Naturschutz und Landwirtschaft in der Klimakrise - Probleme, Herausforderungen und mögliche Synergien - kritischer ...
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Natur und Umwelt ( Schwerpunkt »Welt im Fieber – Klima & Wandel« Naturschutz und Landwirtschaft in der Klimakrise Probleme, Herausforderungen und mögliche Synergien von Jessica Weber und Heinz Klöser Der Naturschutz steht vor der gleichen Herausforderung wie die Landwirtschaft: Unter veränder- ten Umweltbedingungen in der Klimakrise, z. B. längeren Trockenheitsperioden und starken Nie- derschlagsereignissen, stehen Ökosysteme, Böden und Wasserregime langfristig vor einem großen Anpassungsprozess. Die industrielle Landwirtschaft trägt in einem nicht unerheblichen Maß dazu bei, Auswirkungen der Klimakrise zu verstärken, ist aber gleichzeitig genauso abhängig von intak- ten Ökosystemen. Dieser Artikel geht der Frage nach, welchen Beitrag aus Sicht des Naturschutzes die Landwirtschaft leisten muss, um Änderungen der Natur, die durch die Klimakrise bedingt sind, zu bewältigen. Die Klimakrise und das globale menschengemachte und Wirtschaftswachstum (Ziel 8), Gesundheit und Artensterben sind zwei der größten Herausforde- Wohlergehen der Menschen (Ziel 3).3 rungen des 21. Jahrhunderts. Da ein großer Anteil Die Klimaveränderungen exakt zu prognostizie- der Fläche in Deutschland landwirtschaftlich genutzt ren ist zwar mit Schwierigkeiten behaftet (z. B. exakte wird (über 50 Prozent), ist das Verhältnis zwischen Temperaturverläufe).4 Dennoch ist bereits bekannt, Naturschutz und Landwirtschaft essenziell für ihre dass sich Änderungen etwa im Niederschlagsregime jeweilige Resilienz und Anpassungsfähigkeit an die und in veränderten Feuchte- und Trockenperioden Auswirkungen der Klimakrise.1 Wie intensiv Flä- auf die biologische Vielfalt auswirken5 – und so letzt- chen bewirtschaftet werden und mit welcher Metho- lich auch der Naturschutz vor neue Herausforderun- de, hat einerseits Auswirkungen auf die Schutzgüter gen gestellt wird. Gleichzeitig ist die Landwirtschaft in Natur und Landschaft (z. B. auf den Boden, das ein wichtiger Akteur für das Handlungsfeld Natur- Grund- und Oberflächenwasser) sowie auf die Le- schutz, welcher den Zustand von Natur und Land- bensbereiche von Tierarten. Andererseits profitiert schaft unter den Bedingungen der Klimakrise maß- die Landwirtschaft von den Ökosystemleistungen, geblich beeinflusst (z. B. Ausstoß von Treibhausgasen, die eine intakte Natur als kostenlose Produktions- Wasserverbrauch, Entwässerung von Mooren, Verin- grundlage für Landwirte bereitstellt und die durch selung von Populationen).6 Durch eine konventionelle naturschutzfachliche Maßnahmen gestärkt werden.2 Landbewirtschaftung mit dem großflächigen Einsatz Durch fruchtbare Böden, eine gute Bodenstruktur von Pestiziden können umweltspezifische Auswirkun- und -funktion, sauberes Wasser und von Insekten gen der Klimakrise sogar verstärkt werden (z. B. feh- bestäubte Kulturpflanzen wird die landwirtschaftli- lende Bestäuber), mit der Folge, dass die kostenfreien che Produktion überhaupt möglich bzw. kostengüns- Leistungen von z. B. Böden und Insekten nicht mehr tig gestaltet. Das Stockholm Resilience Center geht in verfügbar werden. seiner Analyse der nachhaltigen Entwicklungsziele Daher hat der Naturschutz in der Klimakrise mit der UN (Sustainable Development Goals) und ihrer Fokus auf den Agrarbereich eine wichtige Bedeutung, Beziehungen zueinander noch einen Schritt weiter: nicht nur um Natur und Landschaft um ihrer selbst Natur und Umwelt, die unter dem nachhaltigen Ent- zu schützen (intrinsischer Wert), sondern auch, um wicklungsziel »Leben an Land« (Ziel 15) adressiert die Grundlage für wirtschaftliche und gesellschaft- werden, bilden die Grundlage dafür, auch andere liche Nachhaltigkeitsziele zu erhalten und diese zu Nachhaltigkeitsziele überhaupt erreichen zu kön- erreichen. Auch sind die Inhalte, Ziele und Schwer- nen, wie z. B. Ernährungssicherheit (Ziel 2), Arbeit punkte des Naturschutzes selbst anzupassen, um bei 213
Der kritische Agrarbericht 2021 veränderten Umweltbedingungen in der Klimakrise wiesen dar. Höhere Temperaturen und längere Tro- wirksam zu sein.7 ckenperioden sowie verringerte Wasserspeisung kön- Dieser Artikel geht daher der Frage nach, welche nen beispielsweise die auf Moore spezialisierten Ar- Veränderungen aus der Sicht des Naturschutzes für ten einem erhöhten Konkurrenzdruck durch andere die Landwirtschaft notwendig werden, um Klima- einwandernde Arten aussetzen. Dies wirkt sich umso folgen zu minimieren und Anpassungen an die ver- stärker aus, als die meisten Moore in Deutschland änderten Bedingungen für Lebensräume und Arten bereits durch eine Vielzahl von menschengemachten möglich zu machen. Das Ziel ist es, Maßnahmen für Faktoren (Entwässerung, Eutrophierung, Flächen den Arten- und Lebensraumschutz vor dem Hinter- verlust) sehr stark gefährdet sind. grund der zusätzlichen Belastung durch die Klima Für viele Baum- und Pflanzenarten lässt sich er- krise auch im Agrarsektor zu stärken. kennen, dass die höhere Mittel- und Extremtempe- ratur sowie die längere Dauer von Hitzeperioden Umweltveränderungen durch die Klimakrise zu Trockenstress führt. Die relative Luftfeuchte wird vermindert, wobei sich die potenzielle Ver- Die Klimakrise ist längst wissenschaftlich belegt,8 wo- dunstung (potenzielle Evapotranspiration) und bei die Auswirkungen in den Regionen sehr unter- in Zeiten guter Bodenwasserversorgung auch die schiedlich sein können.9 Seit Ende der 1980er-Jahre reale Verdunstung (reale Evapotranspiration) der ist eine Tendenz in Deutschland zu einem wärmeren Pflanzen erhöht. Dies wiederum führt zu schnelle- Klima mit trocken-heißen Sommern und ausgiebigen rer erschöpfter Bodenfeuchte. Abhängig von der im Regenfällen im Winter erkennbar; zeitweilig unterbro- Boden verbliebenen Feuchtigkeit kann ebenso die chen durch eine Serie kühlerer und feuchterer Jahre Zersetzung von organischem Bestandsabfall (Detri- (bis 2017). Die danach folgenden Jahre waren gekenn- tus) wie z. B. Falllaub und Humus beschleunigt oder zeichnet durch besonders ausgeprägte Sommerdürren gehemmt werden.13 und Hitzewellen. Gleichzeitig scheinen Extremwetter- Daneben sind durch die Klimakrise Störungen auf ereignisse häufiger und stärker zu werden. die saisonalen Prozesse und die biotischen Interaktio Die Temperaturtrends sind in Deutschland relativ nen zu erwarten. Ökosysteme bestehen aus Wech- einheitlich, wobei die Niederschlagsverteilung größe- selbeziehungen zwischen Tier- und Pflanzenarten, re regionale Unterschiede aufweist.10 Während ten- sodass veränderte einzelne Parameter die komplexen denziell bislang die Jahresgesamtniederschläge leicht Interaktionen gefährden können. Es kann sowohl ansteigen, wird dennoch die Wasserverfügbarkeit ein- vorkommen, dass bei warmer Winterwitterung die geschränkt, und zwar nicht nur wegen konzentrierter Insekten bereits vor dem Blühbeginn einheimischer Niederschläge auf das Winterhalbjahr, sondern auch Flora aktiv sind und dann außer wenigen winterblü- wegen einer veränderten Niederschlagsdynamik. Re- henden Exoten in Gärten (Zaubernuss, Winterjasmin gen fällt im Sommer seltener als ergiebiger Landregen, oder Ähnlichem) keine Nahrung finden, als auch, dass sondern häufiger als feiner Nieselregen. Dem stehen bei anhaltend kühler Witterung im Frühjahr umge- Starkregenereignisse gegenüber, deren hohe Nieder- kehrt die Pflanzen bereits blühen, während die In- schläge zu einem hohen Prozentsatz oberflächlich sekten noch in ihrer Winterruhe verharren. Deshalb abfließen, statt zu versickern.11 sind nicht ausreichend Bestäuber für die blühenden Die Temperatur- und Niederschlagsänderun- Pflanzen unterwegs. Letzteres kann durchaus auch die gen wirken sich unterschiedlich auf die Natur- und wirtschaftlich wichtige Obstbaumblüte treffen.14 Schutzgüter aus. Die Klimakrise stellt dabei eine Auf diese Umweltveränderungen werden Tier- und Zusatzbelastung zu vorhandenen Belastungen (z. B. Pflanzenarten voraussichtlich sehr unterschiedlich Landschaftszerschneidung durch Verkehrsinfrastruk- reagieren: tur) in einer für viele Arten und Lebensräume bereits kritischen Situation dar. Wenn Klimaveränderungen ■ Arten können sich durch verändertes Verhalten auftreten, hat dies Auswirkungen auf die Lebensge- (z. B. frühere Brut, mehrere Generationen pro Jahr) meinschaften von Arten und ihre Verbreitungsgebie- zeitlich anpassen (= phänologische Plastizität). te.12 Während für Tierarten vor allem Verhaltensver- ■ Zu erwarten sind biologische Reaktionen (Erwei- änderungen kennzeichnend sind (z. B. Laich-, Zug-, terung der Standortsamplitude etc.), die es den Ar- Überwinterungsverhalten), werden Pflanzenarten vor ten ermöglichen, bei veränderten Bedingungen am allem anfälliger gegenüber Stressoren (z. B. Hitze und gleichen Ort zu bleiben (= genetische Variabilität, Trockenheit) und Krankheitserregern. Auch die Ha- Selektionsdruck). bitate für Arten verändern sich. ■ Denkbar sind auch Wanderungsbewegungen zur Ein Beispiel für durch die Klimakrise besonders räumlichen Anpassung an die klimatischen Verän- gefährdete Lebensräume stellen Moore und Feucht- derungen. 214
Natur und Umwelt Es wird daher unter anderem zu starken Verschie- damit langfristig nicht nur den Ökosystemen, sondern bungen von Tier- und Pflanzenarten in den Verbrei- auch der eigenen Produktion. tungsgebieten kommen, und zwar entlang der Kli- Durch die Klimakrise hervorgerufene Artenbewe- mazonen, Höhen- oder Feuchtegradienten. Pflanzen, gungen in Richtung des kälteren Nordens werden die wärmeliebend sind, werden sich z. B. weiter nach ebenso durch eine monotone Kulturlandschaft ge- Norden ausbreiten.15 Sich verschiebende Verbrei- hemmt oder gar verhindert, wie z. B. für die Wild tungsgrenzen von Schädlingen sind ebenfalls zu er- katze, Luchs, aber auch wirbellose Tierarten. Es fehlen warten. Entscheidend für die Betroffenheit wird eine in der Landschaft weiterhin Kleinstrukturen wie He- veränderte Wasserbilanz sein, aber auch, ob und wie cken, Tümpel, Steinhaufen, die ökologische Nischen die Landschaft für Ausbreitungsprozesse besonders bereitstellen und als Trittsteine einen wichtigen Bei- für wildlebende Tier- und Pflanzenarten geeignet ist trag zur Biotopvernetzung leisten. (Zerschneidung, Hindernisse und Isolierung). Po sitive Effekte sind zumindest für kontinentale Mager- Konsequenzen und und Trockenrasen denkbar.16 Deren Arten wären in nötige Anpassungsmaßnahmen einer ursprünglichen Naturlandschaft nicht konkur- renzfähig und breiten sich in der Kulturlandschaft Als großflächiger Landnutzer stellt die Landwirtschaft voraussichtlich auf Kosten der atlantischen Zwerg- einen der wichtigsten Akteure für den Naturschutz strauchheiden aus. dar. Die Auswirkungen der Klimaveränderung auf die Natur bzw. auf Naturschutzstrategien und -maßnah- Herausforderungen in der Klimakrise men (und umgekehrt) spielen in der gesamten öffent- lichen Klima(schutz)diskussion noch eine untergeord- Da die Landwirtschaft von den Ökosystemleistun- nete Rolle. Der Landwirtschaft ist daher – zusammen gen von Umwelt und Natur abhängig ist, wirken sich mit der Forderung nach einer nachhaltigen Landnut- durch die Klimakrise bedingte Veränderungen wie zung – ein höherer Stellenwert beizumessen, als es bis- Hitzewellen, Starkregen und Wassermangel auch her im Naturschutz der Fall war. Dabei wird es künftig direkt auf die landwirtschaftliche Produktion aus.17 nicht nur um Artenverluste oder Bodenerosionsfolgen Gleichzeitig trägt die konventionelle Wirtschaftsweise einer industrialisierten Land- und Forstwirtschaft ge- aus Sicht des Naturschutzes wesentlich dazu bei, ne- hen, sondern auch darum, ob wir sie uns angesichts gative Auswirkungen der Klimakrise zu verstärken, in ihrer negativen Klimaeffekte noch leisten können. dem sie unter anderem durch die Klimakrise bereits Dies schafft Chancen für einen Durchbruch der es- geschwächte Populationen und Lebensräume zusätz- senziellen Naturschutzbelange bei der Landnutzung. lich schwächt. Als Strategien des Naturschutzes werden sowohl In Deutschland gilt die Landwirtschaft als zweit- Klimaschutzmaßnahmen als auch Anpassungsmaß- größter Verursacher von Treibhausgasen, wie CO2, nahmen beschrieben. Während erstere dazu dienen, Lachgas und Methan. Lachgas und Methan werden etwa Treibhausgase einzusparen, sodass Klimaände- etwa ausgestoßen, wenn der ausgebrachte Stickstoff- rungen möglichst nicht auftreten, reagieren Anpas- dünger und Ernterückstände umgesetzt werden, sungsmaßnahmen auf bereits induzierte Änderungen Wirtschaftsdünger gelagert wird und bei der Tierhal- (z. B. auf veränderte Wasser- und Temperaturregime). tung.18 Zudem wird durch trockengelegte Moore und Der Schutz der Natur ist immer auch ein direkter intensive Bewirtschaftung mit Großmaschinen der Beitrag zum Klimaschutz. Das zeigt sich beispielhaft CO2-Fußabdruck erhöht.19 Obwohl der Anteil von beim Moorschutz.20 In wachsenden Mooren werden Mooren nur circa sieben Prozent der Gesamtfläche z. B. durch Torfbildung bis zu 1.500 Kilogramm Koh- in Deutschland beträgt, ist die Entwässerung der or- lenstoffäquivalente pro Hektar und Jahr festgelegt. Die ganischen Böden für etwa 37 Prozent der Emissionen Renaturierung und Reaktivierung von Flüssen, Seen, der Sektoren Landwirtschaft und Landnutzung ver- Auen und Feuchtgebieten verbessert zudem den Was- antwortlich. Die künstlichen Entwässerungssysteme serhaushalt der Landschaft und puffert der Klimakrise in der Agrarlandschaft, in Wäldern und in Mooren geschuldete zunehmende Extremniederschläge und gefährden zudem, dass (Stark-)Niederschläge rückge- Dürren ab. halten werden und versickern können. Der notwen- dige Ausgleich von Wassermangel in Trockenzeiten Synergien nutzen und zur Erhöhung der Grundwasserbildung wird er- schwert. Wenn landwirtschaftliche Betriebe in einem Neben Schutzmaßnahmen können naturschutzfach- großen Maße Grundwasser entnehmen, senkt dies liche Anpassungsmaßnahmen an die Klimakrise auch den Grundwasserspiegel zusätzlich zu den durch die zu Synergien sowohl für die Landwirtschaft als auch Klimakrise bedingten Trockenperioden und schadet den Naturschutz führen, die beiden gleichermaßen 215
Der kritische Agrarbericht 2021 zugutekommen. Dies betrifft etwa den Schutz von sodass die Mehrkosten dadurch teilweise kompensiert Bodenerosionen, wenn eine größere Fruchtartenviel- werden könnten.24 falt hergestellt, der Humusaufbau gewährleistet und Akteure im Naturschutz sind dabei selbst gefordert, die Strukturvielfalt in der Landschaft erhöht wird, die Klimakrise als Variable intensiver zu berücksich- wie durch die Förderung des Ökologischen Land- tigen. Wenn der Zustand der Natur bestimmt und baus. Strukturreichere Agrarräume bieten Trittstei- bewertet werden soll, erfordert es, neue Leitbilder ne für wildlebende Tier- und Pflanzenarten, sodass zu entwickeln.25 Instrumente des Naturschutzes, wie diese in den jeweils für sie günstigeren Lebensraum die Ausweisung von Schutzgebieten und die Durch- wandern können.21 Gleichzeitig schaffen Gehölzstrei- setzung von angepassten Landnutzungen, müssen fen an Ackerrändern ein feuchteres und kühleres konsequenter und großflächiger umgesetzt werden, Kleinklima auf den Feldern, sodass dürrebedingte um neben den »normalen« Gefährdungsfaktoren für Ertragseinbußen reduziert werden. Ein Biotopver- Lebensräume und Arten auch Auswirkungen durch bundsystem mit den zentralen Bausteinen wie Korri- die Klimakrise zu reduzieren. dorflächen, Leitstrukturen wie Hecken und Wander- korridore sind artenspezifisch auszurichten (z. B. für Fazit Wildkatze, Rothirsch, Luchs).22 Auch Kleingewässer müssen besser geschützt und – auch in landwirt- Naturschutzfachliche Anpassungen an die Klimakrise schaftlichen Flächen – in der breiten Fläche neu an- müssen mit Blick auf den Agrarsektor nicht immer gelegt werden. Dies dient nicht nur der Biodiversität, Zielkonflikte schaffen, sondern können auch zu Syn- sondern solche Gewässer können auch das Wasser ergien führen. Unter den Bedingungen des Klimawan- aus Starkregenereignissen zusammen mit eventuell dels wird aus Sicht des Naturschutzes eine ressour- abgespültem Boden auffangen. Dabei sind kleinräu- censchonende Landwirtschaft wichtiger als je zuvor. mig strukturierte Agrarlandschaften, in denen Felder Maßnahmen wie ein gestärkter Biotopverbund in der mit Holz- und Wildobstnutzung (als Wallhecken, Agrarlandschaft, eine ökologischere, strukturreichere Knicks, Baumreihen für den Windschutz) eng ver- Landwirtschaft und ein sensibler Umgang mit Was- zahnt werden, eine Anpassungsmaßnahme, die drin- serressourcen und Kleinstgewässern sind wichtig, um gend geboten ist. Solche Mischkultursysteme weiter- auf klimawandelbedingte Veränderungen der Umwelt zuentwickeln entspricht bereits der Grundidee der zu reagieren. Sie sind im Agrarsektor daher konse- Agroforstwirtschaft.23 quenter umzusetzen, etwa indem Klimaschutz nicht Anstatt Agrarflächen großflächig für den Betrieb zulasten von Naturschutz betrieben wird (z. B. durch von Biogasanlagen zu bewirtschaften (z. B. Maisan- den Anbau von Energiepflanzen für Biogasanlagen bau), ergibt sich weiterhin das Potenzial aus Sicht des wie Mais) und Gentechnik als Mittel zur Anpassung Naturschutzes, durch umgewandelte Flächen in Wald an den Klimawandel ausgeschlossen bleibt. die Waldfläche um mindestens drei Prozent der Lan- Als Reaktion auf klimawandelbedingte Umwelt- desfläche Deutschlands zu vergrößern, mit entspre- veränderungen, wie beispielsweise häufigere Starkre- chend positiver Bilanz für das Klima. Ebenso sollten genereignisse und ebenso Trockenheitsperioden, kön- ehemalige Agrarflächen für Biogasanlagen dazu ge- nen konsequent umgesetzte und politisch unterstützte nutzt werden, den Bedarf an Futtermitteln für einen (deutlich zu verringernden) Viehbestand auf Flächen im eigenen Land zu decken. Dadurch entfallen nicht Folgerungen & Forderungen nur klimaschädliche Transporte. Auch können so eigene Forderungen nach dem Schutz tropischer Wäl- ■ Verstärkte Einbindung des Naturschutzes in die der erfüllt werden, die zurzeit durch den Import von Anpassungsstrategien der Landwirtschaft an die Futtermitteln weiterhin gerodet werden. K limakrise, um mögliche Synergien zu nutzen Um diese Maßnahmen durchzusetzen, ist es not- (nature based solutions). wendig, die Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik ■ Verknüpfung der für die GAP geforderten mindes (GAP) der EU mit Naturschutzmaßnahmen des tens zehn Prozent naturschutzfachlich hochwertiger Landwirts zu verbinden und die derzeitige Flächenge- Lebensräume zur Stärkung des Biotopverbunds. staltung in der Klimakrise naturschutzgerecht weiter- ■ Stärkung des Biotopverbunds im Planungsrecht. zuentwickeln. Landwirtschaftliche Produkte müssen ■ Konsequente Umsetzung der neuen EU Biodiver dazu einen angemessenen Preis erhalten, um Klima- sitätsstrategie, um die Resilienz von Arten und schutz und -anpassung auch EU-weit für ein nach- Lebensräumen grundsätzlich zu stärken. haltigkeitsgerechtes Landmanagement etablieren zu ■ Keine Förderung von Klimaschutzmaßnahmen ohne können. Auch dieser Naturschutznutzen sollte bei der Biodiversitätscheck. Ausschüttung der GAP-Mittel berücksichtigt werden, 216
Natur und Umwelt Anpassungsmaßnahmen des Naturschutzes auch der 12 Siehe Anm. 5. Landwirtschaft gleichermaßen zugutekommen. Ei- 13 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Land wirtschaft in der Klimakrise. Berlin 2020 [noch unveröffentlicht]. nerseits wird so das globale Nachhaltigkeitsziel um- 14 Ebd. gesetzt, die Ökosysteme als eigene Lebensgrundlage 15 H. M. Paulsen: Impulse zur Landwirtschaft im Klimawandel. zu erhalten. Dies ist andererseits die Voraussetzung In: Naturschutz im Klimawandel: Tagungsdokumentation dafür, auch andere Nachhaltigkeitsziele langfristig 28. April 2009 (www.muk.uni-frankfurt.de/38673515/Binder_ und für spätere Generationen umzusetzen – und stellt Abstract1.pdf). 16 Siehe Anm. 5. neben der Klimakrise und dem Artensterben eine der 17 Umweltbundesamt: Klimafolgen – Handlungsfeld Landwirt größten Herausforderungen des 21. Jahrhundert dar. schaft (veröffentlicht am 4. September 2013) (www.umwelt Denn je intakter die Natur, desto flexibler und dyna- bundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/ mischer kann sie auf Änderungen reagieren. Umso folgen-des-klimawandels/klimafolgen-deutschland/ klimafolgen-handlungsfeld-landwirtschaft#niederschlag). besser kann sie die negativen Folgen der Klimaverän- 18 Siehe Anm. 5. derung abpuffern – auch zum Nutzen des Menschen. 19 F. M. Chmielewski: Der Einfluss des Klimawandels auf den Wirt Die beste Versicherung gegen die Folgen des Klima- schaftssektor Landwirtschaft. In: Klimabericht für die Metro wandels ist eine hohe natürliche Vielfalt an Arten und polr egion Hamburg. Heidelberg 2011, S. 211–227 (https://link. Lebensräumen, auf die der Mensch angesichts zuneh- springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-16035-6_9) 20 M. Pirc: Naturschutz ist Klimaschutz. Klimarelevante Natur mender Katastrophen mehr denn je angewiesen ist. schutzmaßnahmen im Alpenraum. In: Naturschutz und Land schaftsplanung 42/12 (2010), S. 383 f. 21 Umweltbundesamt: Anpassung: Handlungsfeld Biologische Anmerkungen V ielfalt (veröffentlicht am 4. September 2013) (www.umwelt 1 J. Schuler (Hrsg.): Instrumente zur Stärkung von Synergien zwi bundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/ schen Natur- und Klimaschutz im Bereich Landbewirtschaf anpassung-an-den-klimawandel/anpassung-auf-laenderebe tung. Bundesamt für Naturschutz (BfN-Skripten 382). Bonn ne/handlungsfeld-biologische-vielfalt). 2014 (www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/ 22 Ebd. skript382.pdf). 23 Siehe hierzu auch den Beitrag von Rico Hübner in diesem 2 Unter dem Begriff Ökosystemleistungen werden solche Vorteile K ritischen Agrarbericht (S. 241–246): und Nutzenleistungen für den Menschen verstanden, welche 24 Siehe hierzu den Beitrag von Christian Rehmer und Phillip aus Ökosystemen entstehen. Brändle in diesem K ritischen Agrarbericht (S. 43–47). 3 Stockholm Resilience Center: How food connects all the SDGs 25 C. Beierkuhnlein: Auswirkungen des Klimawandels auf Fauna, [veröffentlicht 2016] (www.stockholmresilience.org/research/ Flora und Lebensräume sowie Anpassungsstrategien des research-news/2016-06-14-how-food-connects-all-the-sdgs.html). Naturschutzes. Präsentation. Bonn 1. bis 3. März 2010 (https:// 4 E. Schnug et al.: Mögliche Synergie-Effekte zwischen Landwirt pdfs.semanticscholar.org/6c2c/797bdb36f7148b9dc72d0f7dcff9 schaft und Naturschutz unter den Bedingungen des Klimawan 7851265b.pdf). dels. In: Agriculture and Forestry Research. 4/2008. 5 Umweltbundesamt: Klimafolgen - Handlungsfeld Biologische Vielfalt (veröffentlicht am 4. September 2013) (www.umwelt bundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/ folgen-des-klimawandels/klimafolgen-deutschland/klimafolgen- handlungsfeld-biologische-vielfalt). 6 Siehe Anm. 2. Jessica Weber 7 S. Heiland et al.: Der Klimawandel als Herausforderung für die Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Natur Landschaftsplanung. In: Naturschutz und Landschaftsplanung schutzpolitik beim BUND e.V. mit u.a. dem 40/2 (2008), S. 37–41. Schwerpunkt Naturschutz im Klimawandel 8 Siehe hierzu die diversen Berichte des Weltklimarats (IPCC). sowie Naturschutz und Erneuerbare Energien. 9 Umweltbundesamt: Klimafolgen Deutschland (www.umwelt bundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/ jessica.weber@bund.net folgen-des-klimawandels/klimafolgen-deutschland). 10 C. Leuschner et al.: Klimawandel und Naturschutz in Deutsch land: Vorstudie. Bundesamt für Naturschutz (BfN-Skripten 115). Bonn 2004. – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): Handbuch Biotopverbund Deutschland. Berlin 2018 (www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/ Heinz Klöser naturschutz/naturschutz_handbuch_biotopverbund_deutsch Stellvertretender Sprecher des Bundesarbeits land.pdf). kreises Naturschutz des BUND e.V. 11 D. Jacob: Regionalisierte Szenarien des Klimawandels. In: Raum forschung und Raumordnung 67 (2009), S. 89–96. nugrade@gmx.net 217
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