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Deutsche Biographie – Onlinefassung

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Heinrich II. von Finstingen (Vinstingen) Erzbischof von Trier (seit 1260), †
26.4.1286 Boulogne-sur-mer, ⚰ Trier, Dom.

Genealogie
V Merbodo II., Herr v. Malberg (b. Kyllburg, Eifel) u. Finstingen (dem heutigen
Fénétrange im lothr. oberen Saartal, Bistum Metz);
M Ida (Ita), vielleicht aus d. Grafenhaus Zollern;
O →Heinrich II. v. Leiningen († 1272), Bischof v. Speyer (seit 1245);
Vt →Walter v. Geroldseck († 1263), Bischof v. Straßburg; Verwandte Grafen v.
Grunningen u. (Burg-)Grafen v. Nürnberg.

Leben
1249 erscheint H. als Domherr von Straßburg, seit 1250 als päpstlicher Kaplan
(am Hof von Lyon) und Kantor des Domstiftes von Verdun, seit 1254 als
Domdechant von Metz. Nach dem Tod des Trierer EB Arnold II. von Isenburg
(1259) erstrebte und erreichte H. die päpstliche Ernennung und Weihe zum
Bischof von Trier. Wegen gewalttätigen Vorgehens gegen Abtei und Abt von
Sankt Matthias-Trier und weil er sich, ohne im Besitz des Palliums zu sein,
erzbischöfliche Rechte anmaßte, wurde H. nach längerem Verfahren (seit 1261)
am 19.12.1267 von Papst Klemens IV. suspendiert. Nachdem er sich mit dem
Abt versöhnt hatte, hob Papst Gregor X. am 25.10.1272 die Suspension auf
und verlieh H. jetzt auch das Pallium. Aus diesem Anlaß gründete H. auf der
Höhe bei Kyllburg ein Kollegiatstift und begann mit dem Bau der jetzt noch
erhaltenen Stiftskirche. – Am 1.10.1273 war H. in Frankfurt an der Wahl Rudolfs
von Habsburg beteiligt und nahm auch an der Krönung in Aachen teil. Die
nächsten Jahre brachten ihm arge Verwicklungen mit der Stadt Koblenz, die er
aber erfolgreich beendete. Verdienste um die Entwicklung des landesherrlichen
Territoriums erwarb sich H. durch Neubau und Ausbau bestehender Burgen und
durch Erwerb von Vogteien und Herrschaften. Er starb auf einer Pilgerfahrt nach
Saint Josse-sur-mer, von der er sich Heilung von seinem Siechtum erhoffte. –
Das Charakterbild des tatkräftigen und begabten Fürsten bleibt überschattet
durch sein ehrgeiziges und rücksichtsloses Streben nach Macht. – Reste des
Grabbogens im Dom und die (spätere und glorifizierende) Grabschrift sind
erhalten. Im Domschatz befindet sich der dem Grab beigegebene Bischofsstab.

Literatur
ADB XI;
„Gesta“ u. „Vita“ in: MGH SS 24, S. 414-63 (erstere, zu s. Lebzeiten in d. Abtei
St. Matthias-Trier vf., ist gegen ihn gerichtet, letztere, unter Benützung der
„Gesta“, beurteilt ihn günstig);
MGH Epp. saec. XIII, T. 3;
W. Günther, Codex Diplom. Rheno-Mosellanus II, 1823;
A. Goerz, Regg. d. Erzbischöfe zu Trier, 1861, S. 50-56;
ders., Mittelrhein. Regg. III, IV, 1881-86;
A. Potthast, Regg. Pontif. Roman. II, 1875, S. 1461 ff.;
Regg. Imp. V, 4, 5, VI, 1, 1898;
Bibl. des Écoles françaises d'Athènes et de Rome: Les Registres d'Innocent IV, T.
4, Paris 1911-19;
… d'Urbain IV, 4, 1906-58;
… de Clement IV, 1893-1945, Nr. 565;
… de Grégoire X et de Jean XXI, 1892-1960;
- Ch. Brower, Ann. et Antiquit. Trevirorum II, Lüttich 1671, S. 149-67;
A. Calmet, Hist. eccl. et civile de Lorraine II, Nancy 1728, S. 351-71;
J. N. ab Hontheim, Hist. Trev. dipl. et pragm. I, Augsburg u. Würzburg 1750, S.
740-820;
M. Bär, Der Koblenzer Mauerbau, 1888;
ders., Urkk. u. Akten z. Gesch. d. Vfg. u. Verwaltung d. Stadt Koblenz, 1898;
F. Casper, H. II. v. T., Diss. Marburg 1899;
Das Reichsland Elsaß-Lothringen II, 1901, S. 291-93;
K. Löhnert, Personal- u. Amtsdaten d. Trierer Erzbistums d. 10.-15. Jh., Diss.
Greifswald 1908;
Möller I, S. 27 f., Tafel XIII;
E. Wackenroder, Die Kunstdenkmäler d. Kreises Bitburg, = Kunstdenkmäler d.
Rheinprov. XII, 1, 1927, S. 134-36;
N. Irsch, Der Dom zu Trier, = dass. XIII, 1, 1931, S. 268-70;
M. Sponheimer, H. II. v. F., in: Die Trierer Kurfürsten, hrsg. v. C. Stenz, 1937, S.
20-23.

Portraits
nach d. Siegel an e. Urk. v. 1274, in: Die Trierer Kurfürsten, S. 20, 102, s. L.

Autor
Hermann Ries

Empfohlene Zitierweise
Ries, Hermann, „Heinrich II.“, in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S.
8 403-404 [Onlinefassung]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/
pnd128416904.html
ADB-Artikel

Heinrich II., Erzbischof von Trier, 1260—1286, stammte aus dem mächtigen
lothringischen Geschlechte der Edelherren von Finstingen (Fénétrange),
in deren Gebiete zu Münster an der Saar er im J. 1260 als Domdechant zu
Metz das Collegiatstift St. Nikolaus gründete. Heinrich befand sich in einer
Mission seines Vetters, des Bischofs von Straßburg, Walter von Geroldseck
zu Rom, als dort der Streit zweier Prätendenten um den erzbischöflichen
Stuhl von Trier, der Trierischen Archidiakonen Heinrich von Bolanden und
Arnold von Schleiden verhandelt wurde. Kurz entschlossen beutete H. diesen
Umstand im eigenen Interesse aus und es gelang ihm, von Papst Alexander
IV. die Weihe und die Investitur mit dem Erzbisthum Trier zu erlangen (20.
August 1260). Im November desselben Jahres zog er feierlich in Trier ein und
machte nun alle Anstrengungen, sich gegen das widerstrebende Domkapitel
in seiner Stellung zu befestigen und die Mittel zur Erlangung des Palliums zu
verschaffen. Im Sommer des Jahres 1261 unterstützte er seinen genannten
Vetter, den Bischof von Straßburg, mit 1700 Gewappneten gegen die Stadt
Straßburg. Indessen endigte der Feldzug für die Verbündeten ungünstig.
Am 13. Juli 1261 wurden die Angreifer, nachdem sie bereits die Mauern
einer Vorstadt erstiegen, von den Straßburgern zurückgeschlagen, dann bei
Hausbergen besiegt und Heinrich kehrte ruhmlos nach dem Abschlusse eines
Waffenstillstandes nach Trier zurück. Dort verwickelten ihn die Ausschreitungen
seiner Kriegsleute, namentlich der Brand des der reichen Abtei St. Matthias bei
Trier gehörigen Dorfes Krittenach in einen ernsten Streit mit dem Abte dieses
Klosters, Theoderich von Warsberg, einem alten Gegner, da dieser zuvor in
Rom die Sache des Archidiakonen Heinrich von Bolanden verfochten hatte. Als
der Abt auf einer Reise nach Coblenz begriffen war, nahmen erzbischöfliche
Dienstmannen denselben gefangen|und brachten ihn nach der Burg Turon,
wo er beinahe drei und ein halbes Jahr festgehalten wurde. Der Erzbischof
bemächtigte sich der Abtei und ihrer reichen Besitzungen, während die Klagen
des Gefangenen williges Gehör fanden sowol beim Domkapitel zu Trier, dessen
Propst Simon von Franchimont Stiefbruder des Abts Theoderich war, wie bei
der Curie zu Rom, wo man die Einlösung des Palliums, ohne welches dem
Erzbischof jede kirchliche Funktion verboten war, bis jetzt vergeblich erwartet
hatte. Papst Urban IV. cassirte daher, am 5. Novbr. 1261 die dem Erwählten
von Trier ertheilte Fakultät der Verleihung kirchlicher Beneficien, befahl durch
eine ganze Reihe von Bullen vom 22. Novbr. 1261 eine Untersuchung gegen
Heinrich von Finstingen wegen Usurpation des erzbischöflichen Titels ohne
Empfang des Palliums, Vornahme von Weihen, Simonie, Eidesbruch, Mord,
Brand, Raub, Verschleuderung des Kirchengutes, Anlegung von Rheinzöllen
etc. und gebot ihm persönliches Erscheinen zu Rom zur Rechtfertigung von
diesen schweren Beschuldigungen. H. begegnete dem aufziehenden Unwetter
in kluger und entschlossener Weise. Den Abt von St. Matthias ließ er zwar
frei, nöthigte ihn aber, das Land zu verlassen und setzte an seine Stelle einen
Anderen. Die auf Anrufen des Domkapitels heranziehenden Wildgrafen Conrad
und Emich schlug er in einem Gefechte bei Schwarzenberg im Hochwalde
(1263). Nach Rom zu gehen entschloß er sich erst lange nach Ablauf der
Vorladungsfrist und nach dem Tode des Papstes Urban IV. im J. 1266. Die
Rechtfertigung gelang ihm indessen nicht. Nach einem vor Papst Clemens IV.
am 5. Januar 1267 bestandenen Verhör wurde H. am 19. Dec. 1267 ab officio
et beneficio suspendirt und der päpstliche Auditor Bernhard de Castineto mit
der Verwaltung des Erzbisthums Trier betraut. Während des Interregnums
fand sich aber kein Vollstrecker des päpstlichen Urtheils in Deutschland. Der
päpstliche Verwalter ging zwar dorthin ab, wagte aber das Erzstift nicht zu
betreten, sondern hielt sich an der französischen Grenze in Ivoi (Carignan) auf.
H., der anfänglich auf seine Besitzungen nach Lothringen sich zurückgezogen
hatte, begab sich ermuthigt nach Trier zurück, nahm seine Stellung wieder auf
und wohnte im April 1269 dem von dem erwählten römischen Könige Richard
von Cornwallis zu Worms abgehaltenen Reichstage bei. Günstigere Aussichten
eröffneten sich H. nach dem Tode des Papstes Clemens IV. (29. Novbr. 1268).
Gestützt auf eine ihm ergebene Partei im Cardinalscollegium unternahm er
nach der Wahl Papst Gregor X. (1. Septbr. 1271) eine zweite Reise nach Rom
und operirte gegenüber seinem ebenfalls dort anwesenden Gegner, dem Abte
Theoderich von St. Matthias so glücklich, daß der Papst die Gegner versöhnte
und H. auf Grund eines Schiedsspruchs von Cardinälen vom 21. Septbr. 1272
in den Besitz seiner Würde und der Verwaltung des Erzstiftes wieder eingesetzt
wurde. Indessen nicht ohne erhebliche Opfer. Die Gesta Trevirorum berechnen
die Kosten des Aufenthaltes in Rom, des dort geführten Prozesses und den
Erwerb des Palliums auf 33000 Mark. Bei der Königswahl Rudolfs von Habsburg
zu Frankfurt 29. Septbr. 1273 wirkte H. zustimmend, begleitet von 1800
Bewaffneten, und wohnte am 24. Oct. desselben Jahres der Krönung in Aachen
bei. Im Juni des folgenden Jahres finden wir ihn bei dem von Papst Gregor
X. zu Lyon abgehaltenen Concil. Der Bau einer Burg an der Moselseite der
Stadt Coblenz verwickelte den Erzbischof im J. 1280 in schwere Händel mit
dieser aufstrebenden Stadt, welche eben den Bau ihrer Ringmauer vollendete.
Nach einer langen Einschließung der widerspenstigen Stadt wurde H. durch
einen von den Erzbischöfen von Mainz und Cöln und dem Deutschmeister am
24. Mai 1281 erlassenen Schiedsspruch die Fortsetzung seines Burgbaues,
wie der Stadtgemeinde die Vollendung ihrer Befestigungen zugebilligt. Bei
einem neuen Aufruhr in Coblenz erzwang der|Erzbischof dagegen die gänzliche
Verbannung seiner Gegner (1. October 1283). Die letzten Jahre Heinrichs waren
elend und schmerzenreich. Wegen seiner Klugheit und Entschlossenheit in
Achtung stehend, aber im Lande mehr gefürchtet als geliebt, benutzte er alle
Mittel, vornehmlich die Juden, zu Erpressungen aller Art, einestheils um die
in Rom aufgewendeten Summen wieder beizubringen, anderntheils um seine
Kriegsmacht zu stärken und seine zahlreichen Burgbauten auszuführen. Von
Podagra geplagt und von Schlagflüssen gelähmt, unternahm der Erzbischof
im Frühjahr 1286 in einem eigens dazu gebauten, mit Leder gedeckten Wagen
eine Bittfahrt nach dem Wallfahrtsorte St. Jodokus (St. Josse-sur-mer) im
französischen Artois an der flandrischen Grenze und hatte sein Ziel nahezu
erreicht, als ein plötzlicher Tod ihn zu Boulogne-sur-mer am 26. April 1286
ereilte. Sein Begleiter, der Archidiakon Werner, brachte die Leiche nach Trier
zurück und bestattete sie dort im Dome. Anerkennungswerth, wenn auch im
eigensten Interesse erfolgt, ist Heinrichs Thätigkeit in der Befestigung der
weltlichen Macht des Kurstaats. Er erwarb dem Erzstifte Trier die Vogteien
Bernkastel, Monzelfeld (1280), Münstermaifeld und Wittlich sammt der Burg
Malberg in der Eifel (1279), erbaute neu die Burgen Bernkastel (1277), Mayen
und Coblenz (1280), vergrößerte und verschönerte den Palast zu Trier und
verstärkte die Schlösser zu Saarburg, Pfalzel, Grimburg, Welschbillig, Malberg,
Manderscheid, Neuerburg bei Wittlich, Marienburg, Ehrenbreitstein, Montebaur
und Hartenfels. Die Städte Mayen und Münstermaifeld umgab er mit Mauern.
Seinen Lehenhof verstärkte er durch 31 vornehme Mannen, darunter die Grafen
von Homburg im Westrich, die Raugrafen, die von Saarwerden, Veldenz und
Zweibrücken. Aus Dankbarkeit für die Erlangung und Behauptung seiner Würde
begründete er 1276 das Liebfrauenstift zu Kilburg und ließ dort in romantischer
Lage durch den Cistercienser-Mönch Heinrich eine noch erhaltene schöne
gothische Kirche erbauen.

Literatur
Hontheim, Hist. Trevir. I 740—820. Günther, Cod. dipl. Rheno-Mosellanus II 296
—460. Gesta Trevir. ed. Wyttenbach II cap. CLXXXIX— CLXXXXII. Görz, Regesten
der Erzbischöfe von Trier S. 50—56. v. Stramberg, Rhein. Antiquarius I 4. S. 557
—565.

Autor
v. Eltester.

Empfohlene Zitierweise
Eltester, von, „Heinrich II.“, in: Allgemeine Deutsche Biographie (1880), S.
[Onlinefassung]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd128416904.html
1. September 2021
© Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
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