Neue Anlässe für Konsum - Context-Marketing
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M A R K E T I N G Neue Anlässe für Konsum In Zeiten von Reiz- und Informationsüberflutung erscheint die Markenwahl der Menschen sprunghafter. Das Kaufverhalten der Verbraucher wirkt illoyal. Wie man nach Corona Context Thinking als Türöffner für die Süßwarenbranche weiter nutzen kann, skizzieren Dr. Uwe Lebok und Klaus Florian von K&A BrandResearch. D ie Süßwarenbranche hat die Salziges in digitalen Kanälen neue drama-Forschung von K&A Brand Covid-19-Krise im Großen und Anlässe, die den Konsum und die Lust Research wird seit Jahren ein Schwund Ganzen gut gemeistert, zumal der Verbraucher auf Abwechslung an Markenkapital festgestellt – insbe- die Verkaufsentwicklung im LEH in befeuern. Es müssen nicht krampfhaft sondere in den Generationen Y und Z. den vergangenen Monaten äußerst tatsächliche Innovationen die Märkte Ein häufiger Grund für den Relevanz- positiv verlief. Doch welche Parameter „rocken“. Auch Neuentdeckungen verlust ist darin zu finden, dass Mar- und welche Kontexte haben das veralteter oder vergessener Genuss- ken bei Konsumenten und in ihrer Verhalten der Konsumenten in der Momente können ein Ankerpunkt Alltagsumgebung nicht ausreichend Hochphase von Corona wirklich für Konsumenten sein, um Produkte „markieren”. Die Marke (mit ihrer vom beeinflusst? Dr. Uwe Lebok, Vorstand (mal wieder) auszuprobieren. Marketing gepushten Positionierung) (CMO), und Florian Klaus, Director signalisiert über Brand Assets zu BrandPsychology und Mitglied der Weniger Aufmerksamkeit für wenig, hat sich mental zu wenig Geschäftsleitung bei der K&A Brand- Marken durch „Zuvielfalt” merk-würdig in Erinnerung und Research AG in Röthenbach/Pegnitz, Routineverhalten verankert und wirkt 2 verweisen in diesem Zusammenhang Starke Marken sind das Ziel der im Umfeld der anderen Anbieter zu auf Context Thinking® in der Marken- meisten Marketers. Marken, die Ver- beliebig und austauschbar. führung. Wie sie schreiben, haben die brauchern schnell präsent sind oder Einfach nur lauter oder aufmerk- süßen Produkte in einer Phase von gar als Love Brands deren Herzen samkeitsstärker zu sein als andere, Angst, Isolation und dem Verzicht auf erobern, sind ein idealisierter Wunsch- ist nicht die Lösung, um mehr Marken- Freiheiten sprichwörtlich den Alltag traum. Auch in der Süßwarenbranche. zuwendung zu erfahren. Abgesehen „versüßt”. So fanden viele Menschen Leider spielen Marken tatsächlich von der empfundenen Nervigkeit Abwechslung und Aufheiterung in eine deutlich nachgelagerte Rolle im verbraucherseitig negativ konnotier- den Supermärkten, wo zumindest Lebensalltag von Konsumenten und ter „Reklame“ auf allen möglichen mit Maske der bunten Vielfalt an auch bei Kaufentscheidungen. analogen und digitalen Kanälen Produkten, Marken und Genuss Reiz- und Informationsüberflutung, würde das die Zuvielfalt nur noch gefrönt werden konnte. die in einer noch nie dagewesenen weiter überhitzen. Für Verbraucher, Während in vielen verschiedenen „Zuvielfalt” zu permanenter Ablenkung die Süßes und Salziges mögen, ist Branchen Digitalisierung und Auto- führen, sind sicherlich ein wesent wie auch für andere Konsumenten zu mation durch Corona intensiv forciert licher Grund dafür, dass Marken heute beachten, dass die Beschäftigung mit wurden, scheint der Süßwaren-Sektor im Vergleich zu noch vor 20 oder Marken stark von Situationen und bislang nur wenig berührt zu sein. 30 Jahren immer weniger Aufmerk- Kontextbedingungen abhängt. Das Dabei böten sich auch für Süßes und samkeit bekommen. In der Psycho- betrifft sowohl die Entscheidungs findung (u. a. direkt am POS oder online) als auch spätere Verwen- dungssituationen – beispielsweise Knabbereien für einen gemeinsamen Netflix-Abend daheim. Kontexte sind heute viel stärker als in der Vergan- genheit der Schlüssel zu Aufmerk samkeit und Handeln. Abb. 1: In Sekundenbruchteilen entschei- Motiviertes Verhalten det der System-1-Autopilot unseres in Abhängigkeit Gehirns, welche Optionen für uns von Kontext situativ die richtigen sind und unter bedingungen. (Quelle: Ohnemus, den vorherrschenden Bedingungen Lebok, Klaus: wie etwa Verfügbarkeit, Erfahrungen, Context-Marketing) Erwartungen usw. in einer bestimm- SG 7/2021 Quelle: Ohnemus/Lebok/Klaus: Context-Marketing
in Prozent Salzige Snacks (483,0 t) +9,7 Riegel (197,4 t) +8,9 M A R K E T I N G Süßgebäck (290,0 t) +8,4 Small Bites (52,3 t) +7,9 Ostern (31,0 t) +7,2 Überraschungen (5,7 t) +7,0 Weihnachten (34,5 t) +6,4 Kuchen / Torten (180,7 t) +6,0 Tafelschokolade (203,5 t) +5,8 Schaumküsse (13,3 t) +5,2 Pralinen (130,1 t) +2,3 Abb. 2: Fruchtgummi / Lakritz (248,8 t) +1,5 Süßwaren zählen insgesamt zu den Sonstige Schokolade (Nugat, Mozartkugeln, etc.) (4,3 t) -1,3 Gewinnern der Krise. Bonbons (56,8 t) -6,9 Die Branche verzeichnet Kaubonbons (31,8 t) -7,7 2020 deutliche Kaugummi (293,7 t) -14,0 Mengenzuwächse unter Corona-Einfluss. Quelle: IRI / SGN 2021 (Chart: K&A BrandResearch/IRI) Abb. 2: Absatzveränderungsraten unter Corona-Einfluss 2020 vs. 2019 ten oder für die Zukunft antizipierten passenden Marke. Unter Anwendung Thinker“ Zielgruppen in Kontexten Situation unsere Bedürfnisse erfüllen von Context Thinking® in der Marken- beobachten, analysieren und verstehen, (siehe Abb. 1). Wir bezeichnen den führung verfolgt K&A BrandResearch um hieraus alternative Strategien für resultierenden Mechanismus gerne das Ziel, Marken in Kontexten stärker verändertes Entscheidungsverhalten als System-1-Faulheit. Was für Marken zu machen. Je stärkere Verknüpfungen zugunsten der Marke zu etablieren. bedeutet, dass sie den Menschen einer Marke mit Kontextschemata Wir haben bei K&A BrandResearch in einem Kontext schnell als möglichst bestehen, desto größer die Relevanz mit der Anwendung psychodrama mühelose Lösung einfallen müssen. einer Marke im Alltag. tischer Techniken jahrzehntelange Kontexte sind Wahrnehmungs Selbstverständlich gehen in die Erfahrungen dazu sammeln können, räume, in denen unterschiedliche intuitive Bewertung motivationspsy- wie Alltagssituationen für Konsu Sachverhalte wirken und sich zu einem chologische Faktoren wie Bedürfnisse menten nacherlebbar und somit für Gesamtbild fügen. Entsprechend genauso in die Untersuchung ein wie Marketers gestaltbar werden. dem Kontextprinzip der Philosophie Situationsfaktoren, die sich verändern erlangen Begriffe nur „im Zusammen- können und dann zu veränderten Die bunte Welt hang mit etwas” eine Bedeutung. Reaktionen im Verhalten führen. Es der Süßwaren-Kontexte 3 Ein Sinn erschließt sich erst, wenn verhält sich aber nach den aktuell der Kontext bekannt ist und verstan- gültigen Erkenntnissen der Psycho Den über alle Branchen hinweg stärk den wurde (vgl. Ohnemus, Lebok, logie bei den allermeisten mensch sten Kontext-Effekt der letzten Jahre Klaus: Context-Marketing, Springer lichen Entscheidungen so, dass soge- hatte zweifellos Covid-19. Während Gabler, 2021). So entfachen auch nannte „tieferliegende Motive“ bzw. Gastronomie, Hotellerie, Events und Symbole, Botschaften und Marken übergeordnete Purpose-Haltungs- Messen zu den großen Verlierern des signale erst dann ihre Wirkkraft, wenn Dimensionen den Situationsfaktoren Lockdowns zählten, konnten andere die vorherrschende Kontextbedin- deutlich nachgelagerter sind. Kurzum: die gezwungenermaßen veränderten gungen die Sinne dafür schärfen. Der Mensch ist mitnichten eine Rahmenbedingungen bestens für Die Menschen suchen stets nach Marionette seiner Freud‘schen Triebe. Zugewinne nutzen. Neben den einer effizienten Lösung zur Bewälti- Da uns Menschen der Einfluss der bekannten Gewinnern wie Amazon, gung ihrer Alltagsanforderungen Kontexte auf unser Entscheidungs Alphabet und weiteren Techgiganten unter den wirksamen Kontextbedin- verhalten in der Regel nicht bewusst zählten vor allem die Branchen dazu, gungen – im Idealfall mit Hilfe einer ist (siehe Abb. 1), sollten „Context die neben der Alltagserleichterung unter der FFP2-Maske auch Alltags- verschönerungen versprachen. Die Süßwaren-Branche zählt zu den Krisengewinnern. Mit einem Absatzplus von 6,0 Prozent und einer Umsatzsteigerung von 7,5 Prozent gegenüber dem Corona-freien Jahr 2019 legte die Branche im Vorjahr weiter zu – der intensiver werdenden öffentlichen Diskussion über Zucker, Übergewicht und gesündere Ernäh- rung zum Trotz. Antreiber des Wachs- tums waren wie die Jahre zuvor die Salzigen Snacks, wobei diesmal auch zahlreiche weitere Segmente vom vermehrten Konsum-at-Home profi- MarkenImpulsGeber und Markenpsychologe: Dr. Uwe Lebok (li.) und Florian Klaus sind seit tierten, vor allem auch Süßgebäck, vielen Jahren bei K&A Brandresearch ein eingespieltes Team. (Fotos: K&A BrandResearch) Kuchen und Torten. SG 7/2021
M A R K E T I N G Abb. 3: Influenced by Sweets – für die neuen Verbraucher der Gen Z müssen Anreize früh gesendet wer den; hier eine YouTube-Kampagne von Mondelez mit Julia Beautx und Jonas. (Screenshot: K&A BrandResearch Zudem erzielte Ostern 2020 einen ntergeordnete Rolle, was mit der u Verschiedene Unternehmen greifen größeren Saisonaleffekt als Weih- lokalen Dichte stationärer Händler in jüngerer Zeit auf diese Variante der nachten. Die Zugewinne unterstrei- korreliert. Die zarten Erfolge von persönlichen und für Verbraucher chen einmal mehr deutlich, dass sai- flaschenpost.de bei den Getränken scheinbar unabhängigen Kommuni- sonal bedingte Kontexte Kaufimpuls- lassen aber auch für die noch stärker kation zurück. Mit der Influencerin treibend wirken. Ebenso wächst die Impulskauf-betonten Süßwaren künf- Julia Beautx gelang es Mondelez vergleichsweise kleine Subkategorie tige Entwicklungen erahnen. International, 100.000 junge Konsu- der Schaumküsse mit ihren anlass menten durch eine Milka-Oreo-Kam- fördernden Verpackungen ungebro- Anspruch der Generation Z pagne zu aktivieren (siehe Abb. 3). In chen, insbesondere Super Dickmann‘s. auf Unmittelbarkeit Österreich präsentieren Viktoria und Am unteren Ende der Skala befinden Sarina mit Girlie-Stimmen Süßes von sich Bonbons (Hard Candy und Kau- Ein verstärktes Touchpoint-Manage- Ferrero, Coppenrath & Wiese oder bonbons), sonstige Schokoprodukte ment online führt hier automatisch löffeln ihren eigenen rosa Keksteig. (Nougat, Mozartkugeln u. a.) und vor zu veränderter Kommunikation und Eine aktuelle Studie der Markt allem Kaugummi. stärker kontextueller Ansprache. Vor forschungsagentur M-Science postu- allem, wenn die Lust auf Knabbern liert, dass jüngeres Zielpublikum den Neue Kontexte und intuitiv und Süßes spontan entsteht und so Werbebotschaften unkritischer über- 4 geeignete Anlässe für Kaugummi den Einkaufswagen ungeplant füllt nimmt. 56 Prozent der Jugendlichen oder den Tankstellen-Stopp versüßt. zwischen elf und zwölf Jahren hätten Zwar sind die Kaugummi-Absätze Um die neuen Verbraucher der Gen Z schon einmal von Influencerinnen weiterhin hoch, doch beweist die zu erreichen, deren wohl wesentlich empfohlene Produkte gekauft. Auch zweistellig negative Entwicklung ste gemeinsame Eigenschaft ihr aus diesem Grunde verstummen die zum Vorjahr, dass aktuell „No Fun for Anspruch auf Unmittelbarkeit (etwas Stimmen nicht, die ein Verbot von Chewing Gum” aufkommt: Neue sofort haben zu wollen) ist, sind im an Kinder gerichtete Werbung für Kontexte, Gelegenheiten und intuitiv Süßwaren-Marketing enorme Heraus- stark zuckerhaltige Produkte fordern. geeignete Anlässe für Kaugummi und forderungen zu bewältigen. seine mentalen Geschwister Lutsch- Anreize müssen früh gesendet wer- Menschliche und individualisierte und Kaubonbons tun dringend Not, den, damit Produkte die Erlebnisse Zugänge zu Verbraucherni um auch in Zukunft Konsumenten in den jeweiligen Kontexten beleben attraktiv anzusprechen. Während oder veredeln. In diesem Zusammen- So bietet der Digital Way für die Aufmerksamkeit für Süßwaren mit hang gewinnen Influencer zunehmend Süßwarenbranche einesteils neue Alltagsrelevanz über veränderte Farb- an Einfluss, da auch auf digitalen menschliche und individualisierte codes, Anlasskonzepte und spezi Kanälen der klassische Werbe-Sprech Zugänge zu Verbrauchern; anderer- fische Packungsdesign zu erreichen aus der Marke und ihrer Welt zum seits verschärft ein verstärkter Einsatz ist, benötigen Kauprodukte deutlich Verbraucher als billige Reklame von Influencern die Diskussion um mehr Inspiration, um Verbraucher empfunden wird. Influencer können Verbote und Einschränkungen. Letzt- auch künftig nachhaltig zu begeistern. ganz normale Verbraucher sein, die lich wird auch die Süßwarenbranche Corona hat uns eines vor Augen intrinsisch motiviert herausragende neue Kontextbedingungen für sich geführt: Es wird alles digitalisiert wer- Erlebnisse mit Süßwaren-Marken teilen, entdecken oder projektiv aus dem den, was digitalisiert werden kann. aber auch reichweitenstarke You Alltag der Verbraucher heraus ent Nur bedingt erfolgreich waren indes Tuber. Relativ früh konnte Sally Özcan wickeln müssen. Denn selbst unter Versuche, Live Events wie z. B. Kon- mit Sallys Welt ein millionenstarkes Werbeverboten kann es durchaus zerte oder Live Tastings als Alternative junges Publikum zum Backen animie- gelingen, Marktpositionen auszubau- zum sozial-analogen Miteinander mit ren, was sich unter Lockdown-Bedin- en, wie das Beispiel von Jägermeister Spontanitäten, Gerüchen, Berührun- gungen verstärkt auszahlte. erfolgreich in der Schweiz unter gen, Mitfühlen zu etablieren. In jedem So macht der Social Media-Star Beweis stellt. Dabei hilft ein früh Falle wird sich das Einkaufsverhalten Simon Desue mit einer Reichweite zeitiges Denken in Verbraucher ab 2022 verschieben. Bislang spielen von 4,3 Mio. Abonnenten auf TikTok, kontexten – und dürfte auch für Süßes Lebensmittel im Onlinehandel in Instagram oder YouTube ganz explizit und Salziges neue Wege ebnen. Deutschland eine vergleichsweise Werbung für Süßigkeiten von Haribo. ka-brandresearch.com SG 7/2021
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