MSY - Der höchstmögliche Dauerertrag
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MSY – Der höchstmögliche Dauerertrag September 2012 Warum ist es wichtig, den höchstmöglichen Dauerertrag (MSY – Maximum Sustainable Yield) zu kennen? Um die Entnahme natürlicher Ressourcen durch den Menschen zu regulieren, muss Klarheit darüber herrschen, welche Mengen bedenkenlos entnommen werden können, ohne die Ressource zu erschöpfen. Dies betrifft auch den Fischfang. Aus den Diskussionen zwischen Wissenschaftlern und Fischereimanagern über die Frage, wie viel Fisch dem Meer bedenkenlos entnommen werden kann, ist ein Konzept hervorgegangen, das inzwischen zu den wesentlichen Instrumenten im Fischereimanagement gehört: der höchstmögliche Dauerertrag oder MSY (Maximum Sustainable Yield). Wer sich an der Debatte über die Fanggrenzen beteiligen will, muss die Grundlagen des MSY-Konzepts kennen und verstehen. Das vorliegende Briefing bietet hierfür die nötigen Informationen. Was ist der MSY? Populationsökologisch und volkswirtschaftlich wird MSY definiert als der höchste durchschnittliche Ertrag (Fang), der unter gleichbleibenden ökologischen Bedingungen dem Bestand einer Art über einen unbegrenzten Zeitraum entnommen werden kann. Gemessen wird der MSY üblicherweise in Tonnen. Für einen stabilen und erfolgreichen Fischereisektor muss die Größe der Fischbestände oberhalb des Niveaus liegen, das den höchstmöglichen Dauerertrag über einen unbegrenzten Zeitraum ermöglicht. B, Y, F: eine Buchstabensuppe – Die zum Verständnis des MSY benötigten Abkürzungen Bei der Diskussion über Fanggrenzen ist es wichtig, zwischen der Biomasse eines Bestands und den Fangerträgen und Fangquoten zu unterscheiden – allesamt wesentliche Faktoren zur Bestimmung der Menge Fisch, die im Rahmen einzelner Fischereien in einem bestimmten Zeitraum gefangen werden kann, ohne Schäden an den Beständen zu verursachen: B: Die Biomasse (Biomass) ist schlicht das Körpergewicht aller Fische eines bestimmten Bestands im Wasser. B unterscheidet nicht nach Alter, Geschlecht o.ä. Gemessen wird in Tonnen. Y: Der Ertrag (Yield) ist die Fangmenge, d.h. der dem Wasser durch Fischerei entnommene Fisch. Gemessen wird in Tonnen.
MSY: Der höchstmögliche Dauerertrag oder MSY (Maximum Sustainable Yield) ist, theoretisch, der höchste Ertrag (Fang), der einem bestimmten Bestand über einen unbegrenzten Zeitraum unter gleichbleibenden ökologischen Bedingungen entnommen werden kann. Gemessen wird in Tonnen. F: F bezeichnet die fischereiliche Sterblichkeit (Fishing Mortality Rate), d.h. den Fang im Verhältnis zur Bestandsgröße (Anteil am Bestand, der durch Fischerei entnommenen wird). BMSY: BMSY ist die Biomasse, die es einem Fischbestand erlaubt, den höchstmöglichen Dauerertrag zu erbringen. In der Theorie ist BMSY die Größe eines Bestands auf dem höchsten Punkt seiner Wachstumskurve. Die überschüssige Biomasse, die bei BMSY vom Fischbestand produziert wird, entspricht dem höchstmöglichen Dauerertrag, der entnommen werden kann, ohne den Bestand zu reduzieren. FMSY: FMSY bezeichnet die höchstmögliche fischereiliche Sterblichkeitsrate (Anteil am Bestand, der durch Fischerei entnommenen wird), die letztlich – in der Regel über einen langen Zeitraum hinweg – zur Bestandsgröße BMSY führt. FMSY ist eine Konstante und kann auf jeden Fischbestand angewendet werden, der nicht in seiner Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt ist. MEY: Der maximale ökonomische Ertrag (Maximum Economic Yield) ist der Wert der größtmöglichen positiven Differenz zwischen fischereilichen Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben (einschließlich Arbeits- und Kapitalkosten). Der MEY wird normalerweise bei Fängen erreicht, die 10–20 % unterhalb des MSY bleiben. FMEY: FMEY ist die fischereiliche Sterblichkeit (Anteil am Bestand, der durch Fischerei entnommenen wird), die zum MEY führt. FMEY liegt normalerweise 10–20 % unterhalb von FMSY. Bei MSY, BMSY und FMSY sowie MEY, BMEY und FMEY handelt es sich um Referenzwerte, die unverändert gültig bleiben, solange keine Umweltveränderungen eintreten oder genauere Daten zur Verfügung stehen. Im Gegensatz dazu können sich B, Y und F jedes Jahr ändern und werden auf EU-Ebene auch nachträglich (mit Rückwirkung) vom Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) angeglichen. Wann gilt ein Bestand als überfischt und was ist Überfischung? Der Europäischen Kommission zufolge gilt ein Fischbestand als überfischt, wenn seine Biomasse unterhalb BMSY sinkt. In diesem Fall ist der Bestand nicht mehr in der Lage, den höchstmöglichen Dauerertrag zu erbringen. Von Überfischung ist aber auch die Rede, wenn einem bestimmten Fischbestand mehr als die verträgliche Menge Fisch entnommen wird, wenn also die Fangrate FMSY überschreitet. Dies hat zur Folge, dass die Biomasse des Bestands sich verringert. Überfischung tritt nicht erst ein, wenn ein Bestand BMSY unterschreitet. 2
Wie kann ein überfischter Bestand auf ein Niveau gebracht werden, das den höchstmöglichen Dauerertrag ermöglicht? Um einen überfischten Bestand bis BMSY wiederaufzubauen, muss die Befischungsrate F bei FMSY oder darunter festgelegt werden. Je niedriger F ist, desto schneller kann ein Bestand sich erholen und desto früher kann der höchstmögliche Dauerertrag erreicht werden. Wachsende Bestände bedeuten für die Fischer höhere und verlässlichere Erträge, als in der Vergangenheit je erreicht werden konnten. Wie kann Überfischung beendet werden? Die Lösung für die Beendigung der Überfischung ist einfach, wenn auch nicht immer leicht umzusetzen: Für einen Fischbestand, der sich bereits bei BMSY oder darüber befindet, darf der Fangdruck die FMSY-Rate nicht überschreiten. Das Gleiche gilt, wenn die Überfischung eines überfischten Bestands beendet werden soll. Um allerdings den Bestand innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums auf BMSY oder darüber hinaus anwachsen zu lassen, muss der Fangdruck auf eine Rate reduziert werden, die sogar noch unterhalb von FMSY liegt (Es gibt eine Formel zur Berechnung von F in Abhängigkeit zum angestrebten zeitlichen Rahmen). Das ist im Grunde einfach, denn der Fangdruck ist ein menschlicher Eingriff und als solcher regulierbar. Es ist aber nicht unbedingt leicht umzusetzen: Für die heute bereits überfischten Bestände müssten die Fanggrenzen teilweise drastisch gesenkt werden. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf den Fischereisektor, dem deutlich geringere Fangmengen gestattet wären. Allerdings würde es sich, je nach Fischerei, um wenige Jahre handeln, bis die Fänge das ursprüngliche Niveau wieder erreichen und noch übersteigen könnten. Ohne Maßnahmen zur Beendigung der Überfischung hätte der Zusammenbruch von Beständen weitaus gravierendere und länger anhaltende negative Folgen sowohl für den Fischereisektor als auch für die Meeresumwelt. Welche Zusagen haben die EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2002 getroffen? In Übereinstimmung mit den Vorgaben des Seerechtsübereinkommens und des Fischereiabkommens der Vereinten Nationen (SRÜ) haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf dem UN-Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg dazu verpflichtet, „die Bestände in einem Umfang wiederherzustellen und zu erhalten, der den höchstmöglichen Dauerertrag ermöglicht, in der erklärten Absicht, diese Ziele hinsichtlich erschöpfter Bestände vordringlich zu verfolgen, soweit möglich bis spätestens 2015“ (Durchsetzungsplan von Johannesburg, Artikel 31a). Zum damaligen Zeitpunkt wurden die Worte „soweit möglich” eingefügt, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass einige Entwicklungsländer zunächst die nötigen Rahmenbedingungen für die Erfassung und Bewertung der Fischbestände schaffen mussten. In der EU waren diese Rahmenbedingungen 2002 längst vorhanden. Was beinhaltet die geplante Grundverordnung für die Gemeinsame Fischereipolitik der Europäischen Kommission? In Artikel 2 Absatz 2 des Vorschlags für eine Verordnung über die Gemeinsame Fischereipolitik (KOM (2011) 425 endgültig) heißt es: „Die Gemeinsame Fischereipolitik wendet im Fischereimanagement den Vorsorgeansatz an und setzt sich bei der Nutzung der biologischen Meeresschätze das Ziel, die Populationen fischereilich genutzter Arten bis 2015 in einem Umfang wiederherzustellen und zu 3
erhalten, der den höchstmöglichen Dauerertrag ermöglicht.“ Nach unserem Verständnis bedeutet dies, dass die Bestandsgröße bis 2015 BMSY erreichen oder überschreiten soll – was den Zusagen entsprechen würde, die die EU 2002 in Johannesburg getroffen hat. Was schlägt die Kommission laut Aussagen von Kommissionsbeamten vor? Zu dem genannten MSY-Ziel befragt, antworten EU-Kommissarin Damanaki und die Mitarbeiter der GD MARE meist, dass der Vorschlag für eine entsprechende Verordnung im Rahmen der GFP so auszulegen sei, dass bis 2015 ein nachhaltiger Nutzungsgrad (FMSY) erreicht werden sollte. Diese Auslegung entspricht nicht den in Johannesburg gemachten Zusagen. Sie hätte zur Folge, dass die Biomasse Fisch sich nur langsam erholen und der höchstmögliche Dauerertrag für einige Bestände erst in ferner Zukunft erreicht werden könnte. Was sind die Voraussetzungen für eine Wiederherstellung der Bestände bis 2015 in einem Umfang, der den MSY ermöglicht? Für Fischbestände, die sich bereits auf oder über BMSY-Niveau befinden, sollte der Grad der Befischung etwas unterhalb FMSY liegen, um wissenschaftlicher Unsicherheit und Fluktuationen der Bestandsgröße Rechnung zu tragen. Eine Befischung unterhalb FMSY hätte auch wirtschaftliche Vorteile (siehe unten „Ist der maximale ökonomische Ertrag eine Lösung?“). Um Bestände, die unterhalb BMSY liegen, auf ein Niveau zu heben, auf dem sie den höchstmöglichen Dauerertrag liefern können, muss der Fangdruck weiter reduziert werden, um eine Erholung der Bestände zu gewährleisten. Je deutlicher die Reduzierung, desto schneller kann eine Erholung eintreten. Was ist mit Beständen, über die keine ausreichenden Daten vorliegen? Für die Mehrheit der in EU-Gewässern befischten Bestände liegen aktuell keine ausreichenden Daten vor. Es gibt allerdings KEINEN biologischen oder wissenschaftlichen Grund, warum der Fangdruck 2015 nicht auch für Bestände, für die nur unzureichende Daten vorliegen, unterhalb FMSY oder einem Proxywert liegen sollte. Australien, Neuseeland und die USA nutzen Proxywerte zur Berechnung des MSY und historische Fanggrenzen werden für Bestände herangezogen, über die keine ausreichenden Daten vorliegen. Was ist mit gemischten Fischereien? Für gemischte Fischereien sollte FMSY entsprechend dem am stärksten gefährdeten Bestand festgesetzt werden. Während nicht sämtliche Bestände exakt auf BMSY-Niveau liegen können, ist es sehr wohl möglich, alle Bestände gleichzeitig oberhalb BMSY zu halten. Allerdings wird BMSY normalerweise für einzelne Arten festgesetzt, so dass ein gemeinsamer BMSY-Zielwert für mehrere Arten dazu führen kann, dass einige Arten unterhalb des MSY befischt, andere dagegen überfischt werden – mit dem Risiko eines Zusammenbruchs der Bestände empfindlicherer Arten. 4
Was ist mit Beständen, die sich in einem derart schlechten Zustand befinden, dass sie selbst bei Einstellung der Fischerei nicht bis 2015 auf BMSY–Niveau gebracht werden können? Seit 2002 sind sich die EU-Mitgliedstaaten bewusst, dass sie die Verpflichtung eingegangen sind, den MSY bis 2015 zu erreichen. Dennoch wird größtenteils zu zögerlich und zu spät gehandelt, so dass sich viele Fischbestände der EU nach wie vor in einem stark überfischten Zustand befinden, sprich eine Biomasse deutlich unterhalb BMSY aufweisen. Für diese Bestände ist sowohl ein Fangdruck deutlich unterhalb FMSY erforderlich als auch klare Zeitvorgaben dafür, wann die einzelnen Fischbestände BMSY erreichen sollen. Ist der maximale ökonomische Ertrag eine Lösung? Der maximale ökonomische Ertrag oder MEY (Maximum Economic Yield) beziffert die größtmögliche positive Differenz zwischen fischereilichen Gesamteinnahmen und -ausgaben (einschließlich Arbeits- und Kapitalkosten). In der Regel liegt die Sterblichkeitsrate FMEY etwas unterhalb FMSY, wodurch auch die Erträge geringfügig unterhalb des höchstmöglichen Dauerertrags bleiben. Zum Erreichen des maximalen ökonomischen Ertrags wird dagegen ein weitaus geringerer Fischereiaufwand benötigt, bei entsprechend geringeren Kosten, zumal ein erhöhtes Biomasse-Niveau Fluktuationen bei den Fangmöglichkeiten verringert. Folglich ist dies eine wirtschaftlich attraktive Lösung – ein kostengünstiger Weg, der am Ende fast ebenso hohe Mengen Fisch liefert. Auch unter ökologischen Gesichtspunkten ist der MEY vorzuziehen, da Schiffsemissionen und Schäden an der Meeresumwelt verringert werden. Gibt es ein Win-Win-Szenario? Eins ist klar: Wird der Status Quo im Fischereimanagement beibehalten, gibt es viele Verlierer. Die Fischbestände können sich nicht erholen und die Fischer nicht ausreichende Mengen Fisch fangen, was den Verlust von noch mehr Arbeitsplätzen und andere Härten zur Folge hat. Nach Einschätzung der Europäischen Kommission besteht bei Beibehaltung des Status Quo für lediglich 9 % der Fischbestände die Aussicht, dass sie sich auch 2022 noch in einem nachhaltigen Zustand befinden werden. Sind dagegen alle Seiten bereit, kurzfristige Einbußen hinzunehmen, könnte dies einen Gewinn für alle bedeuten: höhere Erträge für die Fischer, einen gesünderen Zustand der Meeresumwelt, und eine sichere Versorgung mit Fisch für die europäischen Verbraucher. 5
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