Natur in Berlin - Berliner Pflanzen Wie steht es um die Flora in der Hauptstadt? - NABU Berlin
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Ausgabe 2/2021 Landesverband Berlin Natur in Berlin Mit dem Exkursionsprogramm von Juni bis September Berliner Pflanzen Wie steht es um die Flora in der Hauptstadt?
LIEBE MITGLIEDER, AKTUELLES LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE DES NABU, Petition Flughafensee 3 Young Birders Club 4 mehr als 10.000 Unterschriften sind für un- Bauprojekt Pankower Tor 5 sere Petition „Rettet das Naturparadies am Interview Jutta Sandkühler 6 Flughafen Tegel!“ zusammengekommen, Gefährliches Angelzubehör 7 die wir Mitte April an Umweltsenatorin Re- gine Günther übergeben haben. Wir freuen SCHWERPUNKT PFLANZEN uns, dass so viele Bürger*innen uns unter- Interview: Wie geht's der Berliner Flora? 8 stützen und zeigen, dass ihnen der Schutz Vom Rasen zur Wiese 11 Problem Götterbaum 12 der Stadtnatur am Herzen liegt. Denn das ist in diesen Zeiten extrem wichtig. SPEKTRUM Schließlich droht nicht nur dem Flugha- Ausflugstipps Brandenburg 13 fensee Gefahr. Vielmehr gibt es an vielen Invasive Flusskrebse 14 Stellen der Stadt Konflikte, bei denen der Naturschutz den Kürzeren zu ziehen droht. BERLINER MITBEWOHNER Berliner Politiker*innen haben die Floskel Die Zauneidechse 16 „Bauen, bauen, bauen“ so verinnerlicht, als handle es sich um das elfte Gebot. NABU VOR ORT Hinterfragt wird da kaum noch. Aber wollen wir wirklich eine ungebremst wach- Der Biesenhorster Sand 17 sende Stadt, die kaum noch Grünflächen und Platz für wilde Tiere und Pflanzen hat? Und sollte nicht die Corona-Pandemie ein Anlass sein innezuhalten und zu TERMINE UND KONTAKTE 18 beobachten, ob sich der Flächenbedarf vielleicht langfristig ändert? Viele Firmen kündigen an, auch künftig auf Homeoffice zu setzen. Dadurch könnten beträchtli- che Flächen frei werden. Doch im Wahljahr 2021 kommen nüchterne Erwägungen nicht gut an, lieber rasseln die Kandidat*innen mit dem Betonmischer. Wie unbekümmert selbst überregional bedeutende Naturschätze dabei aufs Spiel gesetzt werden, zeigt das aktuelle Planungsverfahren zum „Pankower Tor“ (siehe Seite 5). Ohne Not nehmen Bezirk und Senat dort in Kauf, dass die einzige Berliner Population der streng geschützten Kreuzkröte erlischt – damit der Inves- tor dort einen Möbelmarkt errichten kann. Hier rächt es sich einmal mehr, dass Berlin in der Vergangenheit wertvollen Grund an den Meistbietenden verscher- belt hat. Noch allerdings hat die Kreuzkröte eine Chance. Der NABU Berlin wird notfalls vor Gericht für ihr Bleiberecht kämpfen. Neuer Flyer: Die Wildvogelstation des Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! NABU Berlin stellt sich vor 1. Vorsitzender NABU Berlin IMPRESSUM NABU Berlin e.V., Wollankstraße 4, 13187 Berlin; 1. Vorsitzender: Rainer Altenkamp, 2. Vorsitzende: Kerstin Brümmer, Geschäftsführung: Melanie von Orlow; www.nabu-berlin.de, www. facebook.com/NABU-Berlin; Redaktion: Rainer Altenkamp (V.i.S.d.P.), Alexandra Rigos (ar); Layout: Alexandra Rigos; Schlussredaktion: Alexandra Vogels; Redaktionelle Beiträge Nina Dommaschke, Eric Neuling, Ansgar Poloczek, Rotraut Przybyla, Alexandra Rigos, Jens Scharon, Juliana Schlaberg, Malte Tschertner; Anzeigendaten: NABU Berlin e.V., Wollankstraße 4, 13187 Berlin, Tel.: (030) 9860837-18, arigos@nabu-berlin.de; Mediadaten unter www.nabu-berlin.de; Erscheinungsweise vierteljährlich; Nächster Redaktionsschluss 04.08.21, nächster Veranstaltungszeitraum September 2021 - Januar 2022; Papier 100% Recycling, Auflage 14.000, Druck Dierichs Druck + Media GmbH, Kassel; Bildnachweis: Titel: Uhi4/ shutterstock.com, S.2: Rainer Altenkamp: Carmen Baden, S.3: Petitionsübergabe: Alexandra Rigos, Innenhof: NABU/Helge May, S. 4: Young Birders Club: Matthias Mundt, TVO-Demo und Bäume: Janna Einöder, S. 5: Konzept Pankower Tor: NABU Berlin, Buchcover: Oekom Verlag, S.6: Jutta Sandkühler: Max Noack, S. 7: Melanie von Orlow: Steffi Karma, übrige Porträtfotos: privat, Stockente: Christian Passeri, S. 8: Astlose Grasnelke: Agnieszka Kwiecien/wikimedia.de, Prachtnelke: Bernd Haynold/wikimedia.de, Lungenenzian, Ph.THomasCptcv/wikipedia.de, Mondraute: Alinja/wikimedia.de, S.9: Violette Schwarzwurzel: Hermann Schachner/wikimedia.de, S. 10: Schwärzliche Kuhschelle: Justus Meißner/Stiftung Naturschutz Berlin, Justus Meißner: Anne-Marie Weiß/Stiftung Naturschutz Berlin, S. 11 Wiese: NABU/Eric Neuling, S. 12: Götterbaum: Kokaragac/wikimedia.de, S.13: Sternenhimmel: Thomas Becker, Grünhaus: NABU/Helge May, Unterhavel, Bruchwald: NABU/Klemens Karkow, Buchenwald Grumsin: Sebastian Hennigs, Störche: Wolfgang Stürzbecher, S. 14/15: Roter Sumpfkrebs: Gyro/iStock. com, Edelkrebs, Kamberkrebs: Aleksey Stemmer/iStock.com, S.16: Zauneidechse: Heinz Strunk, Eidechsenpaar: Willi Mayer, S.17: Biesenhorster Sand: Jens Scharon, S. 18: Sanddüne: Juliane Kostowski; Hinweise der Redaktion: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen und Bearbeitung von Beiträgen vor. Der NABU Berlin haftet nicht für unverlangt eingesandte Beiträge. Das Magazin und alle in ihm enthaltende Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Eine Verwertung bedarf der Genehmigung. Bankverbindung Spendenkonto NABU Berlin, Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE 76 1002 05000 003 2932 00 BIC: BFSWDE33 BER NATUR IN BERLIN 2/21
AKTUELLES | 3 Petition für den Flughafensee an Senatorin übergeben Mehr als 10.000 Unterschriften für ein Naturschutzgebiet in Tegel Am 14. April war es endlich so weit: Bei echtem Aprilwetter und mit coronakon- form kleiner Delegation übergab der NABU Berlin Umweltsenatorin Regine Günther vor ihrem Dienstsitz am Köll- nischen Park symbolisch 10.181 Unter- schriften für unsere Petition „Rettet das Naturparadies am Flughafen Tegel!“. Ge- startet war die Aktion Anfang Oktober 2020, als mit der Schließung des Airports unmittelbare Gefahr im Verzug war, das artenreiche Gelände am Flughafensee könne bei der Nachnutzungsplanung zur Disposition gestellt werden. Schon seit Jahrzehnten fordert der NABU Berlin, das Gebiet endlich unter Natur- Rainer Altenkamp, Vorsitzender des NABU schutz zu stellen, wurde bislang von der Berlin, übergibt Umweltsenatorin Regine Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr Günther die Petition. und Klimaschutz jedoch immer vertrös- tet. Nun sollte die Petition den Senat end- lich zum Handeln bewegen. Stellen beantragt und „gehe damit jetzt Einsatz für den Naturschutz erwartet Senatorin Günther nahm die Kritik in die Verhandlungen“, so Günther. habe. „Der Rückstau bei den Ausweisun- freundlich zur Kenntnis und räumte ei- NABU Berlin-Vorsitzender Rainer Alten- gen ist wirklich enorm: 46 Gebiete an der nen „Ausweisungsstau“ bei Naturschutz- kamp wies humorvoll, aber unmissver- Zahl“, kritisierte Altenkamp, „die Uhr gebieten ein. Für den kommenden Haus- ständlich darauf hin, dass man von ei- tickt, und sie tickt schon viel zu lange. halt 2022/23 habe man jedoch zusätzliche nem rot-rot-grünen Senat deutlich mehr Jetzt muss gehandelt werden!“ Schluss mit der Totpflegerei! Auch die vom NABU Berlin unterstützte Initiative „Grüne Höfe“ übergibt Petition Und noch eine erfolgreiche Petition für die Das Bündnis aus NABU-Aktiven und hat dies im „Handbuch Gute Pflege“ so- Stadtnatur: Die Initiative „Grüne Höfe Ber- Mieter*innen kritisiert, dass Grünanlagen gar aufgeschrieben. Eine extensive Mahd, lin“ hat am 24. März 4.200 Unterschriften und Innenhöfe von den beauftragten Gar- Laubbläsereinsatz nur auf versiegelten für die Erhaltung des Stadtgrüns an das tenbaufirmen eher zu Tode gepflegt statt Flächen und die Pflanzung heimischer Berliner Abgeordnetenhaus übergeben. erhalten werden. Gehölze sind nur einige Beispiele. Diese Entgegengenommen wurde die Petition Im Sinne einer „ordentlichen“ Wohnum- Empfehlungen gilt es nun zum verpflich- von der Grünen-Fraktionsvorsitzenden gebung entstehen artenarme Rasenflä- tenden Standard für die öffentliche Hand Antje Kapek und der Stadtentwicklungs- chen, werden ohne Not Sträucher auf den zu machen. Das Potenzial für mehr Stadt- sprecherin der Linken, Katalin Gennburg. Stock gesetzt und wird das Laub mit Ma- natur wäre groß: Allein die sechs landes- schineneinsatz eigenen Wohnungsunternehmen unter- noch aus dem halten Außenflächen von der Größe des letzten Gebüsch Müggelsees. gepustet. Nah- Gerade Corona habe gezeigt, dass Stadtna- rung, Schutz tur ein essenzieller Teil der sozialen Infra- und Lebensraum struktur sei, antwortete Antje Kapek auf für Insekten die Forderungen. Sie will sich für mehr und Vögel ver- Stadtgrün einsetzen. Zu hoffen bleibt, schwinden. dass in diesem Wahljahr noch die Wei- Dabei ist eigent- chen gestellt werden. lich klar, wie es Die Initiative „Grüne Höfe Berlin“ will je- anders gehen denfalls den Druck aufrechterhalten und kann, und die sammelt weiter Unterschriften. Umweltverwal- Eric Neuling Da geht noch was: Innenhof in Berlin tung des Senats www.change.org/gruene-hoefe-berlin NATUR IN BERLIN 2/21
4 | AKTUELLES / MEINUNG Mach mit beim Young Birders Club! NAJU Berlin gründet Club für junge Vogelbeobachter*innen Du bist zwischen 14 und 21 Jahren alt? Du beobachtest gerne Vögel, möchtest Gleichgesinnte kennenlernen und dein Wissen erweitern? Du kannst bereits Amsel von Star un- terscheiden? Dann könnte der neu gegründete Young Birders Club Berlin etwas für dich sein. Er ist eine Anlaufstelle für junge Vogelbeobachter*innen, die gemeinsam mit uns in Berlin und Umgebung Vogel- Matthias Mundt (links) und Manuel Tacke arten bestimmen und beobachten, Neu- es entdecken und den Vogelzug erleben wollen. Bei uns erfahrt ihr Basiswissen • Zielgruppe: Anfänger*innen und Fort- schaft und ggfs. Fahrten an. Informati- über korrekte Bestimmung, arttypi- geschrittene onen zur Mitgliedschaft findet ihr hier: sches Verhalten, die Nina Dommaschke, wissenschaftliche neue Kar- • Alter: circa 14 – 21 Jahre www.naju-berlin.de/mitglied-werden tierung sowie Vogel- Artenschutz-Expertin beimund Naturschutz. • Treffen: Termine nach Absprache • Leitung: Manuel Tacke und Matthias Berlin hat viele NABU Berlin, spannende hält nach besetzten Ecken, und • Ort: Kein fester Treffpunkt, Mobilität Mundt hin und wieder Nistkästen gibt es auch hier kleine Ausschau. (Fahrrad / S-Bahn) ist Voraussetzung gefiederte Seltenheiten zu entdecken! • Material: Vernünftiges Fernglas und/ Für weitere Infos oder bei Fragen schaue Wir – das sind Manuel und Matthi- oder Kamera auf unserer Webseite vorbei (www.naju- as, zwei leidenschaftliche Birder und • Messenger: Signal berlin.de/gruppen/young-birders-club) oder haupt- und ehrenamtlich bei der NAJU • Preis: kein Gruppenbeitrag. Es fallen schreibe an ybc@naju-berlin.de. und beim NABU beschäftigt. lediglich Kosten für die NABU-Mitglied- Wir freuen uns auf Dich! Mauer- und Abendsegler-Fans gesucht! Monitoring geht in die nächste Runde Werden bei Bauprojekten geschützte Lebensstätten von Vögeln und Fleder- mäusen zerstört, müssen sie durch Ausgleichsmaßnahmen, meist in Form von Nist- und Quartierkästen, ersetzt werden. Allerdings herrscht noch Un- kenntnis darüber, ob diese Kästen tat- NABU-Aktive auf der Fahrrad- sächlich angenommen werden und wel- demo, Plakate an Bäumen (kl. Foto) che Einflüsse dabei eine Rolle spielen. Genau das möchte der NABU Berlin im senatsgeförderten Projekt „Artenschutz Radeln für den Wald am Gebäude“ herausfinden. Untersucht wird unter anderem, wie sich die Lage NABU organisiert mit anderen Verbänden Demo gegen die TVO und Höhe der Lebensstätte am Gebäude, ihre Exposition und die Begrünung der Ende April demonstrierten Hunder- derer Umweltverbände natürlich auch Umgebung auswirken. Für diese Aufga- te Berliner*innen gegen den Bau der ein Team des NABU Berlin beteiligte. be suchen wir noch Ehrenamtliche, die Tangentialverbindung Ost (TVO), einer Darunter waren vor allem Aktive aus berlinweit wertvolle Daten zu Mauerseg- Schnellstraße, die ein wertvolles Wald- der Bezirksgruppe Treptow-Köpenick. ler- und Fledermauskästen sammeln. stück der Wuhlheide zerschneiden wür- Erfreulicherweise machten auch viele Wer Interesse hat, uns von Mai bis Ende de. „Die TVO steht für eine rückwärts- Kinder und Jugendliche mit. Teils zu Juli 2021 zu unterstützen, melde sich gewandte Verkehrspolitik, die so nicht Fuß, teils mit dem Fahrrad ging es bei bitte unter artenschutz_am_gebaeude@ mehr tragbar ist“, sagt Juliana Schla- bestem Frühlingswetter vom Bahnhof nabu-berlin.de. Einsatzort und Zeitauf- berg, Naturschutzreferentin des NABU Wuhletal in den Wald, wo die Aktiven wand können selbst gewählt werden, Berlin und Mitorganisatorin der Aktion, kreative Plakate an Bäumen befestigten, auch wenige Tage Einsatz helfen uns an der sich neben Vertreter*innen an- die der TVO weichen müssten. schon sehr weiter! Nina Dommaschke NATUR IN BERLIN 2/21
AKTUELLES | 5 Unser Konzept für das „Pankower Tor“ kommentar Platz für Wohnungsbau und Kreuzkröte Kuhhandel mit dem Auf der Fläche des „Pankower Tors“ lie- durch mit einem Pufferstreifen entlang Möbelbaron gen fünf temporäre Kleingewässer, die der Bahnschienen verbunden sein. Die- von den streng geschützten Kreuzkrö- ser Streifen sichert einen Wanderkorri- ten zum Laichen genutzt werden. Mit dor, über den sich Zauneidechsen und dem NABU-Konzept ließen sich drei der Kreuzkröten neue Habitate erschließen fünf Gewässer erhalten. Trotzdem wäre können. Dies ist wichtig für den geneti- der Großteil des Geländes für den Woh- schen Austausch zwischen verschiede- nungs- und Schulbau nutzbar. nen Populationen. Deshalb ist der Puffer Um sowohl den Kreuzkröten als auch als Biotopverbindung unabdingbar. Brachpiepern und zahlreichen ande- Sowohl er als auch das Reservat müssten ren, besonders und streng geschützten von einem Zaun umgeben sein, um die Arten vor Ort ein Habitat zu bewahren, Tiere vor Radfahrern und Hunden zu Ansgar Poloczek Artenschutzreferent des NABU Berlin schlagen wir vor, rund acht Hektar als schützen. Zudem wären die Flächen so Reservat zu erhalten. Es handelt sich um zu pflegen, dass die zu schützenden Ar- Haben Sie immer schon davon geträumt, die Fläche, auf der die Krieger Projekt- ten dort langfristig überleben können. gleich um die Ecke bei Ihrem Möbelmarkt ein- entwicklung GmbH derzeit einen Möbel- Schließlich müssten jene Areale, die zukehren, um bequem in der Frühstückspau- markt mit bis zu 450 Parkplätzen plant. durch die Wohnbebauung für die Natur se ein neues Sofa shoppen zu können? Wenn Zur Biotopvernetzung müsste das Reser- verloren gehen, an anderer Stelle durch ja, dann finden Sie womöglich, der Bau eines vat über einen Amphibientunnel unter geeignete Ersatzmaßnahmen ausgegli- Möbelmarkts in der Innenstadt liege im öffent- dem Radschnellweg „Panketrail“ hin- chen werden. Juliana Schlaberg lichen Interesse. Natürlich begrüßen Sie dann auch den zusätzlichen Verkehr, den die 450 Parkplätze des Markts in Ihren Kiez locken. Alle anderen Leser*innen dürften sich hingegen wundern, dass Berliner Behörden ernsthaft in Betracht ziehen, ein neuer überdimensionaler Möbelmarkt innerhalb des S-Bahn-Rings kön- ne „im übergeordneten Interesse der Öffent- lichkeit“ liegen. Leider ist diese Formulierung nicht nur eine seltsame bürokratische Floskel, sondern kann den gesetzlich gebotenen Schutz bedrohter Arten aushebeln. Genau das beabsichtigt die Firma Krieger SE, die am „Pankower Tor“ Wohnungen, Schulen und eben auch besagten Möbelmarkt errichten will. Bekanntlich existiert auf dem Gelände das letzte Berliner Vorkommen der streng ge- schützten Kreuzkröte, einer Art, die nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch deutschland- weit stark gefährdet ist. Nach deutschem sowie EU-Recht darf sich der Erhaltungszustand dieser Art nicht ver- schlechtern – ärgerlich für Krieger, denn der Investor müsste der Krötenpopulation einen Wasser und Sand Quelle (die ein ganz eigener, bedrohter Teil seines Grundstücks überlassen. Da dies die Buchtipps für die Strandlektüre Lebensraum ist) bis zum Strom. Hinge- Profite schmälert, will er die Tiere umsiedeln gen schildert „Sand“ von Vince Beiser lassen, was nach dem Gesetz eigentlich nicht Wasser und Sand – zwei Stoffe, denen faktenreich, wie selbst ein scheinbar geht. So ist man auf den Trick verfallen, das wir meist wenig Beachtung schenken, unerschöpfliches Material zur knappen ganze Projekt zum öffentlichen Interesse erklä- weil sie so selbstverständlich erschei- Ressource werden konnte. Denn unsere ren zu lassen – mit ausdrücklicher Billigung nen. Eine Täuschung, wie Städte sind aus – und letzt- des Pankower Stadtrats für Stadtentwicklung. die Lektüre zweier neuer endlich auf – Sand gebaut. Dabei besteht kein Grund, Wohnungsbau und Bücher zeigt: „Wasserpfa- Thomas Schäfer: Wasserpfade. Möbelmarkt als Einheit zu betrachten. Viel- de“ von Thomas Schäfer Streifzüge an heimischen Ufern. mehr steckt dahinter ein Kuhhandel: Gib uns nimmt den Leser mit auf 288 Seiten, Oekom Verlag 2021 die dringend benötigten Wohnungen, dann literarische Wanderun- Vince Beiser: Sand. 320 Seiten, bekommst du Deinen Möbelmarkt. Zukunfts- gen an Gewässer, von der Oekom Verlag 2021. weisende Stadtentwicklung sieht anders aus. NATUR IN BERLIN 2/21
6 | AKTUELLES Fünf bewegte Jahre für die Stadtnatur Ende 2020 verließ Jutta Sandkühler zu unserem großen Bedauern den NABU Berlin. Im Interview blickt sie auf ihre Zeit als Geschäftsführerin zurück. Jutta, was hat Dich vor fünf Jahren zum einten Kräften gelang, NABU Berlin geführt? nachträglich den Be- Ich kannte Berlin bereits und war faszi- reich Naturschutz in der niert von der Energie der Stadt und der Verwaltung finanziell engen Verzahnung von Stadt und Natur etwas zu stärken. NABU- – sowohl im Kleinen durch Spontanvege- intern freue ich mich tation in „ungepflegten“ Ecken als auch besonders, dass es mit im Großen durch die damals noch zahl- Unterstützung des AGH reichen artenreichen Brachflächen im und der SenUVK gelun- innerstädtischen Bereich. Und da ich im- gen ist, die Finanzierung mer von der Vielseitigkeit des NABU be- der Wildvogelstation eindruckt war, hatte ich große Lust, mich auf eine stabilere Basis mit dem NABU für die Berliner Stadtna- zu stellen, und dass wir tur einzusetzen. zwei neue Projekte auf den Weg bringen konn- Was waren die denkwürdigsten Momen- ten: den Hymenopteren- Jutta Sandkühler te Deiner Zeit als Geschäftsführerin? dienst und das Projekt Zunächst die Veröffentlichung des Hand- „Artenschutz am Gebäude“. Die Rettung Mitarbeiter*innen einstellen. Außerdem lungsprogramms zur Beschleunigung des der Elisabethaue vor Bebauung – zumin- haben wir zwei neue Bezirksgruppen und Wohnungsbaus durch die Senatsverwal- dest in dieser Legislaturperiode – war vier Kindergruppen gegründet. Das Rückla- tung für Stadtentwicklung genau zwei ebenfalls ein Erfolg. Und natürlich freue genziel ist erreicht und deutlich überschrit- Tage, nachdem die Senatsverwaltung ich mich, dass wir in den letzten fünf Jah- ten. Ich würde sagen, der NABU Berlin steht für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz ren die eine oder andere Klage gewonnen im Moment auf einer soliden Basis. den Startschuss für die „Charta für das haben und durch unsere Stellungnahmen Berliner Stadtgrün“ gab. Dieser Wider- zu Bauvorhaben oft das Bestmögliche für Was wünscht Du der Berliner Stadtnatur? spruch zeigte das Dilemma der wach- die Natur erreichen konnten. Oft erlebten Zuallererst eine Stadtentwicklung, die den senden Stadt, die dringend günstigen wir aber auch die Enttäuschung, uns ge- Erhalt der Natur und damit der Artenviel- Wohnraum braucht und zugleich eine genüber Bauinteressen nicht behaupten falt mitdenkt und proaktiv die verbliebe- hohe Verantwortung für die Artenvielfalt zu können und zusehen zu müssen, wie nen artenreichen Flächen auch in inner- trägt. Sehr bewegend für mich wertvolle Flächen versie- städtischen Bereichen schützt. Weiter ein war das 30-jährige Jubiläum „Durch unsere Stellung- gelt werden. deutliches politisches Bekenntnis für die der Storchenschmiede. Bei nahmen konnten wir oft Ein wirklich herber Rück- Stadtnatur und den Mut, dies auch in die dem Fest wurde deutlich, wie viele Menschen sich haupt- das Bestmögliche für die in Linum, als wir feststel- Tat schlag war die Entwicklung umzusetzen. Eine vollversiegelte Groß- stadt bietet keine Lebensqualität – weder und ehrenamtlich mit hohem Natur erreichen.“ len mussten, dass weitere für Pflanzen und Tiere noch für Menschen. persönlichem Einsatz für die finanzielle Unterstützung Station eingesetzt haben. Besonders wird für die geplante Sanierung nicht zu ak- Was zieht Dich zurück nach Hamburg? mir auch das Cello-Konzert auf dem Tem- quirieren war. Umso mehr freue ich mich Es sind vor allem private Gründe, die mich pelhofer Feld in Erinnerung bleiben. Es über die Gründung der Storchenschmiede nach Hamburg ziehen. Das großartige erwuchs aus einer spannenden Kooperati- gGmbH, an der der NABU Berlin als Ge- Team des NABU Berlin wird mir aber feh- on mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester sellschafter beteiligt ist, und wünsche ihr len. Die Arbeit mit den hoch engagierten Berlin. 150 Cellist*innen kamen zusam- von Herzen viel Erfolg! und kompetenten Mitarbeiter*innen war men, um der Feldlerche anlässlich ihrer wirklich eine große Freude und hat mir viel Kür zum Vogel des Jahres 2019 auf ihrem Wie hat sich der NABU in diesen fünf Spaß gemacht. Ebenso der fruchtbare Aus- größten Brutgebiet in Berlin ein Ständ- Jaren verändert? tausch mit dem Vorstand und den Bezirks- chen zu geben. Und die Feldlerchen stan- Der NABU Berlin ist gewachsen. Knapp und Fachgruppen, die ebenfalls eine tolle den am Himmel und sangen mit! 7.000 Berliner*innen sind in den letzten Arbeit leisten. Und ganz sicher werden mir fünf Jahren eingetreten, so dass jetzt fast die Berliner Spatzen fehlen. Hamburg ist Was waren die größten Erfolge und 20.000 Mitglieder unseren Einsatz für leider ein bisschen zu perfekt für diese ent- Rückschläge in Deiner Zeit als Ge- die Berliner Natur finanziell und teils zückenden nervtötenden Schwätzer… schäftsführerin? aktiv unterstützen. Durch die neuen Mit- Als Erfolg werte ich den Einsatz vor den gliedsbeiträge, die Projektförderungen Liebe Jutta, vielen Dank für das Ge- Verhandlungen zu den letzten beiden Ber- und ein höheres Spendenaufkommen spräch! Wir vermissen Dich sehr und liner Haushaltsgesetzen, als es mit ver- konnten wir neun weitere hauptamtliche wünschen Dir alles Gute! NATUR IN BERLIN 2/21
AKTUELLES | 7 Noch mehr Frauenpower in der Geschäftsstelle schwalbenfreundlichen Haus eine Schwäche für die Stadnatur. Ansons- Drei neue Mitarbeiterinnen und ein Rollenwechsel ten interessiert sich die Wahlberlinerin und Mutter zweier Schulkinder für Li- Nachdem Jutta Sandkühler zum Jahres- und war zuletzt Bü- teratur, Kunst und Informatik. wechsel ihre Tätigkeit als Geschäftsfüh- roleiterin in einer Als Nachfolgerin von Lisa Söhn beim rerin des NABU Berlin beendet hatte, Corporate-Design- Projekt „Artenschutz am Gebäude“ ist erklärte sich Melanie von Orlow bereit, Agentur, wo sie Nina Dommaschke zum NABU Berlin diese Aufgabe bis zunächst Dezember zwar viel gelernt gekommen. Die gebürtige Branden- 2021 zu überneh- hat, aber mit der burgerin hat Biologie in Berlin und men. Melanie ist Dörthe Freese Branche nicht ganz „Landscape Ecology Mitgliedern des glücklich war. Sie and Nature Conser- NABU Berlin als wünschte sich einen Arbeitgeber, der vation“ an der Uni- ehemalige zweite etwas Positives für die Gesellschaft be- versität Greifswald Vorsitzende bestens wirken kann. Da sie sehr naturverbun- studiert und in ih- bekannt und lei- den ist, freut sich rer Masterarbeit am Melanie von Orlow tet seit Ende 2019 die Mutter einer IZW in Berlin die hauptamtlich den 13-jährigen Tochter Biologie migrieren- Nina Dommaschke Hymenopterendienst. Sie wird dieses und passionierte der Fledermäuse un- Projekt neben ihrer Tätigkeit als Ge- Gärtnerin sehr, dass tersucht. Sie interessiert sich besonders schäftsführerin weiter betreuen. Das sich ihr beim NABU für Fledermäuse und freut sich darauf, Team der Geschäftsstelle unterstützt Berlin neue Pers- Susanne Theiß sich im Rahmen des Projekts für deren Melanie tatkräftig, viele Aufgaben wur- pektiven eröffnen. Schutz einzusetzen und Menschen für den intern neu verteilt. Ebenfalls neu im die vielfältige Stadtnatur in Berlin zu Zur weiteren Entlastung nahm Anfang Team ist Susanne Theiß, die als Nach- begeistern. Sie verbringt ihre Freizeit April Dörthe Freese ihre Tätigkeit als folgerin von Sonja Javernik die Bürolei- (soweit es momentan möglich ist) am Assistentin der Geschäftsführung auf. tung übernimmt. Susanne kommt als liebsten mit ihren Freunden sowie der Diese Stelle wurde neu geschaffen. Quereinsteigerin in den Naturschutz, Pflege ihrer Zimmer- und Balkonpflan- Dörthe ist Betriebswirtin für Hotellerie hat aber seit ihrer Kindheit in einem zen und kocht gern. Das qualvolle Sterben einer Ente am Landwehrkanal NABU-Wildvogelstation warnt vor verlorenem oder entsorgtem Angelzubehör An Berliner Gewässern lauert eine unter- Haken verschluckt, was sich oft nur da- diesem Anlass nachdrücklich auf die Ge- schätzte Gefahr, wie der Fall einer weibli- ran erkennen lässt, dass dem Vogel me- fahr durch verlorenes oder unsachgemäß chen Stockente am Kreuzberger Paul-Lin- terweise Angelschnur aus dem Schnabel entsorgtes Angelzubehör hin. Mit etwas cke-Ufer zeigt. Über mehrere Tage hinweg hängt. Die eingeschränkte Nahrungsauf- Umsicht könnten Angler viel Leid verhin- versuchten Bürger*innen, Tierrettungen nahme, innere und äußere Verletzungen dern und den Aufenthalt am Wasser für und die NABU-Wildvogelstation das Tier sowie die verminderte Bewegungsfreiheit Menschen und Vögel deutlich ungefährli- zu fangen, weil sich an seinem Hals und lassen das betroffene Tier leiden und füh- cher gestalten. Malte Tschertner Kopf mehrere Angelhaken verfangen und ren zum Tode, großflächige Wunden gerissen hatten. wenn es nicht behandelt wird. Gefahr nicht nur für Wasservögel Auch der Fall Dies ist leider kein Einzelfall. Immer wie- der Kreuzberger der führen reißfeste Angelschnüre sowie Stockente ging Angelhaken zu schweren Verletzungen leider nicht gut bei Wasservögeln. Beim Schwimmen oder aus. Da das Tier Gründeln kommen die Tiere mit treiben- sich nicht ein- den Schnüren und losgerissenen Haken fangen ließ, ent- in Kontakt – selbst dann noch, wenn zündete sich die der Angler längst nicht mehr vor Ort ist. Wunde am Hals Auch am Ufer findet sich entsorgtes An- so stark, dass die gelzubehör, das beim Rasten oder bei der Ente schließlich Nistplatzsuche zur Gefahr nicht nur für tot aufgefunden Wasservögel wird. wurde. Typische Verletzungen sind abgeschnürte Die Wildvogel- Verletzte Stockente mit Angelhaken in Kopf und Hals Gliedmaßen. Immer wieder werden auch station weist aus NATUR IN BERLIN 2/21
8 | SCHWERPUNKT „Nur 39 Prozent unserer Wildpflan Florenschutz-Experte Justus Meißner über das Problem Stic Herr Meißner, wie steht es um die Berli- Biotope, auf die Vegetation und auch auf nach Europa gebracht wurden. Anderer- ner Wildpflanzenflora? Tiere. Bei Bau- und Infrastrukturprojek- seits können auch einige heimische Ar- Bei einigen Arten sehen wir positive Ent- ten werden Standorte vernichtet. Dann ten, zum Beispiel das Landreitgras, sehr wicklungen, bei anderen negative. Die ist da die Erholungsnutzung. Gerade im dominant sein und etwa Trockenrasen letzte Rote Liste der Farn- und Blüten- letzten Jahr hat es coronabedingt teilwei- überwachsen. Umgekehrt sind längst pflanzen ist erst 2018 erschienen, so dass se sehr negative Entwicklungen gegeben. nicht alle Neophyten invasiv. wir einen ganz guten Überblick haben. Einerseits ist es ja gewünscht, dass die Insgesamt gibt es in Berlin rund 1.500 Menschen hinaus in die Natur gehen, Was ist aus Ihrer Sicht das größten Sor- etablierte Pflanzen- aber andererseits bringt das genkind unter den invasiven Arten? arten, also Arten, Kahnpartie: Pechseedie um 1930 auch Probleme mit sich: Die Robinie. Wo die einmal wächst, be- sich hier seit mehre- Die Leute laufen querfeld- kommt man sie nicht mehr weg. Und da ren Generationen in ein durch den Wald, Reiter sie Stickstoff aus der Luft fixiert und so der Natur vermehren. oder Mountainbike-Fahrer den Boden düngt, verändert sie die Stand- Davon gelten nur 39 Prozent als ungefähr- 2 halten sich nicht an mar- kierte Strecken. Da kann es orte extrem. ganz det. 17 Prozent sind schnell mal passieren, dass Dann bereits verschollen, das letzte Vorkommen einer wandern weitere 29 Prozent seltenen Art plattgetreten stickstofflie- sind als vom Ausster- oder überfahren wird. In bende Arten ben bedroht, stark gefährdet oder ge- der Wuhlheide zum Beispiel haben wir wie die fährdet eingestuft. Der Rest steht auf der Vorwarnliste oder kann wegen unzurei- erlebt, dass einige unserer Zielarten an Säumen verschwunden sind, weil dort ge- Knoblauchs- rauke ein, 4 chender Daten nicht bewertet werden. ritten wurde. Ein weiteres Problem sind und andere Gartenabfälle, die manche Leute noch im- Pflanzen Welchen Arten geht es besonders mer in die Landschaft kippen. verschwinden. schlecht? Es gibt einige Pflanzenarten, die fühlen Warum ist das so schädlich? Steckt die Stickstoffbelastung der Um- sich in Berlin sehr wohl. Das sind meist Zum einen werden da ja existierende welt auch dahinter, wenn sich einheimi- stickstoff lie- Pflanzengesellschaften wie Säume oder sche Pflanzen invasiv verhalten? bende Arten, Trockenrasen überschüttet. Außerdem Das kann sehr wohl damit zusammen- weil wir ja eine trägt man mit den Gartenabfällen Nähr- hängen. Wir beobachten seit Jahren, dass flächendecken- stoffe ein, so dass es zur Eutrophierung sich in Feuchtwiesen das Schilf ausbrei- de Düngung kommt. Und schließlich gelangen so tet. Hinzu kommt, dass der Klimawandel der Landschaft auch Pflanzen- und Wurzelreste in die die Vegetationsperiode verlängert, was mit Stickstoff Natur, und das kann zur Ausbreitung von vor allem Gräser begünstigt. Die können 1 haben. Man- invasiven Arten führen. schneller austreiben und sich auf Kosten che Pflanzen schwächerer Arten ausbreiten. vertragen das Welche Rolle spielen denn generell inva- gut, sie breiten sive Arten beim Florenschutz? Wir sehen also einen Trend zu einer ar- sich stark aus Das muss man differenziert betrachten. tenärmere Flora, in der sich vor allem und können dann andere verdrängen, die Da gibt es ja einerseits die von der EU als die grünen Rabauken behaupten? auf einen mageren Standort angewiesen invasiv Genau, das läuft nach der Devise ab: sind. Und eben diesen konkurrenzschwa- eingestuf- „Der Stärkere setzt sich durch“. Histo- chen Arten geht es derzeit nicht gut. Das ten Arten. risch hat in der Kulturlandschaft ja im- betrifft alle Lebensräume, sowohl nasse Das sind mer ein Nährstoffmangel vorgeherrscht. Standorte wie die Moore als auch trocke- in der Re- Heute bekommen die Pflanzen durch ne, wie etwa Trockenrasen. gel Neo- die Stickoxide aus dem Verkehr und phyten, das Ammoniak aus der Landwirtschaft Ist demnach Stickstoff der Hauptfeind also nicht ständig Kraftfutter. In Berlin sind dabei der Pflanzenvielfalt? Einer von mehreren. In einer Stadt wie heimische Arten, die 3 Landwirtschaft und Viehhaltung nicht so relevant, überregional sehr wohl. Bei uns Berlin gibt es natürlich viele Einflüsse auf seit 1492 spielt eher der Verkehr eine Rolle. NATUR IN BERLIN 2/21
SCHWERPUNKT | 9 nzen sind nicht gefährdet“ kstoff, genetische Vielfalt und die Schwärzliche Kuhschelle Elektroautos würden also auch der Ve- Schutzmaßnahmen vorgesehen. Wir ha- getation gut tun? ben diese Pflanzen schließlich gerettet. Ja. Der Rückgang der Stickoxid-Emissio- Welchen Beitrag können Privatgärtner nen wäre ein positiver Nebeneffekt. leisten, um seltene Wildpflanzenarten zu erhalten? Wie schwer ist es, bei Bauvorhaben den Bei den ganz seltenen Arten können 5 Schutz der Flora durchzusetzen? Liebhaber wenig tun, das ist eine Sache Das Bild ist durchwachsen. Wir stellen ja für Profis. Anders sieht es bei den noch Planungsbüros und Unteren Naturschutz- etwas häufigeren Arten aus. Da gibt es behörden auf Anfrage unsere Daten zur partizipative Projekte wie „Urbanität & Verfügung. Leider machen wir dabei in Vielfalt“ (www.uundv.de). Der Ansatz dabei der Regel nicht so gute Erfahrungen, weil die Sandstrohblume. Die wurde früher ist, Pflanzen mit gesicherter Herkunft Pflanzen meist nicht denselben Schutz- für Trockensträuße gepflückt. Diese Re- an Gärtner herauszugeben, die sie dann status genießen wie etwa die Zauneidech- gelungen hat man nicht an die aktuellen großziehen. Die geernteten Samen gehen se. Eine Menge Pflanzen sind zwar vom Roten Listen angepasst, so dass viele selte- zurück an das Projekt und werden für Ar- Aussterben bedroht, haben aber keinen ne Arten heute durchs Raster fallen. Des- cheflächen oder Ausgleichsmaßnahmen Schutzstatus. halb ist der Florenschutz oft schwierig. weitervermehrt. Das Projekt hat schon Und selbst wenn die betreffenden Arten über 1.000 Teilnehmer. Da kann man sich Wie kann das sein? geschützt sind, ist immer noch fraglich, engagieren. Allerdings gibt es da auch Historisch bedingt sind meist Pflanzen- ob das auch berücksichtigt wird. Da gab die Gefahr der Vermischung mit gärtne- arten besonders geschützt, die durch es Fälle wie den Ausbau der Bahntras- rischen Kultursorten. Eine Aufgabe des Pflücken oder Ausgraben bedroht sind, se nach Erkner, da haben wir Daten zur Projekts ist deshalb auch herauszufinden, also zum Beispiel Orchideen oder auch Verfügung gestellt, aber es wurden keine wie groß diese Gefahr ist. Schön, zart und selten: 6 von 285 Zielarten des Berliner Florenschutzes 1. Mondraute (Botrychium lunaria) 3. Lungenenzian (Gentiana pneumonanthe) 5. Violette Schwarzwurzel (Scorzonera purpurea) Einst glaubte man, die Blätter dieser Enzian an der Spree? Aber sicher, denn Sie ist die hübsche Schwester des bekann- Pflanze aus der Familie der Natternzun- die Gattung der Enziane hat mehr zu bie- ten, gelb blühenden Wurzelgemüses. Ex- gengewächse würden nachts bei Mond- ten als die sattsam bekannte Alpenblume. travagant ist der Schokoladenduft ihrer schein leuchten, und schrieb ihr magi- Der früher (vermutlich ohne Wirkung) als Blüten, die sich bereits zur Mittagszeit sche Kräfte zu. Tatsächlich wirkt ihr Heilpflanze genutzte Lungenenzian mag schließen. Als Steppenbewohnerin, die Lebenszyklus rätselhaft: Um zu keimen, es feucht und mager – eine heutzutage vor allem in Osteuropa und Westsibirien müssen ihre Sporen tief unter die Erde besonders schwierige Kombination, denn vorkommt, ist sie mit ihrer langen Pfahl- geraten. Dort fristet die Jungpflanze als wechselfeuchte Moorwiesen und feuchte wurzel gut an Trockenheit angepasst. so genannter Vorkeim ein Dasein im Heiden gibt es kaum noch. Nur noch an Berlin liegt am äußersten Rand ihres Dunkeln, wo sie auf Wurzelpilzen schma- einem einzigen Standort in Berlin ist sie Verbreitungsgebiets – noch, denn die Art rotzt. Oft erst nach Jahren wagt sie sich zu finden, kommt nur noch an einer Stelle im Forst mit einem einzigen Blatt ans Licht, um Rahnsdorf vor. für Nachkommen zu sorgen. 4. Prachtnelke (Dianthus superbus) Und noch ein Stickstoff-Opfer: Auch die 6. Schwärzliche Kuhschelle (Pulsatilla pratensis) 2. Astlose Graslilie (Anthericum liliago) wegen ihrer wunderschönen, duftenden Diese Unterart (subsp. nigricans) der Wie- Wenn sie nicht gerade ihre duftenden Blüten als Bauerngartenpflanze beliebte sen-Kuhschelle kam einst vor allem auf weißen Blütensterne zeigt, könnte man Prachtnelke wächst gern auf mageren, mageren Viehweiden vor. Dort sorgten sie tatsächlich für ein Grasbüschel halten. feuchten Wiesen und in lichten Wäldern. die Weidetiere mit ihren Tritten für of- Anders als viele Gräser mag das Spargel- In Berlin kommt sie nur noch in wenigen fene Stellen, wo das Hahnenfußgewächs gewächs aber Magerwiesen und lichte, Schutzgebieten vor, wo die isolierten Be- keimen konnte. In der dichten Grasnarbe nährstoffarme Wälder, so dass es sich in stände durch mangelnde Fremdbestäu- heutiger Turbo-Wiesen kann sie sich – der überdüngten Landschaft rar macht. bung an Vitalität verlieren. wie so viele Arten – nicht durchsetzen. NATUR IN BERLIN 2/21
10 | SCHWERPUNKT Worin genau besteht diese Gefahr? Ist denn Margerite nicht gleich Margerite? Wo kauft man Wildpflanzen? Kleinanzeigen Das Ziel der Konvention zum Schutz der Diese Spezialfirmen liefern Saatgutmi- biologischen Vielfalt ist ja, die Vielfalt der schungen für Wiesen und zum Teil Einzel- Lebensräume und der Arten, aber auch saaten bestimmter Wildpflanzen aus der die innerartliche, also genetische, Vielfalt Region, mitunter aber nicht in Kleinstmen- zu erhalten. Die Margerite in Berlin, wo gen: rieger-hofmann.de; saaten-zeller.de; es trocken ist, muss mit anderen Bedin- diewildblume.de; nagolare.de gungen zurecht kommen als die gleiche Wildpflanzen, also Stauden und Gehölze, Art im bayerischen Voralpenland, wo es sind in verschiedenen guten Gärtnereien viel regnet. Die Pflanzen haben sich über im Internet erhältlich, stammen jedoch Jahrhunderte an unterschiedliche Stand- meist nicht aus der Region. Das Angebot ortbedingungen angepasst. Deshalb ist gebietseigener Wildpflanzen ist bislang davon auszugehen, dass sie sich gene- leider kaum existent. Jedoch hat es sich tisch unterscheiden. Je vielfältiger aber das Projekt „Tausende Gärten – Tausende Segelurlaub auf der Ostsee. Mit dem eine Art genetisch ist, desto eher kann Arten“ zum Ziel gesezt, dies zu ändern und Segelschiff BANJAARD die prächtigen Küsten sie langfris- auf einer „Grünen Landkarte“ Bezugsquel- Deutschlands & Dänemarks entdecken. tig überleben. len zu sammeln: tausende-gaerten.de. Segelkenntnis nicht nötig. Familiengeeignet. Kreuzt man da www.banjaard.net. Gartenpf lan- ten, soweit es möglich ist, Wildpflanzen zen ein, kann aus gebietseigenen Herkünften zu nut- es sein, dass zen, also Pflanzen aus der Region. Das ist RÜGEN für Naturfreunde! 6 solche Anpas- aktuell noch schwierig, weil man im Gar- Ferienhaus + FeWos in sungen ver- tenfachhandel solche Pflanzen nicht be- traumhafter Lage im Bio- loren gehen. kommt. Aber es gibt bundesweit Projekte, sphärenreservat nahe Put- Das kann die die das Ziel haben, gebietseigene Pflanzen bus, Bodden und Insel Vilm. Überlebensfä- verfügbar zu machen. www.in-den-goorwiesen.de. higkeit einschränken – oder umgekehrt dazu führen, dass die Pflanzen sich ex- Wer einen grünen Daumen hat, könnte trem ausbreiten. auch Saatgut in der Umgebung sammeln und Pflanzen selbst heranziehen... Wir ermuntern die Leute ja, sich Wild- Es gibt ja die Handstraußregel, nach der pflanzen in den Garten zu holen. Muss man einen Blumenstrauß in der Natur ich als Gärtner nun Angst haben, Scha- pflücken darf. Wenn es sich also nicht um den anzurichten, wenn ich versehent- geschützte Arten handelt, spricht nichts lich eine Margerite aus Bayern pflanze? dagegen, etwa vom Natternkopf am Stra- Das hängt davon ab, wo der Garten ist. ßenrand ein paar Samen abzunehmen Wenn ein Naturschutzgebiet in der Nähe und im Garten auszustreuen. Natternkopf ist oder das Wildvorkommen einer selte- ist ja sehr schön und bietet Nahrung für nen Art, können Insekten oder der Wind Hummeln und Bienen. Es gibt sogar eine die Pollen in die Wildpopulation eintra- Wildbiene hier in Berlin, die nur auf den gen. Dann kann es zu Veränderungen Natternkopf angewiesen ist, die Nattern- kommen. Wir empfehlen daher, in Gär- kopf-Mauerbiene. Die geht an keine ande- re Pflanze ran. Justus Meißner studierte Landschaftspla- nung an der TU Berlin mit dem Schwerpunkt Haben Sie eine persönliche Lieblings- Ökologie/Vegetationskunde und leitet seit pflanze? 2009 die Koordinierungsstelle Florenschutz Die Schwärzliche Küchenschelle finde bei der Stiftung Na- ich ganz toll. Das ist nicht die Gemeine turschutz Berlin. In Küchenschelle, die man im Gartencenter diesem Rahmen war bekommt, sondern die gibt es nur noch er u.a. an der Erarbei- in ganz wenigen Exemplaren. Die haben tung der Broschüre wir 2010 in einem Schutzgebiet ausge- „Pflanzen für Berlin – bracht, wo sie sich inzwischen vermehrt. Verwendung gebiets- Das freut mich sehr, weil das in ähnli- eigener Herkünfte“ chen Projekten in Brandenburg bislang und der 2018 erschie- nicht geklappt hat. Und die Mondraute ist nenen „Roten Liste auch eine Pflanze, bei der ich mich immer und Gesamtartenliste der etablierten Farn- freue, wenn ich eine finde. Das ist eine und Blütenpflanzen von Berlin“ beteiligt. kleine Farnart. Interview: Alexandra Rigos NATUR IN BERLIN 2/21
SCHWERPUNKT | 11 Habe Rasen, suche Wiese So klappt's mit der Wildblumenpracht im Garten tieren oder stellenweises Entfernen der Grasnarbe offene Stellen zu schaffen, an denen das Wildpflanzensaatgut keimen kann. So lassen sich kleinere Blüteninseln schaffen, von denen aus die Blumen die Wiese kolonisieren können. Ein ähnlicher Gedanke liegt dem Ausbrin- gen so genannter Initialpflanzen zugrun- de, also von in Töpfen herangezogenen Wiesenstauden. Die gewählten Arten müs- sen natürlich zum Standort passen – Ku- ckuckslichtnelke und Schaumkraut etwa in feuchte Wiesen, Sandstrohblumen und Heide-Nelken auf den Trockenrasen. Expert*innen empfehlen, drei bis fünf Jungpflanzen pro Quadratmeter Wiese zu Blumenwiese im Regierungsviertel setzen. Man kann sie in guten Stauden- gärtnereien, möglichst aus der Region, kaufen oder selbst heranziehen, idealer- weise aus in der Umgebung gesammeltem K aum ein Naturgarten, in dem sie maligem Mähen im Jahr – keine Arbeit, Saatgut. Beim Auspflanzen sollte man nicht auf dem Wunschzettel steht: kostet nichts, führt aber nur selten den Setzlingen genug Freiraum verschaf- die artenreiche, von Widbienen zum gewünschten Erfolg. Denn wach- fen und sie in der ersten Saison bei Tro- umsummte Blumenwiese. Leider haben sen kann nur, was als Samen im Boden ckenheit wässern. schon viele Gärtner*innen die Erfahrung schlummert oder aus der Nachbarschaft gemacht, dass es nicht so einfach ist, den eingetragen wird. Wer von blühenden Geheimtipp für Ungeduldige langweilig grünen Rasen in ein buntes Landschaften umgeben ist, hat demnach Wem das alles zu lange dauert (die traum- Wildblumenmeer zu verwandeln. Allzu- Glück und darf sich zurücklehnen – die haften Blumenwiesen der traditionellen oft endet das Wiesenabenteuer in einer meisten Wiesenaspirant*innen dürften Kulturlandschaft haben sich oft über löwenzahngelben Enttäuschung. aber über Löwenzahn, Gänseblümchen, Jahrhunderte entwickelt!), kann einen Der Grund: Gras und einige wenige (Un-) Giersch und dergleichen nicht hinaus- Geheimtipp ausprobieren: den Kleinen Kräuter sind auf nährstoffreichen Böden kommen. Klappertopf (Rhinanthus minor). so konkurrenzstark, dass zarte Wildblu- Es handelt sich um eine halbparasitische men kaum Chancen haben, sich zu etab- Lieber Giersch als Rasen Pflanze, die an Gräsern schmarotzt, diese lieren. Und nährstoffreich sind die meis- Aber vielleicht reicht das schon? Oft schwächt und so konkurrenzschwachen ten Gartenböden, selbst wenn sie nicht sind Rasenflächen artenreicher, als es Wildkräutern Luft verschafft. Der Klap- vorsätzlich gedüngt wurden – dafür sorgt auf den ersten Blick erscheint, Und auch pertopf ist einjährig und sollte im Herbst schon die Stickstoffdusche aus der Luft. „Unkräuter“, die in vielen Gärten lei- gemeinsam mit anderen erwünschten Naturgartenprofis empfehlen deshalb denschaftlich bekämpft werden, helfen Wildblumen ausgesät werden, nachdem meist die radikale Lösung: Fruchtbaren, der Insektenwelt weiter: Allein das hö- man die Grasnarbe sehr kurz geschnit- mit Unkraut durchsetzten Oberboden ab- her wachsende Gras bietet vielen Arten ten und vertikutiert hat. Wichtig ist, die tragen, dann auf dem frei gelegten, nähr- Unterschlupf und Nistmöglichkeiten, Wiese im Folgejahr erst dann zu mähen, stoffarmen Unterboden eine passende Löwenzahn ist eine prima Bienenweide, wenn sich die (klappernden) Samenstände Wiesenmischung aussäen. Klappt gut, ist der Gärtnerschreck Giersch bei Schweb- geleert haben, denn sonst verschwindet aber häufig keine Option – sei es aus Kos- fliegen überaus beliebt. Und über die der kleine Helfer sofort wieder. tengründen, weil der Vermieter oder der „Unkraut“-Samen machen sich Vögel wie Wichtig: Beim Kauf von Saatgut, ob von eigene Rücken nicht mitspielen oder weil Stieglitz und Grünfink her. einzelnen Arten oder in speziellen Wie- die Idee, den Garten in eine Baustelle zu Wer mehr Vielfalt will, kann versuchen, senmischungen, sollte man unbedingt verwandeln, abschreckend wirkt. die Wiesenfläche mit geeigneten Arten auf die Herkunft achten. Vor allem die Geht es also nicht ein bisschen sanfter? anzureichern. Einfach Samen auszu- bunten Tütchen mit Samenmischungen Gartenzeitschriften empfehlen gern „ein- streuen, bringt in der Regel nichts, es aus dem Gartencenter enthalten oft völlig fach wachsen lassen“. Diese Methode sei denn, der Bewuchs ist sehr schütter. ungeeignete, standortfremde Arten oder macht – abgesehen vom ein- oder zwei- Eine Möglichkeit ist es, durch Vertiku- Gartensorten. Alexandra Rigos NATUR IN BERLIN 2/21
12 | SCHWERPUNKT Götterbaum oder Teufelszeug? Karriere eines Neophyten: Einst war Ailanthus altissima ein beliebter Parkbaum, jetzt steht er auf dem Index. H at man ihn einmal bewusst wahr- sich auch der Götterbaum durch eine im- Spätblühenden Traubenkirsche und der genommen, sieht man ihn plötz- ponierende Robustheit aus. Robinie. Auf ungarischen Magerwiesen lich überall in der Stadt: Er reckt Ailanthus altissima lässt sich von Berliner und in der italienischen Macchie macht sich durch die Abdeckgitter von Keller- Dürresommern nicht aus der Fasson der Götterbaum sich bereits unangenehm schächten, wurzelt in Pflasterritzen und bringen, verträgt sogar einigermaßen bemerkbar. drängelt sich in kleinen, aber üppigen Streusalz, Abgase und sogar eine ordent- Deshalb steht Ailanthus seit 2019 auf der Trupps auf Baumscheiben, was dem dort liche Dosis Herbizide. Kappt man seinen EU-Liste der invasiven Arten. Damit un- ursprünglich gepflanzten Straßenbaum Stamm, treibt er ungerührt wieder aus. terliegt er einem Handelsverbot, was sich sichtlich nicht gut bekommt. Von Schädlingen wird er weitgehend ver- offenbar noch nicht bei allen Baumschu- Einst, nach dem Zweiten Weltkrieg, ge- schmäht, nur ein oder zwei ebenfalls ein- len herumgesprochen hat. Weiter sind die dieh der Götterbaum so gut auf Schutt gewanderte Insektenarten knabbern an Mitgliedsländer gehalten, Maßnahmeplä- und Asche, dass er den Spitznamen seinen Blättern, darunter der erwähnte ne zu erstellen, wie man mit dem invasi- „Trümmerbaum“ bekam. Heute nennt Seidenspinner. ven Neophyten umzugehen gedenkt. man ihn wegen seiner Fiederblätter und Für die meisten Insekten ist er damit Was bedeutet das nun für Berlin, wo 3.300 seinem Vorkommen selbst in trostlosen uninteressant, Bienen allerdings fliegen Götterbäume laut Baumkataster ganz of- Betonwüsten gern „Ghettopalme“. auf seine eigenartig duftenden Blüten fiziell in Parks und an Straßen wachsen? Auch wenn die Linde als der Berliner und produzieren aus seinem Nektar be- Ein echtes Dilemma. So viele schöne, Stadtbaum schlechthin gilt, hat der Göt- sonders aromatischen Honig. Obendrein ausgewachsene Bäume abzuholzen, ist terbaum ihr insgeheim längst den Rang ist der Götterbaum mit seinen riesigen, natürlich keine Option – aus Kosten-, Ak- abgelaufen. Ihn muss schließlich kein exotisch anmutenden Blättern unleugbar zeptanz- und auch Naturschutzgründen. Grünflächenamt pflanzen, das erledigt er attraktiv. Ein idealer Straßenbaum in Zei- Denn alte Bäume durch Nachpflanzungen selbst und wächst deshalb zu Abertausen- ten des Klimawandels, eigentlich. zu ersetzen, hat sich in letzter Zeit zuneh- den im ganzen Stadtgebiet. mend als Glücksspiel erwiesen. Allerdings Nach Europa gebracht wurde der aus Pflanzlicher Kraftprotz lassen sich die Götterbäume auch nicht China stammende Baum aus der Fami- Leider nur hört dieser pflanzliche Kraft- daran hindern, reichlich Samen zu ver- lie der Bittereschengewächse bereits um protz nicht zu wuchern auf, sobald er streuen – zumindest die weiblichen, denn 1750, und zwar als Futterpflanze einer das Stadtgebiet hinter sich gelassen hat. Ailanthus ist zweigeschlechtlich. speziellen Seidenspinnerart, des Götter- Wer in Pflasterfugen gedeiht, für den ist Der Berliner Naturschutzbeirat schlägt baumspinners. Die Produktion der so ge- ein Trockenrasen schließlich der Garten daher ein differenziertes Vorgehen vor: nannten „Shantung-Seide“ floppte, aber Eden. Und begünstigt vom Klimawandel Jungpflanzen in Schutzgebieten entfer- der Baum blieb und fand seinen Platz in breitet sich der Götterbaum, bislang auf nen und gegebenenfalls problematische Parks und Gärten. Wie Himalaya-Spring- seinen städtischen Wärmeinseln gefan- „Mutterbäume“ in der Nähe zu fällen, in kraut, Japanknöterich und Riesenbären- gen, nun langsam auch im Umland aus, sensiblen Gebieten ein Monitoring einzu- klau, die einmal als hübsche Zierpflanzen vor allem entlang der Autobahnen. führen und ansonsten seinen Frieden mit eingeführt wurden und sich als invasive Naturschützer fürchten bereits ein ähn- der „Ghettopalme“ zu machen. Ob die Schreckstauden entpuppten, zeichnet liches Desaster wie bei der invasiven Götter mitspielen? Alexandra Rigos NATUR NATUR IN IN BERLIN BERLIN 2/21 3/19
SPEKTRUM | 13 von Kranich, Seeadler und Schwarzspecht Raus aufs Land! belohnt. Anreise: RE3 nach Angermünde, von dort aus mit dem WelterbeBus (Linie 496) bis Altkünkendorf Mitte www.tourismus-uckermark.de/angebote/wan- dern/rundweg-buchenwald-grumsin.html Unsere 6 Lieblingsziele für Tagesausflüge nach Brandenburg www.schorfheide-chorin-biosphaerenreservat.de 3. Im Labyrinth der Wasserarme: Kanutour auf der renaturierten Havel Seit vielen Jahren engagiert sich der NABU bei der Renaturierung der Unter- havel – höchste Zeit, die Erfolge bei einer Kanutour in Augenschein zu nehmen. Ein Störche in Linum Nachthimmel über dem Sternenpark guter Ausgangspunkt ist die 1.000jährige 5.die Storchenschmiede Stadt Pritzerbe, wo der Naturpark West- Zu Besuch bei Meister Adebar: 1.Westhavelland havelland beginnt. In 2er- oder 3er- Kanus Reise in die Dunkelheit: der Sternenpark kann man Altarme, Buchten und verlas- Linum sene Tonförderlöcher auf dem Pritzerber Das NABU-Umweltbildungszentrum „Stor- Nur 70 Kilometer vom „lichtverschmutz- See erkunden und dabei Eisvögel, Trauer- chenschmiede“ bietet Ausstellungen und ten“ Berlin entfernt offenbaren sich in seeschwalben und Fischadler beobachten. Führungen, beispielsweise zu den Linu- dem frei zugänglichen Nachtschutzgebiet mer Teichen, dem größten binnenländi- mit Einbruch der Dunkelheit ungetrübt schen Kranichrastplatz Mitteleuropas. Sternenbilder und die Milchstraße in ih- Lohnenswert ist auch die Besichtigung rer vollen Schönheit – klares Wetter und des neuen „Klima-Bildungsgartens“. An- eine mondlose Nacht vorausgesetzt. An- reise: RE6 („Prignitz-Express“) nach Kremmen, reise: RE2 nach Friesack, Neustadt Dosse oder von dort aus mit dem Fahrrad, oder RE6 nach Breddin, RE4 nach Rathenow oder RB51 von Neuruppin, weiter mit dem Bus (nur wochen- Rathenow nach Mögelin, Premnitz, Döberitz, An der Unterhavel tags in der Schulzeit). storchenschmiede.org Pritzerbe. www.sternenpark-westhavelland.de Anreise: RE1 nach Brandenburg, von dort mit der RB51 Richtung Rathenow bis Pritzerbe. havelsehen.de, www.westhavelland-naturpark.de 4. Durch den Urwald: Wandern im Bergbaufolgelandschaft in Grünhaus Weltnaturerbe Grumsin Der Rundwanderweg durch den von der Bruchwald im Biesenthaler Becken 2. 6. UN ausgezeichneten Buchenwald Grum- Entdeckungstour in der Mondlandschaft: das sin beginnt direkt neben der Kirche von Wege duchs Moor: mit dem Fahrrad durch das NABU-Schutzgebiet Grünhaus Altkünkendorf. Von hier aus geht es elf Naturschutzgebiet Biesenthaler Becken Zwischen Finsterwalde und Lauchham- Kilometer auf und ab durch die eiszeitli- Waldentwicklung und Moorsanierung mer erstreckt sich im ehemaligen Nieder- che Landschaft, vorbei an Waldseen, Kes- sind nur einige der Themen, die sich lausitzer Tagebaugebiet eine fast 2.000 selmooren bis hinauf zum höchsten Gip- die NABU-Stiftung im Biesenthaler Be- Hektar große Fläche, die sich in den ver- cken zur Aufgabe gemacht hat. Erfahr- gangenen 20 Jahren ohne menschliche bar ist dieser Urwald von morgen auf Einflüsse von einer Mondlandschaft in einem zwölf Kilometer langen Rund- ein Naturparadies verwandelt hat. Hier weg. Ausgangs- und Endpunkt ist die siedeln über 3.000 bedrohte Tier- und Straße „Am Heideberg“ in Biesenthal. Pflanzenarten, darunter der Wolf. Eine Unterwegs empfehlen sich Abstecher Wanderung durch die ehemaligen Koh- zu Fuß ins Moor. Anreise: RE3 nach Ebers- legruben offenbart dem Besucher die walde, weiter mit der RB24 nach Biesenthal, einzigartige Fauna und Flora. Anreise: RE2 Buchenwald Grumsin von dort aus per Fahrrad oder zu Fuß (4 km). nach Cottbus, weiter mit dem RE10 oder der naturerbe.nabu.de/naturparadiese/branden- RB43 nach Finsterwalde. Von dort aus mit dem burg/biesenthaler-becken Fahrrad bis zum Grünhaus-Parkplatz (11 km). fel der Uckermark, dem Blocksberg (139 naturparkmagazin.de/barnim/radtour-durch- naturerbe.nabu.de/naturparadiese/branden- Meter). Hexen tanzen dort zwar nicht, das-naturschutzgebiet-biesenthaler-becken burg/gruenhaus dafür wird der Wanderer mit dem Ruf Rotraut Przybyla NATUR IN BERLIN 2/21
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