Stahlrohrmöbel am bauhaus

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Stahlrohrmöbel am bauhaus
stahlrohrmöbel am bauhaus
die gescheiterten revolution der möbelwelt
und eine analyse ihrer nachhaltigkeitsinhalte

für »ecosign, Akademie für Gestaltung«, Köln

Designgeschichte A, Thema »Ästhetik als vierte Säule der Nachhaltigkeit«
Wintersemester 09/10, Uwe Boden

vorgelegt von Manuel Kniepe

Köln, im Februar 2010

Kontakt: manuel.kniepe@ecosign.net
Stahlrohrmöbel am bauhaus
Stahlrohrmöbel am bauhaus
vorwort . .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2
das bauhaus .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2
        chronik .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2
        entwicklungsphasen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2
        typisierung  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3
die stahlrohrmöbel  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3
        marcel breuer .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3
        revolution .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4
        klubsessel .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4
        freischwinger  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 5
        nachhaltigkeit .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 5
        akzeptanz .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 6
        fehleranalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
        schlussfolgerung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 7
        literatur und bildnachweis .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8

                                                                                                    1
Stahlrohrmöbel am bauhaus
1928 – Aufgrund internen Drucks tritt
                                                                                    Gropius als Leiter zurück und verlässt
                                                                                    das Bauhaus. Ihm folgen Bayer, Breuer
                                                                                    und Moholy-Nagy.

                                                                                    1932 – Das Bauhaus in Dessau wird
                                                                                    vom Stadtrat aufgrund der Stimmen-
                                                                                    beteiligung der NSDAP geschlossen
                                                                                    und zieht nach Berlin um.

                                                                                    1933 – Da der aktuelle Direktor Mies
    Abb.01
                                                                                    van der Rohe nicht auf Bedingungen
                                                                                    der Gestapo eingehen will, löst er mit
                                                                                    Zustimmung seiner Kollegen das Bau-
vorwort                                  das bauhaus                                haus auf.2

Das Bauhaus gilt heute als Inbe-         chronik                                    entwicklungsphasen
griff, Initiator und Wegbereiter der
Moderne.                                 Es folgt eine grobe Übersicht über          Die gesamte Geschichte des Bauhaus
Eher unbekannt ist die Tatsache, dass    die bedeutsamsten und für diese             lässt sich in fünf große Phasen unter-
das Bauhaus nicht immer als ein solch    Arbeit wichtigsten Stationen in der         teilen, die folgend als Übersicht auf-
wichtiger Punkt in der Designge-         Geschichte des Bauhaus.                     geführt sind und die chronologische
schichte gesehen wurde. Gerade in                                                    und thematische Einordnung der fol-
seinen Wirkzeiten sah sich das Bau-                                                  genden Inhalte ermöglichen.
haus oftmals der Kritik ausgesetzt,                                                  Besondere Bedeutung genießt daher
dass es zu modern und zu fern von                                                    die dritte Phase, da in dieser – maß-
aktuellen Bedürfnissen gestalte.                                                     geblich unter Wirkung Marcel Breuers
Dass sich am Bauhaus aber nicht                                                     – die Stahlrohrmöbel entstehen.
nur das moderne Design kristal-
lisierte, sondern auch viel tiefere,                                       Expressive, individualistische Phase
sozial-utopische Vorstellungen vom                                         1919–1922
neuen Wohnen, der Neugestaltung                                            In dieser Phase wurde das Bauhaus
und der Schaffung von Lebensraum                                           weniger als kollektives Gesamtkon-
der Ursprung vieler gestalterischer                                        zept, denn als lose Ansammlung von
Ergebnisse waren, wird sogar in aktu-                                      individuell unterschiedlichen Unter-
ellen Betrachtungen immer wieder                                           richtsmethoden und -inhalten (je
missachtet.                                                                nach Meister und Werkstatt) wahr-
                                      Abb.02
Gerade die Stahlrohrmöbel, welche                                          genommen.
entstanden und produziert in den     1917 – Die »Großherzogliche Hoch- Gropius nutzte allerdings die Verbin-
20er Jahren, sich ihrerzeit nicht eta-
                                     schule« für bildende Kunst und die dung von unterschiedlichen Diszip-
blieren konnten, in den 80er Jahren  »Großherzogliche Kunstgewerbe- linen und Methoden um als Ganzes
aber zum Inbegriff einer modernen    schule« werden zusammengelegt und betrachtet ein gemeinsames Gesamt-
Raumausstattung avancierten, waren   in »staatliches Bauhaus in Weimar« kunstwerk als zu erschaffen.
das Ergebnis eines menschenfreund-   umbenannt.
lichen, nachhaltigen Gedankenguts.   Walter Gropius wird als Leiter dieser Formale, konstruktivistische Phase
                                     Einrichtung bestätigt und veröffent- 1922–1923
In der vorliegenden Arbeit möchte licht im April sein Bauhaus-Manifest. Die Grundlagen künstlerischer Gestal-
ich zunächst einen kleinen Überblick                                       tung wurden Lehrinhalte am Bauhaus
über das große Thema »Bauhaus« 1925 – Im Frühjahr erkennt Marcel und wirkten sich dadurch auch auf
schaffen, darüber hinaus speziell Breuer den Fahrradlenker als Material die Werkstätten aus. Hier wurde sich
auf die Thematik der Stahlrohrmö- und Grundlage für sein erstes Stahl- nun auf Grundformen und -farben
bel eingehen und diese schließlich rohrmöbelstück überhaupt.               besonnen und für einen gemeinsa-
unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit Diesem Stahlrohrsessel folgen viele men Gestaltungskanon gekämpft.
untersuchen.                         weitere Möbelarten.1                  Die Befreiung vom emotionalen
                                                                           und individuellen Design hin zum
                                         1   Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 24   2 Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 13–15

2
Stahlrohrmöbel am bauhaus
immanenten Wesen der Dinge wurde Eine stärkere Fokussierung auf die
für viele Bauhäusler ein wichtiger Bauklassen und Bauprojekte fand
Abschnitt ihres Studiums.              statt.3
Auch wurde in dieser Phase die Typi-
sierung durch Walter Gropius einge- typisierung
führt.
                                       Im Jahre 1922 stellte Gropius mehrere
Funktionale, industrielle Phase Forderungen an seine Werkstätten
1923–1927                              im Bauhaus auf. Dies galt als »Typi-
Diese Phase wurde maßgeblich von sierung« der Erzeugnisse. So war es
Marcel Breuer und seinen Stahlrohr- fortan erforderlich, dass jedes Produkt
möbeln beeinflusst. Eine Neubesin- nur aus wenigen Bauteilen hergestellt
nung auf eine Gestaltung die aus dem werden und die Entwicklung von Vari-
Wesen einer Sache heraus entspringt anten dieses Produktes prinzipiell
und mit aktuellen Möglichkeiten möglich sein sollte.                                Abb.04
umgesetzt werden soll.                 Die Bezeichnung als »Typ« war inso-
Die Reduktion auf das Wesentliche fern wichtig, als dass ein »Typ-Objekt«          Nicht vielen Entwürfen gelang dieser
und Nötige wurde neben Breuer auch so beschaffen sein sollte, dass es für          Spagat. Diejenigen Gegenstände, die
von Mies van der Rohe und Oskar alle, an es gestellten Ansprüche aus-              dies jedoch erfüllten, wurden zu
Schlemmer angetrieben.                 reichend sein musste. Eine Folge der        teuren Kultobjekten, welche auch
Es entstanden Strömungen hin zu Typisierung war, dass ein Typ-Objekt               heute noch den Status von Design-
einer industriell ausgerichteten durch seine Konzeption für alle ver-              Ikonen genießen. Als Beispiel sei hier
Designform als auch zu utopischen fügbar und für alle nötigen Zwecke               die von Wilhelm Wagenfeld und Karl
Vorstellungen von Städtebau und nutzbar war.                                       Jacob Jucker entworfene Tischlampe
Umweltgestaltung. Rückblickend Dies entsprach Gropius Anspruch                     und der Lattenstuhl von Marcel Breuer
muss gesagt werden, dass sich die auf synthetisierendes Design – also              genannt.
Realisierung dieser Utopien dem ein Design, das Gegensätze zu ver-                 In diesem Kontext bildete sich unter
Nutzen der industriellen Fertigung binden versuchte. In dem Falle der              Gropius eine sogenannte Bauhausäs-
unterordnen musste.                    Typ-Objekte waren dies hier wirt-           thetik, bei welcher der Formwille fast
                                       schaftliche und ästhetische Aspekte.        immer stärker war, als die gerechte
Analytische, materialistische Phase Unter anderem durch diese Vorgaben             Verarbeitung des Materials, es kam
1927–1930                              wurde das Wort »Funktionalismus«            zu einer Überhöhung der geometri-
In dieser vierten Phase ist ein großer ab 1924 unlösbar mit dem Bauhaus in         sierten Ästhetik.
Umschwung im Bauhaus erkennbar. Verbindung gebracht. Dieses Wort war               Diese stand in damals aktuellen Zeit-
Die Technisierung und Funktionali- die Versinnbildlichung einer Kombi-             geist in diametralem Kontrast zu den
sierung verdrängten zunehmend die nation aus Form, Material und Zweck.             organisch wirkenden Designs des
bildenden Künste.                                                                  Jugendstils. 4
Der Bedarf der Allgemeinheit wurde
wichtiger, als der Bedarf an Luxusgü-                                              die stahlrohrmöbel
tern. Hannes Meyer als neuer Direktor
des Bauhaus rückte die wissenschaft-                                               marcel breuer
liche Funktionsanalyse, welche die
Anforderung der Benutzung und die                                                  In der folgenden Biografie werden
Bedürfnisse der Benutzer untersuchen                                               ausschließlich themenrelevante und
sollte, in den Vordergrund.                                                        personenrelevant wichtige Stationen
                                                                                   aufgeführt.5
Handwerklich-materialbezogene
Architektur 1930–1933                                                               Marcel (Lajos) Breuer
In dieser letzten Phase wurde das                                                  *1904 in Pécs (Ungarn)
Bauhaus in seiner Präsenz nüchterner                                                1920–1925 Student am Bauhaus
und ruhiger. Der Gesamtetat wurde                                                   1925–1926 Meister und Werkstattleiter
ein weiteres mal gekürzt und mit ihm                                                der Tischlerei am Bauhaus (Dessau);
die Gesamtstudiumsdauer.                                                            Entwicklung seiner Stahlrohrmöbel.
                                       Abb.03
                                                                                   4 M. Droste, Bauhaus, S. 36–39
                                       3 Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 19–27   5 Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 328

                                                                                                                             3
1928–1933 Nach Verlassen des Bau-
haus arbeitet Breuer in Zusammenar-
beit mit Gropius als (Innen-)Architekt
in Berlin
1937–1941 Gemeinsame Partnerschaft
von Breuer und Gropius in eigenem
Architekturbüro in Cambridge
†1981 New York (USA)

                                              Abb.06

                                             Nutzen anhaftende nötige Gestalt          • und zu einem, von der breiten
                                             und Ästhetik besitzen würde, die es          Masse bezahlbaren Preis verfüg-
    Abb.05
                                             zu finden galt.                              bar sein.7
                                             Ein unter diesen Umständen kon-          Diese Ansprüche spiegelten Breu-
revolution                                   struierter Gegenstand, wäre aus          ers Engagement wieder, dem neuen
                                             sich heraus ein »guter« Gegenstand       Wohnen eine soziale Grundlage zu
Bevor es die Bauhausmöbel und Bau-           und würde als solches automatisch        schaffen. Diese erzeugt, ganz im
haushäuser gab, war das Wohnen               und ohne weitere Notwendigkeit           Sinne seiner Ideologie, eine durch
subjektiv häuslich und gemütlich.            von zusätzlicher Formgebung und          ihre Nutzen definierte Ästhetik aus
Die Designlandschaft war gezeichnet          Schmuckelementen zu anderen              Material und Form, welche damals
vom verspielt-dekorativen und orga-          »guten« Gegenständen passen.             als (teilweise zu sehr) innovativ und
nischen Jugendstil.                          Man könnte es als eine Reduzierung       modern empfunden wurde.
Im Frühjahr 1925 sollte Marcel Breuer        auf den kleinsten gemeinsamen,
dieses Wohnbild revolutionieren.             nötigsten Nutzen-Nenner eines            klubsessel
Über seinen, von der »de-Stijl«-Bewe-        Erzeugnisses definieren. Jedes weitere
gung beeinflussten Lattenstuhl aus           Gestalten, das über den eigentlichen     1925 fertigte Marcel Breuer den ersten
1921, gelang er bei der Betrachtung          Zweck und Nutzen hinaus ginge, wäre      und heute noch legendären »Klubses-
eines Fahrradlenkers als Arbeitsma-          überflüssig.                             sel B3«, zwei Jahre später die zusam-
terial zur Idee zu seinen Stahlrohrmö-       Aufgrund dieser Überlegung stellte       menklappbare und in seiner Intention
beln. Breuer schreibt dazu:                  Marcel Breuer gewisse Anforderun-
       Ein Stuhl soll z.B. nicht hori-       gen an seine neuen Möbel. Diese
       zontal-vertikal sein, auch nicht      sollten ...
       expressionistisch, auch nicht kon-     • genormte Formelemente besitzen,
       struktivistisch, auch nicht rein          sodass gleiche Materialien und
       auf Zweckmäßigkeit hin gearbei-           Teile bei verschiedenen Möbel-
       tet sein, auch nicht zu dem Tisch         sorten verwendbar waren.
       ›passen‹, sondern er soll ein guter    • in zweidimensionale Teile zerleg-
       Stuhl sein, und dann paßt er auch
                                                 bar sein.
       zum guten Tisch.6
                                              • die betriebstechnischen und
Breuer beschrieb also den Umstand,               fabrikatorischen Forderungen
dass ein Objekt eine bestimmte,                  berücksichtigen.
ihm allein durch seinen Zweck und                                                      Abb.07

6 Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 24                                                7 Kraus, Bauhaus Utopien, S. 141

4
perfektionierte Variante »Klubsessel                                                 erhältlich sind, ist die Betrachtung
B4«. Perfektioniert deswegen, weil                                                   der Nachhaltigkeit aus aktueller Sicht
hier die gewünschte Entmateriali-                                                    wichtiger denn je. Es ist so nicht nur
sierung und die, für die kleinen, am                                                 möglich, aus der Gestaltung zu lernen,
Bauhaus entwickelten Arbeiterhäuser                                                  sondern diese auch noch heute in
wichtige Platzersparnis, am weitesten                                                Lebensräumen einzusetzen.
fortgeschritten war. Mit einem auf das
Mindeste reduzierte Maß an Material,                                                 Ökologischer Aspekt
                                        Abb.09
Gewicht und Platz wurde der Klub-                                                     • Die verwendeten Materialien
sessel auch damals in den Katalogen Gropius. Ihm war eine Ästhetik, die                 sorgen für eine lange Lebens-
beworben.8                             rein aus der Funktion eines Gegen-               dauer des Produkts.
                                       stands abzuleiten war, nicht genug.            • Die einfache Zerlegbarkeit der
                                       Er entwickelte und realisierte einen             Möbel ermöglicht eine einfache
                                       hinterbeinlosen Stuhl in runder und              Reparatur und Austauschbarkeit
                                       für ihn ästhetisch perfektionierter              einzelner Elemente.
                                       Form. 11                                       • Ebenso bedingt dies die leichte
                                       Dieser Form folgend, lieferte Marcel             Trennung der Materialien zu
                                       Breuer im Jahre 1928 für die Firma               Recyclingzwecken.
                                       Thonet den freischwingenden »Arm-              • Geringes Gewicht und geringer
                                       lehnstuhl B64« und die armlose Vari-             Platzbedarf ermöglichen einen
                                       ante »B62«12.                                    kosten- und energiesparenden
 Abb.08                                                                                 Transport.
                                                                                      • Die Vernickelung des Stahlrohrs
Benutztes Material                                                                      zur Steigerung der Haltbarkeit ist
Die originale Bespannung des Klub-                                                      ökologisch betrachtet negativ zu
sessels bestand damals aus, speziell                                                    bewerten. In der damaligen Zeit
in den Weberwerkstätten des Bau-                                                        waren sich die Erzeuger dessen
haus hergestellten Eisengarngurten.                                                     jedoch nicht bewusst. Heute gibt
Diese war günstiger und strapazier-                                                     es ökologisch vertretbarere Alter-
                                             Abb.10
fähiger als die heutzutage benutzte                                                     nativen.
Lederbespannung. Die Paraffinie-                                                     Ökonomischer Aspekt
rung der Eisengarngurte erhöhte             nachhaltigkeit                            • Aufgrund ihrer minimalistischen
zusätzlich nicht nur die Festigkeit                                                     Beschaffenheit sind die Möbel sehr
und Schmutzunempfindlichkeit des            Im folgenden Abschnitt sollen die           leicht zu produzieren.
Materials, sondern sorgte auch für den      Stahlrohrmöbel auf die drei Aspekte       • Es werden nur wenige unter-
namensgebenden Glanz der mehrfach           der Nachhaltigkeit (ökologischer, öko-      schiedliche Materialien verwendet.
gezwirnten Baumwollfäden.9                  nomischer und sozialer Aspekt) unter-     • Beide vorher genannten Punkte
Das Gestänge der Stahlrohrmöbel             sucht werden.                               sorgen ebenso für einen geringen
bestand aus dem bezeichnenden (ver-         Manche der aufgezählten Punkte              Materialverbrauch pro Einheit.
nickeltem) Stahl.10                         sind direkte Folgen aus Breuers ide-      • Die Möbel sind durch ihre offe-
                                            alistischen Gestaltungsansprüchen           nen Formen sehr platzsparend.
freischwinger                               (siehe Abschnitt »Revolution«), andere      Besonders hervorzuheben ist hier
                                            leiten sich aus der Typisierung der         der faltbare Klubsessel. Von die-
Eine ähnliche, etwas kleinere Innova-       Erzeugnisse laut Walter Gropius (siehe      sem finden 50 Stück in einem
tion wie es die Stahlrohrmöbel für die      Abschnitt »Typisierung«) her.               Kubikmeter Platz.13
damalige Einrichtungsnatur darstell-        Der Gedanke der Nachhaltigkeit besaß     Sozialer Aspekt
ten, fand auch innerhalb der Stahl-         damals noch keine Relevanz und so         • Die Möbel sollten aufgrund des
rohrmöbel mit dem von Mies van              wird hier deutlich, dass eine sozial-       niedrigen Materialaufwandes und
der Rohe im Jahre 1926 entwickelten         ethisch beeinflusste Gestaltungs-           der einfachen Produktion sehr
»Freischwinger MR20« (und der arm-          grundhaltung bereits aus sich heraus        günstig erhältlich sein. (Heute sind
stützenlose Variante »MR10«) statt.         ein, heute in verschiedenen Punkten         diese Möbel durch Lizensierung
Van der Rohe vertrat eine andere            nachhaltiges Design bedingt.                und Kommerzialisierung relativ
Ansicht zur Ästhetik als Breuer und         Da die Stahlrohrmöbel im Original           teuer.)
                                            oder in Varianten auch noch heute
8 Kraus, Bauhaus Utopien, S. 142
9 Kraus, Bauhaus Utopien, S. 144            11 Kraus, Bauhaus Utopien, S. 145
10 www.bauhaus.de>Biografie Marcel Breuer   12 Droste, Bauhaus, S. 57                13 Kraus, Bauhaus Utopien, S. 141

                                                                                                                          5
• Die Typisierung sorgte dafür, dass
    die Möbel von einer sehr großen
    Verbraucherspektrum nutzbar
    gestaltet wurden, da es eine Vor-
    gabe der Typisierung war, das
    entsprechende Objekt für alle an
    es gerichtete Anforderungen funk-
    tional zu gestalten. Durch diese
    generelle Funktionalität ist das
    Besorgen von „spezialisierten“
    Möbeln (beispielsweise Esstisch,
    Küchentisch, Wohnzimmertisch,
    etc.) hinfällig.
  • Auch die platzsparende Eigenschaft
    der Möbel war zu ihren Entstehungs-   Abb.12
    zeiten ein sozialer Aspekt, da die
    Möbel speziell für die kleinen und verständlich, dass das zeitgenössische    an, das behaglich eingerichtete Wohn-
    leistbaren Arbeiterhäuser des Bau- Bürgertum die neuen Möbel als künst-      zimmer zu verunstalten.
    haus gedacht waren.                 lich, nackt, kalt und zu losgelöst vom   Weniger echauffiert über das neue
                                        bisherigen Wohnumfeld wahrgenom-         Wohndesign zeigten sich Künstler,
akzeptanz                               men hat. Die neuen Möbel wollten         Architekten und andere Intellektuelle.
                                        einfach nicht in das bisherige gemüt-    Diese bildeten – obwohl nie so beab-
Wie bereits beschrieben, war man zu liche Zuhause passen. Erschwerend            sichtigt – die Hauptabnehmerschaft
Zeiten des Bauhaus ein behagliches kommt hinzu, dass die Haptik und der          zu Zeiten des Bauhaus.
und gemütliches Wohnen gewohnt. Komfort der Stahlrohrmöbel relativ               Leider stellten diese Personengruppen
Man könnte auch sagen, dass es durch hart und unbequem erscheint, wenn           nur eine gesellschaftliche Minderheit
viele Polstermöbel, und den vorherr- man das Sitzen in einem Polstermöbel        dar, wodurch die Einführung und
schenden Jugendstil »warm und gewohnt ist.                                       Marktplatzierung der Stahlrohrmö-
weich« aussah.                          Gerade aber die sich so sehr bekla-      bel letztendlich als Fehlschlag abge-
Auch die Schrecken des vergange- gende bürgerliche Arbeiterklasse war            rechnet werden muss. Die Utopie des
nen ersten Weltkrieges festigten in die Hauptzielgruppe für welche die           neuen Wohnens war zerstört.
den zurückgekehrten Veteranen den Stahlrohrmöbel eigentlich gedacht
Wunsch nach einem gewohnt-harmo- waren. Vor allem die später erschie-            fehleranalyse
nischen Wohnumfeld.                     nenen Freischwinger wurden als zu
In krassem Gegensatz dazu präsen- modern und technisch wahrgenom-                Die gemachten Fehler sind, anhand
tierten sich nun die Stahlrohrmöbel men. Man war es einfach gewohnt,             der im vorigen Abschnitt aufgeführ-
des Bauhaus.                            dass ein Stuhl vier Beine hatte und      ten Ablehnungsgründe recht schnell
Vergleichen wir die bisher übliche plötzlich kam dieser hinterbeinlose,          entdeckt:
Einrichtung einer Wohnung mit der schwingende und futuristisch anmu-             Die von Gropius unbeabsichtigt eta-
Erscheinung der Stahlrohrmöbel, ist es tende Stuhl daher und schickte sich       blierte, reduzierte„Bauhaus”-Ästhetik
                                                                                 passte einfach nicht zum Schönheits-
                                                                                 verständnis der damaligen Zeit.
                                                                                 Man sagt heute gerne »die Gesell-
                                                                                 schaft war noch nicht reif« oder »Die
                                                                                 Möbel waren ihrer Zeit vorraus«, was
                                                                                 in Anbetracht des regelrechten Booms
                                                                                 der Stahlrohrmöbel in den 80er Jahren
                                                                                 vermutlich auch voll und ganz der
                                                                                 Wahrheit entspricht.
                                                                                 Alle sozialen und wirtschaftlichen
                                                                                 Ideale, die mit den Möbeln zu rea-
                                                                                 lisieren versucht wurden, brande-
                                                                                 ten gegen eine Klippe aus mentaler
                                                                                 Bequemlichkeit und bürgerlichem
                                                                                 Kleingeist.
    Abb.11

6
schlussfolgerung

Aus der Fehleranalyse lässt sich fol-
gendes ableiten:
Die Gestalt eines Objektes muss sich
an Wünschen und Vorstellungen der
Zielgruppe orientieren. Die Ästhetik
eines jeden Objektes, definiert durch
dessen Gestalt, fungiert sozusagen
als Kanal zwischen gestalterischen
Ansprüchen des Designers (Sender)
und der Zielgruppe. (Empfänger).
Ist die Ästhetik allerdings nicht auf die
Zielgruppe ausgerichtet, stimmt – um
in der selben Metapher zu sprechen –
die Frequenz nicht, auf der gesendet
wird und der Empfänger bleibt unbe-
rührt.
Wenn man also nachhaltig gestal-
ten will, muss man neben den drei
Säulen der Nachhaltigkeit (Soziale,
wirtschaftliche und ökologische
Aspekte) noch eine vierte Säule der
Ästhetik hinzufügen, da wir gesehen
haben, dass selbst die beste nachhal-
tige Gestaltung keinen Zweck erfül-
len kann, wenn die Zielgruppe nicht
erreicht und das gestaltete Objekt
nicht akzeptiert wird.

 Abb.13

                                            7
literaturverzeichnis
monographien

Magdalena Droste: Bauhaus. Taschen GmbH: Köln 2007

nachschlagewerke

Bauhaus Utopien – Arbeiten auf Papier. Hrsg. von Wulf Herzogenrath, Mitarbeit Stefan Kraus.
Edition Cantz,: Stuttgart 1988

internetquellen

Bauhaus-Archiv e. V.
Museum für Gestaltung
www.bauhaus.de (Stand 11.02.2010)

abbildungsverzeichnis
Abb.01: Meister des Bauhaus 1926, Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S. 15

Abb.02: Walter Gropius 1920,Droste, Bauhaus, S. 8

Abb.03: Jucker-Wagenfeld Tischlampe Glasversion, Kraus, Bauhaus Utopien, S. 137

Abb.04: Marcel Breuers Lattenstuhl, Droste, Bauhaus, S. 37

Abb.05: Marcel Breuer ca. 1926, ARCHITECTURAL RECORD, » Marcel Breuer Celebrated in Retrospective«,
		      Artikel vom 12.11.2007, www.archrecord.construction.com/news/daily/archives/071112breuer.asp

Abb.06: Prospekt »Standard-Möbel« von 1928, Kraus, Bauhaus Utopien, S. 142

Abb.07: Klubsessel B3, Bauhaus-Archiv e.V., »Die Möbelwerkstatt«,
		      http://www.bauhaus.de/bauhaus1919/werkstaetten/werkstaetten_moebel.html

Abb.08: Faltbarer Klubsessel B4 1927, Herzogenrath, Bauhaus Utopien, S.21

Abb.09: Freischwinger MR10 und MR20, Quittenbaum Kunstauktionen München, www.catalog.quittenbaum.de
		      (Bei der Stichwortsuche auf der Webseite nach »mr-10« oder »mr-20« suchen.)

Abb.10: Freischwinger B64 und B32, Quittenbaum Kunstauktionen München, www.catalog.quittenbaum.de
		      (Bei der Stichwortsuche auf der Webseite nach »b-64« oder »b-32« suchen)

Abb.11: Wohnraum des Musterhauses Nr. 16 1927, Droste, Bauhaus, S. 57

Abb.12: Wohnraum des Meisterhauses Lázló Moholy-Nagy 1927/28, Droste, Bauhaus, S. 56

Abb.13: Bauhaus Dessau 1926, WAGNER:WERK Museum Postsparkasse, Fotografierte Architektur auf
		      Ansichtskarten, http://www.whoch2wei.at/wagner_werk/moderne_gruesse.html

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