Neue Batteriesysteme zwischen Forschung und Anwendung
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FVEE • Themen 2012 Netze und Speicher • Batteriesysteme Neue Batteriesysteme zwischen Forschung und Anwendung Übersicht stationärer elektrochemischer Entwicklungsziele – Batterie Roadmap 2020+ Speichertechnologien (ZSW) In einer Batterie Roadmap 2020+ genannten Meta- Elektrochemische Speicher verfügen typischerweise Studie hat das ZSW die aktuellen Entwicklungsziele über Energiespeicherkapazitäten von 2 kWh – 20 MWh der Batterieforschung zusammengefasst und typische Entladezeiten von wenigen Minuten bis (s. Abbildung 2). zu wenigen Tagen. Damit zählen Batterien zu den Kurzfristspeichern mit einer kleinen bis mittleren Dabei sind zwei Dinge hervorzuheben: zum einen die Energiespeicherkapazität (anders als beispielsweise technischen Grenzen, die der Optimierung der heute Druckluftspeicher, Wasserkraftwerke, Wasserstoff und etablierten Lithium-Ionen-Systeme gesetzt sind und ZSW synthetisches Erdgas). zum anderen der Technologiesprung hin zu neuen Dr. Michael A. Danzer Systemen wie Lithium-Schwefel oder Lithium-Luft, Generell besitzen elektrochemische Speichersysteme michael.danzer@zsw-bw.de der nötig ist, um diese Grenzen zu überwinden. u. a. diese Vorteile: DLR • Sie sind unabhängig von Geographie und Geologie. Prof. Dr. Andreas Friedrich • Sie können modular aufgebaut werden und sind in andreas.friedrich@dlr.de F&E für stationäre Batterietechnologien der Speichergröße adaptierbar. Fraunhofer ISE Im Folgenden werden anhand von ausgewählten Dr. Matthias Vetter Elektrochemische Speicher und Wandler lassen sich Beispielen die Entwicklungen an Batterietechnologien matthias.vetter@ise.fraunhofer.de gemäß Abbildung 1 anhand ihrer Speicher und an den Instituten dargestellt. Fraunhofer IWES Arbeitstemperaturen unterscheiden. Patrick Hochloff Lithium-Ionen-Systeme haben im Vergleich zu ande- F&E für Lithium-Ionen-Batterien (ZSW) patrick.hochloff@ iwes.fraunhofer.de ren heute verfügbaren Akkumulatoren eine höhere Die spezifische Energie (Wh/kg) von Akkumulatoren, Prof. Dr. Clemens Hoffmann Leistungs- und Energiedichte sowie einen höheren E = C · U, berechnet sich aus der Multiplikation der Siemens AG elektrischen Wirkungsgrad. Zellspannung (V) und der spezifische Kapazität clemens.hoffmann@ (Ah/kg). iwes.fraunhofer.de Die Anforderungen, die marktseitig an elektrochemi- FZ Jülich sche Speicher gestellt werden, sind sehr hoch: Möchte man die spezifische Energie durch eine Aus- Dr. Martin Finsterbusch • geringe Investitions- und Betriebskosten wahl an Aktivmaterialien erhöhen, ergeben sich m.finsterbusch@fz-juelich.de • hohe Energiedichte daher zwei Möglichkeiten: VARTA Storage GmbH • sehr hoher energetischer Wirkungsgrad 1. Erhöhung der Zellspannung Dr. Alexander Hirnet • lange Lebensdauer (15–20 Jahre) 2. Erhöhung der spezifischen Kapazität. alexander.hirnet@ • hohe Sicherheit und niedrige Selbstentladung varta-storage.com Abbildung 1 Übersicht elektro - chemischer Speicher und Wandler (Lithium-Ionen-Systeme in Rot hervorgehoben) 90
Netze und Speicher • Batteriesysteme FVEE • Themen 2012 Abbildung 2 Entwicklungsziele der Batterieforschung: ZSW-Batterie Roadmap 2020+ Abbildung 3 Festkörper-Dünnschicht- Li-Ionenzelle, hergestellt mittels PVD am FZ Jülich In vielen Projekten am ZSW wird als neuartiges Katho - körper-Li-Ionenleiter für Anwendungen im Bereich denmaterial ein Hochvoltspinell (LiNi 0,5 Mn 1,5 O4 ) 100–400 °C evaluiert. erforscht, bei dem die hohe Energiedichte, wie der Meilensteine der Arbeit sind dabei: Name es andeutet, im Wesentlichen durch ein erhöh- • günstigere Elektrodenmaterialien tes Kathodenpotenzial erreicht wird. • angepasste Elektrolyte In anderen Projekten steht weniger die Energiedichte • dickere Elektroden als die Sicherheit der Zellen im Vordergrund der Ent- • größere Zellen wicklungsziele. So wird z. B. als Anodenmaterial • optimiertes Processing Lithium-Titanat (Li 4Ti 5O 12) eingesetzt, um eine eigen- sichere Batterie zu entwickeln, die im Schadensfall Als Ergebnis der Arbeiten ist in Abbildung 3 eine Fest- kein Risiko (z. B. Brand, Explosion) darstellt. körper-Batterie mit Al- und Cu-Kontakten, LiFePO4 - Kathode, Li7 La3 Zr 2 O12 -Elektrolyt und Si-Anode als Lithium-Ionen-Hochtemperatur-Batterie mit intrinsisch sichere Batterie dargestellt. Dabei erreicht Festelektrolyt (FZ Jülich) der Festkörperelektrolyt bei Temperaturen von Das Forschungszentrum Jülich hat sich für die Ent- 300 °C eine beachtliche Leitfähigkeit von 10 –1 S/cm. wicklung neuer Batterietechnologien am Vorbild der ZEBRA-Hochtemperatur-Batterie (NaNiCl2) orientiert, Speicherkapazität und Zyklenstabilität von die sich durch eine hohe Robustheit, Zuverlässigkeit LiS-Batterien (DLR) und Zyklenfestigkeit auszeichnet. Problematisch ist Die Batterieforschungsaktivitäten am DLR zu Li-Schwe- bei der ZEBRA-Batterie die aufwändige Herstellung fel und Li-Luft-Batterien nehmen erwähnten Techno- des röhrenförmigen Elektrolyten (Na-ß’’-Al2O3) und logiesprung ins Visier. Motivation zur Forschung an der Natrium-Gebrauch bei erhöhter Temperatur. LiS-Batterien ist die Optimierung der Zyklenstabilität F&E-Ziel ist es daher, Werkstoffe für intrinsisch sichere durch Schwefel-MWNT-Komposite. Zur Erreichung Batterien zu etablieren. Dazu werden bekannte Fest- dieses Ziels wird die Komposit-Synthese via Schwe- 91
FVEE • Themen 2012 Netze und Speicher • Schlüsselrolle der Stromnetze Abbildung 4 Schwefel-MWNT- Komposite des DLR: Typ A (links) und Typ B (rechts) F&E für stationäre Batteriesysteme Im Folgenden werden anhand von ausgewählten Bei- spielen die Entwicklungen von Batteriesystemen an den Instituten dargestellt. Modulares Design eines Lithium-Ionen- Batteriesystems (Fraunhofer ISE) Die Architektur von Batteriesystemen unterscheidet Abbildung 5 sich wesentlich im Grad ihrer Modularität. Das Fraun- Cyclovoltammogramm hofer ISE hat ein Batteriesystemkonzept vorgestellt, an mit Ag+LSCF das sowohl im Aufbau und der Verschaltung der Ein- (Elektrolytseite) und PTFE+Kohle (Gasseite) zelzellen zu Batteriemodulen als auch in der Über- beschichteten Rhodius- wachung und der Steuerung der Batterie einen Netzen in 1 N LiOH hohen Grad an Modularität aufweist (Abbildung 6). (Potenzial gegen Hg/HgO) Das modulare Design von Batteriesystemen und die Kommunikationsschnittstelle des Z-BMS ermöglicht eine einfache Integration in Energiesysteme und die felschmelze bei 150 °C unter Ar-Atmosphäre durch- Ankopplung an marktverfügbare Laderegler, Batte- geführt und zwei Typen MWNT „A“ und „B“ vergli- riewechselrichter sowie Energiemanagementsysteme. chen. Dabei stellt sich heraus, dass aus MWNT A her- Das entwickelte Batteriemodul erreicht unter realisti- gestelltes Komposit A nach 50 Zyklen über eine 50 % schen Nutzungsbedingungen (0,3 C, 27 °C) einen höhere Entladekapazität im Vergleich zum aus energetischen Wirkungsgrad von 95,2 % und ermög- MWNT B hergestellten Komposit B verfügt. licht so eine effiziente dezentrale Speicherung von elektrischer Energie, beispielsweise von dezentralen Verminderung der Verluste von gebäudeintegrierten PV-Anlagen. Lithium-Luft-Batterien (DLR) Das zweite Forschungsprojekt am DLR hat sich zum Intelligentes Batteriemanagement als Ziel gesetzt, die Verluste während des Lade-/Entlade- Teil eines optimierten Energiemanagements vorgangs von Lithium-Luft-Batterien zu reduzieren. (Fraunhofer ISE) Mittels Cyclovoltammogramm-Messungen (s. Abbil- Zur Optimierung des Energiemanagements einer dung 5) konnte die Reduktion der Verluste nachge- regenerativen Energieerzeugung mit stationärem wiesen werden. Speicher wird am Fraunhofer ISE an standardisierten Lösungen, beispielsweise im Rahmen der CiA 454 (siehe www.can-cia.org), zur Kommunikation zwi- schen Energie- und Batteriemanagement gearbeitet. Das modellbasierte Energiemanagement umfasst, wie in Abbildung 7 dargestellt, ein Erzeuger- und Lastma- nagement, einen optimierten Einsatz des Batterie- systems, die optimierte Regelung der Energieflüsse, ein modellbasiertes Batteriemanagement inklusive SOC-Verlauf und -Vorhersage (SOC = State of Charge 92
Netze und Speicher • Schlüsselrolle der Stromnetze FVEE • Themen 2012 Abbildung 6 Modulares Design: von der Zelle über das Modul zum Batterie- system mit modularer Architektur des Batterie- managements basierend auf dezentralen Modul- BMS (M-BMS) und einem Zentral-BMS (Z-BMS). Quelle: Fraunhofer ISE = Ladezustand), die Information über arbeitspunkt- abhängige Wirkungsgrade bis hin zur Information über die Alterung der Batterie. Als Anwendungsfälle stationärer Batteriesysteme wer- den im Folgenden die Maximierung des Eigenver- brauchs von Solarstrom im Hausbereich und die Spannungsstabilisierung im Niederspannungsnetz betrachtet. Maximierung des Eigenverbrauchs von Abbildung 7 Solarstrom (VARTA Storage) Schematische Darstel- lung eines intelligenten VARTA Storage hat in Untersuchungen gezeigt (Abbil- Batteriemanagements dung 8), dass durch einen Batteriespeichersystem der als Teil eines optimierten Eigenverbrauch von Solarstrom in Abhängigkeit von Energiemanagements. der Speichergröße signifikant erhöht werden kann. Quelle: Fraunhofer ISE Dazu wurde bei VARTA Storage ein Batteriespeicher namens Engion entwickelt (Abbildung 9), der bei 90 % 4 kW über Speichergrößen von 3,7–13,8 kWh ver- 80 % fügt und 3-phasig modular erweiterbar ist. 70 % Spannungsstabilisierung im 60 % Niederspannungsnetz (VARTA Storage, 50 % Siemens) 40 % Die prinzipielle Idee der Spannungsstabilisierung im 30 % Niederspannungsnetz mit dezentralen erneuerbaren 20 % Energieeinspeiseanlagen und dezentralen Lasten mit- Abbildung 8 10 % Eigenverbrauchs- tels eines Energiespeichers ist in Abbildung 10 darge- stellt. Dabei wird die Batterie an den Ort der Leitung 0 erhöhung durch 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Speichereinsatz bei platziert, an dem die höchste Spannungsabweichung einem Jahresverbrauch zu erwarten wäre: von 4000 kWh. • In Zeiten hoher Erzeugung puffert die Batterie elektrische Energie zwischen, so dass die Span- VARTA Storage hat im Pilotprojekt „Spitzenspeicher nung in der Leitung die maximal zulässige Höchst- Nr. 1“ zusammen mit der EnBW ODR den in Abbil- grenze nicht überschreitet. dung 11 dargestellten Speicher mit einer Leistung • In Zeiten hoher Last gibt der Speicher die Energie von 30 kW und einem Energiegehalt von 60 kWh wieder ab und kann so dazu beitragen, dass die entwickelt und ist damit gerade in der Erprobungs- Minimalspannung nicht unterschritten wird. phase. 93
FVEE • Themen 2012 Netze und Speicher • Schlüsselrolle der Stromnetze Abbildung 9 Batteriespeicher Engion bei VARTA Storage: 4 kW, 3,7 – 13,8 kWh, 3-phasig, modular erweiterbar Abbildung 10 Spannungsstabilisierung im Niederspannungs- netz mit dezentralen EEG-Anlagen und Batterie Die Wirksamkeit des Einsatzes von stationären Spei- chern im Niederspannungsnetz im Vergleich zur Kopplung jeder PV-Anlage mit einem eigenen Spei- cher hat Siemens simulationsbasiert anhand des Spannungsbands in einem Beispielnetz untersucht. Die Simulationsergebnisse in Abbildung 12 zeigen deutlich, dass der Speichereinsatz an einem kritischen Abbildung 11 Ort (Quartierspeicher) für die Spannungshaltung Pilotprojekt effektiver ist als der gleichmäßig verteilte Einsatz. Spitzenspeicher Nr. 1, Dabei wurde die Größe der Speicher für eine Kap- VARTA Storage & pung der Leistungsspitze um 30 % ausgelegt. Zudem EnBW ODR: wurde gezeigt, dass ein Blindleistungseingriff am sel- 30 kW, 60 kWh ben Ort zusätzlich die Spannungshaltung verbessert. 94
Netze und Speicher • Schlüsselrolle der Stromnetze FVEE • Themen 2012 Abbildung 12 Simulationsergebnisse Spannungsband in einem Beispielnetz, relative Spannung über Anzahl der Knoten im Niederspannungsnetz Abbildung 13 Siemens-LiIon-System Siemens hat für den Einsatz in Niederspannungsnet- hohen energetischen Wirkungsgrad, lange Lebens- zen das in Abbildung 13 gezeigte Siemens-LiIon- dauer und hohe Sicherheit auszeichnen. Des Weite- System entwickelt und bereits damit begonnen, es in ren zeigt sich anhand der an den Instituten und bei den Markt einzuführen. den Industriepartnern entwickelten und untersuch- ten Systeme, dass sich erste Geschäftsmodelle für stationäre elektrochemische Speicher heraus kristal- lisieren. Momentan werden Batteriesysteme und Fazit Pilotanlagen entwickelt, aufgebaut und erprobt Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass an den sowie erste Serienprodukte kommerziell angeboten. Forschungsinstituten des FVEE neue und verbesserte In der Gesamtheit der dargestellten Forschungs- und Speichertechnologien entwickelt und erforscht wer- Entwicklungsaktivitäten wird damit die Eignung elek- den, die auf Batterietechnologien hoffen lassen, die trochemischer Speicher als Kurzfristspeicher für die sich durch geringe Kosten, hohe Energiedichte, Energiewende demonstriert. 95
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