MUSIKMASCHINEN UND KLANGAPPARATUREN - Christof Schläger

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MUSIKMASCHINEN UND KLANGAPPARATUREN - Christof Schläger
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                        MUSIKMASCHINEN UND
                         KLANGAPPARATUREN
                                                                        Christof Schläger

                                                         Das münsterlandweite Klangkunstfestival
MUSIKMASCHINEN UND KLANGAPPARATUREN - Christof Schläger
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                                                         MUSIKMASCHINEN UND
                                                         KLANGAPPARATUREN
                                                         Klangparcours | Christof Schläger

                                                         Ausstellungshalle Hawerkamp

                                                         30.05. – 20.06.2021
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                                                                                                 Grußwort | Isabel Pfeiffer-Poensgen                      Grußwort | Dr. Andrea Firmenich

                                                                                                 In ihrer Breite und Vielfalt bereichert die kulturelle   Aus der zarten Pflanze SOUNDSEEING, die im Jahr 2009
                                                                                                 Landschaft Nordrhein-Westfalens das Land auf einzig-     als Initiative des DA, Kunsthaus Kloster Gravenhorst in
                                                                                                 artige Weise. Überall verbinden sich spannende Orte      Hörstel gemeinsam mit der Musikhochschule Münster
                                                                                                 mit neuen Ideen. Ein herausragendes Beispiel ist das     und dem Kulturzentrum cuba-cultur aufkeimte, ent-
                                                                                                 Klangkunstfestival SOUNDSEEING, das im ganzen            wickelte sich erfreulich rasch ein einzigartiges Netzwerk.
                                                                                                 Münsterland historische Orte, Industriebauten und        Dazu konnte die Förderung der Kunststiftung NRW in der
                                                                                                 Gärten mit aktuellen und experimentellen Klängen         Vergangenheit beitragen. Inzwischen wird das Festival
                                                                                                 füllt und ihre Wahrnehmung verändert.                    von der Landesmusikakademie NRW getragen.
                                                                                                 Seit vielen Jahren ermöglicht ein starkes Netzwerk       Höhepunkte 2021 sind drei große Einzelausstellungen von
                                                                                                 aus elf Partnern diese Kulturerlebnisse im ländlichen    Christina Kubisch, Frauke Eckhardt und Christof Schläger.
                                                                                                 Raum und inspiriert mit seinem vielfältigen Programm     Die international renommierten Klangkünstlerinnen
                                                                                                 Zuhörerinnen und Zuhörer jeden Alters. Dieses            und -künstler versprechen mit ihren Arbeiten in Hörstel,
                                                                                                 wichtige Engagement unterstützt die Landesregierung      Bocholt und Münster das Erlebnis einer beeindruckenden
                                                                                                 gerne.                                                   Bandbreite der Klangkunst.
                                                                                                 Ihnen allen wünsche ich viele »unerhörte«                Besonders freut mich, dass die Ausstellungen dauerhaft
                                                                                                 Erlebnisse und dem Festival, den schwierigen             nicht nur in Katalogen, sondern auch online erlebbar sind
                                                                                                 Umständen zum Trotze, viel Erfolg.                       – eine tolle Möglichkeit für jeden, sich der Klangkunst
                                                                                                                                                          intensiv zu nähern.

                                                                                                 Isabel Pfeiffer-Poensgen
                                                                                                 Ministerin für Kultur und Wissenschaft                   Dr. Andrea Firmenich
                                                                                                 des Landes Nordrhein-Westfalen                           Generalsekretärin | Kunststiftung NRW

                             cuba-cultur | Münster       Ausstellungshalle Hawerkamp | Münster
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                          Vorwort | SOUNDSEEING – das münsterlandweite Klangkunstfestival

                          Als SOUNDSEEING im Jahr 2009 mit einer ersten Klangkunstausstellung und experimentellen Konzerten im DA, Kunsthaus
                          Kloster Gravenhorst und in Münster startete, war nicht annähernd abzusehen, welche Entwicklung das Vorhaben nehmen
                          würde. Heute, zwölf Jahre später, ist SOUNDSEEING zu einem großen, spartenübergreifenden und kooperativen Klangkunst-
                          festival im Münsterland geworden, das an 13 Veranstaltungsorten mit Ausstellungen, Konzerten und Workshops ein ein-
                          maliges, sinnliches Erleben von Klängen ermöglicht.
                          Dabei werden alle nur denkbaren Präsentationsformen von Klangkunst in die Breite des Münsterlandes gebracht und er-
                          reichen so ein großes und bunt gemischtes Publikum. Von Workshops und Mitmachaktionen zum Thema »Klang für Kinder
                          und Familien« über experimentelle Konzerte mit Elektronik oder selbstkonstruierten Instrumenten und Performances bis
                          hin zu großen Ausstellungen mit bedeutenden internationalen Klangkünstlerinnen und -künstlern – die Klangkunst öffnet
                          mit ihren ganz speziellen Möglichkeiten die Ohren, Augen und Herzen der Besucherinnen und Besucher.

                          »Musikmaschinen und Klangapparaturen«, so nennt der in Herne lebende Klangkünstler Christof Schläger seine Aus-
                          stellung am Hawerkamp in Münster. Eine Auswahl seiner ungewöhnlichen akustischen Klangobjekte wie Whupi, Chromix,
                          Typedrum und Schwirrer bilden dort einen raumfüllenden und äußerst anregenden Klangparcours.

                          Das Cultur- und Begegnungszentrum Achtermannstraße e. V. (cuba-cultur) in Münster war 2009 einer der Mitbegründer
                          von SOUNDSEEING und ist vertreten durch Erhard Hirt weiterhin Partner – auch für die Ausstellung auf dem kultURgelände
                          Hawerkamp 31 e. V.

                          Unser herzlicher Dank gilt den fördernden Institutionen, den Kunstschaffenden, den Mitveranstalterinnen und -veranstaltern
                          sowie dem ganzen Team für die vertrauensvolle, konstruktive und angenehme Zusammenarbeit.

                          Prof. Stephan Froleyks              Antje Valentin
                          Kurator | SOUNDSEEING               Direktorin | Landesmusikakademie NRW

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                                                         Urbane Rituale
                                                         1

                                                         Als Jugendlicher eifert Christof Schläger dem antiken Philosophen Diogenes nach. Ein halbes      Am ehesten vielleicht ist Christof Schläger Lebenskünstler, wenn man diese Bezeichnung ernst
                                                         Jahr lang lebt er in einem Zimmer, das er zu einer leeren Tonne umgestaltet hat. Später baut     nimmt und damit nicht einen Menschen meint, der ohne rechtes Ziel durchs Leben vagabundiert.
                                                         er polyedrische und kugelförmige Räume, die er als Wohnskulpturen nutzt. Dann beschäftigt        Bei Schläger bilden Leben, Arbeit, Kunst und Denken einen Komplex, in dem alles miteinander
                                                         er sich mit dem Klavier. Er empfindet es als zu begrenzt in seinen Klangmöglichkeiten.           verwoben ist. Vor allem möchte er wissen, wie die Welt funktioniert. Er interessiert sich für
                                                         Deshalb präpariert er die Filze der Hämmer mit Reißnägeln und bringt Ketten an den Saiten        Philosophie und Physik. Auf Erkenntnissen aus diesen Bereichen basiert der ästhetische Ansatz
                                                         an. Die Maschinenhalle der ehemaligen Zeche Teutoburgia in der Ruhrgebietsstadt Herne hat        seiner künstlerischen Arbeit. Sie sind ein wesentlicher Impetus für ihre konkrete Ausformung.
                                                         er mit seinen übermannshohen Klangmaschinen gefüllt. Im Souterrain der Halle befinden
                                                         sich Werkstätten und Aufenthaltsräume. Dort gibt es einen Holzofen. Dieser ist die einzige       2
                                                         Heizung im ganzen Gebäude, und im Winter ist es eiskalt. Christof Schläger hat farbenfrohe,
                                                         abstrakte Skulpturen in Gänge und Flure des Gebäudes gestellt, die Wände nach eigenen            Die Philosophie ist der Ausgangpunkt von allem. Sie öffnete dem Künstler den Blick auf
                                                         Entwürfen gekachelt und auf dem Weg zur Toilette Schaukästen eingerichtet, in denen Kunst-       verschiedene Lebensentwürfe. Früh begeisterte er sich für den antiken Philosophen
                                                         objekte zu sehen sind. Hier hält er sich auf, wenn er seine Instrumente entwickelt. Ansonsten    Diogenes, der sich mit der Befriedigung von Elementarbedürfnissen begnügte und jeg-
                                                         lebt er mit seiner Frau Marjon Smit, die Mitproduzentin seiner Präsentationen ist, im nieder-    liches Leistungs- und Besitzstreben ablehnte. »Geh mir nur ein wenig aus der Sonne«,
                                                         ländischen Amstelveen. Seine Klangmaschinen führt er weltweit vor – in New York, Warschau,       antwortete er dem berühmten Feldherrn Alexander, als dieser ihn nach seinen Wünschen
                                                         Gent, Amsterdam, Ramallah, Sofia, Luxemburg, Tel Aviv, Barcelona, Helsinki und Shanghai.         fragte. Christof Schlägers monatelanges Leben in einem zur Tonne umgebauten Zimmer
                                                                                                                                                          dokumentiert sein Bedürfnis, Theorien und Prinzipien, die ihn faszinieren, in seinem
                                                         Schlaglichter aus Christof Schlägers Leben: Doch welchem Beruf geht der 1958 geborene            Leben zu konkretisieren und am eigenen Leibe nachzuempfinden.
                                                         Künstler nun eigentlich nach? Offensichtlich ist er Instrumentenbauer. Seine Schöpfungen
                                                         sind Klangerzeuger, auf denen Musik gespielt werden kann. Er nennt die Apparate aber nicht       Neben Philosophie las Schläger viel über Physik, weil er die Gesetze, die unsere Welt be-
                                                         Instrumente, sondern Klangmaschinen, als seien sie etwas Technisches. Tatsächlich fordert        herrschen, verstehen möchte. »Ich entdeckte den Urknal«, berichtet er. Er glaubte dem
                                                         ihr Bau erhebliches handwerkliches Geschick und detaillierte Kenntnisse in Materialwesen         Heilsversprechen der klassischen Physik, dass, erforsche man nur das Innere der Atome
                                                         und Elektrik; zwei Jahre lang hatte Schläger Verfahrenstechnik studiert. Dann ist er natürlich   gründlich genug, man alles Geschehen irgendwann begreifen könne. Aber das Eindringen
         Klang- und Lebensort von Christof Schläger:     Komponist, denn er schreibt Musikstücke für seine Maschinen. Dabei bedient er sich zeitge-       in den Mikrokosmos führte, wie man seit etwa hundert Jahren weiß, zum Gegenteil. Die
           die Maschinenhalle der Zeche Teutoburgia      nössischer Kompositionstechniken aus der Minimal Music. Schließlich ist er bildender Künst-      Quantenphysik hat unsere Alltagserfahrung der Realität, sie sei ein dreidimensionaler
                                                                                                                                                                                                                                                       oben: Fenster der Diogenes-Tonne
                                                         ler. Er orientiert sich zwar beim Entwurf und Bau der Instrumente auf die Klangerzeugung,        Raum mit einer vorwärtsfließenden Zeit, als Illusion entlarvt. Statt ihre Geheimnisse        unten: Urknall Sphäre
                                                         behält jedoch stets ein Auge auf die optische Wirkung seiner Kreationen. Seine Maschinen         aufzudecken, zeigt uns die Wissenschaft eine Welt voller Rätsel, und je tiefer man blickt,
                                                         sind, auch unabhängig von ihren klanglichen Fähigkeiten, skulpturale Gebilde.                    desto geheimnisvoller wirkt sie auf uns.
                _6                                                                                                                                                                                                                                                                        _7
MUSIKMASCHINEN UND KLANGAPPARATUREN - Christof Schläger
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                          Heute meint Christof Schläger, dass das derzeitige Forschen niemals in der Lage sein werde, die Mysterien des Welt-          Tarkowski nennt diesen Raum »Zone«. Akustisch gesehen bewegt sich Christof Schläger in einer solchen Zone, seit er 1984
                          geschehens zu enthüllen. So fühlt sich der Künstler zurückgeworfen auf das eigene Erleben und Empfinden, um Wirklich-        begann, Klangmaschinen zu bauen. Die Klangwelten, die dabei entstehen, sind theoretisch nicht zu fassen, aber dennoch
                          keit zu erfahren. Es geht ihm um Authentizität, und um das zu erreichen, hat er dem Mikrokosmos auf seine Weise              auf je individuelle Weise strukturiert und ganz direkt erlebbar.
                          nachgespürt.
                                                                                                                                                       Nachdem Schläger mit dem Überschreiten der Gren-
                          3                                                                                                                            zen des klassischen Klavierspiels den ersten Schritt
                                                                                                                                                       in seine »Zone« unternommen hatte, begann er, die
                          Das begann mit dem Klavierunterricht, den Schläger einige Jahre lang erhielt. Die Tastatur des Instruments verkörpert        Klangwelt, die uns alltäglich umgibt, zu erforschen.
                          paradigmatisch unser modernes europäisches Tonsystem: eine Unterteilung der Oktave in zwölf Töne in genau gleichem           Er machte Tonaufnahmen in Industrieanlagen,
                          Abstand. Das hat den Vorteil, dass man diese Töne, wie normierte Legosteine, als griffige Bauelemente fürs Komponieren       Zechen, Kanälen und auf Autobahnbrücken.
                          nutzen kann. Aber dieses System ist ein abstraktes, künstlich geschaffenes. Es beruht nicht auf den natürlichen Eigen-       Mit seinen Aufnahmen horchte er in diese Klangwelt
                          schaften von Schwingungen und Wellen. Es »widersprach einer ganz anderen Erfahrung, die ich mit meiner Umwelt                hinein, musste beim Abhören jedoch feststellen, dass
                          gemacht hatte. Diese Welt war eben voller Maschinen, voller Geräusche, ein Universum von Krach, von Lärm, bedrohlich         etwas Essenzielles verloren gegangen war. Den aus
                          natürlich, aber eben auch faszinierend«, sagt Christof Schläger.                                                             den Lautsprechern klingenden Geräuschen fehlte die
                                                                                                                                                       Aura des direkt erlebten Klangs. Seitdem stand für Christof Schläger fest, dass er etwas machen wollte, das direkt
                          Der französische Komponist Pierre Schaeffer hatte im 1966 veröffentlichten »Traité des objets musicaux« begonnen,            geschieht und unmittelbar wahrgenommen werden kann, etwas, bei dem er sich von der Quelle des Geschehens nicht
                          Geräusche, Krach und Lärm nach ihren Eigenheiten zu klassifizieren. Jedoch bleibt jedes Geräusch, so ähnlich es einem        entfernen muss.
                          anderen auch sein mag, ein Einzelphänomen, eine singuläre, einzigartige und komplexe Klangerscheinung. Das steht der
                          Formulierung eines musikalischen Systems entgegen. Geräusche kann man schlecht in ein Schema pressen, und jeder              4
                          Versuch, dies zu tun, ist bisher gescheitert. Sie befinden sich außerhalb eines Raums, der durch ein Ton- oder Klangsystem
                          abgesteckt werden kann.                                                                                                      Ohne Zweifel ist Christof Schläger vom Ruhrgebiet inspiriert. Eine solche Umgebung ist ihm von Kindheit an vertraut.
                          Ihnen haftet Unkontrollierbares, Unbezähmbares und Archaisches an. Im Film »Stalker« hat der russische Regisseur             Bis 1968 lebte er in Konin, seit 1991 übrigens eine Partnerstadt von Herne, die mitten in Polen an der Bahnstrecke von
                          Andrei Tarkowski einen solchen Raum ins Bild gesetzt. »Vollkommen menschenleer wirkt dieses Gebiet mit seinen zerstör-       Berlin über Warschau nach Moskau liegt und ein Zentrum der Braunkohlegewinnung und Aluminiumverhüttung ist.
                          ten und unter Wasser stehenden Industrieanlagen wie nach einer nuklearen Katastrophe. Erst als die Männer den Jeep mit       Im Ruhrgebiet spielen die Förderung von Kohle und die Stahlindustrie kaum noch eine Rolle. Doch weiterhin steht die
                          einer Draisine vertauscht und mit dieser eine endlos scheinende Strecke hinter sich gebracht haben, umfängt sie auf ein-     Region symbolhaft für diese Industriezweige ein.
                          mal Vegetation, tropisch üppige sogar, doch immer noch durchsetzt von den Zeugnissen einer zerstörerischen Zivilisation:     Christof Schläger lauschte unter anderem der nächtlichen Geräuschkulisse des Ruhrgebiets. Er interessiert sich für
                          zerborstenen Panzern, Beton-Unterständen, kasernenartigen Ruinen, verrostenden Drogenspritzen im Wasser.«                    Strukturen, die in diesem vielgestaltigen Rauschen zu entdecken sind, für die Variationen verschiedener Rauschklänge
                          (Peter Hamm, in: Der Spiegel 19/1981, S. 255–257)                                                                            und ihre ganz unterschiedlichen Farbigkeiten.

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                          Durch den Strukturwandel der letzten Jahrzehnte ist zwar der industrielle Lärm verschwunden. Doch die dichte Besiedlung     maschinenmotoren, die wiederum, einer nach dem anderen, an langen Stangen befestigt sind. Durch die Rotation, in die
                          der Region und das engmaschige Autobahnnetz erzeugen Geräusche, die auch nachts permanent vernehmbar sind.                  die Motoren die Schläuche versetzen, beginnen sie zu singen. Mit der Rohrlänge kann Schläger Einfluss auf die Tonhöhe
                          »Das Hauptmerkmal der städtischen Lautsphäre ist ziellose Bewegung, und sie ist am deutlichsten aus der Ferne oder in       nehmen und ist jetzt dabei, das Instrument zu perfektionieren. Er möchte jeden einzelnen Schlauch mit unterschiedlichen
                          tiefer Nacht zu hören. Es ist das kontinuierliche Niederfrequenzdröhnen, das man von einem benachbarten Hügel oder          Drehzahlen laufen lassen, um eine größere Vielzahl an Tönen erzeugen zu können.
                          durch ein offenes Fenster in den frühen Morgenstunden hört«, schreibt der kanadische Klangkünstler Murray Schafer über
                          diese Klangwelt, die dem technologischen Zivilisationsprozess geschuldet ist. (Klang und Krach, Frankfurt 1988, S. 284)     Ein ganz banales Ereignis brachte Schläger zur Konstruktion des »Brausers«. Der Künstler erzählt, dass sich ein Stück
                          Sie ist unendlich vielschichtig und öffnet dem künstlerischen Schaffen breite Räume.                                        Plastikfolie in seiner Bohrmaschine verheddert hatte und dabei ein flattriges Geräusch zu hören war. Der »Brauser«
                                                                                                                                                      produziert tatsächlich ein solches Geräusch. Auf über 3 Meter hohen, dünnen Stäben sind Motoren befestigt und an diesen
                          5                                                                                                                           kreisförmige Folien. Die Motoren bringen die Folien zum Rotieren. Durch Variationen der Geschwindigkeit kann dieses
                                                                                                                                                      Instrument leicht flirrende, windähnliche oder heftig brausende Geräusche hervorbringen.
                          Nicht ohne Grund sind Schlägers Instrumente Maschinen, die schnaufen, rattern und Tonqualitäten besitzen, die oberfläch-    Außerdem ist der »Brauser« eines der schönsten Objekte in Christof Schlägers Klangmaschinenpark. Mit seinen langen,
                          lich gesehen der Geräuschkulisse einer Industrieanlage entstammen könnten. Auch das technische Äußere der Maschinen         filigranen Stäben, die zu Bündeln zusammengefasst sind, wirkt er wie eine Gruppe schlanker Bambuspflanzen. Dass die
                          weist auf Industrielles. Das macht das Besondere der Instrumente aus. Klangerzeuger anderer Instrumentenbauer ähneln        Stäbe im Betrieb ein wenig schwanken, trägt zum floralen Charakter der Maschine bei, ebenso die blaue und rote Färbung
                          häufig Musikinstrumenten. Schlägers Kreationen hingegen wollen ganz bewusst wie Maschinen wirken. Sie bestehen aus          der Folien, die wie leuchtende Blüten auf den Stäben sitzen.
                          unverkleideten technischen und elektrischen Bauteilen: Stahlrohre, Schläuche, grobe Federn, Klingeln, kleine Motoren
                          und viele Kabel, die sich, sorgfältig gebündelt, wie Adern an den Maschinen entlangziehen und sie mit Strom und Steuer-     6
                          signalen versorgen.
                                                                                                                                                      Die Gestalt von Christof Schlägers Klangmaschinen resultiert einerseits aus ihrem maschinellen Charakter, mit dem der
                          Eine weitere Inspirationsquelle für die Entwürfe der Klangmaschinen ist der Alltag. Bei den meisten Instrumenten weiß       Künstler Signaturen unserer technologischen Welt aufgreift. Ganz bewusst liegt die Technik der Maschinen offen. Schläger
                          Christof Schläger noch genau, was ihn inspirierte. Beim »Typedrum« war es das Rattern elektrischer Typenrad-Schreib-        verbirgt das Konstruktive nicht. Ganz dicht kann man zum Beispiel an das »Typedrum« herantreten und sämtliche Details
                          maschinen. Er verwendete Magnete aus diesen Schreibmaschinen und baute einen Mechanismus, um mit ihnen ver-                 der kleinen Nähmaschinenmotoren sowie deren Verkabelung erkennen. Die optische Erscheinung der Maschine offenbart
                          schieden große Tamburine anzuschlagen. Diese sind an einem 3 Meter hohen und 3,80 Meter breiten Metallbogen be-             ihre Funktion. Alles ist authentisch und der unmittelbaren Erfahrung zugänglich.
                          festigt. Alle Elemente dieses Geräts hat Christof Schläger selbst angefertigt, die Tamburine, den Anschlagmechanismus       Andererseits inspirierten Schläger Erscheinungsformen der bildenden Kunst. Auf den ersten Blick könnten seine Maschi-
                          und natürlich die Gesamtkonstruktion.                                                                                       nen einer fremden oder zukünftigen Welt entstammen. Denn Schläger hat beim Entwurf seiner Geräte Anregungen aus
                          Das gilt auch für den »Schwirrer«, der mit 7 Metern Länge und 3,50 Metern Höhe noch größere Ausmaße hat. »Um mein           dem Science-Fiction-Genre aufgenommen. Auch gibt es Referenzen zum Futurismus mit seiner Technikverherrlichung
                          Auto zu reinigen hatte ich den Staubsaugerschlauch mit einem Kabelleerrohr verlängert. Ein unglaublich durchdringender      und zum Kubismus mit seinen kantigen, ineinander verkeilten Formen. Schlägers Konstruktionen lassen eine Nähe zu den
                          Ton entstand«, berichtet Schläger über die Idee zu dem Instrument. Es beruht letztlich auf einem Effekt, den jeder kennt.   Plastiken von Alexander Calder spüren. Ähnlich wie die Mobiles des US-amerikanischen Künstlers sind Schlägers Arbeiten
                          Schwingt man einen Plastikschlauch in der Luft, entsteht ein Ton. Christof Schläger montierte 80 Schläuche an Näh-          große, bewegliche Objekte. Jean Tinguelys Werke regten Schläger dazu an, einige Bauteile seiner Klangmaschinen mit

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                          markanten Farben zu versehen. Surrealistische Aspekte finden sich im Zusammenspiel der Formen, in den Verbindungen           Die Geräuschkompositionen von Luc Ferrari kannte Schläger bereits
                          und Verschlingungen von kleinen Motoren, zurechtgeformten Dübeln, unterschiedlich farbigen Drähten und Kabeln,               als Jugendlicher; 2003 kam der französische Komponist nach Herne,
                          Kompressorschläuchen sowie Stäben und Halterungen, die manchmal an Insektenbeine gemahnen.                                   um mit dem Klangmaschinenbauer ein gemeinsames Konzert zu
                          Durch ihre skulpturalen Züge betreten Christof Schlägers Klangmaschinen einen ästhetischen Raum, in dem die Sach-            geben. Schläger bewundert die mit Musikinstrumententeilen gebauten,
                          lichkeit des Technischen ins Spielerische umschlägt. Die Maschinen sind detailverliebt gebaut und mit einer Spur Humor       klingenden Skulpturen des Künstlers Gerhard Trimpin und, wie schon
                          entworfen. Dieses Spielerische jedoch löst sich nicht von der Funktion der Maschine, sondern bleibt aufs Innigste mit ihr    gesagt, die farbenprächtigen, kinetischen Maschinen Jean Tinguelys.
                          verbunden.                                                                                                                   All diese Kunstphänomene bilden eine geistige Wolke, die ihn voran-
                                                                                                                                                       getrieben und sein Komponieren beeinflusst habe, sagt Schläger.
                          Nicht zuletzt deshalb könnte Christof Schlägers Arbeit als Statement zum Umgang unserer Gesellschaft mit Technologie         Die Kompositionen, die er für seine Maschinen entwirft, folgen Prinzi-
                          interpretiert werden. Technik scheint uns unverzichtbar und das einzige Mittel, um die Probleme dieser Welt zu lösen.        pien der Minimal Music. Sie bestehen aus kleinen Mustern oder Pat-
                          Doch die Realität sieht anders aus. Die Konstruktion von Geräten und Maschinen folgt oft einer technizistischen Ideologie,   terns, die gereiht, ineinander verschränkt und nach und nach variiert
                          bei der das Machbare gemacht wird, ohne nach seiner Sinnhaftigkeit zu fragen. Im großen Maßstab lässt sich das im            werden. Das führt zu stets neuen Kombinationen und Abläufen und
                          Umgang mit Kernenergie oder Gentechnik beobachten. Beide Techniken werden seit vielen Jahrzehnten mit Macht voran-           ähnelt auch den Gestaltungsprinzipien von Musikstilen wie HipHop
                          getrieben, ohne ihr Gefahrenpotenzial zu berücksichtigen oder ihre Beherrschbarkeit im Auge zu behalten. Im Kleinen geht     oder Techno.
                          das auf Kosten einer sinnvollen oder pragmatischen Funktion, begonnen beim viel zu kurzen Stromkabel vieler Haushalts-
                          geräte bis hin zur Überladung von Geräten mit Funktionen, die niemand jemals braucht. Im Vergleich dazu scheinen             Um komplexe Reihungen und Schichtungen dieser Patterns zu gene-
                          Christof Schlägers Maschinen die besseren zu sein. Sie sind zweckmäßig bis ins Detail. Sie sind beherrschbar. Sie erfüllen   rieren, verwendet Christof Schläger grafische Modelle. Zum Beispiel
                          aufgrund ihrer Konstruktion ihre Funktion, nicht mehr und nicht weniger, und sie bilden darüber hinaus einen Zusammen-       zeichnet er eine Serie unterschiedlich großer Walzen, die mit Mustern
                          klang von Konstruktion, Funktion und Ästhetik. Sie könnten Vorbilder für einen sinnbehafteten Einsatz von Technik über-      bemalt sind und sich gegeneinander drehen. Dabei kehren die Muster
                          haupt sein.                                                                                                                  immer wieder, jedoch in stets neuen Kombinationen. Andere Zeichnun-
                                                                                                                                                       gen zeigen unterschiedlich große, mit Symbolen versehene Zahnräder.          oben: Klangorganisation
                          7                                                                                                                            Sie greifen in verschiedenen Anordnungen ineinander und erzeugen             unten: »Urban Horns« – Eisbrecher URHO 2013
                                                                                                                                                       ebenfalls komplexe, sich stets verändernde Strukturen der Symbole.
                          Und die Musik? Schließlich sind Christof Schlägers Maschinen Musikinstrumente. Ihre primäre Aufgabe ist das Erzeugen
                          von Tönen, Klängen und Geräuschen. Als kompositorische Vorbilder benennt er den Komponisten Mauricio Kagel und               2007 begann Schläger mit Schiffshörnern in Außenräumen zu arbeiten und mit ihnen Quadratkilometer große Landschafts-
                          dessen Konzept des instrumentalen Theaters. Ihn fasziniert die Idee, die Aktion des Musizierens als szenisches Element       areale zu bespielen. Schläger platziert mehrere Schiffshorngruppen weit auseinander oder kombiniert feste Standorte mit
                          in den Vordergrund zu rücken. Tatsächlich ist es ein besonderes Erlebnis, Schlägers Maschinen in Aktion zu erleben, zu       beweglichen Positionen auf Zügen oder Schiffen. Wegen der geringen Schallgeschwindigkeit von 343,46 Meter pro Sekunde
                          sehen, wie sie zum Leben erwachen, dabei erzittern und erbeben und schließlich beginnen, Musik von sich zu geben.            bei 20 Grad Celsius in normaler Luft kommt so die Zeit ins Spiel. Es vergehen eine halbe, eine oder zwei Sekunden, bis der

               _12                                                                                                                                                                                                                                                                  _13
MUSIKMASCHINEN UND KLANGAPPARATUREN - Christof Schläger
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                                                                                                                                                             Geräuschgestalten
                                                                                                                                                             I
                                                                                                                                                             88 Tasten sind nicht genug, sagt der Klangkünstler
                                                                                                                                                             ich arbeite mit Röhren, Hämmern und Blechen
                           Schall einer Schiffshorngruppe den Zuhörer erreicht, wohingegen die Töne anderer Gruppen früher ankommen. An ver-                 ich lasse Sirenen erklingen und Hörner
                           schiedenen Orten des Aufführungsareals vermischen sich somit die Tonfolgen der Schiffshorngruppen auf verschiedene                ich lasse Signalgeber Knackdosen-Ketten formen
                           Weise. Welche Ton- und Klangkombinationen zu hören sind, hängt vom Standpunkt des Hörers ab. Außerdem bricht sich der             ich peitsche die Luft, wirbel sie auf und zwing sie durch Lochscheiben
                           Schall auch an Landschaftsmarken, an hohen Gebäuden etwa, und erreicht von diesen reflektiert den Hörer. Somit tragen             bei mir dröhnen Metalle durch Magneten
                           nicht nur die Klangquellen, die der Künstler im Landschaftsraum postiert, zum entstehenden Stück bei, sondern auch die            alles
                           topografischen Eigenheiten des Raums.                                                                                             nur kein Lautsprecher
                                                                                                                                                             Knackdose, Whupi, Klöpper und Chromix,
                                                                                    8                                                                        Drum-Gate, Brauser, Schwirrer und Hopper
                                                                                                                                                             Geräuschgestalten
                                                                                    Mit all diesen Materialien, Konstrukten und Konzepten sucht Christof
                                                                                    Schläger nach unmittelbaren Erfahrungen. Er erforscht den Mikrokos-      II
                                                                                    mos seines Materials, schöpft aus diesem künstlerische Ideen und         es braucht ein offenes Ohr für die Welt der Klänge
                                                                                    formt den Makrokosmos seiner Klangmaschinen.                             es braucht audio-visionäres Potential
                                                                                    Diese Maschinen besitzen eine materielle Präsenz, die man erleben        es braucht Ingenieurskunst und Elektro-Nagler
                                                                                    muss. Christof Schlägers Kunst vermittelt sich kaum über Tonaufnah-      es braucht gerillte Schläuche mit Nähmaschinenmotoren
                                                                                    men oder Bilder. Auch Videos seiner Installationen und Präsentationen    es braucht alle Gewerke
                                                                                    sind lediglich Abbilder, welche das Entscheidende nicht zu fassen ver-   alles
                                                                                    mögen. Zu eng ist die Kunst mit der Aktion verbunden. Man muss ein-      was jetzt sanft puckert und mal kräftig, mal zart den Raum
                                                                                    fach dabei sein, wenn die Maschinen sich bewegen, ächzen, vibrieren      und unser Hören bereichert
                                                                                    und erzittern. Man muss spüren, wie die lauten Töne der Schiffshörner    wie lange ist daran recherchiert, organisiert, gezeichnet und konstruiert
                                                                                    durch Mark und Bein dringen, um den Zauber von Christof Schlägers        geschweißt, geschmiedet, gesägt, gehämmert
                                                                                    Arbeiten zu begreifen. Denn häufig bezieht der Künstler die Umgebung     gegossen und gelötet worden
                                                                                    mit ein und gestaltet mit seinen Klangmaschinen Räume und Plätze in      es braucht Geduld und Beharrlichkeit
                                                                                    Großstädten. Die Klänge, der Raum und seine Strukturierung sowie         es braucht gute Nerven
                                                                                    seine optische Inszenierung durch farbiges Licht fügen sich zu einem
                               »Betonpumpen Ballett« | Kulturhauptstadt Ruhr 2010
                                                                                    einzigartigen Gesamterlebnis.                                            Geräuschgestalten wachsen langsam

                                                                                    Dr. Hanno Ehrler | Musikwissenschaftler und Journalist                   Stephan Froleyks                                                            Ursprünglicher Aufstellungsplan
                                                                                                                                                                                                                                         für den Hawerkamp mit 15 Instrumenten
               _14                                                                                                                                                                                                                                                               _15
MUSIKMASCHINEN UND KLANGAPPARATUREN - Christof Schläger
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                                                          Schwirrer

                                                          Stahl, Kabel, Leerrohre, 8 Nähmaschinenmotoren

                                                          Ein gerillter Schlauch wird durch einen Nähmaschinen-
                                                          motor in Rotation versetzt. Eine Naturtonreihe erklingt.
                                                          Die gesamte Gruppe besteht aus acht Instrumenten
                                                          mit jeweils acht Rotoren. Es spielen also 64 rotierende
                                                          gerillte Schläuche.

                                                          700 x 350 cm | 2000

                                                                                                                     _17
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                                                          Knackdosen

                                                          Signalgeber, Kabel

                                                          An einem Kabel befinden sich im Abstand von je einem
                                                          halben Meter elektromagnetische Signalgeber. Werden
                                                          sie kurzgeschlossen, entsteht ein Knackgeräusch.
                                                          Das 32 Meter lange Kabel der Knackdosen-Kette kann
                                                          unterschiedlich angeordnet werden.

                                                          3200 cm | 1993

                                                          _18                                                    _19
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                                                          Typedrum

                                                          16 Magnete, Metall, Folien

                                                          Die ratternde Kulisse von elektrischen
                                                          Typenrad-Schreibmaschinen ist sehr selten
                                                          geworden. Meine Erinnerungen an frühere
                                                          Großraumbüros lässt sie sofort wiedererwachen.
                                                          16 Type-Writer-Magnete schlagen sehr schnell
                                                          auf gespannte Druckerfolien.

                                                          300 x 300 x 80 cm | 2005

               _20                                        _21
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                                                          Chromix

                                                          32 Magnete, Edelstahl-Chrombleche, Metall

                                                          Chromix besteht aus acht verschieden großen,
                                                          sechseckigen Edelstahl-Chromblechen. Sie sind
                                                          an ein Gestell mit zwei Trägerarmen montiert.
                                                          Die Bleche sind gekantet, um die Resonanzen zu
                                                          verstärken. Sie klingen durch Magnete, welche
                                                          die Eigenresonanz des Bleches anregen.
                                                          Der metallische Klang bewegt sich zwischen
                                                          Transformatorgeräusch und Donnerblech.

                                                          330 x 760 cm | 2001

                                                                                                           _23
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                                                          Klöpper 2

                                                          8 Stahl Klöpperböden, Kopiermaschinen, Magnete

                                                          Der erneuerte Klöpper wird zum ersten Mal im Hawerkamp
                                                          gezeigt und gespielt. Der Klangkörper besteht aus tief-
                                                          gezogenen Stahlblechen, den Klöpperböden. Acht Magnete
                                                          aus Kopiermaschinen schlagen auf die eingebrannten
                                                          Zungen. Der neue Klöpper besteht aus acht Klöpperböden
                                                          mit eingeschweißten Stahlböden. Die Klangzungen der
                                                          Klöpperböden sind auf eine Resonanz gleichgestimmt.

                                                          200 x 150 cm | 2021

               _24
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                                                                                                          Fizz

                                                                                                          8 geschliffene Stahlzylinder, 8 Getriebemotoren,
                                                                                                          Ausleger mit Bremselementen.

                                                                                                          Auch der Fizz ist im Hawerkamp zum ersten Mal zu sehen
                                                                                                          und zu hören. Eine alte Idee über die Klangerfahrung von
                                                                                                          bremsenden Güterzügen. Diese Klangkulisse schwingender
                                                                                                          Zugbremsen war der Ursprung, der über viele Wandlungs-
                                                                                                          prozesse zum »Fizz« wurde. Lautmalerisch bezieht sich
                                                                                                          der Name auf das Anschwingen der Reibekörper am Klang-
                                                                                                          zylinder.

                                                                                                          40 x 220 cm | 2021
                                                          Whupi

                                                          64 Dosen, Stahlrohr, Bleche, Schläuche

                                                          Metallmembranen in kleinen Metalldosen werden
                                                          in Schwingungen versetzt. Auf den Armen, die
                                                          bis zu 16 Meter Spannweite haben können,
                                                          wandert der Klang durch den Raum.

                                                          1600 x 400 cm | 1996

                                                          _26                                             _27
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                                                          Hopper

                                                          Eisenprofile, 8 Magnete, Steuerung

                                                          Magnete aus Elektro-Naglern sind an einen
                                                          kleinen Dreifuß geschraubt. Acht Hopper klopfen
                                                          und springen auf präparierten Holzboxen.
                                                          Die Resonanzboxen für die Hopper werden
                                                          im Hawerkamp erstmals vorgestellt. Je nach
                                                          Klangqualität des Fußbodens können die Hopper
                                                          auch direkt den Untergrund bespielen.

                                                          120 x 120 x 40 cm | 1993/2021

                                                                                                            Brauser                         Auf insgesamt acht über drei Meter hohen Stäben sind Motoren mit durchlöcherten
                                                                                                                                            Scheiben aus Kunststofffolie montiert. Bei schneller Rotation erzeugen sie einen
                                                                                                                                            stark geräuschhaften Klang. Die acht Stäbe stehen auf einem Gestell und wirken
                                                                                                                                            durch die rot oder blau gefärbten Folien wie langstielige Pflanzen in einer Vase.

                                                                                                            Stahlstäbe, 8 Motoren, Folien   330 x 160 cm | 2004
                                                          _28                                                                                                                                                               _29
Katalog_SCHLAEGER.qxp_Entwurf_2 06.06.21 16:33 Seite 32

                                                          Vita | Christof Schläger                                                                       Ausstellungen | Christof Schläger

                                                          Christof Schläger wurde 1958 in Beuthen (Oberschlesien) geboren und wuchs in der Indus-        Präsentationen und Konzerte mit den Klangmaschinen fanden unter anderem statt: Galerie Peinture Fraîche, Paris 1984
                                                          triestadt Konin auf. 1968 floh die Familie durch den »Eisernen Vorhang« ins Ruhrgebiet.        Next Wave Festival, New York 1989 | Triple-X-Festival, Amsterdam 1995 | Neue-Musik-Festival »Musiques en Scène«, Lyon
                                                          Von 1978 bis 1980 studierte Schläger Verfahrenstechnik an der Fachhochschule der West-         1996 | Musica Nova Festival, Sofia 1997 | Installation »Klappern und Flattern«, Stedelijk Museum Amsterdam 1998 | Kon-
                                                          fälischen Berggewerkschaftskasse in Bochum, entschied sich dann jedoch für ein Leben           zert »Basic Machines«, Gasteig München 1998 | Konzert »Humus«, Galerie für Moderne Kunst, Tel Aviv 1999 | World Music
                                                          als freier Künstler. Seit 1976 bereits hatte er sich künstlerisch betätigt und unter anderem   Days, Luxemburg 2000 | Konzert »Basic Machines«, Barcelona 2000 | Konzert, Donaueschinger Musiktage 2001 | Konzert
                                                          übermannsgroße Skulpturen aus aufblasbaren Schlauchsystemen entwickelt. Einige Jahre           »Electric Motion«, Stedelijk Museum Amsterdam 2002 | Eröffnungskonzert der World Music Days, Hongkong 2002
                                                          lang erhielt er Klavierunterricht. Das Präparieren des Instruments war ein Ausgangspunkt,      Konzert »Audiosphere«, Tel Aviv 2004 | Festival »Les Chants Mécaniques«, Lille 2004 | Art Cologne, Köln 2004 | Klangraum
                                                          sich experimentell mit Klängen zu beschäftigen, bis 1984 die erste Klangmaschine ent-          Flensburg 2007 | Konzert »Schwingungen«, Kulturhauptstadt RUHR, Herne 2010 | Konzert »Gegen den Strom«, Audio Art
                                                          stand. Mit ihr hatte Christof Schläger seinen Weg gefunden und bis heute etwa 35 solcher       Festival, Krakau 2011 | Eröffnungskonzert des Helsinki-Festivals 2013 | Konzert »Magic Sqare«, Electronic Music Week,
                                                          Maschinen gebaut. Seit 1996 ist er mit der Theaterdramaturgin Marjon Smit verheiratet          Shanghai 2013 | World Music Days, Breslau 2014 | Ausstellung »Urbane Rituale«, Herne 2014 | 300. Geburtstag der Stadt
                                                          und lebt im niederländischen Amstelveen.                                                       Karlsruhe 2015 | ExtraSchicht, Essen 2018 | World Minimal Music Festival, Amsterdam 2019 | Einzelausstellung »Electric
                                                                                                                                                         Motion«, Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg 2001
                                                          Seit 1987 leitet Schläger Ausstellungsprojekte in der Maschinenhalle Teutoburgia, deren
                                                          Räumlichkeiten die Stadt Herne ihm als Atelier und Konzertraum zur Verfügung gestellt          Preise und Auszeichnungen:
                                                          hat. Die Halle ist das einzige erhaltene Gebäude der gleichnamigen Zeche. Auf dem ehe-         Kunst im öffentlichen Raum, Lünen 1991
                                                          maligen Zechengelände hat Schläger Mitte der 1990er-Jahre den KunstWald Teutoburgia            Kunstpreis der Stadt Herne 1991
                                                          konzipiert. Mehrere Künstler entwarfen und platzierten Skulpturen auf dem Gelände. Seit        Computerkunstpreis des Museums Gladbeck 1994
                                                          2007 arbeitet Schläger mit Schiffshörnern und inszeniert Ausstellungen und Performances        »Golden Amadeus« beim Wettbewerb »Musik kreativ«
                                                          in Außenräumen unter Einbezug von Landschaftselementen.                                        der Musikhochschule Köln 1995
                                                                                                                                                         Deutscher Klangkunst Preis, Art Cologne 2004
                                                          www.christofschlaeger.de

                                                                                                                                                                                                                       Opening Minimal Music Festival | Amsterdam 2019

               _30                                                                                                                                                                                                                                                                  _31
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                            Impressum

                            Publiziert im Rahmen von:
                            SOUNDSEEING – das münsterlandweite Klangkunstfestival
                            März – September 2021

                            Träger und Herausgeber:
                            Landesmusikakademie NRW e. V.
                            Antje Valentin | Direktorin
                            Steinweg 2 | D-48619 Heek-Nienborg

                            Kurator: Stephan Froleyks

                            Ausstellung in der Ausstellungshalle Hawerkamp:
                            Aufbauassistenz: Kirsten Mühlbach und Hans Salomon (Hawerkamp e. V.) und Gerd Bruns (cuba e. V.)

                            Katalog:
                            Fotos: Andreas Lechtape (U 2, S. 2 o. u. re., 5, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 30, U 3, Rückseite)
                            Françoise Bolechowski (S. 31), cuba-cultur (S. 2 un.), Evonik (S. 14), Sabine Herke (S. 29), Harald Opel (S. 13 un.),
                            Gregor Schläger (Titel, S. 6)
                            Texte: Hanno Ehrler, Christof Schläger, Stephan Froleyks
                            Lektorat: Birgit Gropp | Projektbüro Kunst und Buch
                            Graphik Design: Sabine Herke | herkewerke
                            Druck: Wentker Druck | Auflage: 500

                            ISBN 978-3-00-068681-8

                            @ 2021

                                                                                                                                                                                    Träger:

         Gefördert durch:                                                             Ausstellungsort Münster:                                         Kultur- und Medienpartner:

                                                                                                                 KultURgelände                                                                Virtueller Rundgang durch die
                                                                                                                                                                                              Klangkunstausstellung in der
                                                                                                                                                                                              Ausstellungshalle Hawerkamp >
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                                       Mehr sehen und hören?

                          ISBN 978-3-00-068681-8
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