. Die Zusammenarbeit mit Brecht inspirierte ihn, weitere Anregungen bezog er aus der Literatur: Die
Kantate im Exil, die 1937 entstand, geht auf einen Roman des kommunistischen italienischen
Schriftstellers Ignazio Silone zurück.

1942 zog Hanns Eisler mit seiner Frau Lou nach Kalifornien, wo sie freundschaftlichen Umgang mit
Theodor W. Adorno, mit den Schauspielern Helene Weigel und Fritz Kortner sowie den Schriftstellern
Lion Feuchtwanger und Bertolt Brecht hatten.

Im Oktober 1946 wurde im Hollywood Reporter der erste Artikel einer Pressekampagne gegen Eisler
veröffentlicht. Sein Bekenntnis zum Kommunismus führte 1947 zu Verhören vor dem »Komitee für
unamerikanische Umtriebe« (HUAC) und 1948 zur Ausweisung aus den USA. Zahlreiche prominente
Künstlerinnen und Künstler und Intellektuelle protestierten dagegen, unter ihnen Thomas Mann. Eisler
kehrte nach Wien zurück und ließ sich 1950 in Ost-Berlin nieder. Er komponierte die Nationalhymne der
Deutschen Demokratischen Republik und war eine Schlüsselfigur beim Aufbau des Musiklebens der DDR.

Im Konzert zu hören:

Hanns Eisler & Bert Brecht – Lied vom SA Mann - Noten siehe Seite 21 + Text S. 22

Hanns Eisler & Julian Arendt – Ballade von den Säckeschmeißern - Noten siehe S. 23 + Text S. 27

Hanns Eisler & Bert Brecht – Kälbermarsch (Horst Wessel Lied) - Noten siehe S. 28
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b. Kurt Weill

Geboren                 2.3. 1900 in Dessau, Deutschland

Gestorben               3.4. 1950 in New York City, USA

Exil                    Frankreich, Großbritannien, USA

Beruf                   Komponist

Die musikalischen Anfänge von Kurt Weill sind eng mit seiner Heimatstadt Dessau verbunden. Er wuchs
in einer jüdischen Familie auf, sein Vater war Kantor an der dortigen Synagoge. Schon als Schüler
komponierte er und trat damit an die Öffentlichkeit.

Im Alter von 18 Jahren nahm er das Kompositionsstudium in Berlin auf. 1927 begann Weill, mit Bertolt
Brecht zusammenzuarbeiten. Die Dreigroschenoper war ihr erstes gemeinsames Werk.

Direkt nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Kurt Weill verfolgt: wegen seiner
jüdischen Herkunft, als Vertreter der Moderne und wegen seiner politischen Einstellung. Er floh bereits
im März 1933 nach Paris; seine Werke fielen im Mai 1933 der Bücherverbrennung zum Opfer. Nach
einem Aufenthalt in London reiste Kurt Weill im September 1935 gemeinsam mit der Sängerin Lotte
Lenya mit dem Schiff von Cherbourg nach New York, um dort den Proben seines Bühnenwerks The
Eternal Road – Der Weg der Verheißung beizuwohnen. Diese Schiffspassage war der endgültige Abschied
von Europa.

Weill blieb in New York und beantragte im August 1937 die US-Staatsbürgerschaft, die er 1943 erhielt.
Im Gegensatz zu vielen seiner Kolleginnen und Kollegen im Exil konnte er sich eine Auftragssituation
schaffen, die seine Existenz sicherte. Vor allem in der Theaterlandschaft am Broadway fand er günstige
Bedingungen für die Umsetzung seiner Vorstellungen einer populären Musikdramatik: Lady in the Dark
(1941) und One Touch of Venus (1943) waren Erfolgsstücke am Broadway, mit denen Weill bekannt
wurde.

Im Konzert zu hören:

Kurt Weill & Bert Brecht - Tango Ballade (Zuhälterballade) – Noten siehe S. 30

                                                                                                          12
c. George Gershwin

Geboren                 26.9. 1898 in New York City, USA
                                                                           #HÖRTIPP! 120 Jahre
Gestorben               11.9. 1937 in Hollywood, USA                     Gershwin - Sendung auf Ö1
                                                                          mit C. Wagner Trenkwitz
Exil                    Er war Sohn russisch-jüdischer Eltern,

                        die in die USA flüchten mussten

Beruf                   Komponist

Gershwin wurde am 26. September 1898 im New Yorker Stadtteil Brooklyn als zweites von vier Kindern
geboren und starb an einem von den Ärzten viel zu spät erkannten Gehirntumor am 11. September 1937
in einem Krankenhaus in Hollywood. Seine Eltern Morris und Rose Gershovitz, beide russisch-jüdischer
Herkunft, waren nach New York eingewandert. Sowohl der Vorname Jacob als auch der Nachname
Gershovitz wurden amerikanisiert, so dass er zunächst George Gershvine hieß. 1915 ändert er seinen
Nachnamen in Gershwin, um ihn noch besser an das Amerikanische anzupassen. Sein Bruder Ira tat es
ihm kurze Zeit später nach. Ganz anders als sein Bruder Ira, besuchte George nicht gern die Schule und
war auch nur ein mäßig guter Schüler.

1910 kauften die Gershwins für die Musikstunden des älteren Sohnes Ira ein Klavier, auf dem aber bald
George spielte. Nach zwei Jahren wurde Charles Hambitzer sein Klavierlehrer und blieb bis zu seinem Tod
1918 sein Mentor. Hambitzer lehrte George Gershwin konventionelle Klaviertechniken und ließ ihn die
europäischen Meisterwerke spielen. Er ermutigte ihn, Orchesterkonzerte zu besuchen, wobei er zu Hause
versuchte, die gehörte Musik am Klavier zu reproduzieren. Ab 1914 arbeitete Gershwin als Hauspianist im
New Yorker Musikverlag Jerome H. Remick. Seine Aufgabe war es bald, neue Lieder seines Verlages den
Bandleadern und Theateragenten vorzuspielen und zu verkaufen. Angeregt durch diese Tätigkeit,
versuchte er sich in der Komposition von eigenen Liedern und Tanzstücken. Zwei Jahre blieb er da und
spielte u.a. Musikern und Sängern die neusten Stücke vor und versuchte sie so an den Mann zu bringen.
Große Popularität erlangten weltweit viele seiner Werke. Noch immer werden sie gespielt. Seine Oper
Porgy and Bess, welche zu seinen Lebzeiten nur mäßigen Erfolg errang, wurde später ein riesiger
Triumph und wird bis heute in vielen Ländern gespielt. Nicht nur Porgy und Bess, sondern auch andere
Bühnenwerke wurden seither verfilmt. Manche seiner Werke gelten als Jazz-Standards und wurden von
namhaften Stars der amerikanischen und internationalen Unterhaltungsmusik interpretiert, darunter Ella
Fitzgerald, Louis Armstrong, Frank Sinatra und Barbara Streisand.

Im Konzert zu hören:

George & Ira Gershwin – I got Rhythm

                                                                                                         13
d. Robert Gilbert

Geboren                    29.9. 1899 in Berlin, Deutschland

Gestorben                  20.3. 1978 Minusio (Tessin), Schweiz

Exil                       Österreich, Frankreich, USA

Beruf                      Texter, Komponist (Lieder, Filme)

Robert Gilbert lebte mit seinen Eltern in Hamburg. Der Vater hatte ein Engagement als Kapellmeister u.a.
beim Zirkus Hagenbeck. Der Sohn fühlte sich seiner Geburtsstadt zeitlebens verbunden. Als die Familie
1910 wieder nach Berlin zog, hatte das vor allem berufliche Gründe. Denn Vater Max Winterfeld gehörte
mittlerweile nicht nur zu den meistgespielten Komponisten der leichten Muse, sondern galt bald auch als
führender Vertreter der Berliner Operette. Als solcher nannte er sich Jean Gilbert. Diesen Künstlernamen
übernahm auch später sein Sohn Robert.

Nach den eher entbehrungsreichen Hamburger Jahren lebte die Familie Gilbert in Berlin wie im Paradies.
Sie bezog eine Villa am Wannsee und pflegte einen entsprechenden Lebensstil. Robert und sein Bruder
Heinrich wurden musikalisch gefördert und waren mit Fritz Löwe befreundet, dem späteren
Musicalkomponisten Frederick Loewe.

Beim Gesangsunterricht lernte Robert Gilbert 1921 Elisabeth Geldner kennen, die aus einer verarmten
protestantischen Familie stammte und ihn gegen deren Widerstand zwei Jahre später heiratete. Nun
gezwungen sein eigenes Geld zu verdienen, versuchte sich Robert Gilbert sowohl schriftstellerisch als
auch kompositorisch in der Branche des Vaters. Mit dem Schlagertext »Kathrin, du hast die schönsten
Beine von Berlin« hatte er seinen ersten Erfolg, der den Vater aufmerksam machte. Mit ihm als
Komponisten schrieb er dann das zum Volkslied gewordene »Durch Berlin fließt immer noch die Spree«
und drei Operetten, die allerdings nicht an frühere Erfolge seines Vaters heranreichten. Auch vier selbst
komponierte Operetten entsprachen nicht den Erwartungen.

In dieser Zeit engagierte sich Robert Gilbert nicht nur politisch für die Arbeiterbewegung. Er lernte
schließlich Hanns Eisler kennen und schrieb für ihn 1927 die Texte zur Fragment gebliebenen
Arbeitslosen-Oper 150 Mark sowie zur 1929 beim Musikfest in Baden-Baden uraufgeführten Kantate
Tempo der Zeit. All seine Arbeiten für Hanns Eisler publizierte er unter dem Pseudonym David Weber,
Schlager wie das in derselben Zeit entstandene Ich hab’ kein Auto hingegen unter dem Künstlernamen
Robert Gilbert. Ausgerechnet dieses Lied war es, das Gilberts Laufbahn die entscheidende Wende geben
sollte, denn der Ufa-Komponist Werner Richard Heymann suchte dringend einen Texter für seinen
nächsten Film, in dem ein Auto im Mittelpunkt stehen sollte. Er verpflichtete Robert Gilbert. Der Film Die
drei von der Tankstelle brachte beiden den Durchbruch.

                                                                                                            14
Robert Gilberts ebenso fulminante wie kurze Tonfilmkarriere endete 1933. Als politisch denkender
Mensch war ihm klar, dass er Deutschland verlassen musste. Sein Sympathisieren mit dem Kommunismus
wurde nun zur Gefahr. Da die offizielle Emigration mit bürokratischen Schikanen verbunden war, die ihn
zwangsläufig verraten hätten, nahm er die Wiener Uraufführung der letzten Operette seines Vaters zum
Anlass, zusammen mit ihm und seinem Bruder Deutschland zu verlassen. Nachdem sie im April 1933 die
Grenze passiert hatten, ließen sie die jeweiligen Familien nachkommen – in Robert Gilberts Fall aus Paris,
wohin seine von ihm getrennt lebende Frau mit der gemeinsamen Tochter Marianne geflüchtet war. In
Wien eignete er sich bald auch das dortige Idiom an, schrieb Wienerlieder und arbeitete sowohl für die
Leinwand als auch für die Bühne bevorzugt mit Robert Stolz zusammen.

Nach dem Anschluss Österreichs gelang es ihm rechtzeitig, nach Paris zu fliehen, von wo aus er sich um
Visa für die USA bemühte. Seine Mutter lebte bereits dort. Deren Schwestern Irma und Flora Wagner
waren US-amerikanische Staatsbürgerinnen und besorgten das nötige Affidavit. Am 25. März 1939 war
es soweit. Er fuhr mit Frau und Tochter auf der Aquitania von Cherbourg nach New York. Dort nahm die
Familie offiziell den Namen Gilbert an und bezog eine Zweizimmerwohnung im Stadtteil Riverdale in der
Bronx. Elke Gilbert verdiente den Lebensunterhalt als Kosmetikerin und Schneiderin in Lower Manhattan,
Robert Gilbert schrieb deutsche Gedichte und amerikanische Schlager, für die er allerdings keine Verleger
fand. 1944 wurde er US-amerikanischer Staatsbürger. Zwei Jahre später erschienen seine zum Teil schon
in der deutschen Emigrantenzeitschrift Aufbau veröffentlichten Exilgedichte unter dem Titel Meine
Reime, Deine Reime als Buch.

Im September 1949 kehrten Robert und Elke Gilbert nach Europa zurück, wo sie endgültig getrennte
Wege gingen. Robert Gilbert ließ sich in München nieder, wo er mit Erik Charell an Paul Burkhards
Feuerwerk arbeitete, seinem ersten Nachkriegserfolg. Auch Im weißen Rößl wurde neu bearbeitet und
sorgte für reichliche Tantiemen. Er verlegte sich auf eigene Lyrik und die Übersetzung amerikanischer
Musicals, worin er es nicht zuletzt dank seines zehnjährigen Exils zu wahrer Meisterschaft brachte. Die
deutsche Version von My Fair Lady seines Jugendfreundes Frederick Loewe gilt noch immer als Muster
einer deutschen Musicalübertragung. Nachdem er 1954 wieder die deutsche Staatsbürgerschaft
angenommen und ein zweites Mal geheiratet hatte, übersiedelte er nach Orselina unweit von Locarno im
Tessin.

Im nahen Minusio starb er am 20. März 1978 im Alter von 78 Jahren.

Im Konzert zu hören:

Robert Gilbert - Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist

Hanns Eisler & David Weber (Pseudonym von Robert Gilbert) - Ballade vom Nigger Jim

                                                                                                          15
e. Mischa Spoliansky

Geboren                  28.12. 1898 in Bialystok, Polen

Gestorben                1985 in London, Großbritannien

Exil                     Österreich, Deutschland, Großbritannien

Beruf                    Komponist

Mischa Spoliansky wurde am 28. Dezember 1898 in Białystok, der Hauptstadt der gleichnamigen
nordostpolnischen Woiwodschaft, die damals (bis 1919) unter russischer Herrschaft stand, als Kind einer
musikalisch vielseitig ambitionierten Familie geboren. Nach der Geburt Mischas zog die Familie nach
Warschau, später nach Kalisz. Nach dem Tod der Mutter übersiedelt der Fünfjährige mit seinem Vater,
dem Opernsänger Pawlov Spoliansky, nach Wien.

In Dresden wird seine früh begonnene musikalische Erziehung (Klavier, Geige und Cello) bei Prof. Mark
Guensberg systematisch fortgesetzt. Im Alter von zehn Jahren gibt Mischa sein erstes öffentliches
Klavierkonzert. Bald darauf stirbt sein Vater. Spoliansky zieht nach Königsberg, 1914 infolge des
Kriegsausbruchs nach Berlin, wo er in Kaffeehäusern als Pianist tätig ist, um die Fortsetzung seines
Musikstudiums am Sternschen Konservatorium zu finanzieren. Erste Kompositionen Spolianskys werden
vom UFA-Filmtheaterorchester in der Friedrichstraße gespielt. Beeindruckt von den musikalischen
Leistungen des jungen Mannes laden ihn Victor Hollaender und Werner Richard Heymann 1919 ein, für
das literarische Kabarett Schall und Rauch im Keller des Großen Schauspielhauses zu schreiben und zu
spielen. Hier vertont Spoliansky Texte von Kurt Tucholsky, Klabund, Joachim Ringelnatz und begleitete
Stars wie Gussi Holl, Rosa Valetti und Trude Hesterberg am Klavier.
1925 begleitet er Richard Tauber bei der Schallplatteneinspielung von Schuberts Winterreise. In seiner
Revue Es liegt in der Luft (Text von Marcellus Schiffer) debütiert auch die nun weltbekannte Marlene
Dietrich. Im gleichen Jahr emigriert Spoliansky nach London und wird britischer Staatsbürger. Nun
widmet er sich verstärkt der Filmmusik. Die rasche Einbürgerung gelingt nicht zuletzt dank des Schlagers
Heute Nacht oder nie aus dem Film Das Lied einer Nacht (1932), der in der Interpretation von Jan
Kiepura dem Komponisten Weltruhm verschaffte.
Nach dem Krieg gibt es zwei weitere Theateruraufführungen in Deutschland: 1957 spielt Hans Albers im
Staatstheater am Gärtnerplatz in der Musical-Fassung von Carl Zuckmayers Katharina Knie, 1967 wird im
Cuvilliéstheater Wie lernt man Liebe uraufgeführt. 1985 stirbt Mischa Spoliansky in London.

Im Konzert zu hören:

Mischa Spoliansky & Kurt Schwabach – Das Lila Lied

                                                                                                         16
f.   Karl Farkas

Geboren                   28.10. 1893 in Wien, Österreich

Gestorben                 16.05. 1971 ebenda

Exil                      Tschechien, Frankreich, Portugal, USA (New York City)

Beruf                     Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller, Kabarettist, Kabarett-Leiter

Karl Farkas wuchs mit zwei Schwestern und einem älteren Bruder in Wien-Alsergrund auf. Seine
ungarischstämmigen Eltern Moritz und Franziska Farkas führten ein Schuhgeschäft.

Farkas absolvierte die Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien und hatte nach dem Ersten
Weltkrieg Engagements in Olmütz, Mährisch-Ostrau und Linz, wo er auch als Opern- und
Operettenregisseur tätig war. 1921 kam er als Schauspieler und Regisseur nach Wien, wurde als
Blitzdichter im Kabarett Simpl engagiert und etablierte dort gemeinsam mit Fritz Grünbaum die aus
Budapest kommende Doppelconférence. Beide traten gemeinsam oder solo in vielen Wiener Klein- und
Kaffeehausbühnen auf, verfassten Revuen, leiteten (Kabarett-)Theater. Farkas war auch einer der
Pioniere des 1924 gegründeten Rundfunksenders RAVAG und spielte ebenso in Filmen. 1924 heiratete
er die Schauspielerin Anny Hán; 1928 Geburt des einzigen Sohnes Robert, genannt Bobby.
1938 musste Farkas fliehen. Denn Karl Farkas war Jude. 1938 musste er vor den Nazis fliehen –
sozusagen im letzten Moment. Drei Jahre dauerte seine Flucht, die ihn über Brünn, Paris, wo er als
gefährlicher Ausländer sogar interniert wurde, und Lissabon schließlich nach New York führte.

Dort hielt er sich, da er als Flüchtling keine Arbeitserlaubnis bekam, mit Auftritten in Exilanten-Clubs, als
Skriptautor in Jazz-Filmen und als anonymer Schauspieler über Wasser. 1946 kehrte er nach Wien zurück
und nahm seine Karriere im Theater wieder auf. Er trat in Vergnügungsetablissements auf, inszenierte,
spielte und schrieb wiederum. 1950, nach der Übernahme des Simpl durch Baruch Picker, wurde Farkas
ebendort Darsteller, Regisseur, Autor und künstlerischer Leiter. Dort verfasste er sämtliche Revuen mit
Hugo Wiener, der nunmehr die Doppelconférencen für Farkas und dessen neuen Partner Ernst
Waldbrunn schrieb. Daneben arbeitete Farkas als Drehbuchautor, im Rundfunk und ab 1955 im neuen
Medium Fernsehen. Seine "Bilanzen" gestaltete er dort, ebenso wie die Simpl-Revuen bis zu seinem Tod
1971. 2006 wird Karl Farkas am Walk of Fame des Kabaretts in Mainz mit einem "Stern der Satire",
finanziert durch das Österreichiche Kabarettarchiv und den Thomas Sessler Verlag, gewürdigt.

Im Konzert zu hören:

Karl Farkas - An Bord

Robert Katscher & Karl Farkas – Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt‘

                                                                                                           17
g. Hermann Leopoldi

Geboren                  15.8.1888 in Wien, Österreich

Gestorben                28.6. 1959 in Wien, Österreich

Exil                     USA

Beruf                    Komponist, Klavierhumorist

Hermann Leopoldi stammte aus einer musikalischen Familie. Er wurde als Pianist ausgebildet, traf in
Agram den Klavierhumoristen Kurt Warnebold und begann ein Programm als Alleinunterhalter
aufzubauen. Während des Ersten Weltkriegs diente Leopoldi bei den Deutschmeistern, nach Kriegsende
trat er mit seinen Liedern in Wiener Nachtlokalen auf und eröffnete gemeinsam mit Fritz Wiesenthal eine
eigene Bar. Weiters war er Varietékapellmeister und (ab 1916) Klavierhumorist im Ronacher. Anfangs als
sein eigener Begleiter, dann mit Betja Milskaja, trug Leopoldi die größtenteils von ihm selbst
komponierten (teilweise von Peter Herz und Theodor Waldau, seinen bevorzugten Autoren, getexteten)
Wienerlieder, Schlager und Couplets vor (unter anderem: In einem kleinen Café in Hernals, Schön ist so
ein Ringelspiel, Ich bin ein stiller Zecher, Überlandpartie, Powidltatschkerln, Schnucki, Heut' spielt der
Uridil und andere), die zu Evergreens wurden.

Die typische wienerische Note seiner Kompositionen brachte ihm nicht nur große Erfolge bei seinen
Tourneen durch den gesamten deutschsprachigen Raum, sondern auch bei Gastspielen in Paris, Budapest
und Bukarest. 1938 wurde Leopoldi verhaftet und im Konzentrationslager Dachau, dann im
Konzentrationslager Buchenwald interniert. 1939 wurde er von seiner ersten Ehefrau Eugenie freigekauft
und konnte nach Amerika emigrieren, wo er sich in New York mit Helly Möslein als Partnerin eine neue
Existenz aufbaute.

Am 2. August 1947 kehrte er nach Salzburg, dann nach Wien zurück. Wie Viktor Matejka seinem Sohn
Ronald Leopoldi erzählte, hätten sich Wiener Politiker gegen die Rückholung aller jüdischen Künstler
gewehrt. Nur Leopoldi war wegen seines Unterhaltungswertes gerne wieder gesehen in Wien. Es gelang
ihm mit neuen Liedern, die er später auch im Fernsehen präsentierte, an die Vorkriegserfolge
anzuknüpfen. Am 17. Oktober 1958, kurz nach seinem 70. Geburtstag erhält er das Goldende
Verdienstzeichen der Republik Österreich.

Am 28. Juni 1959 stirbt Hermann Leopoldi an den Folgen eines Herzinfarkts.

Im Konzert zu hören:

Hermann Leopoldi & Hanns Haller - Alois

                                                                                                             18
h. Carl Zuckmayer

Geboren                    27.12. 1896 in Neckenhausen, Deutschland

Gestorben                  18.1. 1977 in Visp, Schweiz

Exil                       USA

Beruf                      Autor, Dramatiker

Carl Zuckmayer war der Sohn eines aufstrebenden Fabrikanten und einer jüdisch-evangelischen Mutter,
die einem musischen Elternhaus entstammte, das außerdem dem Theater zugetan war. Seine Ambitionen
für die Schule hielten sich allerdings in Grenzen. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges legte er ein Notabitur
ab und meldete sich dann freiwillige zum Kriegsdienst. Sein Militäreinsatz brachte ihn bis 1918 an die
Westfront, wo er als Feldartillerist diente. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, schlug sich Carl
Zuckmayer von 1921 bis 1922 mit Gelegenheitsjobs durch. Curt Elwenspoek holte ihn 1922 nach Kiel ans
Stadttheater, um mit Zuckmayer eine Neuinszenierung der Komödie Eunuch von Terenz auf die Bühne
zu bringen. Beide, Zuckmayer und Elwenspoek, wurden allerdings nach der Generalprobe des Stückes
fristlos entlassen. Die Entlassung verschlug den Schriftsteller zunächst nach München und danach nach
Berlin ans Deutsche Theater, wo er als Dramaturg gemeinsam mit Bertolt Brecht tätig war.

1925 schaffte er seinen Durchbruch mit der Komödie Der fröhliche Weinberg. Zugleich erhielt er den
Kleist-Preis. Enormen Publikumserfolg, viel Geld,aber auch die Ablehnung der Nationalsozialisten
bescherte ihm 1931 seine Komödie Der Hauptmann von Köpenick. Darin nahm Zuckmayer die
nationalsozialistischen Gefolgsleute sowie die Hindenburg-Deutschen aufs Korn und polemisierte
darüber hinaus gegen preußische Militärbürokratie, Uniformverherrlichung und sturen Kadavergehorsam.
Seit 1933 waren Zuckmayers Werke in Deutschland verboten. Als sich am 13. März 1938 Österreich dem
Deutschen Reich anschloss, entschied sich Zuckmayer zur Flucht über die Schweiz in die USA. Kurz nach
Kriegsende erhielt Carl Zuckmayer die US-amerikanische Staatsbürgerschaft (1946). Im selben Jahr
kaufte der Schriftsteller in Saas-Fee im Schweizer Kanton Wallis ein Haus und zog endgültig wieder nach
Europa um. Die deutsche Wiedereinbürgerung lehnte er ab und nahm 1966 die Schweizer
Staatsbürgerschaft an. Im selben Jahr erschien seine Autobiografie Als wär’s ein Stück von mir, die zu
einem späten Verkaufserfolg wurde. Im Jahr 1955 bekam der Schriftsteller das Große
Bundesverdienstkreuz mit Stern verliehen. Diesem folgten bis zu seinem Tod zahlreiche weitere Preise
und Ehrungen.

Im Konzert zu hören:

Carl Zuckmayer - Auszug aus »Als wär’s ein Stück von mir«

                                                                                                         19
i.   Erich Kästner

Geboren                     23.2.1899 in Dresden, Deutschland
Gestorben                   29.7. 1974 in München, Deutschland
Exil                        Kästner bleibt in Deutschland
Beruf                       Schriftsteller
Erich Kästner wurde am 23. Februar 1899 in Dresden geboren. Er sagte von sich selbst, dass er »aus ganz
kleinen Verhältnissen« stammte. Zu seiner Mutter Ida – eine spätere Friseurin - dem Muttchen, hatte er
auch als Erwachsener noch ein auffallend enges Verhältnis. Seiner Herkunft zum Trotz machte er 1919
sein Abitur und schrieb sich mit einem Stipendium der Stadt Dresden an der Universität Leipzig ein, unter
anderem für Germanistik und Geschichte. Schon während des Studiums publizierte Kästner Gedichte in
Zeitungen und Zeitschriften. Ab 1924 arbeitete er als Redakteur für das Feuilleton der »Neuen Leipziger
Zeitung«. 1925 beendete er sein Studium mit einer Promotion.

1927 ging Kästner nach Berlin. Dort schrieb er für verschiedene renommierte Zeitungen, darunter die
»Vossische Zeitung« und die »Weltbühne«. 1929 erschien sein Emil und die Detektive. Es war das erste
von Kästners unkonventionellen Kinderbüchern, die ihn weltberühmt machten. Zu seinen Klassikern für
Kinder zählen auch Das fliegende Klassenzimmer (1933) oder Das doppelte Lottchen (1949).

1931 veröffentliche Kästner seinen Roman Fabian– Geschichte eines Moralisten, eine Warnung vor den
damaligen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Bei der öffentlichen Bücherverbrennung
durch die Nazis auf dem Berliner Bebelplatz im Mai 1933 war Erich Kästner unter den Zuschauern. Auch
seine eigenen Bücher wurden dort verbrannt: wie etwa die Gedichtbände Herz auf Taille, Ein Mann gibt
Auskunft, Gesang zwischen den Stühlen und auch Fabian. In all diesen Büchern wendet sich Kästner mit
treffsicherem Witz gegen spießbürgerliche Moral, Militarismus und Faschismus. In den folgenden Jahren
wird er mit Veröffentlichungs- und Schreibverboten belegt und mehrmals verhaftet.

Nach dem Krieg ging Kästner nach München, wo er seine journalistische und schriftstellerische Arbeit
fortsetzte. Bei den Nürnberger Prozessen gegen Kriegsverbrecher war er Prozessbeobachter. In der
Literatur im Nachkriegsdeutschland spielte er allerdings keine wesentliche Rolle mehr. Nach seiner
letzten Veröffentlichung Der kleine Mann und die kleine Miss (1967) zog Kästner sich 1969 aus dem
Literaturbetrieb zurück. Er starb 1974 in München.

Im Konzert zu hören:

Erich Kästner – Über das Verbrennen von Büchern Text siehe S. 33

                                                                                                       20
4. Noten/Texte

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Das Lied vom SA-Mann - Text: Bertolt Brecht Musik: Hanns Eisler

Als mir der Magen knurrte, schlief ich
Vor Hunger ein.
Da hört ich sie ins Ohr mir
Deutschland erwache! schrein.

Da sah ich viele marschieren
Sie sagten: ins dritte Reich.
Ich hatte nichts zu verlieren
Ich lief mit, wohin war mir gleich.

Als ich marschierte, marschierte
Neben mir ein dicker Bauch
Und als ich „Brot und Arbeit“ schrie
Da schrie der Dicke das auch.

Ich wollte nach links marschieren
Nach rechts marschierte er
Da ließ ich mich kommandieren
Und lief blind hinterher.

Und die da Hunger hatten
Marschierten matt und bleich
Zusammen mit den Satten
In irgendein drittes Reich.

Sie gaben mir einen Revolver
Sie sagten: Schieß auf unsern Feind!
Und als ich auf ihren Feind schoß
Da war mein Bruder gemeint.

Jetzt weiß ich: drüben steht mein Bruder.
Der Hunger ist ’s, der uns eint
Und ich marschiere, marschiere
Mit seinem und meinem Feind.

So stirbt mir jetzt mein Bruder
Ich schlacht‘ ihn selber hin
Und weiß nicht, daß, wenn er besiegt ist
Ich selber verloren bin.

                                                                  22
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Über das Verbrennen von Büchern – Erich Kästner

... Das blutige Rot der Scheiterhaufen ist immergrün.

Einen dieser Scheiterhaufen haben wir, mit bloßem Auge, brennen sehen. Das war auf den Tag genau vor
einem Vierteljahrhundert, und deswegen haben wir uns heute versammelt. Es gibt Andachtsübungcn,
und wie es Andachtsübungen gibt, sollte es, nicht weniger ernsthaft und folgenschwer, Gedächtnis-
Übungen geben. Meine Damen und Herren, wir sind zu einer Gedächtnis-Übung zusammengekommen.
[...] eine Gedenkstunde soll eine Gedächtnisübung sein, und noch etwas mehr. Was hülfe es, wenn sie
nur der Erinnerung an arge Zeiten diente, nicht aber der Erinnerung an unser eigenes Verhalten? Das
heißt, hier und jetzt, für mich nicht mehr und nicht weniger: an mein Verhalten? Ich bin nur ein Beispiel
neben anderen Beispielen. Doch da ich mich etwas besser als andere kenne, muß in meiner Rede nun ein
wenig von mir die Rede sein.

[...] Ich hatte angesichts des Scheiterhaufens nicht aufgeschrien. Ich hatte nicht mit der Faust gedroht.
Ich hatte sie nur in der Tasche geballt. Warum erzähle ich das? Warum mische ich mich unter die
Bekenner? Weil, immer wenn von der Vergangenheit gesprochen wird, auch von der Zukunft die Rede
ist. Weil keiner unter uns und überhaupt niemand die Mutfrage beantworten kann, bevor die Zumutung
an ihn herantritt. Keiner weiß, ob er aus dem Stoffe gemacht ist, aus dem der entscheidende Augenblick
Helden formt. Kein Volk und keine Elite darf die Hände in den Schoß legen und darauf hoffen, daß im
Ernstfall, im ernstesten Falle, genügend Helden zur Stelle sein werden. Und auch wenn sie sich zu Worte
und zur Tat meldeten, die Einzelhelden zu Tausenden - sie kämen zu spät. Im modernen
undemokratischen Staat wird der Held zum Anachronismus. Der Held ohne Mikrophone und ohne
Zeitungsecho wird zum tragischen Hanswurst. Seine menschliche Größe, so unbezweifelbar sie sein mag,
hat keine politischen Folgen. Er wird zum Märtyrer. Er stirbt offiziell an Lungenentzündung. Er wird zur
namenlosen Todesanzeige. Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden
müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird.
Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist

Man muß den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie
alles unter sich begraben hat. Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr.

Das ist der Schluß, den wir aus unseren Erfahrungen ziehen müssen, und es ist der Schluß meiner Rede.
Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben. Es ist eine
Angelegenheit des Terminkalenders, nicht des Heroismus. Als Ovidsein »Principiis obsta!« niederschrieb,
als er ausrief: »Bekämpfe den Beginn!«, dachte er an freundlichere Gegenstände. Und auch als er
fortfuhr: »Sero medicina paratur!«, also etwa »Später helfen keine Salben!«, dachte er

nicht an Politik und Diktatur. Trotzdem gilt seine Mahnung in jedem und auch in unserem Falle.
Trotzdem gilt sie auch hier und heute. Trotzdem gilt sie immer und überall. Meine Damen und Herren,
ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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5. Links & Quellen
Biographien, in der Reihenfolge der Erwähnung

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Hanns_Eisler
http://kuenste-im-exil.de/KIE/Web/DE/Home/home.html
https://kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Personen/weill-kurt.html
https://cms.sachsen.schule/gdp/das-projekt/hintergrundinfos/ueber-george-gershwin/
https://de.wikipedia.org/wiki/George_Gershwin
https://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00003106
http://www.mischaspoliansky.com/index.php/bio.html
http://www.felix-bloch-
erben.de/index.php5/aid/149/Action/showAuthor/fbe/6d47e5010ff6fdf155cefae348951748/
https://www.noen.at/niederoesterreich/kultur-festivals/der-gscheite-im-exil-7254630
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Farkas
http://www.kabarettarchiv.at/Bio/Farkas.htm
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Hermann_Leopoldi
https://www.hermannleopoldi.at
https://wortwuchs.net/lebenslauf/carl-zuckmayer
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Zuckmayer
https://www.inhaltsangabe.de/autoren/kaestner/
https://www.hdg.de/lemo/biografie/erich-kaestner.html
http://www.erich-kaestner-museum.de/erich-kaestner/biographie/

Noten/Texte

Alle Noten sowie Text S. 22 zur Verfügung gestellt von Egon Achatz

Text: Ballade Lied vom SA Mann: Zitiert nach Ernst Busch: Bertolt Brecht – Legenden, Lieder Balladen
1925-1934. Aurora 5 80 027/28. Erstmals erschienen 1967. aus http://erinnerungsort.de/lied/lied-
vom-sa-mann-das/

Text Über das Verbrennen von Büchern (In: E. K.: Gesammelte Schriften. Band 5, S. 571f. Ansprache
Kästners auf der PEN-Tagung in Hamburg am 10. Mai 1958.) – aus https://www.uni-
salzburg.at/fileadmin/oracle_file_imports/1289234.PDF

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6. Alle Termine auf einem Blick
    1) Auftakt (Pflicht):

Mittwoch | 17. Oktober 2018 Mittwoch | 17. Oktober 2018 | 18:00 Uhr | Universität für Musik und
darstellende Kunst Wien, Raum A0146 | Lothringerstraße 18, 1030 Wien

    -   18:00-18:15 Uhr: Projektvorstellung
    -   18:15-18:45 Uhr: Biografisches Schreiben (Axel Petri-Preis)
    -   18:45-19:00 Uhr: Pause
    -   19:00-19:30 Uhr: Vortrag zum Themenkreis rund um das Konzertprogramm (Christian Glanz)
    -   19:30-20:00 Uhr: Führung durch die Ausstellung exil.arte (Gerold W. Gruber)
    -   Ab 20:00 Uhr: informelles Get-Together

Diese Veranstaltung kann im Ausmaß von 3 PH-Einheiten als Fortbildung angerechnet werden! Ein
entsprechendes Formular wird an diesem Abend von uns bereitgestellt.

    2) Workshop in der Schule (Option):

Von November bis Anfang Dezember

In Österreich lebende exilierte Musikerinnen und Musiker besuchen Ihre Schülerinnen und Schüler. Sie
erzählen aus ihrer Biografie und stellen ihr Musikschaffen unter veränderten Lebensbedingungen vor.

UND/ODER

    3) Ausstellungsbesuch »Leben und Musizieren im Exil« (Option):

Von November bis Anfang Dezember

Geführter Besuch der Ausstellung exil.arte (Lothringerstraße 18, 1030 Wien): Das exil.arte Zentrum der
MDW befindet sich genau an jener Stelle, wo ab 1913/14 hervorragende Künstlerinnen und Künstler
sowohl als Lehrende als auch Studierende tätig waren. Viele von ihnen mussten zwischen 1933 und 1938
Europa verlassen, um vor dem Terror der Nationalsozialisten zu fliehen. Einige von ihnen konnten ihre
Karriere fortsetzen, andere hatten die Grundlage ihres Schaffens verloren. Den unterschiedlichen
Lebensschicksalen ist die erste Ausstellung des exil.arte Zentrums gewidmet.

Informationen unter: www.exilarte.at

    4) Konzertbesuch und Künstlergespräch (Pflicht):

Donnerstag | 13. Dezember 2018 | 10.00 Uhr | RadioKulturhaus, Großer Sendesaal | Argentinierstraße
30a, 1040 Wien

Im Anschluss an das einstündige Konzert findet ein Künstlergespräch mit Cornelius Obonya, Egon Achatz
sowie Musikerinnen und Musikern des Ballaststofforchesters statt.

Moderation: Axel Petri-Preis

Kartenpreis: 5€ (eine Lehrperson je 10 Schülerinnen und Schüler kostenlos) Das Begleitprogramm rund
um den Konzertbesuch (Auftaktveranstaltung, Ausstellungsbesuch, Workshop, Künstlergespräch) ist
kostenlos.

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