MUSIK FEST BERLIN 30.8. 2019 - Berliner Festspiele
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Berliner Festspiele # musikfestberlin MUSIK FEST In Zusammen BERLIN arbeit mit der Stiftung Berliner Philharmoniker 30.8. 2019 Lange Nacht in der Philharmonie Pierre-Laurent Aimard
Berliner Festspiele Weitere Konzerte mit Pierre-Laurent Aimard 6.9. Do 20:00 Kammermusiksaal 12.9. Do 20:00 Kammermusiksaal Klavierabend Klavier und Stimme Ludwig van Beethoven Franz Schubert Klaviersonate op. 106 B-Dur Klaviersonate G-Dur op. 78 „Hammerklaviersonate“ „Fantasie“ Helmut Lachenmann Helmut Lachenmann Serynade GOT LOST Musik für Klavier Musik für hohen Sopran und Klavier Pierre-Laurent Aimard Klavier Yuko Kakuta Sopran Pierre-Laurent Aimard Klavier
Bildnachweise S. 6 C arel Pietersz Fabritius (1622 – 1654), Il Cardellino (Der Distelfink), 1654, Tafelbild, Foto: Wikimedia Commons S. 12 A lbrecht Dürer (1474 – 1528), Käuzchen, 1508, Aquarell, Albertina Wien, Foto: Wikimedia Commons S. 14 O livier Messiaen © Yvonne Loriod S. 17 G iotto di Bondone, Die Vogelpredigt, aus: Die Legende des Hl. Franziskus, Basilika San Giovanni, Assisi, Foto: Wikimedia Commons S. 18 O livier Messiaen © Yvonne Loriod S. 19 P ierre-Laurent Aimard © Julia Wesely
MUSIKFEST BERLIN 2019 Freitag 30. August 21:00 Uhr Konzertprogramm S. 5 Habakuk Traber Kosmos Klavier S. 7 Olivier Messiaens Vorworte zum Catalogue d’Oiseaux S. 10 Komponist S. 18 Interpret S. 19 Musikfest Berlin 2019 im Radio und online S. 21 Musikfest Berlin 2019 Programmübersicht S. 22 Impressum S. 24 3
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PROGRAMM Lange Nacht in der Philharmonie Pierre-Laurent Aimard I Olivier Messiaen (1908 – 1992 ) Catalogue d´Oiseaux für Klavier (1956 – 1958 ) Livre I 1. Le Chocard des Alpes (Die Alpendohle) 2. Le Loriot (Der Pirol) 3. Le Merle bleu (Die Blaumerle) Livre II 4. Le Traquet stapazin (Der Mittelmeersteinschmätzer) Livre III 5. La Chouette hulotte (Der Waldkauz) Fr, 30.8. 6. L’Alouette lulu (Die Heidelerche) 21:00 Pause bis 00:15 Livre IV 7. La Rousserolle effarvatte (Der Teichrohrsänger) Philharmonie Pause Livre V 8. L’Alouette calandrelle (Die Kurzzehenlerche) 9. La Bouscarle (Der Seidenrohrsänger) Livre VI 10. Le Merle de roche (Der Steinrötel) Livre VII 11. La Buse variable (Der Mäusebussard) 12. Le Traquet rieur (Der Trauersteinschmätzer) 13. Le Courlis cendré (Der große Brachvogel) Pierre-Laurent Aimard Klavier Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin 5
ESSAY Kosmos Klavier E ine zentrale Kategorie im mystischen jähriger Arbeit abgeschlossen, bildet eine Vorstufe Denken heißt: Verwandlung. Olivier zu jenem Opus maximum. Mit annähernd drei Messiaen war ein Mystiker, dazu noch mit Stunden Aufführungsdauer rührt er zumindest der Begabung der Synästhesie gesegnet, bei der zeitlich an musiktheatralische Dimensionen. die verschiedenen Künste letztlich in einer Der Catalogue besteht aus 13 Stücken, die zusammenfließen. Klänge, die er hörte, ließen ihn Messiaen in sieben Bänden zusammenfasste; Farben sehen; deren Spannung und Spiel weckten darin drücken sich seine Neigung zur Zahlen bei ihm wiederum musikalische Ideen. Die Vor- mystik und sein Faible für Primzahlen aus. Das worte, die er eigenen Werken (auch dem Catalogue musikalische Material besteht vor allem aus der Begabung der Synästhesieiseaux) mitgab, lesen „Vogelgesängen aus den Provinzen Frankreichs“. sich wie analytische und / oder poetische Texte. Sie sind wie eine Folge musikalischer Szenen mit Elterliches Erbe lebt in ihnen weiter: Die Mutter jeweils einem Protagonisten komponiert. „Jeder war eine Dichterin von eigenem Rang, der Vater tat Solist wird in seinem natürlichen Umfeld dar sich unter anderem als Shakspeare-Übersetzer gestellt, umgeben von seiner Landschaft und hervor. Die Verse zu einem seiner frühen Lieder dem Gesang der anderen Vögel, welche dieselbe zyklen, den Poèmes pour Mi, Liebeserklärungen Gegend bevorzugen.“ (Olivier Messiaen) In der an seine erste Frau, verfasste er selbst. Musik, Anordnung der Stücke und Bände ließ der Kompo- Bilder und Sprache konvergieren bei ihm, verwan- nist eine strenge Symmetrie walten, die sich zum deln sich ineinander oder in ein sinnlich nicht Teil in der Form der einzelnen Piecen wiederfindet: greifbares Viertes. Die große Manifestation dieser Der erste und der letzte Band enthalten jeweils drei Unio mystica schuf Messiaen mit seiner Oper Stücke, der zweite und der vorletzte jeweils eines, Saint François d’Assise, die nach langer Inkubati- der dritte und der drittletzte zwei, der mittlere ons- und Kompositionsphase im Jahre 1983 wiederum eines. Es ist dem Teichrohrsänger vollendet und in Paris erstmals auf die Bühne gewidmet. Mit rund einer halben Stunde ist es bei gebracht wurde. Der Catalogue d’Oiseaux, 25 Jahre weitem das längste von allen, das Zentrum nicht vor dem Riesenwerk um Franziskus nach zwei nur in der äußerlichen Anordnung, sondern auch 7
ESSAY in seinen Dimensionen, seiner Bedeutung, in der nisse am Übergang von Nacht und Tag (Sonnen Vielfalt der Materialien, die neben- und manchmal aufgang und Sonnenuntergang): Das Stück spielt übereinandergestellt werden, auch in der Form, in mythologisch elementaren Grenzbereichen. Der der Schleife der Zeit. ersten biblischen Schöpfungsgeschichte zufolge schied Gott zuerst das Licht von der Finsternis, Diese musikalische und ideelle Mitte ist selbst dann den Himmel von der Erde, schließlich Wasser konzentrisch und spiralartig angelegt. Die großen und Land. Die Göttlichkeit, nicht nur die Gott Soli der Titelfigur – erst allein, dann im Konzert geschaffenheit der Natur ist von Messiaen mit mit ihren nächsten Verwandten – bilden die Kerne konzipiert. Die Verhältnisse variierter Symmetrie des Stücks, das als Ganzes den Zeitbogen eines im Aufbau des ganzen Werkes und in der Struktur imaginären Tages durchformt. Auf sie hin führen etlicher seiner Teile erklären sich von der Mitte die Abschnitte, die man in Begriffen einer Bild her: Mit dem Blick in die Natur wirft Messiaen komposition als Hintergrund bezeichnen könnte: einen Blick in die Schöpfung, die sich in ihrer die Mitternachtsstimmung im Schilfgürtel eines Ordnung, mit ihren Grundelementen und in Weihers und der „Chor der Frösche“ (Partitur). verschiedener Maßstäblichkeit im irdischen Leben Grundiert werden sie von Klängen der Nacht und vielfältig abbildet. Sie schafft den eigentlichen, Sinnbildern dunkler Erhabenheit, von den Klang- größeren Zusammenhang dessen, was Menschen, farbspielen der Tageszeiten, vor allem der Dämme- auch Komponist*innen, tun und hinterlassen. rungen. Sie münden in vielgliedrige, bisweilen auch vielstimmige Vogelkonzerte, Demonstra Zwischen den Tonprotokollen der Vogelgesän- tionen musikalisch-motivischen Artenreichtums, ge, den Erinnerungen an das Licht, die Konturen, und sie spielen sich aus ihnen wieder in den die Flora und die Düfte einer Landschaft einerseits Vordergrund. Wie auch in anderen Stücken, nicht und einem Klavierstück andererseits liegt ein nur dieses Zyklus’, kehren im letzten Abschnitt weiter gedanklicher Weg der Verwandlungen. Als Teile aus der Anfangsphase wieder, allerdings künstlerische Mittel für diese Metamorphosen nicht zur Festigung einer geschlossenen Form, setzt Messiaen vor allem zwei ein: die Übersetzung sondern zu ihrer Öffnung: Die Musik, die wie ein und das Symbol. Übersetzt wurden die Rufe und Bild verschwindet, das aus dem Blickfeld gezogen Arien der Gefiederten zunächst ins Hörspektrum wird, könnte zwar in einen neuen Spiralumlauf und das Tonsystem der Europäer. Messiaen wich einbiegen, und das im Sinne der kosmischen oder nie vom temperierten Halbtonsystem ab, an das Natur-Zeit tendenziell ohne Ende. Konkret aber sich die Natur wiederum nicht hält. Das Spektrum zieht sie sich zurück und ermöglicht dadurch den des menschlichen Ohres umfasst andere Frequenz Auftritt eines Anderen, den Wechsel in eine neue bereiche als das Gehör der Vögel, und die Instru- Szene, so wie sie selbst nur durch das Verklingen mente, die Menschen benutzen (ihre eigene des Vorgängerstücks ins Stadium der Realität Stimme eingeschlossen) entsprechen der Ton treten konnte. Das Verhältnis von Vordergrund und gebung der Vogelkehlen nur bedingt. Beim Klavier Hintergrund bestimmt nicht nur die Abfolge von scheint die Distanz, was die pure Physis des Tons Ambiente und Protagonist (samt konzertanten betrifft, besonders groß. Dennoch wählte Messiaen Partnern) im Ablauf der Einzelstücke, sondern gerade dieses Instrument mit besonderer Vorliebe ebenso das Verhältnis der 13 Teile zueinander. zur Suggestion der Vogelstimmen, nicht nur im Es findet seine Fortsetzung im Wechselspiel von pianistischen Kompendium seines Catalogue. Wirklichkeit und Möglichkeit, die ineinander Man hört sich allerdings in die ornithologische transformiert werden können. Damit ist ein Kunstsprache rasch ein, einerseits durch die weiteres Essential mystischen Denkens musika- Gestik, die bei Trillern und Arabesken ebenso lisch in Szene gesetzt. eindeutig ausfällt wie beim Tonfall und der Rhythmik der Rufe, andererseits aber vor allem Im Zentrum steht das vierte Buch (zugleich das durch die Art des akkordischen Satzes. Dieser siebte Stück) auch in einem symbolischen Sinn: kennt keine tonale Zielstrebigkeit, sondern Messiaen begibt sich laut Vorwort in eine Zone, in Valeurs der Farben. Sie bilden für den Synästheten der sich Wasser und Land begegnen (Schilfgürtel), Messiaen das eigentliche Übersetzungsmedium die prominenten Abschnitte beschwören Ereig vom Gesang, den er in der Natur vernahm, in die 8
ESSAY Komposition für Klavier. Metaphern und Symbole Lange Jahre gab es nur eine Pianistin, die das prägt Messiaen vor allem für Landschaft, Am große, kompendienhafte Werk vortragen konnte: biente und Bewegung darin aus. Die Spannweite Yvonne Loriod, Messiaens spätere zweite Frau und reicht vom klanglichen Abtasten eindrucksvoller Widmungsträgerin dieser ästhetischen Enzyklo- Konturen bis zur Suggestion von Bewegung etwa pädie. Darin gleicht der Vogelkatalog Franz Liszts beim Kreisen des Bussards im elften Stück oder Études transcendentales; das Transzendentale, der Majestätsbekundung mächtiger, gravitätischer Überschreitende besteht hier wie dort in der Akkorde im Mittelsatz des Zyklus. kompositorischen Faktur und den pianistischen Anforderungen. In Messiaens Zyklus sind sie Verwandlung heißt nicht Abbildung. Messiaens enorm, nicht nur, aber auch in manuell-technischer Catalogue-Stücke bieten keine Naturfilme mit Hinsicht. Gefordert ist nicht weniger als eine neue ornithologischem Schwerpunkt, auch keine Kunst des Klavierspiels die, wie alles Neue in klingende Dia-Show, obwohl ihre Form darauf der Kunst, auf einem soliden Sockel der Tradition hinzudeuten scheint. Sie folgt nur sehr bedingt aufbaut. Die schnellen gestischen Wechsel, die überlieferten Mustern wie der Strophen- und Fähigkeit, Zeit stillstehen zu lassen und gleich Refrain-Struktur. Vielmehr entsteht sie in Analogie wieder ihren jagenden Puls und die Brillanz zu den Erzählungen, welche die Vorbemerkungen außerirdischer Virtuosität aufzunehmen, die des Komponisten in Worten widergeben. Doch kristallenen Klänge mit ihrer harten Außenhaut bereits diese poetischen Stimmungsbilder sind und ihren scharfen Kanten, das milde Licht durch den Filter der Erinnerung gegangen und transparenter Akkordflüsse und die Schläge Jahre nach der Beobachtung selbst geschrieben. dröhnender Cluster, die Repetitionen, Rotationen, Ihre Transposition in Musik mittels Farb Stillstände, Abbrüche und Explosionen stellen, gleichungen und kompositorischen Systemen des bezogen auf das Werk, zunächst einmal geistige Rhythmus, der Skalen- und Klangbildung ver Aufgaben. Als Mittel sind sie nicht neu, doch in wandelt das Wahrgenommene und im Gedächtnis ihrer konkreten Ausformung und vor allem in ihren bearbeitete allein durch die veränderten Zeitläufe Konstellationen wirkten sie für Zeitgenöss*innen in ein anderes Medium und damit auch in eine unerhört, für Komponist*innen nachfolgender andere Art sinnlicher und geistiger Kommunika- Generationen als Vorbild möglicher Erneuerung. tion. Das Hören wird sich insbesondere bei Wurde das Klavier einmal als Pionierinstrument Gesamtaufführungen des Zyklus von den verbalen der neueren europäischen Musikgeschichte Vorzeichnungen der Texte lösen, auch wenn diese bezeichnet, so wird es bei Messiaen zum den inneren Zusammenhalt der Stücke zu ver Komprimat des Universellen und zum schwarz- mitteln scheinen. Pierre Boulez‘ kritische Anmer- weißen Elixier musikalischen Farbenreichtums: kung, Messiaen ersetze „Komposition durch zum Kosmos Klavier. Juxtaposition (Nebeneinanderstellen)“ gilt für den Catalogue in besonderer Weise; der Titel selbst Habakuk Traber deutet dies an. Zusammenhang stellt sich in den 13 Stücken kaum mit tradierten Mitteln – Variation, Durchführung, Kontrapunkt, harmonische Be- wegung und tonale Beziehungen – her, sondern als virtuelles Resultat, das im Schriftbild der Kompo sition keinerlei Niederschlag findet. Er bleibt, wie im mystischen Denken, in letzter Instanz dem Einzelnen, Hörenden überantwortet, wie deutlich sich auch der Weg der Musik en détail darstellt. Das künstlerische Ich des Autors tritt zurück, beschränkt sich auf Übersetzung und Vermittlung. Habakuk Traber, Berlin, ist Musik Dem entspricht die Verwendung des Klaviers, wissenschaftler und Dramaturg. Autor von das sich zu quasi realistischer Naturabbildung Rundfunk- Zeitschriften- und Programmheft beiträgen sowie Büchern über Musik im Exil, schwerlich eignet, sondern durch Suggestion und neuere Berliner Musikgeschichte und über die Distanz zum Gemeinten wirkt. Komponist*innen der Gegenwart. 9
ESSAY Olivier Messiaens Vorworte zum Catalogue d’Oiseaux Veröffentlicht in der Erstausgabe der Partitur, Paris: Alphanse Leduc, 1958 Vogelgesänge aus Frankreichs Provinzen 1. Die Alpendohle Le Chocard des Alpes Jeder Vogel wird wie ein Solist oder eine Solistin Strophe: die Alpen der Dauphiné, I’Oisans. in seinem Habitat präsentiert, umgeben von den Aufstieg auf die Meije und ihre drei Gletscher. Gesängen anderer, dieselbe Landschaft bevor Erstes Couplet: nahe der Chancel-Hütte: der See zugenden Vögel. von Puy-Vacher, schönste Berglandschaft, Kluften Die musikalische Redaktion des Catalogue und Abgründe. Eine Apendohle, abseits von ihrem d’Oiseaux wurde im Oktober 1956 begonnen und Schwarm, überquert laut rufend die Kluft. am 1. September 1958 abgeschlossen. Die Reisen Segelflug des Steinadlers, der lautlos und majes und die wiederholten Aufenthalte, die für die tätisch auf den Luftströmungen dahingleitet. Notation der Gesänge jedes einzelnen Vogels Raues, wildes Gekrächze, Gnatzen des Kolkraben, erforderlich waren, fanden oftmals wesentlich Herr des Hochgebirges. Verschiedene Rufe der früher als das Komponieren selbst statt. Olivier Dohle und ihr akrobatischer Flug (Gleiten, Sturz Messiaen beschreibt in seinen Vorworten sehr flüge, Loopings) über den Abgründen. präzise aus der Erinnerung heraus , was er vor Gegenstrophe: Clapier, Ort vor Saint-Christophe- Jahren mitunter gehört und gesehen hat – eine Art en-Oisans: Durcheinander von herabgebrochenem verbales Fieldrecording. Gestein, dantische Felsbrocken, von den Olivier Messiaen hat dieses Werk sowohl seinen Gebirgsgiganten unordentlich aufgehäuft. geflügelten Modellen als auch der Pianistin Yvonne Zweites Couplet: Eine Alpendohle zieht ihre Kreise Loriod gewidmet, die es am 15. April 1959 in Paris, über die Landschaft und deren Abgründe. Die in der Salle Gaveau, uraufgeführt hat. selben Rufe, dieselben Flugmanöver wie im ersten Couplet. Epode: Der Nationalpark Écrins: Cirque de Bonne Pierre mit seinen riesigen Felsen, aneinandergereiht wie gigantische Gespenster, oder wie die Türme einer übernatürlichen Festung! 10
ESSAY 4. Der Mittelmeer- 2. steinschmätzer Der Pirol Le Traquet stapazin Le Loriot Ende Juni. Roussillon, Côte Vermeille. Oberhalb von Ende Juni. ln Branderaie de Gardépée (Charente), Banyuls: Kap I’Abeille, Kap Rederis. Die Felsenkliffs, gegen halb sechs in der Früh – Orgeval, gegen 6 die Berge, das Meer, die Weinterrassen. Die Wein- Uhr – Les Maremberts (Loir-et-Cher), in der prallen blätter sind noch grün. Am Straßenrand: Ein Mittel- Mittagssonne. Der Pirol, der schöne goldgelbe meersteinschmätzer. Stark und edel steht er auf den Vogel mit den schwarzen Flügeln, sitzt pfeifend in Steinen, in seinem schönen Gewand aus orange den Eichen. Sein fließender Gesang, vergoldet wie farbener Seide und schwarzem Velours – Schwarz, das Lachen eines fremden Prinzen, lässt an Afrika das das Weiß seines Schwanzes umkehrt, ernste denken und an Asien, oder an einen unbekannten Maske, die seine Augen bedeckt, seine Wangen und Planeten, erfüllt von Licht und Regenbögen, erfüllt seinen Hals. Man könnte ihn für einen spanischen von Lächeln wie bei Leonardo da Vinci. In den Grandseigneur halten, der auf dem Weg ist zu einem Gärten, in den Wäldern, andere Vögel: die schnelle Maskenball. Seine Strophe ist stark, brüsk, kurz. und entschiedene Strophe des Zaunkönigs, die Nicht weit davon sitzt im Wein der Ortolan und gibt zutrauliche Zärtlichkeit des Rotkehlchens, die seine regelmäßigen Flötenlaute mit ihrem melan Brillanz der Amsel, der Kretikus des Garten cholischen Schluss zum Besten. – Da die Heide: rotschwanzes mit weißer Stirn und schwarzem Sammelsurium von niedrigwachsenden, dornigen Hals, die beschwörenden Wiederholungen der Pflanzen, Stechginster, Rosmarin, Zistrosen, Singdrossel. Lang und unermüdlich verbreiten die Kermes-Eichen. Mittendrin: Der exquisite Gesang der Gartengrasmücken ihre liebliche Virtuosität. unsichtbaren Brillengrasmücke. Weit und hoch über Der Weidenlaubsänger fügt seine springenden dem Meer lassen die Silbermöwen ihre grausamen Wassertröpfchen hinzu. Knappe Wiederholung, Schreie hören, ihr trockenes gellendes Feixen. Erinnerung an Gold und Regenbogen: Die Sonne Ein Kohlrabentrio überfliegt die Felsenkliffs mit scheint die vergoldete Emanation des Pirol- machtvollem, schwerem Gekrächz. Ein kleiner Gesanges zu sein. Stieglitz lässt seine Schellen klirren … 3. 5 Uhr morgens. Rotgolden steigt die Sonnenscheibe Die Blaumerle aus dem Meer und klettert in Richtung Himmel. Le Merle bleu Auf dem Scheitel der Scheibe wächst die goldene Krone, bis die Sonne ganz goldhellgelb geworden ist. Im Monat Juni. Roussillon, Côte Vermeille. in der Sie steigt weiter. Ein leuchtender Streifen formt sich Nähe von Banyuls: Kap I’Abeille, Kap Rederis. über dem Meer. 9 Uhr morgens. In Licht und Wärme Ein Felsüberhang, Kliff über dem Meer, das daliegt folgen andere Stimmen: Schläge auf zwei geflöteten in Preußischblau und Saphirblau. Schreie von Tönen der Orpheusgrasmücke, die sich in den Mauerseglern, Plätschern von Wasser. Die kleinen Korkeichen versteckt – das Zerbrechen von Kristall Landzungen erstrecken sich ins Meer wie Kroko des Grauammers, die etwas seltsame Fröhlichkeit dile. ln einer Felsspalte die Blaumerle, deren der Zippammer, die Geschwätzigkeit des Orpheus- Gesang darin nachhallt. Ihr Blau ist ein anderes spötters, dessen jauchzender, zirpender Fluggesang als das des Meers: Veilchenblau, Schiefergrau, sich mit den spitzen Schreien der Theklalerche Seidenblau, Schwarzblau. Ihr fast schon exotischer mischt. Gesang, der an balinesische Musik erinnert, mischt sich in das Rauschen der Wellen. Auch die 9 Uhr abends. Umgeben von Blut und Gold geht die Theklalerche ist zu hören, die im Himmel hoch Sonne hinter den Bergen unter. Die Albères-Berge über dem Wein und dem Rosmarin flattert. Die stehen in Brand. Das Meer wird dunkel. Das Rot des Silbermöwen johlen von weither über dem Meer. Himmels wird zum Orange, dann zum träumerischen Die Felswände sind furchterregend. Ihnen zu Violett … Die letzten Strophen der Brillengrasmücke. Füßen ersterben die Wellen in Gedanken an die Drei Töne des Ortolans im Wein, den die Nacht Blaumerle. bedeckt. Noch einmal ein Mittelmeersteinschmätzer, 11
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ESSAY schon fern auf seinem Weg. Weit über dem nisse vom Nachmittag bis zur Nacht wiederholen schwarzen Meer das spröde Schlagzeug einer in umgekehrter Reihenfolge die Ereignisse von der Silbermöwe. Stille … 10 Uhr abends. Völlige Nacht. Nacht bis zum Morgen. Das Stück ist für den Erinnerung an die Brillengrasmücke … Teichrohrsänger geschrieben, und überhaupt zu Ehren der Vögel des Schilfs, der Teiche und der Sümpfe – und einigen Vögeln der Wälder und 5. Felder, die ihre Nachbarn sind. Der Waldkauz La Chouette hulotte La Sologne. Zwischen Saint Viâtre, Nouan-le- Fuzelier, Salbris, und Marcilly-en-Gault: die Teiche Braun und rot gesprenkeltes Federkleid, enorme von Petit und Grand Roncy, Les Noues, La Brique- Gesichtsschleier, feierlicher Blick, geprägt von rie, Les Trois Croix, Les Coups-de-Vent, La Rue Mysterien, Weisheit und Übernatürlichem. Mehr Verte, Les Chapelières, La Vieille Futale, und so noch als sein Aussehen gebietet die Stimme dieses viele andere Teiche ... ich nenne sie auf naivere Art: Nachtvogels Ehrfurcht. Ich habe sie oft gehört, Teich der Seerosen, Teich der Rosen, Teich der mitten in der Nacht, gegen 2 Uhr morgens, in den lris, etc. Wäldern von Orgeval, Saint-Germain-en-Laye, auf dem Weg von Petichet nach Cholonge (Isère). Mitternacht: Die Musik der Teiche und der Chor – Dunkelheit, Angst, Herz, das zu schnell schlägt, der Frösche. 3 Uhr morgens: der Teichrohrsänger, Jaulen und Heulen des Steinkauzes, Schreie der versteckt in den Rosen, lässt ein langes Solo mit Waldrohreule: und hier der Ruf des Kauzes: kratzigem Ton hören, das zugleich an ein Xylophon Eben noch schaurig und schmerzvoll, jetzt erinnert, an einen quietschenden Korken, an das verschwommen und unheimlich (mit seltsamem Pizziccato der Streicher, und an das Glissando der Beben), dann wieder entsetzt zeternd wie der Harfe, im Rhythmus eine gewisse Wildheit und Schrei eines Kindes, das man ermordet! … Stille. Hartnäckigkeit, die es nur bei den Rosenvögeln Von weither ein Eulenschrei, der wie eine Glocke gibt. Die Nacht ist feierlich wie der Klang eines aus der anderen Welt klingt … Tamtams. 6 Uhr morgens: Sonnenaufgang, rosa, orange, malvenfarben, über dem Teich der 6. Wasserrosen. Fröhliche Strophen der schwarzen Die Heidelerche Amsel, Zwitschern des Rotkopfwürgers mit dem L’ Alouette lulu weißen Bauch. 8 Uhr morgens, die gelben Irisse: zweifacher heiserer Schrei des Fasans, pfeifendes Auf dem Weg vom Grand Bois-Pass nach Saint- Glissando des Stars, seltsames, übernatürliches Souveur, im Forez. Rechts von der Straße ein Lachen des Grünspechts – der Rohrammer, die Kiefernwald, links Weideland. Hoch oben im Kohlmeise und die wunderbare Bachstelze (so Himmel, im Finsteren, ertönen hintereinander je vornehm in ihrem halben Trauerkleid) fügen einige zwei ihrer Töne: fließend chromatisch absteigend. Klänge hinzu. Mittag: Der Feldschwirl lässt sein Versteckt im Gebüsch auf einer Waldlichtung endloses Grillengeräusch hören. antwortet eine Nachtigall. Kontrast zwischen den beißenden Tremoli der Nachtigall und den 5 Uhr nachmittags, Roter Fingerhut, trillerndes mysteriösen Stimmen aus der Höhe. Die Lerche, Crescendo des Schilfrohrsängers, kraftvolle, gelle, unsichtbar, nähert sich und entfernt sich wieder. knarzende Rhythmen des Drosselrohrsängers. Die Bäume und Felder sind schwarz und ruhig. Trockenes, schwaches Quaken eines Frosches. Es ist Mitternacht. Die Lachmöwe begibt sich auf die Jagd. Die Wasser- rosen. Duo-Konzert zweier Teichrohrsänger. 7. Der Teichrohrsänger La Rousserolle effarvatte 6 Uhr abends, die gelben Iris und der Feldschwirl. Ein Blässhuhn (schwarz, mit weißer Stirnplottel) scheint auf die Steine zu schlagen und in eine Das ganze Stück ist eine große, kurvige Bewegung, kleine, spitze Trompete zu blasen. Die Feldlerche von Mitternacht bis 3 Uhr morgens, die Ereig steigt auf und jubiliert am Himmel, die Frösche 13
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ESSAY antworten im Teich. Eine Wasserralle, unsichtbar, Wasseroberfläche hinweg: der Eisvogel mit stößt eine Reihe schauerlicher Schreie aus – seinen spitzen Schreien, der die Landschaft färbt. Schreie eines Schweins, dem man die Kehle Der Fluss ist ruhig. Es ist ein schöner Morgen mit durchschneidet – und wird dann langsam leiser. Schatten und Licht. Die Amsel flötet, die Sing drossel stimmt mit ihrem rhythmischen Zauber in 9 Uhr abends: Sonnenuntergang, rot orange, die perlenden Kaskaden des Rotkehlchens ein. violett, über dem lristeich. Die Große Rohr- dommel – schwerer Trompetenklang, ein bisschen Artikulationen und Tremolos des kleinen Zaun furchterregend. Die Sonne ist eine blutrote königs, klarer, flötender Refrain der Mönchsgras- Scheibe: der Teich spiegelt – die Sonne vereinigt mücke, Anapest des Wiedehopfes, Einsätze zu sich mit ihrem Spiegelbild und versinkt im Wasser. einem Lobgesang (wie ein Cembalo, gemischt mit Der Himmel ist dunkelviolett ... Mitternacht: Die einem Gong) mit fernen Mondscheintönen, Nacht ist hereingebrochen, abermals feierlich wie schneidender Duktus der Nachtigall. Was für ein der Klang eines Tamtams. Die Nachtigall beginnt seltsames Geräusch ist das? Eine Säge, eine Sense, ihre mysteriösen oder eindringlichen Strophen. die geschliffen wird, das Rattern eines Reco-Reco? Ein Frosch klingt wie klapperndes Gebein. 3 Uhr Es ist der Wachtelkönig, der seinen jambischen morgens: wieder ein großes Solo des Teichrohr- Rhythmus im hohen Gras der Wiese wiederholt ... sängers. Und wir kommen zum Ende mit einer Hier noch die siegreiche Strophe des Buchfinks Erinnerung an die Musik der Teiche, mit einem und das schrille Geräusch der Uferschwalbe. Die letzten Ruf der Großen Rohrdommel ... Bachstelze mit ihrem aschblauen Kopf und der Brust, die so gelb ist wie ein goldener Knopf, 8. marschiert elegant am Fluss entlang. Hochzeits- Die Kurzzehenlerche flug des Eisvogels, der wendet und dabei der Sonne L’Alouette calandrelle seine schönen Farben von Vergissmeinnicht, Saphir und Smaragd zeigt. Stille ... Brutale Zei- Provence, Monat Juli: Die Kurzzehenlerche. 2 Uhr chensetzung des Morgens: der Seidenrohrsänger nachmittags, Les Baux, Les Alpilles, karge Felsen, explodiert ein letztes Mal! Ginster und Zypressen. Monotones Schlagzeug 10. der Grillen, Alarm im Staccato des Turmfalken. Die Straße nach Entressen: Die Haubenlerche im Der Steinrötel zweistimmigen Kontrapunkt mit der Kurzzehen Le Merle de roche lerche. 4 Uhr nachmittags, La Crau. Steinwüste, intensi- Monat Mai. Hérault. Der Talkessel von Mourèze: ves Licht, glühende Hitze. Einzig die kurze Phrase Durcheinander von Dolomiten und phantastisch der Kurzzehenlerche unterbricht die Stille. Gegen geformten Felsen. Nacht, Mondschein. Eine riesige 6 Uhr abends steigt eine Feldlerche auf und Hand aus Stein überragt alle anderen Felsen! beginnt eine jubilierende Strophe. Kretikus der Gegen Ende der Nacht lässt der Uhu seine kraft Wachtel, Erinnerung an die Lerche ... vollen, schweren Laute hören – sein Weibchen antwortet mit dumpfem Klopfen: dunkles Geläch- 9. ter, dessen Rhythmus sich mit angstvollem Der Seidenrohrsänger Herzklopfen mischt. Beginn der Dämmerung: La Bouscarle verschiedene Dohlenrufe. Dann beginnt der Hausrotschwanz sein monotones Lied: mitten in Letzte Apriltage. Saint-Brice, La Tranche, Bourg- der Strophe eine Geräuschkulisse, die an Perlen Charente, an den Ufern der Charente und ihrem erinnert, die geschüttelt werden, an Papier, das kleinen Nebenarm Charenton. Das grüne Wasser zerknüllt wird, Seide, die raschelt. Die Felsen sind spiegelt die Weiden und Pappeln. Plötzlich entlädt furchterregend: prähistorische Tiere von Stein, der sich eine kraftvolle Stimme im Schilf oder in den Stegosaurus, der Diplodocus scheinen Wache zu Brombeeren: der Seidenrohrsänger, eine kleine, halten – wie eine Gruppe von Max Ernst: Masken- jähzornige und unsichtbare Grasmücke. Das Teich- hafte Gespenster aus Stein tragen eine tote Frau, huhn gackert. Ein blaugrüner Pfeil blitzt über die deren Haare am Boden schleifen ... 15
ESSAY Auf einer Felsspitze ein Steinrötel! Wie schön er Meer, von der Sonne versilbert. Freude über das ist! Blauer Kopf, roter Schwanz, schwarze Flügel, blaue Meer. Gesang des Trauersteinschmätzers. orange leuchtende Brust. Er singt in den Stunden von Sonne, Hitze und Licht: 10 Uhr morgens, Dialog zwischen der lieblichen Blaumerle und dem 5 Uhr nachmittags – und sein Gesang leuchtet grelleren Trauersteinschmätzer, unterbrochen orange, wie sein Gefieder! durch das Gekeife der Silbermöwe, die gellenden Rufe der schwarzen Mauersegler, die kurzen Die stillen Momente bleiben im Takt und werden Einwürfe der Mittelmeersteinschmätzer. Weißer in langen Notenwerten gezählt. Der Hausrot- Schwanz auf ansonsten schwarz gezeichnetem schwanz webt seinen Klangteppich von neuem. Gefieder, hat sich der Trauersteinschmätzer auf Letzte Rufe der Dohlen. Dämmerungsende: einer Felsspitze am Fuß des Kliffs niedergelassen. der Uhu ruft, und seine Laute, Finsternis und Die Brillengrasmücke zirpt aufgeregt im Gebüsch. Schrecken bringend, hallen von den Felsen wider. Ein Windstoß geht über das Meer, das weiterhin Nacht, Mondschein. Die riesenhafte Hand ist noch saphir- und nattierblau daliegt, versilbert durch die immer da, wie ein magisches Zeichen erhebt sie Sonne. Freude über das blaue Meer. sich auf den steinernen Monstern! 11. Der Mäusebussard La Buse variable 13. Der große Brachvogel Le Courlis cendré Die Insel Ouessant (Enez Eusa) in Finistère. An der Die Dauphiné, la Matheysine. Weites, offenes Feld Pern-Spitze ist ein großer Vogel mit gestreiftem von Petichat, am Ende des Laffrey-Sees, am Fuß Gefieder zu sehen, gesprenkelt mit gelblichem Rot, des kahlen Berges Grand Serre. mit Grau und mit Braun, langbeinig, ausgestattet mit einem sehr langen Schnabel, gebogen wie eine Einführung. – Ruf des Mäusebussards: er nähert Sichel oder ein Yatagan: Der große Brachvogel! sich, entfernt sich wieder. Hier sein Solo: Tremolos, bedächtig und traurig, Er zieht seine Kreise: die Kurven seines Flugs chromatisch aufsteigend, wilde Triller, und ein umfassen die ganze Landschaft. Langsam steigt dramatisch wiederholter Glissando-Ruf, der die er ab. Erstes Couplet. – Buchfink, Goldammer. ganze Trostlosigkeit dieser Meereslandschaft zum Miauen des Bussards. Refrain der Misteldrossel. Ausdruck bringt. Am Punkt von Feunteun-Vélen, Zweites Couplet. – Dieselben, zusätzlich der Stieg- unterbrochen vom Rauschen der Wellen, die litz. Refrain der Misteldrossel. Drittes Couplet. – Schreie sämtlicher Ufervögel: grausamer Ruf der Die Rauchschwalben. Der Rotrückenwürger Lachmöwe, die Blechbläserrhythmen (mit dem schlägt Alarm. Kampf. Wegen einer Beute, die auch Klang des Horns) der Silbermöwe, die geflötete sie erspäht haben, greifen sechs Aaskrähen den Melodie des Rotschenkels, die repetierten Töne Bussard an. Lautstarkes, kämpferisches Gekrächz des Steinwälzers, schrilles Pfeifen, spitzes Geratter der einen, knarzige, zitternde, seltsam miauende des Austernfischers- und noch andere Rufe: die Laute der anderen. Refrain der Misteldrossel. des Flussregenpfeifers, der Sturmmöwe, der Überstürzte Strophen der Dorngrasmücke. Trottellumme, der Zwergseeschwalbe und der Brondseeschwalbe. Das Wasser dehnt sich, soweit Coda. – Ruf des Bussards, sein kreisender Flug. das Auge reicht. Nach und nach breiten sich Nacht Langsam steigt er wieder auf. und Nebel über das Meer. Alles ist schwarz und schrecklich. Mitten in den zerklüfteten Felsen ist 12. das schaurige Heulen des Leuchtturms Phare du Der Trauersteinschmätzer Créac’h zu hören: Sirenenalarm! Noch einige Le Traquet rieur Vogelschreie und die Klagelaute des großen Brachvogels, die sich wiederholen und entfernen ... Monat Mai. Schöner, sonniger Morgen. Das Kap Kälte, totale Nacht, Lärm der Brandung … Béar, oberhalb von Port Vendres (Roussillon). Felswand, Gestrüpp, saphir- und nattierblaues 16
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BIOGRAFIE – KOMPONIST Ab 1941 gab Messiaen Theoriekurse am Pariser Conservatoire und zog mit seinem unkon- ventionellen Ansatz avantgardistisch gesonnene Student*innen wie den jungen Pierre Boulez an. Obwohl Messiaens Theorien in hohem Maße auf ihn persönlich zugeschnitten sind, wurde er zu einem der einflussreichsten Kompositionslehrer seiner Epoche. In seinem eigenen Schaffen brachten die Quatre Études de rythme für Klavier (1949 – 1950), mit denen Messiaen der entstehen- den seriellen Musik entscheidende Impulse gab, Olivier einen radikalen Umschwung von überschwäng- licher Opulenz hin zu strenger Konstruktivität. In Messiaen den folgenden, maßgeblich von Vogelgesängen O inspirierten Werken wie dem Klavierzyklus livier Messiaen (1908 – 1992 ) zielt in seinem Catalogue d’Oiseaux (1956 – 1958) nahm er allmäh- Schaffen zuerst auf die klangsinnliche lich Elemente seines früheren Schaffens wieder und emotionale Überwältigung der Hörer*- auf und fand so zu seinem charakteristischen, innen. Gleichzeitig beruht seine Musik, die so unverwechselbaren Stil. Choralartige Melodien, rauschhaft wirken kann, auf rational kalkulieren- die oft in extrem ruhiger Bewegung erscheinen, den, von der Mathematik inspirierten Methoden. dissonanzgehärtete Klangfelder von nicht mehr Rhythmen und Harmonien leitet Messiaen mit durchhörbarer Komplexität und andere heterogene addierenden Verfahren aus kleinsten Struktur Elemente fügt er zu unregelmäßigen Mosaiken elementen ab. Für seine Musik hat sich Messiaen zusammen, die die Hörer*innen vor allem durch von zahlreichen, ganz verschiedenartigen Quellen ihre klanglichen Wirkungen bezwingen. anregen lassen. Besonders prägend sind dabei ein In den letzten beiden Lebensjahrzehnten persönlich gefärbter, mystischer Katholizismus entstanden vor allem christlich inspirierte Werke. sowie die Faszination für die akustische Welt der 1975 nahm Messiaen, inzwischen ein welt Vogelrufe. berühmter Komponist, die Arbeit an der Oper Messiaen wurde am 10. Dezember 1908 in Saint François d‘Assise auf, die im November 1983 Avignon geboren. Die Neigung zur Musik und seine uraufgeführt wurde. Danach konnte er 1991 mit schöpferische Begabung traten früh hervor und Éclairs sur l’Au-Delà als der letzten abgeschlosse- wurden vom literarisch-künstlerisch bestimmten nen Komposition ein weit ausgreifendes Orches- Elternhaus gefördert. 1931 begann Messiaen seine terwerk beenden. Der Komponist starb am 28. April Laufbahn als Organist an Sainte-Trinité, einer 1992 in Paris. der großen Pariser Kirchen. Er versah dieses Organistenamt dann bis zu seinem Tode, also über 60 Jahre lang. Natürlich komponierte er auch für sein Instrument und neben der Orchester- und der Klaviermusik bildet die Musik für die Orgel eine der tragenden Säulen seines Œuvres. Unabhängig von seinen Erfolgen als Organist machte sich Messiaen allmählich auch einen Namen als Komponist. Sein Schaffen vor 1949, in dem sich noch deutliche Anklänge an Debussy und Ravel vernehmen lassen, kulminiert in der monumen talen Turangalîla-Symphonie (1946 – 1948 ). 18
BIOGRAFIE – INTERPRET Pierre- die Vermittlung von Musik nicht nur vom Konzert- Laurent podium aus, sondern auch als Lehrer, nimmt er als Professor an der Hochschule für Musik und Tanz Aimard Köln, am Conservatoire de Paris, durch Vorträge P und in Meisterklassen wahr. ierre-Laurent Aimard gilt als einer der Pierre-Laurent Aimard verzeichnet eine bedeutendsten und international bekann umfangreiche Diskografie. Dazu gehören unter testen Musiker unserer Zeit. 2017 wurde anderem Aufnahmen von Bachs Kunst der Fuge er „für ein Leben im Dienste der Musik“ mit dem und dem Wohltemperierten Klavier, ebenso wie renommierten Ernst von Siemens Musikpreis Charles Ives Concord Sonata oder Debussys ausgezeichnet. Préludes, die alle mit Preisen ausgezeichnet 1957 in Lyon (Frankreich) geboren, studierte wurden. Im Frühjahr 2018 erschien seine Gesamt- er am Pariser Conservatoire bei Yvonne Loriod einspielung von Olivier Messiaens Catalogue und in London bei Maria Curcio. Nicht nur mit d’Oiseaux. Olivier Messiaen, den er schon während seiner Ausbildung kennenlernte, auch mit Karlheinz Stockhausen, György Ligeti oder Pierre Boulez, der ihn ins Ensemble intercontemporain holte, war er durch enge Zusammenarbeit verbunden. Nach wie vor pflegt er engen Kontakt und Dialog mit den Komponist*innen, deren Werke er spielt und oft auch uraufführt, wie zum Beispiel mit György Kurtág oder George Benjamin. Er genießt großes Ansehen als einer der führenden Interpreten des Standardrepertoires und tritt weltweit mit inter nationalen Spitzenorchestern und Dirigent*innen von Rang auf. Aimard ist für seine außergewöhn- lichen Solo-Recitals bekannt, und ebenso als Kammermusiker gefragt. Regelmäßig ist er bei allen bedeutenden Festivals zu Gast. Von 2009 – 2016 war er Künstlerischer Leiter des Aldeburgh Festivals. Zu den Höhepunkten seiner letzten Saison als Festivalleiter zählte die Aufführung von Olivier Messiaens Catalogue d’Oiseaux. Anschließend begann eine dreijährige Verpflichtung als Artist in Residence am South- bank Centre in London. Die pädagogische Arbeit, 19
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Das Musikfest Berlin 2019 im Radio und online Deutschlandfunk Kultur – Die Sendetermine 3.9. Di 20:03 Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam Aufzeichnung vom 2.9. 5.9. Do 20:03 BBC Symphony Orchestra Live-Übertragung 7.9. Sa 19:05 Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Aufzeichnung vom 1.9. 8.9. So 20:03 Berliner Philharmoniker Live-Übertragung 13.9. Fr 20:03 Münchner Philharmoniker Aufzeichnung vom 10.9. 15.9. So 15:05 „Quartett der Kritiker“ Aufzeichnung vom 31.8. 15.9. So 20:03 Junge Deutsche Philharmonie Aufzeichnung vom 15.9. 17.9. Di 20:03 Israel Philharmonic Orchestra Aufzeichnung vom 16.9. wird als Studioproduktion 21.9. Sa 22:00 Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin La Roue in Ausschnitten gesendet 24.9. Di 20:03 IPPNW–Benefizkonzert Aufzeichnung vom 22.9. 26.9. Do 20:03 Ensemble Musikfabrik Aufzeichnung vom 8.9. Deutschlandfunk Kultur ist in Berlin über 89,6 MHz, Kabel 97,50, bundesweit über Satellit, DAB+ und über Livestream auf deutschlandfunkkultur.de zu empfangen. rbbKultur – Die Sendetermine 6.9. Fr 20:04 Konzerthausorchester Berlin Live-Übertragung 21.9. Sa 20:04 Berliner Philharmoniker Aufzeichnung vom 12. / 13. / 14.9. 6.10. So 20:04 Les Siècles Aufzeichnung vom 15.9. rbbKultur ist in Berlin über 92,4 MHz, Kabel 95,35, digital und über Livestream auf rbbkultur.de zu empfangen. Digital Concert Hall – Die Sendetermine 8.9. So 20:00 Berliner Philharmoniker Live-Übertragung 14.9. Sa 19:00 Berliner Philharmoniker Live-Übertragung digitalconcerthall.com 21
Programmübersicht Fr 30.8. Philharmonie 21:00 Pierre-Laurent Aimard I Ausstellungsfoyer Sa 31.8. Kammermusiksaal 17:00 „Quartett der Kritiker“ Eröffnungskonzert Orchestre Révolutionnaire et Romantique Philharmonie Monteverdi Choir 19:00 Sir John Eliot Gardiner So 1.9. Kammermusiksaal 11:00 Alexander Melnikov Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden Rundfunkchor Berlin Philharmonie Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin 18:00 Vladimir Jurowski Mo 2.9. Philharmonie 20:00 Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam Tugan Sokhiev Di 3.9. Philharmonie 19:00 Japanisches Nō-Theater Ensemble der Umewaka Kennōkai Foundation Mi 4.9. Philharmonie 20:00 Ensemble Modern Brad Lubman Do 5.9. Philharmonie 20:00 BBC Symphony Orchestra Sakari Oramo Fr 6.9. Kammermusiksaal 20:00 Pierre-Laurent Aimard II Konzerthaus Berlin Konzerthausorchester Berlin 20:00 Juraj Valčuha Sa 7.9. Philharmonie 19:00 Berliner Philharmoniker Peter Eötvös So 8.9. Kammermusiksaal 17:00 Ensemble Musikfabrik Peter Eötvös (wie 7.9.) Philharmonie Berliner Philharmoniker 20:00 Peter Eötvös 22
Mo 9.9. Kammermusiksaal 20:00 Georg Nigl & Olga Pashchenko Di 10.9. Philharmonie 20:00 Münchner Philharmoniker Valery Gergiev Mi 11.9. Philharmonie 20:00 London Symphony Orchestra Sir Simon Rattle Do 12.9. Kammermusiksaal 20:00 Pierre-Laurent Aimard III & Yuko Kakuta Rundfunkchor Berlin Philharmonie Berliner Philharmoniker 20:00 Daniel Harding (wie 12./ 14.9.) Rundfunkchor Berlin Fr 13.9. Philharmonie 20:00 Berliner Philharmoniker Daniel Harding Film & Live Musik: La Roue Sa 14.9. Konzerthaus Berlin 14:00 – 23:00 Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Frank Strobel (wie 12./ 13.9.) Rundfunkchor Berlin Philharmonie Berliner Philharmoniker 19:00 Daniel Harding Jack Quartet So 15.9. Philharmonie 11:00 Junge Deutsche Philharmonie Jonathan Nott Philharmonie Orchestre Les Siècles 20:00 François-Xavier Roth Mo 16.9. Philharmonie 20:00 Israel Philharmonic Orchestra Zubin Mehta Di 17.9. Philharmonie 20:00 Orchester der Deutschen Oper Berlin Donald Runnicles Mi 18.9. Kammermusiksaal 20:00 Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker Susanna Mälkki Rundfunkchor Berlin Do 19.9. Philharmonie 20:00 Deutsches Symphonie-Orchester Berlin Robin Ticciati So 22.9. Kammermusiksaal 16:00 IPPNW-Benefizkonzert WuWei Trio 23
IMPRESSUM Musikfest Berlin Berliner Festspiele Künstlerische Leitung Ein Geschäftsbereich der Studentische Mitarbeit Dr. Winrich Hopp Kulturveranstaltungen des K ommunikation Bundes in Berlin GmbH Josip Jolić, Leonard Pelz Organisation Anke Buckentin (Leitung), Intendant Ticket Office Anna Crespo Palomar, Dr. Thomas Oberender Ingo Franke (Leitung), Ina Steffan Maike D ietrich, Simone Erlein, Frano Kaufmännische Geschäftsführung Ivić, Torsten S ommer, Sibylle Steffen, Charlotte Sieben Alexa Stümpke, Marc Völz Abendprogramm Vertrieb Redaktion Uwe Krey Leitung Kommunikation Dr. Barbara Barthelmes Claudia Nola Gebäudemanagement Lektorat Ulrike Johnson (Leitung), Grafik Anke Buckentin Christine Berkenhoff, Frank Choschzick, Olaf Jüngling, Anna Crespo Palomar Anna Busdiecker, Felix Ewers Georg Mikulla, Sven Reinisch Thalia Hertel Internetredaktion Hotelbüro Gestaltung Cover Caroline Döring, Selina Kahle, Frank Giesker, Jan Köhler Christine Berkenhoff und Frauke Nissen Anna Busdiecker Marketing Anna-Maria Eigel, Gerlind Fichte, Logistik Gestaltung Innenseiten I-Chin Liu (Leitung), Sven Altmann Jan Heberlein, Michaela Mainberger Christine Berkenhoff nach einem Entwurf von Eps51 Presse Technische Leitung Anna Lina Hinz, Patricia Hofmann, Matthias Schäfer Herstellung Svenja Kauer, Jasmin Takim, medialis Offsetdruck GmbH, Berlin Jennifer Wilkens Adresse Berliner Festspiele Stand: 31. Juli 2019 Schaperstraße 24, Protokoll Programm- und Besetzungs- 10719 Berlin Gerhild Heyder änderungen vorbehalten Redaktion + 49 30 254 89 0 info@berlinerfestspiele.de Dr. Barbara Barthelmes, berlinerfestspiele.de Andrea Berger, Anne Phillips-Krug, Paul Rabe Gefördert durch / Berliner Festspiele / Musikfest Berlin in Zusammenarbeit mit / in cooperation with Funded by Stiftung Berliner Philharmoniker Medienpartner / Media Partners 24
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