Natur in Berlin - Kostbares Nass Berlin zwischen Starkregen und Wassermangel - NABU Berlin
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Ausgabe 3/2020 Landesverband Berlin Natur in Berlin Mit dem Exkursionsprogramm von September bis Dezember 2020 Kostbares Nass Berlin zwischen Starkregen und Wassermangel
LIEBE MITGLIEDER, LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE DES NABU, zum Glück war der Sommer 2020 nicht so heiß und trocken wie in den beiden Vor- AKTUELLES jahren. Das hat der Natur immerhin eine Flughafensee 3 Atempause verschafft, mehr aber auch Teufelsseekanal 4 nicht: Obwohl es in diesem Jahr dem sub- Insektensommer 5 jektiven Empfinden nach häufig geregnet Fledermaus-Monitoring 6 hat, ist von diesen Niederschlägen kaum Storchberingung 7 etwas im Grundwasser angekommen. Gerade in Berlin hat das Nass in der Tiefe SCHWERPUNKT WASSER aber dringend Nachschub nötig, denn die Berlin auf dem Trockenen 8 Wasserwerke pumpen seit vielen Jahren Ressource Regen 10 Wasser sparen im Garten 11 mehr aus dem Untergrund, als unsere Bäume richtig gießen 13 Moore und Feuchtgebiete vertragen. Das ist ein ungesetzlicher Zustand, über den SPEKTRUM wir auf Seite 8 berichten. Dachgärten 12 Oft hört man ja, Wasser sei in Deutschland Igel auf dem Rückzug 14 reichlich vorhanden, und Verbraucher*innen müssten deshalb nicht sparsam mit dieser Ressource umgehen. In Berlin und Brandenburg stimmt das definitiv nicht, NABU VOR ORT vor allem nicht im Hochsommer, wenn Pools befüllt werden und Rasensprenger Duftgarten in Friedrichshain 15 kreiseln. Auf den Seiten 11 und 13 haben wir deshalb für Sie Tipps zum effizienten Gießen im Garten und zum richtigen Wässern durstender Stadtbäume zusam- BERLINER MITBEWOHNER mengestellt. Der Scharlachrote Plattkäfer 16 Ein Gewässer bereitet uns beim NABU Berlin derzeit aus ganz anderen Gründen Sorge: Seit mehr als 30 Jahren betreuen unsere ehrenamtlich Aktiven der AG TERMINE, RÄTSEL, KONTAKTE 17 Flughafensee das gleichnamige Vogelschutzgebiet unmittelbar hinter dem Roll- feld in Tegel. Da im Herbst, man glaubt es nicht, der neue Flughafen BER tatsäch- lich eröffnet werden soll, weckt der Flughafensee nun die Begehrlichkeiten der Stadtplaner. Damit aus dem artenreichen Biotop nicht ein schick gestylter, aber ökologisch verarmter Stadtpark wird, fordert der NABU Berlin, das Vogelschutz- reservat endlich als Naturschutzgebiet auszuweisen und damit für die Zukunft zu Landesverband Berlin sichern. Die Zeit drängt, der Senat muss endlich handeln! Viel Freude beim Lesen wünscht Jahresbericht Neu: 1. Vorsitzender NABU Berlin 2019 unser Jahresbericht 2019 IMPRESSUM NABU Berlin e.V., Wollankstraße 4, 13187 Berlin; 1. Vorsitzender: Rainer Altenkamp, 2. Vorsitzende: Melanie von Orlow, Geschäftsführerin (V.i.S.d.P.): Jutta Sandkühler; www.nabu-berlin. de, www.facebook.com/NABU-Berlin; Redaktion: Rainer Altenkamp (ra) und Jutta Sandkühler (jsa); Text und Layout Alexandra Rigos (ar); Redaktionelle Beiträge Anne Berger, Caroline Butt, Doris Castor, Janna Einöder (je), Jens Esser, Ulrike Kielhorn, Manfred Krauß, Ansgar Poloczek, Alexandra Rigos, Lisa Söhn; Anzeigendaten: NABU Berlin e.V., Wollankstraße 4, 13187 Berlin, Tel.: (030) 9860837-18, arigos@nabu-berlin.de; Mediadaten unter www.nabu-berlin.de; Erscheinungsweise vierteljährlich; Nächster Redaktionsschluss 03.11.20, nächster Veranstaltungszeitraum Januar-März 2021; Papier 100% Recycling, Auflage 13.700, Druck Dierichs Druck + Media GmbH, Kassel; Bildnachweis: Titel: Eisvogel: Christoph Bosch, S.2: Rainer Altenkamp: Carmen Baden, Dickkopffalter: NABU/CEWE/Sven Damerow, S.3: Flughafensee: Alexandra Rigos, Jutta Sandkühler: Carmen Baden, S.4: Teufelsseekanal: Lienhard Schulz/wikimedia.de, Nistkastenbau: Carmen Baden, Buchcover: Ulmer Verlag, S. 5: Pinselkäfer: Brigitte Schulz, Insekten-Exkursion: Janna Einöder, Janna Einöder: Annika Friedrich, S.6: Fledermausspaziergang: Imke Wardenburg, Monitoring: Christoph Schoetschel, Hornissennest: Stephan Härtel, S.7: alle Fotos: Alexandra Rigos, S. 8: Pechsee um 1920: A. Rupp, Pechsee heute: Manfred Krauß, S.10: Tropfen: Pixabay, Versickerungsmulde: Andreas Suess/Berliner Regenwasseragentur, S. 11: Gießkanne: flaticon.com, S.12: Dachgarten: Andreas Suess/Berliner Regenwasseragentur, S. 13: Screenshot: CityLAB Berlin, ufaFabrik-Gründach: Werner Wiartalla, S.14: Igel: Anne Berger, S. 15: alle Bilder: NABU-Bezirksgruppe Friedrichs- hain-Kreuzberg, S.16: Porträt Plattkäfer: Petr Mückstein, Plattkäfer Aufsicht und Larve: Jens Esser, S.18: Kraniche: D. Bellmer; Hinweise der Redaktion: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen und Bearbeitung von Beiträgen vor. Der NABU Berlin haftet nicht für unverlangt eingesandte Beiträge. Das Magazin und alle in ihm enthaltende Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Eine Verwertung bedarf der Genehmigung. Bankverbindung Spendenkonto NABU Berlin, Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE 76 1002 05000 003 2932 00 BIC: BFSWDE33 BER NATUR IN BERLIN 3/20
AKTUELLES | 3 kommentar Wir dürfen nicht länger warten! Naturjuwel in Tegel: der Flughafensee Jutta Sandkühler Geschäftsführerin NABU Berlin Wohl kein anderes Stück Natur ist so eng Schutz für den Flughafensee mit der Geschichte des NABU Berlin ver- knüpft wie das Vogelschutzreservat am Flughafensee. 1982 retteten engagier- NABU Berlin fordert Ausweisung als NSG te Naturschützer*innen die ehemalige Kiesgrube durch eine spektakuläre Be- Am 21. Juli hat der NABU Berlin offiziell finden die Antragsunterlagen auf der setzungsaktion, unter ihnen NABU-Ak- in einem Schreiben an Umweltsenatorin Homepage des NABU Berlin. tivisten wie unser früherer Vorsitzender Regine Günther den Antrag gestellt, das Nur wenige innenstadtnahe Gebiete bie- Hans-Jürgen Stork. „Vogelschutzgebiet am Flughafensee“ zu- ten eine so große Artenvielfalt: Gutach- Mit der Schließung von TXL stehen wir sammen mit der angrenzenden „Tegeler ter wiesen dort 493 Pflanzenarten nach, nun vor der Herausforderung, das Vogel- Heide“ endlich als Naturschutzgebiet darunter 41 Rote-Liste-Arten. Die Insek- schutzreservat ein zweites Mal vor dem auszuweisen. Dies hatte der NABU Ber- tenfauna ist mit 209 Schmetterlings-, 159 Zugriff der Stadtentwickler zu schützen. lin bereits im Jahr 2004 getan, war aber Wespen-, 125 Bienen- und 44 Libellenar- Im Gespräch mit Umweltstaatssekretär damals wegen angeblich mangelnder ten ebenfalls reichhaltig. In der Flach- Stefan Tidow zeigte sich Mitte August Dringlichkeit auf einen späteren Zeit- wasserzone des Sees brüten sieben Rote- aber einmal mehr, dass der Flughafensee punkt vertröstet worden. Mit der Schlie- Listen-Vogelarten wie Zwergdommel und weit unten auf der umweltpolitischen ßung des Flughafens Tegel und den ge- Schilfrohrsänger, auf dem Flughafen- Agenda des Senats steht. Schlimmer planten Bauprojekten auf dem Gelände gelände sogar elf, darunter Wendehals, noch: Selbst wenn man der Unterschutz- ist es jetzt für eine Unterschutzstellung Braunkehlchen und mit 79 Brutpaaren stellung jetzt Vorrang einräumen würde, allerdings höchste Zeit. Interessierte ein Fünftel aller Berliner Feldlerchen. könnte das Verfahren erst in drei oder vier Jahren beginnen. Denn für NSG-Aus- weisungen stehen im Land Berlin nur 1,5 Achtung: Mitgliederversammlung am 21.9. Stellen zur Verfügung. Die erbärmliche Personalausstattung der Wegen Corona-Regeln online Oberen Naturschutzbehörde zeigt, wel- che Bedeutung das rot-rot-grün regierte Leider kann die diesjährige Mitglieder- Teilnehmer*innen erhalten dann recht- Berlin dem Naturschutz beimisst. Wir versammlung des NABU Berlin nicht zeitig einen Link zur Online-Konferenz. können aber nicht jahrelang auf Schutz wie gewohnt im Versammlungsraum Mitglieder, die keinen Internet-Zugang für den Flughafensee warten, während "Storch" des NABU-Bundesverbands statt- haben oder nicht über die technischen in direkter Nachbarschaft ein ganzes finden: Wegen der geltenden Abstandsre- Voraussetzungen verfügen, an einer Wohnviertel hochgezogen wird. In Pla- gelungen dürfen sich derzeit maximal 20 Zoom-Konferenz teilzunehmen, melden nungen taucht das Vogelschutzgebiet be- Personen in diesem Raum aufhalten. sich bitte unter der oben genannten reits als „Park“ auf. Deshalb hat sich der NABU Berlin ent- Mailadresse oder telefonisch bei Nina Immerhin hat uns Staatssekretär Tidow schieden, die Mitgliederversammlung Baudis unter 030/9860837-19. Der NABU versprochen sich zu bemühen, der über- zum bereits angekündigten Termin am Berlin wird in diesen Fällen individuelle lasteten Oberen Naturschutzbehörde zu- 21. September online abzuhalten. Lösungen mit den Betreffenden finden. mindest leihweise mehr Manpower zur Für die Teilnahme ist eine Anmeldung Die Online-Mitgliederversammlung be- Verfügung zu stellen. Wir bleiben dran bis zum 13. September per Mail unter ginnt um 18 Uhr, das Einloggen ist ab 17 und brauchen dazu möglicherweise bald mitgliederversammlung2020@nabu- Uhr möglich. Die Tagesordnung ist in der Ihre Unterstützung. Schauen Sie ab und berlin.de erforderlich. Die angemeldeten "Natur in Berlin" 1/2020 einzusehen. an auf unserer Homepage vorbei! NATUR IN BERLIN 3/20
4 | AKTUELLES / MEINUNG Erfolg am Teufelsseekanal Sammelstege statt Luxus-Marina Bauprojekt sah einen Sammelsteg pro Ufer mit jeweils den Umbau des 14 Liegeplätzen geben. Auf dieser Basis Teufelsseeka- lässt sich aus Sicht des NABU ein unge- nals in Spandau störter, fast durchgehender Biotopver- zu einer Marina bund realisieren. mit vier Stichka- Für den Naturschutz wäre es natürlich nälen vor. Dies am besten gewesen, komplett auf die hätte den Ufer- Stege zu verzichten. Dann allerdings Teufelsseekanal grünzug, der wäre der Investor nicht verpflichtet ge- die Havel mit wesen, die Ufer zu renaturieren. Nach dem FFH-Gebiet dem neuen Konzept muss Helma die Be- Nach fast zwei Jahren ist nun endlich „Spandauer Forst“ verbindet, und die tonspundwand am Nordufer entfernen, eine Einigung beim Ausbau des Teufels- dort lebenden Biber stark beeinträchtigt. Bauschutt abtragen und neue, naturnah seekanals in Sicht: Die geplante Luxus- Mittlerweile hat sich der Investor bereit bepflanzte Schrägböschungen sowie Marina wird nicht gebaut. Im November erklärt, auf den Bau der Stichkanäle zu zwei Meter breite Flachwasserzonen 2018 hatte die Berliner Landesarbeits- verzichten. Im Juni hat die Firma Helma anlegen. Der Investor wird die Planung gemeinschaft Naturschutz (BLN) unter ein geändertes Konzept vorgelegt, das nun weiter ausarbeiten und sie dann fachlicher Mithilfe des NABU Berlin zudem die Zahl der Liegeplätze stark den Verbänden noch einmal vorlegen. gegen die Genehmigung der „HAVEL- reduziert. An Stelle der ursprünglich In der Zwischenzeit ruht das Gerichts- MARINA-Berlin“ geklagt. Das geplante geplanten 49 Einzelstege wird es nun verfahren. Ulrike Kielhorn Buchtipp: Der Kies muss weg! Manifest gegen den Schotterwahn Wer hasst sie nicht, die mit leblosem Steinsplitt zugeschütteten Vorgärten, in denen allenfalls ein frisierter Bonsai sein Dasein fristet? Wer es bislang nicht gewagt hat, Nachbarn auf ihre Garten- verunstaltung anzusprechen, findet in dem Buch von Tjards We n d e n - bourg eine fundierte, angenehm sachliche Ar- Wolfgang Steffenhagen hilft beim Nistkastenbau. gumentati- onshilfe. Der Autor dekli- Mitstreiter*innen gesucht men werden musste. Auch wenn Corona niert nicht dieses Frühjahr für eine Zwangspause nur alle Fachgruppe Umweltbildung sorgte, zeichnet sich ab, dass im neuen Nachteile braucht Unterstützung Schuljahr wieder viele Schulen und Ki- der Schotter- tas Interesse anmelden werden. gärten für Biodiversität und Stadtklima Totholzsafaris, Nistkastenbau, Vogelbe- Auf Dauer kann Wolfgang Steffenhagen durch (bis hin zur schmelzenden Butter stimmung – das Angebot der Fachgrup- die Nachfrage aber nicht allein bewäl- auf der vom Gestein aufgeheizten Ter- pe Umweltbildung ist vielfältig und wird tigen. Deshalb sucht er dringend enga- rasse), sondern bemüht sich auch um immer stärker von Grundschulen und gierte Menschen, die Kindern gern die einen Einblick in die Psyche der Gar- Kitas nachgefragt. Im Jahr 2019 führte Natur nahebringen möchten. Idealer- tenbesitzer. Hinter dem Schotterwahn die Gruppe nicht weniger als 50 Veran- weise haben die Interessent*innen pä- sieht er vor allem Konformitätsdruck staltungen durch. dagogische Erfahrung und trauen sich und Unsicherheit: die Angst, mit einem Leider verlor sie schon zu Beginn des Jah- zu, Veranstaltungen auch mit älteren "ungepflegten" Garten anzuecken, und res wichtige Mitstreiter*innen, so dass Schülern in Gymnasien und Sekundar- den Verlust von gärtnerischem Wissen. das Gros der Termine von Gruppenleiter schulen abzuhalten. Tjards Wendenbourg: Der Kies muss weg! Ulmer Verlag 2020 Wolfgang Steffenhagen allein übernom- Kontakt: wsteffenhagen@nabu-berlin.de NATUR IN BERLIN 3/20
AKTUELLES | 5 Neues Gesicht in der Öffentlichkeitsarbeit Pressereferentin in Elternzeit Da unsere Pressereferentin Christine Szyska in Mutterschutz gegangen ist, hat nun Janna Einöder die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit übernommen. Die gebürtige Kölnerin hat Environmental Biology studiert und ihre Masterarbeit über Wildpflanzen und Hummeln in Schweden verfasst. Immer häufiger gesichtet: Während ihrer Prak- der wärmeliebende Pinselkäfer tika beim oekom Ver- lag und der Stiftung für Mensch und Um- welt hat sie redak- Janna Einöder Schönschrecke und Pinselkäfer tionelle Erfahrung gesammelt. Janna begeistert sich für die Wissenschaftskommunikation und Aktionen zum Insektensommer in Berlin freut sich daher besonders darauf, die Inhalte und Projekte des NABU Berlin Bei heißen 36 Grad treten die meisten Ergänzend zu den Exkursionen am an unterschiedliche Zielgruppen zu ver- Berliner*innen den Weg zum Badesee südlichen Stadtrand gab es eine Insek- mitteln. In ihrer Freizeit widmet sie sich oder Eiscafé an. Nicht aber die rund tenzählung auf dem Dachgarten „Klun- ihren Balkonpflanzen, macht Yoga und 30 motivierten Naturfreund*innen, kerkranich“ in Neukölln. Natürlich Kickboxen oder kocht neue Gerichte. die Anfang August im Naturpark Ma- beobachteten die Teilnehmer*innen in rienfelde die Suche nach Sechsbei- dem dichtbesiedelten Wohnbezirk ins- nern aufnahmen. Die Bezirksgruppe gesamt weniger Insekten als auf den Steglitz-Zehlendorf hatte zu einer ge- weiten Wiesenflächen in Marienfelde, meinsamen Zählaktion im Rahmen des konnten aber auch dort allerhand in- NABU-„Insektensommers“ aufgerufen. teressante Insekten ausmachen, so den Die Teilnehmenden konnten unterstützt Glattschienigen Pinselkäfer (Trichius gal- von Insekten-Expert*innen rund 60 ver- licus) und mindestens acht verschiedene schiedenen Arten identifizieren. High- Bienenarten. lights waren unter anderem eine Sechs- Die Mitmachaktion „Insektensommer“ bindige Furchenbiene, die Italienische fand dieses Jahr bereits zum dritten Schönschrecke und der Resedafalter. Mal statt. Nachdem im Juni in Berlin Eine Besucherin der Veranstaltung zeigte und Brandenburg die Hainschwebflie- sich begeistert: „Ich bin neu in der Welt ge auf Platz 1 lag, wurde im August die der Insekten und kann gerade mal eine Ackerhummel am häufigsten gemeldet. Biene von einer Wespe unterscheiden. Bei der Entdeckungsfrage galt es her- Da ist es faszinierend zu sehen, wie viele auszufinden, ob der heimische Sieben- Insektenarten es gibt und wie schnell die punkt-Marienkäfer oder der Asiatische Fachleute sie bestimmen können!“ Marienkäfer häufiger vorkamen. Erfreu- Beim „Insektensommer“ ruft der NABU licherweise lag der Siebenpunkt vorn. je Bürger*innen bundes- weit dazu auf, in zwei Zeiträumen im Früh- und Hochsommer Insekten zu zählen, zu bestimmen und zu melden. Schon in der ersten Phase Anfang Juni hatten Aktive des NABU Berlin eine Füh- rung in Marienfelde an- geboten und zu diesem NABU-Insektenfreunde Zeitpunkt sogar mehr als im Naturpark Marienfelde 70 Arten bestimmt. NATUR IN BERLIN 3/20
6 | AKTUELLES Fledermaus zu Hause? Viele Freiwillige unterstützten Lebensstätten-Monitoring Zur Erfassung der – es sei denn, der Nachweis gelingt beim Fledermäuse legen ersten Mal. Ergänzend zu den akustik- sich die Freiwilligen gestützten Sichtbeobachtungen unter- noch vor Anbruch suchen wir die künstlichen Quartiere der Dämmerung auf daher auch mit einer Endoskopkamera die Lauer. Ob tat- vom Hubsteiger aus und – ganz experi- sächlich Tiere aus mentell – mit einer thermographiefähi- NABU-Aktive testen die Fledermaus-Detektoren. den Kästen ausflie- gen Drohne. Ob die Wärmeabstrahlung gen, bleibt jedoch oft von Fledermäusen im Quartier aus- bis zum letzten Mo- reicht, um die Tiere sicher nachzuwei- W as machen Sie denn da? Die- ment spannend. Der Bat-Detektor hilft, sen, testen wir derzeit noch. Wir freu- se Frage begegnet unseren auch im schummrigen Licht nichts zu en uns schon darauf, die von unseren Freiwilligen häufiger. Bis zu verpassen. Er übersetzt die Ultraschall- Helfer*innen gesammelten Daten auszu- eineinhalb Stunden lang halten sie Fas- Rufe der Fledermäuse in hörbare Laute werten! Lisa Söhn saden mit Nistkästen im Blick – und er- und macht sie als Sonogramm sichtbar. Wer Interesse hat, die Studie in der nächsten Saison regen dabei bisweilen die Aufmerksam- Die Rufe von Zwergfledermäusen etwa ab März 2021 zu unterstützen, melde sich bitte un- keit verwunderter Anwohner. zeichnen sich hockeyschlägerartig auf ter artenschutz_am_gebaeude@nabu-berlin.de. Nicht weniger als 45 Ehrenamtliche dem Display der von der Stiftung Natur- sind unserer Bitte gefolgt, unser von schutz Berlin zur Verfügung gestellten der SenUVK gefördertes Projekt „Arten- Tablets ab. Mit ihrer Funktionsweise schutz am Gebäude“ beim Lebensstät- machten sich die Helfer*innen zuvor bei ten-Monitoring zu unterstützen. Es gilt einem gemeinsamen Abendspaziergang herauszufinden, ob die Ersatzkästen vertraut. von Vögeln oder Fledermäusen ange- Im Vergleich zu anderen Zielarten des nommen werden, deren ursprüngliche Monitorings, nämlich Haussperling, Quartiere bei Sanierungsarbeiten zer- Mehlschwalbe und Mauersegler, stellt stört wurden. Ausgestattet mit Fernglas die Überprüfung künstlicher Lebens- oder Fledermaus-Detektor sammeln die stätten auf Fledermäuse eine besondere Helfer*innen wertvolle Daten, um die Herausforderung dar. Dies liegt zum ei- Wirksamkeit verschiedener Maßnah- nen an der heimlichen und nächtlichen men vergleichen und bewerten zu kön- Lebensweise der fliegenden Säuger, zum nen. Untersucht wird zum Beispiel, wie anderen an ihrer Angewohnheit, regel- sich Lage, Höhe und Exposition des Kas- mäßig das Quartier zu wechseln. Mit ei- So gemütlich kann NABU-Arbeit sein. tens auf die Annahme auswirken. ner einzigen Kontrolle ist es selten getan Wenn Wespen in der Wohnung summen ten mit ein paar einfachen Maßnah- NABU-Experten warnen vor unseriösen Schädlingsbekämpfern men auf Distanz halten lassen. Einige Wespenarten, zum Beispiel die Hornis- Im Rollladenkasten summt es, und stän- se, sind zudem streng geschützt. dig schwirren Wespen in der Küche he- Stellen die Wespen aber wirklich eine rum – viele Menschen suchen in einer Gefahr dar – etwa weil man allergisch solchen Situation Hilfe bei professionel- ist – solle man zumindest darauf ach- len Schädlingsbekämpfern. Mitunter ten, eine seriöse Firma mit der Entfer- geraten sie bei der Internet-Recherche nung zu beauftragen. "Ein ordentliches allerdings an unseriöse Unternehmen. Unternehmen nennt vorab einen Preis, "Aus einer kostenlosen Besichtigung kostenpflichtige Vorab-Besichtigungen wird dann ein teurer und sofort bar sind unüblich", sagt Melanie von Orlow. zu bezahlender Einsatz, der bis zu 500 Ein gutes Zeichen sei es, wenn die Fir- Euro für zehn Minuten Gifteinsatz kos- ma einem Berufsverband wie dem DSV tet", erzählt Dr. Melanie von Orlow vom oder VFöS angehöre. Das Team vom Hymenopterendienst des NABU Berlin. NABU-Hymenopterendienst berät eben- Hornissennest Oft ist es jedoch gar nicht nötig, das falls bei Problemen mit Wespen & Co. Nest zu entfernen, weil sich die Insek- kontakt@hymenopterendienst.de NATUR IN BERLIN 3/20
AKTUELLES | 7 In luftiger Höhe beringt Jörg Dummer zwei Linumer Jung- störche. Zwischen ihnen liegt ein taubes Ei. Babyboom über den Dächern von Linum Ehrenamtliche Helfer beringen Jungstörche in luftiger Höhe D er Storch hat die Webcam rui- steiger zur Verfügung, um Jungstörche sieben Wochen alten NABU-Störche, die niert, und daher werkelt Lisa im Havelland zu beringen – anders ist bereits mit den Flügeln schlagen, um Hörig fieberhaft an einer neu- es kaum möglich, die Nester in schwin- sich aufs Abheben vorzubereiten. en, metallverstärkten Halterung her- delerregender Höhe zu erreichen. „Ungewöhnlich“, sagt Jörg und lässt die um. Gleich kommt Jörg Dummer mit Nachdem Lisa und Jörgs Sohn Mar- Hebebühne noch ein bisschen höher der Hebebühne, um die Jungstörche tin die Kamera neu montiert haben, steigen, um die Störchin zu verscheu- auf dem Dach des NABU-Informati- beringt Jörg die vier Kleinen auf dem chen. Ihr Ring von der Beringungszent- onszen-trums „Storchenschmiede“ in NABU-Horst. „Bei unseren Jungstör- rale Wilhelmshaven weist sie als West- Linum zu beringen. Das ist die Gelegen- chen ist das besonders interessant“, er- storch aus. heit, nebenbei schnell noch die defekte klärt Lisa Hörig, „unser Storchenvater Endlich flieht sie, und die Jungen ver- Technik in Ordnung zu bringen. zieht westlich über Spanien nach Afri- fallen in eine Starre, als Jörg ihnen rou- Es ist ein gutes Jahr für die Linumer ka, die Mutter östlich über den Bospo- tiniert mit einer speziellen Beringungs- Störche, nachdem sich die majes- rus. Es wird spannend zu sehen, welche zange nummerierte Aluminiumringe tätischen Vögel in den letzten Dür- Route die Jungen wählen.“ umlegt. Die Prozedur dauert kaum eine resommern schwer getan hatten. Vier Weiter geht es zu einem Nest auf ei- Minute, dann ist der nächste Horst an Jungstörche sitzen im Nest auf dem NA- nem Mast am Ortseingang. Die Hebe- der Reihe. Auf dem Dach des NABU BU-Dach, das ist für hiesige Verhältnis- bühne schnurrt in die Höhe, doch die thront derweil Vater Storch schon wie- se schon ein Rekord. „Wahrscheinlich Storchenmutter ist unwillig, ihren der auf der Kamera. Alexandra Rigos liegt es daran, dass unser Storchenvater Nachwuchs sehr früh, schon Anfang März, aus dem zu verlassen, Winterquartier zurückgekommen ist“, als die beiden erklärt Lisa Hörig, die kommissarische Menschen he- Leiterin der „Storchenschmiede“. ranschweben. Aber auch sieben andere Paare in Li- Sichtlich ner- num haben erfolgreich gebrütet, insge- vös hält sie samt sind 19 Jungvögel geschlüpft und bei ihren zwei entwickeln sich bislang gut, wovon sich Jungen die Lisa von der Hebebühne aus überzeu- Stellung, die gen kann. noch deutlich Jörg Dummer, Chef eines Maschinen- kleiner und Von der Kamera aus hat der Storch (links) seine vier verleihs in Oranienburg, stellt schon f lauschiger Jungen auf dem NABU-Dach gut im Blick. seit 30 Jahren seine Zeit und seine Hub- sind als die NATUR IN BERLIN 3/20
8 | SCHWERPUNKT Kahnpartie: Pechsee um 1930 Grüne Wiese: Pechsee 2017 Wildwest im Wasserwerk Berlins Grundwasserpegel sinkt und sinkt B erlin gilt als Stadt mit einer siche- Wasserwerken überhaupt eine ordentli- Gleichwohl gab es aus der Politik eine ren Trinkwasserversorgung, jeden- che Genehmigung. Menge guter Vorsätze und Papiere, etwa falls suggerieren das die Berliner 1996 stellten die BWB für alle Wasser- die 2012 vom Senat beschlossene „Berliner Wasserbetriebe (BWB) mit ihrem Slogan. werke Anträge auf die wasserbehördliche Strategie zur Biologischen Vielfalt“. Zwei Unter den Tisch fallen dabei die negati- Bewilligung zur Grundwasserentnahme. Ziele der Strategie stehen in Zusammen- ven Folgen der Trinkwasserförderung für Das Unternehmen gab seinerzeit Gutach- hang mit der Grundwasserproblematik: Moore, Feuchtgebiete und Wälder. ten für die notwendigen Umweltverträg- • Ziel 9: Nachhaltige Bewirtschaftung Seit Jahrhunderten wird das Umland lichkeitsprüfungen sowie ein Wasser- des Grundwassers, um grund wasser durch Flussbegradigung, Melioration und versorgungskonzept in Auftrag. Es sollte abhängige Lebensräume zu sichern und Braunkohletagebau massiv entwässert. nicht weniger als zwölf Jahre dauern, bis ihren Zustand zu verbessern Die großflächige Versiegelung minimiert das „Wasserversorgungskonzept für Ber- • Ziel 10: Erhaltung der für den Natur- die Grundwasserneubildung. Der steigen- lin und für das von den BWB versorgte und Klimaschutz wichtigen Moore de Trinkwasserverbrauch in Stadt und Umland (Entwicklung bis 2040)“ 2008 Wie kaum anders zu erwarten war, ist von Speckgürtel lässt den Grundwasserspiegel endlich veröffentlicht wurde. der gesamten Strategie bislang kein einzi- sinken. Der Neubau von Industrieanlagen ger Punkt umgesetzt worden – es gab ja mit hohem Wasserverbrauch wie Tesla in Berlin in der Pflicht auch keine Fristen. Grünheide verschärft das Problem. 2007, also ein Jahr zuvor, wurden aller- 2016 schließlich entdeckten die derzeiti- Etwa 70 Prozent des Berliner Trinkwas- dings die Berliner Moore und Feucht- gen Regierungsparteien das Trinkwasser- sers kommen aus dem so genannten Ufer- wälder als FFH-Gebiete ausgewiesen. problem. Im Koalitionsvertrag vereinbar- filtrat. Dazu werden Spree und Havel an- Nach EU-Recht sind Managementpläne ten sie zum Punkt „Sauberes Wasser“: gezapft, weil die Grundwasservorräte für umzusetzen, wenn sich die FFH-Schutz- „Zur Sicherung unseres sauberen Trink- den immensen Bedarf schon lange nicht gegenstände nicht in einem günstigen wassers und zum Schutz wertvoller mehr ausreichen. Erhaltungszustand befinden. Damit war Feuchtgebiete wird die Koalition die Bewil- Seit langem beklagen Wissenschaftler Berlin rechtlich verpflichtet, alles zu tun, ligungsverfahren für die Brunnengalerien und Naturschützer die Folgen der Was- um den Zustand der FFH-Gebiete zu ver- der Berliner Wasserbetriebe (BWB) zügig serförderung. Die Grundwasserstände bessern. vorantreiben und abschließen“. sinken immer weiter ab, Moore und Diese Pflicht ging jedoch nicht in das Passiert ist seither allerdings wenig. Mit Feuchtgebiete trocknen aus, Wälder lei- Wasserversorgungskonzept ein, obwohl Mühe und Not schaffte Berlin bis Ende den unter Wassermangel. das Konzept die Grundlage für die Bewil- 2019 die von der EU mehrmals angemahn- Die Berliner Wasserversorgung beruht ligungsverfahren der Wasserwerke bilden te Überführung der FFH-Schutzgebiete in auf dem Raubbau an der Ressource sollte. Auf diesen Geburtsfehler haben die Landesrecht. Parallel dazu ließ die Natur- Grundwasser. Besonders pikant: Bis heute Umweltverbände immer wieder erfolglos schutzbehörde einen Moormanagement- haben nur drei von derzeit neun Berliner hingewiesen. plan erarbeiten. Der Entwurf wurde 2018 NATUR IN BERLIN 3/20
SCHWERPUNKT | 9 den Umweltverbänden zur Stellungnahme das eigentliche Problem an. Sie dienen al- Finanzsenators sind. Zudem müssen die vorgelegt, ist jedoch bis heute noch nicht lenfalls der Kompensation. Wasserbetriebe 1,21 Milliarden Euro für veröffentlicht. • Auch die medienwirksame Beregnung den 2013 erfolgten Rückkauf der Anteile Der Managementplan dokumentiert aus- des NSG Barssee mit aufbereitetem Wasser von RWE und Veolia refinanzieren. führlich die über Jahrzehnte erfolgte durch die BWB in diesem Sommer ist nur Für die Berliner Naturschutzverbände er- Absenkung des Grundwassers und ihre eine Ausgleichsmaßnahme. geben sich aus dem Desaster folgende For- Auswirkungen. Der Zustand aller Berliner • Das FFH-Recht verlangt jedoch Maß- derungen für den Schutz der Moore und Moore hat sich seit der Unterschutzstel- nahmen zur Vermeidung oder Minimie- Feuchtgebiete: lung weiter verschlechtert. Es wird also rung der Eingriffe. Die zuständige Behörde • Das Verschlechterungsverbot nach massiv gegen FFH-Recht verstoßen. müsste also gegen den Betrieb der Wasser- FFH ist sofort durchzusetzen, sonst dro- Leider drückt sich der Entwurf um kon- werke in der jetzigen Form einschreiten. hen Deutschland hohe Strafzahlungen. krete Maßnahmen, die den desolaten • Dies gilt ungeachtet laufender was- • Im Moormanagementplan müssen Zustand beenden könnten, vor allem um serrechtlicher Bewilligungsverfahren, verbindliche Mindestgrundwasserstände, verbindliche Mindestgrundwasserstände. die eigentlich, wie im Koalitionsver- die einen guten ökologischen Zustand der Möglicherweise spiegelt das die internen trag festgelegt, in dieser Legislaturpe- Moore und Feuchtwälder ermöglichen, Machtverhältnisse zwischen Naturschutz- riode abgeschlossen werden sollten. festgelegt werden. behörde einerseits und Wasserbehörde • Die Kontrollpegel sollen durch Daten- und BWB andererseits wieder. Massives Politikversagen fernübertragung öffentlich zugänglich ge- Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Ber- Anfang August hat die BLN den Senat macht werden. liner Landesarbeitsgemeinschaft Natur- schriftlich aufgefordert, endlich die Ver- • Diese Maßnahmen sollen schnellstens schutz (BLN) kommt zu dem Fazit: stöße gegen das FFH-Recht zu beenden. zwischen BWB und Berlin vertraglich ab- • Die Grundwasserabsenkung führt ganz Wie konnte es dazu kommen, dass trotz gesichert werden, statt die schleppenden klar zur Verschlechterung des Erhaltungs- guter Absichten in den letzten 20 Jahren Bewilligungsverfahren abzuwarten. zustands der geschützten Lebensraumty- fast nichts zur Verbesserung der Situation Werden die Mindestgrundwasserstände pen und ist somit ein Verstoß gegen § 34 getan wurde? Offenbar liegt ein massives unterschritten, muss die Wasserförderung Abs. 2 BNatSchG. Versagen von Politik und Behörden vor. in dem entsprechenden Gebiet künftig • Die im Moormanagementplan bislang Vermutlich dazu beigetragen hat die Tat- zwingend reduziert werden. vorgeschlagenen Maßnahmen gehen nicht sache, dass die BWB eine Art Melkkuh des Weiter müssen die BWB endlich ihre Haus- aufgaben machen: • Modellierung einer FFH-gerechten Was- Die Pegelstände der letzten Jahrzehnte zeigen serförderung, die nicht nur betriebliche einen klaren Zusammenhang zwischen Wasser- Belange in den Vordergrund stellt, Seespiegel Pechsee förderung und Grundwasserstand. • Verlagerung und Neubau einzelner Ga- 30 lerien in weniger empfindliche Bereiche, • Ausbau des Berliner Verbundnetzes zur besseren Wasserverteilung im Stadtgebiet, • mittelfristig Deckung des Spitzenwas- 28 serbedarfs durch Kooperation mit Bran- denburger Wasserwerken. Grundwasserspiegel Da wegen des Klimawandels die nutzbaren nahe Pechsee Wasservorräte in Berlin und Brandenburg 26 immer geringer werden, hilft auch der m über NN Bau neuer Wasserwerke nicht weiter. Die Politik muss daher endlich den Wasser- verbrauch insbesondere im Sommer be- Mio m3 schränken, wenn Pools und Rasensprenger 30 für Engpässe sorgen, wie es Brandenburg bereits praktiziert. Außerdem ist es höchs- te Zeit, Konzepte und Maßnahmen zum Wassersparen in allen Lebensbereichen 20 neu aufzugreifen und umzusetzen. Dies sollte ohne Einbußen an Lebensqualität möglich sein. Umweltsenatorin Regine Günther muss 10 Uferfiltrat Havel Ostufer: endlich handeln, um ihre selbstgesteck- Galerien Schildhorn-Lindwerder ten Ziele zu erreichen. Es geht in Zeiten des Klimawandels nicht nur um ein paar Wasserwerk Teufelssee Moore, sondern um die Rettung der Berli- ner Wälder, die Sicherung unseres Trink- wassers und um die Zukunftsfähigkeit der Stadt überhaupt. Manfred Krauß NATUR IN BERLIN 3/20
10 | SCHWERPUNKT Mehrere Pilotprojekte in Berlin, zum Bei- spiel das Gründerinnenzentrum „Wei- Ressource Regen berWirtschaft“ in der Anklamer Straße (Mitte), demonstrieren teils schon seit Jahrzehnten, dass die Regenwassernut- zung im Haus technisch machbar und alltagstauglich ist. Durchgesetzt hat sich dieser Ansatz bislang trotzdem nicht. Ein Bewirtschaften statt entsorgen Hauptgrund dafür dürfte – neben Kosten- argumenten und (unberechtigten) hygi- enischen Bedenken – die eher skeptische Haltung der Wasserbetriebe sein, die ja Wer bislang glaubte, Dürre und Sintflut lich in die Bausubstanz eingegriffen wird, bei allen Bemühungen um den Gewässer- seien einander ausschließende Zustände, darf anschließend nicht mehr Regen vom schutz Trinkwasser verkaufen wollen. den belehrt der Klimawandel eines Besse- Grundstück abfließen, als es ohne Versie- Angesichts langsam verdorrender Straßen- ren: Immer seltener regnet es in Berlin, gelung der Fall wäre.“ bäume in vielen Teilen Berlins drängt es und wenn einmal Niederschläge fallen, Um das Wasser auf dem Grundstück zu sich geradezu auf, dem Stadtgrün das von dann ergießt sich an einem Tag mitunter halten, gibt es viele Möglichkeiten. Die ein- Dächern ablaufende Regenwasser zukom- die Regenmenge eines ganzen Jahres über fachste sind Mulden, die den Regen zurück- men zu lassen. Ein neuer Ansatz, der auch die Stadt – wie beim "Jahrhundertregen" halten. Sie gehören in vielen Neubaugebie- in Berlin erprobt wird, sind so genannte im Juni 2017 geschehen. Leider fließen ten, etwa an der Rummelsburger Bucht, Baumrigolen, bei denen es sich in Prinzip die Wassermassen bei Starkregen größ- längst zum Stadtbild. Aus Sicht des Natur- um bepflanzte Drainageschächte handelt. tenteils an der Oberfläche ab und bringen schutzes interessanter sind richtige Teiche, Da bei dieser Konstruktion die Bäume in die Kanalisation zum Überlaufen, statt im die zugleich einen Lebensraum für Amphi- Regenphasen allerdings im Nassen stehen Erdreich zu versickern und das Grundwas- bien und andere Lebewesen bieten. Eine können, eignen sich dafür nur bestimmte ser aufzufüllen. Studie der Universität Osnabrück ergab Arten. Ähnliches gilt für die in Neubauge- kürzlich, dass naturnah gestaltete Regen- bieten anzutreffenden Versickerungsmul- Kanalisation von 1874 wasserrückhaltebecken in der Stadt häufig den, die mittlerweile ebenfalls mit Bäu- Obendrein schwemmt der Starkregen jede eine größere Pflanzenvielfalt beherbergen men bepflanzt werden dürfen. Menge Schadstoffe wie Reifenabrieb und als natürliche Gewässer im Umland. Schwermetalle, dazu Müll und Fäkalien Auch Gründächer haben, richtig gestaltet, Projekte im Quartier in die Gewässer. Denn in der Innenstadt einen doppelten Nutzen (siehe Seite 12) als Ambitionierter ist ein Vorschlag des Ag- fließen Abwässer und Regenwasser immer Biotop und Regenspeicher. Abhängig von rarökonomen und Wasseraktivisten Her- noch – seit Inbetriebnahme der Kanalisa- der Substratdicke können sie erstaunli- mann Wollner: Er fordert, „Dachwasser tion im Jahr 1874 – durch einen gemeinsa- che Mengen Wasser aufnehmen und den im Quartier aufzufangen, vegetationsnah men Kanal ab. So genannte Mischwasser- Abfluss vom Grundstück im Jahresmittel zu speichern und durch ‘Regenranger’ den überläufe sind heute die Hauptursache um die Hälfte reduzieren. Sie speisen zwar wohnungsnahen Bäumen zuzuführen.“ der Gewässerverschmutzung. nicht das Grundwasser, kühlen dafür aber Mit 2.400 dezentralen Projekten dieser Art Verschärft wird das Problem durch das an- durch Verdunstung die Stadt. ließe sich, rechnet Wollner vor, das Prob- haltende Wachstum der Hauptstadt: Mehr lem der Berliner Mischwasserüberläufe lö- Einwohner verbrauchen mehr Wasser, so Regenwasser fürs Klo sen. Die Kosten von sechs bis acht Euro pro dass die Feuchtgebiete am Stadtrand wei- Besonders sinnvoll ist es, Regenwasser zur Quadratmeter Baumscheibe könnte ein ter ausdörren. Zugleich wird für neue Gartenbewässerung und für die Toilet- städtischer „Klimaresilienzfonds“ tragen. Häuser mehr Fläche versiegelt, von der tenspülung zu nutzen – so entlastet man Welche Maßnahmen sich langfristig auch das Regenwasser abläuft. nicht nur die Kanalisation, sondern spart immer am besten bewähren – fest steht, Der Ausweg aus diesem Dilemma ist eben- zugleich kostbares Trinkwasser. Die gute, dass Berlin mehr tun muss, um das selbst so elegant wie anspruchsvoll: Die Stadt alte Regentonne ist dabei nur ein Anfang: erklärte Ziel der „Schwammstadt“ zu errei- soll wie ein Schwamm Regenwasser auf- In unterirdischen Tanks lassen sich viel chen. Ein Prozent des Altgebäudebestands saugen und langsam an den Boden abge- größere Wassermengen speichern. Wer sie wollte der Senat jedes Jahr von der Kanali- ben – oder den gespeicherten Regen als im Haus nutzen will, muss einen zweiten sation abkoppeln. Bislang ist man weit von Brauchwasser zur Verfügung stellen. Wasserkreislauf installieren, um Brauch- dieser Marke entfernt. Aber Schwämme Die „Schwammstadt Berlin“ ist längst kei- und Trinkwasser getrennt zu halten. wachsen ja bekanntlich langsam. ar ne Utopie mehr. 2018 gründete der rot-rot- grüne Senat eine Regenwasseragentur, die Bürger, Firmen und Institutionen dabei unterstützen soll, die nasse Ressource vor Ort zu bewirtschaften, statt sie ungenutzt Richtung Nordsee rauschen zu lassen. „Bei Neubauten darf Regenwasser über- haupt nicht mehr in die Kanalisation ge- leitet werden“, sagt Darla Nickels, Chefin der Regenwasseragentur, „und auch bei Bepflanzte Versickerungsmulden an der Rummelsburger Bucht Bauvorhaben im Bestand, wenn wesent- NATUR IN BERLIN 3/20
SCHWERPUNKT | 11 5 Tipps ...zum Wassersparen im Garten 1. 2. 3. Rasen abschaffen Rasensprenger Trockenheits- Immer dasselbe Bild im Som- auch abschaffen verträgliche mer: Entweder der Rasenspren- Der feine Sprühnebel Pflanzen auswählen ger dreht sich im Dauereinsatz, wirkt zwar erfrischend, Im trockenen, zumeist san- oder der grüne Teppich verkommt bringt den Pflanzen aber wenig, digen Berliner Boden quälen zum gelb-braunen Flickwerk. Üppi- da ein großer Teil des Wassers ver- sich klassische Gartenpflanzen ge Rasenflächen mögen in nasskalten dunstet, bevor es den Boden erreicht wie Rittersporn und Rhododendron Landstrichen gut aussehen, bei uns sind hat. Statt ständig wenig Wasser zu ohnehin nur herum. Robuster, schö- sie definitiv fehl am Platze – und bieten verspritzen, sollte man lieber selten, ner und ökologischer sind Pflanzen, überdies nur wenigen Tierarten Nahrung aber dann durchdringend gießen. Wer die natürlicherweise in Trockenrasen- und Lebensraum. Deshalb: Wo keine Kinder nicht so viele Gießkannen schleppen und Steppengebieten daheim sind, wie spielen sollen, lieber blütenreiche Beete mag, sollte zumindest auf Tropf- Salbei, Färberkamille oder Blauraute. anlegen – oder naturnahe Wiesen schläuche zurückgreifen. Auch Kräuter und Halbsträucher aus wachsen lassen. dem Mittelmeerraum stecken Trocken- 4. phasen locker weg, lassen sich in der Küche nutzen und sind bei Schlüsselloch- Insekten heiß begehrt. beet anlegen Wer Gemüse in Hochbeeten 5. zieht, erntet viel, muss aber auch Regenwasser viel gießen, da über die Seitenwände sammeln Wasser verdunstet. Effizienter ist ein Wer noch keine Regen- so genanntes Schlüssellochbeet, wie es tonne im Garten stehen hat, sich in afrikanischen Ländern bewährt hat. sollte spätestens im nächsten Es wird über einen mit Kompost gefüllten Frühjahr eine anschaffen. Fortge- Einsatz in der Mitte bewässert – und dabei schrittene erwägen die Installation zugleich gedüngt. Dieser Kompostkorb kann einer unterirdischen Zisterne mit Küchen- und Gartenabfälle aufnehmen und wesentlich größerem Aufnahmevolu- wirkt zugleich wie ein Filter, so dass das Beet men. Das spart Trinkwasser, entlastet auch mit Brauchwasser aus dem Haus- die Kanalisation bei Starkregen und halt, zum Beispiel Spülwasser, ge- zahlt sich unter dem Strich gossen werden kann. auch finanziell aus. auf stark befahrenen Straßen wird der Re- Wie sauber ist der Regen? gen vom Segen zum Entsorgungsproblem: Nun führt er Mikroplastik in Form von Alles Gute kommt von oben – kann aber mitunter schadstoffbelastet sein Reifenabrieb, schwermetallhaltige Stäube und allerlei Müll wie Zigarettenkippen, Schon auf seinem Weg zur Erde nimmt cher als wenig belastet gelten, waschen Plastiktüten und Hundekot mit sich – und Regenwasser Schadstoffe aus der Luft auf, Niederschläge potenziell schädliche Subs- darf beispielsweise in Trinkwasserschutz- zum Beispiel Stickstoffsalze, die zur Über- tanzen aus Metalldächern und Teerpappe. gebieten nicht mehr im Boden versickern. düngung der Natur beitragen. So richtig Fassaden, die zum Schutz vor Algen mit Wer Regenwasser in Haus und Garten nut- kritisch wird es beim Kontakt mit mensch- biozidhaltigen Farben gestrichen sind, ge- zen will, sollte daher darauf achten, dass licher Infrastruktur. Während Ziegeldä- ben ebenfalls Schadstoffe ab. Spätestens es über unbelastete Flächen abgelaufen ist. NATUR IN BERLIN 3/20
12 | SPEKTRUM Im Himmel über Berlin Gründächer speichern Regenwasser, kühlen die Stadt – und sind Naturinseln B erlin wächst und wächst, immer Hauseigentümer*innen auch auf man- Abkühlungseffekt durch die Vegetation mehr Freiflächen verschwinden gelnder Information. Die meisten Dächer erhöht vielmehr die Wirksamkeit der So- unter Beton und Asphalt. Die Stadt lassen sich auf die eine oder andere Art larpaneele, zudem erleichtert das Gewicht wird zur „Hitzeinsel“, denn Gebäude und begrünen, obgleich es natürlich statische des Substrats ihre sichere Verankerung. Straßen speichern Wärme und geben sie Grenzen gibt. Große Flachdächer, wie Dachbegrünungen können vielgestaltig nachts nur langsam ab. Das Restgrün ver- sie moderne Wohnblöcke und Gewerbe- ausfallen – die Palette reicht von wenige dunstet nicht genug Wasser, um die Luft bauten typischerweise aufweisen, lassen Zentimeter dicken Tragschichten, auf de- spürbar abzukühlen. sich am einfachsten begrünen, aber auch nen lediglich Dickblattgewächse, meist Eine Möglichkeit, der Überhitzung entge- schräge Dächer bis zu einem Neigungs- Sedum-Arten, wachsen, bis hin zu regel- genzuwirken, sind begrünte Dächer. Sie winkel von etwa 30 Grad, in Extremfällen rechten Dachgärten mit Stauden und Ge- speichern Wasser, lassen es allmählich sogar mehr, kommen in Frage. hölzen.Weil Dächer gewöhnlich Sonne und verdunsten und kühlen so die Umgebung. Wind stark ausgesetzt sind, handelt es um Zudem wirken Gründächer als Feinstaub- Drei Schichten braucht das Dach äußerst trockene Extremstandorte. Doch filter und verbessern die Luftqualität, sie Grundsätzlich bestehen Dachbegrünun- sind es gerade die Pflanzengesellschaften dienen als Erholungsraum für Menschen, gen aus einer Schutzschicht, die ein Aus- der Trocken- und Halbtrockenrasen, die in die in der verdichteten Stadt keinen eige- schwemmen des Substrats verhindert, unserer Kulturlandschaft gefährdet sind nen Garten haben, und bieten überdies einer Drainageschicht, die das Abfließen und denen städtische Dächer Ersatzhabita- Lebensraum für Pflanzen und Tiere, die nicht mehr speicherbarer Wassermengen te bieten können. in der Großstadt kaum noch Platz finden. gewährleistet, und einer Vegetationstrag- Nicht zuletzt wirken sie als Puffer bei Star- schicht, die abhängig von der Belastbar- Insekten kommen schnell kregen, helfen damit, ein Überlaufen der keit des Gebäudes unterschiedlich mäch- Auch viele Tiere finden auf Gründächern Mischwasserkanalisation zu vermeiden, tig ausfallen kann. Je nach Gebäudetyp Nahrung und mitunter sogar einen Le- und tragen auf diese Weise zum Gewässer- und Dachkonstruktion können weitere bensraum. Allerdings trocknen dünne schutz bei. Elemente erforderlich sein, etwa Rutsch- Substratauflagen bisweilen völlig aus und und Schubsicherungen bei geneigten Dä- können im Winter durchfrieren, so dass 1000 Dächer, wenig Nachfrage chern oder Bewässerungssysteme. Bodenlebewesen sich nicht dauerhaft hal- Auch der Berliner Senat hat das Poten- Die Kosten einer Dachbegrünung werden ten, obwohl gerade sie wichtig für die Auf- zial von Dachbegrünungen erkannt und im Laufe der Zeit durch die eingesparten rechterhaltung der ökologischen Boden- im Sommer 2019 ein 1000-Dächer-Pro- Heiz- oder Kühlkosten und die länge- funktionen sind. Flugfähige Insekten wie gramm aufgelegt. Interessierte können re Haltbarkeit des Daches kompensiert. Käfer, Schmetterlinge und Wildbienen hin- sich von der Berliner Regenwasseragen- Denn die Vegetation isoliert das Gebäude, gegen besiedeln den Lebensraum bisweilen tur beraten lassen und Fördermittel für und eine fachgerecht aufgebrachte Subst- rasch und nutzen auch kurzfristig zur Ver- die erstmalige Begrünung bestehender ratschicht schützt das Dach vor äußeren fügung stehende Nahrungsressourcen. Mit Dächer in bestimmten Bereichen der In- Einflüssen und trägt so zur Verlängerung steigender Substratstärke und einer viel- nenstadt beantragen. Leider blieb das In- seiner Lebensdauer bei. fältigeren Pflanzengesellschaft nimmt die teresse bislang verhalten; Mitte Mai 2020 Eine Nutzung der Dachfläche zur Gewin- tierische Biodiversität deutlich zu. lagen gerade einmal 14 Förderanträge vor. nung von Solarenergie steht keineswegs Überdies lässt sich die Artenvielfalt auf Vermutlich beruht die Zurückhaltung der in Konkurrenz zur Dachbegrünung. Der dem Dach mit einigen einfachen Mitteln NATUR NATUR IN IN BERLIN BERLIN 3/20 3/19
SCHWERPUNKT | 13 erhöhen. Auch ein extensiv begrüntes Dach muss keine dürftige „Sedum-Steppe“ bleiben, vielmehr kann man es durch Mo- dellieren der Substratschicht, durch Varia- Bäume gießen – aber richtig! tionen von Nährstoffgehalt und Korngrö- Neues Internet-Portal informiert über den Wasserbedarf einzelner Straßenbäume ße sowie durch Einbringen von Totholz, Stroh oder Reisig aufwerten und so durch Soll man Straßenbäume mit Trinkwasser unter dem Strich wiegt der Wert eines mehr Strukturvielfalt auch mehr Tieren gießen? Wieviel Wasser braucht so ein großen Straßenbaums für Stadtklima und einen Lebensraum bieten. ausgewachsener Baum überhaupt? Immer Artenvielfalt höher. wieder wenden sich Bürger*innen mit sol- Beim Gießen gilt es darauf zu achten, Reichhaltige Käferfauna chen Fragen an den NABU Berlin. dass das Wasser tatsächlich versickert und Vor allem die Käferfauna kann auf Grün- Fest steht: Berlins Straßenbäumen geht es nicht oberflächlich abläuft. Hilfreich sind dächern äußerst reichhaltig sein. Studien schlecht, und viele sind ohne zusätzliche Gießsäcke, wie sie das Bezirksamt Fried- in der Schweiz dokumentierten bis zu 42 Wassergaben im Sommer zum langsamen richshain-Kreuzberg kostenlos verleiht. Arten auf intensiv begrünten Dachflächen, Absterben verurteilt, da sie mit ihren Wur- Sie setzen das Wasser so langsam frei, dass während auf Kiesdächern lediglich fünf zeln das Grundwasser nicht mehr errei- der Boden es aufnehmen kann. zu finden waren. Auch diverse Heuschre- chen. Wie im Garten gilt auch für Baum- Ob der Baum vor der Tür gerade durs- cken und Wildbienen wurden auf Dächern scheiben: Selten, aber dann richtig viel tig ist, sieht man ihm nicht so leicht an. nachgewiesen. Gerade letztere sind auf gießen. Einmal pro Woche 100 Liter (also Wenn die Blätter braun werden, ist der möglichst tiefgründiges Substrat angewie- zehn Eimer oder Gießkannen voll) sind in Schaden schon da. Abhilfe schafft das sen, weil viele Arten im Boden nisten. Trockenphasen eine gute Richtschnur. neue Internet-Projekt "Gieß den Kiez" vom Vögel wie Stieglitze und Grünlinge, die CityLAB Berlin. Auf einem digitalen Stadt- sich größtenteils von Sämereien ernähren, Brauch- oder Regenwasser nutzen plan können Interessierte jeden einzelnen profitieren von verblühten Pflanzen auf Nach Möglichkeit sollte man gesammeltes von 625.000 Stadtbäumen abrufen, sowie Gründächern, und selbst Bodenbrüter wie Regenwasser verwenden oder Straßen- Art, Alter und momentanen Gießwasser- Haubenlerche, Kiebitz, Flussregenpfeifer pumpen nutzen. Es ist schließlich wider- bedarf ermitteln. und Steinschmätzer nisten gelegentlich in sinnig, Bäume mit Trinkwasser zu gießen, Besonders bedürftig sind übrigens Bäume luftiger Höhe. Steht dann allerdings nicht für dessen Gewinnung anderswo Wälder im Alter von drei bis 15 Jahren. Während genug Nahrung zur Verfügung, kann das oder Feuchtgebiete trocken fallen. Idealer- frisch gepflanzte Setzlinge in den ersten Gründach zur ökologischen Falle werden. weise nutzt man so genanntes Grauwasser Jahren noch vom Grünflächenamt bewäs- Entscheidend für den Bruterfolg ist eine aus Haushalt und Küche, zum Beispiel sert werden, bleiben die etwas älteren sich reichhaltige Vegetation, die für ein ausrei- Waschwasser von Obst und Gemüse. Nur selbst überlassen, haben aber noch kein chendes Nahrungsangebot sorgt. wenn es keine Alternativen gibt, sollte ausgedehntes Wurzelwerk ausgebildet. Trotz ihrer immensen ökologischen Vor- man auf Trinkwasser zurückgreifen, denn Mehr Info: www.giessdenkiez.de ar teile können Gründächer selbstverständ- lich keine natürlich entstandenen Biotope ersetzen; ihre Biodiversität bleibt in der "Gieß den Kiez" verrät's: Die alte Linde vor der NABU-Geschäftsstelle kommt ohne Gießkanne aus. Regel deutlich unter der vergleichbarer und Tiere langsamer an, und viele Arten Naturlandschaften. Schließlich handelt es bleiben ganz weg. Ihre Funktion als Tritt- sich um künstliche Habitate, das Substrat steinbiotope vermögen begrünte Dächer ist nicht natürlichen Ursprungs, der Was- deshalb nur dann zu erfüllen, wenn Parks, serhaushalt schwankt aufgrund fehlender Gärten oder andere Gründächer in der Speicherschichten stark, die Vegetation Nähe sind. In Kombination mit Fassaden- selbst wird zumeist angesät oder gepflanzt. begrünungen können Gründächer in grö- Auch die Lage spielt eine Rolle: Ist das ßerer Zahl der Stadt jedoch ein Netz viel- Auf dem Dach der ufaFabrik in Tempelhof stehen Dach die einzige grüne Insel inmitten fältiger Lebensräume zurückgeben. verschiedene Sedum-Arten in voller Blüte. einer Steinwüste, siedeln sich Pflanzen Ansgar Poloczek NATUR IN BERLIN 3/20
14 | SPEKTRUM Stachelig und rätselhaft Forscher*innen sind Berlins Igeln auf der Spur für Zoo- und Wildtierforschung unter- sucht unter anderem, wie Igel es ge- schafft haben, sich an den städtischen Lebensraum anzupassen und inwieweit menschliche Aktivitäten das Verhalten der „Hauptstadtigel“ beeinf lussen. In der abwechslungsreichen Stadt sind Igelreviere oft recht klein und beschrän- ken sich auf wenige Fußballfelder. Ur- bane Igel haben ihre Nester häufig in direkter Nähe des Menschen, etwa in Gebüschen an Hauswänden. Selbst auf Verkehrsinseln und unter Imbissbuden wurden schon Nester entdeckt. Weil sie nächtliches Licht und Straßen aber doch eher meiden, leben die meis- ten Stadtigel in Parks. Leider werden Grünf lächen und Gärten nicht immer Gegen Autos hilft das schönste Stachelkleid nicht. „igelfreundlich“ bewirtschaftet. Oft entfernen Gärtner das Laub so gründ- lich, dass Igel kein Nistmaterial mehr J ede*r kennt ihn, jede*r mag ihn, er lichkeiten, milde Winter und trockene finden. Dann greifen sie manchmal so- wurde sogar zum „Gartentier des Sommer spielen eine Rolle. Auch Laub- gar auf Plastiktüten zurück. Jahres 2020“ gekürt, und doch weiß bläser, Motorsensen, Kellerschächte man erstaunlich wenig über den Igel und Hunde kosten immer mehr Igel Livemusik und Pommes – nicht einmal, wie viele Igel es eigent- das Leben. Wie eine Untersuchung während des lich gibt. Bestandsschätzungen sind Dabei haben Igel gar keine hohen An- Lollapalooza-Festivals im Treptower aufwändig, da Igel nachtaktiv sind, sprüche an ihren Lebensraum. Sie müs- Park 2016 zeigte, reagieren Igel auf Stö- versteckt leben und als Kleinsäuger na- sen in ihren relativ kleinen, rund zwei rungen sehr individuell. So zog sich ei- türlicherweise Bestandsschwankungen Hektar umfassenden Revieren bloß ge- nes der beobachteten Igelmännchen in unterliegen. Zählungen der Tiere sind nug Futter und Versteckmöglichkeiten einen gesperrten Teil des Parks zurück, auch deswegen schwierig, weil Igel sich finden. Der englische Name „hedge- während sich ein anderes Tier unter der sehr ähnlich sehen – ein Problem, das hog“ (Heckenschwein) bezeichnet dabei Bühne einrichtete und mehrmals täg- schon der Hase im Märchen hatte. sehr treffend Hecken als einen wichti- lich mit Pommes-Resten versorgte. Die- Daher gibt es deutschlandweit keine ge- gen Lebensraum für Igel. se hohe Verhaltensvarianz der Igel ist nauen Zahlen zum Igelbestand. Schät- wahrscheinlich einer der Hauptgründe, zungen beruhen makabererweise meist Rückzug in die Stadt warum es überhaupt noch Igel gibt und auf Verkehrsopfern: Viele tote Igel am Im Zuge der Intensivierung der Land- sie in Städten überleben können. Straßenrand deuten auf einen stabilen wirtschaft sind solche Hecken und Die Igel-Forschung steht noch vor vielen Bestand hin. Seit einigen Jahren gibt Versteckmöglichkeiten allerdings ver- unbeantworteten Fragen. Neben genau- es allerdings alarmierende Hinweise schwunden, und Pestizide sowie das en Bestandszahlen und -entwicklungen aus mehreren europäischen Ländern, Insektensterben führten zudem zu wollen Forscher*innen zum Beispiel die und auch zwei lokale Langzeitstudien Futtermangel in der Agrarlandschaft. Relevanz verschiedener Verletzungs- aus Hessen und Bayern zeigen, dass Viele Igel wichen daher in menschliche und Todesursachen (etwa Gift, Garten- die Zahl der überfahrenden Igel dra- Siedlungen aus und fanden in Gärten maschinen, Verkehr) ermitteln oder matisch zurückgegangen ist. Wo 1990 und Parks kleinräumige, strukturrei- den Einf luss von nicht-natürlichem noch regelmäßig 50 tote Igel pro Jahr che Lebensräume. Heute kommen Igel Futter (wie besagten Pommes oder Kat- am Straßenrand lagen, ließen sich ab paradoxerweise in den verkehrsreichen zenfutter) untersuchen. Vor allem aber 2015 gerade noch ein bis zwei finden. Städten häufiger vor als auf dem ruhi- müssen die Menschen aufgeklärt wer- Die Gründe für den Rückgang sind geren Land. den, wie es um die Igelpopulation steht vielfältig: Die Zerschneidung der Le- Als typischer Kulturfolger interessiert und wie man sie schützen kann, damit bensräume durch Straßen, intensive der Igel auch die Wissenschaft. Das Pro- der Igel auch in Zukunft „ein Berliner“ Landwirtschaft, fehlende Nestmög- jekt „Igel in Berlin“ des Leibniz-Instituts bleibt. Anne Berger NATUR IN BERLIN 3/20
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