NEUE ALLIANZEN FÜR SOZIAL-ÖKOLOGISCHE TRANSFORMATIONEN
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Impressum Herausgeber: Die Inhalte der Broschüre basieren auf dem Forschungsvor- Umweltbundesamt haben „Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik: Koopera- Fachgebiet I 1.1 und I 1.4 tionsperspektiven umweltpolitischer Akteure mit Gewerk- Postfach 14 06 schaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden“ (FKZ 3717 11 06813 Dessau-Roßlau 104 0), welches vom Institut für ökologische Wirtschafts- Tel: +49 340-2103-0 forschung (IÖW), dem Forschungszentrum für Umweltpolitik buergerservice@umweltbundesamt.de (FFU), sociodimensions und Kommunikation&Arbeit im Internet: www.umweltbundesamt.de Auftrag des Umweltbundesamts und des Bundesminis- teriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit /umweltbundesamt.de durchgeführt wurde (Förderzeitraum 07/17 bis 12/20). Die /umweltbundesamt Auftraggeber übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, /umweltbundesamt Genauigkeit und Vollständigkeit der im Papier dargelegten /umweltbundesamt Angaben sowie für die Beachtung der privaten Rechte Drit- ter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht Autor*innen: mit denen der Auftraggeber übereinstimmen. Helen Sharp (Federführung, Institut für ökologische Wirt- schaftsforschung), Ulrich Petschow (Institut für ökologische Bildquellen: Wirtschaftsforschung), Prof. Dr. Hans-Jürgen Arlt (Kommu- Seite 6: Dominic Wunderlich, Pixabay nikation & Arbeit), Dr. Klaus Jacob (Forschungszentrum Seite 7: Natalya Vilman, iStock für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin), Giulia Kalt Seite 8: Rawpixel.com, Shutterstock (Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität Seite 9: Efes Kitap, Pixabay Berlin), Michael Schipperges (sociodimensions) Seite 10: Markus Gann, AdobeStock Seite 12: Ulrike Leone, Pixabay Redaktion: Seite 15: Rawpixel.com, Shutterstock Umweltbundesamt, Fachgebiet I 1.1, Dorothee Arenhövel Seite 16: Rawpixel.com, Shutterstock Umweltbundesamt, Fachgebiet I 1.4, Dr. Angelika Gellrich De ETIENjones, Seite 17: ETIENjones, Shutterstock Shutterstock Seite 18: DanaTentis, Pixabay Satz und Layout: Seite 21 links: Steve Buissinne, Pixabay lab45 Kommunikationsdesign, Berlin Seite 21 rechts: RossandHelen, AdobeStock Seite 22 oben: blende12 (Gerhard G.), Pixabay Broschüren bestellen: Seite 22 unten: Viesturs Larmanis, AdobeStock Service-Telefon: +49 340 2103-6688 Seite 23: Alexander Rochau, AdobeStock Service-Fax: +49 340 2104-6688 Seite 26: Halfpoint, Shutterstock E-Mail: uba@broschuerenversand.de Seite 28: ALPA PROD, Shutterstock Internet: www.umweltbundesamt.de Seite 31: Sven Loeffler, AdobeStock Seite 32: grunzibaer, Pixabay Diese Publikation ist kostenfrei zu beziehen beim Umwelt- Seite 33: TeeFarm, Pixabay bundesamt. Der Weiterverkauf ist untersagt. Bei Zuwi- Seite 34: francescoridolfi.com, AdobeStock derhandlung wird eine Schutzgebühr von 15 Euro/Stück Seite 36: Dizfoto, Shutterstock erhoben. Seite 37: Manfred Gottert, lab45 Seite 38: Joshua Resnick, AdobeStock Publikationen als pdf: Seite 40: Salivanchuk Semen, Shutterstock www.umweltbundesamt.de/publikationen Seite 42: Manfred Gottert, lab45 Seite 43: Manfred Gottert, lab45 Seite 44: Dominic Wunderlich, Pixabay Stand: November 2020 1. Auflage 500 Exemplare ISSN 2363-8311 [Print] ISSN 2363-832X [Online]
Inhalt Warum braucht es neue Allianzen für sozial-ökologische VORWORT Transformationen? Zum Kontext dieser Broschüre ����������������� 7 Perspektiven, Handlungslogiken und Zukunftsstrategien ������ 11 1 KERNERGEBNISSE 1.1 Geteilte Perspektiven: Klima-, Umweltschutz und Gerechtigkeit ������������������������������������������ 11 1.2 Spezifische Handlungslogiken und neue Herausforderungen: Die Notwendigkeit von Neuorientierung �������������������������������� 12 1.3 Kooperation als Zukunftsstrategie: Aus der Defensive in die Gestaltung ������������������������������������� 14 1.4 Auf dem Weg zu „Neuen Allianzen“: Handlungsansätze für die Verbände ������������������������������������� 16 Übergreifende Austauschprozesse stärken und 2 HANDLUNGSANSATZ 1 institutionell verankern ������������������������������������������������������ 19 2.1 Selbstverständigungsprozesse der Zivilgesellschaft ��������������� 20 2.2 Integrierte Politikentwicklung ������������������������������������������ 22 2.3 Die notwendige Verständigung im Wechselspiel zivilgesellschaftlicher und staatlicher Initiative voranbringen ���� 22 Potenziale regionaler und lokaler Kooperation 3 HANDLUNGSANSATZ 2 heben und entwickeln ������������������������������������������������������� 27 3.1 Sozial-ökologische Kooperationsinitiativen als zentrale Lern- und Experimentierräume für Transformationen voranbringen ����� 27 3.2 Den Verbandsarbeit vor Ort stärken: Den Markt der Möglichkeiten eröffnen ����������������������������������� 30 3.3 Lokale und regionale Plattformen für systematischen Austausch zur Gestaltung von Strukturwandelprozessen etablieren ���������� 33 Strategisch orientieren, neu positionieren – 4 HANDLUNGSANSATZ 3 Zukunftsfähigkeit der zivilgesellschaftlichen Verbände sichern �������������������������������������������������������������� 35 4.1 Die Dynamik gesellschaftlicher Veränderungsprozesse in der Organisationsentwicklung berücksichtigen ����������������������� 35 4.2 Das Umdenken in konkrete Verbandspolitik übersetzen ����������� 38 5 ZIVILGESELLSCHAFTLICHE ALLIANZEN UND Gemeinsam auf dem Weg zu STAATLICHE POLITIK sozial-ökologischen Transformationen �������������������������������� 41 6 ZEITENWENDE Eine Einladung zum Weiterdenken und -handeln ������������������ 45 5
Vorwort Warum braucht es neue Allianzen für sozial-ökologische Transformationen? Zum Kontext dieser Broschüre Die ökologische und die soziale Frage oder: Transformation als Gemeinschaftsaufgabe Die globale Klima- und Biodiversitätskrise verschärft sich zunehmend. Mit dem Pariser Klimaabkommen wurde 2015 ein politisches Signal gesetzt, mit wel- chem die Dringlichkeit der Lage auf internationaler Ebene anerkannt wurde. Alle gesellschaftlichen Gruppen, von den Parteien, den Managementetagen der Unternehmen bis hin zu den vielfältigen lokalen Ortsvereinen und Bürgerinitiativen, haben dieses Signal vernommen und suchen nach Strategien, wie sie mit den daraus erwachsenden Herausforderungen umgehen können. Auch wenn sich die Herausforderungen im Einzelnen unterschiedlich darstellen, so wird doch vor allem deutlich, dass die notwendigen Veränderungen nicht innerhalb einzelner Politikfelder, nicht innerhalb einzelner Branchen und auch nicht auf Initiative einzelner Personen oder Organisationen umgesetzt oder aber verhindert werden können. Was aus öko- logischer Sicht unumgänglich ist und mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens politisch verankert wurde, impliziert tiefgreifende Transformationen in den Strukturen von Wirtschaft und Gesellschaft. Ob erreicht wird, was ökologisch notwendig ist, hängt damit aber auch elementar davon ab, wie es sozial ausgestaltet wird. Neben den ökologischen Krisen Interessenvertretung im Wandel: rücken so auch soziale Entwicklungen und Problem Die zivilgesellschaftlichen Verbände vor lagen in den Fokus: zunehmende Ungleichheit, neuen Herausforderungen Fragmentierung, demografischer Wandel, aber auch Vieles wird davon abhängen, ob und wie es gelingt, Populismus, um nur einige zu nennen. dass verschiedene Akteure auf unterschiedlichen Ebenen gemeinsam handeln und neue, „integrierte“ Die COVID-19-Pandemie hat zuletzt auf dramatische Gestaltungsansätze entwickeln. Diese Art der weit- Weise verdeutlicht, wie eng die Zusammenhänge reichenden gesellschaftlichen Aushandlung und sind, wie notwendig es ist, die sozialen Krisen um- Zusammenarbeit ist dabei alles andere als einfach. weltgerecht und gleichzeitig die ökologischen Krisen Sie bedeutet, dass die Strukturen und Organisationen sozial gerecht zu adressieren. Die ökologische Frage klassischer Handlungsfelder, politischer Ressorts, wird zur sozialen Frage, genauso wie andersherum. aber auch traditioneller Interessenvertretung neu Längst kann daher kaum noch von einem umwelt- betrachtet werden müssen. Was ehemals getrennt politischen Projekt gesprochen werden, wenn es um verhandelt wurde, muss nun zusammengebracht wer- die Veränderungen geht, die für eine nachhaltige den. Ein solches Bemühen ist für alle Beteiligten eine Entwicklung notwendig sind. Sozial-ökologische Herausforderung; es erfordert ein grundsätzliches Transformationen sind nichts weniger als eine gesell- Umsteuern nicht nur auf struktureller Ebene, sondern schaftliche Gemeinschaftsaufgabe. auch in den Denk- und Handlungsroutinen. 7
Vorwort „Da ist das umweltpolitische Silo und gesellschaftlichen Interessenvertretung vor dem das sozialpolitische Silo und die Ver- Hintergrund sich verschärfender ökologischer und bindung findet nicht statt.“ sozialer Problemlagen neuen Herausforderungen (Verteter*in der Umweltpolitik)1 gegenüberstehen, ist dabei allerdings keine „Zu- kunftsmusik“: Schon jetzt machen die Verbände die Dieser Umstand betrifft damit nicht nur die Ebene Erfahrung, nicht nur mit neuen Themen konfrontiert staatlicher Politik2, sondern auch die zivilgesell- zu sein; auch die politischen Arenen und Einfluss- schaftlichen Interessenverbände, die als „Mittler“ kanäle für ihre jeweiligen Interessen verändern sich zwischen Staat und Gesellschaft in teils traditionel- bereits. Seit 2015 wurde etwa mit der deutschen leren (Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsver- Nachhaltigkeitsstrategie, dem Staatssekretärsaus- bände), teils jüngeren (Umweltverbände) Organisati- schuss für Nachhaltige Entwicklung sowie der Ein- onsstrukturen für soziale oder ökologische Interessen richtung eines „Klimakabinetts“ von staatlicher Seite eintreten. versucht, den komplexen Herausforderungen durch neue institutionelle Formate und Prozesse zu begeg- Die Arbeit der Interessenvertretung ist dabei viel- nen. Die Entwicklung integrierter Politikansätze für fältig, von klassischer Lobbyarbeit über öffentlich- sozial-ökologische Transformationen erfordert jedoch keitsorientierte Kampagnenarbeit bis hin zur kon- mehr: Sie erfordert gesellschaftlichen Austausch über kreten Leistungserbringung für die Mitglieder. Sie institutionelle und räumliche Ebenen hinweg. Dies findet jedoch bislang vor allem innerhalb einzelner fordert auch die zivilgesellschaftlichen Verbände Politikfelder statt und ist damit überwiegend auf neu heraus: lösungsorientierte Aushandlung dort, konkrete, in diesen Politikfeldern relevante Prozesse wo reale oder vermeintliche Konflikte in bedrohliche (etwa die Sozialgesetzgebung) und Akteure (wie das Blockaden münden, Gestaltungsallianzen dort, wo Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)) die Synergien längst klar sind. ausgerichtet. Dass die klassischen Strukturen der 1 Die O-Töne in dieser Broschüre stammen aus einer Reihe qualitativer Interviews, die im Rahmen des der Broschüre zugrunde liegenden Forschungsvorhabens „Neue Allianzen für Nachhaltigkeitspolitik: Kooperationsperspektiven umweltpolitischer Akteure mit Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Sozialverbänden“ in 2018 und 2019 mit Vertreter*innen aus Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, Umwelt-, Entwicklungs- und Verbraucherorganisationen sowie Bundesumweltpolitik durchgeführt wurden. 2 Unter „staatlicher Politik“ kann eine Vielzahl von Prozessen und Inhalten, Strukturen und Institutionen sowie Akteuren verstanden werden. In dieser Broschüre verwenden wir den Begriff mit einem starken Fokus auf die handelnden Akteure, wobei wir in erster Linie staatliche Entscheidungsträger*innen adressieren, also Personen und Organe, die von der Ge- sellschaft zuerkannte staatliche Entscheidungs- und Gestaltungsbefugnisse haben: Regierungen (Kabinett) und die dahinterstehenden Verwaltungsstrukturen in den Ministerien und Behörden auf Bundes- und Landesebene, Parlamente, aber auch die Akteure der kommunalen Selbstverwaltung (Verwaltung, Gemeinderäte, Bürgermeister*innen). Wir adressieren damit indirekt aber auch die Parteien und ihre Spitzen, die ihre Programme in entsprechender Entscheidungs- und Gestaltungsabsicht erstellen. 8
Vorwort Dass es sich bei Aushandlung und Kooperation auch über Politikfelder hinweg für die zivilgesellschaft- lichen Verbände um keinen grundsätzlich neuen Handlungsmodus handelt, hat sich über die letzten Jahrzehnte immer wieder teilweise periodisch, min- destens aber punktuell gezeigt. Von systematischen Austauschprozessen, wie sie zunehmend erforderlich werden, kann jedoch trotz zunehmender Aktivitäten in den letzten Jahren noch immer keine Rede sein. Die neuen Allianzen sind nach wie vor zarte Pflänzchen, deren (Weiter-)Entwicklung entscheidende Bedeutung für das Gelingen von Transformationen hat. Das Projekt „Neue Allianzen für Nachhaltig- keitspolitik“ untersucht Kooperationspoten- ziale sozial- und umweltpolitischer Akteure Diese Broschüre legt dar, was über drei Jahre (2017–2020) durch umfangreiche Analysen auf Basis von Literatur, Dokumenten sowie 40 qualitativen Interviews zu Kooperationspotenzialen sozial- und umweltpolitischer Akteure gelernt werden konnte. Sie soll verdeutlichen, welche Potenziale zu heben und Hemmnisse zu überwinden sind sowie aufzeigen, welche langfristigen Orientierungen und konkreten Handlungsansätze sich nicht nur für die notwendigen gesellschaftlichen Transformationen, sondern auch für die Modernisierung und Zukunftsfähigkeit der zivilgesellschaftlichen Verbände ergeben. Die hier Aktivitäten zwischen den zivilgesellschaftlichen dargestellten Erkenntnisse sind dabei keine abstrakte Verbänden und mit staatlicher Politik zu unterstüt- Interpretation empirischer Daten; sie sind vielmehr zen. Sie entwickelt dabei Handlungsorientierungen, einerseits die Zusammenfassung dessen, was im die als Einladung zum Weiterdenken und -handeln zu Laufe des Projekts durch zahlreiche Diskussionen mit verstehen sind. Vertreter*innen aus Wissenschaft, Umweltpolitik, Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, Umwelt-, Verbraucher- und Entwicklungsorganisati- onen erarbeitet werden konnte. Andererseits handelt es sich um Schlussfolgerungen und Handlungsemp- fehlungen, die das Projektteam auf dieser Grundlage entwickelt hat. Neben einem Fokus auf die Rolle der zivilgesellschaftlichen Verbände soll die Broschü- re auch zur Debatte darüber beitragen, wie „Neue Allianzen“ durch die Entwicklung von Rahmenbe- dingungen befördert werden können und welche erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten sich auch für staatliche Politikakteure im Sinne sozial-ökologi- scher Transformationen als Gemeinschaftsaufgabe eröffnen. Wir hoffen, dass die Broschüre damit einen Diskussionsstand einfängt, aus dem Ideen und Im- pulse aus der Praxis für die Praxis entwickelt wur- den, um eine gemeinsame Verständigung und weitere 9
1 Kernergebnisse Perspektiven, Handlungslogiken und Zukunftsstrategien Im Laufe des Projekts wurden drei zentrale Aspek- „Die IG Metall bekennt sich uneinge- te deutlich, die letztlich den Ausgangspunkt der schränkt zu den Zielen des Pariser Überlegungen zu den Handlungsansätzen in dieser Klimaabkommens.“ (IG Metall 2019, „Manifest. Die IG Metall in Broschüre darstellen. einer neuen Zeit“) 1.1 Geteilte Perspektiven: Klima-, Umweltschutz und Gerechtigkeit Im Rahmen der Analysen, Interviews „AWO unterstützt Pariser Erklärung“ (Arbeiterwohlfahrt (AWO), und Diskussionen mit den Vertreter*innen unter- Pressemitteilung vom 07.03.2019) schiedlicher Verbände zeigte sich, dass keiner der betrachteten Verbände mittlerweile die übergeordne- ten Ziele von Klima- und Umweltschutz einerseits und „Die Politik muss beim Klimaschutz sozialer Gerechtigkeit andererseits anzweifelt. Ganz aufs Tempo drücken“ im Gegenteil: Die Ziele werden nicht nur allgemein (Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), 07.08.2019 zur Unterstützung des globalen Klimastreiks) akzeptiert, sie werden auch öffentlich in die eigene Programmatik integriert. „Wir treten ein für eine gerechte Nut- In der öffentlichen Auseinandersetzung werden den- zung des globalen Umweltraumes auf noch immer wieder – meist von der jeweils „anderen“ der Basis ökologischer Erneuerung und Seite – Zweifel an der Ernsthaftigkeit solcher Äuße- sozialer Gerechtigkeit.“ rungen angebracht und gefordert, dass den „Worten“ (Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), letztlich „Taten“ folgen müssten. Ein genauerer Blick Leitbild zur Verbandsentwicklung – BUND 2022) zeigt jedoch, dass die Gründe für dieses als ambiva- lent empfundene Verhalten komplex und vielschich- tig sind, sich aber nicht ohne weiteres auf „fehlende „Es gibt ein neues Interesse daran, eine Absichten“ herunterbrechen lassen. Vielmehr gibt es konstruktive Position zu finden. Also vielfältige Hinweise auf ernsthafte Such- und Ori- man weiß, dass man sich da neu positi- entierungsprozesse für die Integration sozialer und onieren muss. Da fehlt aber manchmal ökologischer Ziele in und zwischen Verbänden, die ganz konkret das Wissen, wie es gehen jedoch immer wieder mit komplexen Herausforderun- könnte.“ gen, gerade auch durch die Kooperation mit neuen, (Vertreter*in einer Gewerkschaft) „ungewohnten“ Partner*innen, konfrontiert sind. „Das ist immer so ein bisschen die Frage, wo setzt man die Prioritäten, wie sehr lässt man sich auch von sehr hochgepuschten sozialpolitischen Debatten dann auch bremsen, wie sehr ist man aber an manchen Stellen total borniert und sagt ‚Ist ja nicht so wich- tig‘, aber eigentlich ist es das dann doch. Wie geht man mit so was um, mit Verdrängungsprozessen, Preissteige- rungen? Aber eigentlich ist es in jedem Bereich ein Thema und jeder sollte es auf dem Schirm haben.“ (Vertreter*in eines Umweltverbands) 11
1 Kernergebnisse 1.2 Spezifische Handlungslogiken „Teilweise ist es ziemlich konfliktär. Die und neue Herausforderungen: Gewerkschaften sehen sich als Ver- Die Notwendigkeit von Neuori- treter der Arbeitnehmer, während die entierung Umweltverbände eher breite Werte ver- Der Sammelbegriff „zivilgesellschaftliche Interessen- treten. Von daher hat die Gewerkschaft verbände“ verkennt trotz vieler Gemeinsamkeiten, eine deutlichere Aufgabenbeschrei- wie grundverschieden die Handlungskontexte der bung von ihrer Mitgliedschaft.“ (Vertreter*in einer Gewerkschaft) Verbände sich im Konkreten darstellen können. Wäh- rend sich übergeordnete Ziele zwar wie beschrieben zunehmend angleichen, sind die Pfade zur Errei- chung dieser Ziele teilweise unterschiedlich. Zudem ergeben sich aus einer Kombination anderer Faktoren „Die Prozesse in unserer Organisation sehr spezifische Logiken, nach denen die Interessen- bei den Gewerkschaften sind traditio- verbände ihr Handeln ausrichten. Diese unterschied- nell langsamer. Wir haben ein massives lichen Handlungslogiken können gemeinsames Demokratie-Bedürfnis und eine ent- Handeln erschweren – insbesondere dann, wenn kein sprechende Struktur des Dialogs, den wechselseitiges Verständnis über die Handlungslogi- wir auch führen müssen. […] Da sind ken des Gegenübers besteht. wir wesentlich demokratischer als die meisten Umweltverbände, mit denen Sind die Umweltverbände z. B. eher allgemein auf den wir zu tun haben. Das ist denen häufig Schutz der Umwelt orientiert, so sind die Interessen gar nicht so klar.“ (Vertreter*in einer Gewerkschaft) der Gewerkschaften mehr von den Spezifika ihrer Mitglieder abhängig, was Allianzen zwischen den Akteuren erschweren kann. 12
1 Kernergebnisse Aber auch andere Logiken, etwa im Zusammenhang „Wir haben 28.000 Einrichtungen, ich mit einer spezifischen Kultur politischer Aushand- kenne ein paar Hundert, das ist schon lung, spielen eine Rolle. nicht wenig.“ (Vertreter*in eines Wohlfahrtsverbands) Die Sozialverbände sind hingegen auf den verschie- denen Organisationsebenen sehr unterschiedlich ori- entiert. Auf der Bundesebene geht es oft um konkrete „Unser Kerngeschäft ist eben Tarife. sozialpolitische Einflussnahme, während auf den Die Leute haben genug zu kämpfen. anderen Ebenen der Fokus auf konkreten Bedarfen Wir wissen alle, die Zahl der Mitglieder der Mitglieder liegt. Hier stehen etwa Leistungs- geht zurück.“ (Vertreter*in einer Gewerkschaft) erbringungen (z. B. Rechtsberatung) im Fokus der Arbeit. Zudem spielt die gesellschaftliche Einbettung dieser Verbände eine wichtige Rolle; sie kann auch für Transformationsprozesse elementar wichtig sein. „Eine Gewerkschaft ist eine Verhand- lungsorganisation, es ist eine Kampfor- Dem stehen die Wohlfahrtsverbände gegenüber: Sie ganisation für die Mitglieder. Diese Logik sind sowohl Interessenvertretungen für soziale Belan- aus der Sozialpartnerschaft trägt man oft ge als auch Dienstleistungsanbieter, die mit vielen auch in die Politik. Das macht natürlich ganz konkreten Herausforderungen konfrontiert wer- auch Kompromisse schwieriger, weil aus den wie der Ökologisierung der Liegenschaften und der Sicht der Verhandlungslogik, da setzt der damit zusammenhängenden Logistik. man alles auf eine Position.“ (Vertreter*in einer Gewerkschaft) Insbesondere in Krisenzeiten zeigt sich immer wie- der, dass sich die zivilgesellschaftlichen Verbände „Was wir ganz stark gemerkt haben, ist, verstärkt auf ihr „Kerngeschäft“ konzentrieren, was dass die Verbände doch ganz unter- nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als dass sie schiedlich Entscheidungen fällen, z. B. all ihre Ressourcen darauf richten, die aufgrund ihrer die Sozialverbände, die sehr viel stär- Handlungslogiken vorgegebenen Aufgaben möglichst ker hierarchisch organisiert sind und effizient zu erfüllen. sich da auch wieder unterscheiden. Die AWO ist z. B. ganz stark von unten Es zeigt sich jedoch, dass die Arbeitsweisen, Struk- organisiert. Die einzelnen AWO Landes- turen, Kernthemen und Strategien der Verbände verbände bringen es auf die Bundese- zunehmend vor Herausforderungen stehen und bene und die Bundesebene kann gar teilweise umfassende Neuorientierungen erforder- nicht so selbstständig politische Ent- lich sind, um die Zukunftsfähigkeit der Verbände zu scheidungen treffen, was wir vielleicht sichern: einerseits aufgrund neuer gesellschaftlicher versuchen. Das können die dann gar Aufgaben vor dem Hintergrund ökologischer Heraus- nicht unbedingt sofort umsetzen, weil forderungen, aber auch aufgrund anderer aktueller, sie eigentlich eine von unten getriebe- teils spezifischer Herausforderungen, mit denen sich ne Organisation sind.“ die Verbände konfrontiert sehen. (Vertreter*in eines Umweltverbands) „Da ist es einfach immer noch Pflicht, nicht nur im Schützenverein, sondern auch beim örtlichen Sozialverband Mitglied zu sein, weil da doch alle sind. Die Lehrerin ist da, der Bürgermeister ist da und dann ist man da eben drin, das ist so.“ (Vertreter*in eines Sozialverbands) 13
1 Kernergebnisse „Ich würde schon sagen, dass es The- menbereiche gibt, in denen wir einfach immer mehr unter Druck gesetzt wer- 1.3 Kooperation als Zukunfts- strategie: Aus der Defensive in die Gestaltung den, uns damit zu beschäftigen und Wichtig wird es sein, die Neuorientierungsprozesse in nicht so zu tun, als gäbe es das nicht. und zwischen den Verbänden auf den Weg zu be- Zum Beispiel die ganze Kohledebatte, kommen. Der übergreifende Austausch zwischen den wo natürlich und z. T. auch sehr be- sozial- und umweltpolitischen Interessen – sowohl gründet eingefordert wird, dass man konflikthafte Aushandlung als auch gemeinsame jetzt nicht einfach sagen kann, alles Projekte – kann ein wichtiger Hebel sein, um die abschalten und alle verlieren ihre Jobs notwendigen Neuorientierungsprozesse in den Orga- und so.“ nisationen anzustoßen und gleichzeitig ein tieferge- (Vertreter*in eines Umweltverbands) hendes Verständnis über die Logiken, Handlungs- möglichkeiten, aber auch Zwänge des Gegenübers zu entwickeln. „Wie stellt man sich auf in dieser neu- en Zeit, wo alles grün und nachhaltig und digital und zukunftsorientiert und schnell und jung und weiblich sein soll- te. Wie stellt man sich da neu auf? Wie „Und das ist auch ein Grund, warum wir kriegt man das richtig hin?“ in so Bündnisse und in Partnerschaften (Vertreter*in einer Gewerkschaft) einsteigen. Weil wir merken, wir alleine kriegen das nicht mehr geregelt, wir brauchen andere an unserer Seite.“ (Vertreter*in eines Sozialverbands) „Wir sind in einer Phase, wo wir ent- scheiden müssen, wo wir hinwollen. Wir haben rückläufige Mitgliederzah- len, was auch an der sehr hohen Alters- „Ich glaube, ohne den einen oder den struktur bei uns liegt. Was das Durch- anderen geht es nicht. Die Umweltver- schnittsalter angeht, sind wir ein sehr, bände haben nicht die politische Stärke sehr alter Verband.“ ohne die Gewerkschaften und wahr- (Vertreter*in eines Wohlfahrtsverbands) scheinlich auch nicht die soziale Ein- sicht, welche Konflikte da tatsächlich entstehen und warum und wie tief die „Wenn wir irgendwann mal diese Pari- sind, und die Gewerkschaften haben ser Klimaschutzziele erreichen wollen, wahrscheinlich nicht die ökologische dann stellt das zwangsläufig einen Einsicht über den eigenen Horizont hin- tiefen Einschnitt für die Gesellschaft aus. Die sind häufig fokussiert auf das dar, mit ganz großen Veränderungspro- konkrete Geschehen im eigenen Be- zessen. Und da müssen wir uns drauf trieb. Man müsste voneinander lernen.“ (Vertreter*in einer Gewerkschaft) einstellen und uns Fragen stellen. Was bedeutet das für unsere Betriebe? Was bedeutet das für unsere ganze Mitglie- „Ich glaube der Wille oder das Wissen, derstruktur? Und wie müssen wir uns dass das sein muss und dass es ohne- da auch verändern?“ einander nicht wirklich geht, das ist (Vertreter*in eines Wohlfahrtsverbands) einfach da und das ist klar.“ (Vertreter*in eines Umweltverbands) „Da braucht man gar nicht die Demo- grafie bemühen. Wenn es so weiter- geht, dann sind die Gewerkschaften irgendwann ein aussterbendes Reptil.“ (Vertreter*in einer Gewerkschaft) 14
1 Kernergebnisse „Ich benutze immer gerne das Bei- Dass die Verbände die Potenziale des gemeinsamen spiel von dem schwerfälligen „Tanker Agierens zunehmend anerkennen, lässt sich auch Gewerkschaften“ und den flexiblen an einer wachsenden Zahl gemeinsamer Aktivitäten kleinen Einheiten von Umweltverbän- über die letzten Jahre ablesen. Während es entspre- den als die Schlauchboote. Das tut uns chende Ansätze zwar bereits früher immer wieder gut als Gewerkschaften, hin und wie- gab, lässt sich doch insbesondere für die jüngere der eine wohlwollende Begleitung zu Vergangenheit eine neue Dynamik bei der Bildung kriegen, die uns wieder zwingt, uns mit von Allianzen feststellen. Fragen auseinanderzusetzen, die bei uns nicht immer so Priorität A sind.“ ▸ Juni 2012: Transformationskongress „Nachhaltig (Vertreter*in einer Gewerkschaft) handeln, Wirtschaft neu gestalten, Demokratie stärken“ unter gemeinsamer Trägerschaft u. a. von dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), dem Deutschen Naturschutzring (DNR) und Brot für die „Es ist ein Zusammenspiel von dem, Welt was aktuell politisch passiert, auf das wir reagieren müssen und dem, was un- ▸ Juni 2019: #Fairwandel-Kundg gebung g der sere eigenen Themen sind, die wir auf IG Metall unter Beteiligung von Sozial- und unseren Kongressen festgesetzt haben, Umweltverbänden die wir auch aktiv der Politik aufzwin- ▸ Juli 2019: Gemeinsame Initiative und Eckpunkte- gen wollen. Und das gelingt natürlich, papier „Die Klima- und Mobilitätswende je mehr Kooperationspartner man hat, gestalten“ vom Bund für Umwelt und Natur- umso besser. Um das Ganze auch ge- schutz Deutschland (BUND), dem Naturschutz- sellschaftlich breiter zu verankern.“ bund Deutschland (NABU) und der IG Metall (Vertreter*in einer Gewerkschaft) ▸ Juli 2019: Gemeinsamer Debattenbeitrag und Pressekonferenz von BUND und DGB „Beschäf- tig g ung g und Umwelt gehen Hand in Hand. Gemeinsam für eine mutig ge statt marktggläu- big ge Politik“ 15
1 Kernergebnisse ▸ Juni 2020: Brief des Paritätischen Gesamtver- ▸ Es gibt ein Bewusstsein über die Herausforderun- bands und des BUND an die Abg geordneten des gen, eine Reflexion über notwendige Verände- Deutschen Bundestag gs zu fachlichen Anforde- rungsprozesse sowie eine Suche nach Möglichkei- rungen an ein sozial-ökologisches Konjunktur- ten der Neuorientierung in den Verbänden. paket und gemeinsamer Entwurf eines konkreten ▸ Es gibt eine wachsende Anerkennung dafür, Investitions- und Maßnahmenplans dass die Bildung „neuer Allianzen“ eine zentrale Zukunftsstrategie ist, nicht nur für die Gesell- Diese Kooperationen verdeutlichen, dass die Verbän- schaft als Ganzes, sondern auch für die Verbände de die Herausforderungen wahrnehmen und durch selbst. gesellschaftliche Bündnisse schon im Vorfeld staatli- cher Politikformulierung und auch jenseits formaler Einfluss- und Beteiligungsstrukturen gemeinsam Ausgehend von diesen Aspekten haben wir im Pro- über konkrete Aushandlungsprozesse Orientierungen jektteam und insbesondere in Diskussionen mit den für sozial-ökologische Transformationen entwickeln Akteuren Handlungsansätze entwickelt, die mögliche wollen. Wege aufzeigen sollen. Wir verstehen diese Hand- lungsansätze als grundlegende Leitlinien, die von 1.4 Auf dem Weg zu „Neuen Allianzen“: Handlungsansätze für die Verbände Die genannten Aspekte zeichnen insgesamt ein hoff- den Akteuren der Praxis (Verbände, Politik) aufge- griffen und handlungsorientiert konkretisiert werden müssen. Wir haben ganz bewusst darauf verzichtet, nungsvolles Bild, das sich mit Blick auf Kooperations- exakte Vorschläge für Strukturen oder Institutiona- potenziale sozial- und umweltpolitischer Akteure in lisierungen zu machen, da aus unserer Sicht solche etwa so zusammenfassen lässt: Konkretisierungen nur im vertieften Austausch zwi- schen den Akteuren entwickelt werden können. ▸ Die sozialen und ökologischen Verbände nehmen die Ziele des jeweils anderen ernst. 16
2 Handlungsansatz 1
2 Handlungsansatz 1 Übergreifende Austauschprozesse stärken und institutionell verankern Die zivilgesellschaftlichen Verbände sind bereits Die weitreichenden gesellschaftlichen Transforma- auf vielfältige Weise miteinander im Gespräch. Die tionsaufgaben werden sich jedoch nicht bewältigen Ergebnisse einer umfangreichen Analyse bestehen- lassen, ohne dass ein anspruchsvolleres Verständnis der Kontaktstrukturen und Kooperationsprozesse von Kooperation entwickelt wird. Es kommt darauf zwischen Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrts- an, den Austausch der Verbände über die Gren- verbänden einerseits und Umweltverbänden ande- zen von Politikfeldern, Branchen und Interessen- rerseits haben deutlich gemacht, dass übergreifender gruppen hinweg aufzubauen und ihm Strukturen Austausch bisher vor allem punktuell erfolgt und zu geben. Kooperationen überwiegend innerhalb einzelner Poli- tikfelder stattfinden. Dabei zeigt sich auch, dass diese Es braucht eine neue institutionelle Architektur, die Prozesse in ihrer Entwicklung vielfach pfadabhängig die Kommunikation zwischen ökologisch und sozial sind und aufgrund der zunehmenden Spezialisierung engagierten Verbänden fördert, schon bestehende und Professionalisierung häufig auch in Schließungs- Kooperationsstrukturen und -prozesse stärkt und prozesse münden. Einmal etablierte Netzwerkverbin- dazu einlädt, neue Diskussions-, Verhandlungs- und dungen (z. B. im Rahmen gemeinsamer Plattformen) Aktionsansätze zu entwickeln. für neue Mitglieder und damit für neue Themen und Arbeitsweisen zu öffnen, scheint eine große Heraus- Eine solche institutionelle Architektur sollte demnach forderung zu sein. So konnten sich im Bereich der zwei Brücken bauen (vgl. Abbildung 1 auf Seite 25). Umwelt- und Klimapolitik zwar längerfristige Koope- Sie sollte rationsstrukturen zwischen umweltpolitischen Ak- teuren etablieren, aber die systematische Integration 1. Austauschstrukturen für Selbstverständigungs- sozialpolitischer Verbände und ihrer Anliegen bleibt und Lernprozesse zwischen den sozial- und eine Herausforderung – trotz aller Bemühungen. An- umweltpolitischen Verbänden und dersherum mangelt es auch an Beispielen dafür, dass umweltpolitische Akteure in bestehende Austausch- 2. Austauschstrukturen für die konkrete politische strukturen der klassischen Gewerkschafts-, Sozial- Entscheidungsvorbereitung und -begleitung und Wohlfahrtsverbände integriert werden konnten. schaffen, im Sinne einer Ko-Kreation transfor- mativer Politikansätze zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren. „Also zwischen Umweltverbänden ist Beide Brücken können sich dabei gegenseitig stabi- es ja erstmal in der Regel relativ ein- lisieren und ihr „Verkehrsaufkommen“ wechselsei- fach, weil da ein Grundkonsens da ist. tig erhöhen. Mehr Beteiligung an und Einfluss auf Das Aufwändigste ist da ja, wenn man staatliche/n Entscheidungsprozesse/n macht Verstän- eine gemeinsame Position entwickeln digung und Strategieplanung zwischen den zivilge- will, da geht es ja oft um inhaltliche sellschaftlichen Organisationen dringender – und Abweichungen, Varianten von einer umgekehrt. Forderung, meinetwegen bis wann, zu welchem Jahr, muss man denn die Wichtig ist es dabei, dass es sich bei diesen neu Kohlekraftwerke abschalten. Da hat so zu schaffenden Strukturen um mehr als zusätz- jeder seine Positionierung, aber das ist liche Austauschprozesse im Sinne reiner Diskus- nicht so grundlegend, dass man sagt, sionsplattformen handelt. Aber auch allein mehr deswegen könnte man sich nicht ge- Entscheidungsnähe für einzelne Verbände im po- meinsam positionieren. Und das ist ja litisch-parlamentarischen Geschehen ist für sich mit anderen Akteuren viel schwieriger.“ genommen wenig zielführend. Vielmehr braucht (Vertreter*in eines Umweltverbands) es eine eigenständige und begleitende Ebene der 19
2 Handlungsansatz 1 zivilgesellschaftlichen Verständigung, um neue Lösungspfade und Möglichkeitsräume auszuloten, um anknüpfend an diese vorgelagerten Verständi- Zur Institutionalisierung übergrei- gungs- und Lernprozesse auch in stärker formalisier- fender Austauschprozesse sind ten Prozessen und Strukturen von Aushandlung und folgende Leitideen wichtig: Beteiligung neue, gemeinsame Pfade zu finden. ▸ Sozial- und umweltorientierte Akteure sollten von Beginn an gleichermaßen und gleichberechtigter Teil dieser „Wir bekommen ja immer ganz viele Architektur sein. Angebote zu irgendwelchen Round Ta- bles und sonst was, wo ja aber oft eher ▸ Übergeordnete Themen und Problem- Akzeptanzstrategien dahinter stecken stellungen wie gesamtgesellschaft- nach dem Motto ‚Jetzt müssen wir mit liche Leitbilder oder Gerechtigkeits- den Umweltverbänden mal so lange konzepte sollten in dieser Architektur reden, bis sie nicht mehr können, und ebenso bearbeitbar werden wie auch dann haben wir irgendwie ein Papier‘. deren Konkretisierung für unterschied- Und da sind wir auch vorsichtig, uns auf liche Handlungsfelder. solche Prozesse einzulassen. Weil das funktioniert ja so nicht. Es muss so- ▸ Eine Rückbindung über alle Ebenen, zusagen auch ein offenes Ergebnis da also der Bundesebene an regionale sein, das muss man jetzt beachten.“ (Vertreter*in eines Umweltverbands) und lokale Kontexte genauso wie an- dersherum, sollte gezielt in den Blick genommen werden. Während im Rahmen der Kommission „Wachstum, Beschäftigung und Strukturwandel“ zum Ausstieg ▸ Die Architektur sollte Räume zivilge- aus der Braunkohleverstromung, quasi im Schatten sellschaftlicher Selbstorganisation der (staatlichen) Hierarchie, zwar ein Kompromiss für notwendige Aushandlungs- und verhandelt werden konnte, scheint dies vor dem Lernprozesse eröffnen. Hintergrund weit komplexerer Problemkontexte in anderen Handlungsfeldern (z. B. im Zusammenhang ▸ Der Anschluss an konkrete politische mit einer Mobilitätswende) zunehmend schwieriger. Prozesse und Strukturen auf der staat- Was es gleichwohl braucht ist eine klare Perspektive lichen Ebene sollte gegeben sein. mit Blick auf politische Entscheidungsstrukturen, um die Handlungsrelevanz und die Option auf positive Gestaltungsmacht für die zivilgesellschaftlichen Ak- teure herauszustellen. Je deutlicher ist, mit welcher Absicht welche Problemlagen über welche Prozesse wichtige Instrumente der Zusammenarbeit. Die Her- von staatlicher Seite politisch adressiert werden, ausforderungen sozial-ökologischer Transformationen desto mehr Relevanz erhalten vorgelagerte Verständi- erfordern aber eine deutlich neue Qualität der Verstän- gungs- und Aushandlungsprozesse für die Verbände, digung. Ein Beispiel für eigeninitiierte übergreifende weil die konkreten Gestaltungsmöglichkeiten deut- Verständigungsstrukturen lässt sich auf regionaler lich werden. Ebene etwa mit dem KlimaDiskurs.NRW finden, welcher sich aus einem Netzwerk u. a. gewerkschaft- 2.1 Selbstverständigungsprozesse der Zivilgesellschaft Auf Ebene der zivilgesellschaftlichen Verständigung licher, umweltverbandlicher und kirchlicher Akteure als Plattform zur zivilgesellschaftlichen Begleitung der Umsetzung des Klimaschutzplan NRW gegründet braucht es Strukturen, um einen systematischen hat. In unterschiedlichen Formaten – von öffentlich bis und kontinuierlichen Austausch organisieren zu vertraulich – werden dort sowohl gemeinsame The- können. Punktuelle Gesprächsrunden, gemeinsa- men vorangetrieben und übergreifende Lernprozesse me Aktionstage oder Pressestatements sind zwar organisiert als auch konkrete Konflikte verhandelt. 20
2 Handlungsansatz 1 Neue Verständigungsstrukturen werden zukünftig ▸ Verbandsspezifische und gemeinsame auf allen Ebenen nötig und sollten insbesondere auf Zukunftsbilder diskutieren: Welche Ansatz- folgende Aspekte fokussieren: punkte gemeinsamer inhaltlicher Leitbilder und einer handlungsfeldübergreifenden Programmatik ▸ Übergreifende Perspektiven zu Gerechtigkeit gibt es? Wie knüpfen die spezifischen Zukunftsbil- und Nachhaltigkeit skizzieren: Was bedeuten der der unterschiedlichen Verbände daran an? „gerechte“ Transformationen im Kontext der Pari- ser Klimaziele? Welche Synergien und Konflikte ▸ Vertiefungsfelder ausloten: Wie lassen sich sind zu erwarten, wenn weitergehende Maßnah- Leitbilder und visionäre Programme auf hand- men zur Einhaltung der Ziele ergriffen werden? lungsfeldspezifische Strategien herunterbrechen? Wie lassen sich konfrontative Konflikte vermeiden Welche Rahmenbedingungen müssen etwa für und aus widerstreitenden Positionen neue Ideen neue Formen der Mobilität, des Wohnens oder der gewinnen? Verkürzung von Arbeitszeiten geschaffen wer- „Die Grundsatzdebatten müssen geführt werden. Ich würde sagen, das wäre die Voraus- setzung. Und dann natürlich im nächsten Schritt wiederum Räume, wo die jeweiligen Akteure zusammenkommen können und diskutieren können und sich die Zeit nehmen können, auch mal innezuhalten in diesem permanenten Trubel von ‚Wir müssen mor- gen das Positionspapier raushauen und jetzt zack zack und uns dazu äußern und das und das noch fertig machen‘. Man braucht einfach die Räume des Innehaltens, um mal zu versuchen, über das Aktuelle hinaus zu denken. Das findet einfach zu selten statt, glaube ich. Sich auch selber kritisch zu hinterfragen, seine Arbeit. Auch eine gewisse Fehlerfreundlichkeit an den Tag zu legen und zu sagen: ‚Das und das war zwar gut und wichtig und wir haben da tolle Kämpfe gefochten, aber irgendwie müssen wir noch mal neu gucken oder anders gucken oder darüber hinaus gucken‘. Und ich glaube, dafür haben wir viel zu wenig Zeit, zu wenig Geld, weiß ich auch nicht. Fehlt uns auch teilwei- se der Mut.“ (Vertreter*in eines Umweltverbandes) 21
2 Handlungsansatz 1 2.3 Die notwendige Verständigung im Wechselspiel zivilgesellschaft- licher und staatlicher Initiative voranbringen Die hier skizzierten Überlegungen zur Notwendigkeit, gesellschaftliche Verständigung zu institutionali- sieren sowie die konkreten Vorschläge für entspre- chende Strukturen sollen als Diskussionsgrundlage dienen. Diese Gestaltungsvorschläge basieren auch auf dem intensiven Austausch mit dem projektbeglei- tenden Beirat und vielen vertiefenden Gesprächen mit den Verbänden. Sie scheinen einen Idealzustand darzustellen, verweisen aber auf eine Leerstelle der Ausgestaltung von weitreichenden und integrativ angelegten sozial-ökologischen Transformationspro- zessen, die aus heutiger Perspektive für viele Akteure zwar grundsätzlich denkbar und wünschenswert sind, von der konkreten Realisierung aber noch weit den, damit gerechte Transformationen möglich entfernt scheinen. Es stellt sich also die Frage, welche sind und die Verteilungseffekte bzw. -konflikte Schritte auf den unterschiedlichen Ebenen zunächst nicht nur transparent werden, sondern im Sinne gegangen werden müssen, um übergreifende Ver- von Gerechtigkeitszielen einer Lösung zugeführt ständigungsprozesse zwischen zivilgesellschaftli- werden? chen Akteuren einerseits sowie Ansätze ko-kreativer Politikgestaltung andererseits voranzubringen und ▸ Brückenkonzepte entwickeln: Welche konzep- zu institutionalisieren. tionellen Zugänge können als Brücken zwischen der sozialen und der ökologischen Dimension fungieren und die Zusammenarbeit erleichtern? Inwiefern bieten in diesem Zusammenhang exis- tierende Prozesse und Agenden wie die UN-Nach- haltigkeitsagenda, die Sustainable Development Goals oder die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie Anknüpfungsmöglichkeiten oder braucht es andere Zugänge? 2.2 Integrierte Politikentwicklung Unabhängig davon, welche Formen die Strukturen zivilgesellschaftlicher Verständigung letztlich annehmen, braucht es auch neue instituti- onelle Strukturen und Prozesse, um transformative Politikansätze zwischen Verbänden und staatlichen Ebenen besser vorzubereiten und konsequenter zu entwickeln. Kommissionen können in richtiger Besetzung und unter geeignetem und transparentem Mandat durchaus einen passenden Rahmen bieten. Die Eigeninitiative der zivilgesellschaftlichen Verbän- Auch hier bräuchte es Strukturen, in denen sowohl de ist dabei eine wesentliche Voraussetzung für die Querschnittsthemen und übergreifende Fragen eines Konkretisierung und Etablierung erfolgreicher Struk- sozial- und umweltgerechten Wandels bearbeitet turen und Prozesse der Verständigung. Die Institu- werden können als auch handlungs- bzw. themen- tionalisierung dieser Verständigung sollte dabei als feldspezifische F ormate. Prozess verstanden werden, für den folgende Schritte zentral scheinen: 22
2 Handlungsansatz 1 In Kontakt treten, Vertrauen und persönliche Verbindungen aufbauen ▸ Verständigung über Problemverständnisse, Leitplanken und strategische Perspektiven, um notwendiges Vertrauen in geteilte Absichten her- zustellen ▸ Arbeitsbeziehungen zwischen Personen etablieren ▸ Kapazitäten in den Organisationen aufbauen Selbstverständigung zu Strukturen der Zusammenarbeit ▸ Verständigung über grundsätzliche Formen der gemeinsamen Arbeit ▸ Verständigung über Verantwortlichkeiten und Finanzierungsmöglichkeiten ▸ Verständigung über Themen und Inhalte der gemeinsamen Arbeit Entwicklung und Etablierung der gemeinsamen Letztlich spielt im skizzierten Wechsel- und Zusam- Strukturen in einer übergreifenden Gesamtarchi- menspiel ko-kreativer Politikgestaltung auch die tektur Ebene staatlicher Politik und ihre Strukturen und ▸ Ko-kreative Arbeit in Kommissionen Prozesse eine zentrale Rolle. Mit neuen Ansätzen ▸ Gemeinsame Aktivitäten und Lobbyarbeit, um wie u. a. dem Staatssekretärsausschuss für Nach- auch jenseits von Beteiligungsprozessen Impulse haltige Entwicklung oder dem Klimakabinett wird zu setzen deutlich, dass bereits zunehmend integrierte und i Vorschlag 1: Ein Forum Umwelt & Soziales Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen schlagen wir die Etablierung eines „Forum Umwelt & Soziales“ vor, welches auf höchster Ebene der Verbände angedockt sein und zugleich Ar- beitsstrukturen für die Umsetzung und Konkretisierung von sozial-ökologischen Transformationen bereitstellen könnte. Folgende Struktur wäre denkbar: Ein Lenkungskreis, zusammengesetzt aus den Verbandsspitzen, adressiert die übergeordneten konzeptionellen Fragen und damit auch die inhaltlichen und strategischen Leitplanken. Zusätzlich bilden sich themenspezifische Arbeitsgruppen, die die Übersetzung für konkrete Handlungsfelder im Blick haben. Eine gemeinsame Geschäftsstelle koordiniert und unterstützt den Lenkungskreis und die Arbeitsgruppen in ihrer Arbeit. Die Bundesverbände fungieren als gemeinsame verantwortliche Träger des Forums. Für die Finanzierung (u. a. der Geschäftsstelle) sind unterschiedliche Modelle – von Mitgliedsbeiträgen der Verbände über institutionelle Förderungen bis hin zu unterschiedlichen Abstufungen einer Co-Finanzierung – denkbar. Neben den Fragen zur grundsätzlichen Struktur und Finanzierung stellen sich eine Reihe weiterer Fragen, etwa: Wie können andere zivilgesellschaftliche Akteure – Bewegungen, NGOs ohne Verbands- struktur, kleine Initiativen – in die Arbeit eines solchen Forums eingebunden werden? Aber auch: Was könnte die Rolle der Wissenschaft im Kontext zivilgesellschaftlicher Selbstverständigung sein? 23
2 Handlungsansatz 1 i Vorschlag 2: Transformationskommissionen Kommission für übergreifende Fragen von Transformationen: Zusammensetzen kann sich eine solche Kommission etwa aus der Leitungsebene der zivilgesellschaftlichen Verständigungsstrukturen (hier z. B. aus dem Lenkungskreis und der Geschäftsführung des Forum Umwelt & Soziales) sowie von staatlicher Seite aus den Mitgliedern des sogenannten Klimakabinetts (sowie der dort bislang noch nicht vertretenen, eher sozialpolitisch ausgerichteten Ministerien) und den Vertreter*innen des Staats- sekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung. Themenspezifische Kommissionen: Der Entwicklung integrierter Politikansätze in spezifischen Themen- bzw. Handlungsfeldern können themenspezifische Kommissionen dienen. Die Ergebnisse der zivilgesellschaftlichen Verständigungsprozesse (z. B. der thematischen Arbeitsgruppen des weiter oben besprochenen Forums) könnten hier durch eine entsprechende Vertretung einfließen. Ähnlich wie die Modelle der Kohle- oder auch Verkehrskommission sollten die jeweils relevanten Politikressorts vertre- ten sein. Inwiefern weitere Akteure wie Wirtschaftsverbände oder Unternehmen einbezogen werden, sollte je nach Handlungsfeld zwischen Verbänden und staatlichen Akteuren ausgehandelt werden. partizipationsorientierte Zugänge verfolgt und Pro- übergreifende und themen-/handlungsfeldspezifi- zesse initiiert werden, innerhalb derer soziale und sche Transformationskommissionen fokussieren. ökologische Fragestellungen zusammengebracht wer- Hierbei sollte aus bisherigen Erfahrungen (z. B. die den, dass jedoch eine deutliche Ausweitung solcher sogenannte Kohlekommission, die Verkehrskommis- Ansätze auf unterschiedlichen Ebenen erforderlich sion oder zuletzt auch die Kommission Zukunft der sein wird. Für staatliche Akteure ergeben sich daraus Landwirtschaft) hinsichtlich Mandat, Besetzung, folgende Handlungsansätze und -erfordernisse: Einbettung und Zeitpunkt gelernt werden. Strukturen und Prozesse auf staatlicher Ebene Zivilgesellschaftlichen Austausch fördern reflektieren und modifizieren und unterstützen Bestehende Ansätze integrierter Politikgestaltung Staatliche Akteure sollten zivilgesellschaftliche Initi- sollten einerseits weiterentwickelt werden und ativen der übergreifenden Verständigung umfassend andererseits hinsichtlich ihrer Zusammensetzung fördern und unterstützen, etwa durch: Bereitstellung bzw. primär adressierten Akteursgruppen reflektiert notwendiger Finanzierung, durch z. B. institutionelle und – wo nötig – modifiziert werden. Es wäre etwa Förderungen, Etablierung neuer oder Modifikation zu überlegen, inwiefern sozialpolitische Ministerien bestehender Förderprogramme; verbindliche Kom- wie das Bundesministerium für Arbeit und Sozia- munikation und formale Verankerung transparenter les (BMAS) oder das Bundesministerium für Familie, Ziele und Leitplanken notwendiger Veränderung Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) auch im (zwingende Verhandlungsspielräume hinsichtlich Klimakabinett vertreten sein sollten. Auch sollten be- notwendiger Transformationspfade für alle verbind- stehende Beteiligungsprozesse – wo nötig – für neue lich eingrenzen); Anerkennung der Ergebnisse von Akteure und Akteurskonstellationen geöffnet werden. Austausch und Aushandlung der zivilgesellschaft- lichen Akteure als wichtiges Element politischer Neue Strukturen und Prozesse etablieren Entscheidungsvorbereitung und -findung für sozial- Zweifelsohne wird es im Kontext der sozial-ökolo- ökologische Transformationsprozesse. gischen Transformationen darüber hinaus erfor- derlich sein, auch neue Prozesse und Strukturen im Austausch mit anderen gesellschaftlichen Akteu- ren zu entwickeln und zu etablieren. Dies kann im Sinne der hier vorgeschlagenen Architektur z. B. auf 24
2 Handlungsansatz 1 Abbildung 1 Institutionalisierungen für sozial-ökologische Transformationen: Zivilgesellschaftliche Verbände und staatliche Politik Forum Umwelt Transformations- Klimakabinett und und Soziales kommissionen Staatssekretärsaus- schuss für nachhaltige fördert Entwicklung Zivilgesellschaft Ko-Kreation Staatliche Politik Selbstverständigung transformativer Ressortübergreifender der Akteure Politikansätze Austausch s e t zt I m p u l s e Zusammenfassend wird hier dargestellt, wie eine institutionelle Architektur zusammenge- Quelle: eigene Darstellung setzt sein könnte: Ein „Forum Umwelt & Soziales“ als Austauschplattform für die Verbände, Transformationskommissionen zur Ko-Kreation transformativer Politikansätze zwischen staatlicher Politik und zivilgesellschaftlichen Verbänden sowie Formate eines ressortüber- greifenden Austauschs auf Seiten staatlicher Politik. 25
3 Handlungsansatz 2
3 Handlungsansatz 2 Potenziale regionaler und lokaler Kooperation heben und entwickeln Ob ökologische Verantwortung, soziale Gerechtigkeit zu fördern, braucht es finanzielle, personelle und und demokratische Beteiligung gelebt werden, ist zeitliche Ressourcen. Kooperationsvorhaben, also vor Ort, im Regionalen und Lokalen, unmittelbar zu Aktivitäten jenseits des „Kerngeschäfts“, erfordern ei- ermessen und zu greifen. In den Städten, Gemeinden nen zusätzlichen Aufwand, sowohl für die Hauptamt- und Landkreisen entscheidet sich, was an Verände- lichen als auch dann, wenn sie überwiegend von rungsimpulsen für ökologische und soziale Lebens- ehrenamtlichen bzw. freiwilligen Mitarbeiter*innen qualität auf den Weg gebracht wird. Das gilt für die getragen werden. Verbände selbst, trifft aber auch auf die Gesellschaft insgesamt zu. Welche neuen Ideen werden erprobt Für Gewerkschaften, Sozial-, Wohlfahrts- und und welche davon fallen auf fruchtbaren Boden? Umweltverbände vor Ort bieten sich für gemeinsa- Welche Wege können auf lokaler Ebene gefunden me lokale bzw. regionale Aktivitäten vor allem drei werden, um Beschlüsse nationaler Regierungen und Ansatzpunkte: internationaler Institutionen umzusetzen? Welche Proteste artikulieren sich? „Die Wahrheit ist auf dem 1. Lokale und regionale Kooperationsinitiativen Platz“, sagt man im Sport. unterstützen und neu gründen 2. Die Verbandsarbeit vor Ort stärken „Da sind natürlich einerseits wir als 3. Lokale und regionale Austauschplattformen bil- nationale Verbände, aber da geht es den, um Transformationsprozesse zu befördern dann auch immer vor Ort darum, wo haben wir denn lokale Initiativen, die In der Folge werden die drei typisierten Ansatzpunkte das dann auch begleiten. Bei vielen für die Initiierung bzw. Weiterentwicklung von Themen macht das keinen Sinn, das nur sozial-ökologisch motivierten Kooperationen kurz top down zu machen. Da braucht man skizziert. lokale Vernetzungsstrukturen.“ 3.1 Sozial-ökologische Kooperations- (Vertreter*in eines Umweltverbands) initiativen als zentrale Lern- und Gemeinsam mit weiteren Akteuren der lokalen Ebene, Experimentierräume für Transfor- etwa Kommunen oder lokalen Initiativen, eröffnet mationen voranbringen sich den Verbänden ein breites Aktionsspektrum: Städte und Gemeinden sind Arenen für die konkrete Hier können sie Gelegenheiten ergreifen, Zeichen set- Aushandlung und Ausgestaltung von Transforma- zen und Gesicht zeigen. Zumal sich vor dem gemein- tionsprozessen. Hier bieten etwa sozialräumliche samen lokalen Hintergrund mit seinen konkreten Ansätze, bei denen bisher insbesondere die Aneig- Bezügen zu alltäglichen Lebenssituationen verschie- nung der unmittelbaren örtlichen Nah-Welt durch dene soziale Milieus auch bei unterschiedlichen sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen (wie Wertvorstellungen oft leichter für gemeinsame Ziele Kinder, Jugendliche oder Migrant*innen) im Fo- gewinnen lassen. kus stehen, auch vielfältige Anknüpfungspunkte für nachhaltigkeitsorientierte Akteure. Umgekehrt Auf der lokalen und regionalen Ebene zeigt sich eröffnen örtliche Initiativen von Umweltverbänden allerdings auch immer wieder, wie unterschiedlich konkrete Anschlussstellen für Kooperationen mit zivilgesellschaftliche Organisationen aufgestellt Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, zumal oft deren sind und wie sehr ihre Arbeitsstrukturen mitunter (Kern-)Klientel und die Anliegen der Mitglieder damit voneinander abweichen. Bei aller Verschiedenheit: direkt angesprochen werden. Ein gemeinsames Merkmal sind die engen Kapazitäts- grenzen. Um Austauschprozesse und Kooperationen 27
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