Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste - Wissenswertes - Nordrhein-Westfälische Akademie der ...

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Nordrhein-Westfälische Akademie
                                                                    der Wissenschaften und der Künste

                                                                                        Wissenswertes

Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste
               Palmenstraße 16 • 40217 Düsseldorf

             Tel. 0211- 61734-0 • Fax 0211 61734-500
                awk@awk.nrw.de • www.awk.nrw.de
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Liebe Leserin, lieber Leser,
    Editorial                                                                   Wissenschaft lebt von immer wieder neuen Erkenntnissen
                                                                                und Entdeckungen, von ex­zellenter Forschung, und
                                                                                nicht zuletzt von intensiven Debatten. Wir laden Sie mit
                                                                                dieser Broschüre ein, einen besonderen Ausschnitt aus
                                                                                der Welt der Wissenschaft kennenzulernen, unsere Nord­
                                                                                rhein-­Westfälische Aka­de­mie der Wissenschaften und
                                                                                der Künste, eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte
                                                                                Institution unseres Landes.

                                                                                Sie können etwas erfahren über die Arbeit der Akademie als Gemeinschaft
                                                                                führender Forscherinnen und Forscher Nordrhein-Westfalens, über ihre
                                                                                Ge­schichte und ihre heutigen Aufgaben. Akademien sind traditionell Gelehr­­
                                                                                ten­gesellschaft und außeruniversitäre Forschungseinrichtung zugleich, sie
                                                                                sind jedoch weder weltfremd, noch leben sie im Elfenbeinturm. Das Spektrum
                                                                                der in ihr vertretenen Fächer und Kompetenzen, ihre Interdisziplinarität
                                                                                prädesti­nie­­ren die Akademie dazu, wissenschaftlich fundierte Orientierung
                                                                                in gesell­schaftlich relevanten Themen zu geben. Mehr denn je ist das Haus
                                                                                der Wissen­schaften in Düsseldorf heute ein Ort der Begegnung herausragender
                                                                                Persön­lich­keiten und eine Stätte des Diskurses mit Politik, Wirtschaft, Kultur
                                                                                und Öffent­lichkeit.

                                                                                In 18 vornehmlich geisteswissenschaftlichen Forschungsvorhaben zeigen sich
                                                                                wissenschaftliche Exzellenz und große Vielfalt gleichermaßen. Hier arbeiten
                                                                                mehr als 100 Forscherinnen und Forscher daran, unser kulturelles Erbe für die
                                                                                Zukunft zu bewahren, etwa bei Ausgrabungen, bei der Übersetzung und
                                                                                Kommen­tierung alter Inschriften oder Papyri und der Herausgabe von Werk­
                                                                                editionen zu namhaften Philosophen und Schriftstellern.

                                                                                Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, eine anregende Lektüre,
                                                                                hoffe, dass Sie viel Freude beim Entdecken spannender Themen haben und zu
                                                                                der Erkenntnis gelangen, dass Wissenschaft äußerst lebendig sein kann.

                                                                                                           Professor Dr. Dr. Hanns Hatt
                                                                                                           Präsident der Nordrhein-Westfälischen Akademie
                                                                                                           der Wissenschaften und der Künste
Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste, Bibliothek
4                                                                                                                                                                  5
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Inhalt

    Ziele und Aufgaben der Akademie  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8
    Organisation  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 10
    Geschichte  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 12
    Forschung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 16
      Forschungsvorhaben im Akademienprogramm  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 18
      • Herausgabe des Reallexikons (RAC) und des Jahrbuchs für
        Antike und Christentum (JbAC) .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 18
      • Novum Testamentum Graecum. Editio Critica Maior                                               . . . . . . . . . . . . . . 20
      • Edition des Altägyptischen Totenbuches vom Neuen Reich
                                                                                                                                                    Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste
        bis zur Römerzeit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 22
      • Sammlung, Kommentierung und Herausgabe von Papyrusurkunden  .  .  .                                                                 24
      • Edition, Übersetzung und Kommentierung der kleinen und                                                                                        Weitere Forschungsvorhaben .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 48
        fragmentarischen Historiker der Spätantike  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 26
                                                                                                                                                      • Nilus von Ancyra, Edition und Untersuchung von Werken
      • Kulte im Kult            .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 28       der Kirchenväter .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 48
      • Deutsche Inschriften des Mittelalters                               .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 30       • Patristica Slavica, Edition und Untersu­chung von Werken
      • Averroes Latinus-Edition  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                  32          der Kirchenväter  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 48
      • Herausgabe der gesammelten Werke Georg Wilhelm Friedrich Hegels .                                                                . 34         • Internationales Tonarchiv oraler Tradition –
      • Arthur Schnitzler: Digitale historisch-kritische Edition                                            .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 36          Mongolische Volksliteratur .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 49
      • Grundlagen, Normen und Kriterien der ethischen Urteilsbildung                                                                                 Ehemalige Forschungsvorhaben .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 49
        in den Biowissenschaften – Referenzzentrum  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 38
                                                                                                                                                    Junges Kolleg  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 50
      • Rationalität im Lichte der experimentellen Wirtschaftsforschung                                                       .  .  .  .  . 40
                                                                                                                                                    Stiftung der Freunde und Förderer  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 52
      • Diskrete Mathematik und Anwendungen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                     42
      • Erforschung von jungen Sternen und Quasaren  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .                                         44      Akademienunion  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 53
      • Großräumige Klimaveränderungen und ihre Bedeutung für die Umwelt  .                                                              . 46       Impressum  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 54

6                                                                                                                                                                                                                                                                                      7
Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste - Wissenswertes - Nordrhein-Westfälische Akademie der ...
Ziele und Aufgaben der Akademie
    Die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste ist in     Der in der Akademie vorhandene fachliche und interdisziplinäre Sachverstand
    ihrem Ursprung eine Vereinigung führender Forscher des Landes und versteht       begründet zugleich die Verpflichtung, die komplexen naturwissenschaftlichen,
    sich wie alle deutschen Akademien der Wissenschaften als eine interdiszipli­     ökonomischen und ethischen Probleme und Fragestellungen, mit denen sich
    näre Gelehrten-Gesellschaft. Zusätzlich zu den Wissenschaften integriert sie     unsere Gesellschaft konfrontiert sieht, aufzugreifen, zu diskutieren und mit den
    als einzige deutsche Akademie seit 2008 auch die Künste unter ihrem Dach.        gewonnenen Ergebnissen Entscheidungen in Politik und Gesellschaft vor­zu­
    Laut ihrem gesetzlichen Auftrag pflegt sie den wissenschaftlichen und künstle­   be­reiten. In diesem Sinne bietet die Akademie mit regelmäßigen öffentlichen
    rischen Gedankenaustausch unter ihren Mitgliedern und mit Vertretern des         Veranstaltungen eine Plattform für den Wissenstransfer und den Dialog zwischen
    politischen, wirtschaftlichen und künstlerischen Lebens sowie die Beziehungen    Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit; darüber hinaus äußert sie sich – auch
    zu wissenschaftlichen und künstlerischen Einrichtungen und zu Wissenschaftlern   gemeinsam mit anderen Akademien - in Stellungnahmen zu relevanten Themen
    und Künstlern des In- und Auslands. Sie berät die Landesregierung bei der        unserer Zeit.
    Förderung von Wissenschaft und Kunst.
                                                                                     Traditionell gehört die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu den
    Eine zentrale Aufgabe der Akademie ist die Förderung und Betreuung von           Aufgaben der Akademien der Wissenschaften. Die Nordrhein-Westfälische
    langfristiger Grundlagenforschung, die in den Hochschulen oder in anderen        Akademie der Wissenschaften und der Künste verleiht seit 1990 jährlich den
    Forschungsinstitutionen in der Regel so nicht durchgeführt werden kann.          Karl-Arnold-Forschungspreis als besondere Anerkennung für herausragende
    Derzeit betreut die Akademie 18 Langzeitforschungsvorhaben, überwiegend           wissenschaftliche oder künstlerische Leistungen junger Forscher bzw. Künstler.
    im Bereich der Geisteswissenschaften.                                            In dem seit 2006 bestehenden Jungen Kolleg der Akademie, das zur Förderung
                                                                                     des wissenschaftlichen Nachwuchses mit Unterstützung der Mercator-Stiftung
                                                                                     eingerichtet wurde, werden bis zu 30 herausragende junge Wissenschaftlerinnen
                                                                                     und Wissenschaftler für die Dauer von vier Jahren finanziell und ideell gefördert.

                                                                                     Die wissenschaftlichen Vorträge in den Klassen, Ergebnisse der öffentlichen
                                                                                     Veranstaltungen und Symposien, Abhandlungen von Akademie-Mitgliedern
                                                                                     sowie Forschungsergebnisse der Arbeitsstellen werden von der Akademie in
                                                                                     Zusammenarbeit mit verschiedenen Verlagen dokumentiert und publiziert.
                                                                                     Die Akademie leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis wissen­
                                                                                     schaftlicher Erkenntnisse und Zusammenhänge. Bislang sind rund 1.100 Publi­
                                                                                     kationen erschienen. Diese sind durch Schriftentausch bei einer Vielzahl von
                                                                                     nationalen und internationalen Einrichtungen einsehbar und können in Buch­
                                                                                     handlungen oder auch direkt über die Akademie bezogen werden. Zudem ist
                                                                                     eine Ausleihe über den Bibliothekenverbund Bibliotheca möglich.

                                                                                     Diskussionssaal der Akademie

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Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste - Wissenswertes - Nordrhein-Westfälische Akademie der ...
Organisation
     Die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste wird            Die Nobelpreisträger der Nordrhein-Westfälischen Akademie
     vom Präsidium unter Vorsitz des Präsidenten geleitet. Es besteht aus dem              der Wissenschaften und der Künste
     Präsidenten, den Sekretarinnen oder Sekretaren der vier Klassen und ihren Stell-
     vertreterinnen oder Stellvertretern. Das Präsidium koordiniert die Forschungs­        Prof. Dr. med., Dr. phil. h.c. Gerhard Domagk (Medizin 1939)
     vorhaben und Jahresprogramme, legt Leitlinien fest und beschließt den Haushalt.       Prof. Dr. phil., Dr. med. h.c. Dr. Kurt Alder (Chemie 1950)
     Der Präsident vertritt die Akademie nach außen und führt die laufenden
     Geschäfte; dabei wird er von der Geschäftsstelle unter Leitung der General­           Prof. Dr. med. Werner Forßmann (Medizin 1956)
     sekretärin unterstützt.                                                               Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Karl Ziegler (Chemie 1963)

     Die Akademie gliedert sich in vier Klassen: die Klasse der Geisteswissenschaften,     Prof. Dr. rer.nat., Dr. rer.nat. h.c. mult., Dr. Sc. h.c. Ernst Otto Fischer (Chemie 1973)
     die Klasse der Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften, die Klasse der Natur­        Prof. Dr. phil., Dr. h.c. mult. Ilya Prigogine (Chemie 1977)
     wissenschaften und der Medizin sowie die Klasse der Künste. In ihnen findet
     das eigentliche wissenschaftliche und diskursive Leben der Akademie statt.            Prof. Dr. rer.nat. Hartmut Michel (Chemie 1988)
     Die regelmäßigen Klassensitzungen bieten die Gelegenheit zur Diskussion               Prof. Dr. Ing., Dr. h.c. mult. Wolfgang Paul (Physik 1989)
     wissenschaftlicher Forschungsergebnisse oder künstlerischer Frage­stellungen,
     in ihnen werden für die akademieeigenen Schriftenreihen vorgesehene Publi­            Prof. Dr. rer.nat., Dr. h.c. mult. Erwin Neher (Medizin und Physiologie 1991)
     kationen vorgelegt. Die Vielfalt der vertretenen Fachrichtungen bietet die            Prof. Dr. phil. nat., Dr. h.c. mult. Reinhard Selten (Wirtschaftswissenschaften 1994)
     Gewähr für disziplinenübergreifenden Gedankenaustausch und inter­diszi­pli­­nä­
     res Arbeiten. Jede Klasse wählt für drei Jahre eine Sekretarin oder einen Sekretar    Prof.‘ in Dr. rer.nat, Dr. h.c. mult. Christiane Nüsslein-Volhard (Medizin 1995)
     sowie eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter. Die Sekretare nehmen mit       Prof. Dr. rer.nat., Dr. h.c. Gerhard Ertl (Chemie 2007)
     Unterstützung der Geschäftsstelle die Geschäftsführung für ihre Klasse wahr.
                                                                                           Prof. Dr. rer.nat. habil., Dr. h.c. mult. Peter Grünberg (Physik 2007)
     Die Akademie hat ordentliche und korrespondierende Mitglieder, die jeweils            Prof. Dr. med., Dr. h.c. mult. Harald zur Hausen (Medizin 2008)
     auf Lebenszeit gewählt werden. Die Klassen haben das sogenannte Selbst­ergän­
     zungsrecht, das heißt sie entscheiden eigenständig auf Vorschlag von Akademie­
     mitgliedern darüber, wer als neues Mitglied ihrer Klasse aufgenommen wird.           Die Akademie wird als rechtlich selbständige Körperschaft des öffentlichen
     Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die oder der Betreffende sich durch            Rechts vom Land Nordrhein-Westfalen institutionell gefördert. Ihre im
     wissenschaftliche Leistungen ausgezeichnet hat.                                      Akademienprogramm durchgeführten Forschungsvorhaben werden jeweils
                                                                                          zur Hälfte von Land Nordrhein-Westfalen und von der Bundesrepublik
     Ordentliches Mitglied kann nur werden, wer seinen Dienstsitz in Nordrhein-           Deutschland finanziert.
     ­Westfalen hat. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder ist auf 50 in jeder Klasse
      beschränkt, nicht eingerechnet werden Mitglieder über 70 Jahre, die von der
      aktiven Mitarbeit entpflichtet sind. Wissenschaftler, die ihren Dienstsitz bzw.
      ihren Wohnsitz außerhalb von Nordrhein-Westfalen haben, können als
      korrespondierendes Mitglied gewählt werden, ihre Zahl ist nicht beschränkt.

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Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste - Wissenswertes - Nordrhein-Westfälische Akademie der ...
Geschichte
     Die Idee der Gründung einer allgemeinen Gelehrtengesellschaft in Nordrhein-            Jahre 1960 als „Karl Arnold-Haus der Wissenschaften“ eingeweiht. Damit
     Westfalen reicht zurück ins 19. Jahrhundert. Aber erst zu Beginn des 20. Jahr­­hun­­   verfügt die Akademie über sowohl funktionale wie repräsentative Räumlich­
     derts gelang die Gründung der „Rheinischen Gesellschaft für wissen­schaft­­­liche      keiten, insbesondere einen Vortragssaal für rund 400 Personen, einen Klassen­
     Forschung“, die von 1911 bis 1915 eine größere Zahl von wissen­­schaft­lichen          sitzungssaal und eine Bibliothek.
     Vorhaben förderte. Durch den 1. Weltkrieg wurde ihre erfolg­reiche Tätigkeit
     zunächst beendet.                                                                      1970 wurde die Arbeitsgemeinschaft in die „Rheinisch-Westfälische Akademie
                                                                                            der Wissenschaften“ umgewandelt und erhielt den Rechtsstatus einer Körper­
     Nach Ende des 2. Weltkrieges gründete Ministerpräsident Karl Arnold auf                schaft des öffentlichen Rechts. Um der Bedeutung der Ingenieur­wissenschaften
     Anregung von Ministerialdirektor Professor Dr.-Ing. Leo Brandt 1950 die                Rechnung zu tragen, wurde im Mai 2000 die bisherige zwei­gliedrige Struktur
     „Arbeitsgemein­schaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen“. Ziel des          durch die Schaffung einer dritten Klasse „Ingenieur- und Wirtschaftswissen­
     Zusammenschlusses von zunächst naturwissenschaftlichen und tech­­ni­schen              schaften“ ergänzt.
     Disziplinen war die Beratung der Landesregierung beim Wieder­auf­bau des durch
     den Krieg stark zerstörten Landes an Rhein und Ruhr und später die Beratung            Ihren heutigen Namen „Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften
     in allen Fragen der Forschungsförderung. Als bislang einzige Aka­demie konnte          und der Künste“ erhielt die Akademie im Jahre 2008 mit der Erweiterung um
     die Arbeitsgemeinschaft in ein eigens für sie errichtetes Gebäude einziehen.           die Klasse der Künste. Sie ist damit die erste und bisher einzige Wissenschafts­
     Es wurde von dem bedeutenden Architekten Hans Schwippert erbaut und im                 akademie, die die Künste als eigenständige Klasse integriert hat.

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Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste - Wissenswertes - Nordrhein-Westfälische Akademie der ...
Chronik

     1911 bis 1915     Förderung von Projekten durch die neu gegründete
                       „Rheinische Gesellschaft für wissenschaftliche Forschung“
     25. April 1950    Gründung der „Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes
                       Nordrhein-Westfalen“ mit naturwissenschaftlichen und tech­­
                       nischen Disziplinen durch Minis­terpräsident Karl Arnold
                       auf Anregung von Ministerialdirektor Professor Dr.-Ing.
                       Leo Brandt.
     24. März 1952     Erweiterung der Akademie um die Klasse für
                       Geisteswissenschaften
      14. Mai 1958     Grundsteinlegung für das Karl Arnold-Haus
                       der Wissenschaften
      11. Mai 1960     Einweihung des Karl Arnold-Hauses der Wissenschaften
     1. Januar 1970    Umwandlung der „Arbeitsgemeinschaft für Forschung des
                       Landes Nord­rhein-­Westfalen“ in die „Rheinisch-
                       Westfälische Akademie der Wissenschaften“ mit dem
                       Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts
       6. Mai 1970     Feierliche Eröffnungssitzung der Rheinisch-Westfälischen
                       Akademie der Wissenschaften
        6. Juli 1993   Umbenennung in die „Nordrhein-Westfälische Akademie
                       der Wissenschaften“
      24. Mai 2000     Gründung der Klasse für Ingenieur- und Wirtschafts­
                       wissen­schaften durch Abspaltung von der Klasse für Natur­
                       wissen­schaften und Medizin
      1. Sept. 2006    Gründung des Jungen Kollegs zur Förderung des wissen­
                       schaft­lichen Nachwuchses
      24. Juni 2008    Erweiterung um eine vierte Klasse der Künste

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Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste - Wissenswertes - Nordrhein-Westfälische Akademie der ...
Forschung
     Neben den Aktivitäten als Gelehrtengesellschaft liegt ein wichtiger Arbeitsschwer­   Das Programm ermöglicht es, die sehr langfristig, oft auf mehrere Jahrzehnte
     punkt der Akademie in der wissenschaftlichen und administrativen Betreuung           angelegten, umfangreichen Forschungsvorhaben kontinuierlich auf hohem
     von Forschungsprojekten, überwiegend im Bereich der geisteswissen­schaft­            Niveau zu bearbeiten, ohne an die begrenzte Kapazität einzelner Einrichtungen
     lichen Grundlagenforschung. In insgesamt 18 Forschungsprojekten betreut die          oder die Lebenszeit einzelner Personen gebunden zu sein. Im Akademien­
     Akademie in enger Zusammenarbeit mit Universitäten und außer­univer­si­tären         programm werden 152 Langzeitvorhaben an 204 Arbeitsstellen mit einem
     Forschungs­einrichtungen Vorhaben, die insbesondere der Erschließung, Siche­         Gesamtvolumen von 54,4 Millionen Euro gefördert (Stand 2012), die ein
     rung und Vergegenwärtigung unseres kulturellen Erbes dienen.                         strenges Auswahlverfahren durchlaufen mussten. In der Nordrhein-West­
                                                                                          fälischen Akademie werden 15 Akademievorhaben mit rund 4,5 Millionen
                                                                                          Euro betreut (Stand 2012).
     Akademienprogramm
     Das Akademienprogramm, in dem seit 1979/80 Bund und Länder gemeinsam                 Wissenschaftliche Kommissionen, bestehend aus Mitgliedern der Akademie
     langfristige Forschungsvorhaben vor allem in den Geisteswissenschaften               und externen Fachleuten, begleiten und verantworten die wissenschaftliche
     finanzieren, ist das größte und bedeutendste geisteswissenschaftliche For­           Arbeit der Forschungsprojekte. Regelmäßige Evaluierungen durch externe
     schungs­programm der Bundesrepublik Deutschland. Die Nordrhein-West­fä­              Gutachter sichern den Qualitätsstandard der hier entstehenden Wörter­
     lische Akademie der Wissenschaften ist zusammen mit den sieben anderen               bücher, Lexika und Editionen aus den Gebieten der Theologie, Philosophie,
     Landesakademien Heimat der in diesem Programm geförderten Vorhaben.                  Geschichte, Literatur- und Sprachwissenschaften, Kunstgeschichte und
                                                                                          Archäologie, Inschriften- und Namensforschung sowie einiger
     Koordiniert wird das Akademienprogramm durch die Union der deutschen                 naturwissenschaftlicher Langzeitbeobachtungen.
     Akademien der Wissenschaften. Der Wissenschaftsrat hat das
                                                                                          Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften
     Akademienprogramm in 2009 positiv evaluiert und es als                               und der Künste, Wandelhalle
     „ein einzigartiges Instrument zur langfristigen
     Projektförderung“ gewürdigt.

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Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste - Wissenswertes - Nordrhein-Westfälische Akademie der ...
as Akademievorhaben „Herausgabe des Reallexikons für Antike und
                                                        Christentum (RAC) und des Jahrbuchs für Antike und Christentum (JbAC)“
                                                   erforscht die Entstehung der spätantik-christlichen Kultur.

                                                   Konkret soll die Frage beantwortet werden: Wie wurde aus der vielschichtigen,
                                                   keineswegs einheitlichen antiken Kultur, die sich seit hellenistischer Zeit in der
                                                   Mittelmeerwelt entwickelte, die spätantik-christliche der folgenden Jahrhunder­
     Foto rechts: Die Mitarbeiter der              te? Die Bedeutung dieser Fragestellung ergibt sich aus der Tatsache, dass diese
       For­­schungs­stelle Dr. Susanne             spätantik-christliche Kultur eine Vorstufe der mittelalterlichen und damit zum
             Heydasch-Leh­mann und                 Teil der heutigen bildet.
      Dr. Christian Hornung zeigen
             den sogenannten Bonner
            Magier­krug, der aus dem               Was uns heute als natürlicher Bestandteil der christlich geprägten europäischen
               7. Jahrhun­dert stammt.             Kultur erscheint, hat oft einen ganz anderen Ursprung. Das Forschungsprojekt
         Foto unten: Prof. Dr. Georg
       Schöllgen inmitten der bisher               stellt unabhängig von konfessionellen und weltanschaulichen Standpunkten
               veröffentlichten Bände.             die wechselseitigen Einflüsse von jüdischer, paganer (heidnischer) und christ­
                                                   licher Antike dar, aus denen sich in der Spätantike eine neue Kultur entwickelt.
     Herausgabe des Reallexikons (RAC) und des     Dabei kommen nicht nur Erscheinungen des religiösen Lebens, theologische
                                                   Begriffe und Vorstellungen zur Sprache, sondern viel umfassender auch die
     Jahrbuchs für Antike und Christentum (JbAC)   wesentlichen Bereiche von Staat, Gesellschaft, Recht, Wirtschaft, Kunst,
                                                   Literatur und Wissenschaft.

                                                   Das Reallexikon für Antike und Christentum (RAC) dient als Hilfsmittel und
                                                   zeichnet sich durch eine umfassende, gleichzeitig dicht geschriebene und
                                                   ver­ständliche Darstellung der Forschungsergebnisse aus. Ausführliche Diskus­
                                                   sio­nen von Thesen, die Behandlung der Forschungsgeschichte und die Aus­-
                                                   breitung aller erarbeiteten Materialien finden dagegen im Jahrbuch für Antike
                                                   und Christentum (JbAC) ihren Platz.

                                                    Auf einen Blick
                                                    Beginn      1976
                                                    Laufzeit    voraussichtlich bis 2016
                                                    Ziel        Erforschung der Entstehung des Christentums in der antiken Welt
                                                    Leitung     Prof. Dr. Georg Schöllgen
                                                    Standort    Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

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as Akademievorhaben „Novum Testamentum Graecum. Editio Critica Maior“
     Novum Testamentum Graecum.                                                   widmet sich der Erforschung und Rekonstruktion des griechischen Urtextes
     Editio Critica Maior                                                     des Neuen Testaments.

                         Foto links: Der Altphilologe Dr. Klaus Wachtel       Die neutestamentlichen Texte sind zwar weltweit in über 5000 Dokumenten
                         bei einer Textanalyse im Bibel-Museum des            überliefert, allerdings sind die Urschriften allesamt verschollen. Im Laufe der
                         Instituts. Kleines Foto unten: Ein Bibel­druck aus
                         dem Jahre 1483. Großes Foto unten: Bild aus          Zeit entstanden durch unterschiedliche Lesarten und Deutungen in den Über­
                         einer Handschrift des Neuen Testaments aus           lieferungen teils stark ausgeprägte Textvarianzen.
                         dem 13. Jahrhundert. Fotograf: Lothar Strücken

                                                                              Erstmalig in der Wissenschaftsgeschichte ist es möglich geworden, das gesamte
                                                                              verfügbare handschriftliche Material wie auch eine überaus große Zahl hand­
                                                                              schriftlicher Zitate christlicher Schriftsteller und die alten Übersetzungen der
                                                                              Texte, vor allem in das Lateinische, Koptische und Syrische, bei der Rekon­
                                                                              struktion des Ausgangstextes heranzuziehen und auszuwerten.

                                                                              Das Forschungsprojekt analysiert mit Hilfe eines eigens entwickelten Compu­
                                                                              terprogramms die Textunterschiede und dokumentiert die griechische Textge­
                                                                              schichte des ersten Jahrtausends.

                                                                              Unter Rückgriff auf die Kohärenzbasierte Genealogische Methode, die auch
                                                                              zufälligen Mehrfachentstehungen von Varianten Rechnung trägt, werden dann
                                                                              genealogische Zusammenhänge in dem umfangreichen Material hergestellt
                                                                              und die Ursprünge der unterschiedlichen Lesarten enthüllt.

                                                                               Auf einen Blick
                                                                               Beginn      1958
                                                                               Laufzeit    voraussichtlich bis 2030
                                                                               Ziel        Rekonstruktion des griechischen Urtextes des Neuen
                                                                                           Testaments; Dokumentation der Textgeschichte; Metho-
                                                                                           denentwicklung und Gestaltung einer Internetnutzung
                                                                               Leitung     Prof. Dr. Holger Strutwolf
                                                                               Standort    Westfälische Wilhelms-Universität Münster

20                                                                                                                                                               21
as Totenbuch ist eine Sammlung von rund 200 Sprüchen, die im Alten
                                                                             Ägyp­ten in unterschiedlicher Auswahl Verstorbenen mit ins Grab ge­geben
                                                                        wurden. Dieser Brauch spielte vom Beginn des Neuen Reiches (um 1600 v. Chr.)
                                                                        bis in die späte Ptolemäerzeit bzw. frühe Römerzeit (1. Jh. n. Chr.) eine zentrale
                                                                        Rolle, denn die Sprüche dienten dem Verstorbenen als Argumentationshilfe,
                                                                        um sich vor dem Totengericht für sein Leben zu verantworten. Nur bei bestan­de­
                                                                        ner Prüfung erwartete den Verstorbenen ein Leben nach dem Tod. Papyrusrollen,
                                                                        aber auch Mumienbinden, Leichentücher, Särge oder Grab- und Tempelwände
                                                                        wurden damit beschriftet und bebildert. Sie behandeln zudem die wesentlichen
                                                                        Inhalte des altägyptischen Jenseitsglaubens: den Wunsch nach körperlicher
                                                                        Unversehrtheit und Bewegungsfreiheit, nach Versorgung, Abwehr von Gefahren
                                                                        und Aufnahme unter die Götter.

                                                                        Das Bonner Totenbuch-Projekt, welches bereits seit 1994 systematisch Informa­
                                                                        tionen und Bildmaterial über alle noch vorhandenen Totenbücher sammelt,
                                                                        wurde 2004 in das Akademienprogramm aufgenommen.

                                                                        Das Hauptaugenmerk des Projekts liegt auf der Edition ausgewählter Totenbuch­
     Edition des Altägyptischen Totenbuches                             handschriften. Die beiden Pfeiler der Edition bilden repräsentative Textzeugen
                                                                        aus den verschiedenen Belegungsperioden auf der einen Seite und außerge­
     vom Neuen Reich bis zur Römerzeit                                  wöhnliche Handschriften auf der anderen Seite. Daneben sammelt das Projekt
                                                                        die über die Museen, Sammlungen und Bibliotheken der Welt verstreuten
                   Auf einen Blick                                      Manuskripte mit allen verfügbaren Daten in seinem Archiv. Dieses weltweit
                                                                        größte Totenbuch-Archiv mit ca. 3000 Objekten (Stand August 2012) wird
                   Beginn     1994                                      international von Wissenschaftlern und anderen Interessierten intensiv genutzt.
                   Laufzeit   bis Ende 2012                             Weitere Arbeitsbereiche umfassen die Analyse des Totenbuch-Wortschatzes,
                                                                        die Erstellung einer Bibliographie zum Altägyptischen Totenbuch sowie die
                   Ziel       Aufbau eines Archivs aller heute noch     Erarbeitung von Hilfsmitteln zur Datierung der Handschriften.
                              auffindbaren altägyptischen Totenbücher
                              in Form von Bilddokumenten und einer
                              Datenbank sowie Textübersetzung der
                              Sprüche und Dokumentation der chrono­-
                              logischen Entwicklung des Totenbuchs
                   Leitung    Prof. Dr. Ursula Rößler-Köhler
                   Standort   Rheinische Friedrich-Wilhelms-
                              Universität Bonn                          Foto oben: Die Mitarbeiter der Forschungsstelle Dr. Marcus Müller und Dr. Rita Lucarelli
                                                                        entschlüsseln Texte an Originalen. Foto links: Aris Legowski am Archiv der Arbeitsstelle.

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ntike Papyri, Münzen und Inschriften sind Boten einer fernen Zeit und die
                                                                       ältesten Träger schriftlicher Überlieferungen. Die Entschlüsselung dieser
                                                                histo­rischen Quellen bietet der Altertumswissenschaft einen vielseitigen Einblick
                                                                in die antike Kultur, so etwa in die ursprüngliche Gestaltung und Verwendung
                                                                literarischer Texte oder in den Alltag der Menschen im ptole­mäisch-römischen
                                                                Ägypten.

                                                                Eine der bedeutendsten deutschen Sammlungen von Papyri und Münzen wurde
                                                                seit den 1950er Jahren in Köln aufgebaut. Sie umfasst die „Kölner Papyri“, griechi­
                                                                sche Münzen aus Ägypten und Kleinasien und eine Sammlung von Abklatschen
                                                                der auf dem Gebiet der heutigen Türkei gefundenen antiken Inschriften.

                                                                Seit Gründung der Kölner Arbeitsstelle für Papyrologie, Epigraphik und Numis­
                                                                matik im Jahre 1974 restaurieren, entziffern, edieren, übersetzen und kommen­
                                                                tieren Wissenschaftler die in der Sammlung aufbewahrten Papyri und Münzen
                                                                sowie griechische Inschriften aus Kleinasien. Sie verfertigen auch thematisch
                                                                zusammengehörige Corpora aus Dokumenten verschiedener Aufbewahrungsor­
     Sammlung, Kommentierung und                                te und erarbeiten Studien von allgemeiner Bedeutung für die Altertumskunde.
     Herausgabe von Papyrusurkunden                             Der Schwerpunkt der Förderung durch das Akademienprogramm liegt derzeit
                                                                auf der Papyrusforschung (Papyrologie). Der Arbeitsstelle obliegt zudem die
                                                                konservatorische Behandlung der Fundstücke, damit diese auch zukünftig der
                                                                Wissenschaft zur Verfügung stehen.

                                                                Die Forschungsergebnisse werden regelmäßig in der Reihe Papyrologica Colo­
                                                                niensia veröffentlicht.

                                                                 Auf einen Blick
                                                                 Beginn       1974
Großes Foto oben: Prof. Dr. Jürgen Hammerstaedt begut-
achtet einen rund 2.000 Jahre alten, beidseitig beschriebenen    Laufzeit     voraussichtlich bis 2020
Papyrus. Kleines Foto oben links: Dr. Robert Daniel,
Kustos der Pa­py­rus­sammlung, entschlüsselt einen Text.         Ziel         Erhalten, Erschließen und Erforschen von antiken Papyri,
Kleines Foto oben rechts: Sophie Geiseler ist in der For-
                                                                              Inschriften und Münzen
schungsstelle für die Restauration der Papyri zuständig.
Foto rechts: Abbildung des Kölner Mani-Kodex.                    Leitung      Prof. Dr. Jürgen Hammerstaedt
                                                                 Standort     Universität zu Köln

24                                                                                                                                                    25
ie Spätantike, welche vom 3. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. reicht, ist für
                                                                                   die politische und kulturelle Entwicklung Europas von kaum zu über­
                                                                              schät­zen­der Bedeutung. In diese Epoche fallen z. B. die hochdramatischen
                                                                              Ereignisse, die man auch in einem breiteren Geschichtsbewusstsein mit den
                                                                              Stichwörtern „Völkerwanderung“ oder „Ende des römischen Reiches“ verbindet,
                                                                              und es ist die Zeit, in der das Christentum zum einen von einer verfolgten zur
                                                                              Staats­religion aufsteigt, zum anderen sich das pagane Gedankengut anver­wan­
                                                                              delt, so dass auch solche Werke der Nachwelt überliefert wurden.

                                                                              Ein Großteil der historischen Überlieferung der Spätantike ist nur durch Zitate
                                                                              bekannt; eine umfassende Sammlung der Fragmente der Geschichtsschreibung
                                                                              aus dieser Zeit gibt es nicht.

                                                                              Das Forschungsprojekt „Kleine und fragmentarische Historiker der Spätantike“
                                                                              ediert, übersetzt und kommentiert Werke von knapp 90 Autoren und weitere
                                                                              anonyme Werke dieser Zeit. Dazu gehören lateinische und griechische Autoren,
                                                                              Profan- und Kirchenhistoriker, fragmentarisch erhaltene und „kleine“ Autoren
                                                                              (das heißt solche, die nur selten als selbständige Werke ediert und in Fragment-
                                                                              ­Sammlungen wiederum nicht erfasst werden), namentlich bekannte Historiker
     Edition, Übersetzung und Kommentierung                                    und sicher rekonstruierbare, aber anonyme Geschichtswerke.
     der kleinen und fragmentarischen Historiker
                                                                              Das Projekt wird damit dazu beitragen, dieses historische Erbe Generationen
     der Spätantike                                                           zugänglich zu machen, die sich nicht mehr in dem Maße wie früher auf eine
                                                                              schulische Ausbildung in den alten Sprachen stützen können.
                                Foto oben: Papier lebt – Quellenmaterial
                                für die Forscher der Spätantike.
                                Foto links: Die Leiter der Forschungsstelle
                                Prof. Dr. Bruno Bleckmann und
                                Prof. Dr. Markus Stein bei der Vorstellung
                                des Projektes im November 2011.
                                                                               Auf einen Blick
                                                                               Beginn      2012
                                                                               Laufzeit    voraussichtlich bis 2026
                                                                               Ziel        Edition, Übersetzung und Kommentierung der kleinen
                                                                                           und fragmentarischen Historiker der Spätantike
                                                                               Leitung     Prof. Dr. Bruno Bleckmann, Prof. Dr. Markus Stein
                                                                               Standort    Universität Düsseldorf

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ie außerhalb der städtischen Bereiche gegründeten griechischen Heilig-
                                                                                  tümer sind Gegenstand des Forschungsprojektes „Kulte im Kult“. Als sa­krale
                                                                              Zonen zumeist fest definiert, nehmen sie innerhalb der antiken Heiligtumsty­
                                                                              pologie eine besondere Stellung ein.

                                                                              In der Regel sind sie mit einer Hauptgottheit verbunden, neben der jedoch auch
                                                                              zahlreiche weitere Gottheiten verehrt wurden. Während die Koexistenz verschie­
                                                                              dener Gottheiten an sich kein unbekanntes Phänomen ist, wurde bislang jedoch
                                                                              kaum genauer untersucht, inwieweit sich ihre verschiedenen Funktionsbereiche
                                                                              im Gefüge einer einheitlichen sakralen Zone ergänzen.

                                                                              Eine Antwort auf die Frage nach den Funktionen solcher „untergeordneten
                                                                              Kultbezirke“ wird man vor allem von den schriftlichen Zeugnissen und den
                                                                              archäologischen Befunden selbst erwarten dürfen, die systematisch aufgenom­
                                                                              men und ausgewertet werden. Aussagekräftig können beispielsweise die Lage
                                                                              der Kultbezirke, ihre Ausstattung und auch das Spektrum von Weihegaben
     Kulte im Kult                                                            und Kultgeräten sein.

                                                                              Ergänzend zu diesen übergreifenden Untersuchungen werden Feldforschungen
                                                                              im extraurbanen Apollonheiligtum von Didyma (Türkei) durchgeführt.
                                                                              Dieses griechische Orakelheiligtum war neben Delphi und Olympia in der
                                                                              klassischen Antike eine der wichtigsten Pilger- und Kultstätten und ist trotz
                                                                              seiner großen Bedeutung immer noch in weiten Teilen unausgegraben. Aus
                                                                              der umfangreichen schriftlichen Überlieferung wissen wir, dass es in Didyma
                                                                              neben dem zu Beginn des 20. Jhs. freigelegten Apollontempel weitere, wenn
                                                                              auch kleinere Heiligtümer verschiedener Gottheiten gegeben haben muss.
                                                                              Insofern sind hier die Voraussetzungen und Möglichkeiten äußerst günstig,
     Auf einen Blick                                                          durch gezielte Ausgrabungen einen Zugang zum Verständnis der religiösen
     Beginn     2009                                                          Strukturen eines extraurbanen Heiligtums zu erlangen.
     Laufzeit   voraussichtlich bis 2021
     Ziel       Untersuchung extraurbaner griechischer Heiligtümer
                unter besonderer Berücksichtigung von Didyma
     Leitung    Prof.‘ in Dr. Helga Bumke
     Standort   Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn /              Großes Foto oben: Didyma – der Apollontempel von Süden mit Blick in Richtung Milet (Fotograf: E. Kücük).
                                                                              Kleines Foto links: Grabungssondage mit einer freigelegten Mauer des Theaters von Didyma.
                Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg / Didim (Türkei)
                                                                              Kleines Foto rechts: Restaurierung der Funde im Grabungshaus.

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ufgabe der Arbeitsstelle ist es, Inschriften, die zwischen dem 7. Jahrhundert
                                                                            und 1650 im Bereich des heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen
                                                                      nachweisbar sind, zu erfassen und wissenschaftlich aufzuarbeiten und damit
                                                                      wert­volles Kulturgut zu sichern.

                                                                      Inschriften sind nicht mit Feder und Tinte auf Papier geschrieben, sondern in
                                                                      Stein gemeißelt, in Metall graviert oder gegossen, in Stoff gestickt oder in Holz
                                                                      geschnitten. Sie wurden auf Grabdenkmälern, Kirchenfenstern, Gewändern und
                                                                      Glocken, an Kirchengerät oder Hausfassaden angebracht und spiegeln das
                                                                      Selbstverständnis der Auftraggeber sowie die rechtlichen, gesellschaftlichen
                                                                      oder religiösen Vorstellungen ihrer Entstehungszeit wider.

                                                                      Um dieses wertvolle Quellenmaterial den Wissenschaftlern verschiedener
                                                                      Fachrichtungen für ihre eigenen Forschungen zugänglich zu machen und zu­gleich
                                                                      dem interessierten Laien die Inschriften seiner Heimat nahe zu bringen, werden
                                                                      die Texte nicht nur genau gelesen und ggf. übersetzt, sondern auch in ihren
                                                                      Entstehungszusammenhang eingeordnet. Im Kommentar werden deshalb der
                                                                      Inhalt und die sprachliche Form der Inschrift selbst, aber auch ihr gedankli­
                                                                      cher und historischer Hintergrund erläutert. Eine Analyse der Schriftformen
                                                                      erlaubt Aussagen zu Überarbeitungen der Inschriften und zur zeitlichen
                                                                      Einordnung der Träger.
     Deutsche Inschriften des Mittelalters
                                                                      Die bearbeiteten Inschriftenbestände werden im Rahmen des Editionsunter­
                                                                      nehmens „Deutsche Inschriften“ (DI) publiziert, das von den Länderakademien
                        Auf einen Blick                               in Düsseldorf, Göttingen, Heidelberg, Leipzig, Mainz und München sowie der
                        Beginn     1978                               Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien getragen wird. Die
                                                                      Reihe umfasst bereits mehr als 80 Bände. Für Nordrhein-Westfalen liegen die
                        Laufzeit   vorläufig bis 2015,
                                                                      Inschriftenbestände des Aachener Domes, der Stadt Aachen sowie der Städte
                                   geplant bis 2032
                                                                      Bonn, Essen, Lemgo und Minden gedruckt vor; bis 2015 sollen weitere Bände
                        Ziel       Erfassung und Kommentierung        über die Städte Düsseldorf, Köln und Xanten erscheinen.
                                   lateinischer und deutscher
                                   Inschriften Nordrhein-Westfalens
                                   (7. Jh. bis 1650)
                        Leitung    Prof. Dr. Theo Kölzer
                                                                      Foto oben: Dr. Helga Giersiepen (links) und Dr. Ulrike Spengler-Reffgen
                        Standort   Rheinische Friedrich-Wilhelms-     in der Fürstengruft von St. Lambertus in Düsseldorf.
                                                                      Foto unten: Inschriften in der Fürstengruft aus dem Jahr ihrer
                                   Universität Bonn                   Erbauung 1592 und einer Begehung im Jahr 1856.

30                                                                                                                                                        31
er 1126 in Cordoba geborene arabischsprachige muslimische Rechts­ge-
     Averroes Latinus-Edition                                                         lehrte und Arzt Ibn Rushd oder Averroes galt seinerzeit als Universalist.
                                                                                Im Mittelpunkt seiner Arbeiten standen die Werke des Aristoteles, zu denen er
                                                                                eine Viel­zahl von Kommentaren zunächst in arabischer Sprache verfasste, die
                                                                                ins Hebrä­ische und seit Beginn des 13. Jahrhunderts auch ins Lateinische über-
                                                                                ­setzt wurden. Als der „commentator“ des „philosophus“ wird Averroes zu einem
                                                                                 der einflussreichsten Vermittler des Aristoteles. Die Bedeutung der lateini­
                                                                                 schen Version der Aristoteles-Kommentare des Averroes für die abendländische
                                                                                 Philosophie ist kaum zu überschätzen und reicht weit über die Renaissance
                                                                                 hinaus.

                                                                                Das seit 1984 bestehende Forschungsvorhaben der Averroes Latinus-Edition
                                                                                betrifft die lateinischen Übersetzungen der Averroes-Kommentare. Hierzu
                                                                                gehört nicht nur die Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte, sondern
                                                                                auch eine stete und methodisch reflektierte Bezugnahme auf den arabischen
                                                                                Urtext oder, wo dieser verloren ist, auf parallele arabisch-hebräische Überset­
                                                                                zungen. Gleichzeitig müssen vielfache Wechselbeziehungen berücksichtigt
                                                                                werden. Die Averroes Latinus-Edition hat hier editorische Standards gesetzt.
                                                                                Damit werden der Forschung wichtige Grundlagen der Philosophie des
                                                                                Mittel­alters zugänglich gemacht.

                          Auf einen Blick                                       Die Arbeiten der Averroes Latinus-Edition sind Teil des internationalen Gesamt­
                                                                                projektes der Averrois Opera unter dem Dach der Union Académique Internatio­
                          Beginn            1984
                                                                                nale, das auch den arabischen Originaltext (Averroes Arabicus) und die hebrä­
                          Laufzeit          voraussichtlich bis 2013            ische Übersetzung (Averroes Hebraicus) umfasst. An dieser Edition arbeiten
                          Ziel              Kritische Edition der ins           Wissenschaftler aus acht Staaten Europas, den USA und dem Vorderen Orient
                                            Lateinische übersetzten             bereits seit 1931. Diese Aufgabenstellung ist auch heute noch in weiten Teilen
                                            Werke des Averroes                  Pionierarbeit; sie stellt besondere Anforderung an die Arbeit hinsichtlich der
                                                                                Komplexität und des zeitlichen Aufwandes. Das Thomas-Institut der Universität
                          Leitung           Prof. Dr. Dr. h.c.                  zu Köln ist inzwischen zu einem Zentrum der Averroes-Forschung geworden.
                                            Andreas Speer                       Dem trägt der 2010 begonnene Aufbau des Digital Averroes Research Environment
                          Standort          Thomas-Institut der                 (DARE) Rechnung, eines digitalen Forschungs­portals, das eine digitale Komplett­
                                            Universität zu Köln                 edition verbunden mit einer bibliographischen und einer Handschrif­ten­daten­
                                                                                bank als Grundlage einer interaktiven Forschungs­um­ge­bung zum Ziel hat.
                         Foto oben: Prof. Dr. Andreas Speer mit Schriften des
                         Averroes Latinus. Foto links: Die Mitarbeiter der
                         Forschungsstelle Dr. Roland Hissette (rechts) und
                         David Wirmer im Diskurs.

32                                                                                                                                                                 33
rotz der bedeutenden Wirkung, die der Philosoph Georg Wilhelm
                                                                                                     Friedrich Hegel (1770-1831) schon zu seinen Lebzeiten entfaltet hat, ist
                                                                                                sein Werk in sehr un­zu­­länglicher Form überliefert worden. Hegel selber hat
                                                                                                nur vergleichsweise wenige Hauptwerke und Abhandlungen veröffentlicht.

                                                                                                Seine Vorlesungen an den Universitäten Heidelberg und Berlin, auf denen
                                                                                                ein Großteil der öffentlichen Wirkung seiner Philosophie beruht, sind nach
                                                                                                seinem Tod von seinen Freunden und Schülern in höchst mangelhafter Form
                                                                                                teils aus seinen Manuskripten, teils aus studentischen Nachschriften veröffent­
                                                                                                licht worden, und seine umfangreichen und für das Verständnis seiner Philo­
                                                                                                sophie unverzichtbaren Manuskripte aus seinen frühen Jahren sind erst zu
                                                                                                Beginn des letzten Jahrhunderts bekanntgemacht worden.

                                                                                                Das Forschungsvorhaben „Herausgabe der gesammelten Werke G. W. F. Hegels“
                                                                                                wird sämtliche Werke Hegels veröffentlichen. Gerade in einer Gesellschaft, die
     Herausgabe der gesammelten Werke                                                           immer mehr auf Naturwissenschaften fokussiert ist, gewinnt Hegel mit seiner
     Georg Wilhelm Friedrich Hegels                                                             Betonung der Freiheit als des innersten Prinzips, aus dem die gesamte geistige
                                                                                                Welt – Recht und Staat, Geschichte, Kunst, Religion und Philosophie – hervorgeht,
                                                                                                erhöhte Aufmerksamkeit.

                                                                                                Das Projekt wird in dem 1958 vom Land Nordrhein-Westfalen gegründeten
                                                                                                Hegel-Archiv, inzwischen eine Einrichtung der Ruhr-Universität Bochum,
                                                                                                durchgeführt. Veröffentlicht sind bisher 23 Bände mit den Werken und hand­
                                                                                                schriftlichen Entwürfen Hegels sowie 3 Bände mit den Nachschriften zu
                                                                                                Hegels Berliner Vorlesungen.

                                                                                                 Auf einen Blick
                                                                                                 Beginn      1957
                                                                                                 Laufzeit    voraussichtlich bis 2015
                                                                                                 Ziel        Herausgabe sämtlicher Werke von Georg Wilhelm Friedrich Hegel

                  Großes Foto oben: Prof. Dr. Walter Jaeschke in der Bibliothek mit Schriften
                                                                                                 Leitung     Prof. Dr. Walter Jaeschke
                  Hegels umgeben. Foto oben: Zwei Nachschriften zu Hegels Vorlesungen.
                                                                                                 Standort    Ruhr-Universität Bochum
                  Foto links: Die Büste Hegels.

34                                                                                                                                                                                  35
ieht man von einer vor kurzem begonnenen Wiener Ausgabe des Frühwerks
                                                                                                      in Buchform ab, so sind die Werke des großen österreichischen Schriftstellers
                                                                                                 Arthur Schnitzler (1862–1931) bis heute nicht in einer wissenschaftlichen
                                                                                                 Edition greifbar – im Gegensatz zu Werken anderer Vertreter dieser Epoche
                                                                                                 wie Franz Kafka, Robert Musil, Thomas Mann, Alfred Döblin oder Hugo von
                                                                                                 Hofmannsthal. Das ist auch deshalb erstaunlich, weil dieses Werk von welt­
                                                                                                 litera­rischem Rang eine enorme Bandbreite aufweist und brennpunktartig eine
                                                                                                 Vielzahl von Strängen aus der zeitgenössischen Sozial-, Anthropologie-, Gender-,
                                                                                                 Denk- und Wissensgeschichte verknüpft.

     Arthur Schnitzler:                                                                          Unter Einbeziehung des riesigen, nach dem „Anschluss“ Österreichs seinerzeit in
                                                                                                 letzter Minute vor der Zerstörung durch die Nationalsozialisten nach Cambridge
     Digitale historisch-kritische Edition                                                       geretteten Nachlassmaterials wird das Forschungsvorhaben „Arthur Schnitzler:
                                                                                                 Digitale historisch-kritische Edition“ Einblicke in Arbeitsweise und produk­
                                                                                                 tions­ästhetische Prinzipien eines Autors erarbeiten, der die gesamte Epoche
                                                                                                 der Klassischen Moderne (ca. 1890–1930) von ihren Anfängen bis zu ihrem
                                                                                                 Ende literarisch äußerst vielgestaltig und mit hochgradiger Sensibilität für ihre
                                                                                                 Probleme und Widersprüche begleitet hat.

                                                                                                 In dem europäischen Projekt widmen sich den drei Werkphasen Schnitzlers
                                                                                                 die Projektstellen in Wien (1890-1904) und Cambridge (1905-1913) sowie in
                                                                                                 Wuppertal (1914-1931), wo das umfängliche Spätwerk bearbeitet wird. Es soll
                                                                                                 in Kooperation mit der Cambridge University Library, dem Deutschen Literatur­
                                                                                                 archiv Marbach und dem Schnitzler-Archiv in Freiburg sowie dem Kompetenz­
                                                                                                 zentrum für elektronische Texterschließung der Universität Trier realisiert werden.
                                                       Foto oben: Studie zur Porträtradierung    Dabei will das Projekt neueste technische Entwicklungen nutzen, um in exempla­
     Auf einen Blick                                   „Arthur Schnitzler“ von Ferdinand         rischer Weise eine innovative digitale historisch-kritische Ausgabe zu erstellen,
                                                       Schmutzer, um 1912.
     Beginn     2012                                   (Quelle: Deutsches Historisches Museum)   die im Rahmen eines von der Universitätsbibliothek in Cambridge beherbergten
                                                       Foto unten: Auszug aus dem Manu­skript    Arthur-Schnitzler-Online-Portals zur Verfügung gestellt wird.
     Laufzeit   voraussichtlich bis 2029               „Fräulein Else“, Cambridge University
                                                       Library, Mappe A 141,1.
     Ziel       Digitale Edition des Spätwerks         (Quelle: Cambridge University Library)    Zudem soll auch das umfangreich überlieferte Nachlassmaterial ediert werden.
                des österreichischen Schriftstellers                                             Neben den Vorarbeiten zu den publizierten Texten umfasst es zahlreiche un­ver­
                Arthur Schnitzler                                                                öffentlichte Werke, die in unterschiedlichem Vollendungsgrad vorliegen, von der
     Leitung    Prof. Dr. Wolfgang Lukas,                                                        ersten notierten Idee über Skizzen und Entwürfe bis zu ausformulierten Dramen
                Prof. Dr. Michael Scheffel                                                       und Erzähltexten, die Schnitzler nicht zur Veröffentlichung bestimmt hatte.

     Standort   Bergische Universität Wuppertal

36                                                                                                                                                                                     37
ie Forschung in den modernen Lebenswissenschaften hat in den vergan­genen
     Grundlagen, Normen und Kriterien                                  Jahrzehnten vielfältige neuartige Technologien und Verfahren hervorge­
     der ethischen Urteilsbildung in den                          bracht. Auch wenn der Nutzen vieler der so entstandenen neuen Hand­lungs­
                                                                  möglichkeiten unbestritten ist, so werfen sie doch oftmals erhebliche normative
     Biowissenschaften – Referenzzentrum                          Fragen auf. Diese betreffen sehr verschiedenartige Themenfelder wie etwa den
                                                                  Umgang mit Stammzellforschung, die Bedeutung von Patientenverfügungen
                                                                  bei Demenz­erkrankungen oder die Frage nach dem Wert von Biodiversität.

                                                                  Die Erschließung der für die qualifizierte Urteilsbildung relevanten Aspekte dieser
                                                                  Fragestellungen stellt eine eigene wissenschaftliche Herausforderung dar, die
                                                                  eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den normativen und den
                                                                  relevanten biomedizinischen Disziplinen verlangt.

                                                                  Das seit 1999 bestehende Forschungsvorhaben „Grundlagen, Normen und
                                                                  Kriterien der ethischen Urteilsbildung in den Biowissenschaften“ schafft diese
                                                                  Grundlagen für qualifizierte bioethische Debatten. Dazu zählen die Erarbeitung
                                                                  von relevanten interdisziplinären Informationen, die zu berücksichtigenden
                                                                  gesellschaftlichen Fragen und die maßgebenden Grundlagen einer fachgerechten
                                                                  Urteilsfindung für Diskussionen in der Bioethik.

                                                                  Das Projekt unterstützt damit zentrale wissenschaftliche, gesellschaftliche und
                                                                  politische Dialoge im deutschen, europäischen und internationalen Kontext.
                                                                  Ein Informations- und Dokumentationszentrum stellt mit umfangreichen Daten­
                                                                  sätzen die weltweit größte Quelle für bioethische Informationen aus den
                                                                  verschie­denen Bereichen der Lebenswissenschaften dar.
                       Auf einen Blick
                       Beginn     1999                            Die erarbeiteten Publi­kationen und Veranstaltungen sind somit nicht nur für
                                                                  Forscher, Journalisten und Politiker interessant, sondern auch gesamtgesell­
                       Laufzeit   voraussichtlich bis 2028
                                                                  schaftlich bedeutsam.
                       Ziel       Förderung und Vernetzung
                                  der in Wissenschaft, Gesell­-
                                  schaft und Politik geführten
                                  bio­ethischen Debatten
                       Leitung    Prof. Dr. Dieter Sturma
                       Standort   Rheinische Friedrich-           Foto oben: Der Leiter der For­schungs­stelle Prof. Dr. Dieter Sturma mit seinen Mitarbeitern
                                                                  Dr. Dirk Lanzerath, Alexandra Pitscheider und Dr. Bert Hein­richs in der Bibliothek des Instituts.
                                  Wilhelms-Universität Bonn       Foto unten: Prof. Dr. Dieter Sturma mit einer Auswahl bisheriger Veröffent­lich­ungen.

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ie werden Entscheidungen getroffen? Insbesondere politische und wirt­-
     Rationalität im Lichte der                        ­      schaft­liche Akteure müssen täglich hochkomplexe Entscheidungen
     experimentellen Wirtschaftsforschung              mit oft nicht absehbaren Konsequenzen treffen. Verschiedene Krisen zeigen
                                                       dies regelmäßig.

                                                       Klassische Theorien unterstellen Entscheidern dabei ein vollständig rationales
                                                       Verhalten. Das bedeutet, dass die Akteure vor der Beschlussfassung alle für sie
                                                       relevanten Auswirkungen ihres Handelns überblicken und die gemäß ihrer
                                                       Prä­fe­­renzen beste Option aus den verfügbaren Alternativen wählen.

                                                       Das Akademievorhaben „Rationalität im Lichte der experimentellen Wirt­schafts­­
                                                       forschung“ unter der Leitung des Wirtschaftsnobelpreisträgers Prof. Dr. Reinhard
                                                       Selten stellt diese Grundannahme infrage. Ziel des Projektes ist die Entwick­
                                                       lung einer neuen umfassenden ökonomischen Theorie menschlichen Verhal­
                                                       tens. Dabei gehen die Forscher von einer eingeschränkten Rationalität bei der
                                                       Entscheidungsfindung aus und widersprechen somit den vom Opti­mierungs­
                                                       gedanken geleiteten klassischen Annahmen. Eingeschränkt rationale Entschei­
                                                       dungen sind jedoch keineswegs irrational.

                                                       Eingeschränkte Rationalität basiert auf der Sichtweise, dass Entscheidungen
                                                       im Rahmen der tatsächlichen kognitiven Möglichkeiten der handelnden Akteure
                                                       getroffen werden. Der Entscheider muss auch äußere Faktoren, wie Komplexität
                                                       der Entscheidungsumwelt oder Zeitmangel, bei der Gestaltung einer geeigne­
                                                       ten Entscheidungsprozedur berücksichtigen. Die Entscheidungsprozeduren
                                                       sind dabei durchaus vernünftig und führen gewöhnlich, aber nicht immer, zu
                                                       guten Entscheidungen.
Auf einen Blick
Beginn     2006                                        Um die Theorie zu entwickeln und zu testen, werden Experimente an zahlreichen
                                                       Universitäten im In- und Ausland durchgeführt. Teilnehmer übernehmen mittels
Laufzeit   voraussichtlich bis 2015
                                                       einer speziell entwickelten Software die Leitung über virtuelle Unternehmen
Ziel       Entwicklung einer umfassenden               und können diese nach Belieben lenken. Die Forscher erlangen somit tiefere
           ökonomischen Theorie menschlichen           Einblicke in die menschliche Entscheidungsfindung.
           Verhaltens
Leitung    Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Reinhard Selten
Standort   Rheinische Friedrich-Wilhelms-
                                                       Foto oben: Forschungsanordnung mit Probanden während eines Experiments.
           Universität Bonn                            Foto unten: Prof. Dr. Reinhard Selten, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften.

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ie Diskrete Mathematik beschäftigt sich mit endlichen (oder abzählbar
     Diskrete Mathematik und Anwendungen                              unend­lichen) Strukturen. Sie hat sich besonders seit Mitte des 20. Jahr­-
                                                                 hun­derts, vor allem durch ihre Anwendungen, rasant entwickelt.

                                                                 Fragestellungen der Diskreten Mathematik treten insbesondere bei Optimie­
                                                                 rungsproblemen auf, bei denen die Zahl der Möglichkeiten zwar endlich,
                                                                 aber zu groß ist, um sie selbst mit schnellsten Computern zu enumerieren.
                                                                 An­wendungen finden sich unter anderem bei Transport- und Reihen­folge­
                                                                 pro­blemen (etwa in Logistik oder Produktionsplanung), bei Wegeplanung,
                                                                 Netz­werk­optimierung und Standortproblemen (vor allem in Verkehrs- und
                                                                 Telekommunikationsnetzwerken), aber auch etwa in den Ingenieurwissen­
                                                                 schaften, der Physik, Chemie, Genetik, Linguistik und sogar in der Archäologie.

                                                                 Ein besonders spannendes Anwendungsgebiet der Diskreten Mathematik ist
                                                                 das Design höchstintegrierter mikroelektronischer Schaltungen (VLSI-Chips).
                                                                 Es ist heute ohne Diskrete Mathematik nicht mehr vorstellbar, stellt sie aber
                                                                 auch vor große – und aufgrund immer weiterer technologischer Fortschritte –
                                                                 ständig neue Herausforderungen.

                                                                 In den letzten Jahren sind jedoch – gerade auch im Rahmen dieses Akademie­
                                                                 projekts – wesentliche theoretische Ergebnisse erzielt worden, die bereits zu
                                                                 vielen besseren (schnelleren, billigeren, stromsparenderen) Chips geführt haben.
                                                                 Dies gelang durch eine enge Wechselwirkung zwischen theoretischer Forschung,
                                                                 der Entwicklung von Algorithmen und Software und deren Anwen­dung beim
                                                                 Chip-Design. Dabei konzentriert sich das Akademievorhaben auf grundlegende
                                                                 Fragestellungen, die auch noch in vielen Jahren und – wegen ihrer allgemeinen
                                                                 Natur – in ganz anderen, teilweise unvorhergesehenen Anwendungsbereichen
     Auf einen Blick                                             eine wesentliche Rolle spielen.
     Beginn     1996
     Laufzeit   bis Ende 2012
     Ziel       Erforschung grundlegender Fragestellungen der
                diskreten Mathematik
     Leitung    Prof. Dr. Jens Vygen
     Standort   Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn   Foto: Ein aktueller mit BonnTool optimierter Chip.

42                                                                                                                                                  43
as Akademievorhaben „Erforschung von jungen Sternen und Quasaren“
                                                                                                                      erforscht eine bisher vernachlässigte Dimension in der Astrophysik:
                                                                                                                 die der „Zeit“.

                                                                                                                 Bisher ist bekannt, dass entstehende Sterne und Quasare von Scheiben umgeben
                                                                                                                 sind, aus denen Materie auf das Zentralobjekt fließt. Immer wenn größere
                                                                                                                 Mengen Gas auftreffen, wird das Objekt heller. Über die genauen Prozesse und
                                                                                                                 zeitlichen Variationen weiß man allerdings noch sehr wenig. Zur systematischen
                                                                                                                 Untersuchung von Variabilitätsphänomenen müssen die Astronomen lange und
                                                                                                                 unun­ter­brochen messen. An den großen, internationalen Teleskopen bekommen
                                                                                                                 sie jedoch nur wenige Stunden Messzeit pro Jahr.

                                                                                                                 Mit der Forschungsförderung durch das Akademienprogramm konnte ein
                                                                                                                 eige­nes Observatorium auf dem weltweit klimatisch günstigsten Standort,
     Erforschung von jungen Sternen und Quasaren                                                                 dem Cerro Amazones in der Atacamawüste (Chile) eingerichtet werden. Mit Hilfe
                                                                                                                 des einzigartigen Hexapod-Teleskops sowie kleinerer Hilfsteleskope werden
                                                                                                                 nun über einen längeren Zeitraum hinweg physikalische Prozesse, die der
                                                                                                                 Entste­hung von Sternen und schwarzen Löchern (Quasaren) zugrunde liegen,
                                                                                                                 kontinuierlich beobachtet.

                                                                                                                 Die bisher vorliegenden Erkenntnisse zeigen schon jetzt: Das für den Menschen
                                                                                                                 so starr und unveränderlich erscheinende Universum ist voller variabler Objekte.
                                                                                                                 Der bisherige statische Blick auf viele Phänomene, etwa bei der Sternentstehung
                                                                                                                 oder bei der Untersuchung Schwarzer Löcher, ist unangemessen und muss in
                                                                                                                 Zukunft durch die Dimension der Zeit erweitert werden.

                                                                                                                  Auf einen Blick
                                                                                                                  Beginn      2003
                                                                                                                  Laufzeit    bis Ende 2015
                                                                                                                  Ziel        Erforschung physikalischer Prozesse bei der Entstehung
                                                                                                                              von Sternen und in Quasaren
                                                                                                                  Leitung     Prof. Dr. Rolf Chini
     Foto oben links: Das in der Nacht arbeitende Hexapod-Teleskop. Foto oben rechts: Mit dem VYSOS 6-Teleskop
                                                                                                                  Standort    Ruhr-Universität Bochum / Atacama-Wüste, Chile
     aufgenommener Pferdekopfnebel. Foto unten: Das Observatorium inmitten der Atacama-Wüste im Norden Chiles.

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Großräumige Klimaveränderungen                                                                 m Mittelpunkt der Forschung der Arbeitsstelle stehen die Erfassung und das
                                                                                                     Verständnis der Mechanismen im Klimasystem der Erde, seiner Reaktions­
     und ihre Bedeutung für die Umwelt                                                            weisen auf externe Antriebe wie zunehmende Treibhausgase, Solarvariabilität,
                                                                                                  Vulkaneruptionen und die Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und
                                                                                                  Umwelt. Die Diagnose und Prognose der vielfältigen Wechselwirkungen im
                                                                                                  Klimasystem umfasst unterschiedliche Raum- und Zeitskalen und basiert auf
                                                                                                  verschiedenen Datenquellen.

                                                                                                  Sind extreme Wetterereignisse bereits häufiger und intensiver geworden? Werden
                                                                                                  extreme Wetterereignisse wie schwere Gewitter mit starken Niederschlägen
                                                                                                  und nachfolgenden Überschwemmungen sowie Hitzewellen und Dürreperioden
                                                                                                  in der Zukunft zunehmen? Das sind Fragen von hohem gesell­schaftlichem und
                                                                                                  politischem Interesse, deren Beantwortung seit etwa zwei Jahrzehnten eine
                                                                                                  Her­aus­forderung an die Klimaforschung darstellt. Eine Ant­wort auf die erste
                                                                                                  Frage ist besonders schwierig, da hierzu eine zuverlässige Datenbasis mit langen
                                                                                                  Beobachtungsreihen notwendig ist, die nur in einem begrenzten Umfang in
                                                                                                  digitaler Form verfügbar ist.

                                                                                                  Das Akademievorhaben konzentriert sich auf die Beantwortung dieser Frage mit
                                                                                                  dem Fokus Europa, insbesondere Deutschland. Dabei stellt die Schaffung einer
                                                                                                  zuverlässigen, digitalen Datenbasis den ersten Schritt dar. Das Akademie­vor­haben
                                                                                                  hat Ende 2004 eine nationale Initiative zur „Rettung“ historischer Wetter­auf­
                                                                                                  zeichnungen unter der Schirmherrschaft des Deutschen Wetterdiens­tes (DWD)
                                                                                                  gegründet. Im Rahmen dieser Initiative werden schriftliche Aufzeich­nungen von
                                                                                                  Niederschlag und Wetterverlauf (Gewitter, Hagel usw.) aus den alten Bundes­
                                                     Auf einen Blick                              ländern digital erschlossen, während der DWD die Digitalisierung der Daten vor
                                                                                                  allem aus den neuen Bundesländern bestreitet. Bislang wurden tägliche Nieder­
                                                     Beginn     1982                              schlagsbeobachtungen von 173 Stationen digital erfasst, die nahezu lückenlos
                                                     Laufzeit   bis Ende 2013                     bis an den Anfang der Aufzeichnungen in die 1880er Jahre zurückreichen.

                                                     Ziel       Neu-Erschließung historischer     Die Analyse dieser historischen Daten, die trotz nationaler und internationaler
                                                                Klimadaten, Klimafolgeanalysen,   Bemühungen immer noch nicht ausreichen, soll zu einem präziseren Verständnis
                                                                regionale Klimamodellierungen     der natürlichen Schwankungsbreite des von Menschen noch wenig beein­­flussten
                                                     Leitung    Prof. Dr. Clemens Simmer          Klimas beitragen. Dies erlaubt eine genauere Abschätzung gegenwärtiger und
 Großes Foto: Prof. Dr. Clemens Simmer inmitten                                                   zukünftiger Klimaänderungen. Das Akademievorhaben leistet damit Grund­
                historischer Wetteraufzeichnungen.   Standort   Rheinische Friedrich-Wilhelms-
  Kleines Foto: Die Mitarbeiterin der Forschungs­                                                 lagenforschung zur aktuellen Klimaüberwachung (Klimamonitoring) und zu
                                                                Universität Bonn
stelle Dr. Alice Kapala prüft Daten auf Mikrofilm.                                                regionalen Klimamodellen.

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