Das diabetische Fußsyndrom - Therapie Aktiv

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Das diabetische Fußsyndrom - Therapie Aktiv
Das diabetische
Fußsyndrom
Der diabetische Fuß umfasst eine Ulzeration oder Infektion am Fuß
bei einer Neuropathie und/oder einer Durchblutungsstörung bei
Menschen mit Diabetes mellitus.

Epidemiologie                                        Autor:
                                                     Priv.-Doz. Dr. Gerd Köhler
Auf der Welt verliert alle 20 Sekunden ein
                                                     LKH Universitätsklinikum Graz, Klinische Abteilung
Mensch mit Diabetes ein Bein oder einen Fuß.         für Endokrinologie und Diabetologie
Die Lebenszeitinzidenz liegt bei 15 – 25 % und die
jährliche Inzidenz bei 2 % (1). Laut einer neueren   Inhalte:
                                                     Epidemiologie, Pathophysiologie, Prävention,
amerikanischen Publikation aus dem Jahr
                                                     Therapie des diabetischen Fußsyndroms,
2017 dürften sogar 19 – 34 % der Menschen mit        Diabetische Charcot-Osteoarthropathie
Diabetes ein Ulkus entwickeln (2). Bei mehr als
50 % der Ulzerationen treten Infektionen auf. Das    Ärztlicher Fortbildungsanbieter:
                                                     Österreichische Gesundheitskasse/VM III
diabetische Fußsyndrom ist die Hauptursache
für nichttraumatische Amputationen. Nach             Wissenschaftliche Leitung:
diabetesbezogenen Amputationen liegt die             Primarius Dr. Reinhold Pongratz, MBA
5-Jahres-Mortalität bei 70 %.                        Österreichische Gesundheitskasse
                                                     Landesstelle Steiermark
                                                     Lecture Board:
Pathophysiologie                                     Assoz. Prof. Priv.-Doz Dr. Harald Sourij
                                                     Univ.-Prof. Dr. Thomas C. Wascher
Die Pathogenese des diabetischen Fußsyndroms
ist komplex. Neben einer möglichen                   Literatur:
Durchblutungsstörung, welche zumindest               (1) Singh N et al JAMA 2005; 293; 217-28
                                                     (2) Amstrong DG et al N Engl. J2017
bei 50 % der Erkrankung besteht, spielt die
                                                         376(24):2367-75
Neuropathie die wesentliche Rolle. Eine              (3) ÖDG Leitlinie 2019
sensomotorische Polyneuropathie findet sich in       (4) https://iwgdfguidelines.org/
zumindest 90 % der Fälle. Überschneidungen           (5) Diabet Foot Ankle. 2013; 4: 10.3402/dfa.v4i0.21117
beider Krankheitsbilder sind häufig. Durch die
sensorische Polyneuropathie kommt es zu einem
Verlust der protektiven Wahrnehmung und
fehlendem Schmerzempfinden. Die motorische           Dieser Artikel bietet Ihnen die Möglichkeit zum
Polyneuropathie bedingt Fußformdeformitäten          Erwerb von Punkten für das Diplom-Fortbildungs-
aufgrund eines muskulären Ungleichgewichts.          Programm der Österreichischen Ärztekammer. Sie
Menschen mit Diabetes leiden auch an                 haben auf www.meindfp.at die Möglichkeit, den
einer Störung der Tiefensensibilität mit             Artikel zu lesen und die zugehörigen Testfragen
einer Veränderung des Gangbildes und                 online zu beantworten. Bei richtiger Beantwortung
                                                     wird Ihnen der DFP-Punkt automatisch auf Ihr
konsekutiven Fehlbelastungen. Die autonome
                                                     ÖÄK-Online-Fortbildungskonto gutgeschrieben.
Neuropathie führt zu einer trockenen, weniger
widerstandsfähigen Haut. So können kleinste          Medieninhaber und Herausgeber:
Verletzungen oder durch eine Kallusbildung           Competence Center Integrierte Versorgung,
                                                     c/o Österreichische Gesundheitskasse
bedingte Einblutung oder Blasenbildung zu
Ulzerationen am Fuß führen (3).                      Jänner 2021

1   DAS DIABETISCHE FUSSSYNDROM
Das diabetische Fußsyndrom - Therapie Aktiv
Diabetes mellitus

                                                                                                           

       Motorische Neuropathie                                                                 Autonome Neuropathie
                                                   Sensorische Neuropathie
                                                                                                            
           Fußdeformationen                                                                         Verringerte
                                                                                                 Schweißsekretion
                                                    Verlust der protektiven
             Biomechanische
                                                          Sensibilität                                       
             Veränderungen                                                                      Trockene, rissige Haut

                                                                   
                                                          Kallusbildung
                                            

                                                                                        
       Repetitive Traumata                                                                                    pAVK
                                                             

                                                                   
                                                              Blutung

                                                                   
                                                                 Ulkus
                                            

                                                                                        

Abbildung 1: Vgl. Pathogenese des DFS (modifiziert nach Armstrong DG et. al 5)

Abbildung 2: Mechanism of ulcer developing from repetitive or excessive mechanical stress
Quelle: IWGDF Guidelines on the Prevention and Management of Diabetic Foot Disease (2019), in: https://iwgdfguidelines.org/

Nicht zu vergessen beim diabetischen                                   neben der regelmäßigen Inspektion der Füße
Fußsyndrom ist die psychologische                                      von Menschen mit Diabetes auch ein jährliches
Komponente aufgrund der fehlenden                                      Neuropathiescreening mittels Stimmgabel
protektiven Wahrnehmung und des fehlenden                              und – beziehungsweise zumindest – mit dem
Schmerzempfindens. Dies führt bei Menschen                             Monofilament durchgeführt werden.
mit Diabetes zu einer eingeschränkten
Körperwahrnehmung und einer Art „Neglect“
                                                                       Sollte eine diabetische Neuropathie suszipiert
(von lateinisch: neglegere = nicht wissen,
                                                                       werden, ist die Prävention von Ulzerationen
vernachlässigen) für das Problem. Daher können
                                                                       oberstes Gebot. Patienten und ihre
betroffene Personen mit Neuropathie die vom
                                                                       Angehörigen sollten über die richtige Fußpflege,
Gesundheitspersonal empfohlenen Maßnahmen
                                                                       Notwendigkeit von täglichen Fußkontrollen,
oft nur eingeschränkt umsetzen.
                                                                       korrektes Schuhwerk und Hautpflege mittels
                                                                       ureahaltigen Pflegecremen aufgeklärt werden.
Prävention                                                             Die Einbeziehung des sozialen Umfeldes ist
                                                                       aufgrund der psychologischen Komponente der
Primäres Ziel in der Diabetesbetreuung ist die                         Erkrankung wichtig. Es sind zahlreiche Folder
Vermeidung von Folgekomplikationen inklusive                           dazu erhältlich, welche Menschen mit Diabetes
Diabetischem Fußsyndrom (DFS). Dazu sollte                             ausgehändigt werden können.

                                                                                            DAS DIABETISCHE FUSSSYNDROM       2
5 SCHLÜSSELELEMENTE ZUR PRÄVENTION VON DFS
                          1. Die Identifikation, dass ein potenziell gefährdeter Fuß vorliegt
                          2. Regelmäßige Kontrollen und Untersuchung des gefährdeten Fußes
                          3. Schulung des Patienten, von dessen Familie und allen, im Gesundheits-
                             bereich arbeitenden Personen
                          4. Routinemäßiges Tragen von geeignetem Schuhwerk
                          5. Behandlung von präulzerösen Anzeichen (z. B. Hornhautschwielen)

                       Tabelle 1: Fünf Schlüsselelemente zur Prävention von DFS
                       Quelle: Vgl. IWGDF Guidelines on the Prevention and Management of Diabetic Foot Disease (2019), in:
                       https://iwgdfguidelines.org/

                       Zusätzlich sollten Fußinspektionen durch professionelles Personal je nach
                       IWGDF Risikoklassifizierung (International Working Group on the Diabetic
                       Foot, 2019) erfolgen.

                           RISIKOKATEGORIE                  CHARAKTERISTIKA                  KONTROLLINTERVALL
                                        0                          Keine PNP                          1 x jährlich
                                        1                              PNP                          Alle 6 Monate
                                        2                       PNP und pAVK                      Alle 3 – 6 Monate
                                                                  und/oder
                                                                Fußdeformität
                                        3                 PNP/pAVK und Ulkus in                   Alle 1 – 3 Monate
                                                          der Voranamnese oder
                                                            St.p. Amputation

                       Tabelle 2: IWGDF 2019 Risikoklassifizierung
                       Quelle: Vgl. IWGDF Guidelines on the Prevention and Management of Diabetic Foot Disease (2019),
                       in: https://iwgdfguidelines.org/

                       PNP: diabetische Polyneuropathie
                       pAVK: periphere Makroangiopahtie

Therapie des diabetischen Fußsyndroms
Wie bei anderen Krankheiten sollte auch bei                   1. Druckentlastung:
Menschen mit Diabetes und einer Ulzeration                    Ist das Abheilen einer primär neuropathischen
am Fuß ein individuelles Therapieziel festgelegt              Läsion das Therapieziel, ist die wichtigste und für
werden. Therapieziel ist nicht in jedem Fall das              den Patienten am schwierigsten umzusetzende
vollständige Abheilen der Ulzeration. Es kann                 therapeutische Maßnahme die Entlastung.
auch die Erhaltung der Mobilität bzw. eine                    Goldstandard in der Entlastung neuropathischer
Amputations- und Infektionsvermeidung im                      Ulzerationen ist der Vollkontaktgips. Seine
Vordergrund stehen.                                           Überlegenheit wurde in mehreren randomisiert
                                                              kontrollierten Studien nachgewiesen. Andere
                                                              druckentlastende Maßnahmen müssen
                                                              individuell auf die betroffene Person abgestimmt
                                                              werden (Abbildung 3).

3   DAS DIABETISCHE FUSSSYNDROM
Patient mit Diabetes, Neuropathie und Fußulkus

                                                                                                                      
    Nicht plantares Ulkus                     Plantares Vorfuß- oder Mittelfußulkus                       Plantares Fersenulkus

                                                                                                                     
   Einsatz einer abnehmbaren           Infektion oder Ischämie             Keine Infektion oder                    Erwägung des
         knöchelhohen                         vorhanden                    Ischämie vorhanden                     Einsatzes einer
        Entlastungshilfe,                                                                                            kniehohen
          Modifikation                                                                                          Entlastungshilfe
        des Schuhwerks,                                                                                         oder einer effektiven
                                     Entweder leichte Infektion             Einsatz einer nicht
      Zehenabstandshalter                                                                                        Entlastungsinter-
                                              ODER                            abnehmbaren

                                                                   
    oder Orthesen, abhängig                                                                                         vention zur
                                         leichte Ischämie               kniehohen Entlastungshilfe
    von Art und Lokation des                                                                                    Druckentlastung der
            Fußulkus                                                                                                   Ferse
                                                                                     
                                                                         Falls kontraindiziert oder
                                                                                nicht toleriert

                                                                                    
                                       Leichte Infektion UND           Erwägen einer abnehmbaren
                                          leichte Ischämie              kniehohen Entlastungshilfe
                                                                   

                                                oder                   und Patient zur Verwendung
                                    Entweder moderate Infektion                 ermutigen
                                     ODER moderate Ischämie
                                                                                     
                                                                        Falls kontraindiziert oder             Falls das Ulkus nicht

                                                                                                          
                                      moderate Infektion UND                    nicht toleriert                         heilt
                                        moderate Ischämie
                                               oder                                                                        
                                      schwere Infektion UND/
                                                                       Einsatz einer abnehmbaren                   Bei Ulzerationen
                                      ODER schwere Ischämie
                                                                              knöchelhohen                          im Bereich der
                                                                       Entlastungshilfe und Patient                 Mittelfußköpfe
                                                                      zur Verwendung ermutigen                     Erwägung einer
                                      Primäre Behandlung der                                                       Verlängerung der
                                         Infektion und/oder                                                        Achillessehne,
                                            der Ischämie                                                            Mittelfußkopf-
                                                                            Falls die erwähnten
                                    Erwägen einer abnehmbaren                                                      resektionen oder
                                                                            Hilfsmittel nicht zur
                                           Entlastungshilfe                                                         Gelenksarthro-
                                                                            Verfügung stehen
                                     Intervention basierend auf                                                         plastik
                                      funktionalem Status des
                                     Patienten, Aktivitätsniveau                     
                                                                                                            
                                      und ambulantem Status            Erwägen einer Entlastung mit
                                                                                                                Bei Zehenkuppen-
                                                                         angepassten Filzplatten
                                                                                                                läsionen Erwägung
                                                                                                              einer Flexorensehnen-
                                                                                                                     Tenotomie

Abbildung 3: Mögliche individualisierte druckentlastende Optionen
Quelle: Diabetischen Fuß erfolgreich behandeln, in: JATROS Diabetologie & Endokrinologie 03/2020, in: https://iwgdfguidelines.org/

2. Peripher arterielle Verschlusskrankheit:                            4. Lokaltherapie:
Bei jedem diabetischen Fußsyndrom muss die                             Die feuchte Wundbehandlung gehört zu
Durchblutungssituation evaluiert und wenn                              den Standards bei der Behandlung von
notwendig verbessert werden.                                           Ulzerationen. Die Verbandsauswahl erfolgt je
                                                                       nach Wundstadium und Exsudation. Trockene
3. Stoffwechsellage und kardiovaskuläre                                Nekrosen sollten trocken gehalten werden.
   Risikofaktoren:                                                     Damit die Ulzerationen heilen können, sollten
Die diabetische Stoffwechsellage und                                   – falls vorhanden – Hyperkeratosen und
kardiovaskuläre Risikofaktoren gehören                                 nekrotisches Gewebe regelmäßig mechanisch
optimiert.                                                             entfernt werden.

                                                                                             DAS DIABETISCHE FUSSSYNDROM                4
5. Infektion:
Ulzerationen gehören regelmäßig hinsichtlich                          Überwärmung vor, muss eine Antibiose eingeleitet
Infektionszeichen überprüft. Liegen lokale                            werden. Die Therapiedauer ist vom Schweregrad
Infektionszeichen wie Rötung, Schwellung und                          (Abbildung 4) der Infektion abhängig.

      Keine lokalen oder systemischen                                   Milde Infektion
      Entzündungszeichen                                                (nur Cutis und Subcutis)

                                  
                                                                         • Schwellung, Verhärtung
                                                                         • Rötung (> 0,5 und < 2 cm um das Ulkus)
      Keine antibiotische Therapie solange                               • Lokaler Schmerz/Druckschmerz,
      nicht zumindest Kriterien für eine milde                             Überwärmung
      Infektion erfüllt sind (auch wenn im                               • Eitriges Sekret (DD: Charcot,
      Abstrich ein Keim identifiziert wurde)!                              Thrombose, Trauma)
      Dokumentation, dass bei fehlenden lokalen                                                     
      Entzündungszeichen keine antibiotische                            Ambulante antibiotische Therapie
      Therapie indiziert ist                                            Primär gram-positive Kokken

      Moderate Infektion                                                Schwere Infektion
       • Beteiligung von Knochen, Sehnen,                                • Jegliche Ulkusinfektion mit > 2 von:
         Gelenken                                                           • Temperatur > 38 °C oder < 36 °C
                                                                            • Herzfrequenz > 90/Min.
                                oder
                                                                            • Atemfrequenz > 20/Min.
       • Erythem > 2 cm um das Ulkus                                        • Leukos > 12.000 oder < 4.000
                                und
                                                                                                    
       • keine systemische Entzündungszeichen
                                                                        Stationäre Therapie
                                                                       Blutkulturen abnehmen
      Primär ambulant                                                   Chirurgische Vorstellung indiziert?
      Stationäre Aufnahme erwägen
      (bei schwerer pAVK, fehlender
      Unterstützung zu Hause,
      Stoffwechselentgleisung, etc.)
      eventuell abhängig vom Labor

Abbildung 4: Infektion
Quelle: SOP Diabetisches Fußsyndrom Universitätsklinik für Innere Medizin Graz, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie
in Zusammenarbeit mit der Sektion Infektiologie

Milde und moderate Infektionen werden im                              Infektion am Fuß ist häufig. Die Diagnose einer
Regelfall 2 Wochen und eine schwere Infektion                         Osteomyelitis (OM) gestaltet sich immer wieder
3 Wochen therapiert. Wenn möglich                                     schwierig. Primär sollte immer der „Probe to
sollte immer ein Keimnachweis angestrebt                              bone“-Test durchgeführt werden. Mit einer
werden. Eine Gewebsprobe ist einem tiefen                             Sonde wird versucht, ob ein Knochen tastbar
Wundabstrich vorzuziehen.                                             ist. Dieser Test ist aber sehr vom Untersucher
Eine Knochenbeteiligung im Rahmen einer                               abhängig und kann oft nicht reproduziert

5    DAS DIABETISCHE FUSSSYNDROM
werden. Ist der Knochen in einer Wunde                   chronische Ulzerationen mit einer hohen
nicht tastbar, ist eine Knocheninfektion eher            Amputationsgefahr auftreten. Die Diagnose
unwahrscheinlich. Als zweiter diagnostischer             erfolgt rein klinisch. Die wichtigste
Schritt folgt ein konventionelles Röntgen, da            Differentialdiagnose ist das Erysipel. In der
kostengünstig und überall verfügbar. Wird                Bildgebung wie Röntgen oder MR ist die
die Diagnose im Röntgen bestätigt, sind                  Erkrankung nur schwer von einer Osteomyelitis
keine weiteren Untersuchungen notwendig.                 zu unterscheiden.
Falls im Röntgen aufgrund der Latenzzeit
die Osteomyelitis nicht bestätigt wird, muss             Die einzige Behandlungsoption ist eine absolute
weiterführend die Durchführung einer                     Druckentlastung für 3 – 12 Monate mit einem
Magnetresonanzuntersuchung evaluiert werden.             Vollkontaktgips. Der akute Charcot-Fuß muss
Kommt es nach 6 Wochen Antibiotikatherapie               in eine chronische inaktive DNOAP überführt
nicht zu einer Chronifizierung der OM oder dem           werden. Dies kann angenommen werden,
Abheilen der Wunde, muss eine chirurgische               wenn der Hauttemperaturunterschied zum
Sanierung in Abhängigkeit vom Therapieziel               „gesunden“ Fuß unter 2 Grad Celsius liegt.
beim Patienten in Betracht gezogen werden.               Dann kann man davon ausgehen, dass der
                                                         Fuß in seiner Integrität wieder soweit stabil ist,
Chirurgische Interventionen auch Minor                   dass eine Vollbelastung des Fußes möglich
Amputationen sollten, wenn möglich vermieden             ist. Als Sekundärprophylaxe für Ulzerationen
werden, da neben Wundheilungsstörungen                   bzw. einem Charcot-Rezidiv ist das dauerhafte
nach Abheilung der Amputationsstelle häufig              Tragen von hohen orthopädischen Maßschuhen
Transferulzerationen auftreten.                          angezeigt.
                                                         Bei Verdacht auf einen Charcot-Fuß sollten die
Diabetische Charcot-Osteoarthropathie                    Patienten an einem Zentrum mit entsprechender
                                                         Expertise vorgestellt werden.
Die diabetische Charcot-Osteoarthropathie
(DNOAP: diabetische Neuro-Osteoarthropathie)      Menschen mit Diabetes und einem diabetischen
ist die komplexeste                               Fußsyndrom benötigen eine interdisziplinäre
und schwerwiegendste                              Behandlungsstrategie.
Fußkomplikation. Die
Ätiopathogenese ist noch
nicht geklärt. Sie ist eine
progressive und destruktive
Arthropathie einzelner                                     Fußpflege
Gelenke und/oder Knochen.                 Angiologie/                    Hauskranken-
                                                Gefäßchirurgie                                   pflege

Die Prävalenz des Charcot-
Fußes liegt bei Menschen
mit Diabetes zwischen
0,08 % und 7,5 % (5).                Infektiologie                                                            Radiologie
Die akute diabetische                                                PatientInnen
Neuro-Osteoarthropathie
präsentiert sich als roter,
geschwollener, überwärmter
Fuß meist mit einer                                                                                       Orthopädie-
Fußdeformität durch                       Chirurgie
                                                                                                          Schuhtechnik
Spontanfrakturen.
Es besteht die Gefahr,                                      Gips-Zimmer             Hausarzt
dass der Fuß komplett
zusammenbricht und
durch das Abkippen von
Knochenfragmenten              Abbildung 5: Interdisziplinäre Behandlungsstrategie (Beispiele)

                                                                               DAS DIABETISCHE FUSSSYNDROM                 6
Multiple Choice-Fragen
(jeweils eine richtige Antwort)

1. Wie hoch ist die Lebenszeitinzidenz       6. Wenn ein neuropathisches Ulkus
   für ein Fußsyndrom bei Menschen mit          abheilen soll, ist was die wichtigste
   Diabetes mellitus?                           therapeutische Maßnahme?
   A: 5 – 10 %                                  A: Regelmäßige Fußbäder
   B: 10 – 15 %                                 B: Hautpflege mit ureahaltigen
   C: 15 – 25 %                                    Pflegecremen
   D: 25 – 35 %                                 C: Druckentlastung
                                                D: Feuchte Wundbehandlung

2. Was spielt in der Ätiopathogenese die
   wesentliche Rolle?                        7. Wie lange therapiert man im
   A: Nephropathie                              Regelfall eine schwere Infektion beim
   B: Durchblutungsstörung                      diabetischen Fußsyndrom?
   C: Retinopathie                              A: 10 Tage
   D: Neuropathie                               B: 14 Tage
                                                C: 18 Tage
                                                D: 21 Tage
3. Wie häufig sollte bei Menschen mit
   Diabetes ein Neuropathiescreening
   durchgeführt werden?                      8. Wie lange therapiert man antibiotisch
   A: alle 3 Monate                             eine Osteomyelitis?
   B: alle 6 Monate                             A: 4 Wochen
   C: alle 9 Monate                             B: 5 Wochen
   D: alle 12 Monate                            C: 6 Wochen
                                                D: 8 Wochen

4. Wie häufig sollten die Füße von
   Menschen mit Diabetes von                 9. Was ist die wichtigste
   Fachpersonal inspiziert werden?              Differentialdiagnose des akuten
   A: bei Risikokategorie 0: alle 6 Monate      Charcot-Fußes?
   B: bei Risikokategorie 1: alle 6 Monate      A: Osteomyelitis
   C: bei Risikokategorie 2. alle 6 Monte       B: Erysipel
   D: bei Risikokategorie 3: alle 6 Monate      C: Gichtarthropathie
                                                D: Kontusion

5. Was ist das Therapieziel von Menschen
   mit Diabetes und einem Ulkus am Fuß?      10. Menschen mit Diabetes und einem
   A: Abheilen des Ulkus                         diabetischen Fußsyndrom benötigen?
   B: Infektionsvermeidung                       A: Interdisziplinäre Behandlungsstrategie
   C: Amputationsvermeidung                      B: Einen Angiologen
   D: Individuell                                C: Einen Diabetologen
                                                 D: Einen Chirurgen

1   DAS DIABETISCHE FUSSSYNDROM
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