Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency

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Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency
NR. 2/2018
P.b.b. Zulassungsnummer: GZ 04Z035691 M | Austrian Development Agency | Zelinkagasse 2, 1010 Wien

                                                                    en
                                                            So könnzeigen!
                                                                atz
                                                        Sie Eins

                                                                                                                        Entwicklungs-
                                                                                                                         Weltmeister
                                                                                                                              Europa
                                                                                                    Kenia:           Äthiopien:       Kosovo:
                                                                                                    Familienmuster   neue Wege beim   Himbeeren
                                                                                                    brechen auf      Kaffeeanbau      schaffen Jobs
Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency
INHALT

                                                                                                                                         SCHWERPUNK T

                                                                                                                                                      Woher kommt eigent-
                                                                                                                                         16           lich unser Essen?
                                                                                                                                                      Das Bildungsprogramm
                                                                                                                                                      "Map your Meal" fördert
                                                                                                                                                      ethischen Konsum.

                                                                                                                                                      Privates Geld
                                                                                                                                         18           für Afrika
                                                                                                                                                      Ein Fonds der EU fördert
                                                                                                                                                      Investitionen des Privat-
© EU_ECHO_Edward Echwalu.

                                                                                                                                                      sektors.

                                                                                                                                                      Gen-Soja?
                                                                                                                   4                    20 Nicht die Bohne!
                                                                                                                                                      Sojaanbau in Südosteuropa
                                                                                                                                                      und im Donauraum auf
                                                                                                                                                      Erfolgskurs
                            SCHWERPUNK T                                 SCHWERPUNK T

                            ­
                                     Starker Entwick­                                 Aufgaben teilen und                                             Humanitäre Hilfe auf
                                 4 lungspartner EU                       11 ganze Arbeit leisten                                        22 neuem Kurs?
                                     Wie die EU und ihre                              So funktioniert die Arbeitstei-                                 Neue Herausforderungen
                                     Mitgliedsstaaten weltweit                        lung zwischen Europäischer                                      erfordern angepasste
                                     Entwicklung fördern.                             Kommission und den EU-Mit-                                      Maßnahmen.
                                                                                      gliedsstaaten.
                                     Ein Österreicher                                                                                                 Willkommen in
                                 8   in Brüssel                                                                                         24            Jerewan
                                                                         13 Zivilgesellschaft
                                                                                      KOMMENTAR

                                     Ein Arbeitstag im                                                                                                Die EU und Österreich
                                     Herzen der EU                                    redet mit                                                       unterstützen Armenien bei
                                                                                      Wie zivilgesellschaftliche                                      der Flüchtlingshilfe.
                                     Europäische Union:
                                10 weltweit größter
                                                                                      Organisationen die EU-Politik

                                                                                                                                        25 „Die EU ist keine
                                                                                      mitgestalten.                                                   INTERVIEW

                                     Geber
                                                                                      Familienleben geht                                              Super-NGO“
                                                                         14
                                     Mehr als die Hälfte aller
                                     Mittel an Entwicklungsländer                     auch anders, Männer!                                            Clarisse Pásztory, Leiterin des
                                     stammen von der EU.                              Traditionelle Familienmuster in                                 EU-Verbindungsbüros in Erbil,
                                                                                      Kenia brechen auf.                                              Irak, im Gespräch

                                                                    IMPRESSUM

                                                                    Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: Austrian Development Agency (ADA), die Agentur der Österreichischen Entwick-
                                                                    lungszusammenarbeit, Zelinkagasse 2, 1010 Wien, Österreich, oeza.info@ada.gv.at, www.entwicklung.at, DVR 0000060.

                                                                    Konzept, Gestaltung und Produktion: Austrian Development Agency, Grayling Austria GmbH. Redaktion: Alice Irvin (f. d. I. v.),
                                                                    Claudia Gruber, Ulrike Lang, Christa Danner, Patrizia Reidl, Ursula Heinrich. Titelfoto: © 2017 UNICEF/Mackenzie Knowles-Coursin
                                                                    Layout: trafikant – ­Handel mit Gestaltung, Ronald Talasz. Druck: AV-Astoria, 1030 Wien. Verlagsort: 1010 Wien. Juni 2018.

                                                                    Die Weltnachrichten sind kostenlos. Bestellung: oeza.info@ada.gv.at oder www.entwicklung.at.

                                                                    Die einzelnen Artikel spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung des Herausgebers wider. Für den Inhalt der Beiträge sind die
                                                                    jeweils genannten AutorInnen verantwortlich.

                            2                                                                                                        AUSGABE 2/2018 |                W E LT N AC H R I C H T E N
Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency
INHALT

SCHWERPUNK T                                          S US TA I N A B L E D E V E LO PM E N T G OA L S

            Österreich und                                       Himbeersaft,
 26                                                   40

                                                                                                                                                                                                        © MariaSchaunitzer
            die EU machen                                        der Arbeit schafft
            gemeinsame                                           Ein Projekt bringt Beschäfti-
                                                                                                                                  14
            Sache                                                gung für Frauen in Kosovo.
            Von der Zusammenarbeit
            profitieren alle.
                                                      PA N O R A M A

                                                                 Kaffee mit starker
 M I T M AC H E N
                                                      42 Wirkung

                                                                                                                                                      © istockphoto.com/narvikk
            MITMACHEN!
 29
                                                                 KaffeebäuerInnen in Äthiopien
            Wien, Salzburg, Kärnten                              auf neuen Wegen
            und Burgenland global
                                                                 Fische ernten auf
                                                      44 Hochschulniveau
            engagiert
                                                                                                                                        18
                                                                 Eine internationale Hochschul-
 PA N O R A M A
                                                                 kooperation fördert Aquakultur

 33 Am Dach der Welt
            IM PORTRÄT                                           in Ostafrika.

            Die Bhutanerin Sonam
                                                      SERVICE
            Yangelan ist stolz auf ihre
                                                                 Blitzlichter &
                                                      46 Gewinnspiel
            Tourismusaus­bildung.

                                                                                                                                                                                                        © SONNE International
 34 Von WeltbürgerInnen
            INTERVIEW                                            Gewinnen mit Fairtrade

                                                                                                                                  29
            und nationalen                                       Hummus
            Ego­ismen                                 47         Der „Klassiker“ aus
                                                                                                                                   37
            Ban Ki-moon und                                      Kichererbsen
            Heinz Fischer im Gespräch

            Jobs für Afrika
 36
                                                                                                         © Brigida Clazzer Doss

            Wirtschaftskammer

                                                                                                                                                                                  © ADA H.Habertheuer
            Österreich fördert
            Berufsbildungsprojekte.

            Edle Tropfen
 37         aus dem Land
            der Adler                                                                                                              47
            Der Weinbau in Albanien
            blüht (wieder) auf.

            Sinn(voll)
 39 stiften
            Gemeinnützige Stiftungen
            leisten einen wichtigen
            ­Beitrag zur Entwicklungs­
                                                            40
                                                                                                                                                                                                        © toa-heftiba-on unsplash

            zusammenarbeit.

     W E LT N AC H R I C H T E N   | AUSGABE 2/2018                                                                                               3
Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency
SC H W E R PU N K T

Starker
Entwicklungs-
partner EU
Die Europäische Kommission und die EU-Mitglieds­
staaten sind gemeinsam der weltweit größte Geber
von Entwicklungshilfeleistungen. Wohin fließen die
Gelder und wofür werden sie verwendet? Können die
Mitgliedsstaaten die EU-Entwicklungspolitik aktiv­
mitgestalten und mitentscheiden, welche Länder
von den Mitteln profitieren? Und welche entwick­
lungspolitischen Schwerpunkte setzt Österreich wäh-
rend der EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr
2018?
Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency
© EU_ECHO_Edward Echwalu
Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU

                                                                                                                            © European Union_ECHO

„‌D
                                A S S I C H N U N Zugang zu sauberem            Die EU sind wir
                                Wasser und sicheren Sanitäranlagen habe,        Der Europäische Rat setzt sich aus den
                                hat mir meine Würde zurückgegeben“, sagt        Staats- und Regierungschefs aller EU-Mit-
                                Margaret Amongo aus dem Dorf Bobol in           glieder zusammen. Als wichtigstes Entschei-
                                Uganda. Sie kann jetzt mit ihrem Rollstuhl      dungsgremium der Europäischen Union
                                selbst Wasser holen.                            gibt er die großen politischen Ziele vor.
                                                                                Mitreden kann jedes EU-Land, also auch
                                Was aber hat das mit dem Europäischen Rat       Österreich.
                                zu tun? Mehr, als die meisten wissen: Denn
                                dessen Beschlüsse sind Voraussetzung dafür,     Auch den politischen und rechtlichen
                                dass Maßnahmen wie das Wasserprogramm           Rahmen, in dem die EU-Entwicklungs-
                                in Uganda überhaupt mit europäischen Gel-       zusammenarbeit agiert, legt der Rat fest.
                                dern finanziert werden können.                  Hier können die EU-Länder ebenfalls mit­-

6                                                                             AUSGABE 2/2018 |       W E LT N AC H R I C H T E N
Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency
© EU 2013
                                                   STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T

Um die Lebenssituation der Menschen                                     Regeln für die administrativen Verfahren
in Entwicklungs- und Schwellenländern
                                                                        beschließen.
zu verbessern, stellten die EU-Kommis-
sion und die Mitgliedsstaaten allein 2016
75,5 Milliarden Euro bereit.                                            Vorsitzland Österreich: der Plan
                                                                        Im zweiten Halbjahr 2018 hat Österreich
                                                                        die Ratspräsidentschaft inne. Damit über-
                                                                        nimmt es auch den Vorsitz in den Ratsar-
entscheiden, wie die entwicklungspoliti-                                beitsgruppen und kann wichtige Punkte
schen Aktivitäten ausgerichtet werden. Zum                              auf europäischer Ebene vorantreiben. In der
Beispiel in den Ausschüssen oder in den                                 Entwicklungszusammenarbeit liegen die
Ratsarbeitsgruppen, wo sie ihre Positionen                              österreichischen Schwerpunkte auf folgen-
einbringen können. Dort wird festgelegt,                                den Themen:
wie die von Rat und Europäischem Parla-
ment vorgegebenen Politiken und Strategien                              •   Gender und Entwicklung: Besonde-
konkret umgesetzt werden.                                                   res Augenmerk gilt hier den Bereichen
                                                                            Gesundheit und Bildung, der politi-
Die Kehrseite der Medaille: Mehr Mitspra-                                   schen und ökonomischen Teilhabe von         kostenintensivere Maßnahmen finanzieren,
che führt zu mehr Bürokratie. Zuletzt wur-                                  Frauen, der Rolle von Frauen in Kon-        zum Beispiel große Infrastrukturprojekte.
den immer mehr Stimmen laut, die weni-                                      flikt- und Krisensituationen und dem        Und sie weiß bestens, wie regionale Zusam-
ger Verwaltung fordern. Das geht aber nur,                                  Kampf gegen genderbasierte Gewalt.          menarbeit und Integration funktionieren.
wenn die Mitgliedsstaaten selbst einfachere                             •   nachhaltige Energieversorgung
                                                                        •   Effizienz und Effektivität                  Die Mitgliedsstaaten hingegen sind in ihrer
                                                                        •   besseres Zusammenspiel von langfristi-      Struktur flexibler als die EU. Außerdem ver-
                                            »2018 ste-                      ger Entwicklungszusammenarbeit und          fügen sie häufig über langjährige Erfahrung
                                            hen wichtige
 © EU2014EtienneAnsotte

                                                                            kurzfristiger humanitärer Hilfe             und Expertise in unterschiedlichen Sek­
                                            Themen an:
                                            Wir werden
                                                                                                                        toren.
                                            die Entwick-                Die große Herausforderung ist, so zu agie-
                                            lungspolitik
                                                                        ren, dass die Mitgliedsstaaten zu Kompro-       Österreich als gefragter Partner
                                            der EU
                                            modernisie-                 missen finden, die von allen mitgetragen        Österreich zum Beispiel hat ausgewiesenes
                          ren. Und wir werden die Bezie-                werden. Denn nur wenn der Rat mit einer         Know-how im Wassersektor. Auch die EU
                          hungen mit den afrikanischen,
                          pazifischen und karibischen                   Stimme spricht, ist er stark.                   hat das erkannt und der Austrian Develop-
                          Staaten neu ausgestalten.                                                                     ment Agency (ADA) bereits wiederholt
                          Vor allem liegt mir aber unsere               EU leistet weltweit meiste Hilfe                Geld zur Umsetzung übertragen. Zum Bei-
                          Investitionsoffensive für Drittlän-           Die EU-Kommission und die Mitgliedsstaa-        spiel in Uganda, wo die ADA seit vielen Jah-
                          der am Herzen. Diese soll Ent-
                          wicklungsinvestitionen von bis zu             ten stellen weltweit am meisten Geld für        ren dazu beiträgt, die flächendeckende Was-
                          44 Milliarden Euro mobilisieren.              Entwicklungszusammenarbeit bereit. 2016         serversorgung zu verbessern. Damit noch
                          Sie ergänzt unsere traditionelle
                                                                        betrugen die Ausgaben 75,5 Milliarden Euro.     mehr Menschen Zugang zu sauberem Trink-
                          Entwicklungszusammenarbeit.
                                                                                                                        wasser bekommen – wie Margaret Amongo
                          Im Fokus steht außerdem die
                          Verabschiedung des nächsten
                                                                        Stärken und Expertise nutzen                    im ugandischen Dorf Bobol.
                          mehrjährigen Finanzrahmens.                   Bei der Umsetzung der Mittel nutzt Europa
                          Ich bin überzeugt, dass wir in all            das Potenzial der unterschiedlichen Akteure.
                          diesen Bereichen mit dem öster-               Doch was sind die Stärken der EU als Gan-
                          reichischen Ratsvorsitz erfolgreich
                          zusammen­arbeiten werden.«
                                                                        zes und was die Pluspunkte der Mitglieds-                    Michaela Ellmeier
                                                                        länder?                                                      leitet das Referat EU-­
                          Neven Mimica                                                                                               Koordination der Sektion
                          EU-Kommissar für internationale                                                                            Entwicklung im Bundes-
                          Kooperation und Entwicklung                   Ein Vorzug der EU ist, dass sie in allen Län-
                                                                                                                                                                       © BMEIA

                                                                                                                                     ministerium für Europa,
                                                                        dern vertreten ist. Außerdem kann sie auch                   Integration und Äußeres.

                                                                /2018                                                                                             7
Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU

Ein Österreicher                                                                                             14.45 h: Es geht in die nächste Runde.

in Brüssel
                                                                                                             Die Suche nach Kompromissen verläuft
                                                                                                             schwierig. Nach wie vor gibt es unter-
                                                                                                             schiedliche Meinungen zu Detailfragen.
Brüssel, das Herz der EU. Auch viele ÖsterreicherInnen sind in Belgiens                                      Ich greife nochmals zum Hörer und
Hauptstadt am Werk. Wie Jakob Mühlstein. Der ausgebildete Politikwis-                                        halte Rücksprache mit Wien zu unserer
senschaftler ist als österreichischer Vertreter in der EU-Ratsarbeitsgruppe                                  weiteren Positio­nierung.
für Entwicklungszusammenarbeit tätig. Was ihn besonders an seiner
Arbeit interessiert? Gemeinsam die EU-Entwicklungspolitik voranbrin-                                         19.20 h: Nach viereinhalb Stunden

gen. In einem Log­bucheintrag gibt er Einblick in seinen Arbeitsalltag.                                      haben wir eine vorläufige Einigung
                                                                                                             erzielt: Finanzielle Unterstützung
                                                                                                             erhalten Projekte in den Bereichen
6.30 h: Beim Aufstehen weiß ich: Heute                    noch einmal die wichtigsten Punkte für die         nachhaltige Energie, Verkehr, sozi-
stehen entscheidende Verhandlungen                        Verhandlungen durch.                               ale Infrastruktur, digitale Wirtschaft,
zum Europäischen Fonds für nachhaltige                                                                       nachhaltige Nutzung der natürlichen
Entwicklung auf der Agenda. Damit will                    9.00 h: Ich telefoniere mit den                    Ressourcen, Landwirtschaft und lokale
die EU Investitionen in afrikanischen und                 ­KollegInnen im Außenministerium                   Verkehrsdienste. Das Ergebnis wird an
EU-Nachbarschaftsländern ankurbeln und                    in Wien. Wir stimmen die österreichi-              den EU-Entwicklungsministerrat zur
den Menschen vor Ort Jobchancen eröff-                    sche Position ab.                                  finalen Entscheidung weitergeleitet. Jetzt
nen. Gleichzeitig sollen damit Ursachen von                                                                  noch schnell ins Büro, um den Sitzungs-
irregulärer Migration bekämpft werden.                    10.00 h: Die Verhandlungen mit Vertre-             bericht nach Wien zu schicken, dann ist
                                                          terInnen der anderen EU-Mitgliedsstaa-             mein Arbeitstag zu Ende.
7.30 h: Mit der Durchsicht des morgend-                   ten, der Europäischen Kommission und
lichen Pressespiegels mache ich mir ein                   des Europäischen Auswärtigen Dienstes
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                                                                                                                                                                     © Jakob Mühlstein
                                                                                                                   Jakob Mühlstein vertritt
                                                          14.00 h: Sitzungsunterbrechung. Wir
                                                                                                                  Österreich in der EU-Rats-
8.15 h: Im Büro angekommen, checke                        führen informelle Gespräche zu den noch                arbeitsgruppe für Entwick-
und beantworte ich Mails und gehe                         umstrittenen Punkten.                                        lungszusammenarbeit.

MEILENSTEINE DER EUROPÄISCHEN ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
    1957                                        1959                                    2001                                   2002

    Der Europäische Entwick-                    Der Europäische Entwick-                Das Europäische Amt für                Das Abkommen von Cotonou tritt
    lungsfonds ist bereits in den               lungsfonds wird eingerichtet.           Zusammenarbeit, vielen                 in Kraft. Es regelt die Beziehungen
    Römischen Verträgen zur                     Aus dem Fonds fördert die E
                                                                          ­U            bekannt als EuropeAid, nimmt           der EU zu den afrikanischen, kari-
    Gründung der Europäischen                   Maßnahmen zur wirtschaftlichen,         seine Arbeit auf.                      bischen und pazifischen Staaten
    Gemeinschaft vorgesehen.                    sozialen und menschlichen Ent-                                                 (AKP-Staaten) in den Bereichen
                                                wicklung sowie zur regionalen                                                  Entwicklungszusammenarbeit,
                                                Zusammenarbeit in Entwick-                                                     politischer Dialog und Handel.
                                                lungsländern und -gebieten.

    2007                                                     2009                                                2011

    Die Afrikanische Union und die EU ver-                   Am 1. Dezember tritt der Vertrag von                Der Europäische Auswärtige Dienst nimmt
    abschieden die Gemeinsame Strategie                      Lissabon in Kraft. Die EU verpflichtet sich         seine Arbeit auf. Er ist in allen Bereichen
    Afrika-EU. Sie definieren alle drei Jahre                darin zu globaler nachhaltiger Entwicklung,         auswärtigen Handelns der EU tätig. Dazu
    Aktionspläne zu deren Umsetzung.                         Solidarität, gerechtem Handeln sowie zur            zählen neben der Entwicklungszusammenar-
                                                             Beseitigung der Armut und zum Schutz der            beit auch die Bereiche humanitäre Hilfe und
                                                             Menschenrechte.                                     Krisenreaktion sowie Friedenskon­solidierung
                                                                                                                 und Nachbarschaftspolitik.
8                                                                                                          AUSGABE 2/2018 |           W E LT N AC H R I C H T E N
Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T

                                                                                                                                                         © shutterstock.com/Mykola Komarovskyy
2005                                                2007                                              2007

 Die Europäische Kommission, der Rat der            Die EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnen den         Die Europäische Kommission führt den
 Europäischen Union und das Europäische             Europäischen Konsens über die humanitäre          Verhaltenskodex für Komplementarität und
 Parlament verabschieden den Europäischen           Hilfe. Dabei handelt es sich um das erste         Arbeitsteilung in der Entwicklungspolitik
 Konsens. Darin sind die Ziele, Werte und           Gesamtdokument zur humanitären Hilfe der          ein. Dieser soll die europäische Entwick-
 Grundsätze der Entwicklungspolitik der             EU. Ziel ist, dass sich die Mitgliedsstaaten in   lungszusammenarbeit effizienter machen.
 EU formuliert. Armutsminderung hat                 diesem Bereich besser koordinieren.
 oberste Priorität.

 2011                                               2016                                              2017

 Die Europäische Kommission präsentiert die         Die globale außen- und sicherheitspoliti-         Der Europäische Konsens aus 2005 wird
 Agenda für den Wandel als neue Strategie           sche Strategie der EU wird beschlossen.           überarbeitet, um die EU-Entwicklungspolitik
 für die EU-Entwicklungszusammenarbeit.             Sie beschreibt die Entwicklungszusam-             auf die Umsetzung der Agenda 2030 mit ihren
 Schwerpunkte sind: Menschenrechte,                 menarbeit als wesentlichen Bestandteil der        ­17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Develop-
 Demokratie und verantwortungsvolle                 EU-Außenpolitik.                                   ment Goals / SDGs) auszurichten. Unter dem
 ­Regierungsführung sowie breitenwirksames                                                             Titel „Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zu-
  und nachhaltiges Wachstum.                                                                           kunft“ beschließt die EU im Juni 2017 den neuen
   W E LT N AC H R I C H T E N   | AUSGABE 2/2018                                                      Konsens über die Entwicklungspolitik der EU. 9
Entwicklungs-Weltmeister Europa - Austrian Development Agency
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU

Europäische Union:                                                                                                                    So viel Geld steht in
                                                                                                                                      ­Öster­reich für Entwicklungs­
                                                                                                                                       zusammenarbeit zur

weltweit größter                                                                                                                       ­Verfügung:
                                                                                                                                      Gesamt-ODA Österreichs

­Geber
                                                                                                                                      ODA = öffentliche ­Entwicklungshilfeleistungen

                                                                                                                                                       € 1,48 Mrd.
                                                                                                                                                                   2016

Die Europäische Kommission und die EU-Mitglieds­staaten geben
gemeinsam mehr für Entwicklungszusammenarbeit aus als jeder
andere Geber: Mehr als die Hälfte aller Mittel, die 2016 an Entwick-
lungsländer geflossen sind, stammten von der EU. Wo investiert
Europa am meisten? Und was wird damit finanziert?
                                                                                                                                       Davon fließen in die Entwicklungszusammenarbeit der EU
                                                                                                                                              und den Europäischen Entwicklungsfonds

                                                                                                                                                          € 299 Mio.
So viel Geld steht in der EU für Entwicklungs­­                                                                                         Das sind 20,23 % der Gesamt-ODA Österreichs 2016.
zusammenarbeit zur Verfügung:
                                                                                                                                      Quelle: ODA-Bericht 2016 der Austrian Development Agency

Beiträge der EU-Mitgliedsstaaten und ­EU-Institutionen
Quelle: Annual Report 2017 European Council on EU Development Aid Targets

                                                                                                                                      Wer gibt wie viel?
                                                                                                                                      Die EU im Vergleich zu den
                                                                                                                                      nächst größeren Gebern:
                                                                                                                                      Netto-ODA-Auszahlungen 2016
                    € 75,5                                                               = 0,51 %                                     Quelle: Annual Report 2017 to the European Council on

               Milliarden
                                                                                                                                      EU Development Aid Targets – Council Conclusions
                                                                                         EU-BNE1
                                       2016                                                                                           € 75,5 Milliarden (0,51 % EU-BNE)

                                                                                                                                      EU-DAC2-Mitglieder

                                                                                                                                      € 55,3 Milliarden (0,21 % BNE)

Was wurde damit finanziert?                                          Wo wurde das Geld einge-                                         Nicht EU-DAC-Mitglieder

Die Top-Bereiche:                                                    setzt? Die Top-Bereiche:                                         € 30,3 Milliarden (0,18 % BNE)

                                                                                                                                      USA
                                                38,07 %                              Übrige                     37,10 %
                                                   4.989 Mio.                                                     4.862 Mio.
                                                        Soziale                                                       Afrika
                                                                                                                                      € 9,3 Milliarden (0,27 % BNE)
          Übrige
                                                  Infrastruktur
                                                     z.B. Bildung,
                                                     Gesundheit,                                                                      Japan
                                                           Wasser

                                                                                                                                      € 3,6 Milliarden (0,27 % BNE)
                                                                        22,58 %
                                                                            2.959 Mio.
            10,60 %                  10,86 %                                   Europa              22,44 %                            Kanada
               1.389 Mio.            1.423 Mio.                                                    2.941 Mio.
               Produktion            Wirtschaftliche                                               Asien
          z.B. Landwirtschaft,       Infrastruktur und
                                     Dienstleistungen                                                                                 1) EU-BNE: Bruttonationaleinkommen bezeichnet die Summe aller
      Industrie, Bergbau, Bau,
                      Handel                                                                                                          Einkommen, die die BewohnerInnen aller EU-Staaten innerhalb
                                     z.B. Transport, Energie                                                                          eines Jahres erwirtschaften, egal ob im In- oder Ausland.

                                                                                                                                      2) DAC: Das Development Assisctance Committee ist ein zentrales
                                                                                                                                      Organ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Quelle: Annual Report 2017 on the implementation of the EU’s         Quelle: Annual Report 2017 on the implementation of the EU’s     Entwicklung (OECD) zur Koordination der Entwicklungszusammen-
instruments for financing external action in 2016                    instruments for financing external action in 2016                arbeit der OECD-Geberländer.

10                                                                                                                                  AUSGABE 2/2018 |                 W E LT N AC H R I C H T E N
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T

 © EUD_reset

                                                                          Work Abera (rechts) hat dank eines von der EU finanzierten Projekts ein besseres Leben.

Aufgaben teilen und ganze
Arbeit leisten
Allein für Äthiopien stellen die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten jährlich gemein-
sam mehr als 1 Milliarde Euro für Entwicklungszusammenarbeit bereit. Seit einigen Jahren stimmen sie ihr
Engagement intensiv ab. Was sind die Vorteile? Und wie genau funktioniert die Arbeitsteilung?

Text: Astrid Wein, Leiterin des Auslandsbüros der Austrian Development Agency in Addis Abeba, Äthiopien

                 ZU VI E L E KÖ CH E verderben                  Die Geberländer erzielen mit ihren Pro-          weltweit größte Geber von Entwicklungs-
den Brei? Das behauptet zumindest der                           grammen eine größere Wirkung, wenn               hilfeleistungen. Auch in Äthiopien. Allein
Volksmund. Doch nicht alles ist zum Schei-                      sie ihre Expertise und ihre Gelder zusam-        dort investieren sie jährlich 1 Milliarde Euro
tern verurteilt, woran mehrere AkteurInnen                      menführen. Letztlich kommt beides denen          in Entwicklungszusammenarbeit. Als Basis
gemeinsam arbeiten. Im Gegenteil. Wenn                          zugute, um die es in erster Linie geht: den      dient eine gemeinsame Strategie.
sich die Beteiligten gut abstimmen, hat                         Menschen in den Partnerländern, für die
gemeinsames Engagement viele Vorteile.                          sich das Leben verbessern soll.                  Bevor diese fertig auf dem Tisch lag, gab es
                                                                                                                 einige Fragen zu klären: Welches EU-Mit-
In der Entwicklungszusammenarbeit heißt                         Nach Drehbuch entwickeln                         glied macht in Äthiopien was, wo und mit
das: Die Empfängerländer sparen Transak-                        Die Europäische Kommission und die               wie vielen Finanzmitteln? Welche Ansätze
tionskosten. Das entlastet ihre Verwaltung.                     EU-Mitgliedsstaaten sind gemeinsam der           haben gut funktioniert? Worin bestehen

               W E LT N AC H R I C H T E N   | AUSGABE 2/2018                                                                                                 11
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU

                                                                                                                                                © EUD_reset
Klimaresistente und nahrhafte Getreidearten: Die EU engagiert sich mit den Niederlanden und Österreich in der Wag-Himra-Region
in Nord-Äthiopien für Ernährungssicherheit.

die großen Herausforderungen für die             Ernährung oder bewussteren Umgang mit            Gemüsesamen. Das ermöglicht ihnen, ihre
Entwicklung des Landes? Wo herrscht der          den natürlichen Ressourcen.                      landwirtschaftliche Produktivität zu steigern.
größte Unterstützungsbedarf?                                                                      Das Gesundheitspersonal der Gemeinden
                                                 Zum Beispiel erfahren die Menschen in der        wiederum erhielt Trainings zu Ernährung
Die erhobenen Fakten wurden analysiert           Wag-Himra-Region im Norden Äthiopiens,           und Familienplanung und gibt das neue
und dienten als Basis für die gemeinsame         wie wertvoll die Inhaltsstoffe der Frucht des    Wissen an die Menschen weiter. So entsteht
strategische Ausrichtung. Verstärkt zusam-       Affenbrotbaums sind. Das ist wichtig für         mehr Bewusstsein für diese Themen.
menarbeiten will man nun, wenn es um             ihre Gesundheit und birgt zusätzliche Ver-
gute Regierungsführung, neue Arbeits-            marktungsmöglichkeiten. Arbeitslose Ju­     -    In gemeinsamen Monitoring-Reisen mit den
plätze und das nachhaltige Management der        gendliche bekommen Schafe oder Ziegen.           EU-VertreterInnen werden die Fortschritte
natürlichen Ressourcen geht. Dabei gilt den      Sie können den Tierbestand erhöhen und           überprüft. Wo notwendig, werden mit den
Themen Gender, Migration und Ernährung           den Überschuss auf dem Markt verkaufen.          Umsetzungspartnern Anpassungen verein-
besonderes Augenmerk.                            Knapp 1.000 Haushalte erhalten klimare-          bart. Denn am Ende soll eines stehen: das
                                                 sistente und nahrhafte Getreidearten und         bestmögliche Ergebnis für die Menschen.
Mit vereinten Kräften
In der Praxis bedeutet das, mit vereinten
Kräften Programme zu entwickeln, zu finan-
                                                                          VERHALTENSKODEX FÜR EU-GEBER
zieren und zu überwachen. Die EU enga-
giert sich zum Beispiel gemeinsam mit den
                                                         Die Entwicklungspolitik der Europäischen Union soll zunehmend effektiver
Niederlanden und Österreich für Ernäh-                   und effizienter werden. Der Europäische Rat hat schon 2007 einen freiwilligen
rungssicherheit. Konkret geht es darum, die              Verhaltenskodex für eine bessere Arbeitsteilung zwischen den Mitgliedsstaa-
Widerstandskraft der Bevölkerung gegen-                  ten und der Europäischen Kommission beschlossen. Dieser sieht vor, dass
                                                         die EU-Geber ihre Maßnahmen pro Land auf drei Sektoren beschränken. Die
über den Auswirkungen des Klimawandels                   positiven Effekte: Die Partnerländer haben weniger Verwaltungsaufwand und
zu erhöhen: durch eine breitere Palette                  die Mittel können gezielt dort eingesetzt werden, wo sie am meisten gebraucht
an Einkommensmöglichkeiten, bessere                      werden.

Gesundheitsversorgung, mehr Wissen über

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STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T

                                                              KO M M EN TA R

                               Zivilgesellschaft
                                   redet mit
                                     Die Zivilgesellschaft kann die EU-Politik
                                                nicht mitgestalten?
                                   Doch, und zwar gleich auf mehreren Ebenen.

         ZI VI LG E SE L L S CH A F T LI CH E                               Development“. An den letzten Foren nahmen an die ­­200
 ­O R GA N I SAT I O N E N ( CS O S ) sind in der                           Personen teil: VertreterInnen von zivilgesellschaftlichen
  Entwicklungszusammenarbeit wichtige Partner. Auch für die                 Organisationen und Behörden aus den Entwicklungs-
  Europäische Union. Der Grund: CSOs arbeiten an der Basis                  ländern, RepräsentantInnen von europäischen CSOs,
  und kennen die Herausforderungen und Probleme benach-                     CSO-Netzwerken, EU-Mitgliedsstaaten, der Wirtschaft
  teiligter Bevölkerungsgruppen in den Ländern des globalen                 sowie des Europäischen Parlaments und der Europäischen
  Südens oft am besten.                                                     Kommission.

  2002 startete daher ein Dialogprozess zwischen der                        Die Europäische Kommission nutzt die Expertise und
  Europäischen Kommission, CSOs und VertreterInnen der                      Erfahrung zivilgesellschaftlicher Organisationen, um ihre
  Mitgliedsstaaten, der 2010 in den sogenannten „Strukturier-               Instrumente zur Förderung von CSO-Projekten bestmöglich
  ten Dialog“ mündete. Dieser wurde in den letzten Jahren                   an die jeweils aktuellen Bedürfnisse in den Ländern des
  kontinuierlich verbessert und auf lokaler und internationaler             globalen Südens anzupassen.
  Ebene intensiviert: In regelmäßigen, von den EU-Delega-
  tionen organisierten Treffen in den Entwicklungsländern                   Dieser regelmäßige globale Austausch auf Augenhöhe trägt
  können sich CSOs in die entwicklungspolitische Debatte                    dazu bei, die Wirksamkeit und Qualität der Entwicklungszu-
  und in die Politikgestaltung einbringen.                                  sammenarbeit zu verbessern.

  In Uganda zum Beispiel diskutieren sie Themen wie Demo-
  kratieförderung, Menschenrechte oder auch Korruption und
  Rechenschaftspflicht. Die sich verändernden Rahmenbedin-
  gungen für das Engagement der Zivilgesellschaft sind dort
  ebenfalls ein wichtiges Thema.

                                                                                                 Andrea Schmid, Leiterin des Referats
  Auch in Brüssel organisiert die Europäische Kommission                                         Zivilgesellschaft International in der
                                                                    © ADA

  jährlich Treffen. Den Rahmen bildet das „Policy Forum on                                       Austrian Development Agency

W E LT N AC H R I C H T E N   | AUSGABE 2/2018                                                                                            13
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU

Familienleben geht auch
­anders, Männer!
In der kenianischen Stadt Kisumu am Victoriasee bricht ein Projekt traditionelle Familienmus-
ter auf. Mit eigenwilligen Mitteln.

                                                                                                                                               © Maria Schaunitzer

Henry Onyango (Mitte) hält seine Tochter auf dem Arm. Er arbeitet als „Male Champion“ und versucht, traditionelle Rollenbilder aufzubrechen.

      LI E B E VOL L N I M M T H E NRY             Männerherrschaft                                   Rasch wachsende Bevölkerung
Onyango seine dreijährige Tochter Joy auf          Damit gehört der 43-Jährige einer Volks-           Onyango lebt in der westkenianischen Stadt
den Schoß. Er drückt sie und streicht ihr          gruppe an, die auf dem Patriarchat aufbaut.        Kisumu am Victoriasee. Schnelles Bevölke-
über den Lockenkopf. Wie es ein stolzer            „Die Menschen hier glauben, dass von               rungswachstum, hohe Säuglings- und Müt-
Vater eben macht. Und doch sind diese Ges-         einem Mädchen nichts Gutes ausgeht“,               tersterblichkeit, Unterernährung und eine
ten viel mehr. In der Handlung steckt ein          erklärt Onyango. Ein Mädchen zu umar-              stark steigende HIV-Rate sind charakteris-
Verwandlungsprozess, denn der vierfache            men oder gar zu küssen sei für viele Männer        tisch für das Gebiet.
Vater ist Luo.                                     undenkbar.

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STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T

                                                                                                    etwa bringen das Publikum zum Lachen,
                         EU-ERGÄNZUNGSFINANZIERUNG                                                  auch bei ernsten Themen wie fehlender
                                                                                                    Familienplanung oder Gewalt in der Ehe.
   Zivilgesellschaftliche Organisationen            Bei der ADA antragsberechtigt s­ ind            Dann stellt ein Sozialarbeiter Fragen. Eine
   können für ihre Projekte finanzielle             österreichische Organisationen, d­ ie           rege Diskussion entsteht, so sollen Mythen
   Mittel bei der Europäischen Kommis-              Eigenmittel in einem Umfang von
                                                                                                    ausgeräumt werden.
   sion beantragen. Weil die EU immer               mindestens 5 Prozent der Gesamt-
   nur einen Teil der Projektkosten über-           projektkosten einbringen. Die maxi-
   nimmt, gibt es die Möglichkeit einer             male Fördersumme beträgt                        Männliche Vorbilder
   Ergänzungsfinanzierung. Eine solche              500.000 Euro. Der Fördersatz variiert
                                                                                                    Henry Onyango arbeitet als „Male Cham-
   bietet die Austrian Development                  je nach Höhe der Unterstützung
   Agency (ADA) an.                                 durch die Europäische Kommission                pion“ mit. Als männliches Vorbild lebt er
                                                    und je nach Land, in dem das Vor­               vor, dass Familienleben auch anders geht.
                                                    haben durchgeführt wird.                        „Oft hat man gesagt, dass ich kein richtiger
                                                                                                    Mann bin. Mit Argumenten versuche ich,
                                                                                                    die anderen zu überzeugen. Mein Famili-
                                                                                                    enleben ist viel besser geworden. Solche
„Viele Kinder und Mütter sind unterernährt“,          Projektverantwortlichen Frei­
                                                                                  willige, die in   Fakten beeindrucken manchmal“, erklärt
erklärt auch Oteno Kennedy. Der Arzt ist als          der Gemeinschaft angesehen sind. Bei regel-   Onyango.
Gesundheitsbeauftragter der Kisumu-Re-                mäßigen Hausbesuchen versuchen diese,
gion für die medizinische Versorgung von              Vorurteile gegenüber Verhütung, Gesund-
etwa ­400.000 Menschen verantwortlich.                heitsversorgung oder Familienplanung aus-
                                                      zuräumen.
Tabuthema Verhütung
                                                                                                                               Maria Schaunitzer,
„Die Bevölkerung wächst in einem Ausmaß,              Mit ungewöhnlichen Mitteln gehen sie auf                      Journalistin, begleitete CARE
das nur schwer zu handhaben ist.“ Kenia               die Menschen zu. Slapstick-Theaterstücke                    auf eine Projektreise nach Kenia.

gehöre weltweit zu den Ländern mit dem
stärksten Bevölkerungswachstum. Fami-
lienplanung sei oft ein Tabuthema. „Viele

                                                                                                                                                      © CARE
glauben immer noch, wenn sie einmal ver-
hüten, können sie später keine Kinder mehr
bekommen“, erklärt der Arzt.

Sozialer Wandel gefragt
„Es braucht sozialen Wandel. Der kann nur
von innen kommen“, ist Lilian Kong‘ani,
Projektmanagerin von CARE in der Kisu-
mu-Region, sicher. Genau hier setzt ein von
der EU, der Austrian Development Agency
und CARE finanziertes Projekt an.

Vorurteile abbauen
Neben besserer Gesundheitsversorgung­geht
es dabei um Aufklärung. Dafür su­chen die

             Mit Slapstick Diskussionen anregen:
                          Theatergruppe in Kenia.

    W E LT N AC H R I C H T E N   | AUSGABE 2/2018                                                                                              15
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU

 © istockphoto.com/GeorgeRudy

Lebensmittel aus dem Supermarkt: Wo sie herkommen und wie sie produziert werden, ist oft nicht bekannt.

Woher kommt eigentlich
unser Essen?
Das Bildungsprogramm „Map your Meal“ schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Es zeigt,
wo unsere ­Lebensmittel herkommen, und sensibilisiert Jugendliche für globale Zusammen-
hänge und Entwicklungen. Mit einer neuen App geht das noch einfacher.
Text: Franz Halbartschlager, Verantwortlicher für den Bereich Bildung bei Südwind

                                EISCREME SCHMECKT KÖST-   Bewusster Konsum leicht gemacht                   ihres Essens, dessen Produktion und glo-
LICH und hat im Sommer Hochsaison. Wer                    Für alle, die das wissen wollen, gibt es „Map     bale Zusammenhänge näher. Insbesondere
aber hat sich schon einmal Gedanken darüber               your Meal“, ein Bildungsprogramm, das der         Jugendliche sollen so für globale Fragestel-
gemacht, welche Reise Milch, Vanille, Zucker              entwicklungspolitische Verein Südwind             lungen sensibilisiert werden und Bewusstsein
oder Kakao hinter sich haben, bevor sie im                gemeinsam mit Projektpartnern aus meh-            für kritischen Konsum ent­wickeln.
Eis landen? Und wer fragt sich, was sein Essen            reren EU-Ländern erarbeitet hat. Das Pro-
zum Beispiel mit Kinderarbeit zu tun hat?                 gramm bringt den Menschen die Herkunft

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Direkt am Handy nachschauen                          Jede und jeder kann mitmachen                    Produkte einzukaufen ist eine bewährte
Nun können sie sich noch einfacher infor-            Sollte ein Produkt noch nicht in der Daten-      Form, im alltäglichen Leben Entwicklung
mieren. Denn seit vergangenem Jahr gibt es           bank sein, können es die UserInnen selbst        mitzugestalten.
die „Map-your-Meal“-App fürs Handy. Und              bewerten. Eine Crowdsourcing-Funktion
so einfach geht’s: im Supermarkt den Bar-            führt sie Schritt für Schritt durch die Bewer-   Mit Preis ausgezeichnet
code eines Lebensmittels mit der App scan-           tungsmethodik.                                   Das Projekt kommt mittlerweile so gut an,
nen und schon erfährt man, wie „grün“ ein                                                             dass es mit dem „Global Education Innova-
Produkt wirklich ist, wie es um den Palm­            Südwind bemüht sich schon seit vielen Jah-       tion Award“ ausgezeichnet wurde. Diesen
ölgehalt steht oder ob die Arbeits- und Men-         ren, Bewusstsein für ethischen Konsum zu         Preis vergibt das Global Education Network
schenrechte eingehalten wurden.                      schaffen. Fair produzierte und ökologische       Europe (sh. Kasten) seit 2017.

                                                                                                      „Map your Meal“ wurde vergangenes Jahr
                    GLOBALES LERNEN VERNETZT EUROPA                                                   abgeschlossen. Neben Österreich waren auch
                                                                                                      Zypern, England, Bulgarien und Griechen-
   GENE steht für „Global Education Net-         Institutionen aus 25 Ländern, die sich               land mit von der Partie. Kooperationspart-
   work Europe“ und ist ein europäisches         zweimal jährlich treffen. Mitglieder
   Netzwerk, das den europaweiten                sind Ministerien und Fördereinrich-
                                                                                                      ner aus Ghana, dem zweitgrößten Kakaoher-
   Wissens- und Erfahrungsaustausch zu           tungen aus dem Entwicklungs- und                     steller weltweit, und Benin unterstützten die
   entwicklungspolitischer Bildung und           Bildungsbereich, so auch die Austrian                Aktion. Die Austrian Development Agency
   globalem Lernen fördert.                      Development Agency.
                                                                                                      beteiligte sich finanziell daran.
   GENE wurde 2001 gegründet
   und zählt mittlerweile mehr als 4
                                   ­0            www.gene.eu                                          www.mapyourmeal.org
                                                                                                      www.suedwind.at

    W E LT N AC H R I C H T E N   | AUSGABE 2/2018                                                                                              17
Privates
                                                                                                                              Geld für
                                                                                                                              Afrika
                                                                                                                              Der Privatsektor ist ein
                                                                                                                              unverzichtbarer Akteur,
                                                                                                                              wenn die Globalen Ziele für
                                                                                                                              nachhaltige Entwicklung der
                                                                                                                              Vereinten Nationen erreicht
                                                                                                                              werden sollen. Unterneh-
                                                                                                                              men schrecken vor Inves-

                                                                                           © CherylSamanthaOwenGreenpeace
                                                                                                                              titionen in Afrika aber oft
                                                                                                                              zurück. Die EU setzt dem
                                                                                                                              nun einen eigenen Fonds
                                                                                                                              entgegen. Erste Projekte
                                                                                                                              werden bereits aufgesetzt.
                                                                                                                              Text: Reinhold Gruber,
Garantien für einen Kredit für eine eigene Bio-Landwirtschaft: Der Europäische Fonds für                                      Bundes­ministerium für Europa,
nachhaltige Entwicklung will das möglich machen.                                                                              Integration und Äußeres,
                                                                                                                              Referent Wirtschaft & Entwicklung

      EI N W Ü R D E VO LL E S LE BE N             Unternehmen scheuen das Risiko, Kapital                                    ermutigen, mehr zu investieren. Insgesamt
in einer intakten Umwelt für alle Menschen         zu verlieren.                                                              erhofft sie sich ein Volumen von 44 Milliar-
– das streben die Vereinten Nationen mit                                                                                      den Euro.
den Globalen Zielen für nachhaltige Ent-           Lockruf der EU
wicklung bis 2030 an. Die öffentliche Hand         Die EU will nun Abhilfe schaffen. Mit dem                                  Der Plan konzentriert sich auf Projekte, die
allein kann das aber nicht schaffen. Zusätzli-     Externen Investitionsplan will sie erreichen,                              Digitalisierung, nachhaltige Energieversor-
che Gelder sind daher notwendiger denn je,         dass mehr private Gelder fließen. Insbeson-                                gung, Stadtentwicklung und die Landwirt-
vor allem auch private Investitionen.              dere in die Länder Subsahara-Afrikas und                                   schaft vorantreiben. Europäische Unter-
                                                   in die Staaten der Europäischen Nachbar-                                   nehmen sollen sich etwa an der Errichtung
Wo bleiben die Investitionen?                      schaftspolitik, die von Nordafrika bis Osteu-                              von kleinen Wasser- oder Solar-Kraftwerken
Gerade in afrikanischen Ländern wird aber          ropa reichen.                                                              beteiligen können.
viel zu wenig investiert. Das zeigt der aktu-
elle World Investment Report der Konfe-            Kernstück des Plans ist der Europäische                                    Kleine und mittlere Unternehmen
renz der Vereinten Nationen für Handel             Fonds für nachhaltige Entwicklung. Dieser                                  im Fokus
und Entwicklung. Nur 3,5 Prozent der               ist mit 4,1 Milliarden Euro gefüllt. Über                                  Zusätzlich will die EU besonders kleine und
weltweiten Auslandsinvestitionen gingen            Hebeleffekte, also Kredite, Zuschüsse                                      mittlere lokale Unternehmen ansprechen.
2016 nach Afrika. Besonders europäische            und Garantien, will die EU Unternehmen                                     Sie sollen leichter Zugang zu Finanzierungen

18                                                                                                                          AUSGABE 2/2018 |
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T

 © CurtCarnemarkforWorldbank

Der neue EU-Fonds will privates Kapital für nachhaltige Energie-Projekte z. B. in Mali anlocken.

bekommen. Denn gerade sie erhalten oft                                          Teil des Risikos ab. Außerdem will sie            päische Investitionsbank, die Europäische
keine Kredite, trotz solider Businesspläne.                                     lokalen Banken und Unternehmen bei der            Bank für Wiederaufbau und Entwicklung
                                                                                Prüfung von Kreditanträgen bzw. bei der           oder die deutsche Kreditanstalt für Wieder-
Vorgesehen ist dabei, dass die EU über den                                      Antragstellung unter die Arme greifen.            aufbau. Sie arbeiten bereits daran, erste Pro-
Fonds eine Garantie für Kredite an lokale                                                                                         jekte auf Schiene zu bringen.
Banken zur Verfügung stellt. So nimmt sie                                       Ansprechpartner für die europäischen
europäischen Entwicklungsbanken einen                                           Unternehmen sind Banken wie die Euro-

                                                                     EU-INVESTITIONSOFFENSIVE FÜR DRITTLÄNDER

                                                                         In seiner EU-Gundsatzrede kündigte Jean-
                                                                         Claude Juncker im Namen der EU-Kommission
                                                                         eine neue Initiative für Afrika an: die Europäische
                                                                         Investitionsoffensive für Drittländer (EEIP). Sie soll
                                                                         den privaten Sektor in Afrika und europäischen
                                                                         Nachbarstaaten fördern.

Quelle: Eurostat, Europäische Kommission, Oxfam, War on Want

                               W E LT N AC H R I C H T E N   | AUSGABE 2/2018                                                                                                19
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU
© shutterstock.com/Fotokostic

                                Die Länder Südosteuropas und des Donauraums bieten gute Voraussetzungen für den Anbau von gentechnikfreiem Soja.

                                Gen-Soja?
                                                                                                                                Dabei kommt Südosteuropa und dem
                                                                                                                                Donauraum eine Schlüsselrolle zu. Warum?
                                                                                                                                Weil die Länder in diesen Regionen Erfah-

                                Nicht die Bohne!                                                                                rung im Sojaanbau und brachliegende
                                                                                                                                Ackerflächen haben.

                                Soja nachhaltig produzieren und eine Wertschöpfungs-                                            … bringt Jobs und Einkommen
                                kette aufbauen – eine Strategische Partnerschaft der Aust-                                      Soja ist eine wertvolle Pflanze in der Frucht-
                                rian Development Agency mit dem Verein Donau Soja hat                                           folge. Sie reichert den Boden mit Stickstoff
                                genau das in der Ukraine, Moldau, Serbien sowie in Bos-                                         an und benötigt nur wenig Pflanzenschutz-
                                                                                                                                mittel. Obendrein bringt der Anbau neue
                                nien und Herzegowina zum Ziel. In Moldau ist auch die EU
                                                                                                                                Einkommensmöglichkeiten und Jobs in
                                ­mit dabei. Ein Zwischenbericht nach dem ersten Jahr.

                                Text: Lutz Bergmann, Verein Donau Soja
                                                                                                                                                                                 »Vor dem Start
                                                                                                                                                                                 von Donau Soja
                                                                                                                                 © Mitja Kobal_Greenpeace

                                                                                                                                                                                 stammten fast 100
                                                                                                                                                                                 Prozent des Sojas,
                                                                                                                                                                                 das Europa jährlich
                                      SOJA I ST U N T E R LandwirtIn-           einer viel zu engen Fruchtfolge und unter                                                        als Futtermittel ein-
                                nen gefragt. Die Bohne dient als Futter für     Einsatz von Chemikalien kultuviert – teils                                                       setzt, aus Übersee.
                                                                                                                                                                                 Das im Amazonas-
                                Hühner, Schweine und teilweise auch für         auf Regenwaldboden und in Savannen.                                                              gebiet angebaute
                                Kühe. Knapp 40 Millionen Tonnen werden                                                                                      Soja ist jedoch zu einem großen Teil
                                                                                                                                                            für die Zerstörung des Regenwaldes
                                in Europa jährlich verfüttert. Angebaut wer-    Umweltfreundliche Alternative …                                             mitverantwortlich.«
                                den nur acht. Die Differenz stammt großteils    Der Verein Donau Soja setzt sich dafür ein,
                                                                                                                                                            Herwig Schuster,
                                aus Südamerika. Dort wird Soja aber oft mit     dass Soja auch in Europa angebaut wird.                                     Sprecher von Greenpeace in Österreich

                                20                                                                                            AUSGABE 2/2018 |                                W E LT N AC H R I C H T E N
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T

                                                                                                                                             »Nachhaltiges
                                                                                                                                             Soja fördert
                        PARTNERSCHAFTEN MIT WIRKUNG                                                                                          eine gesün-
                                                                                                                                             dere Land-
                                                                                                                                             wirtschaft

                                                                                                          © Donau Soja
    Der Privatsektor ist ein wichtiger              Strategische Partnerschaften zielen auf                                                  mit einer
    Partner der Austrian Develop-                   systemische Verbesserungen ab und                                                        besseren
    ment Agency. Mit dem Instru-                    unterstützen die sozialwirtschaftliche                                                   Fruchtfolge
                                                                                                                                             und die länd-
    ment Wirtschaftspartnerschaften                 Entwicklung in mehreren Entwicklungs-
                                                                                                                         liche Entwicklung in Europa.
    fördert sie Projekte von Unterneh-              und Schwellenländern gleichzeitig.                                   Besonders am Herzen liegt uns
    men, die sich langfristig in einem                                                                                   die europäische Zusammenarbeit.
    Partnerland engagieren und dort                 Mehr Infos:                                                          So kann Soja aus Europa eine
    zur nachhaltigen Entwicklung                    www.entwicklung.at/                                                  gute Alternative sein.«
    beitragen.                                      akteure/unternehmen/
                                                                                                                         Mathias Krön,
                                                                                                                         Obmann von Donau Soja

ländliche Regionen. Genau das ist das Ziel            Rohmilch-Produzenten und eine Super-               Zufrieden zeigt sich auch Greenpeace. „Wir
der Strategischen Partnerschaft der Aus­              marktkette als Partner gewinnen. Sie ver-          sehen in der Initiative von Donau Soja
trian Development Agency mit dem Verein               wenden bzw. vertreiben nun Sojaprodukte,           eine Chance, die Futtermittelversorgung in
Donau Soja.                                           Eier und Milch mit dem Gütesiegel „Donau           Österreich gentechnikfrei zu machen und
                                                      Soja“. Das Zertifikat steht für Regionalität       zu regionalisieren“, so Herwig Schuster von
Die Kooperation läuft seit 2017 und fördert           und Gentechnikfreiheit. Davon profitiert           Greenpeace.
nachhaltige Entwicklung in strukturschwa-             die gesamte Wertschöpfungskette – von den
chen Gebieten (sh. Kasten). In Moldau wurde           LandwirtInnen bis zu den KonsumentInnen.
die EU auf die österreichische Initiative auf-
merksam und ist dort seit Ende 2017 mit
                                                           © shutterstock.com/Fotokostic

einer zusätzlichen Finanzierung mit an Bord.

Auf zu neuen Märkten
Durch Beratung und Trainings unterstützt
Donau Soja lokale LandwirtInnen und Ver-
arbeiterInnen bei der Qualitätssicherung.
Das steigert ihre Wettbewerbsfähigkeit und
ebnet ihnen den Weg zu lokalen, regionalen
und internationalen Märkten. Bis 2021 soll
das 8.000 Jobs sichern.

Positive Bilanz
Nach einem Jahr Partnerschaft ist die Bilanz
positiv. In Serbien konnte Donau Soja
be­
  reits einen Legehennen-Betrieb, einen

           Die Sojabohne ist ein eiweißhaltiges
      Kraftpaket, das für Hühner, Schweine und
         teilweise auch für Kühe als Futtermittel
                                  verwendet wird.

    W E LT N AC H R I C H T E N   | AUSGABE 2/2018                                                                                                           21
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU

Humanitäre Hilfe
auf neuem Kurs?
Durchschnittlich 19 Jahre sind vertriebene Menschen
heute auf der Flucht. Deutlich länger als noch vor
zwei Jahrzehnten. Das stellt die humanitäre Hilfe und
die Entwicklungszusammenarbeit vor neue Heraus-
forderungen. Mehr Zusammenarbeit ist vor ­allem auf
EU-Ebene erwünscht.
Text: Daniela Krejdl, Programm-Managerin für humanitäre Hilfe
und den Nahen Osten in der Austrian Development Agency

      M E N SC HE N , D I E W E G E N         nötig. Die humanitären Hilfsaufrufe interna-
bewaffneter Konflikte oder Naturkatastro-     tionaler Organisationen erfolgen über Jahre

                                                                                                      © UNHCR_Mark Henley
phen ihre Heimat verlassen müssen, sind       hinweg als Reaktion auf dieselben Krisen.
heute knapp zwei Jahrzehnte auf der Flucht.   Zum Beispiel in Syrien und dessen Nach-
Dabei leben die meisten Vertriebenen nicht    barländern Libanon, Jordanien und Türkei,
in traditionellen „Flüchtlingscamps“, son-    in die besonders viele Menschen geflüchtet
dern in großteils städtischen Aufnahmege-     sind.
meinden.
                                              … erfordern kurz- und                              der Hilfe einen linearen Übergang geben
Anhaltende Konflikte …                        langfristige Hilfe                                 sollte. Außerdem wurden Krisen als zeitlich
Aktuell sind rund 80 Prozent der humani-      Humanitäre Hilfe allein greift hier zu kurz.       begrenzte „Einzelereignisse“ gesehen.
tären Hilfe wegen anhaltender Konflikte       Daneben braucht es auch Lösungsansätze
                                              der Entwicklungszusammenarbeit, die                Heute ist die Realität eine andere. Beim
                                              langfristig und nachhaltig wirken: Denn die        Weltgipfel für humanitäre Hilfe im Jahr
                                              Flüchtlinge und die Bevölkerung der Auf-           2016 gab es daher den Aufruf, dass spezi-
       ENGAGEMENT ÜBER
        DEN TELLERRAND                        nahmegemeinden benötigen dauerhaft sau-            ell in lang anhaltenden Krisen humanitäre
                                              beres Wasser, Sanitäranlagen oder etwa eine        Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit wo
     Unter Double Nexus versteht
                                              funktionierende Gesundheitsversorgung.             möglich verschränkt werden und sich nicht
     man einander ergänzende                  Die Kinder müssen zur Schule gehen und             ablösen, sondern einander ergänzen sollten
     Maßnahmen von humanitärer                die Erwachsenen brauchen Jobs.                     („Nexus-Ansatz“). Dabei wesentlich ist, die
     Hilfe und Entwicklungszusam-
                                                                                                 humanitären Prinzipien Menschlichkeit,
     menarbeit.
                                              Diese Diskussion ist nicht neu: Bereits in den     Neutralität, Unabhängigkeit und Unpartei-
     Der Triple Nexus bezieht                 1980er- und 1990er-Jahren galt es als wich-        lichkeit zu achten.
     zusätzlich den Bereich Frieden
                                              tig, humanitäre Hilfe und Entwicklungszu-
     und Sicherheit mit ein. Er
     kommt in fragilen Staaten zur            sammenarbeit zu verlinken. Das damalige            Pro und contra
     Anwendung oder in Ländern, in            Konzept des „Linking Relief, Rehabilitation        Wie wichtig diese Grundsätze sind, betont
     denen ein Konflikt herrscht.             and Development“ ging davon aus, dass              speziell Ärzte ohne Grenzen Österreich:
                                              es zwischen den verschiedenen Phasen               „Unparteiliche und unabhängige humanitäre

22                                                                                             AUSGABE 2/2018 |
STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T

Hilfe gewinnt angesichts der komplexen               Herausforderung sei, dieses Zusammenspiel                    Aktuell sind rund 80 Prozent der
                                                                                                             humanitären Hilfe wegen anhaltender
Krisen unserer Zeit an Bedeutung“, so                in der Praxis aufrechtzuerhalten. „Denn
                                                                                                                                  Konflikte nötig.
Geschäftsführer Mario Thaler.                        wir müssen verhindern, dass langfristige
                                                     Entwicklungszusammenarbeit gegenüber
Den Versuch einer zu starken Verschrän-              der Erfüllung unmittelbarer Bedürfnisse
kung mit der Entwicklungszusammenar-                 Vorrang hat“, so Gareth Price-Jones, Senior
beit und friedenserhaltenden Maßnahmen               Humanitarian Policy and Advocacy Coordi-
sehe Ärzte ohne Grenzen hingegen kritisch.           nator von CARE International.                  Aufnahmegemeinden in den Nachbarlän-
Außerdem spreche sich die Organisation                                                              dern unterstützt. „Im Libanon haben wir
gegen die Vereinnahmung von humanitärer              EU bündelt Gelder und Maßnahmen                einen gemeinsamen Rahmen für humanitäre
Hilfe durch politische Agenden aus: „Damit           Den „Nexus-Ansatz“ hat nun auch die EU         Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit aus-
sie effektiv ist, bedarf humanitäre Hilfe kla-       verstärkt auf ihrer Agenda. In sechs Ländern   gearbeitet. Dieser baut auf dem Nexus-An-
rer Rahmenbedingungen und einer gesun-               will sie ihn anwenden und dabei mit Orga-      satz auf und bündelt die Förderungen und
den Distanz zu allen anderen Agenden“, so            nisationen wie den Vereinten Nationen und      Projekte der EU-Generaldirektion für huma-
Thaler.                                              der Weltbank sowie den EU-Mitgliedsstaa-       nitäre Hilfe und Katastrophenschutz, des
                                                     ten zusammenarbeiten.                          MADAD-Fonds und anderer EU-Instru-
CARE International hingegen verknüpft                                                               mente. Das ist effizienter und bringt bessere
in Programmen, wo dies sinnvoll und                  Zusätzlich hat sie neue Fördertöpfe einge-     langfristige Ergebnisse für die Menschen im
möglich ist, bereits humanitäre Hilfe                richtet. Einer davon ist der MADAD-Fonds,      Libanon “, ist Ryan Knox vom Europäischen
und Entwicklungszusammenarbeit. Die                  mit dem sie Flüchtlinge aus Syrien und deren   Auswärtigen Dienst Beirut überzeugt.

    W E LT N AC H R I C H T E N   | AUSGABE 2/2018                                                                                             23
SCHWERPUNK T STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU

Willkommen in Jerewan
5,5 Millionen SyrerInnen hat der Krieg bereits aus ihrer Heimat vertrieben. Die Auf­
nahmeländer stehen meist vor großen Herausforderungen. Auch Armenien beherbergt
viele Flüchtlinge. Die EU und Österreich greifen dem Land unter die Arme.
Text: Gerlinde Astleithner, Regionalverantwortliche Südost- und Osteuropa, und
Sonja Greiner, Regionalverantwortliche Naher Osten, Österreichisches Rotes Kreuz

                                                                                                               Anfang war das vor allem Nothilfe in Form
                                                                                                               von Gutscheinen für Winterkleidung oder
                                                                                                               überlebensnotwendige medizinische Ver-
                                                                                                               sorgung, aber auch Integrationsförderung.
                                                                                                               Die finanziellen Mittel dafür stammten von
                                                                                                               der EU, der Austrian Development Agency
                                                                                                               und der Aktion „Nachbar in Not“.

                                                                                                               Schwerpunkt der Hilfe ändert sich
                                                                                                               Inzwischen hat sich der Bedarf geändert:
                                                                                                               Kinder müssen zur Schule gehen, Erwach-
                                                                                                               sene brauchen Arbeit und Einkommen.
                                                                                                               Sonst können sie ihre Familien nicht ernäh-
                                                                                                               ren und die Miete nicht bezahlen. Viele
                                                                                                               Flüchtlinge sind Kleinunternehmer und
                                                                                             © Rotes Kreuz

                                                                                                               Handwerker, die es in der Zwischenzeit
                                                                                                               geschafft haben, erfolgreich eine Existenz
                                                                                                               aufzubauen.

Arbeit in einer Bäckerei gefunden: Je länger die Krise in Syrien andauert, umso wichtiger ist es,
                       dass sich die Flüchtlinge im Zielland ein neues Leben aufbauen können.                  Das Rote Kreuz plant derzeit die Umsetzung
                                                                                                               eines Programms, das syrischen Armenier­
                                                                                                               Innen und der Aufnahmegesellschaft
                                                                                                               Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiens-
      NERSES S. (Name von der Redak-                Menschen mit offenen Armen empfangen                       ten sowie zum Arbeitsmarkt ermöglichen
tion geändert) ist 2011 von Syrien nach             – trotz der hohen Arbeitslosigkeit und der                 soll. Der Schwerpunkt liegt auf der Förde-
Armenien geflohen. Er ist einer jener syri-         Armut im Land: Syrische ArmenierInnen                      rung von selbstständigen Kleinunterneh-
schen Armenier aus Aleppo, die das Heimat-          bekamen Pässe, damit sie leichter einreisen                mern und Handwerkern mit Know-how,
land ihrer Vorfahren als Ausweg sahen, um           konnten. Es gibt auch keine Flüchtlingsla-                 Anschubfinanzierungen und Kleinkrediten.
dem Krieg in Syrien zu entkommen. Mittler-          ger, sondern die Betroffenen sind in Woh-                  Zusätzlich geht es dabei um leistbares Woh-
weile lebt Nerses mit seiner ganzen Familie         nungen in der Hauptstadt Jerewan unterge-                  nen und die Eingliederung in das lokale
in Armenien.                                        bracht.                                                    Bildungs­system.

Offene Arme für Flüchtlinge                         Internationale Unterstützung                               Im achten Jahr der Syrienkrise soll die Initi-
22.000 Flüchtlinge sind seit Beginn des             Hilfe für die Flüchtlinge kam vom Armeni-                  ative dazu beitragen, dass Familien wie jene
Syrienkriegs in Armenien angekommen.                schen Roten Kreuz, das vom Österreichi-                    von Nerses ein gutes Leben in einer integra-
Regierung und Gesellschaft haben die                schen Roten Kreuz unterstützt wurde. Am                    tionswilligen Gesellschaft haben.

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STARKER ENT WICKLUNGSPARTNER EU SCHWERPUNK T

INTERVIEW
                                                                                                                 Ab 2014 hat der sogenannte

„Die EU ist keine                                                                                                Islamische Staat (IS) große
                                                                                                                 Teile des Irak besetzt. Irakische
                                                                                                                 Sicherheitskräfte und kurdi-

Super-NGO“                                                                                                       sche Peschmerga konnten
                                                                                                                 2017 die Mehrheit der vormals
                                                                                                                 vom IS besetzten Gebiete
                                                                                                                 zurückgewinnen.
Die Autonome Region Kurdistan im Irak (offizieller Name: Kurdistan
                                                                                                                 Die Autonome Region Kurdis-
Region des Irak) hat in den letzten Jahren über eine Million Binnen-
                                                                                                                 tan (offizieller Name: Kurdistan
flüchtlinge aufgenommen. Die EU leistete wichtige humanitäre Hilfe.                                              Region des Irak) beherbergt
Aber das ist nicht alles, erklärt Clarisse Pásztory, Leiterin des EU-Ver-                                        knapp 1.4 Millionen der
bindungsbüros in Erbil.                                                                                          insgesamt drei Millionen
                                                                                                                 irakischen Binnenvertriebenen
                                                                                                                 sowie rund 300.000 syrische
                                                                                                                 Flüchtlinge.
Frau Pásztory, wie lebt es sich in Erbil?            Schulen und temporäre Infrastruktur gebaut
In Erbil lebt man recht gut. Auch wenn es            werden. Das ist erledigt.                                   Im September 2017 sprach
                                                                                                                 sich die Mehrheit der Bevöl-
nach dem Referendum über die Unabhän-                                                                            kerung in einem Referendum
gigkeit der Autonomen Region Kurdistan               Andererseits brechen viele der vorübergehend                für die Unabhängigkeit der
wieder etwas schwieriger geworden ist                vom gemeinsamen Feind IS überdeckten                        Autonomen Region Kurdistan
                                                                                                                 aus. Die irakische Zentralre-
und es Sanktionen von irakischer Seite               Gräben nun neu auf. Die Kurdistan Region
                                                                                                                 gierung und die internationale
gibt. Die Stadt Erbil hat geschätzte ­1,2            hielt z. B. im September 2017 ein Unabhän-                  Gemeinschaft erkennen das
Millionen Einwohnerinnen und Einwoh-                 gigkeitsreferendum ab. Danach kam es zu                     Referendum nicht an.
ner. Mit den Flüchtlingen, die seit 2014             militärischen Spannungen zwischen Bagdad
da sind, sind es fast zwei Millionen. Es ist         und der Autonomen Region Kurdistan. Die
eine lebendige Stadt mit einer halbwegs              im Irak zugrunde liegenden Probleme, aus
funktionierenden Infrastruktur.                      denen Daesh erwuchs, müssen nun dringend           Was wäre Ihr größter Erfolg?
                                                     angegangen werden.                                 Die EU wird in vielen Regionen der Welt fälsch-
Hat sich die Lage in der Region ver-                                                                    lich als Super-NGO wahrgenommen. Wir sind
bessert, seit der sogenannte Islami-                 Welche Hilfe hat die EU geleistet?                 aber ein politischer Akteur und leisten mehr als
sche Staat, kurz IS oder Daesh, 2017                 Die EU war und ist führend bei der humanitären     nur humanitäre Hilfe.
zurückgedrängt werden konnte?                        Hilfeleistung. Direkte humanitäre Hilfe hat die
Einerseits ja. Die ehemals von Daesh besetzten       EU z. B. in Form von Lebensmitteln, Zelten oder    Ich habe die EU hier als ernst zu nehmenden
Gebiete sind leichter zugänglich. Es gibt nicht      Gesundheitsversorgung geleistet. Über den          Faktor mit politischen Interessen und Werten
mehr täglich schweres Bombardement oder              MADAD-Fonds sind weiters Mittel in die Berei-      etabliert. Wir werden nun im gleichen Atemzug
Hunderttausende Vertriebene und Flüchtlinge          che Wasser, Elektrizität, Schulen, Ausbildung,     wie etwa die USA genannt. Das bedarf kontinu-
zu versorgen. Es müssen auch nicht mehr ad hoc       medizinische Versorgung und Rehabilitierung        ierlichen politischen Engagements. Dieses kann
                                                     geflossen. Dazu kommen noch Entminung und          dann z.B. dazu genutzt werden, eine Normalisie-
                                                     psychologische Hilfe.                              rung zwischen Bagdad und Erbil herzustellen.
                                          © OHR

                                                                                                        Das ist etwas, woran ich persönlich sehr intensiv
                                                     Und was kommt jetzt?                               arbeite und woran mir viel liegt.
                                                     Der Fokus ändert sich. Der klassische humani-
                                                     täre Zugang weicht nun der Stabilisierungsphase.
                                                     Diese wiederum sollte kontinuierlich zu einer
                                                     längerfristigen Entwicklungszusammenarbeit
                                                                                                                                       Clarisse Pásztory
                                                     führen. Und der physische Wiederaufbau muss
                                                                                                                          leitet seit 2016 das EU-Verbin-
                                                     von einem politischen Neubeginn begleitet                       dungsbüro in Erbil, der Hauptstadt
                                                     werden.                                                              der Kurdistan Region des Irak.

    W E LT N AC H R I C H T E N   | AUSGABE 2/2018                                                                                                     25
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