Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren - Expertise im Rahmen der Bundestransferstellenarbeit der städtebaulichen Begleitforschung Aktive ...

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren - Expertise im Rahmen der Bundestransferstellenarbeit der städtebaulichen Begleitforschung Aktive ...
Aktive Stadt- und Ortsteilzentren

Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren
Expertise im Rahmen der Bundestransferstellenarbeit der
städtebaulichen Begleitforschung
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren - Expertise im Rahmen der Bundestransferstellenarbeit der städtebaulichen Begleitforschung Aktive ...
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren
Expertise im Rahmen der Bundestransferstellenarbeit der
städtebaulichen Begleitforschung zum Städtebauförderprogramm
Aktive Stadt- und Ortsteilzentren

Auftraggeber
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)

Wissenschaftliche und fachliche Begleitung
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Referat RS 2 – Stadtentwicklung
Mechthild Renner (Projektleitung)
mechthild.renner@bbr.bund.de

Auftragnehmer
Bundestransferstelle, Aktive Stadt- und Ortsteilzentren
Plan und Praxis GbR, Berlin
aktivezentren@planundpraxis.de
Sebastian Däßler, Niklas Keller, Darius Kuschke, Holger Pietschmann,
Mario Schmütz und Rhona Wagner

Fotonachweis, siehe Seite 52

Dank gilt den Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern. Ihre Einblicke
in die Umsetzungspraxis vor Ort sind wichtige Bestandteile dieser Expertise.

Berlin, März 2021
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren - Expertise im Rahmen der Bundestransferstellenarbeit der städtebaulichen Begleitforschung Aktive ...
Inhalt

1   Aktuelle Entwicklung der Städtebauförderung                                           4
    Ingo Weiß, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

2   Mit dem Zentrenprogramm zu neuen Qualitäten in Innenstädten, Stadt- und
    Ortsteilzentren mit städtebaulichen Problemlagen                                      6
    Mechthild Renner, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

3   Vielfalt und Originalität – Das Zentrenprogramm unterstützt maßgeschneiderte
    Entwicklungen                                                                        11
4   Ausschnitte aus der Programmumsetzung                                                16
    Baunatal aktiv: Revitalisierung der Innenstadt – Qualität im öffentlichen Raum,
    Hochbau und Einzelhandel                                                             17
    Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit Klaus-
    Peter Metz am 3. November 2020
    Markt Manching: Stärkung der Funktionsvielfalt und Belebung öffentlicher
    Räume im Ortskern                                                                    21
    Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit
    Herbert Nerb und Johann Forstner am 12. November 2020
    Bad Wildungen – das „Scharnier“: Neue Aufenthaltsqualität durch zentrale Wegeachse
    in der Innenstadt                                                                    25
    Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit
    Robert Hilligus am 21. Oktober 2020
    Langenhagen: Akteursbeteiligung zur behutsamen Entwicklung der Innenstadt            29
    Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit
    Carsten Hettwer und Christine Söhlke am 4. November 2020
    Emden: Sanierung findet Stadt – Revitalisierung untergenutzter Flächen
    in der Innenstadt                                                                    33
    Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit
    Rainer Kinzel und Wilhelm Lücking am 29. Oktober 2020
    Kiel: Schlüsselmaßnahme Kleiner Kiel-Kanal fördert Revitalisierung der Innenstadt    37
    Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit
    Felix Schmuck und Nils Horstmeyer am 23. Oktober 2020
    Siegen zu neuen Ufern: Neuprofilierung der Siegener Innenstadt                       41
    Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit Henrik
    Schumann am 3. November 2020
    Ulm-Weststadt: Aufenthaltsqualitäten und neue Wohnungen für ein
    attraktives Stadtteilzentrum                                                         45
    Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit
    Karla Niebling-Junginger am 5. November 2020

5   Zwölf Jahre individuelle Herausforderungen und innovative
    Lösungsansätze durch das Zentrenprogramm                                             49
Anhang                                                                                   50
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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                           Expertise

1      Aktuelle Entwicklung der Städtebauförderung

Ingo Weiß, Referat SW III 5 – Lebendige Zentren, Nationale Projekte des Städtebaus
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

Die Herausforderungen der Innenstadtent-                Die Gesichter unserer Städte werden sich ver-
wicklung waren und sind zentrales Thema der             ändern. Die Herausforderung wird sein, unsere
Stadtentwicklungspolitik des Bundes.                    Städte und Gemeinden, insbesondere auch die
                                                        Zentren, als multifunktionale Orte zu stärken,
Die Corona-Pandemie stellt unsere Innenstäd-            als Sozial-, Arbeits- und Erlebnisraum mit
te vor enorme Herausforderungen. Sie wirkt              Angeboten für Wohnen, Arbeiten, Begegnung,
wie ein Katalysator für den schon seit vielen           Bildung, Betreuung, Kultur, Logistik, Gastrono-
Jahren stattfindenden Strukturwandel, der               mie und Handel. Die Stadt der Zukunft muss
auch unsere Stadt- und Ortsteilzentren betrifft.        die vorhandenen Funktionen in kluger Weise
Das BMI hat früh den intensiven Austausch               neu und zu veränderten Anteilen miteinander
mit Beteiligten aus Handel, Gastronomie,                verknüpfen.
Handwerk, Immobilienwirtschaft und Kom-
munen initiiert und den „Beirat Innenstadt“             Die Städtebauförderung des Bundes und
gegründet. Bis Sommer 2021 wird das BMI                 der Länder, die auch auf europäischer Ebene
unter Beteiligung des Beirats eine Innenstadt-          durchaus Beispiel gebend ist, ist das Instru-
Strategie erarbeiten. Ziel ist es, den Kommunen         ment in Deutschland, um aktuelle städtebau-
dabei zu helfen, ihre Innenstädte als lebens-           liche Herausforderungen zu meistern und
werte, identitätsstiftende Räume für die Bürge-         Problemlagen entgegen zu wirken. Das zeigen
rinnen und Bürger zu erhalten.                          auch die in der Kurzexpertise dargestellten vie-

Attraktivierter Stadtkern von Haldensleben (Sachsen-Anhalt)
Foto: Plan und Praxis

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                          Expertise

Aufenthaltsqualität auf dem „Boulevard“ in Luckenwalde (Brandenburg)
Foto: Plan und Praxis

len guten Beispiele aus dem Programm „Aktive          gebracht. Kommunen in Haushaltsnotlage be-
Stadt- und Ortsteilzentren“.                          kommen besondere Unterstützung, hier kann
                                                      der kommunale Eigenanteil auf zehn Prozent
Gemeinsam mit den Ländern und kommuna-                reduziert werden.
len Spitzenverbänden hat der Bund die Städte-
bauförderung in 2020 umfassend neu struktu-           Die Maßnahmen und Instrumente der Städte-
riert und weiterentwickelt. Mit den drei neuen        bauförderung sind grundsätzlich flexibel und
Programmen „Lebendige Zentren“, „Sozialer             geeignet, um den aktuellen Herausforderun-
Zusammenhalt“ und „Wachstum und nach-                 gen städtebaulich begegnen zu können. Das
haltige Erneuerung“ unterstützen Bund und             gilt für die Förderung von baulichen Maß-
Länder die Kommunen bei ihrer städtebau-              nahmen, um Ortskerne zu beleben oder um
lichen Erneuerung. Ein besonderer Fokus liegt         die Sicherheit und Barrierefreiheit in den
dabei auf den Innenstädten: Das Programm              Innenstädten zu erhöhen; ebenso wie für die
„Lebendige Zentren“ ist mit 300 Millionen             Unterstützung eines qualifizierten Zentrenma-
Euro jährlich (Bundesfinanzhilfen) das finanz-        nagements, für die Beratung des innerstädti-
stärkste Programm der Städtebauförderung.             schen Gewerbes, z. B. beim Leerstandsmanage-
Lebendige Zentren sind Voraussetzung und              ment, oder die Förderung von Kooperationen
Aushängeschild für attraktive Städte und Ge-          von und mit Gewerbetreibenden. Auch die
meinden zugleich.                                     Fördertatbestände „Maßnahmen zum Ein-
                                                      satz digitaler Technologien“ und die Verfü-
Seit 2017 standen für die Städtebauförderung          gungsfonds sind offengehalten und bieten
insgesamt 790 Millionen Euro an Bundes-               viele, an den lokalen Bedingungen orientierte
finanzmitteln pro Jahr zur Verfügung. Auch            Einsatzmöglichkeiten.
2021 soll dieses hohe Niveau gehalten werden.
Eine wichtige neue Fördervoraussetzung der            Der Bund bleibt mit der neustrukturierten
Städtebauförderung ab 2020 ist, in den Förder-        und auf hohem Niveau verstetigten Städte-
gebieten Maßnahmen des Klimaschutzes bzw.             bauförderung auch in Zukunft ein wichtiger
zur Anpassung an den Klimawandel umzu-                Partner der Kommunen bei der Bewältigung
setzen. Damit wurde in der Neustrukturierung          ihrer städtebaulichen Herausforderungen.
einen weiterer Schwerpunk auf ein Thema               Und das gilt insbesondere für die Unterstüt-
gesetzt, das die Zukunft unserer Städte prägen        zung des Erhalts und der Entwicklung von
wird. Zudem werden interkommunale Ko-                 attraktiven und lebenswerten Innenstädten
operationen mit einem Förderbonus voran-              und Ortszentren.

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                     Expertise

2      Mit dem Zentrenprogramm zu neuen Qualitäten in Innenstädten, Stadt-
       und Ortsteilzentren mit städtebaulichen Problemlagen
Mechthild Renner, Referat RS 2 Stadtentwicklung, Bundesinstitut für Bau-, Stadt-
und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR im BBR)

Attraktive Innenstädte, vitale Ortskerne und     Angesichts regionaler Besonderheiten und lo-
lebenswerte Stadtteilzentren sind „Herz“ und     kalspezifischer Eigenarten sind Ausgangslagen
„Rückgrat“ der örtlichen Entwicklung und         und Rahmenbedingungen in den verschiede-
von herausragender Bedeutung für die Stadt       nen Innenstädten, Ortskernen, Stadtteil- und
und die Region.                                  Ortsteilzentren sehr heterogen. Und ob über-
                                                 haupt und wenn ja, welche städtebaulichen
Die Gleichzeitigkeit von Wachstum und            Problemlagen und Herausforderungen ent-
Schrumpfung im Bundesgebiet, der demo-           stehen, worin die Chancen und Potenziale der
grafische, wirtschaftliche und technische        Innenstädte, Ortskerne, Stadtteil- und Ortsteil-
Wandel, die Entwicklung zur Informations-        zentren für ihre zukünftige Entwicklung im
gesellschaft und der Klimawandel stellen die     Einzelnen liegen, ist ebenfalls unterschiedlich.
Zentren fortwährend vor neue Herausforde-
rungen. So auch die aktuelle Pandemie, wobei     Das Bund-Länder-Programm der Städtebau-
die Auswirkungen noch nicht abschätzbar          förderung „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“
sind.                                            (Zentrenprogramm) hat seit zwölf Jahren in
                                                 den Zentren mit städtebaulichen Problem-
Die zentralen Stadträume unterliegen so-         lagen angesetzt, in denen die Revitalisierung
mit nach wie vor bzw. immer wieder einem         nicht mehr allein durch private Initiative
hohen Veränderungsdruck. In den Städten          funktionierte.
und Gemeinden vollzieht sich ein ständiger
Funktions- und Strukturwandel. So haben die      Von 2008 bis einschließlich 2019 wurden
Innenstädte, Stadt- und Ortsteilzentren vie-     mit ca. 1.147 Mio. Euro Bundesfinanzhil-
lerorts Funktionsschwächen zu beklagen und       fen 868 Maßnahmen in 753 Kommunen im
an Attraktivität eingebüßt. In strukturstarken   Rahmen des Zentrenprogramms gefördert. In
Zentren sind zudem Nutzungskonkurrenzen          den letzten Jahren sind jährlich ca. 60 städ-
und -verdrängungen zu beobachten. Ande-          tebauliche Gesamtmaßnahmen neu in das
renorts können Leerstände und mangelnde          Programm aufgenommen worden. Von 2016
Infrastrukturauslastung Zentrumsfunktionen       bis 2019 wurden jährlich über 100 Mio. Euro
beeinträchtigen.                                 Bundesfinanzhilfen bereitgestellt.

Weißer Garten Haldensleben (Sachsen-Anhalt)      Urban Gardening in Nürnberg (Bayern)
Foto: Mechthild Renner                           Foto: Mechthild Renner

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren - Expertise im Rahmen der Bundestransferstellenarbeit der städtebaulichen Begleitforschung Aktive ...
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                                                                                                                        Expertise

  Aktive Stadt- und Ortsteilzentren
                                                                                      DK

                                                                                                             !

                                                                                                                 Kiel
                                                                                                                                                       !   Rostock

                                                                                                                                     !   Schwerin
                                                                                                         !       Hamburg

                                                                              !   Bremen

                                                                                                                                                                                              PL

                                                                                                                                                                               Berlin
                                                                                                                                                                               !

                                                                                                     Hannover                                                Potsdam!
                                                                                                 !

                      NL
                                                                                                                                         !       Magdeburg
                                                                        Bielefeld
                                                                    !

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                                             !    Dortmund                                                                           Halle/S.
                                                                                                                                                             Leipzig
                                       !                                                                                                           !
                      Essen
                                                                                                                                                             !

                                   Düsseldorf
                           !                                                               !

                                                                                               Kassel                                                                                   Dresden
                                                                                                                                                                                        !

                     Köln          !                                                                                Erfurt   !
                                                                                                                                                                          Chemnitz
                                                                                                                                                                          !
                                       !
                                           Bonn

           BE

                                           Wiesbaden                    !
                                                                                                                                                                     CZ
                                                            !
                                                            !               Frankfurt/M.
                                                         Mainz
            LU

                                                                    Mannheim
                                                                !
                                                                                                                                 !

                               !
                                   Saarbrücken                                                                                   Nürnberg

                                            FR                                        Stuttgart
                                                                                  !

                                                                                                 Ulm
                                                                                                     !

                                                                                                                                                                              AT
                                                                                                                                             !

                                                  !
                                                                                                                                             München
                                                      Freiburg i.Br.

                                                                            CH
                 100 km
                                                                                                                                                                                                   © BBSR Bonn 2020

  Städte und Gemeinden im Programm Aktive Stadt-
                                                                                                                                                                 Datenbasis: Städtebauförderungsdatenbank des BBSR
  und Ortsteilzentren, Programmjahr 2019                                                                                                                         Geometrische Grundlage: Gemeinden, Länder (generalisiert),
                                                                                                                                                                 31.12.2018 © GeoBasis-DE/BKG
        Großstadt                                                Großstadtregionen
        Mittelstadt                                              Gebiete außerhalb von Großstadtregionen

        Kleinstadt
        Landgemeinde

Karte 1: Städte und Gemeinden im Programm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren, Programmjahr 2019,
Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

                                                                                                                                                                                                                              7
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren - Expertise im Rahmen der Bundestransferstellenarbeit der städtebaulichen Begleitforschung Aktive ...
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                       Expertise

Zur konkreten Vorstellung: Von allen Ge-          chenden (Querschnitts-)Zielen Orientierung
meindeverbänden bundesweit erhielten              für die Umsetzung vor Ort gegeben:
in zwölf Jahren circa 15 % eine Förderung          • Schaffung von Funktionsvielfalt und
aus dem Programm Aktive Stadt- und                   Versorgungssicherheit
Ortsteilzentren.                                   • Erhalt des sozialen Zusammenhalts
                                                     durch vielfältige Wohnformen und
Das Zentrenprogramm hat integrierte Hand-            Infrastrukturangebote
lungsansätze unterstützt, um zentrale Stadt-       • Qualifizierung öffentlicher Räume
räume zu revitalisieren, die durch Funktions-      • Pflege der Stadtbaukultur
verluste und Leerstände, städtebauliche            • Optimierung einer stadtverträglichen
Missstände oder (drohende) abnehmende                Mobilität
Nutzungsintensitäten geschwächt waren und          • Partnerschaftliche Zusammenarbeit von
so (drohende) Abwärtsspiralen zu stoppen. Es         Bürgerinnen und Bürgern sowie öffentli-
ging darum, vielseitige und vitale Stadtzentren      chen und privaten Akteuren
im Sinne nachhaltiger Stadtentwicklung zu          • Klimaschutz und Anpassung an die Folgen
entwickeln. Eine Schlüsselfunktion bildete da-       des Klimawandels
bei die Nutzungsmischung mit einem (stadt-)
verträglichen Nebeneinander von Wohnen            Diese strategische Orientierung des Zentren-
und Arbeiten, Wirtschaft und Handel, Bildung      programms hat sich in der zwölfjährigen
und Gesundheit sowie Versorgung und Freizeit      Umsetzungspraxis bewährt. Dabei hat die
und einer konfliktarmen und umweltgerech-         Anwendung der breiten Palette planerischer
teren Verkehrsgestaltung. Zu berücksichtigen      Instrumente zur Absicherung der Qualitäts-
waren dabei Barrierefreiheit und -armut sowie     ziele gedient.
Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen
des Klimawandels. Ein entscheidender Beitrag      Vielerorts wurde eine stadtverträgliche Nut-
zum Erfolg der städtebaulichen Gesamtmaß-         zungsmischung in partnerschaftlicher Zu-
nahmen hat dabei in der aktiven Mitwirkung        sammenarbeit zwischen öffentlichen und
lokaler Akteure und der Bewohnerinnen und         privaten Akteuren etabliert. Häufig haben z. B.
Bewohner gelegen.                                 neue Wohnangebote sowie attraktive Kultur-,
                                                  Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen zur
Die zum Programmstart zwischen Bund,              Stärkung der Multifunktionalität der Zentren
Ländern und kommunalen Spitzenverbänden           beigetragen. Einzelhändler haben den sta-
vereinbarte Strategie griff die komplexen Her-    tionären Einzelhandel mit Onlineangeboten
ausforderungen auf und hat mit den entspre-       verknüpft und so lokale Standorte in den
                                                  Fördergebieten des Zentrenprogramms ge-

Außenraum der Schillerbibliothek Berlin           Schillerbibliothek Berlin: Ausschnitt Gebäudefront
Foto: Mechthild Renner                            Foto: Mechthild Renner

                                                                                                       8
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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                      Expertise

Stadtteilbüro in Hamburg-Barmbeck                 Bauschild für die Marzahner Promenade in Berlin
Foto: Mechthild Renner                            Foto: Mechthild Renner

stärkt. Oder leerstehende Kaufhäuser wurden       zubetonierte Wasserflächen wurden freigelegt.
mit Mischnutzungen revitalisiert. Der Erhalt      Auch die Zugänglichkeit von Uferbereichen
und die Anreicherung von Nutzungen haben          wurde ermöglicht. Durch Wegeverbindungen
für Frequenz gesorgt und zur Lebendigkeit der     wurden die unterschiedlichen öffentlichen
Zentren beigesteuert.                             Räume miteinander vernetzt. Auch so wurden
                                                  Angebote für belebte Innenstädte, Stadt- und
Das Zentrenprogramm hat zur sozialen Stabili-     Ortsteilzentren geschaffen und die Standort-
tät im Quartier beigetragen, indem Treffpunk-     bedingungen für Gewerbe, Handel, öffentliche
te und Gemeinschaftseinrichtungen geschaf-        Einrichtungen und Wohnen optimiert.
fen sowie öffentliche Räume nutzerorientiert
gestaltet wurden. Die im Zentrum realisierten     In den Zentren entstand in Dialogprozessen
städtebaulichen und funktionalen Qualitäten       mit Bürgerinnen und Bürgern ein Bewusstsein
gaben Anlass für Wohnungssanierungen und          für baukulturelle Qualitäten. Erkannt wurde,
-neubau – auch z. B. für generationenübergrei-    dass sich Nutzungs- und Gestaltungsentschei-
fendes Wohnen – durch private und öffentli-       dungen auf die Anziehungskraft der Zentren
che Investoren.                                   auswirken. Die identitätsstiftende Ortsbin-
                                                  dung der Akteure, z. B. der Gebäudeeigentü-
Im öffentlichen Raum wurden Aufenthaltsqua-       mer, drückte sich auch in deren persönlichem
litäten geschaffen. Vielfältige Grün- und Frei-   und finanziellem Engagement für das Zent-
räume wurden nachhaltig gestärkt. Ehemals         rum aus.

Marktplatz in Wolfenbüttel (Niedersachsen)        Altstadt von Bamberg (Bayern)
Foto: Mechthild Renner                            Foto: Mechthild Renner

                                                                                                    9
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren - Expertise im Rahmen der Bundestransferstellenarbeit der städtebaulichen Begleitforschung Aktive ...
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                      Expertise

Stadtverträgliche Mobilität wurde in den          wie das Zentrenmanagement und der Ver-
Zentren durch viele Maßnahmen unterstützt.        fügungsfonds privates Engagement gefördert,
Das Zusammenspiel verschiedener Verkehrs-         Akteure vernetzt und private finanzielle Res-
mittel wurde verbessert, z. B. indem Knoten-      sourcen aktiviert.
punkte des öffentlichen Personennahverkehrs
geschaffen oder optimiert wurden, die Tak-        Klimaschutz und Anpassung an die Folgen
tung ausgeweitet und die Knotenpunkte mit         des Klimawandels wurden als wichtige Quer-
anderen Verkehrsträgern verknüpft wurden.         schnittsaufgaben des Zentrenprogramms
So wurden Synergieeffekte erzielt. In einigen     umgesetzt. Dazu dienten z. B. Maßnahmen
Fördergebieten wurden Straßenräume um-            der energetischen Quartiers- und Gebäude-
bzw. rückgebaut; so wurde Platz geschaffen für    sanierung, die Neuanlage bzw. Aufwertung
barrierefreie Fuß- und Radwege, aber auch, um     von Parks und Grünflächen, Dach- und Fassa-
öffentliche Räume zum Verweilen oder zur Be-      denbegrünungen, sogenannte „Pocket Parks“,
gegnung zu qualifizieren.                         die Freilegung von Flussläufen durch Rück-
                                                  bau von verkehrlich genutzten Räumen und
Die partnerschaftliche Zusammenarbeit             die Renaturierung von Uferbereichen in den
zwischen öffentlichen und privaten Akteuren       Zentren.
im Rahmen der Umsetzung des Zentren-
programms hat dazu beigetragen, die Identi-       Mit Unterstützung aus dem Zentrenpro-
fikation der lokalen Akteure mit den Zentren      gramm wurden in zahlreichen zentralen
zu erhöhen. Die integrierte Ausrichtung des       Versorgungsbereichen vor Ort in vielfacher
Zentrenprogramms mit seiner Kombination           Hinsicht neue städtebauliche Qualitäten ge-
von baulich-investiven Projekten und parti-       schaffen. Ermöglicht wurde dies durch einen
zipativen Ansätzen vor Ort hat sich bewährt.      ganzheitlichen Ansatz, der über den Teller-
Dazu hat ein breites Spektrum an Aktivitä-        rand einzelner Nutzungen schaut und auf eine
ten beigetragen: angefangen vom bekannten         Balance der verschiedenen Zielbereiche setzt
Handwerkszeug der Öffentlichkeitsarbeit über      sowie im Kern auf partnerschaftliche Koope-
diverse (mancherorts auch digitale) Beteili-      ration. Dazu wurden vor Ort Fördermittel aus
gungsformate, Gremienarbeit oder z. B. auch       verschiedenen Bereichen z. B. der Wohnraum-,
die Arbeit von Immobilien- und Standortge-        der Wirtschaftsförderung, der energetischen
meinschaften, Vereinen und vielfachem zivil-      Sanierung oder aus Umweltprogrammen
gesellschaftlichen Engagement von Bürgerin-       gebündelt, die auf Ebene der EU, des Bundes,
nen und Bürgern aller Altersklassen. Zusätzlich   der Länder oder der Kommunen angeboten
haben die programmspezifischen Instrumente        wurden.

Bibliothek Haldensleben (Sachsen-Anhalt)          Zinnschmelze, Beispiel für EU-Förderung (Hamburg)
Foto: Plan und Praxis                             Foto: Mechthild Renner

                                                                                                  10
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                  Expertise

3      Vielfalt und Originalität – Das Zentrenprogramm unterstützt
       maßgeschneiderte Entwicklungen

Die „zentralen Versorgungsbereiche“ in          chen Mobilität sowie dem Klimaschutz und
Deutschland sind die Innenstadtzentren          der Anpassung.
und Ortskerne, Stadt- und Ortsteilzentren
sowie Grund- und Nahversorgungszentren.         Die Programmumsetzung wurde auf die
Sie vereinen die essenziellen Funktionen        Gegebenheiten vor Ort abgestellt. Jede Pro-
und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und           grammkommune wählte unter Mitarbeit und
Bewohner und verfügen je nach Stadt- und        Kooperation der Akteursgruppen und Bürge-
Gemeindetyp über Einzugsbereiche, die über      rinnen und Bürger die bestmöglichen Wege
die kommunalen Grenzen hinaus reichen.          zur Zielerreichung. Neben den Fördervoraus-
Gerade für Klein- und Mittelstädte und deren    setzungen des Bundes, sind die entsprechen-
Umland bieten lebendige Zentren wichtige        den Städtebauförderrichtlinien der Länder
Versorgungsstrukturen mit individueller         maßgeblich. In den Fördergebieten der 753
Vielfalt und Originalität. Aktive und be-       Programmkommunen wurden im Rahmen des
lebte Zentren sind Standorte für Wirtschaft,    Zentrenprogramms in den vergangenen zwölf
Dienstleistungen, Verwaltung, Kultur, Woh-      Jahren komplexe städtebauliche Gesamtmaß-
nen, Arbeiten und Freizeitgestaltung. Der       nahmen umgesetzt mit einer Vielfalt an neuen
Erhalt und die Stärkung der Zentren sowie die   Qualitäten. Dazu im Folgenden ein kleiner
Beseitigung städtebaulicher Missstände und      Ausschnitt:
Funktionsverluste sind Ziele der nachhaltigen
Stadtentwicklung.                               In Ludwigsfelde (Brandenburg, ca. 24.000 Ein-
                                                wohner) südlich von Berlin, gelang es durch
Bundesweit stehen Städte und Gemeinden          Anreicherung funktionaler Vielfalt eine neue
vor der Herausforderung, auftretende Funk-      Ortsmitte zu schaffen. Städtebauliche Miss-
tionsverluste und Leerstände in zentralen       stände konnten behoben und Brachflächen im
Versorgungsbereichen zu stoppen, die Ent-       Zentrum neuen Nutzungen zugeführt werden.
wicklung umzukehren und Orte des gesell-        Die verhältnismäßig junge Stadt wird geprägt
schaftlichen Zusammenlebens zu schaffen.        durch die Autobahntrasse der A10, die auf
Die strukturellen, sozial-demografischen und    Stelzen durch das Stadtzentrum verläuft. Das
wirtschaftlichen Ausgangssituationen und        Zentrenprogramm unterstützte die Stadt, den
Rahmenbedingungen in den Kommunen sind          bereits in den 1990er Jahren begonnenen Auf-
hierbei sehr unterschiedlich.                   wertungsprozess weiterzuführen. Umgesetzt
                                                wurden Maßnahmen zur Erhöhung der Auf-
Das Bund-Länder-Städtebauförderungspro-         enthaltsqualität und Sicherstellung einer aus-
gramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“,      gewogenen Nutzungsmischung aus Wohnen,
das sogenannte Zentrenprogramm, besteht         Einzelhandel, Dienstleistungen und Kultur.
seit 2008 und unterstützte mit den bereit-      Zur Förderung der stadtverträglichen Mobilität
gestellten Finanzhilfen die Vorbereitung und    wurde die Potsdamer Straße bedarfsgerecht für
Durchführung integrierter Ziele und Ansätze     die Rad Fahrenden und zu Fuß Gehenden um-
in den Programmkommunen. Diese dienen           gebaut, auf einer ehemaligen Brachfläche wur-
dem Erhalt und Zugewinn von Funktionsviel-      de der sogenannte „Aktive-Stadt-Park“ errich-
falt und Versorgungssicherheit, dem sozialen    tet, das Kulturhaus als öffentliche Einrichtung
Zusammenhalt, vielfältigen Wohnformen und       saniert und mit Hilfe eines privaten Investors
Infrastruktureinrichtungen, der Aufwertung      ein Einkaufszentrum errichtet. Durch Umset-
öffentlicher Räume, der Pflege der Stadtbau-    zung der aufeinander abgestimmten Maßnah-
kultur, der partnerschaftlichen Zusammen-       men ist das Ludwigsfelder Zentrum attraktiver
arbeit und Kooperation, der stadtverträgli-     und belebter geworden.

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                       Expertise

Aktiv-Stadt-Park Ludwigsfelde                      Eröffnung des Intergenerativen Zentrums in Dülmen
Foto: Plan und Praxis                              Foto: Stadt Dülmen, André Siemes

Im Zentrum von Dülmen (Nordrhein-West-             Das Stadtteilzentrum Georg-Schumann-Stra-
falen, ca. 46.000 Einwohner) wurden öffen-         ße in Leipzig (Sachsen, ca. 560.000 Einwohner)
liche Einrichtungen unter Berücksichtigung         konnte durch Maßnahmen für stadtverträgli-
der Stadtgestalt und den Ansprüchen an die         che Mobilität, der Aufwertung des öffentlichen
Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum auf-      Raumes und der Stärkung des Einzelhandels
gewertet. Ein Schwerpunkt der Maßnahme lag         in seiner Funktion revitalisiert werden. Die
darin, unterschiedliche soziale, gesellschaft-     Georg-Schumann-Straße bündelt als Magis-
liche und kulturelle Angebote öffentlicher und     trale zahlreiche Nutzungen und ist ein Stadt-
privater Träger in der Innenstadt räumlich zu      teilzentrum. Durch das hohe Kfz-Verkehrsauf-
bündeln. Darüber hinaus sollte das Stadtbild       kommen sowie funktionale und städtebauliche
aufgewertet werden. Im Maßnahmenkatalog            Defizite verlor die Magistrale vor Aufnahme
wurde die Errichtung des sogenannten Inter-        in das Zentrenprogramm weitestgehend ihre
generativen Zentrums „einsA“ als neue soziale      Funktion als urbane Wohn- und Geschäfts-
Mitte von Dülmen verankert, das im Mai 2020        straße. Nach der Fertigstellung einer parallel
öffnete. Das Intergenerative Zentrum stärkt        verlaufenden Bundestraße und der damit ein-
den sozialen Zusammenhalt, indem es Einrich-       hergehenden verkehrlichen Entlastung konnte
tungen der sozialen Infrastruktur bündelt, die     die Georg-Schumann-Straße umfassend neu-
bislang über die Stadt verteilt waren und bietet   gestaltet werden. Die Gestaltung von Straßen-
als Begegnungsraum niederschwellige Ange-          bahnhaltstellten wurde aufeinander abge-
bote und Programme für das Lernen zwischen         stimmt und der öffentliche Raum aufgewertet.
den Generationen. Der Neubau zwischen              Darüber hinaus wurden ein Gymnasium und
Rathaus und Kirche bietet Raum für Veranstal-      eine denkmalgeschützte Sporthalle saniert
tungen, Ausstellungen, die Familienbildungs-       sowie ein soziokulturelles Zentrum umgebaut.
stätte, eine Bibliothek, eine Kindertagesstätte,   Begleitet durch das sogenannte Magistralen-
eine Tagespflege sowie ein Café. Durch die         management wurden Kunstinstallationen und
hohe architektonische Qualität ist das Gebäu-      Zwischennutzungen initiiert. In Zusammen-
de innenstadtprägend. Darüber hinaus ist die       arbeit mit Sozialarbeitern wurde Nutzungskon-
Umgestaltung des Marktplatzes wie auch der         flikten auf den neu entstandenen öffentlichen
angrenzenden Gassen und des Kirchplatzes ge-       Flächen frühzeitig entgegengewirkt. Durch ein
plant. Um die Wohnnutzung in der Innenstadt        Leerstandsmanagement, Beratungsangebote
zu stärken, sollen zukünftig Wohnbauprojekte       für Gewerbetreibende sowie ein Gründer- und
für die Kirchengemeinde sowie für besondere        Unternehmernetzwerk, gelang es, leerstehende
Wohnformen realisiert werden.                      Geschäfte wieder einer Nutzung zuzuführen.

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                       Expertise

Saniertes Heisenberggymnasium in Leipzig          Neugestalteter Steintorplatz in Halle (Saale)
Foto: Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung,    Foto: Stadt Halle (Saale), Thomas Ziegler
Stadt Leipzig

In der Innenstadt von Halle (Saale) (Sachsen-     Zentrenprogramms durch Mitwirkung und
Anhalt, ca. 240.000 Einwohner) wurde der          Kooperation, Stärkung des Einzelhandels und
öffentliche Raum reaktiviert und Maßnahmen        Gewerbes, der Aufwertung des öffentlichen
der stadtverträglichen Mobilität führten zu hö-   Raumes sowie mit Maßnahmen im Bereich
herer Aufenthaltsqualität. Die Entwicklung ge-    stadtverträglicher Mobilität erreicht. Zu Be-
lang auch durch die Mitwirkung und Koopera-       ginn der Fördermaßnahme stieg der Leerstand
tion vieler Akteursgruppen. Vor der Aufnahme      im Einzelhandel stetig an und der öffentliche
in das Zentrenprogramm war das Fördergebiet       Raum war von funktionalen Schwächen und
geprägt durch einen hohen Gebäudeleerstand,       gestalterischen Defiziten geprägt. Die Grund-
fehlende Nahversorgung, funktionale Schwä-        lage für die Entwicklung in Dinslaken bildet
chen und gestalterische Defizite im öffentli-     das integrierte städtebauliche Entwicklungs-
chen Raum. Das integrierte Handlungskonzept       konzept. Von besonderer Bedeutung ist die
der Stadt Halle (Saale) wurde unter Einsatz       Verbesserung der Bedingungen für den Fuß-
unterschiedlicher Beteiligungsformate und         und Radverkehr. So wurden neue Querungs-
Aktivierungsansätzen z. B. Zukunftswerkstät-      möglichkeiten entlang viel befahrener Straßen
ten, Bürgerkonferenzen und Städtebauwerk-         geschaffen, neue Fahrradwege gebaut und
stätten erarbeitet. Eine Schlüsselmaßnahme ist    überdachte Fahrradabstellanlagen an meh-
die Platzgestaltung am Steintor. Dazu wurde       reren Standorten in der Innenstadt errichtet.
der Steintorplatz neugestaltet, angrenzende       Neben weiteren Maßnahmen, um öffentliche
und querende Straßenzüge saniert und die          Grün- und Freiräume aufzuwerten, wurden
Haltestellen des ÖPNV barrierefrei umgestal-      mit der Kathrin-Türks-Halle und einem Schul-
tet. Es wurde eine Standortgemeinschaft der       gebäude öffentliche Einrichtungen saniert.
ansässigen Händler aufgebaut und die Fußgän-      Insbesondere während der Bauphase wurde
gerpassage vom Steintorvarieté zum Steintor-      das Vor-Ort-Büro des Citymanagements als
campus neugestaltet, um die Universität besser    zentrale Anlaufstelle von allen lokalen Ak-
in das Stadtgefüge zu integrieren. Durch die      teuren aktiv genutzt. Das große Engagement
Aufwertung des öffentlichen Raumes, eine ver-     und die Mitwirkungsbereitschaft vieler lokaler
besserte Erreichbarkeit und die räumliche und     Akteure waren essenzieller Beitrag zum Erfolg
funktionale Verknüpfung des Zentrums mit          der Maßnahme.
angrenzenden Geschäftsstraßen konnten neue
Qualitäten im Zentrum geschaffen werden.          Der historische Stadtkern von Bad Kreuz-
                                                  nach (Rheinland-Pfalz, ca. 50.000 Einwohner)
In Dinslaken (Nordrhein-Westfalen,                konnte durch die Sanierung und Entwicklung
ca. 70.000 Einwohner) werden die Ziele des        der Stadtgestalt und die Verbesserung der

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                     Expertise

Fahrradwache am Neutor in Dinslaken              Alte Nahebrücke in Bad Kreuznach nach der Sanierung
Foto: Plan und Praxis                            Foto: Plan und Praxis

Qualität des öffentlichen Raumes aufgewertet     tion bei der Aufwertung des Zentrums waren
werden. Mitwirkung und Kooperation so-           ein wesentlicher Bestandteil der Maßnahme.
wie die Stärkung der Einzelhandelsfunktion       Vor Aufnahme in das Zentrenprogramm ver-
führten zu mehr Nutzungsvielfalt im Zentrum.     lor der Ortskern von Saarwellingen durch die
Die beiden Innenstadtbrücken „Alte Nahebrü-      Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel
cke“ und die „Brücke über den Mühlenteich“       am Ortsrand zunehmend an Bedeutung. Der
verbinden als stadtbildprägender Brückenzug      dadurch entstandene innerstädtische Ge-
den Haupteinkaufsbereich mit dem histori-        werbeleerstand sowie gestalterische Mängel
schen Stadtkern. Gestalterische und bauliche     verschärften den Funktionsverlust zusätzlich
Defizite machten eine Sanierung erforderlich.    und wirkten sich negativ auf die Attraktivität
Auf Grundlage eines integrierten städtebau-      und Anziehungskraft des Zentrums aus. Auf
lichen Entwicklungskonzeptes wurden Maß-         Grundlage eines integrierten Gemeindeent-
nahmen erarbeitet, mit deren Umsetzung es        wicklungskonzeptes sowie eines teilräum-
gelang, die Brücken zu modernisieren und         lichen Konzeptes für den Ortskern wurde ein
barrierefrei umzugestalten. Zudem wurden         umfassender Prozess zur Zentrenentwicklung
der öffentliche Raum aufgewertet und stadt-      angestoßen. Mithilfe eines städtebaulichen
bildprägende Gebäude saniert. Darüber hinaus     Wettbewerbs und einem anschließenden
wurde eine Brachfläche durch eine Anwohner-      Interessensbekundungsverfahren wurde ein
initiative in einen gemeinschaftlich genutzten   Konzept für den Neubau eines Nahversor-
Treffpunkt umgestaltet, ein ehrenamtlich         gungszentrums im Ortskern entwickelt. Die
betriebener Lieferdienst mit Lastenrädern        Umsetzung erfolgte durch einen privaten
initiiert sowie leerstehende Ladenlokale durch   Investor. Darüber hinaus wurde die Bahn-
Kunst- und Kulturaktionen zwischengenutzt.       hofstraße, entlang derer sich die Einzelhan-
Der Aufwertungsprozess wird von einem            delsangebote im Zentrum konzentrieren,
Quartiersmanagement begleitet, wodurch           umgestaltet. Zur Entwicklung öffentlicher
unter anderem die Kommunikation zwischen         Freiräume wurde ein weiterer städtebaulicher
den einzelnen Akteuren verbessert werden         Wettbewerb durchgeführt. Zusätzlich ent-
konnte. Es entstanden neue Netzwerke und         stand eine neue Organisations- und Pro-
Kommunikationsstrukturen.                        jektstruktur durch die sich neue Netzwerke
                                                 und Kooperationen bildeten, Engagement
Der Ortskern von Saarwellingen (Saarland,        angestoßen und ein abgestimmtes Handeln
ca. 13.500 Einwohner) konnte durch die Stär-     ermöglicht wurde. Begleitet wurden die
kung des Einzelhandels, die Verbesserung der     Prozesse durch ein Zentrumsmanagement,
Stadtgestalt und der öffentlichen Freiräume      eine Sanierungsberatung durch den Beauf-
entwickelt werden. Mitwirkung und Koopera-       tragten der Gemeinde sowie die aktive Ein-

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                       Expertise

Bahnhofstraße in Saarwellingen nach Umgestaltung   Bücherei und Bürgerhaus in Litzendorf
Foto: Plan und Praxis                              Foto: Plan und Praxis

beziehung verschiedener Akteure, Gremien           Schlüsselmaßnahme, die sogenannte „Neue
und der Öffentlichkeit. Durch die Verlagerung      Mitte Litzendorf“ realisiert werden. Impuls-
des nahversorgungsrelevanten Einzelhandels         gebende Projekte waren der Neubau einer
in die Ortsmitte wurde die Funktionsfähig-         Bücherei, der Umbau eines sanierungsbedürf-
keit und -vielfalt des Zentrums gesichert und      tigen Gebäudes zu einem Bürgerhaus und die
ausgebaut.                                         Gestaltung einer öffentlichen Freifläche. Zu-
                                                   sammen mit der Umgestaltung von Verkehrs-
Der Ortskern von Litzendorf (Bayern, ca. 6.000     räumen, wie beispielsweise der Ortsdurchfahrt
Einwohner) wurde durch Maßnahmen in                – unter Berücksichtigung der Barrierefreiheit
den Bereichen Mitwirkung und Kooperation,          – gelang es, den Ortskern neu zu beleben und
öffentliche Einrichtungen, öffentliche Räume       die Funktionsvielfalt zu stärken.
und stadtverträgliche Mobilität revitalisiert.
Das Zentrum von Litzendarf war vor Beginn          Die zuvor knapp dargestellten Schlaglichter
der Maßnahme von zunehmendem Leerstand             aus Ludwigsfelde, Dülmen, Leipzig, Halle,
und geringer Aufenthaltsqualität geprägt. Da-      Dinslaken, Bad Kreuznach, Saarwellingen und
her wurde ein Gemeindeentwicklungsprozess          Litzendorf bilden lediglich 1 % der Programm-
angestoßen, der intensiv von einer Vielzahl        kommunen des Städtebauförderprogramms
unterschiedlicher Akteure, wie beispielsweise      ab. Sie vermitteln jedoch einen Eindruck der
einem Projektmanagement, einer Lenkungs-           vielfältigen individuellen Herangehenswei-
gruppe und dem eigens gegründeten Verein           sen und genutzten Chancen, um die Funk-
„Lebendiges Litzendorf e. V.“ begleitet wurde.     tionsvielfalt und Attraktivität von Stadt- und
Auf Grundlage eines städtebaulichen Ent-           Ortseilzentren mit Unterstützung des Zentren-
wicklungskonzeptes konnte unter anderem die        programm zu stärken.

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                     Expertise

4      Ausschnitte aus der Programmumsetzung

Die Praxis in der Programmumsetzung zeigt,         bauliche Qualitäten umgesetzt. Bereichert wird
dass neue Qualitäten in den Stadt- und Ortsteil-   die Darstellung der Praxisbeispiele durch die
zentren entstanden sind. Nachfolgend werden        dokumentierten Gespräche mit verantwort-
Ausschnitte der Zentrenentwicklung vorgestellt.    lichen Akteurinnen und Akteuren vor Ort, die
Sie zeigen beispielhaft, wie mit integrierten      ihre Sichtweisen auf die Herausforderungen,
Handlungsansätzen und Projekten auf die            Kooperationen, erreichten Ziele und Lerneffekte
unterschiedlichen Problemlagen und Potenziale      darlegen.
reagiert wird.
                                                   In den dokumentierten Gesprächen wird zudem
Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen       wiedergegeben, wie die gegenwärtige Corona-
Rahmenbedingungen und Ausgangslagen wur-           Pandemie in den Stadt- und Ortsteilzentren
den die Herausforderungen durch die Verknüp-       wahrgenommen wird. Es gilt zu beachten, dass
fung unterschiedlicher Zielbereiche und durch      die Gespräche im letzten Quartal 2020 geführt
individuelle Lösungsansätze und Maßnahmen          wurden und daher nur Entwicklungen bis zu
gemeistert und so Funktionsvielfalt und städte-    diesem Zeitpunkt dargestellt werden können.

Neue Aufenthaltsqualität am Kleinen Kiel-Kanal
Quelle: Plan und Praxis

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                           Expertise

Baunatal aktiv: Revitalisierung der Innenstadt – Qualität im öffentlichen Raum,
Hochbau und Einzelhandel

Baunatal liegt südlich von Kassel und erfüllt     Baunatal – Stadtzentrum
die Funktion eines Mittelzentrums. Die Stadt      Bundesland: Hessen
entstand in den 1960er Jahren durch den Zu-
sammenschluss mehrerer Gemeinden nach             Stadttyp: Kleinere Mittelstadt(1)
der Ansiedlung eines VW-Werks – mit heute         Projektlaufzeit: 2008 bis 2019(2)
mehr als 17.000 Mitarbeitenden.
                                                  Fläche Gemeinde: 38,27 km2 (3)

Erfolgreiche Belebung und Brückenschlag in        Einwohnerzahl Gemeinde: 27.755(3)
die Innenstadt                                    Fläche Fördergebiet: 0,16 km2 (2)
                                                  Einwohnerzahl Fördergebiet: 700(2)
Durch die Herstellung einer neuen Nutzungs-
vielfalt in der Innenstadt wurden Qualitäten      Bewilligte Bundesfinanzhilfen
geschaffen. Die Maßnahmen stärken den               (einschl. 2019): 1.924.000 €(2)
Einzelhandel und die Innenstadt wurde mit         Programmziele
den umliegenden Stadtteilen gezielt verknüpft.
In einem integrierten Entwicklungsprozess         ► Funktionsvielfalt und Versorgungssicherheit
wurde unter Einbindung einer Vielzahl von         ► Soziale Kohäsion
lokalen Akteuren das in den 1970er Jahren er-     ► Aufwertung des öffentlichen Raumes
richtete Stadtzentrum revitalisiert.
                                                  ► Stadtbaukultur
Funktionsverluste im solitär wirkenden            ► Stadtverträgliche Mobilität
Stadtzentrum                                      ► Partnerschaftliche Zusammenarbeit

Das Stadtzentrum Baunatals wurde als zent-        Datengrundlagen:
raler Einkaufsstandort und neue Stadtmitte        (1) BBSR 2020a; (2) BBSR 2020b;
                                                  (3) Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2021
für die einzelnen stetig wachsenden Ortsteile
Baunatals geplant. Zu Beginn der 1990er Jahre
verlor das neue Stadtzentrum zunehmend an        Leerstände führten zu einem Bedeutungsver-
Bedeutung. Es fehlte an Aufenthaltsqualitäten    lust der Einzelhandelsfunktion. Die vierspurige
und öffentlichen Freiräumen. Zunehmende          Ringstraße um das Zentrum entfaltete eine

Postgebäude und Umfeld vor der Umgestaltung      Nach der Umgestaltung: Begegnungsstätte und
(linkes Gebäude)                                 sozialer Treffpunkt
Foto: Stadt Baunatal/Büro Junker & Kruse         Foto: Stadt Baunatal/Büro Junker & Kruse

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                     Expertise

Trennwirkung im Stadtgefüge, es fehlte an der      Auch private Investitionen übten positive Ein-
baulichen und gestalterischen Öffnung in die       flüsse auf die Innenstadtentwicklung aus. Ins-
umliegenden Stadtbereiche. Unwirkliche Ge-         besondere der 2010 durchgeführte Umbau des
bäude und Fassadenansichten kennzeichneten         am Marktplatz liegenden „Herkules“-Super-
weitere Mängel.                                    marktes, der einen hohen Sanierungsbedarf
                                                   aufwies, hatte eine wichtige Impulswirkung.
Die Innenstadt öffnet sich als funktionales        Das modernisierte Gebäude öffnet sich durch
und belebtes Zentrum                               seine neue Glasfassade seinem Umfeld und in
                                                   der zeitgleich umgebauten Westpassage am
Mit der Aufnahme in das Zentrenprogramm            Busbahnhof wurden vorhandene Leerstände
2008 wurde das Ziel verfolgt, die Innenstadt       beseitigt.
wieder in ein lebendiges multifunktionales
Zentrum zu verwandeln. Die Versorgungs-            Weitere brach liegende Flächen konnten in
funktion sollte gestärkt, öffentliche Einrich-     den Folgejahren durch private Investitionen
tungen qualifiziert und öffentliche Räume          neuen Nutzungen zugeführt werden. Ent-
aufgewertet werden.                                lang der Friedrich-Ebert-Allee entstanden in
                                                   privater Trägerschaft ein neues lebendiges
Grundlage bildet das 2010 erarbeitete integrier-   Stadtquartier mit 140 barrierefreien Wohn-
te Handlungskonzept, das in intensiver Zusam-      einheiten sowie ein Kino mit Veranstaltungs-
menarbeit zwischen privaten und öffentlichen       flächen und Gastronomieangeboten.
Akteuren sowie sozialen Trägern entstand.
                                                   Im Partizipationsprozess haben sich Akteurs-
Auf Basis der Ergebnisse eines freiraumplane-      netzwerke etabliert. Der Verein Citymanage-
rischen Wettbewerbs wurden die Rand- und           ment setzt sich aus lokalen Gewerbetreiben-
Eingangsbereiche, Wegebeziehungen wie              den zusammen und begleitet die gesamte
die Fußgängerzone und Plätze neugestaltet.         Maßnahme. Im Rahmen der hessischen
Durch den Umbau der stark durch den Kfz-           „INGE“-Initiative schlossen sich Eigentümer
Verkehr belasteten Friedrich-Ebert-Allee und       und Gewerbetreibende zusammen und mit
der Kirchbaunaer Straße zu modernen Stadt-         Hilfe des eingerichteten Verfügungsfonds
boulevards wurden die verkehrlich genutzten        wurden über 30 kleinteilige Projekte zur Be-
Räume stadtverträglich gestaltet.                  lebung der Innenstadt umgesetzt. Die priva-
                                                   ten Anteile des Verfügungsfonds werden in
Als weiteres Schlüsselprojekt wurde das            der Regel durch den Verein Citymanagement
Rathaus umgebaut und die dort befindliche          gestellt.
Stadtbibliothek zu einem multifunktionalen
Dienstleistungszentrum der Stadt erweitert.        Über das EFRE-Programm „Lokale Ökono-
Das ehemalige Postgebäude, das erhebliche          mien“ wurden Modernisierungsmaßnahmen
bauliche Mängel aufwies, wurde saniert und         im Gewerbe- und im Handelsflächenbestand
wird nun durch die Baunataler Diakonie ge-         durchgeführt. Diese dialogorientierten Pro-
nutzt. Hier befinden sich mit einer soziokultu-    zesse wurden kontinuierlich vom Stadtmar-
rellen Begegnungsstätte sowie einem Café im        keting sowie dem Kernbereichsmanagement
Erdgeschoss wichtige soziale Treffpunkte.          begleitet.

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                       Expertise

Multifunktional ausgebaute Stadtbibliothek          Herkulesmarkt nach der Umgestaltung
Foto: Stadt Baunatal/Büro Junker & Kruse            Foto: Katharina Jäger

 Blick aus der Umsetzungsperspektive – Gespräch der Bundestransferstelle mit
 Klaus-Peter Metz am 3. November 2020

 Klaus-Peter Metz ist Leiter des Fachbereiches Wirtschaftsförderung und Finanzen. Er arbeitet seit
 über 40 Jahren in der Verwaltung in Baunatal und begleitet die Innenstadtentwicklung seit den
 1990er Jahren.

 Was waren die Herausforderungen?                   über die zukünftigen Schritte informiert und
                                                    eingeladen, sich zu beteiligen. Ein kontinuier-
 Bei der Vorbereitung und Durchführung              licher Prozess war die Kooperation mit den
 des Hessentages 1999 zeigten sich die funk-        Händlern, die insbesondere in der Initialpha-
 tionellen und städtebaulichen Schwächen            se durch persönliche Überzeugungsarbeit ge-
 der Innenstadt. Von außen wurde sie kaum           prägt war. So gelang es der Stadt, den Eigen-
 wahrgenommen und es bestand ein deut-              tümer des Herkulesmarkts früh im Prozess
 licher Sanierungsstau. Ziel war es, Sicht- und     zu überzeugen, in seinen Gebäudebestand zu
 Wegeverbindungen in die benachbarten               investieren. Ergänzend hierzu war der Auf-
 Quartiere herzustellen, den Leerstand zu           bau von festen Akteursnetzwerken, wie dem
 senken sowie den öffentlichen Raum in der          Verein Citymanagement, von entscheidender
 Innenstadt attraktiver zu gestalten und so zu      Bedeutung, um die Beteiligung verschiedener
 beleben.                                           Akteure in einem transparenten Planungs-
                                                    und Umsetzungsprozess zu gewährleisten.
 Welche Rolle spielten Mitwirkung und               Im Verein vertreten sind Mandatsträger, das
 Kooperation im Prozess der Umsetzung?              Innenstadtmanagement und die Verwaltung.
                                                    Die Ergebnisse der Zentrenentwicklung er-
 Die kooperative Zusammenarbeit mit einer           freuen sich eines großen Zuspruchs durch die
 Vielzahl von privaten und öffentlichen Ak-         lokalen Akteure.
 teuren war eine der wichtigsten Grundlagen
 und wurde auf mehreren Ebenen umgesetzt.           Wurden die Ziele der Zentrenentwicklung
 Am Anfang stand eine umfangreiche Betei-           erreicht?
 ligung zwecks Erarbeitung des integrierten
 Handlungskonzepts. Vor Beginn der bau-             Die Ziele der Zentrenentwicklung in Bauna-
 lichen Maßnahmen wurden alle Eigentümer            tal wurden erreicht, auch wenn nicht alle

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                     Expertise

 Maßnahmen realisiert werden konnten. Dazu         Prägend waren die Lerneffekte beim Thema
 gehörte beispielsweise der Umbau des Markt-       Baustellenmanagement. Da die Bauphase
 platzes. Das Zentrum weist heute durch die        für alle Akteure mit Belastungen verbunden
 Vielzahl an öffentlichen und privaten Ein-        war, hat sich hier gezeigt, wie entlastend ein
 richtungen und Einkaufsmöglichkeiten, die         gut funktionierendes Baustellenmanage-
 Gastronomie und den aufgewerteten öffent-         ment ist. Weitere Lerneffekte waren beim
 lichen Raum eine hohe Funktionsvielfalt auf.      ressortübergreifenden Handeln innerhalb
 Eine wichtige Impulswirkung ging sowohl           der Verwaltung festzustellen.
 von den öffentlichen als auch von den priva-
 ten Schlüsselprojekten aus. So war die private    Konnten Sie Auswirkungen der Corona-
 Sanierung des Herkulesmarkts ein wichtiger        Pandemie in Baunatal feststellen?
 Impuls für die Entwicklung des öffentlichen
 Raumes. Die Errichtung des Kinokomplexes          Die Verwaltung und die Gewerbetreiben-
 und die Sanierung des Rathauses mit Biblio-       den waren gezwungen, sich abrupt auf die
 thekserweiterung sorgen für eine ganztägige       neue Situation einstellen. Das war eine
 Belebung des Zentrums. Der Leerstand in der       unvergleichliche Herausforderung. Für die
 Innenstadt ist gesunken. Insgesamt hat die        Innenstadt von Baunatal sind allerdings
 Innenstadt eine neue Urbanität gewonnen.          durchaus positive Effekte ersichtlich. Die
 Der ehemalige Bürgermeister hat dies auf          öffentlichen Räume sind belebter, da die
 den Punkt gebracht, indem er sagte: „Das          Außenbereiche stärker von der Gastro-
 sieht jetzt aus, wie in einer richtigen Stadt“.   nomie genutzt werden. Zudem konnte der
                                                   Wochenmarkt räumlich erweitert werden,
 Was sind Ihre Lernerfahrungen aus der             um die Abstandsregeln umzusetzen. Damit
 Umsetzung?                                        gelang es, größere Bereiche der Innenstadt
                                                   zu beleben.
 Rückblickend betrachtet, gibt es wenig, was
 wir bei der Entwicklung der Innenstadt von        Eine Passantenzählung während der Som-
 Baunatal hätten anders machen sollen. Es          mermonate zeigte einen Rückgang der
 zeigt sich, wie wichtig bei solchen Prozessen     Besucherzahlen. Dies lässt sich mit abgesag-
 einzelne Personen sein können. Von Vorteil        ten Großveranstaltungen und Festivitäten
 war, dass der damalige Bürgermeister den          erklären. Darüber hinaus sind allerdings
 Entwicklungsprozess als „Motor“ perma-            keine gravierenden Abweichungen der Be-
 nent vorantrieb. Darüber hinaus gab es eine       sucherzahlen festzustellen. Ein Lebensmit-
 Person in der Verwaltung, bei der die Fäden       teleinzelhändler berichtete, dass die Kun-
 zusammenliefen, um die Organisation des           den seltener, dafür jedoch größere Mengen
 Gesamtprozesses im Blick zu behalten.             kaufen.

Zusammenfassung                                    orte geschaffen. Die Funktionsvielfalt wurde
                                                   gestärkt, indem öffentliche Einrichtungen am
In Baunatal wurde im Rahmen eines kon-             Standort gesichert und modernisiert wurden.
sequent integrierten Vorgehens die unter           Durch Errichtung neuer Wohneinheiten wur-
Attraktivitätsverlusten leidende Innenstadt        de die Innenstadt als Wohnstandort gestärkt.
revitalisiert. Durch die Umgestaltung wichtiger    Insgesamt entwickelte sich die Baunataler
öffentlicher Wegeverbindungen und Plätze           Innenstadt zu einem attraktiven und urbanen
sowie den stadtverträglichen Umbau von Ver-        Stadtzentrum und Standort für Versorgung,
kehrstrassen wurden attraktive Aufenthalts-        Kultur, Freizeit und Wohnen.

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Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                               Expertise

Markt Manching: Stärkung der Funktionsvielfalt und Belebung öffentlicher
Räume im Ortskern

Markt Manching liegt südlich von Ingolstadt           Markt Manching – Ortsmitte
und verfügt über eine keltische Siedlungsge-          Bundesland: Bayern
schichte. Die Marktgemeinde erfüllt die Funk-
tion eines Unterzentrums. Größter Arbeitgeber         Stadttyp: Größere Kleinstadt(1)
ist ein Entwicklungswerk von Airbus Defence           Projektlaufzeit: 2010 bis 2019(2)
and Space mit mehr als 5.500 Mitarbeitenden.
                                                      Fläche Gemeinde: 35,43 km2 (3)

Entwicklung eines neuen Gesichts für den              Einwohnerzahl Gemeinde: 12.639(3)
Ortskern                                              Fläche Fördergebiet: 0,06 km2 (2)
                                                      Einwohnerzahl Fördergebiet: 740(2)
Schlüsselmaßnahme der Zentrenentwicklung
war die Aufwertung des öffentlichen Raumes            Bewilligte Bundesfinanzhilfen
an der Paar, indem Aufenthaltsqualitäten ge-            (einschl. 2019): 1.783.550 €(2)
schaffen wurden. Ermöglicht wurde dies durch          Programmziele
frei gewordene Flächen im Ortskern und vor-
ausschauendes Flächenmanagement. Das inte-            ►
grierte Handlungskonzept bildete die Grund-           ►
lage der Planung und Umsetzung. Innerhalb             ►
eines Jahrzehnts entwickelte die Marktgemein-
de neue Qualitäten in der Ortsmitte.                  ►►Stadtbaukultur

                                                      Datengrundlagen:
Bedarf an Zentrenqualitäten und Belebung              (1) BBSR 2020a; (2) BBSR 2020b;
                                                      (3) Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2021
des öffentlichen Raumes

Die Ortsmitte von Markt Manching blieb hin-
ter den Erwartungen an ein belebtes Zentrum          rungsmöglichkeiten und die zentrale inner-
zurück. Die Aufteilung des Straßenraumes             städtische Überbrückung der Paar entsprach
orientierte sich am ehemaligen Verlauf der           durch die bestehende Teilung des Straßen-
Bundesstraße 16, deren Ortsumgehung bereits          raumes nicht den Bedürfnissen der genannten
seit Jahrzehnten bestand. Für zu Fuß Gehende         Gruppen. Direkt angrenzende innerstädti-
und Rad Fahrende fehlte es an sicheren Que-          sche Flächen befanden sich im Privatbesitz

Ansicht der Ingolstädter Str. vor dem Umbau (2009)   Ansicht der Ingolstädter Str. nach dem Umbau (2019)
Foto: Herbert Nerb, Markt Manching                   Foto: Herbert Nerb, Markt Manching

                                                                                                              21
Neue Qualitäten in Stadt- und Ortsteilzentren                     Expertise

und im öffentlichen Raum mangelte es an           freiheit ist durch eine Rampe gegeben. Die so
Aufenthaltsqualitäten.                            entstandenen „Paarterrassen“ besitzen hohe
                                                  Aufenthaltsqualität. Als eine weitere Schlüssel-
Schaffung von Funktionsvielfalt in                maßnahme wurde die innerstädtische Brücke
einem neuen urbanen Gefüge mit                    an der Ingolstädter Straße erweitert und als
Aufenthaltsqualitäten                             öffentlicher Raum aufgewertet. Sie bietet mehr
                                                  Platz für zu Fuß Gehende und Fahrrad Fahren-
Durch die bereits seit langem realisierte Orts-   de. Durch die städtebauliche Neuordnung und
umgehung der Bundesstraße 16 sowie den            einheitliche Gestaltung werden die angren-
Erwerb von innerstädtischen Flächen im            zenden Bereiche west- und östlich der Paar
Zentrum, östlich der Paar, durch die Gemein-      zusammengeführt
de, bestanden günstige Rahmenbedingungen
für die Entwicklung der Ortsmitte. 2009 stellte   In die Planung und Umsetzung wurden lokale
Markt Manching den Aufnahmeantrag in das          Akteursgruppen in der Marktgemeinde stark
Zentrenprogramm und erstellte ein integrier-      einbezogen. Für Prozessgestaltung, Bürger-
tes Stadtentwicklungskonzept, das 2010 vom        beteiligung und Stadtmarketing beauftragte
Marktgemeinderat beschlossen wurde. Ziel der      Markt Manching ein externes Büro. Über die
Zentrenentwicklung war es, den Ortskern städ-     gesamte Programmlaufzeit hinweg wurden
tebaulich neu zu ordnen, die Nutzungsvielfalt     kontinuierlich Informations- und Beteili-
zu erweitern sowie qualitätsvolle öffentliche     gungsformate angeboten. Hierzu zählen die
Räume herzustellen.                               Auftaktveranstaltung, eine Zukunftskonferenz,
                                                  Anliegerversammlungen, Baustellen-Jour-
Aufbauend auf einem städtebaulichen Ideen-        Fixe, Baustellenfeste in jedem Bauabschnitt,
wettbewerb, der 2010 ausgelobt wurde, konn-       akteursspezifische Formate sowie Befragungen
te 2014 mit der Umgestaltung in mehreren          zur Ausgestaltung von Einzelmaßnahmen
Bauabschnitten begonnen werden. Der erste         (beispielsweise der Weihnachtsbeleuchtung).
Bauabschnitt diente der Neugestaltung und         Zudem wurde ein öffentlich-privater Projekt-
Sanierung der Ingolstädter Straße im Zentrum.     fonds (Verfügungsfonds) eingerichtet. Über
Neben der gestalterischen und funktionalen        den Projektfonds wurde in Zusammenarbeit
Aufwertung des Straßenraumes wurde auch           mit dem örtlichen Gewerbeverband der Wo-
der Platz an der Westseite der Paar aufgewer-     chenmarkt organisiert.
tet. Dieser verfügt nun über ein Fontänenfeld.
Durch Besucher und Besucherinnen des Cafés        Mit einem kommunalen Förderprogramm
im Erdgeschoss des Bibliotheksgebäudes er-        für private Gebäudesanierungen samt dazu-
folgt u. a. eine Belebung des Platzes.            gehöriger Gestaltungsfibel, durch das Ge-
                                                  bäudeeigentümer neben finanziellen Anreizen
Im zweiten Bauabschnitt wurde der Uferzu-         auch Beratungen durch Architekten sowie
gang zur Paar neugestaltet. Ein rund 30 Meter     Inspirationen für Sanierungen in Anspruch
langer Bereich des Ufers wurde stufenweise        nehmen können, soll die Entwicklung des
bis zur Wasserkante abgesenkt und ermög-          Ortskerns über die Förderung hinaus fortge-
licht den Zugang zum Wasser. Die Barriere-        führt werden.

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