Leitfaden WTO und Landwirtschaft - Die WTO-Agrarverhandlungen - komprimiertes Wissen und Erklärungen

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Leitfaden WTO und Landwirtschaft - Die WTO-Agrarverhandlungen - komprimiertes Wissen und Erklärungen
Leitfaden
WTO und Landwirtschaft
Die WTO-Agrarverhandlungen - komprimiertes Wissen und Erklärungen
Stand: Oktober 2008
Leitfaden WTO und Landwirtschaft - Die WTO-Agrarverhandlungen - komprimiertes Wissen und Erklärungen
I   M     P   R   E   S   S    U   M

                           Medieninhaber und Herausgeber:
     Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft,
        Sektion Landwirtschaft und Ernährung, Sektionsleiterin DI Edith Klauser

                                   Stubenring 1, 1012 Wien

                        Gesamtkoordination: DI Marcus Kucera

              Mitwirkung: DI Ulrike Kreiner-Ledl, DI Brigitta Litschauer

                                     Wien, Oktober 2008

                      Layout und Produktion: Lebensministerium
                               Druck: Lebensministerium
Copyright: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
                                   Alle Rechte vorbehalten
                           Bildnachweis: Lebensministerium
           Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier und mit Pflanzenfarben.
Leitfaden
                       WTO und Landwirtschaft

                      Die WTO-Agrarverhandlungen
                   komprimiertes Wissen und Erklärungen

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft, Stubenring 1, 1012 Wien                     Oktober 2008
Inhalt

Einleitung....................................................................................................................................5
Die WTO-Verhandlungen ...........................................................................................................6
   Die Doha-Runde .....................................................................................................................6
   Der aktuelle Verhandlungsstand .............................................................................................8
       Der Marktzugang ................................................................................................................9
       Die internen Stützungen......................................................................................................9
       Der Exportwettbewerb ......................................................................................................10
       Die geografischen Herkunftsangaben ...............................................................................10
   Die Gründe für den Abbruch der Verhandlungen ..................................................................11
   Wie geht es weiter? ..............................................................................................................11
   Die Position des Lebensministeriums für die Verhandlungen 2008.......................................12
Die WTO...................................................................................................................................14
   Die Organisation ...................................................................................................................14
   Das WTO-Agrarabkommen ..................................................................................................16
       Der Marktzugang ..............................................................................................................16
       Die internen Stützungen....................................................................................................17
       Die Friedensklausel ..........................................................................................................20
       Der Exportwettbewerb ......................................................................................................20
       Das Mandat für die Europäische Kommission...................................................................22
   Weitere Themen ...................................................................................................................22
       Die non-trade concerns.....................................................................................................22
       Die Key Player und Gruppen ............................................................................................23
Glossar .....................................................................................................................................24
Einleitung
Die Globalisierung hat auch vor der Landwirt-          Raumes und einem wachsenden Beitrag zur
schaft nicht Halt gemacht. Sichtbarster Aus-           Energieversorgung. Aus diesen Herausforde-
druck dafür ist das starke Wachstum des Ag-            rungen erwächst der Landwirtschaft weltweit
rarhandels. Dieser hat sich in den letzten 50          eine besondere Verantwortung.
Jahren wertmäßig alle sieben bis acht Jahre            Durch eine schonende Ressourcennutzung
verdoppelt.                                            kann die Ernährungssicherung, gleichzeitig
Die Landwirtschaft ist zunehmend durch welt-           aber auch eine nachhaltige Entwicklung des
wirtschaftliche   und   internationale        makro-   ländlichen Raumes sichergestellt werden.
ökonomische Entwicklungen beeinflusst wor-             Daher kommt der Landwirtschaft eine unver-
den. Dies hat zur Einbeziehung der Landwirt-           zichtbare multifunktionale Bedeutung für die
schaft in die Regeln der Welthandelsorganisa-          Gesellschaft zu.
tion (WTO) geführt. Die Agrarpolitik der EU            Der sich auf allen Ebenen gleichzeitig auswei-
hat daher auch zunehmend die internationale            tende und vertiefende Globalisierungsprozess
Ebene,        einschließlich         der      WTO-     sollte daher gerade aus der Sicht der Agrarpo-
Bestimmungen, zu beachten. Im Weltagrar-               litik durch eine aktive Mitgestaltung beeinflusst
handel nimmt die EU eine führende Position             werden.
ein. Die EU ist daher an einem funktionsfähi-          Der vorliegende Leitfaden soll einen Einblick
gen Welthandelssystem interessiert.                    in die komplexe Materie „WTO und Landwirt-
In regelmäßig stattfindenden multilateralen            schaft“ zur Verfügung stellen und das Ver-
WTO-Handelsgesprächen          (so         genannten   ständnis für die Zusammenhänge erhöhen.
Runden)       verhandeln       die            WTO-
Mitgliedsstaaten über internationale Handels-
regeln und den Abbau von Handelsbarrieren
(Gründung der WTO 1995).
Der Industriegüterbereich war bis 1995 im
„Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen“
(GATT) geregelt. Der Landwirtschaftssektor
wurde in der Uruguay-Runde (1986 bis 1994)
erstmals umfassend das Regelwerk für den
Welthandel einbezogen.
Die Landwirtschaft muss sich im 21. Jahrhun-
                                                              Foto: WTO
dert vor allem folgenden entscheidenden Her-
ausforderungen stellen: der Versorgung einer
rasch wachsenden Weltbevölkerung mit Nah-
rungsmitteln, der Entwicklung des ländlichen
Der aktuelle Verhandlungsstand                                                                     6

                                                     gebnis abgebrochen wurde, kam es zu einer
Die WTO-                                             Neuorientierung in der WTO. In der Folge
Verhandlungen                                        wurde die Agenda für die Runde verändert
                                                     bzw. strittige Themen herausgenommen.
Die Doha-Runde                                       Daraufhin konnten sich die WTO-Mitglieder
                                                     am 31. Juli 2004 auf das sogenannte Rah-
Im Rahmen der 4. WTO-Ministerkonferenz in            menabkommen          („framework   agreement“)
Doha im November 2001 erfolgte eine Eini-            einigen. Diese Einigung enthält Bedingungen
gung auf eine neue Verhandlungsrunde, der            für alle neu zu verhandelnden Abkommen:
sogenannten        Doha   Development       Agenda            Landwirtschaft.
(DDA). In der Ministererklärung findet sich das               Dienstleistungen.
Mandat für die Landwirtschaftsverhandlungen,                  NAMA (Industriegüter und Waren).
die ein Teil der DDA sind. Aufbauend auf Arti-                Handelserleichterung.
kel 20 des Landwirtschaftsabkommens ver-
pflichteten sich die WTO-Mitglieder, umfas-
sende Verhandlungen mit folgenden Zielen zu
führen:
         verbesserter Marktzutritt.
         Reduktion aller Formen von Export-
          subventionen (deren Auslaufen abseh-
          bar sein soll = „phasing out“).
         eine erhebliche Verringerung der han-
          delsverzerrenden internen Stützungen.
         besondere und differenzierte Behand-
          lung der Entwicklungsländer als ein in-
          tegraler Bestandteil der Verhandlun-
          gen.
                                                     Rahmenabkommen –Landwirtschaft:
         Berücksichtigung der non-trade con-
          cerns.
                                                             Verwirklichung der Entwicklungsrunde:
                                                              Verankerung des Prinzips der geson-
Neuorientierung nach gescheiterter
                                                              derten und differenzierten Behandlung
Ministerkonferenz im Jahr 2003
                                                              der Entwicklungsländer in allen Berei-
                                                              chen, wie längere Fristen und geringe-
Nachdem die Ministerkonferenz im mexikani-
                                                              re Abbauverpflichtungen bei Liberali-
schen Cancún im September 2003 ohne Er-
                                                              sierungsschritten; Schutz der Produkti-
Der aktuelle Verhandlungsstand                                                                               7

     on in den Entwicklungsländern durch          Bei der am 18. Dezember 2005 zu Ende
     speziellen Schutzmechanismus (SSM).          gegangenen          WTO-Ministerkonferenz                 in
    Interne Stützung: Es wurde vereinbart,       Hongkong wurde ein wichtiges Signal in
     handelsverzerrende       Agrarstützungen     Richtung Entwicklungsländer gesetzt. Das
     abzubauen. Die bereits geleisteten Re-       beschlossene Entwicklungspaket umfasste
     formanstrengungen der EU fanden An-          das Auslaufen der Exportstützungen und
     erkennung (GAP-Reform 2003). Die Kri-        eine Stärkung der Entwicklungshilfe im Be-
     terien für Green-Box-Zahlungen, die für      reich des Handels (Aid for Trade). Ebenso
     die europäische Landwirtschaft bedeu-        wurde der mengenunbeschränkte und zoll-
     tend geworden sind und keiner Be-            freie Zugang (duty-free and quota-free mar-
     schränkung unterliegen, werden auch          ket access) zu den Industrieländermärkten
     überprüft.                                   für die am wenigsten entwickelten Länder
    Marktzutritt: Die Zollsenkungen und die      (Least Developed Countries LDCs) ab 2008
     zollbegünstigten   Kontingente    werden     erreicht.
     weitreichender sein als die der Uruguay-
     Runde. Bei der Marktöffnung wird mit der
     Möglichkeit der Nennung von sensiblen                    Zeittabelle Doha-Runde
                                                  2001:   November, Doha Development Agenda DDA
     Produkten ein flexibler Ansatz geschaf-
                                                          Mandate für die Verhandlungsbereiche
     fen, um den Außenschutz ausgewogen           2002:   technische Verhandlungen in Genf
                                                  2003:   September, Cancún gescheitert (Verhandlungen
     zu gestalten.
                                                          zur Landwirtschaft fanden gar nicht statt)
    Exportwettbewerb: Eine angemessene           2004:   Nachdenkpause und technische Verhandlungen in
     Gleichbehandlung der Ausfuhrförderung                Genf, Beschluss Framework Agreement 1. August
                                                          2004 (Grundkonzepte)
     wurde im Rahmenabkommen festgelegt.
                                                  2005:   technische Verhandlungen in Genf über Grundkon-
     Es kommt vor allem darauf an, alle For-              zepte, 31. Juli keine „erste Annährung“ für Modalitä-

     men der Exportförderung, nicht nur die               ten, Hongkong (Dezember) kein Beschluss von
                                                          Modalitäten, sondern nur Forschritte
     Exportstützungen der EU, sondern auch
                                                  2006:   Beschluss von Modalitäten        Landwirtschaft und
     die   Exportkredite,   das   System   der            NAMA im Juli 2006 gescheitert
                                                          Juli 2006 „Aussetzen“ der Verhandlungen
     Staatshandelsunternehmen        und   die
                                                  2007:   volle Wiederaufnahme der Verhandlungen im Feb-
     missbräuchliche Verwendung der Nah-                  ruar, keine Modalitäten im Sommer 2007
     rungsmittelhilfe zu erfassen. Ein Großteil   2008:   Juli 2008 erneuter Abbruch der Verhandlungen,
                                                          keine Modalitäten
     aller Formen der Exportförderung – auch
     die Exportkredite der USA – müssen
                                                  Das Ergebnis von Hongkong war als wichti-
     schrittweise abgebaut werden.
                                                  ger Schritt zur Belebung der Verhandlungen
                                                  zu bezeichnen, wenn auch das Ergebnis
WTO Ministerkonferenz in Hongkong 2005
                                                  hinter den Erwartungen zurück blieb. Insbe-
Der aktuelle Verhandlungsstand                                                                              8

sondere bei der Belebung des Handels im                            WTO-Agrarverhandlungen

Bereich Industriegüter (Non Agricultural Mar-
                                                                  „faires und marktorientiertes
ket Access NAMA) und Dienstleistungen (Ser-                   landwirtschaftliches Handelssystem“

vices) brachte das Ergebnis keine bedeuten-
                                                      Öffnung                 mehr                Markt-
den Fortschritte (aber auch keine Rückschrit-        der Märkte             Wettbewerb         orientierung

te). Im Bereich der Landwirtschaft konnte un-                                 Export-
                                                       Marktzugang                            Förderungen
                                                                             wettbewerb
ter diesen schwierigen Bedingungen ein ak-
                                                      Höchstzollsatz
zeptables    Ergebnis   erreicht   werden.   Der                           ab 2013 keine
                                                                                                 - 80 %
                                                                           direkten Export-
                                                                                              Amber Box
Schlüsselbereich war die Frage des Export-           Zollsenkungen         erstattungen
                                                                                                 Preis-
                                                     nach dzt. Höhe                           stützungen
wettbewerbs im agrarischen Sektor, wo die EU         zwischen - 23%        ab 2013 keine
                                                     bis - 70%             indirekten
massiv unter Druck stand (Exporterstattun-                                 Förderungen bei
                                                                                                 - 70%
                                                                           Exportkrediten,
                                                      Ausnahmen:           Staatshandel u.     Blue Box
gen). Alle Versuche nach Hongkong einen                 sensible                              gekoppelte
                                                                           Hilfslieferungen
                                                        Produkte,                               Direkt-
Modalitätenbeschluss    zu erzielen,    wurden        Schutzklausel        Ausnahmen für      zahlungen
                                                                           erlaubte:
nicht erreicht.                                       geografische         Exportkredite,       weiterhin
                                                       Herkunfts-          Staatshandel u.     unbegrenzt
                                                     bezeichnungen         Hilfslieferungen    Green Box

Der aktuelle                                       Grafik: Kucera/BMLFUW

Verhandlungsstand
                                                   Rund 40 Handelsminister hatten im Namen
Im Juli 2008 wurde in Genf erneut der Versuch      der gesamten 153 WTO-Staaten 14 Tage
unternommen ein Modalitätenpaket für die           lang in Genf über den Agrar- als auch In-
Doha-Runde zu erzielen. Die Verhandlungen          dustriegüterhandel verhandelt.
wurden aber im Juli 2008 ohne Ergebnis ab-         Der Europäischen Union und Österreich war
gebrochen.                                         es gelungen im Landwirtschaftsbereich auf
95% der Themen (siehe Grafik weiter unten)         ein Ergebnis mit Augenmaß einzuwirken. Mit
waren konsensfähig und durch einen von             dem Ergebnis hätte ein Außenschutz für
WTO-Generaldirektor Pascal Lamy vorgeleg-          sensible Produkte wie Milch, Rindfleisch und
ten Kompromiss abgearbeitet. Ein erfolgrei-        Zucker erhalten werden können.
cher Abschluss schien in greifbarer Nähe.          Für Österreich war und ist der Grundsatz der
Letztendlich verkündeten die USA aufgrund          Ausgewogenheit zwischen den einzelnen
von unüberbrückbaren Differenzen mit Indien        Sektoren       Industrie,      Landwirtschaft      und
betreffend einen Schutzklauselmechanismus          Dienstleistung von großer Bedeutung.
für die Entwicklungsländer (SSM) als erste         In den drei Verhandlungssäulen in der Land-
den Abbruch der Verhandlungen.                     wirtschaft waren folgende Punkte Teil des
                                                   letztendlich nicht beschlossenen Kompro-
                                                   misses:
Der aktuelle Verhandlungsstand                                                                   9

Der Marktzugang                                       wollten sie gänzlich abschaffen. Es wäre

Die EU-Position bei den Zollsenkungen konnte          gelungen sie für 1% der EU-Produkte zu

gegenüber weiter gehenden Forderungen der             erhalten (z.B. Zucker, Geflügel, Beerenobst),

Exporteure und der exportorientierten Schwel-         allerdings befristet auf 7 Jahre.

lenländer verteidigt werden.
Die Zölle wären zwar um durchschnittlich 54%          Die internen Stützungen
gesenkt worden, aber für wesentliche sensible         Beim Abbau der handelsverzerrenden inter-
Bereiche wie Rindfleisch, Zucker und Milch-           nen Stützungen wäre die rote Linie der EU
produkte nur um 23%. 4% der EU-Produkte               nicht überschritten worden, d.h. die Kürzung
hätten als sensibel deklariert werden können,         der Förderungen wäre durch die GAP-
dafür hätten aber zollbegünstigte Importquoten        Reform von 2003 für die EU erfüllbar. Die
in der Höhe von 4% des EU-Inlandskonsums              Summe der Förderungen (Einteilung der
eröffnet werden müssen (EU: Rindfleisch               WTO-Länder in 3 Bänder nach derzeitiger
290.000 t/Jahr, Zucker 600.000 t/Jahr). Somit         Förderungshöhe), das so genannte OTDS
hätten die von den Schwellenländern geforder-         (Overall Trade Distorting Domestic Support),
ten inakzeptablen hohen Importquoten (6%)             hätte ausgehend von der derzeitigen WTO-
verhindert werden können (6% hätten zollbe-           Obergrenze in den nächsten Jahren in der
günstigte    Importquoten      bei      Rindfleisch   EU um 80 % reduziert werden müssen, was
435.000 t bzw. 900.000 t bei Zucker bedeutet).        einer zukünftigen Obergrenze von ca. 28
                                                      Mrd. €/Jahr für die EU-27 entspräche.
                MARKTZUGANG
                                                                         INTERNE
            •allg. Zollsenkungsformel                                  STÜTZUNGEN
                  • 4 Bänderansatz
                  • Reduktionen bis                                 • Einteilung der WTO
                     70 % (ø 54 %)                                   Länder in 3 Bänder

            • 4% Sensible Produkte !                                  • Kürzungen EU
                  23% Zollreduktion                                   bei OTDS (-80%)

            • Schutzklausel (7 Jahre)                                und Blue Box (-70%)

            • 4% des Inlandskonsums                                     • Green Box
               Ausweitung Quoten                                        keine Reduktion

Im Verhandlungsprozess stand auch die spe-            Als Erfolg zu werten war, dass die USA dazu
zielle Schutzklausel (Special Safe Guard SSG)         gedrängt werden konnten, ihre handelsver-
auf dem Spiel, welche vor übermäßigen Welt-           zerrenden Förderungen um 70% zu senken,
marktimporten oder Preisverfall schützt (durch        das entspräche einer zukünftigen Obergren-
Zusatzzölle). Länder wie Indien und Brasilien         ze von ca. 14,5 Mrd. $/Jahr (ca. 9,2 Mrd. €).
Der aktuelle Verhandlungsstand                                                                   10

Durch den Abbruch der Verhandlungen wird           Der Exportwettbewerb
es aber jetzt nicht dazu kommen. Mit ihrer         Eine Gleichbehandlung alle Formen der Ex-
Farm Bill 2008 hatten die USA ein Zeichen in       portförderung (Parallelismus) wäre in diesem
Richtung einer massiven Erhöhung ihrer För-        Bereich im Hinblick auf die Reduktion der
derungen gesetzt und nicht in Richtung Re-         Exporterstattungen der EU und der versteck-
duktion wie in der WTO verlangt. Im Umset-         ten Exportförderungen wie Exportkredite
zungszeitraum hätte der Förderungsbereich          (USA), exportorientierter Staatshandel (NZL,
wie bisher mit einer „Friedensklausel“ vor         AUS) oder Missbrauch der Nahrungsmittel-
WTO-Klagen (sogenannten Panels) geschützt          hilfe (USA) hergestellt gewesen. Die EU-
werden sollen. Einen Kernbereich der Ver-          Exporterstattungen hätten laut Hongkong-
handlungen im Bereich interne Stützungen           Beschlüssen schon bis Ende 2013 auslaufen
bildete die Green-Box mit den darin enthalte-      müssen.      Unabhängig     von    den      WTO-
nen nicht handelsverzerrenden Förderungen          Verhandlungen wird dieses Ziel von der Eu-
(z.B. Einheitliche Betriebsprämie, Österreichi-    ropäischen Kommission weiter verfolgt.
sches Programm für eine umweltgerechte
Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Berg-
                                                   Die geografischen Herkunftsan-
bauernförderung und Förderung für benachtei-
ligte Gebiete). Es waren auf EU-Ebene viele
                                                   gaben
Treffen und Diskussionen zwischen Mitglieds-       Für die GIs (Geografical Indications) hätte

staaten und Kommission notwendig, um bei           erstmals im Rahmen der WTO ein Mandat

der Green Box die Sicherheit zu bekommen,          für weitere Verhandlungen erreicht werden

dass das derzeitige EU-Förderungssystem,           können. Über die Einrichtung eines WTO-

auch für den Zeitraum nach 2013, auf WTO-          Registers für geografische Angaben und

Ebene ohne Budgetobergrenze abgesichert            Ursprungsbezeichnungen bei landwirtschaft-

gewesen wäre.                                      lichen Produkten (in Österreich z.B. die Wa-

Bei den weiterhin an die Produktionsmenge          chauer Marille oder das steirische Kürbis-

gekoppelten      Förderungen       (Mutterkuh-,    kernöl), könnte also in Zukunft verhandelt

Schlachtprämie, männliche Rinder), die bei         werden. Dieses Thema ist in der WTO sehr

der WTO in die Blue Box fallen, wäre eine, für     umstritten   und   für    die   südlichen    EU-

die EU tragbare, Reduktionsformel festgelegt       Mitgliedsstaaten von sehr großer Bedeutung,

worden (Obergrenze für die EU-27 in Zukunft:       da es durch Plagiate auf dem Weltmarkt zu

ca. 6,4 Mrd. €/Jahr; aktuell ca. 4,6 Mrd. €/Jahr   großen    Wettbewerbsverzerrungen        kommt

benötigt). Hier konnten erfolgreich Auflagen für   (z.B. Parmaschinken, Feta oder Parmesan

die USA verhandelt werden (produktspezifi-         werden auch in Übersee unter diesem Na-

sche Kürzung).                                     men erzeugt).
Der aktuelle Verhandlungsstand                                                                 11

Die Gründe für den Abbruch                           Themen zu forcieren (z.B. Energie, Klima-

der Verhandlungen                                    schutz, Versorgungssicherheit).

Die Gründe für den Abbruch der Verhandlun-           Wie geht es weiter?
gen im Juli 2008 sind vielfältig und mehr auf
der politischen als der technischen Ebene zu         Wann und ob überhaupt die Verhandlungen
suchen. Trotz der erzielten Kompromisse hätte        in der Substanz weiter gehen, kann derzeit
es noch viele weitere schwierige Themen ge-          nicht präzise vorhergesagt werden. Auf in-
geben, an denen die Verhandlungen scheitern          ternatonaler politischer Ebene gibt es Aufru-
hätten können (z.B. Baumwolle, Bananen,              fe für einen schnellen Neustart. Im Herbst
Industriegüter). Die Landwirtschaftsverhand-         2008 haben in Genf Gespräche auf hoher
lungen waren weiter fortgeschritten als die          Beamtenebene begonnen, um Lösungen
anderen Verhandlungsbereiche. Die USA wa-            auszuloten. Ein baldiger Erfolg dieser Ge-
ren ohne Handelsbevollmächtigung und mit             spräche und ein echter Neustart ist aber
einer heftig kritisierten Farm Bill zum Ministeri-   aufgrund der Rahmenbedingungen vor 2010
al im Juli 2008 gekommen (demokratisch do-           eher unwahrscheinlich (Wahlen USA 2008,
minierter Kongress hätte das Abkommen erst           Wahlen Indien 2009, neues EP und EU-
genehmigen müssen; Wahlen am 4.11.2008).             Kommission 2009). Deutliches Anzeichen für
Indien hatte innenpolitische Turbulenzen zu          die schlechten Aussichten ist, dass der Vor-
bewältigen (Misstrauensvotum für Regierung;          sitzende der Verhandlungsgruppe Landwirt-
Wahlen 2009). Brasilien und die EU wurden            schaft (Crawford Falconer, NZL) ab 2009
als konstruktive Player bezeichnet und nicht         ersetzt werden muss und sich der neue Vor-
für den Abbruch der Verhandlungen verant-            sitzende im Industriegüterbereich (Luzius
wortlich gemacht. Zukünftig könnten die im Juli      Wasescha, CH) erst etablieren muss. Au-
2008 ausverhandelten Kompromisszahlen nur            ßerdem wurde der EU-Handelskommissar
den Ausgangspunkt für weitergehende Forde-           Peter Mandelson durch Catherine Ashton
rungen der Exporteure darstellen. Daher war          (beide UK) abgelöst. Die Versuche für eine
auch Österreich, mit den tragbaren Zahlen            rasche Einigung über die ausstehenden
vom Juli 2008, an einem Abschluss interes-           Landwirtschaftsthemen im Oktober 2008
siert. Nach einer Verhandlungspause, welche          sind vorerst fehlgeschlagen. Das derzeitige
es auch in den früheren WTO-Runden immer             Regelwerk der WTO bleibt weiterhin anzu-
wieder gab, besteht möglicherweise die Chan-         wenden und somit sind die Rahmenbedin-
ce, für die EU wichtige Themen nochmals in           gungen für den internationalen Landwirt-
die Verhandlungen einzubringen (wie u.a. die         schaftshandel auch für die nächsten Monate
„non trade concerns“) oder auch aktuelle neue        gesichert.
Der aktuelle Verhandlungsstand                                                              12

Die Position des                                  lagen entstehenden Wettbewerbsnachteile

Lebensministeriums für die                        der EU-Landwirtschaft, nach wie vor zu for-

Verhandlungen 2008                                dern.
                                                  Bei einem Neubeginn der Verhandlungen
Das bedeutendste Schlagwort in der Position       oder für zukünftige Runden müssten auch
des Lebensministeriums ist die Ausgewogen-        global zu lösende Themen Bereiche wie Kli-
heit (Balance), d.h. dass sowohl bisher geleis-   ma-, Umweltschutz oder Nahrungsmittelver-
tete (z.B. Vorleistung durch die GAP-Reform       sorgungssicherheit in einem nachhaltigeren
2003), aber auch neue Angebote der EU in          Marktsystem Berücksichtigung finden.
den Verhandlungen durch entsprechende Ge-
genleistungen der WTO-Handelspartner erwi-        Marktzugang:
dert werden müssen. Eine Zustimmung zu            Die weit reichenden Zollsenkungen um im
neuen WTO-Modalitäten bedarf einer sehr           Durchschnitt 54% (Spitzenzölle bis 70%)
genauen Abwägung der in den Verhandlungen         müssen durch ein „Sicherheitsnetz“ abgefe-
zu erzielenden Ausgewogenheit. Eine reine         dert werden. Eine Ausnahme mit geringeren
Landwirtschaftsrunde kann nicht akzeptiert        Zollsenkungen für sensible Produkte muss
werden und die gesamtwirtschaftlichen Inte-       gewährleistet werden. Die Möglichkeit, bei
ressen müssen ausreichend reflektiert sein.       für Österreich sensiblen Produkten wie Rind-
Mögliche negative Auswirkungen auf die            fleisch, Milchprodukten und Zucker, die Zölle
Landwirtschaft wurden im Vorfeld der WTO-         weniger stark zu senken, muss erhalten blei-
Verhandlungen auch von der EK mit minus 18        ben. Durch die massive Ausdehnung der
Mrd. €/Jahr beziffert worden. Auch ein Rück-      zollbegünstigten Importquoten (4-6 % des
gang der EU-Exporte (-10%) und der Beschäf-       Inlandskonsums) bei sensiblen Produkten ist
tigung in der Landwirtschaft kennzeichnen         ohnehin ein hoher Preis für diesen Sonder-
diese möglichen negativen Auswirkungen (bis       status zu bezahlen.
-100.000 Jobs oder -2,5 % der Beschäftigten).
Daher ist die Ausgewogenheit zwischen den         Interne Stützungen:
Verhandlungsbereichen von zentraler Bedeu-
                                                  Im Bereich der Green-Box muss garantiert
tung (positives Gesamtbild für die EU).
                                                  werden, dass es zu keinen nachteiligen Kri-
Die in den letzten Jahren nicht mehr substan-
                                                  terien für diese für die EU-Agrarpolitik sehr
ziell verhandelten non-trade concerns wie Le-
                                                  bedeutende      Förderungskategorie   kommt.
bensmittelsicherheit, Tier und Umweltschutz
                                                  Durch    eine   gravierende   Änderung   der
wären, im Gegenzug für die Öffnung der Märk-
                                                  Green-Box-Kriterien wären negative Auswir-
te und als Ausgleich für die durch höhere Auf-
                                                  kungen auf die für Österreich so bedeuten-
                                                  den     entkoppelten   Direktzahlungen   (Be-
Der aktuelle Verhandlungsstand                                                                13

triebsprämie) oder auch die Ausgleichszah-          Exporterstattungen muss durch strenge Dis-
lungen in benachteiligten Gebieten (z.B. auch       ziplinen bei anderen Formen der Exportför-
Bergbauernförderung) nicht auszuschließen.          derung (Kredite, Staatshandel, Nahrungsmit-
Die EK muss daher garantieren, dass bei der         telhilfe) durch die WTO-Partner erwidert wer-
Green Box keine nachteiligen Lösungen bzw.          den. Bei den weiterhin erlaubten Exportkre-
Beschränkungen für diese Förderungen ent-           diten (mit einer Laufzeit von unter 180 Ta-
stehen. Bei der Reduktion der handelsverzer-        gen) lassen die Kriterien zur Vermeidung
renden internen Stützungen (OTDS, AMS,              versteckter Exportförderungen viel Spiel-
Blue-Box) werden von der EU die umfang-             raum offen (z.B. Selbstfinanzierungszeitraum
reichsten Zugeständnisse verlangt (bis zu -         4 Jahre) und müssen daher strenger gere-
80%). Diese können aber nur mitgetragen             gelt werden.
werden, wenn andere WTO-Staaten wie die             Die Bestimmungen für den exportorientierten
USA ebenfalls dementsprechende Verpflich-           Staatshandel sind zwar etwas ambitionierter
tungen auf sich nehmen (müssen). Obwohl             ausgefallen,    jedoch     ist   die     EU-
auch von den USA eine Reduktion verlangt            Hauptforderung „Abschaffung der Exportmo-
wird (bis 70%), gehen sie mit der kürzlich be-      nopole“ des kanadischen und australischen
schlossenen Farm Bill in die entgegensetzte         „wheat boards“ oder des global agierenden
Richtung. So wurden die handelsverzerrenden         neuseeländischen Milchherstellers „Fonter-
Stützungen in den USA sogar erhöht.                 ra“ nur als Option vorgesehen. Auch beim
Die EU hat mit der GAP-Reform 2003 und              exportorientierten Staatshandel müssen da-
weiteren Anpassungen ihrer Agrarpolitik die         her noch strengere Bestimmungen erreicht
„WTO-Hausaufgaben“ im Bereich der Förde-            werden.
rungen gemacht. Es muss aber im Bereich der         Auch dem kommerziellen Missbrauch der
Reduktion der handelsverzerrenden Förde-            Nahrungsmittelhilfslieferungen   durch    die
rungskategorien darauf geachtet werden, die         USA (Vermarktung von Produktionsüber-
Verpflichtungen gleich zu verteilen. Zur rechtli-   schüssen) müssen strengere WTO-Kriterien
chen Absicherungen der Verpflichtungen ist          entgegengesetzt werden (z.B. beim Wieder-
eine Friedensklausel (keine Anfechtung der          verkauf der Waren = monetization).
Förderungen bei der WTO) bei einer allfälligen
WTO-Einigung unbedingt notwendig.

Exportwettbewerb:
Beim Exportwettbewerb muss der Parallelis-
mus aller Formen von Exportförderungen er-
reicht   werden.   Das   Auslaufen     der   EU-
Basisinformationen zur WTO                                                                   14

                                                  Die WTO-Handelspolitik orientiert sich am
Die WTO                                           Freihandelsprinzip (vereinfacht: Freihandel =
                                                  Wirtschaftswachstum     und   Wohlstandsge-
Die Organisation                                  winn). Das bedeutet auch, dass bisher für
                                                  ausländische Anbieter nur beschränkt zu-
Die WTO (World Trade Organisation) entstand
                                                  gängliche Märkte für konkurrierende Anbie-
1995 als Resultat der Uruguay-Runde als
                                                  ter geöffnet und qualitative sowie quantitati-
Nachfolgeorganisation des GATT (General
                                                  ve Handelshemmnisse abgebaut werden
Agreement on Tariffs and Trade, 1948), wel-
                                                  sollen.
ches in die WTO integriert wurde. Die WTO
wurde gegründet, um eine Organisation zu
schaffen, die auf multilateraler Ebene verbind-
liche Handelsregeln etabliert. Gegenwärtig
sind 153 Länder Mitglied in der WTO (Stand
Oktober 2008).
Verglichen mit dem früheren GATT reguliert
die WTO viel mehr Bereiche. Die WTO be-                     Foto: WTO

schränkt sich nicht mehr nur auf den Handel
mit Industriegütern, sie regelt z.B. auch die     Wichtige Prinzipien der WTO sind dabei das
Bereiche Dienstleistungen, Rechte am geisti-      Prinzip der Meistbegünstigung (Most Favou-
gen Eigentum, Textilien und Landwirtschaft.       red Nation = MFN) und die Inländerbehand-
Formell ist die WTO eine zwischenstaatliche       lung (National Treatment). Nach dem Prinzip
Organisation, die nach dem Konsensprinzip         der Meistbegünstigung muss ein Land, das
funktioniert. Jedes Land verfügt theoretisch      einem WTO-Handelspartner besondere Han-
also über ein Vetorecht. Das höchste Ent-         delsbedingungen einräumt, diese auch allen
scheidungsgremium ist die alle zwei Jahre         anderen WTO-Mitgliedsstaaten zugestehen
stattfindende Ministerkonferenz.                  und kann damit also nicht einzelne Staaten
Im Zuge der WTO-Gründung 1995 wurden              bevorzugt behandeln oder diskriminieren.
u.a. folgende Abkommen geschlossen, die           Das Prinzip der Inländerbehandlung besagt,
eine Ausdehnung von weltweit gültigen Han-        dass ein Staat in- und ausländische Unter-
delsregeln über die Bereiche des Warenhan-        nehmen gleich behandeln muss und eigene
dels hinaus bedeuteten: Dienstleistungsab-        (staatliche wie private) Unternehmen nicht
kommen (GATS), Abkommen zum Handel mit            bevorzugt behandeln bzw. diskriminieren
Eigentumsrechten (TRIPS), Abkommen zum            darf.
Agrarhandel AoA (Agreement on Agriculture)        Ein immer wieder in der Öffentlichkeit vorge-
und viele andere (SPS, TBT, DSU, etc.).           brachter Kritikpunkt ist, dass die WTO ein-
Basisinformationen zur WTO                                                                  15

seitig auf die Reduzierung von sogenannten      gen. Stellt das „Panel“ fest, dass WTO-
Handelshemmnissen ausgerichtet ist. Dies        Regeln nicht eingehalten wurden, muss
stehe der Umsetzung von anderen internatio-     WTO-Konformität hergestellt werden. Wird
nalen Abkommen und politischen Zielsetzun-      die Entscheidung des „Panels“ nicht umge-
gen, beispielsweise im Bereich des Umwelt-      setzt, drohen Strafzölle für Waren des „ver-
schutzes oder bei Arbeitsnormen, entgegen.      urteilten“ Landes und damit wirtschaftliche
Die Bedeutung des GATT (1948) und der           Einbußen. Somit ist die WTO einer der we-
WTO (1995) für eine positive Wirtschaftsent-    nigen internationalen Institutionen, welche
wicklung in Europa nach dem 2. Weltkrieg ist    über ein funktionierendes Sanktionssystem
aber mittlerweile, durch zahlreiche Studien     verfügt und damit über die Verhängung von
belegt, unbestritten.                           Strafzöllen oder Ausgleichszahlungen mas-
Die Verhandlungen über Handelsliberalisie-      siven Druck auf die Mitglieder ausüben kann.
rungen laufen in sogenannten Verhandlungs-
runden (z.B. Uruguay-Runde, Doha-Runde)
                                                         Die WTO-Minister-Konferenzen:
ab, die in der Regel in Genf, dem Sitz der
WTO, stattfinden. Auf Ministerkonferenzen,
                                                        1996 Singapur
welche alle 2 Jahre an wechselnden Orten                1998 Genf (Schweiz)
stattfinden, werden dann die entscheidenden             1999 Seattle (USA)

Beschlüsse über die Annahme der Verhand-                2001 Doha (Katar)
                                                        2003 Cancún (Mexiko)
lungsergebnisse und weitere Verhandlungs-
                                                        2005 Hongkong (China)
schritte getroffen. Die Entscheidungen können           2008 Genf Ministerial
theoretisch nur einstimmig, d.h. mit Zustim-
mung aller bei einer Abstimmung anwesenden      Zwei der bisher fünf WTO-Konferenzen sind
Vertreter der WTO-Länder geschlossen wer-       spektakulär gescheitert: die Konferenz 1999
den. Meistens erfolgt die Zustimmung durch      in Seattle und die WTO-Ministerkonferenz in
Akklamation von zuvor ausverhandelten Er-       Cancún im Jahre 2003. Dazwischen fanden
gebnissen im Allgemeinen Rat der WTO.           und finden immer wieder informellere Minis-
Das WTO-Abkommen über die Streitbeile-          tertreffen (Ministerials), wie das im Juli 2008
gungsverfahren (DSU: Understanding on rules     in Genf, statt.
and procedures governing the settlement of
disputes) ist das zentrale Instrument zur
Durchsetzung der internationalen Handelsre-
geln. Jeder WTO-Mitgliedsstaat kann ein
Streitbeilegungsverfahren (so genanntes „Pa-
nel“) gegen andere Mitgliedsstaaten beantra-
Das WTO-Agrarabkommen                                                                        16

Das WTO-Agrarabkommen
                                                   Die Umsetzung der in der Uruguay-Runde
Die Landwirtschaft ist anders als der Indust-      festgelegten Modalitäten (Inhalte des Ab-
riegüterbereich an den Standort (Boden, Kli-       kommens) hatte im Zeitraum von 1996 bis
ma, Topographie) gebunden, und ihre Struktur       2001 zu erfolgen. In diesem Maßnahmenpa-
ist gleichzeitig Ausdruck der Kulturlandschafts-   ket wurden die Tarifizierung und der minima-
form eines Landes. Die Landwirtschaft erzeugt      le Marktzutritt für bisher nicht oder kaum
nicht nur Produkte, sondern erbringt auch          importierte Produkte geregelt. Ein minimaler
nichtkommerzielle Leistungen (Landschafts-         Marktzutritt von mindestens 5% des Inland-
pflege etc.). Diese Leistungen der Landwirt-       konsums musste für Produktgruppen ge-
schaft werden heute im Ausdruck „Multifunkti-      währt werden, die nicht oder kaum importiert
onalität“ zusammengefasst, welcher in der          wurden. Tarifizierung bedeutet, dass sämtli-
Uruguay-Runde geprägt wurde. Aus österrei-         che nicht tarifären Handelshemmnisse (Ab-
chischer Sicht lautet die entscheidende Frage      schöpfungen, Abgaben etc.) in Tarife (Zölle)
für die Verhandlungen der Landwirtschaft in        umgewandelt werden mussten.
der WTO daher: Wie können die Öffnung der
Märkte, ein liberalerer Handel und weltweit        Der Marktzugang
gültige Handelsregeln mit der Multifunktionali-    Die Zölle mussten gegenüber den Basisjah-
tät der Landwirtschaft in Übereinstimmung          ren (1986/88) um durchschnittlich 36 % für
gebracht werden?                                   alle landwirtschaftlichen Produkte, mindes-
Ziel des Landwirtschaftsabkommens ist der          tens aber 15 % je Produkt innerhalb von 6
Abbau von Handelsbarrieren oder handelsver-        Jahren (bis 2001) gesenkt werden.
zerrenden Förderungen und die schrittweise         Diese sog. Uruguay-Zollsenkungsformel (36
Marktöffnung (Zollsenkungen) im internationa-      % durchschnittliche Zollsenkung, 15 % im
len Agrarhandel. Im Agrarabkommen der Uru-         Minimum je Produkt) erlaubte die Flexibilität
guay-Runde wurde der Abbau von landwirt-           für einzelne Produkte die Zölle weniger stark
schaftlichen Förderungen (interne Stützun-         zu senken als bei anderen Produkten. Da-
gen), Exportstützungen und die Marktöffnung        durch ist ein gewisser Schutz des inländi-
(Marktzugang) basierend auf den folgenden          schen Marktes gegeben (Außenschutz). Bei
drei Säulen festgelegt:                            einer anderen Methode, die nicht angewen-
                                                   det wurde, aber immer wieder zur Diskussi-
   Die 3 Säulen des WTO-Agrarabkommens
                                                   on steht, der sogenannten Schweizer For-
                                                   mel, werden vor allem die Spitzenzölle viel
1. Marktzugang (market access)
                                                   stärker und rascher gesenkt.
2. Interne Stützung (domestic support)
3. Exportwettbewerb (export competition)
Das WTO-Agrarabkommen                                                                         17

Da viele Länder den Außenschutz vorwiegend         Die internen Stützungen
durch     Mengenbeschränkungen       und   nicht   Die inländischen Stützungen (Förderungen)
durch Zölle sicherstellten, wurden Zollkontin-     mussten gemäß dem WTO-Abkommen bei
gente (auch Importquoten genannt) eingeführt.      denjenigen Maßnahmen abgebaut werden,
Gemäß dem Agrarabkommen mussten zollbe-            die einen Anreiz zu einer volumenmäßigen
günstigte Importmöglichkeiten für bestimmte        Mehrproduktion   ausüben.      Die   einzelnen
Mengen eines Produktes (z.B. 37 800 t/Jahr         Maßnahmen wurden gemäß ihrer Wirkung
Rindfleisch aufgeteilt auf die USA, Kanada,        auf die mengenmäßige Produktion kategori-
Argentinien, Australien und Uruguay), so wie       siert. Es wurden drei Kategorien, so genann-
sie in den Basisjahren 1986/88 gewährt wur-        te Boxen, unterschieden: die Amber-Box, die
den, weiterhin sichergestellt werden. Für die      Blue-Box und die Green-Box.
Importmengen der Jahre 88/90 wurde ein             In die Amber-Box fallen Maßnahmen, die
niedrigerer Zollansatz im Rahmen des Kontin-       einen Produktionsanreiz auslösen und daher
gentes beibehalten. Für darüber hinausge-          als handelsverzerrend gelten. Als Maß der
hende Mengen kam ein höherer Zollansatz zur        internen Förderung wird das AMS (Aggre-
Anwendung, um die Überschwemmung der               giertes Maß der Stützung) verwendet. Das
Märkte mit Importprodukten zu verhindern.          AMS berechnet sich aus den inländischen
Diese Zölle außerhalb der Zollkontingente          Produktionsmengen (Mi), der Preisdifferenz
berechneten sich als Differenz zwischen den        zwischen In- und Ausland (Pi-Pa) sowie pro-
internen Preisen und den Preisen an der            duktgebundenen Stützung (Sp) und Abga-
Grenze.                                            ben, welche die Produzenten bezahlen (Tp):
Durch die spezielle Schutzklausel (SPECIAL         AMS = Mi * (Pi-Pa) + Sp - Tp
SAFE GUARD = SSG) wurde vereinbart, dass           Als Basis diente der Durchschnitt der Jahre
Maßnahmen ergriffen werden können, wenn            1986/88. Das AMS (Amber-Box) musste
die Importmengen in einem Jahr mehr als 125        innerhalb von 6 Jahren bis 2001 um 20 %
% des Durchschnitts der drei vorangehenden         reduziert werden, wobei die Höhe des Ab-
Jahre betragen. Mit anderen Worten heißt das,      baus für die einzelnen Produkte von jedem
dass    die   Schutzklausel   zur    Anwendung     Land selbst bestimmt werden konnte. Die in
kommt, wenn das Zollkontingent um 25 % (im         der Uruguay-Runde für die EU-15 festgeleg-
Durchschnitt von drei Jahren) überschritten        te Obergrenze für das AMS liegt bei 67,159
wird. Maßnahmen können auch dann ergriffen         Mrd. € pro Jahr (EU-27 ca. 71 Mrd. €/Jahr).
werden, wenn der Importpreis mindestens 10         Unter die Amber Box fielen 2007 in Öster-
% unter einen Referenzpreis fällt.                 reich zum Beispiel die Interventionspreis-
                                                   stützungen bei Getreide, Butter, Milchpulver
                                                   und Käse und die (nicht entkoppelte) Förde-
Das WTO-Agrarabkommen                                                                                                  18

rung für Stärkekartoffeln. Die Amber Box hat                  In der Uruguay-Runde mussten die Blue-
aber nur einen Anteil von 0,15% der Förde-                    Box-Maßnahmen nicht reduziert werden. In
rungen in Österreich (EU und national fina-                   der Blue Box werden Direktzahlungen unter
ziert).                                                       produktionsbeschränkenden                      Programmen
                                                              zusammengefasst, wenn sie auf fixen Flä-
                                                              chen und Erträgen beruhen oder für eine fixe
             Amber Box in Österreich:                         Zahl von Tieren gewährt werden.
   0,15% der Förderungen, ca. 2,9 Mio. €
   Produktprämie Stärkeerdäpfelanbau,
   Lagerhaltungskosten (Getreide, Butter, Milchpulver,
   Käse).
                                                                            Blue Box in Österreich:
                                                                5% der Förderungen, ca. 97 Mio. €
                                                                Flächenprämien (Getreide und Mais, Öl- und
Die folgenden Förderungen müssen nicht in                       Eiweißpflanzen, Sonstige Kulturen, Energiepflanzen),
                                                                Tierprämien (Mutterkühe/Kalbinnen, Schlachtprämie).
die Berechnung der Amber Box einbezogen
werden, die sogenannte de minimis Bestim-
mung:
                                                              In der Blue Box befinden sich landwirtschaft-
Produktionsspezifische inländische Stützun-
                                                              liche Förderungen, die zwar an die Produkti-
gen, sofern diese 5 % des Gesamtwertes der
                                                              on gekoppelt sind, beispielsweise an die
Erzeugung eines landwirtschaftlichen Grund-
                                                              bewirtschaftete Fläche, die Erträge oder die
produktes im betreffenden Jahr nicht über-
                                                              Bestandsgrößen, die aber gleichzeitig Er-
schreiten, oder nicht-produktionsspezifische
                                                              zeugungsbeschränkungen unterliegen.
inländische Förderungen, sofern diese 5 %
                                                              In Österreich gehören zur Blue Box zum Bei-
des Wertes der gesamten landwirtschaftlichen
                                                              spiel die Flächenprämien für Getreide, Mais
Erzeugung eines Landes (bzw. EU) nicht
                                                              und Eiweißpflanzen oder auch die wichtigen
überschreiten. In Österreich sind nur 2,6 % der
                                                              Tierprämien             (Mutterkühe,              Kalbinnen,
Förderungen der de minimis zuzurechnen.
                                                              Schlachtprämie). In Österreich sind aber nur
                                                              ca. 5% der Fördermittel (EU und national)
                                                              der Blue Box zuzurechnen.
             de minimis in Österreich:
   2,6% der Förderungen, ca. 50 Mio. €
   Beihilfen für Verarbeitung und Vermarktung (Milch, Wein,   Der Löwenanteil von ca. 92 % der Förderun-
   Zucker, Stärke, Sonstiges ), Niederlass ungsprämie,
   Verarbeitung und Vermarktung, Ernte- und                   gen in Österreich ist der Green Box zuzu-
   Risikoversicherung, Tierseuc hen (Bekämpfung,
   Entsc hädigungen).                                         ordnen.
                                                              In der Green-Box (Annex 2 des Agrarab-

Für die Entwicklungsländer beträgt der de mi-                 kommens) werden Förderungen eingeord-

nimis Ausnahme 10 %.                                          net, von denen angenommen wird, dass sie
                                                              keine oder nur geringe handelsverzerrende
Das WTO-Agrarabkommen                                                                                  19

Wirkungen haben. Diese Stützungen mussten                   gramm zu beseitigen sucht. In keinem Fall
gemäß dem Agrarabkommen nicht reduziert                     dürfen diese Zahlungen von der aktuellen
werden. Mit diesen Stützungen dürfen keine                  oder zukünftigen Produktionsmenge oder
Auflagen zur Fortsetzung der Produktion ver-                von den aktuellen Preisen abhängig sein.
bunden sein. Green-Box-Zahlungen haben
daher keinen unmittelbaren Einfluss auf die                 Auf EU-Ebene ergibt sich (inkl. der Kofinan-
Produktionsmengen und wirken somit nicht                    zierung bei der 2. Säule) betreffend der Ver-
handelsverzerrend.                                          teilung der EU-Förderungen auf das WTO-
                                                            Boxensystem folgendes Bild (siehe Grafik
                                                            nächste Seite):
          Green Box in Österreich:
                                                            Fast 83 % der Förderungen entfallen auf die
  92% der Förderungen, ca. 1,8 Mrd. €
  Betriebsprämie, Umweltschonende Maßnahmen                 Green Box. Der Blue Box sind ca. 11% und
  (ÖPUL, Sonstige Agrarumweltmaßnahmen, Energie
  aus Biomasse, Qualitätsverbes serung, -sicherung          der Amber Box ca. 6 % der EU-Förderungen
  (Pflanzenbau, Tierhaltung, Milc h, Honig),
  Strukturmaßnahmen (Ausgleichszulage für Berg- u.          zuzurechnen.
  benachteiligte Gebiete, Investitionsförderung,
  Anpassung und Entwicklung von ländlichen
  Gebieten, Leader plus, Interreg,
  Erzeugergemeinschaften,
  Absatzförderungsmaßnahmen,
  Umstrukturierungs hilfe für den Weinbau,
  Weingartens tilllegung, Verarbeitung, Vermarktung
  und Markterschließung, Ziel 1 Gebiete,
  Investitionsförderung (national), Zinsenzuschüsse für
  Investitionen, Verkehrserschließung ländlic her
  Gebiete, Maschinen- und Betriebshilferinge,,
  Kurswesen, Innovationsförderung, Bioverbände,
  Agrarische Operationen, Landwirtschaftlicher
  Wasserbau, Beiträge zur Almbewirtschaftung,
  Landarbeitereigenheimbau), Forschung, Beratung
  und Erwac hsenenbildung, Berufs bildung,
  Natursc hädenabgeltung (Dürre, Hochwasser).

In Österreich sind als Beispiele für die Green
Box die entkoppelten Direktzahlungen der
einheitlichen Betriebsprämie, die Förderungen
für   eine      umweltgerechte             Landwirtschaft
(ÖPUL) oder die Strukturmaßnahmen der
Ländlichen Entwicklung zu nennen.
Speziell für die Maßnahmen der Strukturan-
passung sowie Umwelt- und Regionalpro-
gramme gilt die Bedingung, dass die betref-
fenden Zahlungen nicht größer sein dürfen als
die Kosten, die das Programm verursacht,
bzw. der strukturelle Nachteil den das Pro-
Das WTO-Agrarabkommen                                                                                20

            EU-Haushaltsplan 2008 – 1. und 2. Säule der GAP
                    nach dem WTO-Boxensystem
                                                                  Legende:

                                                                    Amber Box

                                                                    Blue Box
                        6.590
                                                                    Green Box

                                                             1)
                                                    ca. 9.000

                                                    11.383
                                   4.032

Quelle: EU-Kommission                               Grafik: Grüner Bericht 2008, bearbeitet Kucera

Die Friedensklausel                                mengenmäßig um 21% und budgetär um

Das WTO-Agrarabkommen enthält eine Klau-           36% reduziert werden.

sel (Art. 13) mit der Überschrift „gebührende      Derzeit        gewähren       ca.     25      WTO-

Zurückhaltung“, die so genannte Friedens-          Mitgliedstaaten Exportstützungen für Pro-

klausel. Sie wurde in der Uruguay-Runde bis        dukte oder Produktgruppen, die in den WTO-

zum 31.12.2003 befristet angewendet. Die           Verpflichtungslisten festgehalten sind (die

internen Stützungen und die Exportstützungen       EU für 20 Produktgruppen). Staaten, die

waren dadurch weitgehend von den WTO-              keine Reduktionsverpflichtungen festgelegt

Streitbeilegungsverfahren ausgenommen bzw.         hatten, können keine Exporterstattungen

geschützt    (keine     Ausgleichszölle,   Anti-   gewähren.

Dumping-Maßnahmen, etc.).                          Die EU hat die Exporterstattungen für Agrar-
                                                   produkte in den letzten Jahren deutlich ver-
                                                   ringert und angeboten, diese bis 2013 aus-
Der Exportwettbewerb
                                                   laufen zu lassen. Vor zehn Jahren beliefen
Landwirtschaftliche Produkte, die mit Förde-
                                                   sich die EU-Ausgaben für Exporterstattun-
rungen exportiert werden, mussten gemäß
                                                   gen noch auf rund 10 Mrd. €. Das entsprach
dem Agrarabkommen der Uruguay-Runde
                                                   damals rund 30% der Ausgaben des Euro-
gegenüber der Referenzperiode (1988-1990)
Das WTO-Agrarabkommen                                                                                                                                        21

päischen Agrarfonds (EAGFL). Im Jahr 2000                                                                         Damit sich der europäische Markt kontinuier-
hatten die EU-Exporterstattungen ein Volumen                                                                      lich an die veränderten Bedingungen anpas-
von nur noch rund 5,6 Mrd. € und im Jahr                                                                          sen kann, sollte das Auslaufen der Export-
2002 waren es rund 3,4 Mrd. € und 2008 rund                                                                       stützungen schrittweise und flexibel erfolgen.
1            Mrd.          €.            2009                 werden                      die               EU-   Einige WTO-Mitglieder gewähren staatlich
Exportstattungen auf ca. 336 Mio. € sinken                                                                        unterstützte Exportkredite für einen bedeu-
und voraussichtlich bis 2013 auf Null zurück-                                                                     tenden Anteil ihres Handels, um sich Markt-
gehen. Die größten Anteile bei den Exporter-                                                                      anteile in Entwicklungsländern zu sichern.
stattungen (od. Exportstützungen) nahmen                                                                          Einer OECD-Studie zufolge beliefen sich die
Fleisch und Fleischerzeugnisse, Milch und                                                                         öffentlich unterstützten Exportkredite der
Milcherzeugnisse sowie Getreide und v.a. Zu-                                                                      USA pro Jahr auf ca. 4 Mrd. $. Der Handel
cker in Anspruch.                                                                                                 wird dadurch stark verzerrt, so dass derarti-
                  Exporterstattungen der EU 1992-2013                                                             ge Kredite genauso einer Reduktionsdiszip-
                                in Mio. €
                                            (* Schätzung)                                                         lin unterworfen werden sollten wie alle ande-
             10000 9470
                                                                                                                  ren Formen der Exportförderung. Auch die
              9000
                        7802
              8000
              7000
                                                                                                                  Preisbildung und die Exportmonopole durch
              6000           5598
    Mio. €

              5000
              4000                3409 3449 3730 3384 3052
                                                                                                                  staatliche Handelsunternehmen (State Tra-
              3000                                         2494
              2000
              1000
                                                                1445
                                                                     1000
                                                                          336
                                                                                                                  ding Enterprises, STEs) wie in Neuseeland
                                                                                                           0
                 0
                                                                                                                  oder Australien, denen der Staat besondere
                                                                                          2008*

                                                                                                  2009*
                                                                                                          2013*
                    1992
                           1995

                                  1999
                                         2001
                                                2002

                                                       2003
                                                              2004
                                                                     2005

                                                                            2006
                                                                                   2007

                                                                                                                  Rechte oder Vorrechte eingeräumt hat, sollte
Grafik: Lebensministerium, Kucera
                                                                                                                  geregelt werden. Auch die Ausfuhr von
                                                                                                                  Überschüssen der landwirtschaftlichen Pro-
                 Exporterstattungen Österreich 2003-07
                                  in Mio. €                                                                       duktion als "unechte" Nahrungsmittelhilfe
                                                                                                                  (wie in den USA) kann sich auf den Anbau,
                                                                                                                  von für die Lebensmittelversorgung wichti-
                                                                                                                  gen Kulturen, in den Entwicklungsländern
                                                                                                                  negativ auswirken.
                                                                                                                  Die EU hat die Verpflichtungen, die sie im
                                                                                                                  Bereich der Exporterstattungen während der
                                                                                                                  Uruguay-Runde eingegangen ist, eingehal-
                                                                                                                  ten und strebt den schrittweisen kompletten
                                                                                                                  Abbau bis 2013 an. Jedoch ist sie der Auf-
                                                                                                                  fassung, dass auch alle anderen Formen der
                                                                                                                  Exportförderung ebenfalls Disziplinen unter-
                                                                                                                  liegen sollten (Parallelismus).
Das WTO-Agrarabkommen                                                                         22

Das Mandat für die Europäische                     handelsbezogenen        Anliegen,   im   WTO-
                                                   Agrarabkommen gekoppelt.
Kommission
                                                   Zu den non-trade concerns zählen u.a.:
Die EU tritt bei der WTO mit „einer Stimme“
                                                         Lebensmittelsicherheit (Definition des
auf. Die EU wird durch die Europäische Kom-
                                                          Vorsichtsprinzips).
mission (EK) vertreten, diese spricht und ver-
                                                         Ernährungssicherung für Entwick-
handelt   in   der   WTO    für   die   27   EU-
                                                          lungsländer (Förderung).
Mitgliedsstaaten. Die EK erhält von den EU-
                                                         Umweltschutzmaßnahmen (Aufnah-
Mitgliedssaaten ein „Mandat“ für die Verhand-
                                                          me im Abkommen).
lungen. Meistens werden diese Mandate von
                                                         Tierschutzmaßnahmen (keine Sen-
den EU-Ministern (EU-Rat Allgemeine Ange-
                                                          kungsverpflichtung der Förderungen).
legenheiten und Außenbeziehungen) im Vor-
                                                         verpflichtende Kennzeichnung von
feld von wichtigen Verhandlungen in Form von
                                                          landwirtschaftlichen Produkten
Schlussfolgerungen des Rates erteilt. Darin
                                                          (Richtlinien).
sind die allgemeinen Verhandlungsdirektiven
für die EU festgelegt. Die Mandate und alle
                                                   Die non-trade concerns wurden im beste-
anderen WTO-Themen werden zuvor in einem
                                                   henden Agreement on Agriculture (AoA) der
besonderen Ausschuss des Rates auf EU-
                                                   Uruguay-Runde verankert und sind auch im
Ebene koordiniert (Ausschuss Art. 133).
                                                   Framework Agreement von 2004 festgehal-
In den Verhandlungen ist die EK inhaltlich an
                                                   ten, jedoch gestalten sich die Verhandlungen
die Schlussfolgerungen des Rates gebunden,
                                                   zur Einbeziehung dieser non-trade concerns
die immer wieder erneuert oder verändert (und
                                                   sehr schwierig. Es ist fraglich, ob am Ende
unterschiedlich interpretiert) werden. Letztend-
                                                   der Verhandlungen eine dezidierte und ge-
lich muss der Rat aber dem ausverhandelten
                                                   sonderte Erwähnung der non-trade concerns
Abkommen (final deal) einstimmig zustimmen.
                                                   im Abkommen erfolgen wird (integriert sind
                                                   sie u.a. in der Green Box). Auch die Aner-
Weitere Themen                                     kennung der geografischen Herkunftsbe-
                                                   zeichnungen (GIs) und von Tierschutzmaß-
Die non-trade concerns                             nahmen in der Green Box wäre ein Verhand-
                                                   lungserfolg für die EU. Länder wie Österreich
Die EU hat die Bereitschaft der Liberalisierung    oder die Niederlande sind aber weiterhin die
des landwirtschaftlichen Handels (Marktöff-        engagiertesten Proponenten für eine darüber
nung) und zur Senkung von handelsverzer-           hinausgehende Anerkennung der non-trade
renden internen Stützungen immer an eine           concerns in der WTO.
Verankerung der non-trade concerns, der nicht
Die Key Player und Gruppen                                                                                           23

Die Key Player und Gruppen                                            schlossen     sich   20     Entwicklungs-     und

Um bestmöglich in den Entscheidungsprozess                            Schwellenländer zusammen. Brasilien, Chi-

eingebunden zu sein, haben sich die WTO-                              na, Indien und Südafrika als Wortführer der

Länder in verschiedenen Gruppen organisiert                           „G-20“ haben überrascht. Den Agrarexpor-

und einige treten als Key Player auf:                                 teuren in dieser Gruppe ist es gelungen, ihre
                                                                      Interessen, die sie vorher in der Cairns-
          Die Key Player und Gruppen in der WTO                       Gruppe vertreten haben, durch weitere Ent-
                                                                      wicklungs- und Schwellenländern mittragen
G-4: USA, EU, Brasilien, Indien.
G-6: USA, EU, Brasilien, Indien, Australien, Japan.                   zu lassen und so ihren Anliegen mehr Ge-
G-7: USA, EU, Brasilien, Indien, Australien, Japan, China.
                                                                      wicht zu geben.
EU G-14+: moderate Position in der Landwirtschaft: F, PL, I,
GR, IRL, P, SP, B, H, SLO, RO, BG, CY, LT, LUX, [FIN], [D],
                                                                      Die Schweiz bildet zusammen mit, Island,
[Ö].                                                                  Israel, Japan, Liechtenstein, Mauritius, Nor-
EU “like-minded”: lieberale Position bei NAMA und Services:
                                                                      wegen, Schweiz, Südkorea und Taiwan die
S, DK, GB, NL, EE, LV, SK, CZ, M, [FIN], [D], [Ö].
G-12: EU, USA, IND, BRAS, JAP, AUS; Ägypten, Malaysia,                „G-10“-Gruppe, deren Mitglieder vor allem
NOR, CAN; Kenia; China.                                               bei den Verhandlungen über den Zollabbau
G-20: “Die Liberalisierer”: Argentinien; Brasilien Bolivien; China;
                                                                      und die Reduktion der Inlandstützung eine
Chile; Kolumbien; Costa Rica, Kuba; Ecuador; Ägypten; El
Salvador; Guatemala; Indien; Indonesien; Mexiko; Nigeria;             moderatere Position vertreten. Zentrale For-
Pakistan; Paraguay; Peru; Philippinen; Südafrika; Thailand und
                                                                      derung ist eine gewisse Flexibilität bei inlän-
Venezuela.
G-90: „Die Defensiven“: die 49 am wenigsten entwickelten              dischen sensiblen Produkten. Eine hetero-
Länder LDCs (Least Developed Countries), Afrikanische Union           gene Gruppe von Entwicklungsländern, die
und die AKP-Staaten (Afrika-Karibik-Pazifik-Länder).
                                                                      aus einer Allianz um Indonesien besteht (G-
G-33: “Die Sonderbehandlungsgruppe” (Alliance for Strategic
Products and a Special Safeguard Mechanism) Antigua and               33), macht sich für eine größtmögliche Son-
Barbuda, Barbados, Belize, Botswana, Kuba, Dominica, Do-              derbehandlung ihrer „Spezialprodukte“ (Spe-
minican Republic, Grenada, Guyana, Haiti, Honduras, Indone-
                                                                      cial Products) sowie eine Sonderschutzklau-
sien, Jamaica, Kenia, Mongolei, Montserrat, Nicaragua Nigeria,
Pakistan, Panama, Philippinen, Saint Kitts, Saint Lucia, Saint        sel (SSM) für Entwicklungsländer stark. Eine
Vincent and the Grenadines, Suriname, Tansania, Trini-
                                                                      Gruppierung     mehrerer      kleiner    struktur-
dad/Tobago, Türkei, Uganda, Venezuela, Sambia and Zim-
babwe.                                                                schwacher Entwicklungsländer (G-90) zeigt
G-10: „Die Multifunktionalisten“ Schweiz, Japan, (Bulgarien),         sich besorgt über die Erosion ihrer Zollpräfe-
Island, Israel, Korea, Liechtenstein, Norwegen, Mauritius und
                                                                      renzen auf den Märkten der Industriestaaten
Taiwan.
Cairns-Gruppe: „Die Exporteure“: Argentinien, Australien,             und   fordert   eine      Kompensation      dieser
Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Guatemala, Indonesien,        Nachteile. Diese zwei letztgenannten Grup-
Kanada, Kolumbien, Malaysia, Neuseeland, Paraguay, Philippi-
                                                                      pierungen zeigen, dass die Gruppe der Ent-
nen, Südafrika, Thailand, Uruguay.
                                                                      wicklungsländer nicht homogen ist und dass

Die Ministerkonferenz in Cancún ließ neue                             die Interessen in der Gruppe teilweise aus-

Lager entstehen. Zu einer gewichtigen Allianz                         einander gehen.
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