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Nachrichten aus Nachrichten aus der Wissenschaft Lebensmittel | Ernährung | Lebensstil | Nachhaltigkeit der Wissenschaft September 2021 Lebensmittel | Ernährung | Lebensstil | Nachhaltigkeit Wohin entwickeln sich Verpackungen? Potenzial und Grenzen von Reduktion und Kreislaufführung Dr. Carl Dominik Klepper, Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt e. V. Geschäftsführender Vorsitzender, Berlin Herausgeber: Dr. Frank Heckel – Lebensmittelchemisches Institut (LCI) des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie e. V., Köln Als PDF verfügbar unter: www.bdsi.de/presse/nachrichten-aus-der-wissenschaft/
Nachrichten aus der Wissenschaft Lebensmittel | Ernährung | Lebensstil | Nachhaltigkeit Wohin entwickeln sich Verpackungen? Potenzial und Grenzen von Reduktion und Kreislaufführung Dr. Carl Dominik Klepper, Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt e.V. Geschäftsführender Vorsitzender, Berlin Zusammenfassung Eine verpackungsfreie Welt ist eine Illusion. Denn Verpackungen sind nützlich. Sie schützen das Füllgut vor äußeren Einflüssen und helfen, Produkte effizient zu transpor- tieren und zu lagern. Verpackungen verhindern Beschädigung und Verderb und leisten einen Beitrag zur Reduktion von Lebensmittelverschwendung. In diesem Sinne gibt es auch klare Anforderungen des Gesetzgebers zu berücksichtigen. Klar ist auch: Es gibt keinen Zweifel, dass wir weniger Verpackungsmüll produzieren sollten, Abfälle besser trennen und recyceln müssen oder alternativ erneut nutzen können sollten. Das Zauberwort heißt Kreislaufwirtschaft. Jedoch sind die Herausforderungen hinsicht- lich Müll- und Rohstofftrennung sowie die Voraussetzungen für ein effektives ressour- censchonendes Recycling nicht immer leicht zu erfüllen. Schlecht getrennter Abfall, langanhaltende Verunreinigungen, kaum trennbare Verbundstoffe – all dies erschwert ein für zahlreiche Anwendungen nutzbares Recycling. Denn: Verpackungen für Körper- pflege- und Kosmetikprodukte sowie Lebensmittel stellen besondere Anforderungen an die Qualität der Rohstoffe. Für diesen Bereich ist die Verbesserung der Rezyklat-Quali- täten ein wichtiger Hebel, um die Qualitätsnachteile von Kunststoff-Rezyklaten gegen- über Neumaterial zu verringern. Es sind Investitionen in den technischen Fortschritt von Sortier- und Aufbereitungsprozessen, z. B. durch Einsatz digitaler Wasserzeichen oder chemischer Markierungen auf den Verpackungen notwendig. Verpackungen werden auch in Zukunft gebraucht, auf ihre Schutz- und Frischhaltefunk- tion kann in den meisten Fällen nicht verzichtet werden. Der Gesetzgeber darf folg- lich nicht der Versuchung von Detailregulierung und Verbotspolitik erliegen. So wäre beispielsweise eine Festlegung von starren Größenverhältnis-Vorgaben von Produkt zu Verpackung kaum praktikabel. Ein Verbot oder überbordende Belastung einzelner Verpackungsmaterialien kann zu ökologischen Rückschritten führen, wie es der aktuelle Boom von kaum recycelbaren Verbunden aus Papier und Kunststoff verdeutlicht. www.lci-koeln.de www.bdsi.de 13| 3
September 2021 Einleitung Zugzwang. Einhergehend mit einer zuneh- mend emotional geführten Debatte zum Die Corona-Pandemie ist auch an der Umgang mit Verpackungen – häufig unter- Zunahme von Verpackungsabfall ablesbar: legt mit Bildern von im Meer treibenden Vor allem die Lockdowns im Frühjahr und Plastiktüten und verunreinigten Land- Herbst 2020 haben eine sprunghafte schaften – hat die Vision der Kreislaufwirt- Zunahme bei Glas-, Kunststoff- und schaft Eingang in die Politik gefunden. Metallverpackungen in Privathaushalten Auch im „Europäischen Green Deal“, den mit sich gebracht [1]. Doch auch unabhän- die EU-Kommission im Dezember 2019 gig von der Pandemie steigen die Mengen vorgestellt hat, nimmt der Ansatz des zir- an Verpackungsabfällen pro Kopf und kulären Wirtschaftens einen prominenten haben im Jahr 2020 mit 18,9 Mio. Tonnen Platz ein. Weltweit in Deutschland einen neuen Rekordwert steigendes erreicht [2]. Die angestrebte Entkopplung Im Zentrum der Diskussion um Abfälle Abfallaufkommen des Verpackungsaufkommens vom Wirt- steht das Material Kunststoff. Ein Mate- schaftswachstum ist bisher noch nicht rial, das zwar äußerst vielseitig ist, aber Dafür sind u. a. sozio- ökonomische Faktoren gelungen. unbehandelt schwere Umweltschäden ursächlich: Die Zahl verursachen kann. Es ist grundsätzlich gut der Einpersonen- und Die Debatte um das nicht nur in Deutsch- recycelbar, dafür müssen aber häufig Vor- Seniorenhaushalte nimmt land, sondern weltweit steigende Abfall- aussetzungen wie ein sinnvolles „Design zu, Erwerbstätigkeit aufkommen [3] und daraus folgende for Recycling“ erfüllt sein. Welche Reak und Wohlstand steigen, Umweltauswirkungen bringt die Politik in tionen eine überhitzte Debatte auslösen Konsum- und Einkaufs- gewohnheiten wandeln sich. Dies bringt kleinere Füllgrößen, Nutzung von mehr Convenience- Produkten, häufigeren Außer-Haus-Konsum und mehr Onlinekäufe mit sich. Mit der Einwegkunststoffrichtlinie von 2019 hat die EU-Kommission Verkaufsverbote für bestimmte Produkte aus Kunststoff auf den Weg gebracht. Besteck oder Trinkhalme aus Kunststoff dürfen nicht mehr vertrieben werden, Trinkbecher hingegen schon, solange sie nicht aus Polystyrol sind. 4|13 www.lci-koeln.de www.bdsi.de
Nachrichten aus der Wissenschaft Lebensmittel | Ernährung | Lebensstil | Nachhaltigkeit kann, die ein Material einseitig dämoni- siert, zeigen die aktuellen Entwicklungen: Sogenannte Verbundmaterialien, die an Papier erinnern, erleben einen Boom. Gerade im Lebensmittelbereich reichen die Schutzeigenschaften von Papier häufig nicht aus, daher werden die Papierhüllen oft mit Kunststoff beschichtet. Der entste- Anteil der Camembert- Anteil der Rindersteak- Verpackung an der Verpackung hende Materialmix überfordert moderne CO2-Bilanz: an der CO2-Bilanz: Recyclinganlagen, so dass eine ausschließ- 1 – 1,5 % 0,7 % lich thermische Verwertung, d.h. Verbren- nung, der wertvollen Rohstoffe Kunststoff und Papier die Folge ist. oder verdirbt und neu produziert werden Im Vergleich mit einem Die Politik nimmt Plastik besonders ins müsste. Denn der Verpackungsanteil an unverpackten Produkt kann die Verpackung zur Verbesse- Visier. Mit der Einwegkunststoffrichtlinie der CO2-Bilanz des verpackten Produkts rung der CO2-Bilanz beitragen, von 2019 [4] hat die EU-Kommission etwa, ist in der Regel gering. Er reicht von der wenn das Produkt ansonsten häufiger beschädigt wird oder wohl bewusst kurz vor der Europawahl, Butter mit 0,4 %, über das Fischstäbchen verdirbt und neu produziert Entschlossenheit zeigen wollen und Ver- mit 3,2 % bis zur Milchschokolade mit etwa werden müsste. Denn der kaufsverbote für bestimmte Produkte aus 7,0 % [5]. Verpackungsanteil an der CO2-Bilanz des verpackten Kunststoff auf den Weg gebracht. Watte- Produkts ist in der Regel stäbchen, Besteck, Trinkhalme oder Luft- In vielen Fällen kann auf Verpackungen gering. ballonstäbe aus Plastik dürfen nicht mehr verzichtet werden, etwa bei regional her- vertrieben werden. Darüber hinaus wer- gestellten Produkten. Eine verpackungs- den weitere Produkte, wie etwa Trink freie Welt wird es in modernen Gesell- becher, neuen Regeln unterworfen. Dazu schaften aber nicht geben. Verpackungen zählen eine Verpflichtung der Gastrono- mie, alternative Mehrweglösungen anzu- bieten und eine Kostenbeteiligung der Hersteller für die Reinigung von verunrei- Verpackungen sind nützlich nigten öffentlichen Flächen. und verhindern Beschädigung Wo sind Verpackungen und Verderb und leisten einen das Problem und wo die Beitrag zur Reduktion von Lösung? Lebensmittelverschwendung. Verpackungen sind nützlich. Sie schützen das Füllgut vor äußeren Einflüssen und helfen, Produkte effizient zu transportie- ren und zu lagern. Verpackungen verhin- müssen daher umweltfreundlicher und dern Beschädigung und Verderb und leis- kreislauffähiger werden. Und sie sollten ten einen Beitrag zur Reduktion von Sekundärrohstoffe enthalten, um den Lebensmittelverschwendung. Im Ver- Wertstoffkreislauf zu schließen. Insbeson- gleich mit einem unverpackten Produkt dere Kunststoff-Verpackungen könnten kann die Verpackung zur Verbesserung deutlich mehr sogenannter Rezyklate der CO2-Bilanz beitragen, wenn das Pro- beinhalten, um die CO2-Emissionen im dukt ansonsten häufiger beschädigt wird Herstellungsprozess zu verringern. Alt- www.lci-koeln.de www.bdsi.de 13| 5
September 2021 In der Abfalltrennanlage. plastik würde einen positiven Marktwert Fehlwürfe aus Haushalten, starke Verunreinigungen Rezyklate erhalten, aus „Verpackungsabfällen“ wür- der Verpackungen und kaum den „Wertstoffe“, so dass die Sammlung Rezyklate sind Sekundärrohstoffe, die oder nicht trennbare attraktiv wäre. Die Menge getrennt ge- Verbundstoffe stellen die aus dem Recycling von Abfällen gewon- sammelter Wertstoffe (Leichtverpackun- Trennanlagen vor große nen werden. Unterschieden werden Herausforderungen. gen, Papier/Pappe/Karton, Glas) ist zwar gemäß DIN EN ISO 14021 Abfälle nach seit 1990 um den Faktor 3,5 [6] auf etwa Gebrauch (post-consumer waste) und 33 kg pro Bürgerin und Bürger gestiegen, Abfälle vor Gebrauch (pre-consumer aber ein hoher Anteil dieser Mengen wird waste, auch Produktionsabfälle oder für die Energieerzeugung verbrannt oder „post-industrial waste“ bezeichnet). in der Zementproduktion verwendet. Nicht enthalten ist gemäß ISO 14021 jedoch „die Wiederverwendung von Um klimaneutral zu werden, muss Europa Materialien aus Nachbearbeitung, neben vielen weiteren Anstrengungen Nachschliff oder Schrott, die im Verlauf mehr auf den Einsatz von Rezyklaten set- eines technischen Verfahrens entstehen zen. In der Verpackungsproduktion haben und im selben Prozess wiederverwendet Rezyklate bislang noch zu wenig Verwen- werden können.“ Die Herkunft des dung gefunden: Der durchschnittliche Materials muss dafür nachvollziehbar Rezyklat-Anteil im deutschen Markt 2019 sein. lag über alle Verpackungen hinweg bei etwa 11 Prozent. Rezyklate finden sich in 6|13 www.lci-koeln.de www.bdsi.de
Nachrichten aus der Wissenschaft Lebensmittel | Ernährung | Lebensstil | Nachhaltigkeit PET-Getränkeflaschen, in einigen Körper- pflegebehältnissen sowie vor allem in Vermeidung Industrie- und Gewerbeverpackungen wie Paletten und Folien. Für den großen Vorbereitung zur Wiederverwendung Bereich der Lebensmittelverpackungen, der etwa 44 Prozent des Verpackungs- markts ausmacht, stehen derzeit nur die Recycling sehr sauberen PET-Rezyklate aus der gesondert ablaufenden Getränkeflaschen- sammlung zur Verfügung. Es besteht ein Sonstige Verwertung starker Bedarf an Rezyklaten aus PP und PE sowie weiteren PET-Rezyklaten für Lebensmittelverpackungen aus der haus- Beseitigung haltsnahen LVP-Sammlung. Diese Sekun- därmaterialien müssen durch intensivere Sortier- und Aufbereitungsprozesse bereitgestellt und eingesetzt werden. Was muss sich ändern? Die Europäische Kommission hat diese Ziele im „Green Deal“ verankert und über- Verpackungen sollen kreislauffähig sein, arbeitet derzeit die „Kernanforderungen so dass die verwendeten Rohstoffe mehr- an Verpackungen und Verpackungsabfall“ Getrennt fach genutzt werden können. Um hier vor- [7], die Teil der Europäischen Verpa- gesammelte anzukommen, sind mehrere Handlungs- ckungs- und Verpackungsabfallrichtlinie Wertstoffe dimensionen in den Blick zu nehmen: Die sind. Diese Kernanforderungen („Essential Jährlich werden knapp Vermeidung, die Wiederverwendung und Requirements“) sind ein Kriterienkatalog, 3 Mio. Tonnen Leicht- das Recycling. den grundsätzlich jede in der EU auf den verpackungen im Gelben Sack bzw. der Gelben Tonne gesammelt, (Statistisches Bundesamt, 2020). s wurden insgesamt E 474 kt Rezyklat verarbeitet, wovon 255 Post-Consumer- Rezyklate (PCR) und 219 Post-Industrial- Rezyklate (PIR) waren. Das Foto links zeigt sortenreine Rezyklat- Granulate. www.lci-koeln.de www.bdsi.de 13| 7
September 2021 kreislauffähigere Verpackungen in den Gewichtsreduktion bei Blick. Die Umsetzung durch Wirtschaft Verpackung heißt oft, dass neue und Gesellschaft wird herausfordernd sein. Materialien wie eine Kombination 1. Verpackungsreduktion und mehrerer dünner Schichten Abfallvermeidung: Ziel ist es, dass das Verpackungsvolumen eingesetzt werden. Dies kann und -gewicht „auf ein Mindestmaß allerdings die Recyclingfähigkeit begrenzt“ [7] wird. „Verpackungsexzesse“ sollen ausgeschlossen werden und mittel- beeinträchtigen und einen fristig Richtwerte für Verpackungsgröße Zielkonflikt auslösen. und -gewicht für verschiedene Verpa- ckungsmaterialien oder -anwendungen etabliert werden. Bei der Definition wer- den Kriterien wie Produktschutz und Platz für ein notwendiges Labeling eine Rolle Markt gebrachte Verpackung zwingend spielen, weniger die Wünsche des Marke- erfüllen muss, um „negative Umweltaus- tings. Das Mindestmaß einer Verpackung wirkungen von Verpackungen“ [7] zu mini- könnte konkret durch ein System der Ver- mieren. Diese seit 1994 nicht mehr ange- hältnismäßigkeiten („ratios“) von Verpa- passten Vorgaben werden nun in Bezug ckung zu Produkt vorgeschrieben werden. zur sogenannten Abfallhierarchie gesetzt, Aufgrund des sehr weitgehenden Eingriffs die aus der Europäischen Abfallrahmen- in die Gestaltungsfreiheit der Produzen- richtlinie seit Langem bekannt ist. ten hält die politische Diskussion um die- sen Ansatz noch an. Die Anforderungen für Verpackungen fokussieren auf vier Bereiche. Sie nehmen Gewichtsreduktion bei Verpackung heißt die aktuell wichtigsten Ansatzpunkte für oft, dass neue Materialien, etwa eine 8|13 www.lci-koeln.de www.bdsi.de
Nachrichten aus der Wissenschaft Lebensmittel | Ernährung | Lebensstil | Nachhaltigkeit ombination mehrerer dünner Schichten, K Im Zuge der Überarbeitung der Verpa- eingesetzt werden. Dies kann allerdings ckungsrichtlinie wird voraussichtlich nun die Recyclingfähigkeit beeinträchtigen und eine einheitliche, europaweit gültige Kenn- somit einen Zielkonflikt auslösen: Sollen zeichnung vorgeschrieben werden. Dabei Hersteller in Materialinnovationen inves- könnte die jeweilige Verpackung entweder tieren, die einem strengen Anspruch an die als „wiederverwendbar“, „recyclingfähig“ Recyclingfähigkeit nicht gerecht werden? oder „kompostierbar“ ausgelobt werden. Oder sollen sie zu zweifelsfrei recycling- Damit verbunden sind Definitionen der fähigen Materialien zurückkehren, auf die Gefahr hin, Gewichtsgrenzen zu verletzen? Orientierung könnte hier die CO2-Bilanz Die EU-Kommission hat im Jahr 2020 neue Regeln zur einer Verpackung über ihren gesamten harmonisierten Kennzeich- Lebenszyklus hinweg geben. Vorausset- nung von Einwegkunststoff- produkten verabschiedet; das zung ist allerdings die Bereinigung metho- Signet soll auch auf Umwelt- discher Unklarheiten, die bei den infrage auswirkungen hinweisen. So kommenden Methoden wie LCA (Life Cycle sind für zahlreiche Kunststoff- produkte und ihre möglichen Assessment) oder PEF (Product Environ- Umweltauswirkungen mental Footprint) bestehen. verschiedene Signets jeweiligen Klassifizierung, z. B. durch das entwickelt worden. 2. Kennzeichnung für ein besseres 95-%-Ziel für die Recyclingfähigkeit aller Trenn- und Sammelverhalten: Verpackungsmaterialien. Aktuelle Über- Ohne stärkeres Engagement der Konsu- legungen gehen in die Richtung, auch den menten beim Getrenntsammeln von jeweiligen Rezyklatgehalt – zumindest bei gebrauchten Verpackungen werden ehr- Kunststoffverpackungen – sowie einheit geizige Recyclingziele nicht erreicht. Dafür liche Trennhinweise in die Kennzeich- spielt das Labeling, also etwa konkrete nungsvorschriften aufzunehmen. Trennhinweise auf jeder Verpackung oder über andere, z. B. digitale Informations- Dass die Europäische Kommission zur Eta- wege, eine entscheidende Rolle. blierung europaweit einheitlicher Labels in der Lage ist, zeigen die für bestimmte www.lci-koeln.de www.bdsi.de 13| 9
September 2021 Einweg-Kunststoffartikel seit Juli 2021 der Verpackung abgestellt, für den nach geltenden Warnhinweise. Sie sollen auf aktuellem Stand der Technik ein Recycling potenzielle Umweltbelastungen durch in möglich ist. Derzeit werden 95 % Recy der Natur weggeworfene Plastikverpa- clingfähigkeit für alle Verpackungsbe- standteile angepeilt. Designrichtlinien für Verpackungen sollen EU-weit harmoni- Die Entfernung von siert und an die fortentwickelte Recycling- infrastruktur angepasst werden. Aller- Farb-Pigmenten und Druckfarben dings stellen insbesondere die Entfernung stellt eine besondere von Farb-Pigmenten und Druckfarben eine Herausforderung im Recyclingpro- Herausforderung im Recycling- zess dar. Die Industrie arbeitet derzeit an prozess dar. abwaschbaren Druckfarben und versucht Zielkonflikte zwischen Marketing und Recyclingfähigkeit aufzulösen, z. B. durch die Verwendung von abtrennbaren Etiket- ten auf ungefärbten Verpackungen. Um ckungen und Produkte hinweisen und den Einsatz von Materialien und Additi- wurden mit der Europäischen Einweg- ven, die das Recycling beeinträchtigen Verpackungen für Körper- kunststoffrichtlinie eingeführt. [8] können, zu reduzieren, sind Investitionen pflege und Kosmetikprodukte sowie Lebensmittel stellen in das Design-for-Recycling notwendig. besondere Anforderungen an 3. Recyclingfähigkeit: die Qualität der Rohstoffe. Für Bis zum Jahr 2030 sollen alle Verpa 4. Rezyklateinsatz in Verpackungen: diesen Bereich ist die Verbesse- rung der Rezyklat-Qualitäten ckungen grundsätzlich „recyclingfähig“ Die Vorgaben für den Einsatz von Recy- ein wichtiger Hebel. sein. [9] Dabei wird auf einen Prozentsatz clingmaterial werden voraussichtlich auf eine gesetzliche Rezyklateinsatzquote für einzelne Verpackungsarten hinauslaufen, wie sie in Gestalt der Quote für Kunst- stoffflaschen bereits existiert. Diese Vor- schrift bestimmt, dass bis 2025 25 % und bis 2030 30 % der in Verkehr gebrachten PET-Flaschen aus Rezyklat bestehen müs- sen. Denkbar wäre zusätzlich, bereits die Kunststofferzeuger zu einem Mindestan- teil an Rezyklaten in der Rohware zu ver- pflichten. Beide Ansätze würden einen Nachfrageschub für Recyclingmaterial aus gebrauchten Verpackungen auslösen. Neue gesetzliche Vorgaben für den Rezy- 100 % klateinsatz setzen Vorarbeiten voraus: So bestehen in vielen Verpackungssegmen- recycleteter ten, wie dem Lebensmittelbereich oder bei Kunststoff Körperpflege- und Kosmetikprodukten, rechtliche Hürden und Unsicherheiten. Aus Sicht der Hersteller und Abfüller ist dringend klarzustellen, unter welchen Bedingungen Rezyklat in Verpackungen 10|13
Nachrichten aus der Wissenschaft Lebensmittel | Ernährung | Lebensstil | Nachhaltigkeit eingesetzt werden kann. Bereits heute Beschleunigung der EU-Zulassungsver- Verpackungen sollen wird Kunststoff aus der haushaltsnahen fahren für mechanische Recyclingverfah- kreislauffähig sein, so dass die verwendeten Rohstoffe Erfassung teilweise so hochwertig recy- ren für Lebensmittelkontaktmaterialien. mehrfach genutzt werden celt, dass eine Anwendung im Kosmetik- können. Um hier voranzukom- oder Körperpflegbereich möglich wäre; Verpackungen für Körperpflege- und Kos- men, sind mehrere Handlungs- dimensionen in den Blick zu aus Vorsicht setzen Hersteller dennoch metikprodukte sowie Lebensmittel stellen nehmen: Die Vermeidung, die häufig Neumaterialien mit Lebensmittel- besondere Anforderungen an die Qualität Wiederverwendung und das Recycling. standards ein. [10] Rechtssicherheit kann der Rohstoffe. Für diesen Bereich ist die z. B. durch Industriestandards zur Qualität Verbesserung der Rezyklat-Qualitäten ein von Rezyklaten hergestellt werden, auf die wichtiger Hebel. Um die Qualitätsnach- der Gesetzgeber explizit Bezug nimmt. teile von Kunststoff-Rezyklaten gegen- Notwendig sind darüber hinaus die Über- über Neumaterial zu verringern, sind arbeitung der EFSA-Kriterien [10] und die Investitionen in den technischen Fort- 13| 11
September 2021 schritt von Sortier- und Aufbereitungsprozessen, z. B. Verpackungen kreislauffähig zu machen und die ver- durch Einsatz digitaler Wasserzeichen oder chemischer wendeten Rohstoffe mehrfach zu nutzen, sind Heraus- Markierungen auf den Verpackungen, notwendig. [11] forderungen, denen sich die Wirtschaft stellen muss. Ebenfalls entscheidend ist die Haltung der Konsumen- Chemisches Recycling, d. h. die Auflösung der Materia- ten: Sie müssen mit Verpackungen sorgfältig umgehen, lien auf Molekularebene, könnte in Zukunft eine Lücke wo möglich auf sie verzichten und gebrauchte Verpa- in der Kreislaufwirtschaft von Kunststoffverpackungen ckungen trennen und sammeln. Mit gemeinsamem schließen. Stärker verschmutzte und gemischte Kunst- Engagement kann ein wirksamer Beitrag zum Umwelt- stoffabfälle könnten so einer stofflichen Verwertung und Klimaschutz geleistet werden, der zugleich zur Eta- zugänglich gemacht und Rezyklate in Neuwarequalität blierung einer technisch hoch innovativen Branche bereitgestellt werden, die auch in Lebensmittelverpa- führt: der Kreislaufwirtschaft. ckungen einsetzbar sind. Gegenwärtig befinden sich die Verfahren jedoch noch in der Entwicklung. Da die che- mischen Recyclingverfahren energieintensiver und teu- rer als mechanische sind, sollte das Verpackungsdesign Korrespondenzanschrift zunächst auf die Erfordernisse des etablierten mecha- nischen Recyclings ausgerichtet bleiben. [12] Fazit Verpackungen werden auch in Zukunft gebraucht, auf ihre Schutz- und Frischhaltefunktion kann in den meis- ten Fällen nicht verzichtet werden. Bemühungen um Verpackungsreduktion oder gänzlichen Verzicht sind, wo dies möglich und ökologisch sinnvoll ist, natürlich dennoch sehr wichtig, um bei Ressourceneinsparung und Klimaschutz voranzukommen. Dr. Carl Dominik Klepper Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt e.V. Die Nachhaltigkeitsleistung von Verpackungen muss Geschäftsführender Vorsitzender gesteigert werden. Die aktuelle politische Strategie der Albrechtstraße 9 Europäischen Kommission in diesem Feld hat vier 10117 Berlin Ansatzpunkte, die die Verpackung der Zukunft prägen online@agvu.de werden: Neben Vermeidung bzw. Materialeinsparung sind dies die Verbesserung der Recyclingfähigkeit einer jeden Verpackung, die schrittweise Erhöhung der Sekundärrohstoffanteile und die Qualitätssteigerung der durch die Bürgerinnen und Bürger getrennt gesam- melten Abfälle. Allerdings darf der Gesetzgeber nicht der Versuchung von Detailregulierung und Verbotspolitik erliegen. So wäre beispielsweise eine Festlegung von starren Grö- ßenverhältnis-Vorgaben von Produkt zu Verpackung kaum praktikabel. Ein Verbot oder überbordende Belastung einzelner Verpackungsmaterialien kann zu ökologischen Rückschritten führen, wie es der aktuelle Boom von kaum recycelbaren Verbunden aus Papier und Kunststoff verdeutlicht. 12|13 www.lci-koeln.de www.bdsi.de
Nachrichten aus der Wissenschaft Lebensmittel | Ernährung | Lebensstil | Nachhaltigkeit Literaturverzeichnis [9] Diskussionsentwurf der Beratungsfirma Eunomia im Auftrag der EU-Kommission, Stand Aug. 2021. [1] efragung unter Entsorgungsbetrieben, BDE, B [10] Vgl. Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt 2020. (Jahresbetrachtung für 2020 mit einem und Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, durchschnittlichen Anstieg der Abfallmengen von 2021. 5,9 Prozent bei Glas und 5,7 Prozent bei Leicht verpackungen.) [11] EFSA: European Food Safety Authority (Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit). [2] Umweltbundesamt (2020): Aufkommen und Verwertung von Verpackungsabfällen in Deutsch- [12] Vgl. Arbeitsgemeinschaft Verpackung + Umwelt land im Jahr 2018. PDF-Dokument: und Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/ 2021. files/medien/479/publikationen/texte_166-2020_ aufkommen_und_verwertung_von_ verpackungsabfaellen_in_deutschland_im_ jahr_2018.pdf [3] David M.-C. Chen et al. (2020): The world’s growing municipal solid waste: trends and impacts, Environ- mental Research Letters 15 (2020) 074021. [4] Richtlinie (EU) 2019/ 904/ EU über die Verringe- rung bestimmter Umweltauswirkungen auf die Umwelt. [5] enkstatt (2020): Berechnungen im Rahmen des d Projekts „Aktualisierung der Studie Nutzen von Verpackungen im Jahr 2020“ im Auftrag der AGVU Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt e.V. [6] Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung/ denkstatt (2020): Berechnungen im Rahmen des Projekts „Aktualisierung der Studie Nutzen von Impressum / Herausgeber, Redaktion und Rückfragen: Verpackungen im Jahr 2020“ im Auftrag der AGVU Lebensmittelchemisches Institut (LCI) des Bundesverbandes Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt e.V. der Deutschen Süßwarenindustrie e. V. Dr. Frank Heckel (V.i.S.d.P.), Adamsstraße 52-54, 51063 Köln, Tel. (0221) 623 061, E-Mail: lci-koeln@lci-koeln.de [7] Europäische Kommission (2020): Effectiveness oder Rückfragen an: of the Essential Requirements for Packaging and :relations Gesellschaft für Kommunikation mbH Mörfelder Landstraße 72, 60598 Frankfurt Packaging Waste and Proposals for Reinforcement Tel. (069) 963 652-11, E-Mail: NadW@relations.de - Final Report and Appendices, Februar 2020. Titel: vectortatu/adobe.stock.com Fotos: S. 2 Pixel-Shot/adobe.stock.com; [8] Europäisches Parlament und Europäischer Rat S. 4 photka/adobe.stock.com; S. 5 GVM/denkstatt (2020); S. 6 auremar/adobe.stock.com; (2019): RICHTLINIE (EU) 2019/904 vom 5. Juni S. 7 AGVU; S. 8/9 fotomaximum/adobe.stock.com; 2019 über die Verringerung der Auswirkungen S. 9 Europäische Kommision; S.10 Kabardins photo/adobe.stock.com; bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt. S. 11 Ourteam/adobe.stock.com; S. 12 AGVU www.lci-koeln.de www.bdsi.de 13| 13
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