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Aktive Stadt- und Ortsteilzentren Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise im Rahmen der Bundestransferstellenarbeit der städtebaulichen Begleitforschung
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise im Rahmen der Bundestransferstellenarbeit der städtebaulichen Begleitforschung zum Städtebauförderprogramm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren Auftraggeber Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) Wissenschaftliche und fachliche Begleitung Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung Referat RS 2 – Stadtentwicklung Mechthild Renner (Projektleitung) mechthild.renner@bbr.bund.de Auftragnehmer Bundestransferstelle, Aktive Stadt- und Ortsteilzentren Plan und Praxis GbR, Berlin aktivezentren@planundpraxis.de Sebastian Däßler, Niklas Keller, Darius Kuschke, Holger Pietschmann, Mario Schmütz und Rhona Wagner Fotonachweis, siehe Seite 52 Dank gilt den Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern. Ihre Einblicke in die Umsetzungspraxis vor Ort sind wichtige Bestandteile dieser Expertise. Berlin, März 2021
Inhalt 1 Aktuelle Entwicklung der Städtebauförderung 4 Ingo Weiß, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat 2 Mit dem Zentrenprogramm zu neuen Qualitäten in Innenstädten, Stadt- und Ortsteilzentren mit städtebaulichen Problemlagen 6 Mechthild Renner, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 3 Vielfalt und Originalität – Das Zentrenprogramm unterstützt maßgeschneiderte Entwicklungen 11 4 Ausschnitte aus der Programmumsetzung 16 Baunatal aktiv: Revitalisierung der Innenstadt – Qualität im öffentlichen Raum, Hochbau und Einzelhandel 17 Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit Klaus- Peter Metz am 3. November 2020 Markt Manching: Stärkung der Funktionsvielfalt und Belebung öffentlicher Räume im Ortskern 21 Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit Herbert Nerb und Johann Forstner am 12. November 2020 Bad Wildungen – das „Scharnier“: Neue Aufenthaltsqualität durch zentrale Wegeachse in der Innenstadt 25 Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit Robert Hilligus am 21. Oktober 2020 Langenhagen: Akteursbeteiligung zur behutsamen Entwicklung der Innenstadt 29 Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit Carsten Hettwer und Christine Söhlke am 4. November 2020 Emden: Sanierung findet Stadt – Revitalisierung untergenutzter Flächen in der Innenstadt 33 Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit Rainer Kinzel und Wilhelm Lücking am 29. Oktober 2020 Kiel: Schlüsselmaßnahme Kleiner Kiel-Kanal fördert Revitalisierung der Innenstadt 37 Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit Felix Schmuck und Nils Horstmeyer am 23. Oktober 2020 Siegen zu neuen Ufern: Neuprofilierung der Siegener Innenstadt 41 Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit Henrik Schumann am 3. November 2020 Ulm-Weststadt: Aufenthaltsqualitäten und neue Wohnungen für ein attraktives Stadtteilzentrum 45 Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit Karla Niebling-Junginger am 5. November 2020 5 Zwölf Jahre individuelle Herausforderungen und innovative Lösungsansätze durch das Zentrenprogramm 49 Anhang 50
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise 1 Aktuelle Entwicklung der Städtebauförderung Ingo Weiß, Referat SW III 5 – Lebendige Zentren, Nationale Projekte des Städtebaus Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Die Herausforderungen der Innenstadtent- Die Gesichter unserer Städte werden sich ver- wicklung waren und sind zentrales Thema der ändern. Die Herausforderung wird sein, unsere Stadtentwicklungspolitik des Bundes. Städte und Gemeinden, insbesondere auch die Zentren, als multifunktionale Orte zu stärken, Die Corona-Pandemie stellt unsere Innenstäd- als Sozial-, Arbeits- und Erlebnisraum mit te vor enorme Herausforderungen. Sie wirkt Angeboten für Wohnen, Arbeiten, Begegnung, wie ein Katalysator für den schon seit vielen Bildung, Betreuung, Kultur, Logistik, Gastrono- Jahren stattfindenden Strukturwandel, der mie und Handel. Die Stadt der Zukunft muss auch unsere Stadt- und Ortsteilzentren betrifft. die vorhandenen Funktionen in kluger Weise Das BMI hat früh den intensiven Austausch neu und zu veränderten Anteilen miteinander mit Beteiligten aus Handel, Gastronomie, verknüpfen. Handwerk, Immobilienwirtschaft und Kom- munen initiiert und den „Beirat Innenstadt“ Die Städtebauförderung des Bundes und gegründet. Bis Sommer 2021 wird das BMI der Länder, die auch auf europäischer Ebene unter Beteiligung des Beirats eine Innenstadt- durchaus Beispiel gebend ist, ist das Instru- Strategie erarbeiten. Ziel ist es, den Kommunen ment in Deutschland, um aktuelle städtebau- dabei zu helfen, ihre Innenstädte als lebens- liche Herausforderungen zu meistern und werte, identitätsstiftende Räume für die Bürge- Problemlagen entgegen zu wirken. Das zeigen rinnen und Bürger zu erhalten. auch die in der Kurzexpertise dargestellten vie- Attraktivierter Stadtkern von Haldensleben (Sachsen-Anhalt) Foto: Plan und Praxis 4
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Aufenthaltsqualität auf dem „Boulevard“ in Luckenwalde (Brandenburg) Foto: Plan und Praxis len guten Beispiele aus dem Programm „Aktive gebracht. Kommunen in Haushaltsnotlage be- Stadt- und Ortsteilzentren“. kommen besondere Unterstützung, hier kann der kommunale Eigenanteil auf zehn Prozent Gemeinsam mit den Ländern und kommuna- reduziert werden. len Spitzenverbänden hat der Bund die Städte- bauförderung in 2020 umfassend neu struktu- Die Maßnahmen und Instrumente der Städte- riert und weiterentwickelt. Mit den drei neuen bauförderung sind grundsätzlich flexibel und Programmen „Lebendige Zentren“, „Sozialer geeignet, um den aktuellen Herausforderun- Zusammenhalt“ und „Wachstum und nach- gen städtebaulich begegnen zu können. Das haltige Erneuerung“ unterstützen Bund und gilt für die Förderung von baulichen Maß- Länder die Kommunen bei ihrer städtebau- nahmen, um Ortskerne zu beleben oder um lichen Erneuerung. Ein besonderer Fokus liegt die Sicherheit und Barrierefreiheit in den dabei auf den Innenstädten: Das Programm Innenstädten zu erhöhen; ebenso wie für die „Lebendige Zentren“ ist mit 300 Millionen Unterstützung eines qualifizierten Zentrenma- Euro jährlich (Bundesfinanzhilfen) das finanz- nagements, für die Beratung des innerstädti- stärkste Programm der Städtebauförderung. schen Gewerbes, z. B. beim Leerstandsmanage- Lebendige Zentren sind Voraussetzung und ment, oder die Förderung von Kooperationen Aushängeschild für attraktive Städte und Ge- von und mit Gewerbetreibenden. Auch die meinden zugleich. Fördertatbestände „Maßnahmen zum Ein- satz digitaler Technologien“ und die Verfü- Seit 2017 standen für die Städtebauförderung gungsfonds sind offengehalten und bieten insgesamt 790 Millionen Euro an Bundes- viele, an den lokalen Bedingungen orientierte finanzmitteln pro Jahr zur Verfügung. Auch Einsatzmöglichkeiten. 2021 soll dieses hohe Niveau gehalten werden. Eine wichtige neue Fördervoraussetzung der Der Bund bleibt mit der neustrukturierten Städtebauförderung ab 2020 ist, in den Förder- und auf hohem Niveau verstetigten Städte- gebieten Maßnahmen des Klimaschutzes bzw. bauförderung auch in Zukunft ein wichtiger zur Anpassung an den Klimawandel umzu- Partner der Kommunen bei der Bewältigung setzen. Damit wurde in der Neustrukturierung ihrer städtebaulichen Herausforderungen. einen weiterer Schwerpunk auf ein Thema Und das gilt insbesondere für die Unterstüt- gesetzt, das die Zukunft unserer Städte prägen zung des Erhalts und der Entwicklung von wird. Zudem werden interkommunale Ko- attraktiven und lebenswerten Innenstädten operationen mit einem Förderbonus voran- und Ortszentren. 5
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise 2 Mit dem Zentrenprogramm zu neuen Qualitäten in Innenstädten, Stadt- und Ortsteilzentren mit städtebaulichen Problemlagen Mechthild Renner, Referat RS 2 Stadtentwicklung, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR im BBR) Attraktive Innenstädte, vitale Ortskerne und Angesichts regionaler Besonderheiten und lo- lebenswerte Stadtteilzentren sind „Herz“ und kalspezifischer Eigenarten sind Ausgangslagen „Rückgrat“ der örtlichen Entwicklung und und Rahmenbedingungen in den verschiede- von herausragender Bedeutung für die Stadt nen Innenstädten, Ortskernen, Stadtteil- und und die Region. Ortsteilzentren sehr heterogen. Und ob über- haupt und wenn ja, welche städtebaulichen Die Gleichzeitigkeit von Wachstum und Problemlagen und Herausforderungen ent- Schrumpfung im Bundesgebiet, der demo- stehen, worin die Chancen und Potenziale der grafische, wirtschaftliche und technische Innenstädte, Ortskerne, Stadtteil- und Ortsteil- Wandel, die Entwicklung zur Informations- zentren für ihre zukünftige Entwicklung im gesellschaft und der Klimawandel stellen die Einzelnen liegen, ist ebenfalls unterschiedlich. Zentren fortwährend vor neue Herausforde- rungen. So auch die aktuelle Pandemie, wobei Das Bund-Länder-Programm der Städtebau- die Auswirkungen noch nicht abschätzbar förderung „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ sind. (Zentrenprogramm) hat seit zwölf Jahren in den Zentren mit städtebaulichen Problem- Die zentralen Stadträume unterliegen so- lagen angesetzt, in denen die Revitalisierung mit nach wie vor bzw. immer wieder einem nicht mehr allein durch private Initiative hohen Veränderungsdruck. In den Städten funktionierte. und Gemeinden vollzieht sich ein ständiger Funktions- und Strukturwandel. So haben die Von 2008 bis einschließlich 2019 wurden Innenstädte, Stadt- und Ortsteilzentren vie- mit ca. 1.147 Mio. Euro Bundesfinanzhil- lerorts Funktionsschwächen zu beklagen und fen 868 Maßnahmen in 753 Kommunen im an Attraktivität eingebüßt. In strukturstarken Rahmen des Zentrenprogramms gefördert. In Zentren sind zudem Nutzungskonkurrenzen den letzten Jahren sind jährlich ca. 60 städ- und -verdrängungen zu beobachten. Ande- tebauliche Gesamtmaßnahmen neu in das renorts können Leerstände und mangelnde Programm aufgenommen worden. Von 2016 Infrastrukturauslastung Zentrumsfunktionen bis 2019 wurden jährlich über 100 Mio. Euro beeinträchtigen. Bundesfinanzhilfen bereitgestellt. Weißer Garten Haldensleben (Sachsen-Anhalt) Urban Gardening in Nürnberg (Bayern) Foto: Mechthild Renner Foto: Mechthild Renner 6
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Aktive Stadt- und Ortsteilzentren DK ! Kiel ! Rostock ! Schwerin ! Hamburg ! Bremen PL Berlin ! Hannover Potsdam! ! NL ! Magdeburg Bielefeld ! ! Cottbus ! Dortmund Halle/S. Leipzig ! ! Essen ! Düsseldorf ! ! Kassel Dresden ! Köln ! Erfurt ! Chemnitz ! ! Bonn BE Wiesbaden ! CZ ! ! Frankfurt/M. Mainz LU Mannheim ! ! ! Saarbrücken Nürnberg FR Stuttgart ! Ulm ! AT ! ! München Freiburg i.Br. CH 100 km © BBSR Bonn 2020 Städte und Gemeinden im Programm Aktive Stadt- Datenbasis: Städtebauförderungsdatenbank des BBSR und Ortsteilzentren, Programmjahr 2019 Geometrische Grundlage: Gemeinden, Länder (generalisiert), 31.12.2018 © GeoBasis-DE/BKG Großstadt Großstadtregionen Mittelstadt Gebiete außerhalb von Großstadtregionen Kleinstadt Landgemeinde Karte 1: Städte und Gemeinden im Programm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren, Programmjahr 2019, Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 7
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Zur konkreten Vorstellung: Von allen Ge- chenden (Querschnitts-)Zielen Orientierung meindeverbänden bundesweit erhielten für die Umsetzung vor Ort gegeben: in zwölf Jahren circa 15 % eine Förderung • Schaffung von Funktionsvielfalt und aus dem Programm Aktive Stadt- und Versorgungssicherheit Ortsteilzentren. • Erhalt des sozialen Zusammenhalts durch vielfältige Wohnformen und Das Zentrenprogramm hat integrierte Hand- Infrastrukturangebote lungsansätze unterstützt, um zentrale Stadt- • Qualifizierung öffentlicher Räume räume zu revitalisieren, die durch Funktions- • Pflege der Stadtbaukultur verluste und Leerstände, städtebauliche • Optimierung einer stadtverträglichen Missstände oder (drohende) abnehmende Mobilität Nutzungsintensitäten geschwächt waren und • Partnerschaftliche Zusammenarbeit von so (drohende) Abwärtsspiralen zu stoppen. Es Bürgerinnen und Bürgern sowie öffentli- ging darum, vielseitige und vitale Stadtzentren chen und privaten Akteuren im Sinne nachhaltiger Stadtentwicklung zu • Klimaschutz und Anpassung an die Folgen entwickeln. Eine Schlüsselfunktion bildete da- des Klimawandels bei die Nutzungsmischung mit einem (stadt-) verträglichen Nebeneinander von Wohnen Diese strategische Orientierung des Zentren- und Arbeiten, Wirtschaft und Handel, Bildung programms hat sich in der zwölfjährigen und Gesundheit sowie Versorgung und Freizeit Umsetzungspraxis bewährt. Dabei hat die und einer konfliktarmen und umweltgerech- Anwendung der breiten Palette planerischer teren Verkehrsgestaltung. Zu berücksichtigen Instrumente zur Absicherung der Qualitäts- waren dabei Barrierefreiheit und -armut sowie ziele gedient. Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Ein entscheidender Beitrag Vielerorts wurde eine stadtverträgliche Nut- zum Erfolg der städtebaulichen Gesamtmaß- zungsmischung in partnerschaftlicher Zu- nahmen hat dabei in der aktiven Mitwirkung sammenarbeit zwischen öffentlichen und lokaler Akteure und der Bewohnerinnen und privaten Akteuren etabliert. Häufig haben z. B. Bewohner gelegen. neue Wohnangebote sowie attraktive Kultur-, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen zur Die zum Programmstart zwischen Bund, Stärkung der Multifunktionalität der Zentren Ländern und kommunalen Spitzenverbänden beigetragen. Einzelhändler haben den sta- vereinbarte Strategie griff die komplexen Her- tionären Einzelhandel mit Onlineangeboten ausforderungen auf und hat mit den entspre- verknüpft und so lokale Standorte in den Fördergebieten des Zentrenprogramms ge- Außenraum der Schillerbibliothek Berlin Schillerbibliothek Berlin: Ausschnitt Gebäudefront Foto: Mechthild Renner Foto: Mechthild Renner 8
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Stadtteilbüro in Hamburg-Barmbeck Bauschild für die Marzahner Promenade in Berlin Foto: Mechthild Renner Foto: Mechthild Renner stärkt. Oder leerstehende Kaufhäuser wurden zubetonierte Wasserflächen wurden freigelegt. mit Mischnutzungen revitalisiert. Der Erhalt Auch die Zugänglichkeit von Uferbereichen und die Anreicherung von Nutzungen haben wurde ermöglicht. Durch Wegeverbindungen für Frequenz gesorgt und zur Lebendigkeit der wurden die unterschiedlichen öffentlichen Zentren beigesteuert. Räume miteinander vernetzt. Auch so wurden Angebote für belebte Innenstädte, Stadt- und Das Zentrenprogramm hat zur sozialen Stabili- Ortsteilzentren geschaffen und die Standort- tät im Quartier beigetragen, indem Treffpunk- bedingungen für Gewerbe, Handel, öffentliche te und Gemeinschaftseinrichtungen geschaf- Einrichtungen und Wohnen optimiert. fen sowie öffentliche Räume nutzerorientiert gestaltet wurden. Die im Zentrum realisierten In den Zentren entstand in Dialogprozessen städtebaulichen und funktionalen Qualitäten mit Bürgerinnen und Bürgern ein Bewusstsein gaben Anlass für Wohnungssanierungen und für baukulturelle Qualitäten. Erkannt wurde, -neubau – auch z. B. für generationenübergrei- dass sich Nutzungs- und Gestaltungsentschei- fendes Wohnen – durch private und öffentli- dungen auf die Anziehungskraft der Zentren che Investoren. auswirken. Die identitätsstiftende Ortsbin- dung der Akteure, z. B. der Gebäudeeigentü- Im öffentlichen Raum wurden Aufenthaltsqua- mer, drückte sich auch in deren persönlichem litäten geschaffen. Vielfältige Grün- und Frei- und finanziellem Engagement für das Zent- räume wurden nachhaltig gestärkt. Ehemals rum aus. Marktplatz in Wolfenbüttel (Niedersachsen) Altstadt von Bamberg (Bayern) Foto: Mechthild Renner Foto: Mechthild Renner 9
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Stadtverträgliche Mobilität wurde in den wie das Zentrenmanagement und der Ver- Zentren durch viele Maßnahmen unterstützt. fügungsfonds privates Engagement gefördert, Das Zusammenspiel verschiedener Verkehrs- Akteure vernetzt und private finanzielle Res- mittel wurde verbessert, z. B. indem Knoten- sourcen aktiviert. punkte des öffentlichen Personennahverkehrs geschaffen oder optimiert wurden, die Tak- Klimaschutz und Anpassung an die Folgen tung ausgeweitet und die Knotenpunkte mit des Klimawandels wurden als wichtige Quer- anderen Verkehrsträgern verknüpft wurden. schnittsaufgaben des Zentrenprogramms So wurden Synergieeffekte erzielt. In einigen umgesetzt. Dazu dienten z. B. Maßnahmen Fördergebieten wurden Straßenräume um- der energetischen Quartiers- und Gebäude- bzw. rückgebaut; so wurde Platz geschaffen für sanierung, die Neuanlage bzw. Aufwertung barrierefreie Fuß- und Radwege, aber auch, um von Parks und Grünflächen, Dach- und Fassa- öffentliche Räume zum Verweilen oder zur Be- denbegrünungen, sogenannte „Pocket Parks“, gegnung zu qualifizieren. die Freilegung von Flussläufen durch Rück- bau von verkehrlich genutzten Räumen und Die partnerschaftliche Zusammenarbeit die Renaturierung von Uferbereichen in den zwischen öffentlichen und privaten Akteuren Zentren. im Rahmen der Umsetzung des Zentren- programms hat dazu beigetragen, die Identi- Mit Unterstützung aus dem Zentrenpro- fikation der lokalen Akteure mit den Zentren gramm wurden in zahlreichen zentralen zu erhöhen. Die integrierte Ausrichtung des Versorgungsbereichen vor Ort in vielfacher Zentrenprogramms mit seiner Kombination Hinsicht neue städtebauliche Qualitäten ge- von baulich-investiven Projekten und parti- schaffen. Ermöglicht wurde dies durch einen zipativen Ansätzen vor Ort hat sich bewährt. ganzheitlichen Ansatz, der über den Teller- Dazu hat ein breites Spektrum an Aktivitä- rand einzelner Nutzungen schaut und auf eine ten beigetragen: angefangen vom bekannten Balance der verschiedenen Zielbereiche setzt Handwerkszeug der Öffentlichkeitsarbeit über sowie im Kern auf partnerschaftliche Koope- diverse (mancherorts auch digitale) Beteili- ration. Dazu wurden vor Ort Fördermittel aus gungsformate, Gremienarbeit oder z. B. auch verschiedenen Bereichen z. B. der Wohnraum-, die Arbeit von Immobilien- und Standortge- der Wirtschaftsförderung, der energetischen meinschaften, Vereinen und vielfachem zivil- Sanierung oder aus Umweltprogrammen gesellschaftlichen Engagement von Bürgerin- gebündelt, die auf Ebene der EU, des Bundes, nen und Bürgern aller Altersklassen. Zusätzlich der Länder oder der Kommunen angeboten haben die programmspezifischen Instrumente wurden. Bibliothek Haldensleben (Sachsen-Anhalt) Zinnschmelze, Beispiel für EU-Förderung (Hamburg) Foto: Plan und Praxis Foto: Mechthild Renner 10
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise 3 Vielfalt und Originalität – Das Zentrenprogramm unterstützt maßgeschneiderte Entwicklungen Die „zentralen Versorgungsbereiche“ in chen Mobilität sowie dem Klimaschutz und Deutschland sind die Innenstadtzentren der Anpassung. und Ortskerne, Stadt- und Ortsteilzentren sowie Grund- und Nahversorgungszentren. Die Programmumsetzung wurde auf die Sie vereinen die essenziellen Funktionen Gegebenheiten vor Ort abgestellt. Jede Pro- und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und grammkommune wählte unter Mitarbeit und Bewohner und verfügen je nach Stadt- und Kooperation der Akteursgruppen und Bürge- Gemeindetyp über Einzugsbereiche, die über rinnen und Bürger die bestmöglichen Wege die kommunalen Grenzen hinaus reichen. zur Zielerreichung. Neben den Fördervoraus- Gerade für Klein- und Mittelstädte und deren setzungen des Bundes, sind die entsprechen- Umland bieten lebendige Zentren wichtige den Städtebauförderrichtlinien der Länder Versorgungsstrukturen mit individueller maßgeblich. In den Fördergebieten der 753 Vielfalt und Originalität. Aktive und be- Programmkommunen wurden im Rahmen des lebte Zentren sind Standorte für Wirtschaft, Zentrenprogramms in den vergangenen zwölf Dienstleistungen, Verwaltung, Kultur, Woh- Jahren komplexe städtebauliche Gesamtmaß- nen, Arbeiten und Freizeitgestaltung. Der nahmen umgesetzt mit einer Vielfalt an neuen Erhalt und die Stärkung der Zentren sowie die Qualitäten. Dazu im Folgenden ein kleiner Beseitigung städtebaulicher Missstände und Ausschnitt: Funktionsverluste sind Ziele der nachhaltigen Stadtentwicklung. In Ludwigsfelde (Brandenburg, ca. 24.000 Ein- wohner) südlich von Berlin, gelang es durch Bundesweit stehen Städte und Gemeinden Anreicherung funktionaler Vielfalt eine neue vor der Herausforderung, auftretende Funk- Ortsmitte zu schaffen. Städtebauliche Miss- tionsverluste und Leerstände in zentralen stände konnten behoben und Brachflächen im Versorgungsbereichen zu stoppen, die Ent- Zentrum neuen Nutzungen zugeführt werden. wicklung umzukehren und Orte des gesell- Die verhältnismäßig junge Stadt wird geprägt schaftlichen Zusammenlebens zu schaffen. durch die Autobahntrasse der A10, die auf Die strukturellen, sozial-demografischen und Stelzen durch das Stadtzentrum verläuft. Das wirtschaftlichen Ausgangssituationen und Zentrenprogramm unterstützte die Stadt, den Rahmenbedingungen in den Kommunen sind bereits in den 1990er Jahren begonnenen Auf- hierbei sehr unterschiedlich. wertungsprozess weiterzuführen. Umgesetzt wurden Maßnahmen zur Erhöhung der Auf- Das Bund-Länder-Städtebauförderungspro- enthaltsqualität und Sicherstellung einer aus- gramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“, gewogenen Nutzungsmischung aus Wohnen, das sogenannte Zentrenprogramm, besteht Einzelhandel, Dienstleistungen und Kultur. seit 2008 und unterstützte mit den bereit- Zur Förderung der stadtverträglichen Mobilität gestellten Finanzhilfen die Vorbereitung und wurde die Potsdamer Straße bedarfsgerecht für Durchführung integrierter Ziele und Ansätze die Rad Fahrenden und zu Fuß Gehenden um- in den Programmkommunen. Diese dienen gebaut, auf einer ehemaligen Brachfläche wur- dem Erhalt und Zugewinn von Funktionsviel- de der sogenannte „Aktive-Stadt-Park“ errich- falt und Versorgungssicherheit, dem sozialen tet, das Kulturhaus als öffentliche Einrichtung Zusammenhalt, vielfältigen Wohnformen und saniert und mit Hilfe eines privaten Investors Infrastruktureinrichtungen, der Aufwertung ein Einkaufszentrum errichtet. Durch Umset- öffentlicher Räume, der Pflege der Stadtbau- zung der aufeinander abgestimmten Maßnah- kultur, der partnerschaftlichen Zusammen- men ist das Ludwigsfelder Zentrum attraktiver arbeit und Kooperation, der stadtverträgli- und belebter geworden. 11
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Aktiv-Stadt-Park Ludwigsfelde Eröffnung des Intergenerativen Zentrums in Dülmen Foto: Plan und Praxis Foto: Stadt Dülmen, André Siemes Im Zentrum von Dülmen (Nordrhein-West- Das Stadtteilzentrum Georg-Schumann-Stra- falen, ca. 46.000 Einwohner) wurden öffen- ße in Leipzig (Sachsen, ca. 560.000 Einwohner) liche Einrichtungen unter Berücksichtigung konnte durch Maßnahmen für stadtverträgli- der Stadtgestalt und den Ansprüchen an die che Mobilität, der Aufwertung des öffentlichen Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum auf- Raumes und der Stärkung des Einzelhandels gewertet. Ein Schwerpunkt der Maßnahme lag in seiner Funktion revitalisiert werden. Die darin, unterschiedliche soziale, gesellschaft- Georg-Schumann-Straße bündelt als Magis- liche und kulturelle Angebote öffentlicher und trale zahlreiche Nutzungen und ist ein Stadt- privater Träger in der Innenstadt räumlich zu teilzentrum. Durch das hohe Kfz-Verkehrsauf- bündeln. Darüber hinaus sollte das Stadtbild kommen sowie funktionale und städtebauliche aufgewertet werden. Im Maßnahmenkatalog Defizite verlor die Magistrale vor Aufnahme wurde die Errichtung des sogenannten Inter- in das Zentrenprogramm weitestgehend ihre generativen Zentrums „einsA“ als neue soziale Funktion als urbane Wohn- und Geschäfts- Mitte von Dülmen verankert, das im Mai 2020 straße. Nach der Fertigstellung einer parallel öffnete. Das Intergenerative Zentrum stärkt verlaufenden Bundestraße und der damit ein- den sozialen Zusammenhalt, indem es Einrich- hergehenden verkehrlichen Entlastung konnte tungen der sozialen Infrastruktur bündelt, die die Georg-Schumann-Straße umfassend neu- bislang über die Stadt verteilt waren und bietet gestaltet werden. Die Gestaltung von Straßen- als Begegnungsraum niederschwellige Ange- bahnhaltstellten wurde aufeinander abge- bote und Programme für das Lernen zwischen stimmt und der öffentliche Raum aufgewertet. den Generationen. Der Neubau zwischen Darüber hinaus wurden ein Gymnasium und Rathaus und Kirche bietet Raum für Veranstal- eine denkmalgeschützte Sporthalle saniert tungen, Ausstellungen, die Familienbildungs- sowie ein soziokulturelles Zentrum umgebaut. stätte, eine Bibliothek, eine Kindertagesstätte, Begleitet durch das sogenannte Magistralen- eine Tagespflege sowie ein Café. Durch die management wurden Kunstinstallationen und hohe architektonische Qualität ist das Gebäu- Zwischennutzungen initiiert. In Zusammen- de innenstadtprägend. Darüber hinaus ist die arbeit mit Sozialarbeitern wurde Nutzungskon- Umgestaltung des Marktplatzes wie auch der flikten auf den neu entstandenen öffentlichen angrenzenden Gassen und des Kirchplatzes ge- Flächen frühzeitig entgegengewirkt. Durch ein plant. Um die Wohnnutzung in der Innenstadt Leerstandsmanagement, Beratungsangebote zu stärken, sollen zukünftig Wohnbauprojekte für Gewerbetreibende sowie ein Gründer- und für die Kirchengemeinde sowie für besondere Unternehmernetzwerk, gelang es, leerstehende Wohnformen realisiert werden. Geschäfte wieder einer Nutzung zuzuführen. 12
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Saniertes Heisenberggymnasium in Leipzig Neugestalteter Steintorplatz in Halle (Saale) Foto: Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung, Foto: Stadt Halle (Saale), Thomas Ziegler Stadt Leipzig In der Innenstadt von Halle (Saale) (Sachsen- Zentrenprogramms durch Mitwirkung und Anhalt, ca. 240.000 Einwohner) wurde der Kooperation, Stärkung des Einzelhandels und öffentliche Raum reaktiviert und Maßnahmen Gewerbes, der Aufwertung des öffentlichen der stadtverträglichen Mobilität führten zu hö- Raumes sowie mit Maßnahmen im Bereich herer Aufenthaltsqualität. Die Entwicklung ge- stadtverträglicher Mobilität erreicht. Zu Be- lang auch durch die Mitwirkung und Koopera- ginn der Fördermaßnahme stieg der Leerstand tion vieler Akteursgruppen. Vor der Aufnahme im Einzelhandel stetig an und der öffentliche in das Zentrenprogramm war das Fördergebiet Raum war von funktionalen Schwächen und geprägt durch einen hohen Gebäudeleerstand, gestalterischen Defiziten geprägt. Die Grund- fehlende Nahversorgung, funktionale Schwä- lage für die Entwicklung in Dinslaken bildet chen und gestalterische Defizite im öffentli- das integrierte städtebauliche Entwicklungs- chen Raum. Das integrierte Handlungskonzept konzept. Von besonderer Bedeutung ist die der Stadt Halle (Saale) wurde unter Einsatz Verbesserung der Bedingungen für den Fuß- unterschiedlicher Beteiligungsformate und und Radverkehr. So wurden neue Querungs- Aktivierungsansätzen z. B. Zukunftswerkstät- möglichkeiten entlang viel befahrener Straßen ten, Bürgerkonferenzen und Städtebauwerk- geschaffen, neue Fahrradwege gebaut und stätten erarbeitet. Eine Schlüsselmaßnahme ist überdachte Fahrradabstellanlagen an meh- die Platzgestaltung am Steintor. Dazu wurde reren Standorten in der Innenstadt errichtet. der Steintorplatz neugestaltet, angrenzende Neben weiteren Maßnahmen, um öffentliche und querende Straßenzüge saniert und die Grün- und Freiräume aufzuwerten, wurden Haltestellen des ÖPNV barrierefrei umgestal- mit der Kathrin-Türks-Halle und einem Schul- tet. Es wurde eine Standortgemeinschaft der gebäude öffentliche Einrichtungen saniert. ansässigen Händler aufgebaut und die Fußgän- Insbesondere während der Bauphase wurde gerpassage vom Steintorvarieté zum Steintor- das Vor-Ort-Büro des Citymanagements als campus neugestaltet, um die Universität besser zentrale Anlaufstelle von allen lokalen Ak- in das Stadtgefüge zu integrieren. Durch die teuren aktiv genutzt. Das große Engagement Aufwertung des öffentlichen Raumes, eine ver- und die Mitwirkungsbereitschaft vieler lokaler besserte Erreichbarkeit und die räumliche und Akteure waren essenzieller Beitrag zum Erfolg funktionale Verknüpfung des Zentrums mit der Maßnahme. angrenzenden Geschäftsstraßen konnten neue Qualitäten im Zentrum geschaffen werden. Der historische Stadtkern von Bad Kreuz- nach (Rheinland-Pfalz, ca. 50.000 Einwohner) In Dinslaken (Nordrhein-Westfalen, konnte durch die Sanierung und Entwicklung ca. 70.000 Einwohner) werden die Ziele des der Stadtgestalt und die Verbesserung der 13
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Fahrradwache am Neutor in Dinslaken Alte Nahebrücke in Bad Kreuznach nach der Sanierung Foto: Plan und Praxis Foto: Plan und Praxis Qualität des öffentlichen Raumes aufgewertet tion bei der Aufwertung des Zentrums waren werden. Mitwirkung und Kooperation so- ein wesentlicher Bestandteil der Maßnahme. wie die Stärkung der Einzelhandelsfunktion Vor Aufnahme in das Zentrenprogramm ver- führten zu mehr Nutzungsvielfalt im Zentrum. lor der Ortskern von Saarwellingen durch die Die beiden Innenstadtbrücken „Alte Nahebrü- Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel cke“ und die „Brücke über den Mühlenteich“ am Ortsrand zunehmend an Bedeutung. Der verbinden als stadtbildprägender Brückenzug dadurch entstandene innerstädtische Ge- den Haupteinkaufsbereich mit dem histori- werbeleerstand sowie gestalterische Mängel schen Stadtkern. Gestalterische und bauliche verschärften den Funktionsverlust zusätzlich Defizite machten eine Sanierung erforderlich. und wirkten sich negativ auf die Attraktivität Auf Grundlage eines integrierten städtebau- und Anziehungskraft des Zentrums aus. Auf lichen Entwicklungskonzeptes wurden Maß- Grundlage eines integrierten Gemeindeent- nahmen erarbeitet, mit deren Umsetzung es wicklungskonzeptes sowie eines teilräum- gelang, die Brücken zu modernisieren und lichen Konzeptes für den Ortskern wurde ein barrierefrei umzugestalten. Zudem wurden umfassender Prozess zur Zentrenentwicklung der öffentliche Raum aufgewertet und stadt- angestoßen. Mithilfe eines städtebaulichen bildprägende Gebäude saniert. Darüber hinaus Wettbewerbs und einem anschließenden wurde eine Brachfläche durch eine Anwohner- Interessensbekundungsverfahren wurde ein initiative in einen gemeinschaftlich genutzten Konzept für den Neubau eines Nahversor- Treffpunkt umgestaltet, ein ehrenamtlich gungszentrums im Ortskern entwickelt. Die betriebener Lieferdienst mit Lastenrädern Umsetzung erfolgte durch einen privaten initiiert sowie leerstehende Ladenlokale durch Investor. Darüber hinaus wurde die Bahn- Kunst- und Kulturaktionen zwischengenutzt. hofstraße, entlang derer sich die Einzelhan- Der Aufwertungsprozess wird von einem delsangebote im Zentrum konzentrieren, Quartiersmanagement begleitet, wodurch umgestaltet. Zur Entwicklung öffentlicher unter anderem die Kommunikation zwischen Freiräume wurde ein weiterer städtebaulicher den einzelnen Akteuren verbessert werden Wettbewerb durchgeführt. Zusätzlich ent- konnte. Es entstanden neue Netzwerke und stand eine neue Organisations- und Pro- Kommunikationsstrukturen. jektstruktur durch die sich neue Netzwerke und Kooperationen bildeten, Engagement Der Ortskern von Saarwellingen (Saarland, angestoßen und ein abgestimmtes Handeln ca. 13.500 Einwohner) konnte durch die Stär- ermöglicht wurde. Begleitet wurden die kung des Einzelhandels, die Verbesserung der Prozesse durch ein Zentrumsmanagement, Stadtgestalt und der öffentlichen Freiräume eine Sanierungsberatung durch den Beauf- entwickelt werden. Mitwirkung und Koopera- tragten der Gemeinde sowie die aktive Ein- 14
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Bahnhofstraße in Saarwellingen nach Umgestaltung Bücherei und Bürgerhaus in Litzendorf Foto: Plan und Praxis Foto: Plan und Praxis beziehung verschiedener Akteure, Gremien Schlüsselmaßnahme, die sogenannte „Neue und der Öffentlichkeit. Durch die Verlagerung Mitte Litzendorf“ realisiert werden. Impuls- des nahversorgungsrelevanten Einzelhandels gebende Projekte waren der Neubau einer in die Ortsmitte wurde die Funktionsfähig- Bücherei, der Umbau eines sanierungsbedürf- keit und -vielfalt des Zentrums gesichert und tigen Gebäudes zu einem Bürgerhaus und die ausgebaut. Gestaltung einer öffentlichen Freifläche. Zu- sammen mit der Umgestaltung von Verkehrs- Der Ortskern von Litzendorf (Bayern, ca. 6.000 räumen, wie beispielsweise der Ortsdurchfahrt Einwohner) wurde durch Maßnahmen in – unter Berücksichtigung der Barrierefreiheit den Bereichen Mitwirkung und Kooperation, – gelang es, den Ortskern neu zu beleben und öffentliche Einrichtungen, öffentliche Räume die Funktionsvielfalt zu stärken. und stadtverträgliche Mobilität revitalisiert. Das Zentrum von Litzendarf war vor Beginn Die zuvor knapp dargestellten Schlaglichter der Maßnahme von zunehmendem Leerstand aus Ludwigsfelde, Dülmen, Leipzig, Halle, und geringer Aufenthaltsqualität geprägt. Da- Dinslaken, Bad Kreuznach, Saarwellingen und her wurde ein Gemeindeentwicklungsprozess Litzendorf bilden lediglich 1 % der Programm- angestoßen, der intensiv von einer Vielzahl kommunen des Städtebauförderprogramms unterschiedlicher Akteure, wie beispielsweise ab. Sie vermitteln jedoch einen Eindruck der einem Projektmanagement, einer Lenkungs- vielfältigen individuellen Herangehenswei- gruppe und dem eigens gegründeten Verein sen und genutzten Chancen, um die Funk- „Lebendiges Litzendorf e. V.“ begleitet wurde. tionsvielfalt und Attraktivität von Stadt- und Auf Grundlage eines städtebaulichen Ent- Ortseilzentren mit Unterstützung des Zentren- wicklungskonzeptes konnte unter anderem die programm zu stärken. 15
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise 4 Ausschnitte aus der Programmumsetzung Die Praxis in der Programmumsetzung zeigt, bauliche Qualitäten umgesetzt. Bereichert wird dass neue Qualitäten in den Stadt- und Ortsteil- die Darstellung der Praxisbeispiele durch die zentren entstanden sind. Nachfolgend werden dokumentierten Gespräche mit verantwort- Ausschnitte der Zentrenentwicklung vorgestellt. lichen Akteurinnen und Akteuren vor Ort, die Sie zeigen beispielhaft, wie mit integrierten ihre Sichtweisen auf die Herausforderungen, Handlungsansätzen und Projekten auf die Kooperationen, erreichten Ziele und Lerneffekte unterschiedlichen Problemlagen und Potenziale darlegen. reagiert wird. In den dokumentierten Gesprächen wird zudem Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen wiedergegeben, wie die gegenwärtige Corona- Rahmenbedingungen und Ausgangslagen wur- Pandemie in den Stadt- und Ortsteilzentren den die Herausforderungen durch die Verknüp- wahrgenommen wird. Es gilt zu beachten, dass fung unterschiedlicher Zielbereiche und durch die Gespräche im letzten Quartal 2020 geführt individuelle Lösungsansätze und Maßnahmen wurden und daher nur Entwicklungen bis zu gemeistert und so Funktionsvielfalt und städte- diesem Zeitpunkt dargestellt werden können. Neue Aufenthaltsqualität am Kleinen Kiel-Kanal Quelle: Plan und Praxis 16
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Baunatal aktiv: Revitalisierung der Innenstadt – Qualität im öffentlichen Raum, Hochbau und Einzelhandel Baunatal liegt südlich von Kassel und erfüllt Baunatal – Stadtzentrum die Funktion eines Mittelzentrums. Die Stadt Bundesland: Hessen entstand in den 1960er Jahren durch den Zu- sammenschluss mehrerer Gemeinden nach Stadttyp: Kleinere Mittelstadt(1) der Ansiedlung eines VW-Werks – mit heute Projektlaufzeit: 2008 bis 2019(2) mehr als 17.000 Mitarbeitenden. Fläche Gemeinde: 38,27 km2 (3) Erfolgreiche Belebung und Brückenschlag in Einwohnerzahl Gemeinde: 27.755(3) die Innenstadt Fläche Fördergebiet: 0,16 km2 (2) Einwohnerzahl Fördergebiet: 700(2) Durch die Herstellung einer neuen Nutzungs- vielfalt in der Innenstadt wurden Qualitäten Bewilligte Bundesfinanzhilfen geschaffen. Die Maßnahmen stärken den (einschl. 2019): 1.924.000 €(2) Einzelhandel und die Innenstadt wurde mit Programmziele den umliegenden Stadtteilen gezielt verknüpft. In einem integrierten Entwicklungsprozess ► Funktionsvielfalt und Versorgungssicherheit wurde unter Einbindung einer Vielzahl von ► Soziale Kohäsion lokalen Akteuren das in den 1970er Jahren er- ► Aufwertung des öffentlichen Raumes richtete Stadtzentrum revitalisiert. ► Stadtbaukultur Funktionsverluste im solitär wirkenden ► Stadtverträgliche Mobilität Stadtzentrum ► Partnerschaftliche Zusammenarbeit Das Stadtzentrum Baunatals wurde als zent- Datengrundlagen: raler Einkaufsstandort und neue Stadtmitte (1) BBSR 2020a; (2) BBSR 2020b; (3) Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2021 für die einzelnen stetig wachsenden Ortsteile Baunatals geplant. Zu Beginn der 1990er Jahre verlor das neue Stadtzentrum zunehmend an Leerstände führten zu einem Bedeutungsver- Bedeutung. Es fehlte an Aufenthaltsqualitäten lust der Einzelhandelsfunktion. Die vierspurige und öffentlichen Freiräumen. Zunehmende Ringstraße um das Zentrum entfaltete eine Postgebäude und Umfeld vor der Umgestaltung Nach der Umgestaltung: Begegnungsstätte und (linkes Gebäude) sozialer Treffpunkt Foto: Stadt Baunatal/Büro Junker & Kruse Foto: Stadt Baunatal/Büro Junker & Kruse 17
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Trennwirkung im Stadtgefüge, es fehlte an der Auch private Investitionen übten positive Ein- baulichen und gestalterischen Öffnung in die flüsse auf die Innenstadtentwicklung aus. Ins- umliegenden Stadtbereiche. Unwirkliche Ge- besondere der 2010 durchgeführte Umbau des bäude und Fassadenansichten kennzeichneten am Marktplatz liegenden „Herkules“-Super- weitere Mängel. marktes, der einen hohen Sanierungsbedarf aufwies, hatte eine wichtige Impulswirkung. Die Innenstadt öffnet sich als funktionales Das modernisierte Gebäude öffnet sich durch und belebtes Zentrum seine neue Glasfassade seinem Umfeld und in der zeitgleich umgebauten Westpassage am Mit der Aufnahme in das Zentrenprogramm Busbahnhof wurden vorhandene Leerstände 2008 wurde das Ziel verfolgt, die Innenstadt beseitigt. wieder in ein lebendiges multifunktionales Zentrum zu verwandeln. Die Versorgungs- Weitere brach liegende Flächen konnten in funktion sollte gestärkt, öffentliche Einrich- den Folgejahren durch private Investitionen tungen qualifiziert und öffentliche Räume neuen Nutzungen zugeführt werden. Ent- aufgewertet werden. lang der Friedrich-Ebert-Allee entstanden in privater Trägerschaft ein neues lebendiges Grundlage bildet das 2010 erarbeitete integrier- Stadtquartier mit 140 barrierefreien Wohn- te Handlungskonzept, das in intensiver Zusam- einheiten sowie ein Kino mit Veranstaltungs- menarbeit zwischen privaten und öffentlichen flächen und Gastronomieangeboten. Akteuren sowie sozialen Trägern entstand. Im Partizipationsprozess haben sich Akteurs- Auf Basis der Ergebnisse eines freiraumplane- netzwerke etabliert. Der Verein Citymanage- rischen Wettbewerbs wurden die Rand- und ment setzt sich aus lokalen Gewerbetreiben- Eingangsbereiche, Wegebeziehungen wie den zusammen und begleitet die gesamte die Fußgängerzone und Plätze neugestaltet. Maßnahme. Im Rahmen der hessischen Durch den Umbau der stark durch den Kfz- „INGE“-Initiative schlossen sich Eigentümer Verkehr belasteten Friedrich-Ebert-Allee und und Gewerbetreibende zusammen und mit der Kirchbaunaer Straße zu modernen Stadt- Hilfe des eingerichteten Verfügungsfonds boulevards wurden die verkehrlich genutzten wurden über 30 kleinteilige Projekte zur Be- Räume stadtverträglich gestaltet. lebung der Innenstadt umgesetzt. Die priva- ten Anteile des Verfügungsfonds werden in Als weiteres Schlüsselprojekt wurde das der Regel durch den Verein Citymanagement Rathaus umgebaut und die dort befindliche gestellt. Stadtbibliothek zu einem multifunktionalen Dienstleistungszentrum der Stadt erweitert. Über das EFRE-Programm „Lokale Ökono- Das ehemalige Postgebäude, das erhebliche mien“ wurden Modernisierungsmaßnahmen bauliche Mängel aufwies, wurde saniert und im Gewerbe- und im Handelsflächenbestand wird nun durch die Baunataler Diakonie ge- durchgeführt. Diese dialogorientierten Pro- nutzt. Hier befinden sich mit einer soziokultu- zesse wurden kontinuierlich vom Stadtmar- rellen Begegnungsstätte sowie einem Café im keting sowie dem Kernbereichsmanagement Erdgeschoss wichtige soziale Treffpunkte. begleitet. 18
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Multifunktional ausgebaute Stadtbibliothek Herkulesmarkt nach der Umgestaltung Foto: Stadt Baunatal/Büro Junker & Kruse Foto: Katharina Jäger Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit Klaus-Peter Metz am 3. November 2020 Klaus-Peter Metz ist Leiter des Fachbereiches Wirtschaftsförderung und Finanzen. Er arbeitet seit über 40 Jahren in der Verwaltung in Baunatal und begleitet die Innenstadtentwicklung seit den 1990er Jahren. Was waren die Herausforderungen? über die zukünftigen Schritte informiert und eingeladen, sich zu beteiligen. Ein kontinuier- Bei der Vorbereitung und Durchführung licher Prozess war die Kooperation mit den des Hessentages 1999 zeigten sich die funk- Händlern, die insbesondere in der Initialpha- tionellen und städtebaulichen Schwächen se durch persönliche Überzeugungsarbeit ge- der Innenstadt. Von außen wurde sie kaum prägt war. So gelang es der Stadt, den Eigen- wahrgenommen und es bestand ein deut- tümer des Herkulesmarkts früh im Prozess licher Sanierungsstau. Ziel war es, Sicht- und zu überzeugen, in seinen Gebäudebestand zu Wegeverbindungen in die benachbarten investieren. Ergänzend hierzu war der Auf- Quartiere herzustellen, den Leerstand zu bau von festen Akteursnetzwerken, wie dem senken sowie den öffentlichen Raum in der Verein Citymanagement, von entscheidender Innenstadt attraktiver zu gestalten und so zu Bedeutung, um die Beteiligung verschiedener beleben. Akteure in einem transparenten Planungs- und Umsetzungsprozess zu gewährleisten. Welche Rolle spielten Mitwirkung und Im Verein vertreten sind Mandatsträger, das Kooperation im Prozess der Umsetzung? Innenstadtmanagement und die Verwaltung. Die Ergebnisse der Zentrenentwicklung er- Die kooperative Zusammenarbeit mit einer freuen sich eines großen Zuspruchs durch die Vielzahl von privaten und öffentlichen Ak- lokalen Akteure. teuren war eine der wichtigsten Grundlagen und wurde auf mehreren Ebenen umgesetzt. Wurden die Ziele der Zentrenentwicklung Am Anfang stand eine umfangreiche Betei- erreicht? ligung zwecks Erarbeitung des integrierten Handlungskonzepts. Vor Beginn der bau- Die Ziele der Zentrenentwicklung in Bauna- lichen Maßnahmen wurden alle Eigentümer tal wurden erreicht, auch wenn nicht alle 19
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Maßnahmen realisiert werden konnten. Dazu Prägend waren die Lerneffekte beim Thema gehörte beispielsweise der Umbau des Markt- Baustellenmanagement. Da die Bauphase platzes. Das Zentrum weist heute durch die für alle Akteure mit Belastungen verbunden Vielzahl an öffentlichen und privaten Ein- war, hat sich hier gezeigt, wie entlastend ein richtungen und Einkaufsmöglichkeiten, die gut funktionierendes Baustellenmanage- Gastronomie und den aufgewerteten öffent- ment ist. Weitere Lerneffekte waren beim lichen Raum eine hohe Funktionsvielfalt auf. ressortübergreifenden Handeln innerhalb Eine wichtige Impulswirkung ging sowohl der Verwaltung festzustellen. von den öffentlichen als auch von den priva- ten Schlüsselprojekten aus. So war die private Konnten Sie Auswirkungen der Corona- Sanierung des Herkulesmarkts ein wichtiger Pandemie in Baunatal feststellen? Impuls für die Entwicklung des öffentlichen Raumes. Die Errichtung des Kinokomplexes Die Verwaltung und die Gewerbetreiben- und die Sanierung des Rathauses mit Biblio- den waren gezwungen, sich abrupt auf die thekserweiterung sorgen für eine ganztägige neue Situation einstellen. Das war eine Belebung des Zentrums. Der Leerstand in der unvergleichliche Herausforderung. Für die Innenstadt ist gesunken. Insgesamt hat die Innenstadt von Baunatal sind allerdings Innenstadt eine neue Urbanität gewonnen. durchaus positive Effekte ersichtlich. Die Der ehemalige Bürgermeister hat dies auf öffentlichen Räume sind belebter, da die den Punkt gebracht, indem er sagte: „Das Außenbereiche stärker von der Gastro- sieht jetzt aus, wie in einer richtigen Stadt“. nomie genutzt werden. Zudem konnte der Wochenmarkt räumlich erweitert werden, Was sind Ihre Lernerfahrungen aus der um die Abstandsregeln umzusetzen. Damit Umsetzung? gelang es, größere Bereiche der Innenstadt zu beleben. Rückblickend betrachtet, gibt es wenig, was wir bei der Entwicklung der Innenstadt von Eine Passantenzählung während der Som- Baunatal hätten anders machen sollen. Es mermonate zeigte einen Rückgang der zeigt sich, wie wichtig bei solchen Prozessen Besucherzahlen. Dies lässt sich mit abgesag- einzelne Personen sein können. Von Vorteil ten Großveranstaltungen und Festivitäten war, dass der damalige Bürgermeister den erklären. Darüber hinaus sind allerdings Entwicklungsprozess als „Motor“ perma- keine gravierenden Abweichungen der Be- nent vorantrieb. Darüber hinaus gab es eine sucherzahlen festzustellen. Ein Lebensmit- Person in der Verwaltung, bei der die Fäden teleinzelhändler berichtete, dass die Kun- zusammenliefen, um die Organisation des den seltener, dafür jedoch größere Mengen Gesamtprozesses im Blick zu behalten. kaufen. Zusammenfassung orte geschaffen. Die Funktionsvielfalt wurde gestärkt, indem öffentliche Einrichtungen am In Baunatal wurde im Rahmen eines kon- Standort gesichert und modernisiert wurden. sequent integrierten Vorgehens die unter Durch Errichtung neuer Wohneinheiten wur- Attraktivitätsverlusten leidende Innenstadt de die Innenstadt als Wohnstandort gestärkt. revitalisiert. Durch die Umgestaltung wichtiger Insgesamt entwickelte sich die Baunataler öffentlicher Wegeverbindungen und Plätze Innenstadt zu einem attraktiven und urbanen sowie den stadtverträglichen Umbau von Ver- Stadtzentrum und Standort für Versorgung, kehrstrassen wurden attraktive Aufenthalts- Kultur, Freizeit und Wohnen. 20
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise Markt Manching: Stärkung der Funktionsvielfalt und Belebung öffentlicher Räume im Ortskern Markt Manching liegt südlich von Ingolstadt Markt Manching – Ortsmitte und verfügt über eine keltische Siedlungsge- Bundesland: Bayern schichte. Die Marktgemeinde erfüllt die Funk- tion eines Unterzentrums. Größter Arbeitgeber Stadttyp: Größere Kleinstadt(1) ist ein Entwicklungswerk von Airbus Defence Projektlaufzeit: 2010 bis 2019(2) and Space mit mehr als 5.500 Mitarbeitenden. Fläche Gemeinde: 35,43 km2 (3) Entwicklung eines neuen Gesichts für den Einwohnerzahl Gemeinde: 12.639(3) Ortskern Fläche Fördergebiet: 0,06 km2 (2) Einwohnerzahl Fördergebiet: 740(2) Schlüsselmaßnahme der Zentrenentwicklung war die Aufwertung des öffentlichen Raumes Bewilligte Bundesfinanzhilfen an der Paar, indem Aufenthaltsqualitäten ge- (einschl. 2019): 1.783.550 €(2) schaffen wurden. Ermöglicht wurde dies durch Programmziele frei gewordene Flächen im Ortskern und vor- ausschauendes Flächenmanagement. Das inte- ► grierte Handlungskonzept bildete die Grund- ► lage der Planung und Umsetzung. Innerhalb ► eines Jahrzehnts entwickelte die Marktgemein- de neue Qualitäten in der Ortsmitte. ►►Stadtbaukultur Datengrundlagen: Bedarf an Zentrenqualitäten und Belebung (1) BBSR 2020a; (2) BBSR 2020b; (3) Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2021 des öffentlichen Raumes Die Ortsmitte von Markt Manching blieb hin- ter den Erwartungen an ein belebtes Zentrum rungsmöglichkeiten und die zentrale inner- zurück. Die Aufteilung des Straßenraumes städtische Überbrückung der Paar entsprach orientierte sich am ehemaligen Verlauf der durch die bestehende Teilung des Straßen- Bundesstraße 16, deren Ortsumgehung bereits raumes nicht den Bedürfnissen der genannten seit Jahrzehnten bestand. Für zu Fuß Gehende Gruppen. Direkt angrenzende innerstädti- und Rad Fahrende fehlte es an sicheren Que- sche Flächen befanden sich im Privatbesitz Ansicht der Ingolstädter Str. vor dem Umbau (2009) Ansicht der Ingolstädter Str. nach dem Umbau (2019) Foto: Herbert Nerb, Markt Manching Foto: Herbert Nerb, Markt Manching 21
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren Expertise und im öffentlichen Raum mangelte es an freiheit ist durch eine Rampe gegeben. Die so Aufenthaltsqualitäten. entstandenen „Paarterrassen“ besitzen hohe Aufenthaltsqualität. Als eine weitere Schlüssel- Schaffung von Funktionsvielfalt in maßnahme wurde die innerstädtische Brücke einem neuen urbanen Gefüge mit an der Ingolstädter Straße erweitert und als Aufenthaltsqualitäten öffentlicher Raum aufgewertet. Sie bietet mehr Platz für zu Fuß Gehende und Fahrrad Fahren- Durch die bereits seit langem realisierte Orts- de. Durch die städtebauliche Neuordnung und umgehung der Bundesstraße 16 sowie den einheitliche Gestaltung werden die angren- Erwerb von innerstädtischen Flächen im zenden Bereiche west- und östlich der Paar Zentrum, östlich der Paar, durch die Gemein- zusammengeführt de, bestanden günstige Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Ortsmitte. 2009 stellte In die Planung und Umsetzung wurden lokale Markt Manching den Aufnahmeantrag in das Akteursgruppen in der Marktgemeinde stark Zentrenprogramm und erstellte ein integrier- einbezogen. Für Prozessgestaltung, Bürger- tes Stadtentwicklungskonzept, das 2010 vom beteiligung und Stadtmarketing beauftragte Marktgemeinderat beschlossen wurde. Ziel der Markt Manching ein externes Büro. Über die Zentrenentwicklung war es, den Ortskern städ- gesamte Programmlaufzeit hinweg wurden tebaulich neu zu ordnen, die Nutzungsvielfalt kontinuierlich Informations- und Beteili- zu erweitern sowie qualitätsvolle öffentliche gungsformate angeboten. Hierzu zählen die Räume herzustellen. Auftaktveranstaltung, eine Zukunftskonferenz, Anliegerversammlungen, Baustellen-Jour- Aufbauend auf einem städtebaulichen Ideen- Fixe, Baustellenfeste in jedem Bauabschnitt, wettbewerb, der 2010 ausgelobt wurde, konn- akteursspezifische Formate sowie Befragungen te 2014 mit der Umgestaltung in mehreren zur Ausgestaltung von Einzelmaßnahmen Bauabschnitten begonnen werden. Der erste (beispielsweise der Weihnachtsbeleuchtung). Bauabschnitt diente der Neugestaltung und Zudem wurde ein öffentlich-privater Projekt- Sanierung der Ingolstädter Straße im Zentrum. fonds (Verfügungsfonds) eingerichtet. Über Neben der gestalterischen und funktionalen den Projektfonds wurde in Zusammenarbeit Aufwertung des Straßenraumes wurde auch mit dem örtlichen Gewerbeverband der Wo- der Platz an der Westseite der Paar aufgewer- chenmarkt organisiert. tet. Dieser verfügt nun über ein Fontänenfeld. Durch Besucher und Besucherinnen des Cafés Mit einem kommunalen Förderprogramm im Erdgeschoss des Bibliotheksgebäudes er- für private Gebäudesanierungen samt dazu- folgt u. a. eine Belebung des Platzes. gehöriger Gestaltungsfibel, durch das Ge- bäudeeigentümer neben finanziellen Anreizen Im zweiten Bauabschnitt wurde der Uferzu- auch Beratungen durch Architekten sowie gang zur Paar neugestaltet. Ein rund 30 Meter Inspirationen für Sanierungen in Anspruch langer Bereich des Ufers wurde stufenweise nehmen können, soll die Entwicklung des bis zur Wasserkante abgesenkt und ermög- Ortskerns über die Förderung hinaus fortge- licht den Zugang zum Wasser. Die Barriere- führt werden. 22
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