Aktuelle Debatte Die Schlecker-Insolvenz und der drohende Arbeitsplatzabbau als landespolitische Herausforderung

Die Seite wird erstellt Dirk Schaller
 
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15. LANDTAG VON BADEN-WÜRTTEMBERG

  30. Sitzung Mittwoch, 14. März 2012, 10:00 Uhr

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             Aktuelle Debatte

        Die Schlecker-Insolvenz

und der drohende Arbeitsplatzabbau

als landespolitische Herausforderung

                     Rede von

            Dr. Reinhard Löffler MdL

             Es gilt das gesprochene Wort.
Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Beim Verkauf der LBBW-Immobilien hat der Finanz- und Wirtschaftsminister 20 000
Mietern sein neoliberales Gesicht gezeigt. Dafür hat er auch aus den eigenen Reihen
Prügel bezogen. Jetzt ist er wieder im sozialdemokratischen Fahrwasser. Das Fax, mit dem
Schlecker beim Amtsgericht Ulm Insolvenz beantragt hatte, lag noch nicht auf dem Tisch
des Insolvenzrichters, schon stellte der Minister dem Unternehmen staatliche Finanzhilfen
in Aussicht.

Eine der größten Drogerieketten des Landes ist pleite. Schlecker macht mit 17 000 Filialen
in Europa über 6 Milliarden € Umsatz im Jahr und beschäftigt 30 000 Menschen in
Deutschland. Eine Insolvenz ist in der sozialen Marktwirtschaft nichts Außergewöhnliches.
Im letzten Jahr gab es fast 2 300 Unternehmensinsolvenzen. 15 000 Arbeitsplätze waren
dadurch bedroht – vorgestern der Druckdienstleister Drescher mit 500 Mitarbeitern.

Sonderlich bewegt hat das den Minister nicht. Bei den Kleinen kommt der
Gerichtsvollzieher, bei den Großen ein SPD-Minister. Da lohnt sich für die eigene Politik
die mediale Bühne. Durch die Pleite von Schlecker müssen 12 000 Menschen um ihren
Arbeitsplatz fürchten. Das ist für alle ein schwerer Schicksalsschlag und wegen der großen
Zahl auch ein gesellschaftliches Problem. Wir, die CDU, wollen diesen Menschen helfen.

Aber eine Einmischung der Politik in einer frühen Phase eines Insolvenzverfahrens ist kein
Garant für gute Ideen und gute Lösungen. Das war bei Babcock-Borsig so, als sich SPD-
Ministerpräsident Wolfgang Clement in die Nesseln setzte, und das war so, als sich der
damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder bei Holzmann als Retter aufspielte und sich mit
„Gerhard! Gerhard!“-Rufen von der Belegschaft feiern ließ.

Zwei Jahre später waren alle 25 000 Holzmann-Mitarbeiter arbeitslos. Man sollte meinen,
die SPD hätte daraus gelernt. Das hat sie aber nicht. Erst wedelt Minister Schmid mit
einem ungedeckten Landesscheck, dann versprach er Schlecker eine Bürgschaft über 70
Millionen Euro für eine Transfergesellschaft und macht dicke Backen, der Bund stehe in
der Pflicht.

Die Abfuhr aus Berlin kam prompt. Die KfW ließ ihn wissen, Schlecker erfülle die Kriterien
nicht, und belehrte den Minister, Baden-Württemberg müsse die Finanzierungsfragen
zwischen den Bundesländern selbst regeln. Herr Minister, hören Sie auf, dem Bund die
Schuld in die Schuhe zu schieben. Nerven Sie nicht mit Pressemitteilungen, dass Sie mit
der nicht zuständigen Frau von der Leyen reden wollen, und hören Sie auf zu jammern. Es
könnte der Eindruck entstehen, dass Sie als Doppelminister überfordert sind.

Prüfen Sie, ob Sie mit einer Landesbürgschaft in Vorleistung gehen können, und klären Sie
die Rechtsfrage mit dem Bund hinterher. Schlecker könnte beispielsweise seine
Auslandsgesellschaften, die nicht von der Insolvenz bedroht sind, als Sicherheit
hinterlegen. Rufen Sie den Finanz- und Wirtschaftsausschuss zusammen, um kreative
Lösungen zu entwickeln. Jetzt haben Sie einen ziemlichen Scherbenhaufen angerichtet.
Wird die Rettung eines Unternehmens von politischen Eitelkeiten bestimmt und sind die
Interessen der von der Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen, um die es eigentlich geht,
eher nachrangig, ist Scheitern vorprogrammiert. Wenn es um die Beschäftigten geht, Herr
Minister, steht die CDU an Ihrer Seite.

Wenn es um das Unternehmen Schlecker geht, regelt das der Markt. Der Inhaber Anton
Schlecker muss für sein Unternehmen erst einmal selbst geradestehen. Das erwarten wir
von jedem Mittelständler, das erwarten wir von Anton Schlecker.

Anton Schlecker wird in den einschlägigen Listen als Milliardär geführt und soll zu den
hundert reichsten Deutschen gehören. Sein Unternehmen führt er als eingetragener
Kaufmann. Damit haftet er mit seinem gesamten Vermögen für alle Verbindlichkeiten. Wir
kennen das Vermögen der Familie Schlecker nicht; es muss im Insolvenzverfahren
offengelegt werden, bevor der Steuerzahler in Vorleistung tritt. Wegen der
wettbewerblichen Chancengleichheit und wegen des europäischen Beihilfeverbots
verbieten sich staatliche Hilfen.

Schlecker spricht von einer geplanten Insolvenz und behauptet, die Geschäftsführung
bleibt im Amt, und der Insolvenzverwalter wird begleitend tätig. Schlecker will also in
Planinsolvenz in Eigenverantwortung. Bei einer Planinsolvenz muss das Unternehmen ein
Sanierungskonzept vorlegen, mit dem es entschuldet werden soll. Der Insolvenzverwalter
kann im Planverfahren das Unternehmen durch Sonderkündigungsrechte entlasten und
sich von langfristigen Miet- und Lieferverträgen, aber auch von Arbeits- und Tarifverträgen
trennen. So ein Verfahren macht nur dann Sinn, wenn der Inhaber nicht Teil des Problems
ist. Sonst wird der Bock zum Gärtner.

Die Familie Schlecker bleibt Eigentümerin, behält die Rosinen, lässt die Gläubiger bluten
und belastet den Steuerzahler. Schlecker hat auf diese letzte Karte gesetzt und seinen
Insolvenzantrag kurz vor Inkrafttreten des neuen Insolvenzrechts gestellt. Das neue
Insolvenzrecht, das seit 1. März gilt, macht die Sanierung von Unternehmen einfacher. Die
Gläubiger – dazu gehören auch die Mitarbeiter – haben mehr Macht und können ihre
Forderungen in Gesellschaftsanteile umwandeln. So lässt sich das Unternehmen auch im
Interesse der Mitarbeiter leichter sanieren. Dem ist Schlecker zuvorgekommen.

Gebetsmühlenartig predigt der Minister, eine Transfergesellschaft sei der Stein des
Weisen. Gestern äußerte der Insolvenzverwalter Zweifel, ob er eine solche Gesellschaft für
einen Sanierungsplan überhaupt braucht. Herr Minister, sanieren Sie nicht am
Insolvenzverwalter vorbei!

Ich teile seine Zweifel. Von einer Transfergesellschaft erhalten die Mitarbeiter längstens
für ein Jahr strukturelles Kurzarbeitergeld von 67 % ihres letzten Gehaltes. Sie sind
scheinbeschäftigt, und wenn sie nach zwölf Monaten noch nicht vermittelt sind, werden
sie in die Arbeitslosigkeit entlassen. Ob Transfergesellschaften besser vermitteln als
unsere Arbeitsagenturen, vermag niemand zu sagen. Für die Mitarbeiter verdoppelt sich
die Frist, bis Hartz IV droht. Das ist ihr einziger Vorteil.
Im Gegenzug verkaufen sie ihren Kündigungsschutz und mögliche Abfindungen. Gewinner
ist Schlecker, denn ein Transfersozialplan spart Geld. Gewinner sind auch die
Transfergesellschaften, deren Gesellschafter wir nicht einmal kennen. Sie lassen sich aus
öffentlichen Töpfen finanzieren ohne jedes Risiko. Ein Insolvenzverfahren läuft in
Gläubigerautonomie unter der Moderation des Insolvenzgerichts ab. Dem Staat selbst ist
zunächst außer der Rolle als Zahler des Insolvenzgeldes keine Rolle zugewiesen. Von daher
kommt die Zusage des Finanz- und Wirtschaftsministers, dem Unternehmen finanziell
unter die Arme zu greifen, zur Unzeit und ist offenbar noch gar nicht erforderlich.

Wer den Schutz der Beschäftigten von Schlecker will, muss viele Handlungsmöglichkeiten
ausloten; die reichen von einer Übertragung des Unternehmens auf einen Konkurrenten
bis hin zu einer genossenschaftlichen Lösung. Klar, es wird nicht ohne fresh Money gehen.
Irgendeiner muss diese Zeche bezahlen. Aber auch die Gläubiger müssen auf einen Teil
ihrer Forderungen verzichten. So sind die Spieregeln.

Herr Minister, es war ein handwerklicher Fehler, gleich nach der großen Lösung mit einem
Millionenkredit der KfW zu wedeln. Sicherlich ist eine der möglichen Optionen, dass am
Ende des Verfahrens ein großer Kredit und mehrere große Landesbürgschaften der
Bundesländer stehen. Bei den Verhandlungen können Sie auf die CDU zählen. Bevor aber
tatsächlich Sanierungskonzepte vorliegen, soll es die Politik unterlassen, mit Krediten und
Bürgschaften das Verfahren lenken zu wollen.

Wichtig ist uns die Erhaltung der Arbeitsplätze; wichtig ist aber auch der Schutz der
Konkurrenten vor staatlichen Subventionen für einen Anbieter. Für alle Beteiligten muss
am Ende des Verfahrens eine tragfähige Lösung im Mittelpunkt stehen und nicht ein
kurzfristiger, am Ende teuer erkaufter politischer Erfolg. Ein frühzeitiger Hinweis der
Politik, dass der Staat es nicht für ausgeschlossen hält, den Schlussbaustein für eine
gelungene Sanierung des Unternehmens zu setzen, ist sicherlich nicht falsch. Das tragen
wir als CDU-Fraktion auch mit. Sich jetzt bei Schlecker in die Belange der Gläubiger, der
Arbeitnehmer und des Insolvenzverwalters einzumischen und wertvolle Zeit der
Verfahrensbeteiligung zu vergeuden, ist falsch und kontraproduktiv. Nicht
Abstimmungsrunden mit Beamten der Ministerien und mit Politikern sind jetzt das Maß,
sondern Verhandlungen der Beteiligten mit Lieferanten. Dafür ist die Öffentlichkeit der
Plenardebatte der falsche Ort.

Herr Minister, Sie haben dem Land und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von
Schlecker einen Bärendienst erwiesen. Sie haben Hoffnungen geweckt und haben diese
enttäuscht; Sie sind übereilt und unstrukturiert vorgegangen. Aber auch in dieser
verfahrenen Situation können Sie auf die CDU zählen, wenn e darum geht, den
Beschäftigten von Schlecker eine neue Perspektive zu bieten.

Die CDU schlägt folgenden Fahrplan vor:

Erstens: Anton Schlecker legt unverzüglich seine Vermögensverhältnisse offen.
Zweitens: Der Insolvenzverwalter, die Gläubiger und die Tarifparteien legen ein
Sanierungskonzept vor.

Drittens: Die Arbeitsagentur unterbreitet Vermittlungsvorschläge oder Perspektiven für
die Mitarbeiter.

Viertens: Der Minister nimmt unverzüglich Verhandlungen mit allen Bundesländern zur
Klärung der Finanzfragen auf.

Fünftens: Danach berät der Finanz- und Wirtschaftsausschuss, in welchem Umfang
staatliche Hilfsmaßnahmen möglich sind. Nach dem Schlecker-Motto „For you, vor Ort“
kommen wir ans Ziel.

Vielen Dank.
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