Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency
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NR. 2/2018 P.b.b. Zulassungsnummer: GZ 04Z035691 M | Austrian Development Agency | Zelinkagasse 2, 1010 Wien en So könnzeigen! atz Sie Eins Entwicklungs- Weltmeister Europa Kenia: Äthiopien: Kosovo: Familienmuster neue Wege beim Himbeeren brechen auf Kaffeeanbau schaffen Jobs
INHALT SCHWERPUNK T Woher kommt eigent- 16 lich unser Essen? Das Bildungsprogramm "Map your Meal" fördert ethischen Konsum. Privates Geld 18 für Afrika Ein Fonds der EU fördert Investitionen des Privat- © EU_ECHO_Edward Echwalu. sektors. Gen-Soja? 4 20 Nicht die Bohne! Sojaanbau in Südosteuropa und im Donauraum auf Erfolgskurs SCHWERPUNK T SCHWERPUNK T Starker Entwick Aufgaben teilen und Humanitäre Hilfe auf 4 lungspartner EU 11 ganze Arbeit leisten 22 neuem Kurs? Wie die EU und ihre So funktioniert die Arbeitstei- Neue Herausforderungen Mitgliedsstaaten weltweit lung zwischen Europäischer erfordern angepasste Entwicklung fördern. Kommission und den EU-Mit- Maßnahmen. gliedsstaaten. Ein Österreicher Willkommen in 8 in Brüssel 24 Jerewan 13 Zivilgesellschaft KOMMENTAR Ein Arbeitstag im Die EU und Österreich Herzen der EU redet mit unterstützen Armenien bei Wie zivilgesellschaftliche der Flüchtlingshilfe. Europäische Union: 10 weltweit größter Organisationen die EU-Politik 25 „Die EU ist keine mitgestalten. INTERVIEW Geber Familienleben geht Super-NGO“ 14 Mehr als die Hälfte aller Mittel an Entwicklungsländer auch anders, Männer! Clarisse Pásztory, Leiterin des stammen von der EU. Traditionelle Familienmuster in EU-Verbindungsbüros in Erbil, Kenia brechen auf. Irak, im Gespräch IMPRESSUM Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: Austrian Development Agency (ADA), die Agentur der Österreichischen Entwick- lungszusammenarbeit, Zelinkagasse 2, 1010 Wien, Österreich, oeza.info@ada.gv.at, www.entwicklung.at, DVR 0000060. Konzept, Gestaltung und Produktion: Austrian Development Agency, Grayling Austria GmbH. Redaktion: Alice Irvin (f. d. I. v.), Claudia Gruber, Ulrike Lang, Christa Danner, Patrizia Reidl, Ursula Heinrich. Titelfoto: © 2017 UNICEF/Mackenzie Knowles-Coursin Layout: trafikant – Handel mit Gestaltung, Ronald Talasz. Druck: AV-Astoria, 1030 Wien. Verlagsort: 1010 Wien. Juni 2018. Die Weltnachrichten sind kostenlos. Bestellung: oeza.info@ada.gv.at oder www.entwicklung.at. Die einzelnen Artikel spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung des Herausgebers wider. Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweils genannten AutorInnen verantwortlich. 2 AUSGABE 2/2018 | W E LT N AC H R I C H T E N
INHALT SCHWERPUNK T S US TA I N A B L E D E V E LO PM E N T G OA L S Österreich und Himbeersaft, 26 40 © MariaSchaunitzer die EU machen der Arbeit schafft gemeinsame Ein Projekt bringt Beschäfti- 14 Sache gung für Frauen in Kosovo. Von der Zusammenarbeit profitieren alle. PA N O R A M A Kaffee mit starker M I T M AC H E N 42 Wirkung © istockphoto.com/narvikk MITMACHEN! 29 KaffeebäuerInnen in Äthiopien Wien, Salzburg, Kärnten auf neuen Wegen und Burgenland global Fische ernten auf 44 Hochschulniveau engagiert 18 Eine internationale Hochschul- PA N O R A M A kooperation fördert Aquakultur 33 Am Dach der Welt IM PORTRÄT in Ostafrika. Die Bhutanerin Sonam SERVICE Yangelan ist stolz auf ihre Blitzlichter & 46 Gewinnspiel Tourismusausbildung. © SONNE International 34 Von WeltbürgerInnen INTERVIEW Gewinnen mit Fairtrade 29 und nationalen Hummus Egoismen 47 Der „Klassiker“ aus 37 Ban Ki-moon und Kichererbsen Heinz Fischer im Gespräch Jobs für Afrika 36 © Brigida Clazzer Doss Wirtschaftskammer © ADA H.Habertheuer Österreich fördert Berufsbildungsprojekte. Edle Tropfen 37 aus dem Land der Adler 47 Der Weinbau in Albanien blüht (wieder) auf. Sinn(voll) 39 stiften Gemeinnützige Stiftungen leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklungs 40 © toa-heftiba-on unsplash zusammenarbeit. W E LT N AC H R I C H T E N | AUSGABE 2/2018 3
SC H W E R PU N K T Starker Entwicklungs- partner EU Die Europäische Kommission und die EU-Mitglieds staaten sind gemeinsam der weltweit größte Geber von Entwicklungshilfeleistungen. Wohin fließen die Gelder und wofür werden sie verwendet? Können die Mitgliedsstaaten die EU-Entwicklungspolitik aktiv mitgestalten und mitentscheiden, welche Länder von den Mitteln profitieren? Und welche entwick lungspolitischen Schwerpunkte setzt Österreich wäh- rend der EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018?
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU © European Union_ECHO „D A S S I C H N U N Zugang zu sauberem Die EU sind wir Wasser und sicheren Sanitäranlagen habe, Der Europäische Rat setzt sich aus den hat mir meine Würde zurückgegeben“, sagt Staats- und Regierungschefs aller EU-Mit- Margaret Amongo aus dem Dorf Bobol in glieder zusammen. Als wichtigstes Entschei- Uganda. Sie kann jetzt mit ihrem Rollstuhl dungsgremium der Europäischen Union selbst Wasser holen. gibt er die großen politischen Ziele vor. Mitreden kann jedes EU-Land, also auch Was aber hat das mit dem Europäischen Rat Österreich. zu tun? Mehr, als die meisten wissen: Denn dessen Beschlüsse sind Voraussetzung dafür, Auch den politischen und rechtlichen dass Maßnahmen wie das Wasserprogramm Rahmen, in dem die EU-Entwicklungs- in Uganda überhaupt mit europäischen Gel- zusammenarbeit agiert, legt der Rat fest. dern finanziert werden können. Hier können die EU-Länder ebenfalls mit- 6 AUSGABE 2/2018 | W E LT N AC H R I C H T E N
© EU 2013 STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T Um die Lebenssituation der Menschen Regeln für die administrativen Verfahren in Entwicklungs- und Schwellenländern beschließen. zu verbessern, stellten die EU-Kommis- sion und die Mitgliedsstaaten allein 2016 75,5 Milliarden Euro bereit. Vorsitzland Österreich: der Plan Im zweiten Halbjahr 2018 hat Österreich die Ratspräsidentschaft inne. Damit über- nimmt es auch den Vorsitz in den Ratsar- entscheiden, wie die entwicklungspoliti- beitsgruppen und kann wichtige Punkte schen Aktivitäten ausgerichtet werden. Zum auf europäischer Ebene vorantreiben. In der Beispiel in den Ausschüssen oder in den Entwicklungszusammenarbeit liegen die Ratsarbeitsgruppen, wo sie ihre Positionen österreichischen Schwerpunkte auf folgen- einbringen können. Dort wird festgelegt, den Themen: wie die von Rat und Europäischem Parla- ment vorgegebenen Politiken und Strategien • Gender und Entwicklung: Besonde- konkret umgesetzt werden. res Augenmerk gilt hier den Bereichen Gesundheit und Bildung, der politi- Die Kehrseite der Medaille: Mehr Mitspra- schen und ökonomischen Teilhabe von kostenintensivere Maßnahmen finanzieren, che führt zu mehr Bürokratie. Zuletzt wur- Frauen, der Rolle von Frauen in Kon- zum Beispiel große Infrastrukturprojekte. den immer mehr Stimmen laut, die weni- flikt- und Krisensituationen und dem Und sie weiß bestens, wie regionale Zusam- ger Verwaltung fordern. Das geht aber nur, Kampf gegen genderbasierte Gewalt. menarbeit und Integration funktionieren. wenn die Mitgliedsstaaten selbst einfachere • nachhaltige Energieversorgung • Effizienz und Effektivität Die Mitgliedsstaaten hingegen sind in ihrer • besseres Zusammenspiel von langfristi- Struktur flexibler als die EU. Außerdem ver- »2018 ste- ger Entwicklungszusammenarbeit und fügen sie häufig über langjährige Erfahrung hen wichtige © EU2014EtienneAnsotte kurzfristiger humanitärer Hilfe und Expertise in unterschiedlichen Sek Themen an: Wir werden toren. die Entwick- Die große Herausforderung ist, so zu agie- lungspolitik ren, dass die Mitgliedsstaaten zu Kompro- Österreich als gefragter Partner der EU modernisie- missen finden, die von allen mitgetragen Österreich zum Beispiel hat ausgewiesenes ren. Und wir werden die Bezie- werden. Denn nur wenn der Rat mit einer Know-how im Wassersektor. Auch die EU hungen mit den afrikanischen, pazifischen und karibischen Stimme spricht, ist er stark. hat das erkannt und der Austrian Develop- Staaten neu ausgestalten. ment Agency (ADA) bereits wiederholt Vor allem liegt mir aber unsere EU leistet weltweit meiste Hilfe Geld zur Umsetzung übertragen. Zum Bei- Investitionsoffensive für Drittlän- Die EU-Kommission und die Mitgliedsstaa- spiel in Uganda, wo die ADA seit vielen Jah- der am Herzen. Diese soll Ent- wicklungsinvestitionen von bis zu ten stellen weltweit am meisten Geld für ren dazu beiträgt, die flächendeckende Was- 44 Milliarden Euro mobilisieren. Entwicklungszusammenarbeit bereit. 2016 serversorgung zu verbessern. Damit noch Sie ergänzt unsere traditionelle betrugen die Ausgaben 75,5 Milliarden Euro. mehr Menschen Zugang zu sauberem Trink- Entwicklungszusammenarbeit. wasser bekommen – wie Margaret Amongo Im Fokus steht außerdem die Verabschiedung des nächsten Stärken und Expertise nutzen im ugandischen Dorf Bobol. mehrjährigen Finanzrahmens. Bei der Umsetzung der Mittel nutzt Europa Ich bin überzeugt, dass wir in all das Potenzial der unterschiedlichen Akteure. diesen Bereichen mit dem öster- Doch was sind die Stärken der EU als Gan- reichischen Ratsvorsitz erfolgreich zusammenarbeiten werden.« zes und was die Pluspunkte der Mitglieds- Michaela Ellmeier länder? leitet das Referat EU- Neven Mimica Koordination der Sektion EU-Kommissar für internationale Entwicklung im Bundes- Kooperation und Entwicklung Ein Vorzug der EU ist, dass sie in allen Län- © BMEIA ministerium für Europa, dern vertreten ist. Außerdem kann sie auch Integration und Äußeres. /2018 7
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU Ein Österreicher 14.45 h: Es geht in die nächste Runde. in Brüssel Die Suche nach Kompromissen verläuft schwierig. Nach wie vor gibt es unter- schiedliche Meinungen zu Detailfragen. Brüssel, das Herz der EU. Auch viele ÖsterreicherInnen sind in Belgiens Ich greife nochmals zum Hörer und Hauptstadt am Werk. Wie Jakob Mühlstein. Der ausgebildete Politikwis- halte Rücksprache mit Wien zu unserer senschaftler ist als österreichischer Vertreter in der EU-Ratsarbeitsgruppe weiteren Positionierung. für Entwicklungszusammenarbeit tätig. Was ihn besonders an seiner Arbeit interessiert? Gemeinsam die EU-Entwicklungspolitik voranbrin- 19.20 h: Nach viereinhalb Stunden gen. In einem Logbucheintrag gibt er Einblick in seinen Arbeitsalltag. haben wir eine vorläufige Einigung erzielt: Finanzielle Unterstützung erhalten Projekte in den Bereichen 6.30 h: Beim Aufstehen weiß ich: Heute noch einmal die wichtigsten Punkte für die nachhaltige Energie, Verkehr, sozi- stehen entscheidende Verhandlungen Verhandlungen durch. ale Infrastruktur, digitale Wirtschaft, zum Europäischen Fonds für nachhaltige nachhaltige Nutzung der natürlichen Entwicklung auf der Agenda. Damit will 9.00 h: Ich telefoniere mit den Ressourcen, Landwirtschaft und lokale die EU Investitionen in afrikanischen und KollegInnen im Außenministerium Verkehrsdienste. Das Ergebnis wird an EU-Nachbarschaftsländern ankurbeln und in Wien. Wir stimmen die österreichi- den EU-Entwicklungsministerrat zur den Menschen vor Ort Jobchancen eröff- sche Position ab. finalen Entscheidung weitergeleitet. Jetzt nen. Gleichzeitig sollen damit Ursachen von noch schnell ins Büro, um den Sitzungs- irregulärer Migration bekämpft werden. 10.00 h: Die Verhandlungen mit Vertre- bericht nach Wien zu schicken, dann ist terInnen der anderen EU-Mitgliedsstaa- mein Arbeitstag zu Ende. 7.30 h: Mit der Durchsicht des morgend- ten, der Europäischen Kommission und lichen Pressespiegels mache ich mir ein des Europäischen Auswärtigen Dienstes Bild über die internationale Themenlage in starten. relevanten Medien. © Jakob Mühlstein Jakob Mühlstein vertritt 14.00 h: Sitzungsunterbrechung. Wir Österreich in der EU-Rats- 8.15 h: Im Büro angekommen, checke führen informelle Gespräche zu den noch arbeitsgruppe für Entwick- und beantworte ich Mails und gehe umstrittenen Punkten. lungszusammenarbeit. MEILENSTEINE DER EUROPÄISCHEN ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT 1957 1959 2001 2002 Der Europäische Entwick- Der Europäische Entwick- Das Europäische Amt für Das Abkommen von Cotonou tritt lungsfonds ist bereits in den lungsfonds wird eingerichtet. Zusammenarbeit, vielen in Kraft. Es regelt die Beziehungen Römischen Verträgen zur Aus dem Fonds fördert die E U bekannt als EuropeAid, nimmt der EU zu den afrikanischen, kari- Gründung der Europäischen Maßnahmen zur wirtschaftlichen, seine Arbeit auf. bischen und pazifischen Staaten Gemeinschaft vorgesehen. sozialen und menschlichen Ent- (AKP-Staaten) in den Bereichen wicklung sowie zur regionalen Entwicklungszusammenarbeit, Zusammenarbeit in Entwick- politischer Dialog und Handel. lungsländern und -gebieten. 2007 2009 2011 Die Afrikanische Union und die EU ver- Am 1. Dezember tritt der Vertrag von Der Europäische Auswärtige Dienst nimmt abschieden die Gemeinsame Strategie Lissabon in Kraft. Die EU verpflichtet sich seine Arbeit auf. Er ist in allen Bereichen Afrika-EU. Sie definieren alle drei Jahre darin zu globaler nachhaltiger Entwicklung, auswärtigen Handelns der EU tätig. Dazu Aktionspläne zu deren Umsetzung. Solidarität, gerechtem Handeln sowie zur zählen neben der Entwicklungszusammenar- Beseitigung der Armut und zum Schutz der beit auch die Bereiche humanitäre Hilfe und Menschenrechte. Krisenreaktion sowie Friedenskonsolidierung und Nachbarschaftspolitik. 8 AUSGABE 2/2018 | W E LT N AC H R I C H T E N
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T © shutterstock.com/Mykola Komarovskyy 2005 2007 2007 Die Europäische Kommission, der Rat der Die EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnen den Die Europäische Kommission führt den Europäischen Union und das Europäische Europäischen Konsens über die humanitäre Verhaltenskodex für Komplementarität und Parlament verabschieden den Europäischen Hilfe. Dabei handelt es sich um das erste Arbeitsteilung in der Entwicklungspolitik Konsens. Darin sind die Ziele, Werte und Gesamtdokument zur humanitären Hilfe der ein. Dieser soll die europäische Entwick- Grundsätze der Entwicklungspolitik der EU. Ziel ist, dass sich die Mitgliedsstaaten in lungszusammenarbeit effizienter machen. EU formuliert. Armutsminderung hat diesem Bereich besser koordinieren. oberste Priorität. 2011 2016 2017 Die Europäische Kommission präsentiert die Die globale außen- und sicherheitspoliti- Der Europäische Konsens aus 2005 wird Agenda für den Wandel als neue Strategie sche Strategie der EU wird beschlossen. überarbeitet, um die EU-Entwicklungspolitik für die EU-Entwicklungszusammenarbeit. Sie beschreibt die Entwicklungszusam- auf die Umsetzung der Agenda 2030 mit ihren Schwerpunkte sind: Menschenrechte, menarbeit als wesentlichen Bestandteil der 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Develop- Demokratie und verantwortungsvolle EU-Außenpolitik. ment Goals / SDGs) auszurichten. Unter dem Regierungsführung sowie breitenwirksames Titel „Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zu- und nachhaltiges Wachstum. kunft“ beschließt die EU im Juni 2017 den neuen W E LT N AC H R I C H T E N | AUSGABE 2/2018 Konsens über die Entwicklungspolitik der EU. 9
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU Europäische Union: So viel Geld steht in Österreich für Entwicklungs zusammenarbeit zur weltweit größter Verfügung: Gesamt-ODA Österreichs Geber ODA = öffentliche Entwicklungshilfeleistungen € 1,48 Mrd. 2016 Die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten geben gemeinsam mehr für Entwicklungszusammenarbeit aus als jeder andere Geber: Mehr als die Hälfte aller Mittel, die 2016 an Entwick- lungsländer geflossen sind, stammten von der EU. Wo investiert Europa am meisten? Und was wird damit finanziert? Davon fließen in die Entwicklungszusammenarbeit der EU und den Europäischen Entwicklungsfonds € 299 Mio. So viel Geld steht in der EU für Entwicklungs Das sind 20,23 % der Gesamt-ODA Österreichs 2016. zusammenarbeit zur Verfügung: Quelle: ODA-Bericht 2016 der Austrian Development Agency Beiträge der EU-Mitgliedsstaaten und EU-Institutionen Quelle: Annual Report 2017 European Council on EU Development Aid Targets Wer gibt wie viel? Die EU im Vergleich zu den nächst größeren Gebern: Netto-ODA-Auszahlungen 2016 € 75,5 = 0,51 % Quelle: Annual Report 2017 to the European Council on Milliarden EU Development Aid Targets – Council Conclusions EU-BNE1 2016 € 75,5 Milliarden (0,51 % EU-BNE) EU-DAC2-Mitglieder € 55,3 Milliarden (0,21 % BNE) Was wurde damit finanziert? Wo wurde das Geld einge- Nicht EU-DAC-Mitglieder Die Top-Bereiche: setzt? Die Top-Bereiche: € 30,3 Milliarden (0,18 % BNE) USA 38,07 % Übrige 37,10 % 4.989 Mio. 4.862 Mio. Soziale Afrika € 9,3 Milliarden (0,27 % BNE) Übrige Infrastruktur z.B. Bildung, Gesundheit, Japan Wasser € 3,6 Milliarden (0,27 % BNE) 22,58 % 2.959 Mio. 10,60 % 10,86 % Europa 22,44 % Kanada 1.389 Mio. 1.423 Mio. 2.941 Mio. Produktion Wirtschaftliche Asien z.B. Landwirtschaft, Infrastruktur und Dienstleistungen 1) EU-BNE: Bruttonationaleinkommen bezeichnet die Summe aller Industrie, Bergbau, Bau, Handel Einkommen, die die BewohnerInnen aller EU-Staaten innerhalb z.B. Transport, Energie eines Jahres erwirtschaften, egal ob im In- oder Ausland. 2) DAC: Das Development Assisctance Committee ist ein zentrales Organ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Quelle: Annual Report 2017 on the implementation of the EU’s Quelle: Annual Report 2017 on the implementation of the EU’s Entwicklung (OECD) zur Koordination der Entwicklungszusammen- instruments for financing external action in 2016 instruments for financing external action in 2016 arbeit der OECD-Geberländer. 10 AUSGABE 2/2018 | W E LT N AC H R I C H T E N
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T © EUD_reset Work Abera (rechts) hat dank eines von der EU finanzierten Projekts ein besseres Leben. Aufgaben teilen und ganze Arbeit leisten Allein für Äthiopien stellen die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten jährlich gemein- sam mehr als 1 Milliarde Euro für Entwicklungszusammenarbeit bereit. Seit einigen Jahren stimmen sie ihr Engagement intensiv ab. Was sind die Vorteile? Und wie genau funktioniert die Arbeitsteilung? Text: Astrid Wein, Leiterin des Auslandsbüros der Austrian Development Agency in Addis Abeba, Äthiopien ZU VI E L E KÖ CH E verderben Die Geberländer erzielen mit ihren Pro- weltweit größte Geber von Entwicklungs- den Brei? Das behauptet zumindest der grammen eine größere Wirkung, wenn hilfeleistungen. Auch in Äthiopien. Allein Volksmund. Doch nicht alles ist zum Schei- sie ihre Expertise und ihre Gelder zusam- dort investieren sie jährlich 1 Milliarde Euro tern verurteilt, woran mehrere AkteurInnen menführen. Letztlich kommt beides denen in Entwicklungszusammenarbeit. Als Basis gemeinsam arbeiten. Im Gegenteil. Wenn zugute, um die es in erster Linie geht: den dient eine gemeinsame Strategie. sich die Beteiligten gut abstimmen, hat Menschen in den Partnerländern, für die gemeinsames Engagement viele Vorteile. sich das Leben verbessern soll. Bevor diese fertig auf dem Tisch lag, gab es einige Fragen zu klären: Welches EU-Mit- In der Entwicklungszusammenarbeit heißt Nach Drehbuch entwickeln glied macht in Äthiopien was, wo und mit das: Die Empfängerländer sparen Transak- Die Europäische Kommission und die wie vielen Finanzmitteln? Welche Ansätze tionskosten. Das entlastet ihre Verwaltung. EU-Mitgliedsstaaten sind gemeinsam der haben gut funktioniert? Worin bestehen W E LT N AC H R I C H T E N | AUSGABE 2/2018 11
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU © EUD_reset Klimaresistente und nahrhafte Getreidearten: Die EU engagiert sich mit den Niederlanden und Österreich in der Wag-Himra-Region in Nord-Äthiopien für Ernährungssicherheit. die großen Herausforderungen für die Ernährung oder bewussteren Umgang mit Gemüsesamen. Das ermöglicht ihnen, ihre Entwicklung des Landes? Wo herrscht der den natürlichen Ressourcen. landwirtschaftliche Produktivität zu steigern. größte Unterstützungsbedarf? Das Gesundheitspersonal der Gemeinden Zum Beispiel erfahren die Menschen in der wiederum erhielt Trainings zu Ernährung Die erhobenen Fakten wurden analysiert Wag-Himra-Region im Norden Äthiopiens, und Familienplanung und gibt das neue und dienten als Basis für die gemeinsame wie wertvoll die Inhaltsstoffe der Frucht des Wissen an die Menschen weiter. So entsteht strategische Ausrichtung. Verstärkt zusam- Affenbrotbaums sind. Das ist wichtig für mehr Bewusstsein für diese Themen. menarbeiten will man nun, wenn es um ihre Gesundheit und birgt zusätzliche Ver- gute Regierungsführung, neue Arbeits- marktungsmöglichkeiten. Arbeitslose Ju - In gemeinsamen Monitoring-Reisen mit den plätze und das nachhaltige Management der gendliche bekommen Schafe oder Ziegen. EU-VertreterInnen werden die Fortschritte natürlichen Ressourcen geht. Dabei gilt den Sie können den Tierbestand erhöhen und überprüft. Wo notwendig, werden mit den Themen Gender, Migration und Ernährung den Überschuss auf dem Markt verkaufen. Umsetzungspartnern Anpassungen verein- besonderes Augenmerk. Knapp 1.000 Haushalte erhalten klimare- bart. Denn am Ende soll eines stehen: das sistente und nahrhafte Getreidearten und bestmögliche Ergebnis für die Menschen. Mit vereinten Kräften In der Praxis bedeutet das, mit vereinten Kräften Programme zu entwickeln, zu finan- VERHALTENSKODEX FÜR EU-GEBER zieren und zu überwachen. Die EU enga- giert sich zum Beispiel gemeinsam mit den Die Entwicklungspolitik der Europäischen Union soll zunehmend effektiver Niederlanden und Österreich für Ernäh- und effizienter werden. Der Europäische Rat hat schon 2007 einen freiwilligen rungssicherheit. Konkret geht es darum, die Verhaltenskodex für eine bessere Arbeitsteilung zwischen den Mitgliedsstaa- Widerstandskraft der Bevölkerung gegen- ten und der Europäischen Kommission beschlossen. Dieser sieht vor, dass die EU-Geber ihre Maßnahmen pro Land auf drei Sektoren beschränken. Die über den Auswirkungen des Klimawandels positiven Effekte: Die Partnerländer haben weniger Verwaltungsaufwand und zu erhöhen: durch eine breitere Palette die Mittel können gezielt dort eingesetzt werden, wo sie am meisten gebraucht an Einkommensmöglichkeiten, bessere werden. Gesundheitsversorgung, mehr Wissen über 12 AUSGABE 2/2018 | W E LT N AC H R I C H T E N
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T KO M M EN TA R Zivilgesellschaft redet mit Die Zivilgesellschaft kann die EU-Politik nicht mitgestalten? Doch, und zwar gleich auf mehreren Ebenen. ZI VI LG E SE L L S CH A F T LI CH E Development“. An den letzten Foren nahmen an die 200 O R GA N I SAT I O N E N ( CS O S ) sind in der Personen teil: VertreterInnen von zivilgesellschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit wichtige Partner. Auch für die Organisationen und Behörden aus den Entwicklungs- Europäische Union. Der Grund: CSOs arbeiten an der Basis ländern, RepräsentantInnen von europäischen CSOs, und kennen die Herausforderungen und Probleme benach- CSO-Netzwerken, EU-Mitgliedsstaaten, der Wirtschaft teiligter Bevölkerungsgruppen in den Ländern des globalen sowie des Europäischen Parlaments und der Europäischen Südens oft am besten. Kommission. 2002 startete daher ein Dialogprozess zwischen der Die Europäische Kommission nutzt die Expertise und Europäischen Kommission, CSOs und VertreterInnen der Erfahrung zivilgesellschaftlicher Organisationen, um ihre Mitgliedsstaaten, der 2010 in den sogenannten „Strukturier- Instrumente zur Förderung von CSO-Projekten bestmöglich ten Dialog“ mündete. Dieser wurde in den letzten Jahren an die jeweils aktuellen Bedürfnisse in den Ländern des kontinuierlich verbessert und auf lokaler und internationaler globalen Südens anzupassen. Ebene intensiviert: In regelmäßigen, von den EU-Delega- tionen organisierten Treffen in den Entwicklungsländern Dieser regelmäßige globale Austausch auf Augenhöhe trägt können sich CSOs in die entwicklungspolitische Debatte dazu bei, die Wirksamkeit und Qualität der Entwicklungszu- und in die Politikgestaltung einbringen. sammenarbeit zu verbessern. In Uganda zum Beispiel diskutieren sie Themen wie Demo- kratieförderung, Menschenrechte oder auch Korruption und Rechenschaftspflicht. Die sich verändernden Rahmenbedin- gungen für das Engagement der Zivilgesellschaft sind dort ebenfalls ein wichtiges Thema. Andrea Schmid, Leiterin des Referats Auch in Brüssel organisiert die Europäische Kommission Zivilgesellschaft International in der © ADA jährlich Treffen. Den Rahmen bildet das „Policy Forum on Austrian Development Agency W E LT N AC H R I C H T E N | AUSGABE 2/2018 13
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU Familienleben geht auch anders, Männer! In der kenianischen Stadt Kisumu am Victoriasee bricht ein Projekt traditionelle Familienmus- ter auf. Mit eigenwilligen Mitteln. © Maria Schaunitzer Henry Onyango (Mitte) hält seine Tochter auf dem Arm. Er arbeitet als „Male Champion“ und versucht, traditionelle Rollenbilder aufzubrechen. LI E B E VOL L N I M M T H E NRY Männerherrschaft Rasch wachsende Bevölkerung Onyango seine dreijährige Tochter Joy auf Damit gehört der 43-Jährige einer Volks- Onyango lebt in der westkenianischen Stadt den Schoß. Er drückt sie und streicht ihr gruppe an, die auf dem Patriarchat aufbaut. Kisumu am Victoriasee. Schnelles Bevölke- über den Lockenkopf. Wie es ein stolzer „Die Menschen hier glauben, dass von rungswachstum, hohe Säuglings- und Müt- Vater eben macht. Und doch sind diese Ges- einem Mädchen nichts Gutes ausgeht“, tersterblichkeit, Unterernährung und eine ten viel mehr. In der Handlung steckt ein erklärt Onyango. Ein Mädchen zu umar- stark steigende HIV-Rate sind charakteris- Verwandlungsprozess, denn der vierfache men oder gar zu küssen sei für viele Männer tisch für das Gebiet. Vater ist Luo. undenkbar. 14 AUSGABE 2/2018 | W E LT N AC H R I C H T E N
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T etwa bringen das Publikum zum Lachen, EU-ERGÄNZUNGSFINANZIERUNG auch bei ernsten Themen wie fehlender Familienplanung oder Gewalt in der Ehe. Zivilgesellschaftliche Organisationen Bei der ADA antragsberechtigt s ind Dann stellt ein Sozialarbeiter Fragen. Eine können für ihre Projekte finanzielle österreichische Organisationen, d ie rege Diskussion entsteht, so sollen Mythen Mittel bei der Europäischen Kommis- Eigenmittel in einem Umfang von ausgeräumt werden. sion beantragen. Weil die EU immer mindestens 5 Prozent der Gesamt- nur einen Teil der Projektkosten über- projektkosten einbringen. Die maxi- nimmt, gibt es die Möglichkeit einer male Fördersumme beträgt Männliche Vorbilder Ergänzungsfinanzierung. Eine solche 500.000 Euro. Der Fördersatz variiert Henry Onyango arbeitet als „Male Cham- bietet die Austrian Development je nach Höhe der Unterstützung Agency (ADA) an. durch die Europäische Kommission pion“ mit. Als männliches Vorbild lebt er und je nach Land, in dem das Vor vor, dass Familienleben auch anders geht. haben durchgeführt wird. „Oft hat man gesagt, dass ich kein richtiger Mann bin. Mit Argumenten versuche ich, die anderen zu überzeugen. Mein Famili- enleben ist viel besser geworden. Solche „Viele Kinder und Mütter sind unterernährt“, Projektverantwortlichen Frei willige, die in Fakten beeindrucken manchmal“, erklärt erklärt auch Oteno Kennedy. Der Arzt ist als der Gemeinschaft angesehen sind. Bei regel- Onyango. Gesundheitsbeauftragter der Kisumu-Re- mäßigen Hausbesuchen versuchen diese, gion für die medizinische Versorgung von Vorurteile gegenüber Verhütung, Gesund- etwa 400.000 Menschen verantwortlich. heitsversorgung oder Familienplanung aus- zuräumen. Tabuthema Verhütung Maria Schaunitzer, „Die Bevölkerung wächst in einem Ausmaß, Mit ungewöhnlichen Mitteln gehen sie auf Journalistin, begleitete CARE das nur schwer zu handhaben ist.“ Kenia die Menschen zu. Slapstick-Theaterstücke auf eine Projektreise nach Kenia. gehöre weltweit zu den Ländern mit dem stärksten Bevölkerungswachstum. Fami- lienplanung sei oft ein Tabuthema. „Viele © CARE glauben immer noch, wenn sie einmal ver- hüten, können sie später keine Kinder mehr bekommen“, erklärt der Arzt. Sozialer Wandel gefragt „Es braucht sozialen Wandel. Der kann nur von innen kommen“, ist Lilian Kong‘ani, Projektmanagerin von CARE in der Kisu- mu-Region, sicher. Genau hier setzt ein von der EU, der Austrian Development Agency und CARE finanziertes Projekt an. Vorurteile abbauen Neben besserer Gesundheitsversorgunggeht es dabei um Aufklärung. Dafür suchen die Mit Slapstick Diskussionen anregen: Theatergruppe in Kenia. W E LT N AC H R I C H T E N | AUSGABE 2/2018 15
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU © istockphoto.com/GeorgeRudy Lebensmittel aus dem Supermarkt: Wo sie herkommen und wie sie produziert werden, ist oft nicht bekannt. Woher kommt eigentlich unser Essen? Das Bildungsprogramm „Map your Meal“ schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Es zeigt, wo unsere Lebensmittel herkommen, und sensibilisiert Jugendliche für globale Zusammen- hänge und Entwicklungen. Mit einer neuen App geht das noch einfacher. Text: Franz Halbartschlager, Verantwortlicher für den Bereich Bildung bei Südwind EISCREME SCHMECKT KÖST- Bewusster Konsum leicht gemacht ihres Essens, dessen Produktion und glo- LICH und hat im Sommer Hochsaison. Wer Für alle, die das wissen wollen, gibt es „Map bale Zusammenhänge näher. Insbesondere aber hat sich schon einmal Gedanken darüber your Meal“, ein Bildungsprogramm, das der Jugendliche sollen so für globale Fragestel- gemacht, welche Reise Milch, Vanille, Zucker entwicklungspolitische Verein Südwind lungen sensibilisiert werden und Bewusstsein oder Kakao hinter sich haben, bevor sie im gemeinsam mit Projektpartnern aus meh- für kritischen Konsum entwickeln. Eis landen? Und wer fragt sich, was sein Essen reren EU-Ländern erarbeitet hat. Das Pro- zum Beispiel mit Kinderarbeit zu tun hat? gramm bringt den Menschen die Herkunft 16 AUSGABE 2/2018 | W E LT N AC H R I C H T E N
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T Direkt am Handy nachschauen Jede und jeder kann mitmachen Produkte einzukaufen ist eine bewährte Nun können sie sich noch einfacher infor- Sollte ein Produkt noch nicht in der Daten- Form, im alltäglichen Leben Entwicklung mieren. Denn seit vergangenem Jahr gibt es bank sein, können es die UserInnen selbst mitzugestalten. die „Map-your-Meal“-App fürs Handy. Und bewerten. Eine Crowdsourcing-Funktion so einfach geht’s: im Supermarkt den Bar- führt sie Schritt für Schritt durch die Bewer- Mit Preis ausgezeichnet code eines Lebensmittels mit der App scan- tungsmethodik. Das Projekt kommt mittlerweile so gut an, nen und schon erfährt man, wie „grün“ ein dass es mit dem „Global Education Innova- Produkt wirklich ist, wie es um den Palm Südwind bemüht sich schon seit vielen Jah- tion Award“ ausgezeichnet wurde. Diesen ölgehalt steht oder ob die Arbeits- und Men- ren, Bewusstsein für ethischen Konsum zu Preis vergibt das Global Education Network schenrechte eingehalten wurden. schaffen. Fair produzierte und ökologische Europe (sh. Kasten) seit 2017. „Map your Meal“ wurde vergangenes Jahr GLOBALES LERNEN VERNETZT EUROPA abgeschlossen. Neben Österreich waren auch Zypern, England, Bulgarien und Griechen- GENE steht für „Global Education Net- Institutionen aus 25 Ländern, die sich land mit von der Partie. Kooperationspart- work Europe“ und ist ein europäisches zweimal jährlich treffen. Mitglieder Netzwerk, das den europaweiten sind Ministerien und Fördereinrich- ner aus Ghana, dem zweitgrößten Kakaoher- Wissens- und Erfahrungsaustausch zu tungen aus dem Entwicklungs- und steller weltweit, und Benin unterstützten die entwicklungspolitischer Bildung und Bildungsbereich, so auch die Austrian Aktion. Die Austrian Development Agency globalem Lernen fördert. Development Agency. beteiligte sich finanziell daran. GENE wurde 2001 gegründet und zählt mittlerweile mehr als 4 0 www.gene.eu www.mapyourmeal.org www.suedwind.at W E LT N AC H R I C H T E N | AUSGABE 2/2018 17
Privates Geld für Afrika Der Privatsektor ist ein unverzichtbarer Akteur, wenn die Globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen erreicht werden sollen. Unterneh- men schrecken vor Inves- © CherylSamanthaOwenGreenpeace titionen in Afrika aber oft zurück. Die EU setzt dem nun einen eigenen Fonds entgegen. Erste Projekte werden bereits aufgesetzt. Text: Reinhold Gruber, Garantien für einen Kredit für eine eigene Bio-Landwirtschaft: Der Europäische Fonds für Bundesministerium für Europa, nachhaltige Entwicklung will das möglich machen. Integration und Äußeres, Referent Wirtschaft & Entwicklung EI N W Ü R D E VO LL E S LE BE N Unternehmen scheuen das Risiko, Kapital ermutigen, mehr zu investieren. Insgesamt in einer intakten Umwelt für alle Menschen zu verlieren. erhofft sie sich ein Volumen von 44 Milliar- – das streben die Vereinten Nationen mit den Euro. den Globalen Zielen für nachhaltige Ent- Lockruf der EU wicklung bis 2030 an. Die öffentliche Hand Die EU will nun Abhilfe schaffen. Mit dem Der Plan konzentriert sich auf Projekte, die allein kann das aber nicht schaffen. Zusätzli- Externen Investitionsplan will sie erreichen, Digitalisierung, nachhaltige Energieversor- che Gelder sind daher notwendiger denn je, dass mehr private Gelder fließen. Insbeson- gung, Stadtentwicklung und die Landwirt- vor allem auch private Investitionen. dere in die Länder Subsahara-Afrikas und schaft vorantreiben. Europäische Unter- in die Staaten der Europäischen Nachbar- nehmen sollen sich etwa an der Errichtung Wo bleiben die Investitionen? schaftspolitik, die von Nordafrika bis Osteu- von kleinen Wasser- oder Solar-Kraftwerken Gerade in afrikanischen Ländern wird aber ropa reichen. beteiligen können. viel zu wenig investiert. Das zeigt der aktu- elle World Investment Report der Konfe- Kernstück des Plans ist der Europäische Kleine und mittlere Unternehmen renz der Vereinten Nationen für Handel Fonds für nachhaltige Entwicklung. Dieser im Fokus und Entwicklung. Nur 3,5 Prozent der ist mit 4,1 Milliarden Euro gefüllt. Über Zusätzlich will die EU besonders kleine und weltweiten Auslandsinvestitionen gingen Hebeleffekte, also Kredite, Zuschüsse mittlere lokale Unternehmen ansprechen. 2016 nach Afrika. Besonders europäische und Garantien, will die EU Unternehmen Sie sollen leichter Zugang zu Finanzierungen 18 AUSGABE 2/2018 |
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T © CurtCarnemarkforWorldbank Der neue EU-Fonds will privates Kapital für nachhaltige Energie-Projekte z. B. in Mali anlocken. bekommen. Denn gerade sie erhalten oft Teil des Risikos ab. Außerdem will sie päische Investitionsbank, die Europäische keine Kredite, trotz solider Businesspläne. lokalen Banken und Unternehmen bei der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung Prüfung von Kreditanträgen bzw. bei der oder die deutsche Kreditanstalt für Wieder- Vorgesehen ist dabei, dass die EU über den Antragstellung unter die Arme greifen. aufbau. Sie arbeiten bereits daran, erste Pro- Fonds eine Garantie für Kredite an lokale jekte auf Schiene zu bringen. Banken zur Verfügung stellt. So nimmt sie Ansprechpartner für die europäischen europäischen Entwicklungsbanken einen Unternehmen sind Banken wie die Euro- EU-INVESTITIONSOFFENSIVE FÜR DRITTLÄNDER In seiner EU-Gundsatzrede kündigte Jean- Claude Juncker im Namen der EU-Kommission eine neue Initiative für Afrika an: die Europäische Investitionsoffensive für Drittländer (EEIP). Sie soll den privaten Sektor in Afrika und europäischen Nachbarstaaten fördern. Quelle: Eurostat, Europäische Kommission, Oxfam, War on Want W E LT N AC H R I C H T E N | AUSGABE 2/2018 19
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU © shutterstock.com/Fotokostic Die Länder Südosteuropas und des Donauraums bieten gute Voraussetzungen für den Anbau von gentechnikfreiem Soja. Gen-Soja? Dabei kommt Südosteuropa und dem Donauraum eine Schlüsselrolle zu. Warum? Weil die Länder in diesen Regionen Erfah- Nicht die Bohne! rung im Sojaanbau und brachliegende Ackerflächen haben. Soja nachhaltig produzieren und eine Wertschöpfungs- … bringt Jobs und Einkommen kette aufbauen – eine Strategische Partnerschaft der Aust- Soja ist eine wertvolle Pflanze in der Frucht- rian Development Agency mit dem Verein Donau Soja hat folge. Sie reichert den Boden mit Stickstoff genau das in der Ukraine, Moldau, Serbien sowie in Bos- an und benötigt nur wenig Pflanzenschutz- mittel. Obendrein bringt der Anbau neue nien und Herzegowina zum Ziel. In Moldau ist auch die EU Einkommensmöglichkeiten und Jobs in mit dabei. Ein Zwischenbericht nach dem ersten Jahr. Text: Lutz Bergmann, Verein Donau Soja »Vor dem Start von Donau Soja © Mitja Kobal_Greenpeace stammten fast 100 Prozent des Sojas, das Europa jährlich SOJA I ST U N T E R LandwirtIn- einer viel zu engen Fruchtfolge und unter als Futtermittel ein- nen gefragt. Die Bohne dient als Futter für Einsatz von Chemikalien kultuviert – teils setzt, aus Übersee. Das im Amazonas- Hühner, Schweine und teilweise auch für auf Regenwaldboden und in Savannen. gebiet angebaute Kühe. Knapp 40 Millionen Tonnen werden Soja ist jedoch zu einem großen Teil für die Zerstörung des Regenwaldes in Europa jährlich verfüttert. Angebaut wer- Umweltfreundliche Alternative … mitverantwortlich.« den nur acht. Die Differenz stammt großteils Der Verein Donau Soja setzt sich dafür ein, Herwig Schuster, aus Südamerika. Dort wird Soja aber oft mit dass Soja auch in Europa angebaut wird. Sprecher von Greenpeace in Österreich 20 AUSGABE 2/2018 | W E LT N AC H R I C H T E N
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T »Nachhaltiges Soja fördert PARTNERSCHAFTEN MIT WIRKUNG eine gesün- dere Land- wirtschaft © Donau Soja Der Privatsektor ist ein wichtiger Strategische Partnerschaften zielen auf mit einer Partner der Austrian Develop- systemische Verbesserungen ab und besseren ment Agency. Mit dem Instru- unterstützen die sozialwirtschaftliche Fruchtfolge und die länd- ment Wirtschaftspartnerschaften Entwicklung in mehreren Entwicklungs- liche Entwicklung in Europa. fördert sie Projekte von Unterneh- und Schwellenländern gleichzeitig. Besonders am Herzen liegt uns men, die sich langfristig in einem die europäische Zusammenarbeit. Partnerland engagieren und dort Mehr Infos: So kann Soja aus Europa eine zur nachhaltigen Entwicklung www.entwicklung.at/ gute Alternative sein.« beitragen. akteure/unternehmen/ Mathias Krön, Obmann von Donau Soja ländliche Regionen. Genau das ist das Ziel Rohmilch-Produzenten und eine Super- Zufrieden zeigt sich auch Greenpeace. „Wir der Strategischen Partnerschaft der Aus marktkette als Partner gewinnen. Sie ver- sehen in der Initiative von Donau Soja trian Development Agency mit dem Verein wenden bzw. vertreiben nun Sojaprodukte, eine Chance, die Futtermittelversorgung in Donau Soja. Eier und Milch mit dem Gütesiegel „Donau Österreich gentechnikfrei zu machen und Soja“. Das Zertifikat steht für Regionalität zu regionalisieren“, so Herwig Schuster von Die Kooperation läuft seit 2017 und fördert und Gentechnikfreiheit. Davon profitiert Greenpeace. nachhaltige Entwicklung in strukturschwa- die gesamte Wertschöpfungskette – von den chen Gebieten (sh. Kasten). In Moldau wurde LandwirtInnen bis zu den KonsumentInnen. die EU auf die österreichische Initiative auf- merksam und ist dort seit Ende 2017 mit © shutterstock.com/Fotokostic einer zusätzlichen Finanzierung mit an Bord. Auf zu neuen Märkten Durch Beratung und Trainings unterstützt Donau Soja lokale LandwirtInnen und Ver- arbeiterInnen bei der Qualitätssicherung. Das steigert ihre Wettbewerbsfähigkeit und ebnet ihnen den Weg zu lokalen, regionalen und internationalen Märkten. Bis 2021 soll das 8.000 Jobs sichern. Positive Bilanz Nach einem Jahr Partnerschaft ist die Bilanz positiv. In Serbien konnte Donau Soja be reits einen Legehennen-Betrieb, einen Die Sojabohne ist ein eiweißhaltiges Kraftpaket, das für Hühner, Schweine und teilweise auch für Kühe als Futtermittel verwendet wird. W E LT N AC H R I C H T E N | AUSGABE 2/2018 21
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU Humanitäre Hilfe auf neuem Kurs? Durchschnittlich 19 Jahre sind vertriebene Menschen heute auf der Flucht. Deutlich länger als noch vor zwei Jahrzehnten. Das stellt die humanitäre Hilfe und die Entwicklungszusammenarbeit vor neue Heraus- forderungen. Mehr Zusammenarbeit ist vor allem auf EU-Ebene erwünscht. Text: Daniela Krejdl, Programm-Managerin für humanitäre Hilfe und den Nahen Osten in der Austrian Development Agency M E N SC HE N , D I E W E G E N nötig. Die humanitären Hilfsaufrufe interna- bewaffneter Konflikte oder Naturkatastro- tionaler Organisationen erfolgen über Jahre © UNHCR_Mark Henley phen ihre Heimat verlassen müssen, sind hinweg als Reaktion auf dieselben Krisen. heute knapp zwei Jahrzehnte auf der Flucht. Zum Beispiel in Syrien und dessen Nach- Dabei leben die meisten Vertriebenen nicht barländern Libanon, Jordanien und Türkei, in traditionellen „Flüchtlingscamps“, son- in die besonders viele Menschen geflüchtet dern in großteils städtischen Aufnahmege- sind. meinden. … erfordern kurz- und der Hilfe einen linearen Übergang geben Anhaltende Konflikte … langfristige Hilfe sollte. Außerdem wurden Krisen als zeitlich Aktuell sind rund 80 Prozent der humani- Humanitäre Hilfe allein greift hier zu kurz. begrenzte „Einzelereignisse“ gesehen. tären Hilfe wegen anhaltender Konflikte Daneben braucht es auch Lösungsansätze der Entwicklungszusammenarbeit, die Heute ist die Realität eine andere. Beim langfristig und nachhaltig wirken: Denn die Weltgipfel für humanitäre Hilfe im Jahr Flüchtlinge und die Bevölkerung der Auf- 2016 gab es daher den Aufruf, dass spezi- ENGAGEMENT ÜBER DEN TELLERRAND nahmegemeinden benötigen dauerhaft sau- ell in lang anhaltenden Krisen humanitäre beres Wasser, Sanitäranlagen oder etwa eine Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit wo Unter Double Nexus versteht funktionierende Gesundheitsversorgung. möglich verschränkt werden und sich nicht man einander ergänzende Die Kinder müssen zur Schule gehen und ablösen, sondern einander ergänzen sollten Maßnahmen von humanitärer die Erwachsenen brauchen Jobs. („Nexus-Ansatz“). Dabei wesentlich ist, die Hilfe und Entwicklungszusam- humanitären Prinzipien Menschlichkeit, menarbeit. Diese Diskussion ist nicht neu: Bereits in den Neutralität, Unabhängigkeit und Unpartei- Der Triple Nexus bezieht 1980er- und 1990er-Jahren galt es als wich- lichkeit zu achten. zusätzlich den Bereich Frieden tig, humanitäre Hilfe und Entwicklungszu- und Sicherheit mit ein. Er kommt in fragilen Staaten zur sammenarbeit zu verlinken. Das damalige Pro und contra Anwendung oder in Ländern, in Konzept des „Linking Relief, Rehabilitation Wie wichtig diese Grundsätze sind, betont denen ein Konflikt herrscht. and Development“ ging davon aus, dass speziell Ärzte ohne Grenzen Österreich: es zwischen den verschiedenen Phasen „Unparteiliche und unabhängige humanitäre 22 AUSGABE 2/2018 |
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T Hilfe gewinnt angesichts der komplexen Herausforderung sei, dieses Zusammenspiel Aktuell sind rund 80 Prozent der humanitären Hilfe wegen anhaltender Krisen unserer Zeit an Bedeutung“, so in der Praxis aufrechtzuerhalten. „Denn Konflikte nötig. Geschäftsführer Mario Thaler. wir müssen verhindern, dass langfristige Entwicklungszusammenarbeit gegenüber Den Versuch einer zu starken Verschrän- der Erfüllung unmittelbarer Bedürfnisse kung mit der Entwicklungszusammenar- Vorrang hat“, so Gareth Price-Jones, Senior beit und friedenserhaltenden Maßnahmen Humanitarian Policy and Advocacy Coordi- sehe Ärzte ohne Grenzen hingegen kritisch. nator von CARE International. Aufnahmegemeinden in den Nachbarlän- Außerdem spreche sich die Organisation dern unterstützt. „Im Libanon haben wir gegen die Vereinnahmung von humanitärer EU bündelt Gelder und Maßnahmen einen gemeinsamen Rahmen für humanitäre Hilfe durch politische Agenden aus: „Damit Den „Nexus-Ansatz“ hat nun auch die EU Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit aus- sie effektiv ist, bedarf humanitäre Hilfe kla- verstärkt auf ihrer Agenda. In sechs Ländern gearbeitet. Dieser baut auf dem Nexus-An- rer Rahmenbedingungen und einer gesun- will sie ihn anwenden und dabei mit Orga- satz auf und bündelt die Förderungen und den Distanz zu allen anderen Agenden“, so nisationen wie den Vereinten Nationen und Projekte der EU-Generaldirektion für huma- Thaler. der Weltbank sowie den EU-Mitgliedsstaa- nitäre Hilfe und Katastrophenschutz, des ten zusammenarbeiten. MADAD-Fonds und anderer EU-Instru- CARE International hingegen verknüpft mente. Das ist effizienter und bringt bessere in Programmen, wo dies sinnvoll und Zusätzlich hat sie neue Fördertöpfe einge- langfristige Ergebnisse für die Menschen im möglich ist, bereits humanitäre Hilfe richtet. Einer davon ist der MADAD-Fonds, Libanon “, ist Ryan Knox vom Europäischen und Entwicklungszusammenarbeit. Die mit dem sie Flüchtlinge aus Syrien und deren Auswärtigen Dienst Beirut überzeugt. W E LT N AC H R I C H T E N | AUSGABE 2/2018 23
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU Willkommen in Jerewan 5,5 Millionen SyrerInnen hat der Krieg bereits aus ihrer Heimat vertrieben. Die Auf nahmeländer stehen meist vor großen Herausforderungen. Auch Armenien beherbergt viele Flüchtlinge. Die EU und Österreich greifen dem Land unter die Arme. Text: Gerlinde Astleithner, Regionalverantwortliche Südost- und Osteuropa, und Sonja Greiner, Regionalverantwortliche Naher Osten, Österreichisches Rotes Kreuz Anfang war das vor allem Nothilfe in Form von Gutscheinen für Winterkleidung oder überlebensnotwendige medizinische Ver- sorgung, aber auch Integrationsförderung. Die finanziellen Mittel dafür stammten von der EU, der Austrian Development Agency und der Aktion „Nachbar in Not“. Schwerpunkt der Hilfe ändert sich Inzwischen hat sich der Bedarf geändert: Kinder müssen zur Schule gehen, Erwach- sene brauchen Arbeit und Einkommen. Sonst können sie ihre Familien nicht ernäh- ren und die Miete nicht bezahlen. Viele Flüchtlinge sind Kleinunternehmer und © Rotes Kreuz Handwerker, die es in der Zwischenzeit geschafft haben, erfolgreich eine Existenz aufzubauen. Arbeit in einer Bäckerei gefunden: Je länger die Krise in Syrien andauert, umso wichtiger ist es, dass sich die Flüchtlinge im Zielland ein neues Leben aufbauen können. Das Rote Kreuz plant derzeit die Umsetzung eines Programms, das syrischen Armenier Innen und der Aufnahmegesellschaft Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiens- NERSES S. (Name von der Redak- Menschen mit offenen Armen empfangen ten sowie zum Arbeitsmarkt ermöglichen tion geändert) ist 2011 von Syrien nach – trotz der hohen Arbeitslosigkeit und der soll. Der Schwerpunkt liegt auf der Förde- Armenien geflohen. Er ist einer jener syri- Armut im Land: Syrische ArmenierInnen rung von selbstständigen Kleinunterneh- schen Armenier aus Aleppo, die das Heimat- bekamen Pässe, damit sie leichter einreisen mern und Handwerkern mit Know-how, land ihrer Vorfahren als Ausweg sahen, um konnten. Es gibt auch keine Flüchtlingsla- Anschubfinanzierungen und Kleinkrediten. dem Krieg in Syrien zu entkommen. Mittler- ger, sondern die Betroffenen sind in Woh- Zusätzlich geht es dabei um leistbares Woh- weile lebt Nerses mit seiner ganzen Familie nungen in der Hauptstadt Jerewan unterge- nen und die Eingliederung in das lokale in Armenien. bracht. Bildungssystem. Offene Arme für Flüchtlinge Internationale Unterstützung Im achten Jahr der Syrienkrise soll die Initi- 22.000 Flüchtlinge sind seit Beginn des Hilfe für die Flüchtlinge kam vom Armeni- ative dazu beitragen, dass Familien wie jene Syrienkriegs in Armenien angekommen. schen Roten Kreuz, das vom Österreichi- von Nerses ein gutes Leben in einer integra- Regierung und Gesellschaft haben die schen Roten Kreuz unterstützt wurde. Am tionswilligen Gesellschaft haben. 24 AUSGABE 2/2018 | W E LT N AC H R I C H T E N
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T INTERVIEW Ab 2014 hat der sogenannte „Die EU ist keine Islamische Staat (IS) große Teile des Irak besetzt. Irakische Sicherheitskräfte und kurdi- Super-NGO“ sche Peschmerga konnten 2017 die Mehrheit der vormals vom IS besetzten Gebiete zurückgewinnen. Die Autonome Region Kurdistan im Irak (offizieller Name: Kurdistan Die Autonome Region Kurdis- Region des Irak) hat in den letzten Jahren über eine Million Binnen- tan (offizieller Name: Kurdistan flüchtlinge aufgenommen. Die EU leistete wichtige humanitäre Hilfe. Region des Irak) beherbergt Aber das ist nicht alles, erklärt Clarisse Pásztory, Leiterin des EU-Ver- knapp 1.4 Millionen der bindungsbüros in Erbil. insgesamt drei Millionen irakischen Binnenvertriebenen sowie rund 300.000 syrische Flüchtlinge. Frau Pásztory, wie lebt es sich in Erbil? Schulen und temporäre Infrastruktur gebaut In Erbil lebt man recht gut. Auch wenn es werden. Das ist erledigt. Im September 2017 sprach sich die Mehrheit der Bevöl- nach dem Referendum über die Unabhän- kerung in einem Referendum gigkeit der Autonomen Region Kurdistan Andererseits brechen viele der vorübergehend für die Unabhängigkeit der wieder etwas schwieriger geworden ist vom gemeinsamen Feind IS überdeckten Autonomen Region Kurdistan aus. Die irakische Zentralre- und es Sanktionen von irakischer Seite Gräben nun neu auf. Die Kurdistan Region gierung und die internationale gibt. Die Stadt Erbil hat geschätzte 1,2 hielt z. B. im September 2017 ein Unabhän- Gemeinschaft erkennen das Millionen Einwohnerinnen und Einwoh- gigkeitsreferendum ab. Danach kam es zu Referendum nicht an. ner. Mit den Flüchtlingen, die seit 2014 militärischen Spannungen zwischen Bagdad da sind, sind es fast zwei Millionen. Es ist und der Autonomen Region Kurdistan. Die eine lebendige Stadt mit einer halbwegs im Irak zugrunde liegenden Probleme, aus funktionierenden Infrastruktur. denen Daesh erwuchs, müssen nun dringend Was wäre Ihr größter Erfolg? angegangen werden. Die EU wird in vielen Regionen der Welt fälsch- Hat sich die Lage in der Region ver- lich als Super-NGO wahrgenommen. Wir sind bessert, seit der sogenannte Islami- Welche Hilfe hat die EU geleistet? aber ein politischer Akteur und leisten mehr als sche Staat, kurz IS oder Daesh, 2017 Die EU war und ist führend bei der humanitären nur humanitäre Hilfe. zurückgedrängt werden konnte? Hilfeleistung. Direkte humanitäre Hilfe hat die Einerseits ja. Die ehemals von Daesh besetzten EU z. B. in Form von Lebensmitteln, Zelten oder Ich habe die EU hier als ernst zu nehmenden Gebiete sind leichter zugänglich. Es gibt nicht Gesundheitsversorgung geleistet. Über den Faktor mit politischen Interessen und Werten mehr täglich schweres Bombardement oder MADAD-Fonds sind weiters Mittel in die Berei- etabliert. Wir werden nun im gleichen Atemzug Hunderttausende Vertriebene und Flüchtlinge che Wasser, Elektrizität, Schulen, Ausbildung, wie etwa die USA genannt. Das bedarf kontinu- zu versorgen. Es müssen auch nicht mehr ad hoc medizinische Versorgung und Rehabilitierung ierlichen politischen Engagements. Dieses kann geflossen. Dazu kommen noch Entminung und dann z.B. dazu genutzt werden, eine Normalisie- psychologische Hilfe. rung zwischen Bagdad und Erbil herzustellen. © OHR Das ist etwas, woran ich persönlich sehr intensiv Und was kommt jetzt? arbeite und woran mir viel liegt. Der Fokus ändert sich. Der klassische humani- täre Zugang weicht nun der Stabilisierungsphase. Diese wiederum sollte kontinuierlich zu einer längerfristigen Entwicklungszusammenarbeit Clarisse Pásztory führen. Und der physische Wiederaufbau muss leitet seit 2016 das EU-Verbin- von einem politischen Neubeginn begleitet dungsbüro in Erbil, der Hauptstadt werden. der Kurdistan Region des Irak. W E LT N AC H R I C H T E N | AUSGABE 2/2018 25
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