Stahlrohrmöbel am bauhaus
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stahlrohrmöbel am bauhaus die gescheiterten revolution der möbelwelt und eine analyse ihrer nachhaltigkeitsinhalte für »ecosign, Akademie für Gestaltung«, Köln Designgeschichte A, Thema »Ästhetik als vierte Säule der Nachhaltigkeit« Wintersemester 09/10, Uwe Boden vorgelegt von Manuel Kniepe Köln, im Februar 2010 Kontakt: manuel.kniepe@ecosign.net
vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 das bauhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 entwicklungsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 typisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 die stahlrohrmöbel . . . . . . . . . . . . . . . 3 marcel breuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 klubsessel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 freischwinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 fehleranalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 literatur und bildnachweis . . . . . . . . . . . . . 8 1
1928 – Aufgrund internen Drucks tritt Gropius als Leiter zurück und verlässt das Bauhaus. Ihm folgen Bayer, Breuer und Moholy-Nagy. 1932 – Das Bauhaus in Dessau wird vom Stadtrat aufgrund der Stimmen- beteiligung der NSDAP geschlossen und zieht nach Berlin um. 1933 – Da der aktuelle Direktor Mies Abb.01 van der Rohe nicht auf Bedingungen der Gestapo eingehen will, löst er mit Zustimmung seiner Kollegen das Bau- vorwort das bauhaus haus auf.2 Das Bauhaus gilt heute als Inbe- chronik entwicklungsphasen griff, Initiator und Wegbereiter der Moderne. Es folgt eine grobe Übersicht über Die gesamte Geschichte des Bauhaus Eher unbekannt ist die Tatsache, dass die bedeutsamsten und für diese lässt sich in fünf große Phasen unter- das Bauhaus nicht immer als ein solch Arbeit wichtigsten Stationen in der teilen, die folgend als Übersicht auf- wichtiger Punkt in der Designge- Geschichte des Bauhaus. geführt sind und die chronologische schichte gesehen wurde. Gerade in und thematische Einordnung der fol- seinen Wirkzeiten sah sich das Bau- genden Inhalte ermöglichen. haus oftmals der Kritik ausgesetzt, Besondere Bedeutung genießt daher dass es zu modern und zu fern von die dritte Phase, da in dieser – maß- aktuellen Bedürfnissen gestalte. geblich unter Wirkung Marcel Breuers Dass sich am Bauhaus aber nicht – die Stahlrohrmöbel entstehen. nur das moderne Design kristal- lisierte, sondern auch viel tiefere, Expressive, individualistische Phase sozial-utopische Vorstellungen vom 1919–1922 neuen Wohnen, der Neugestaltung In dieser Phase wurde das Bauhaus und der Schaffung von Lebensraum weniger als kollektives Gesamtkon- der Ursprung vieler gestalterischer zept, denn als lose Ansammlung von Ergebnisse waren, wird sogar in aktu- individuell unterschiedlichen Unter- ellen Betrachtungen immer wieder richtsmethoden und -inhalten (je missachtet. nach Meister und Werkstatt) wahr- Abb.02 Gerade die Stahlrohrmöbel, welche genommen. entstanden und produziert in den 1917 – Die »Großherzogliche Hoch- Gropius nutzte allerdings die Verbin- 20er Jahren, sich ihrerzeit nicht eta- schule« für bildende Kunst und die dung von unterschiedlichen Diszip- blieren konnten, in den 80er Jahren »Großherzogliche Kunstgewerbe- linen und Methoden um als Ganzes aber zum Inbegriff einer modernen schule« werden zusammengelegt und betrachtet ein gemeinsames Gesamt- Raumausstattung avancierten, waren in »staatliches Bauhaus in Weimar« kunstwerk als zu erschaffen. das Ergebnis eines menschenfreund- umbenannt. lichen, nachhaltigen Gedankenguts. Walter Gropius wird als Leiter dieser Formale, konstruktivistische Phase Einrichtung bestätigt und veröffent- 1922–1923 In der vorliegenden Arbeit möchte licht im April sein Bauhaus-Manifest. Die Grundlagen künstlerischer Gestal- ich zunächst einen kleinen Überblick tung wurden Lehrinhalte am Bauhaus über das große Thema »Bauhaus« 1925 – Im Frühjahr erkennt Marcel und wirkten sich dadurch auch auf schaffen, darüber hinaus speziell Breuer den Fahrradlenker als Material die Werkstätten aus. Hier wurde sich auf die Thematik der Stahlrohrmö- und Grundlage für sein erstes Stahl- nun auf Grundformen und -farben bel eingehen und diese schließlich rohrmöbelstück überhaupt. besonnen und für einen gemeinsa- unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit Diesem Stahlrohrsessel folgen viele men Gestaltungskanon gekämpft. untersuchen. weitere Möbelarten.1 Die Befreiung vom emotionalen und individuellen Design hin zum 1 Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 24 2 Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 13–15 2
immanenten Wesen der Dinge wurde Eine stärkere Fokussierung auf die für viele Bauhäusler ein wichtiger Bauklassen und Bauprojekte fand Abschnitt ihres Studiums. statt.3 Auch wurde in dieser Phase die Typi- sierung durch Walter Gropius einge- typisierung führt. Im Jahre 1922 stellte Gropius mehrere Funktionale, industrielle Phase Forderungen an seine Werkstätten 1923–1927 im Bauhaus auf. Dies galt als »Typi- Diese Phase wurde maßgeblich von sierung« der Erzeugnisse. So war es Marcel Breuer und seinen Stahlrohr- fortan erforderlich, dass jedes Produkt möbeln beeinflusst. Eine Neubesin- nur aus wenigen Bauteilen hergestellt nung auf eine Gestaltung die aus dem werden und die Entwicklung von Vari- Wesen einer Sache heraus entspringt anten dieses Produktes prinzipiell und mit aktuellen Möglichkeiten möglich sein sollte. Abb.04 umgesetzt werden soll. Die Bezeichnung als »Typ« war inso- Die Reduktion auf das Wesentliche fern wichtig, als dass ein »Typ-Objekt« Nicht vielen Entwürfen gelang dieser und Nötige wurde neben Breuer auch so beschaffen sein sollte, dass es für Spagat. Diejenigen Gegenstände, die von Mies van der Rohe und Oskar alle, an es gestellten Ansprüche aus- dies jedoch erfüllten, wurden zu Schlemmer angetrieben. reichend sein musste. Eine Folge der teuren Kultobjekten, welche auch Es entstanden Strömungen hin zu Typisierung war, dass ein Typ-Objekt heute noch den Status von Design- einer industriell ausgerichteten durch seine Konzeption für alle ver- Ikonen genießen. Als Beispiel sei hier Designform als auch zu utopischen fügbar und für alle nötigen Zwecke die von Wilhelm Wagenfeld und Karl Vorstellungen von Städtebau und nutzbar war. Jacob Jucker entworfene Tischlampe Umweltgestaltung. Rückblickend Dies entsprach Gropius Anspruch und der Lattenstuhl von Marcel Breuer muss gesagt werden, dass sich die auf synthetisierendes Design – also genannt. Realisierung dieser Utopien dem ein Design, das Gegensätze zu ver- In diesem Kontext bildete sich unter Nutzen der industriellen Fertigung binden versuchte. In dem Falle der Gropius eine sogenannte Bauhausäs- unterordnen musste. Typ-Objekte waren dies hier wirt- thetik, bei welcher der Formwille fast schaftliche und ästhetische Aspekte. immer stärker war, als die gerechte Analytische, materialistische Phase Unter anderem durch diese Vorgaben Verarbeitung des Materials, es kam 1927–1930 wurde das Wort »Funktionalismus« zu einer Überhöhung der geometri- In dieser vierten Phase ist ein großer ab 1924 unlösbar mit dem Bauhaus in sierten Ästhetik. Umschwung im Bauhaus erkennbar. Verbindung gebracht. Dieses Wort war Diese stand in damals aktuellen Zeit- Die Technisierung und Funktionali- die Versinnbildlichung einer Kombi- geist in diametralem Kontrast zu den sierung verdrängten zunehmend die nation aus Form, Material und Zweck. organisch wirkenden Designs des bildenden Künste. Jugendstils. 4 Der Bedarf der Allgemeinheit wurde wichtiger, als der Bedarf an Luxusgü- die stahlrohrmöbel tern. Hannes Meyer als neuer Direktor des Bauhaus rückte die wissenschaft- marcel breuer liche Funktionsanalyse, welche die Anforderung der Benutzung und die In der folgenden Biografie werden Bedürfnisse der Benutzer untersuchen ausschließlich themenrelevante und sollte, in den Vordergrund. personenrelevant wichtige Stationen aufgeführt.5 Handwerklich-materialbezogene Architektur 1930–1933 Marcel (Lajos) Breuer In dieser letzten Phase wurde das *1904 in Pécs (Ungarn) Bauhaus in seiner Präsenz nüchterner 1920–1925 Student am Bauhaus und ruhiger. Der Gesamtetat wurde 1925–1926 Meister und Werkstattleiter ein weiteres mal gekürzt und mit ihm der Tischlerei am Bauhaus (Dessau); die Gesamtstudiumsdauer. Entwicklung seiner Stahlrohrmöbel. Abb.03 4 M. Droste, Bauhaus, S. 36–39 3 Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 19–27 5 Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 328 3
1928–1933 Nach Verlassen des Bau- haus arbeitet Breuer in Zusammenar- beit mit Gropius als (Innen-)Architekt in Berlin 1937–1941 Gemeinsame Partnerschaft von Breuer und Gropius in eigenem Architekturbüro in Cambridge †1981 New York (USA) Abb.06 Nutzen anhaftende nötige Gestalt • und zu einem, von der breiten und Ästhetik besitzen würde, die es Masse bezahlbaren Preis verfüg- Abb.05 zu finden galt. bar sein.7 Ein unter diesen Umständen kon- Diese Ansprüche spiegelten Breu- revolution struierter Gegenstand, wäre aus ers Engagement wieder, dem neuen sich heraus ein »guter« Gegenstand Wohnen eine soziale Grundlage zu Bevor es die Bauhausmöbel und Bau- und würde als solches automatisch schaffen. Diese erzeugt, ganz im haushäuser gab, war das Wohnen und ohne weitere Notwendigkeit Sinne seiner Ideologie, eine durch subjektiv häuslich und gemütlich. von zusätzlicher Formgebung und ihre Nutzen definierte Ästhetik aus Die Designlandschaft war gezeichnet Schmuckelementen zu anderen Material und Form, welche damals vom verspielt-dekorativen und orga- »guten« Gegenständen passen. als (teilweise zu sehr) innovativ und nischen Jugendstil. Man könnte es als eine Reduzierung modern empfunden wurde. Im Frühjahr 1925 sollte Marcel Breuer auf den kleinsten gemeinsamen, dieses Wohnbild revolutionieren. nötigsten Nutzen-Nenner eines klubsessel Über seinen, von der »de-Stijl«-Bewe- Erzeugnisses definieren. Jedes weitere gung beeinflussten Lattenstuhl aus Gestalten, das über den eigentlichen 1925 fertigte Marcel Breuer den ersten 1921, gelang er bei der Betrachtung Zweck und Nutzen hinaus ginge, wäre und heute noch legendären »Klubses- eines Fahrradlenkers als Arbeitsma- überflüssig. sel B3«, zwei Jahre später die zusam- terial zur Idee zu seinen Stahlrohrmö- Aufgrund dieser Überlegung stellte menklappbare und in seiner Intention beln. Breuer schreibt dazu: Marcel Breuer gewisse Anforderun- Ein Stuhl soll z.B. nicht hori- gen an seine neuen Möbel. Diese zontal-vertikal sein, auch nicht sollten ... expressionistisch, auch nicht kon- • genormte Formelemente besitzen, struktivistisch, auch nicht rein sodass gleiche Materialien und auf Zweckmäßigkeit hin gearbei- Teile bei verschiedenen Möbel- tet sein, auch nicht zu dem Tisch sorten verwendbar waren. ›passen‹, sondern er soll ein guter • in zweidimensionale Teile zerleg- Stuhl sein, und dann paßt er auch bar sein. zum guten Tisch.6 • die betriebstechnischen und Breuer beschrieb also den Umstand, fabrikatorischen Forderungen dass ein Objekt eine bestimmte, berücksichtigen. ihm allein durch seinen Zweck und Abb.07 6 Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 24 7 Kraus, Bauhaus Utopien, S. 141 4
perfektionierte Variante »Klubsessel erhältlich sind, ist die Betrachtung B4«. Perfektioniert deswegen, weil der Nachhaltigkeit aus aktueller Sicht hier die gewünschte Entmateriali- wichtiger denn je. Es ist so nicht nur sierung und die, für die kleinen, am möglich, aus der Gestaltung zu lernen, Bauhaus entwickelten Arbeiterhäuser sondern diese auch noch heute in wichtige Platzersparnis, am weitesten Lebensräumen einzusetzen. fortgeschritten war. Mit einem auf das Mindeste reduzierte Maß an Material, Ökologischer Aspekt Abb.09 Gewicht und Platz wurde der Klub- • Die verwendeten Materialien sessel auch damals in den Katalogen Gropius. Ihm war eine Ästhetik, die sorgen für eine lange Lebens- beworben.8 rein aus der Funktion eines Gegen- dauer des Produkts. stands abzuleiten war, nicht genug. • Die einfache Zerlegbarkeit der Er entwickelte und realisierte einen Möbel ermöglicht eine einfache hinterbeinlosen Stuhl in runder und Reparatur und Austauschbarkeit für ihn ästhetisch perfektionierter einzelner Elemente. Form. 11 • Ebenso bedingt dies die leichte Dieser Form folgend, lieferte Marcel Trennung der Materialien zu Breuer im Jahre 1928 für die Firma Recyclingzwecken. Thonet den freischwingenden »Arm- • Geringes Gewicht und geringer lehnstuhl B64« und die armlose Vari- Platzbedarf ermöglichen einen ante »B62«12. kosten- und energiesparenden Abb.08 Transport. • Die Vernickelung des Stahlrohrs Benutztes Material zur Steigerung der Haltbarkeit ist Die originale Bespannung des Klub- ökologisch betrachtet negativ zu sessels bestand damals aus, speziell bewerten. In der damaligen Zeit in den Weberwerkstätten des Bau- waren sich die Erzeuger dessen haus hergestellten Eisengarngurten. jedoch nicht bewusst. Heute gibt Diese war günstiger und strapazier- es ökologisch vertretbarere Alter- Abb.10 fähiger als die heutzutage benutzte nativen. Lederbespannung. Die Paraffinie- Ökonomischer Aspekt rung der Eisengarngurte erhöhte nachhaltigkeit • Aufgrund ihrer minimalistischen zusätzlich nicht nur die Festigkeit Beschaffenheit sind die Möbel sehr und Schmutzunempfindlichkeit des Im folgenden Abschnitt sollen die leicht zu produzieren. Materials, sondern sorgte auch für den Stahlrohrmöbel auf die drei Aspekte • Es werden nur wenige unter- namensgebenden Glanz der mehrfach der Nachhaltigkeit (ökologischer, öko- schiedliche Materialien verwendet. gezwirnten Baumwollfäden.9 nomischer und sozialer Aspekt) unter- • Beide vorher genannten Punkte Das Gestänge der Stahlrohrmöbel sucht werden. sorgen ebenso für einen geringen bestand aus dem bezeichnenden (ver- Manche der aufgezählten Punkte Materialverbrauch pro Einheit. nickeltem) Stahl.10 sind direkte Folgen aus Breuers ide- • Die Möbel sind durch ihre offe- alistischen Gestaltungsansprüchen nen Formen sehr platzsparend. freischwinger (siehe Abschnitt »Revolution«), andere Besonders hervorzuheben ist hier leiten sich aus der Typisierung der der faltbare Klubsessel. Von die- Eine ähnliche, etwas kleinere Innova- Erzeugnisse laut Walter Gropius (siehe sem finden 50 Stück in einem tion wie es die Stahlrohrmöbel für die Abschnitt »Typisierung«) her. Kubikmeter Platz.13 damalige Einrichtungsnatur darstell- Der Gedanke der Nachhaltigkeit besaß Sozialer Aspekt ten, fand auch innerhalb der Stahl- damals noch keine Relevanz und so • Die Möbel sollten aufgrund des rohrmöbel mit dem von Mies van wird hier deutlich, dass eine sozial- niedrigen Materialaufwandes und der Rohe im Jahre 1926 entwickelten ethisch beeinflusste Gestaltungs- der einfachen Produktion sehr »Freischwinger MR20« (und der arm- grundhaltung bereits aus sich heraus günstig erhältlich sein. (Heute sind stützenlose Variante »MR10«) statt. ein, heute in verschiedenen Punkten diese Möbel durch Lizensierung Van der Rohe vertrat eine andere nachhaltiges Design bedingt. und Kommerzialisierung relativ Ansicht zur Ästhetik als Breuer und Da die Stahlrohrmöbel im Original teuer.) oder in Varianten auch noch heute 8 Kraus, Bauhaus Utopien, S. 142 9 Kraus, Bauhaus Utopien, S. 144 11 Kraus, Bauhaus Utopien, S. 145 10 www.bauhaus.de>Biografie Marcel Breuer 12 Droste, Bauhaus, S. 57 13 Kraus, Bauhaus Utopien, S. 141 5
• Die Typisierung sorgte dafür, dass die Möbel von einer sehr großen Verbraucherspektrum nutzbar gestaltet wurden, da es eine Vor- gabe der Typisierung war, das entsprechende Objekt für alle an es gerichtete Anforderungen funk- tional zu gestalten. Durch diese generelle Funktionalität ist das Besorgen von „spezialisierten“ Möbeln (beispielsweise Esstisch, Küchentisch, Wohnzimmertisch, etc.) hinfällig. • Auch die platzsparende Eigenschaft der Möbel war zu ihren Entstehungs- Abb.12 zeiten ein sozialer Aspekt, da die Möbel speziell für die kleinen und verständlich, dass das zeitgenössische an, das behaglich eingerichtete Wohn- leistbaren Arbeiterhäuser des Bau- Bürgertum die neuen Möbel als künst- zimmer zu verunstalten. haus gedacht waren. lich, nackt, kalt und zu losgelöst vom Weniger echauffiert über das neue bisherigen Wohnumfeld wahrgenom- Wohndesign zeigten sich Künstler, akzeptanz men hat. Die neuen Möbel wollten Architekten und andere Intellektuelle. einfach nicht in das bisherige gemüt- Diese bildeten – obwohl nie so beab- Wie bereits beschrieben, war man zu liche Zuhause passen. Erschwerend sichtigt – die Hauptabnehmerschaft Zeiten des Bauhaus ein behagliches kommt hinzu, dass die Haptik und der zu Zeiten des Bauhaus. und gemütliches Wohnen gewohnt. Komfort der Stahlrohrmöbel relativ Leider stellten diese Personengruppen Man könnte auch sagen, dass es durch hart und unbequem erscheint, wenn nur eine gesellschaftliche Minderheit viele Polstermöbel, und den vorherr- man das Sitzen in einem Polstermöbel dar, wodurch die Einführung und schenden Jugendstil »warm und gewohnt ist. Marktplatzierung der Stahlrohrmö- weich« aussah. Gerade aber die sich so sehr bekla- bel letztendlich als Fehlschlag abge- Auch die Schrecken des vergange- gende bürgerliche Arbeiterklasse war rechnet werden muss. Die Utopie des nen ersten Weltkrieges festigten in die Hauptzielgruppe für welche die neuen Wohnens war zerstört. den zurückgekehrten Veteranen den Stahlrohrmöbel eigentlich gedacht Wunsch nach einem gewohnt-harmo- waren. Vor allem die später erschie- fehleranalyse nischen Wohnumfeld. nenen Freischwinger wurden als zu In krassem Gegensatz dazu präsen- modern und technisch wahrgenom- Die gemachten Fehler sind, anhand tierten sich nun die Stahlrohrmöbel men. Man war es einfach gewohnt, der im vorigen Abschnitt aufgeführ- des Bauhaus. dass ein Stuhl vier Beine hatte und ten Ablehnungsgründe recht schnell Vergleichen wir die bisher übliche plötzlich kam dieser hinterbeinlose, entdeckt: Einrichtung einer Wohnung mit der schwingende und futuristisch anmu- Die von Gropius unbeabsichtigt eta- Erscheinung der Stahlrohrmöbel, ist es tende Stuhl daher und schickte sich blierte, reduzierte„Bauhaus”-Ästhetik passte einfach nicht zum Schönheits- verständnis der damaligen Zeit. Man sagt heute gerne »die Gesell- schaft war noch nicht reif« oder »Die Möbel waren ihrer Zeit vorraus«, was in Anbetracht des regelrechten Booms der Stahlrohrmöbel in den 80er Jahren vermutlich auch voll und ganz der Wahrheit entspricht. Alle sozialen und wirtschaftlichen Ideale, die mit den Möbeln zu rea- lisieren versucht wurden, brande- ten gegen eine Klippe aus mentaler Bequemlichkeit und bürgerlichem Kleingeist. Abb.11 6
schlussfolgerung Aus der Fehleranalyse lässt sich fol- gendes ableiten: Die Gestalt eines Objektes muss sich an Wünschen und Vorstellungen der Zielgruppe orientieren. Die Ästhetik eines jeden Objektes, definiert durch dessen Gestalt, fungiert sozusagen als Kanal zwischen gestalterischen Ansprüchen des Designers (Sender) und der Zielgruppe. (Empfänger). Ist die Ästhetik allerdings nicht auf die Zielgruppe ausgerichtet, stimmt – um in der selben Metapher zu sprechen – die Frequenz nicht, auf der gesendet wird und der Empfänger bleibt unbe- rührt. Wenn man also nachhaltig gestal- ten will, muss man neben den drei Säulen der Nachhaltigkeit (Soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte) noch eine vierte Säule der Ästhetik hinzufügen, da wir gesehen haben, dass selbst die beste nachhal- tige Gestaltung keinen Zweck erfül- len kann, wenn die Zielgruppe nicht erreicht und das gestaltete Objekt nicht akzeptiert wird. Abb.13 7
literaturverzeichnis monographien Magdalena Droste: Bauhaus. Taschen GmbH: Köln 2007 nachschlagewerke Bauhaus Utopien – Arbeiten auf Papier. Hrsg. von Wulf Herzogenrath, Mitarbeit Stefan Kraus. Edition Cantz,: Stuttgart 1988 internetquellen Bauhaus-Archiv e. V. Museum für Gestaltung www.bauhaus.de (Stand 11.02.2010) abbildungsverzeichnis Abb.01: Meister des Bauhaus 1926, Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 15 Abb.02: Walter Gropius 1920,Droste, Bauhaus, S. 8 Abb.03: Jucker-Wagenfeld Tischlampe Glasversion, Kraus, Bauhaus Utopien, S. 137 Abb.04: Marcel Breuers Lattenstuhl, Droste, Bauhaus, S. 37 Abb.05: Marcel Breuer ca. 1926, ARCHITECTURAL RECORD, » Marcel Breuer Celebrated in Retrospective«, Artikel vom 12.11.2007, www.archrecord.construction.com/news/daily/archives/071112breuer.asp Abb.06: Prospekt »Standard-Möbel« von 1928, Kraus, Bauhaus Utopien, S. 142 Abb.07: Klubsessel B3, Bauhaus-Archiv e.V., »Die Möbelwerkstatt«, http://www.bauhaus.de/bauhaus1919/werkstaetten/werkstaetten_moebel.html Abb.08: Faltbarer Klubsessel B4 1927, Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S.21 Abb.09: Freischwinger MR10 und MR20, Quittenbaum Kunstauktionen München, www.catalog.quittenbaum.de (Bei der Stichwortsuche auf der Webseite nach »mr-10« oder »mr-20« suchen.) Abb.10: Freischwinger B64 und B32, Quittenbaum Kunstauktionen München, www.catalog.quittenbaum.de (Bei der Stichwortsuche auf der Webseite nach »b-64« oder »b-32« suchen) Abb.11: Wohnraum des Musterhauses Nr. 16 1927, Droste, Bauhaus, S. 57 Abb.12: Wohnraum des Meisterhauses Lázló Moholy-Nagy 1927/28, Droste, Bauhaus, S. 56 Abb.13: Bauhaus Dessau 1926, WAGNER:WERK Museum Postsparkasse, Fotografierte Architektur auf Ansichtskarten, http://www.whoch2wei.at/wagner_werk/moderne_gruesse.html 8
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