Novellierte Verordnungen für die Klärschlammverwertung

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Novellierte Verordnungen für die Klärschlammverwertung
Rahmenbedingungen
                                         Politische Ambitionen versus betrieblicher Herausforderungen

     Novellierte Verordnungen für die Klärschlammverwertung
     – Politische Ambitionen versus betrieblicher Herausforderungen –
                                                  Christian Kabbe

1.          Entsorgungsrouten und Entsorgungssicherheit.........................................18

2.          Welche Kosten und wer bezahlt?.................................................................25

3.          Zusammenfassung.........................................................................................28

4.          Literatur...........................................................................................................30

Angesichts des Inkrafttretens der novellierten Düngeverordnung, als auch der neuen
Klärschlammverordnung kann das Jahr 2017 als Startschuss der Klärschlammverwer-
tungswende betrachtet werden. Während die neue Düngeverordnung die traditionelle
stoffliche Klärschlammverwertung in der Landwirtschaft akut beeinflusst, regional sogar
Entsorgungsnotstände auslöste, stellt die neue Klärschlammverordnung (AbfKlärV)
die Weichen für einen mittelfristigen Wechsel von einer traditionellen Entsorgung hin
zu gezielter Wertstoffrückgewinnung, allerdings nur bedingt zu einer Kreislaufführung
für den Nährstoff Phosphor. Bereits heute zeichnet sich eine kurzfristige Abnahme der
Verwertungsdiversität für Klärschlamm ab.
Gerade in Regionen mit hoher Viehdichte und entsprechend hohem Anfall an Wirt-
schaftsdüngern ist ein kurzfristiges Ende der landwirtschaftlichen Klärschlammver-
wertung zu erwarten. Was gemäß AbfKlärV für Kläranlagen größer 50.000 Einwoh-
nerwerte (EW) gesetzliche Gewissheit ist, wird sich auch für viele kleinere Anlagen
als Herausforderung darstellen. Die Klärschlammausbringung in der Landwirtschaft
wird in Deutschland in Zukunft nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Unter
dem Gesichtspunkt Entsorgungssicherheit wird die thermische Vorbehandlung in
einer Klärschlammmonoverbrennung durch die neue Verordnung favorisiert. Wer
heute in Klärschlammverwertungs- bzw. Entsorgungsinfrastrukturen investieren muss
oder möchte, kommt an dieser Option kaum vorbei. Einzig Klärschlammerzeuger in
der Nähe von langfristig zuverlässigen Mitverbrennungskapazitäten, sofern es diese
überhaupt gibt, werden noch die Wahl haben, ihren zuvor um Phosphor abgereicherten
Klärschlamm in Müllheizkraft- oder Zementwerken zu entsorgen. Die Mitverbrennung
in Kohlekraftwerken ist angesichts des politisch erklärten Kohleausstiegs bei der Ener-
gieversorgung als nicht langfristig entsorgungssicher anzusehen. Ferner ist nicht davon
auszugehen, dass es zu deutlichen Kapazitätserhöhungen in der Mitverbrennungsroute
kommen wird. Nahezu sämtliche neuen thermischen Vorbehandlungskapazitäten für
Klärschlamm werden in der Monoverbrennung zu finden sein.
Bei der exklusiven thermischen Vorbehandlung werden keinerlei Qualitätsanforde-
rungen an den Klärschlamm gestellt, die ggf. in den kommenden Jahren nachjus-
tiert werden könnten bzw. zu Einschränkungen führen. Insbesondere der § 3a der

                                                                                                                              17
Novellierte Verordnungen für die Klärschlammverwertung
Rahmenbedingungen
                      Christian Kabbe

                    AbfKlärV steht in der Kritik. Der Bezug des Phosphors auf den Trockenrückstand
                    (TR oder auch Trockensubstanz, TS) ist leider eine schwer nachzuvollziehende und
                    vor allem zu vollziehende Maßgabe, da es sich dabei um eine Gehalts- bzw. Konzen-
                    trationsangabe handelt, die durch mehrere Faktoren beeinflussbar ist, nicht jedoch
                    ausschließlich durch den enthaltenen Phosphor in einer heterogenen Matrix wie
                    Klärschlamm. Besser und praktikabel für den Vollzug wäre der Bezug des Phosphors
                    zur Mineralik, also auf den Glührückstand. Vorstellbar und sinnvoll wäre dann ein
                    Schwellenwert von 60 g P/kg TR. Damit wären zwei Aspekte sichergestellt worden,
                    nämlich die Aschequalität mit einem Mindestgehalt von etwa 6 % P, sowie der Einsatz
                    von Kombinationsverfahren auf Kläranlagen, die sowohl Energieeffizienz, als auch
                    P-Rückgewinnungseffizienz miteinander vereinbaren. Der Paragraph, wie er heute steht,
                    bestraft de facto Kombinationsverfahren auf Kläranlagen, die einen besseren Abbau
                    der Biomasse des Klärschlamms ermöglichen und gleichzeitig mehr P rücklösen. Da
                    jedoch der Biomasseabbau (oTR) im Verhältnis zur P-Freisetzung höher sein kann,
                    reduziert sich der TR des Klärschlamms stärker als der P-Gehalt.
                    Ein Unterschreiten des 20 g P/kg TR Schwellenwertes ist so quasi unmöglich, obwohl
                    substantielle Mengen des P zurückgewonnen werden. Alternativ dazu käme auch ein
                    reiner Frachtenbezug für Phosphor pro Kläranlage in Frage. Sowohl Zulauf- als auch
                    Ablaufwerte sind Überwachungsparameter. Diese wären quasi nur um den Parameter
                    zurückgewonnene und separierte P-Fracht zu ergänzen, was den Vollzug womöglich
                    deutlich vereinfachen würde. Allerdings wären dabei noch die P-Frachten, die bei-
                    spielsweise über Mitbehandlung externer Klärschlämme zugeführt werden, in die
                    Bilanz einzubeziehen. Noch einfacher und wahrscheinlich deutlich praktikabler wäre
                    nicht der anlagenscharfe Vollzug, sondern jener pro Abwasserentsorger bzw. Verband
                    mit einem klaren Frachtenbezug. Das würde die Regionalität der P-Rückgewinnung
                    erhöhen und gleichzeitig die Umsetzung derart flexibilisieren, dass an den sinnvollsten
                    Stellen (Kläranlagen) mit der Rückgewinnung begonnen wird, erwartungsgemäß bei
                    den größten Anlagen des jeweiligen Betreibers. Dann könnten auch die P-Mengen als
                    Gutschriften mitgezählt werden, die bereits heute ökonomisch und ressourceneffizient
                    zurückgewonnen werden. Ferner ließe sich das Verfahren an sich dann auch verein-
                    fachen, indem man nur noch einen gültigen Mindestrückgewinnungswert bräuchte,
                    der dann natürlich über 50 % liegen sollte und keinen Unterschied macht, ob die
                    Rückgewinnung auf oder nach den Kläranlagen stattfindet.
                    Aber all diese Feinheiten treten in den Hintergrund der Überlegungen, wenn die
                    höchste Priorität von Klärschlammerzeugern die Entsorgungssicherheit ist. Neben
                    dem Aspekt langfristiger Legalität spielen dabei auch technische Zuverlässigkeit und
                    natürlich Kosten eine tragende Rolle.

                    1. Entsorgungsrouten und Entsorgungssicherheit
                    Viele Klärschlammerzeuger stehen nun vor der Entscheidung, welche Entsorgungsroute
                    für sie geeignet ist, in welche Richtung unter Umständen investiert werden sollte, ob
                    Phosphor auf den eigenen Kläranlagen oder doch nachgeschaltet zurückgewonnen
                    werden kann, soll oder muss.

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Rahmenbedingungen
                                                  Politische Ambitionen versus betrieblicher Herausforderungen

Bild 1 bezieht sich zwar maßgeblich auf die unmittelbar von den Restriktionen der
novellierten Klärschlammverordnung betroffenen Kläranlagen größer 50.000 EW,
jedoch werden die Kernaussagen auch auf andere Größenklassen übertragbar sein.
Bild 2 vermittelt einen Eindruck, welche Verfahrensansätze derzeit prominent sind
und welchen Reifegrad diese erreicht haben.

                Sandfang      Vorklärung                     Belebung               Nachklärung
   Zulauf                                                                                                Ablauf

                                                          Überschussschlamm                                                Verboten!
                                           ÜS- Vorbehandlung /                                    Landwirtschaft           bzw. nicht
                                           P-Mobilisierung                                                                 verfügbar

                        Eindickung                    Zentrat
                                            2c                             2b

                                                    Biogas

                                                                                                                                              nung
                                                                                                                               Monoverbren
                                                                                                                                   Hauptroute
                                                                Entwässerung                                                              itie rung
                    Limitiert!                         2a                                                             3         keine Lim
                               bzw.                                                                                                 beim KS
               (Verfügbarkeit n)          Faulung
                               ge
                P-Anforderun                                                                           Verbrennung

                                         integriert auf KA                                            nach der KA
                                           anlagenscharf                                           Cluster (skalierbar)
                                  eher dezentral, nicht skalierbar                                  eher zentralisiert

Bild 1:          Sogenannte Hot-Spots für Phosphorrückgewinnung mit Bezug zur Entsorgungssicherheit
                 für Klärschlamm

      Wo?                       Rücklösungsmodule                                                 Rückgewinnungsmodule

                                         ohne forcierte
                                          Rücklösung                                                Kristallisation       AirPrex     Rephosmaster
                                                                                                          im               Struvit       Struvit
                                                                Wasstrip         Multiwas             Schlamm             EloPhos       STRUVEX
                                  Polyphosphatrücklösung                                                                   Struvit       Struvit
                                      vor der Faulung           Acidogen         Phosforce

                                                                                             +
            integriert auf
                                                                                  CalPrex
            der Kläranlage
                                     thermische Hydrolysen                                                                 Pearl        Phosnix
                                                                Lysotherm          TDH              Kristallisation        Struvit      Struvit
                                                                                                         bzw.
                                                                 Pondus                              Adsorption           NuReSys       AD-HAP
                                                                                                                           Struvit        HAP
                                                                                                      aus dem
                                      chemische Rücklösung       Stuttgart   EXTRAPHOS                 Zentrat         STRUVIA          CalPrex
                                                                                                                      Struvit/DCP        DCP

                                Vorbehandlung                   P -Rückgewinnung & Recycling
                                                                                            DÜM -Hersteller            Ash2Phos & CleanMAP
                                                                                          SSP/TSP/NP/NPK/PK               DCP, MAP, SSP
                                                                  nasschemisch           Glatt SERAPLANT NPK           EcoPhos und TetraPhos
                                                                                                                           techn. H3PO4
                                                                                          METAWATER HAP                     Solventextraktion
                                       Monoverbrennung                                                                        techn. H3PO4
                                                                                          AshDec EuPhoRe
                                                                                       mineralische Phosphate             Thermphos     P4

            nachgeschaltet                                          thermisch                                                   Mephrec
                                                                                      RecoPhos(InduCarb) P4               Schlacke, Filterstaub
                                  thermische Alternativen
                                    (Pyrolyse, Vergasung,                                         EcoRin                        KUBOTA
                                          Schmelze)                                          P-reiche Schlacke              P-reiche Schlacke

                                        Direktverwertung                                      Landwirtschaft                 Landschaftsbau

                                                                    Full-scale            Demo/Pilot

Bild 2:          Einordnung gängiger Verfahrensoptionen zur P-Rückgewinnung/Recycling sowohl auf
                 Kläranlagen, als auch nachgeschaltet mit Beispielen

                                                                                                                                                      19
Rahmenbedingungen
                      Christian Kabbe

                    Landwirtschaft?
                    Neben der Anlagengröße und der Klärschlammqualität kommt hier vor allem die
                    Flächenverfügbarkeit zum Tragen. Diese wurde 2017 mit Inkrafttreten der neuen
                    Düngeverordnung, der nationalen Implementierung der europäischen Nitratrichtlinie
                    deutlich reduziert. Die schärfere Begrenzung der auf landwirtschaftliche Flächen aus-
                    bringbaren Nährstofffrachten und der erlaubten Zeiträume verschärfte dramatisch die
                    Konkurrenz zwischen landwirtschaftlichen Reststoffen wie Wirtschaftsdüngern, Gär-
                    resten und Siedlungsabfällen wie Klärschlamm. Es liegt auf der Hand, dass Landwirte
                    der Entsorgung ihrer eigenen Reststoffe den Vorrang geben, bevor externe Reststoffe
                    angenommen werden. Davon besonders betroffen sind Regionen mit hoher Viehdichte
                    und entsprechenden regionalen Gülleüberschüssen.
                    Aus diesem Grund ist die Verwertung von Klärschlamm in der Landwirtschaft schon
                    heute nicht mehr als gesichert anzusehen, also die langfristige Entsorgungssicherheit
                    längst nicht mehr gegeben. Das betrifft nicht nur die Kläranlagen größer 50.000 EW,
                    sondern bereits heute schon viele kleinere Anlagen. Besonders prekär ist die Lage in
                    Regionen, wo die Klärschlammverwertung in der Landwirtschaft bislang den größ-
                    ten Anteil ausmachte. Bei gleichzeitigem Mangel an alternativen Kapazitäten in der
                    thermischen Vorbehandlung, egal ob Mono- oder Mitverbrennung wurden ab Herbst
                    2017 regionale Entsorgungsnotstände wie zum Beispiel im Nord-Westen der Republik
                    provoziert und Kostenexplosionen unabhängig von der Entsorgungsroute generiert. Das
                    Ende dieser Situation und der steigenden Preisspirale ist auch noch nicht erreicht und
                    wird sich auch erst dann auf deutlich höherem Niveau stabilisieren, wenn Alternativ-
                    entsorgungskapazitäten tatsächlich nutzbar werden. Dies ist jedoch nicht vor 2022/23
                    in Anfängen zu erwarten und wird erst Ende des kommenden Jahrzehnts in einen dann
                    herrschenden Normalzustand übergehen. Die akuten Entsorgungsengpässe können
                    kurzfristig nur durch Zwischenlagerung kompensiert werden, was wiederum dazu
                    führt, dass sich bis 2022/2023 und darüber hinaus langsamer wachsend ein virtueller
                    Klärschlammberg auftürmt, den es dann in Zukunft sukzessive abzubauen gilt. Dieser
                    Abbau wird mindestens ein Jahrzehnt dauern, da Neukapazitäten v.a. in der thermischen
                    Verwertungsroute mit Sicherheit nur für den laufenden Klärschlammanfall mit kleiner
                    Redundanz konzipiert werden, jedoch nicht für Altlasten. Auch ist nicht mit übermä-
                    ßigen Redundanzen bei den Verbrennungskapazitäten zu rechnen, da mit steigender
                    Redundanz auch das betriebswirtschaftliche Risiko für den jeweiligen Betreiber der
                    Anlage steigt bzw. wie im Falle interkommunaler Kooperationen Limitierungen für
                    externe Schlämme (max. 20 %) greifen.
                    Betreiben Klärschlammerzeuger mehrere Kläranlagen unterschiedlicher Ausbaugrößen,
                    also auch mit unterschiedlichen Anforderungen bzw. Restriktionen hinsichtlich der
                    Klärschlammverwertung bzw. – entsorgung, böte sich theoretisch eine Diversität von
                    Entsorgungsrouten an. Jedoch ist nicht davon auszugehen, dass eine solche Diversität
                    mit ihrer einhergehenden Komplexität freiwillig umgesetzt wird. Vielmehr wird es
                    darauf hinauslaufen, für die gesamte Klärschlammmenge eine legale und verlässliche
                    Route zu etablieren, die den geringsten Entsorgungsaufwand hinsichtlich Personal,
                    Stoffstrommanagement und Kosten bedeutet. D.h. auch wenn für einige Kläranlagen
                    eines Zweckverbandes die Landwirtschaft tatsächlich noch erlaubt bleibt, etwas

                    20
Rahmenbedingungen
                               Politische Ambitionen versus betrieblicher Herausforderungen

Schlamm sogar in die Mitverbrennung kann, doch ein substantieller Teil in die Mono-
verbrennung muss, dass letzten Endes der gesamte anfallende Klärschlamm in die
Monoverbrennungsroute eingespeist wird. Dies wird vor allem dann geschehen, wenn
Klärschlammerzeuger gleichzeitig auch Betreiber von Monoverbrennungsanlagen sind
bzw. sein werden. Investitionen werden in die langfristig sicherste und einfachste Route
fließen. Wer beispielsweise als Klärschlammerzeuger in die Monoverbrennungsroute
investiert, wird dies für die gesamte Schlammmenge tun, nicht nur für einen Teilstrom.

                                                                     Mitverbrennung?
Die Hauptfrage bzgl. der Mitverbrennung ist die lokale oder regionale Verfügbarkeit.
Bereits heute sind die vorhandenen Kapazitäten überbucht, d.h. wer nur Teilmengen in
die Mitverbrennung geben kann bzw. darf, muss daneben noch investieren oder hoffen,
dass bei Ausschreibungen zur Entsorgung mehr als ein Gebot abgegeben wird. Unter
den Mitverbrennungsrouten macht die Kohlekraftwerksroute den größten Teil aus,
gefolgt von Zementwerken und dann Müllverbrennungsanlagen. Wird der Kohle-
ausstieg umgesetzt, bricht die Hauptroute der Mitverbrennung weg. Zwar gibt es
in Deutschland genügend Zementwerke, die rein theoretisch auch noch deutlich
mehr Klärschlamm durchsetzen könnten, doch blieben etwaige Signale seitens der
Zementindustrie, noch mehr Klärschlamm zu verwerten eher verhalten, was wohl auch
daran liegt, dass seitens der Zementwerksbetreiber Investitionen nötig wären. Müllver-
brennungsanlagen haben bekanntermaßen zwar Überkapazitäten was den Restmüll
aus Deutschland angeht, machen jedoch selbst bei Verdopplung der durchgesetzten
Klärschlammmengen nur einen Bruchteil des Klärschlammentsorgungsspektrums aus.
Neben der Kapazitätsfrage hinsichtlich der thermischen Verwertung phosphorarmer
bzw. abgereicherter Klärschlämme stellt sich ferner die Frage, ob und welche Maß-
nahmen bzw. Verfahren geeignet sind, auf Kläranlagen die Vorgaben hinsichtlich der
Abreicherung auf unter 2 % P im TR bzw. um mindestens 50 % zu gewährleisten.
Bislang selbst weltweit etablierte Verfahren (siehe Tabelle 1) wurden nicht primär
installiert, um Phosphor aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen, sondern um
Betriebsprobleme zu beheben bzw. operative Verbesserungen der Schlammbehandlung
bzw. der Kläranlagenperformance hinsichtlich Ablaufqualität zu bewirken. Die Phos-
phorrückgewinnung war bis dato nur ein nice to have Nebeneffekt. Nachfolgend sind
einige Faktoren aufgeführt, die bislang den Ausschlag für die Installation von derlei
Verfahren auf Kläranlagen gaben und noch geben. Dabei handelt es sich ausschließlich
um operative Notwendigkeiten bzw. Vorzüglichkeiten, die allesamt zur Verringerung
von Betriebskosten führen.
• Vermeidung ungewollter Inkrustrationen,
• Erhöhung der Schlammentwässerbarkeit,
• Reduktion des Flockungshilfsmittelverbrauchs,
• Reduktion von Schlammvolumen zur Entsorgung,
• Reduktion der Nährstoffrückbelastung,
• bessere Auslastung von Faulbehältern und
• höhere Biogasausbeuten (in Kombination mit Desintegrationsmodulen).

                                                                                          21
Rahmenbedingungen
                      Christian Kabbe

                    Tabelle 1:     Globale Umsetzung der Phosphorrückgewinnung aus dem Abwasserpfad [1, 2, 3, 4, 5]
                    Prozess                 Ort und Betreiber                                    seit       P-Rezyklat
                    integriert auf Abwasserbehandlungsanlagen
                                              Senboku Blackwater TP (JP), Senboku City           2007
                                              Totsugawa Village (JP)                             2008
                    AD-HAP                    Seihokugo Environment Improvement Assoc. (JP)      2009
                                                                                                               HAP
                    (seit 2014 Hitachi Zosen) Kushimoto Town (JP)                                2011
                                              Shimanto Town (JP)                                 2011
                                              Kofu Town (JP)                                     2015
                                            MG-Neuwerk (DE), Niersverband                        2009
                                            Wassmannsdorf (DE), Berliner Wasserbetriebe          2010
                                            Echten (NL), Drents Overijsselse Delta               2013
                                            Amsterdam-West (NL), Waternet                        2014
                                            Salzgitter Nord (DE), ASG                            2015
                    AirPrex                 Uelzen (DE), SE Uelzen                               2017         Struvit
                                            Wolfsburg (DE), SE Wolfsburg                         2017
                                            Tianjin (CN), Tianjin CEPG                           2016
                                            Liverpool, OH (USA), Medina County                   2018
                                            Little Patuxent WRP, MD (USA), Howard County         2018
                                            Denver, CO (USA), Denver Metro                       2019
                                            Ft. Collins, CO (USA)                                2020
                                            Well (NL), EcoFuels, (biomass digestion)             2005
                                            Odiliapeel (NL), Peka Kroef (potatoe)                2006
                                            Kruiningen (NL), Lamb Weston Meijer (potatoe)        2003
                                            Bergen op Zoom (NL), Lamb Weston Meijer             2007/16
                    ANPHOS
                                            Budrio (IT), Pizzoli (potatoe)                       2010         Struvit
                    (Colsen)
                                            Haps (NL), Waterschap Aa en Maas                     2011
                                            Oosterbierum (NL), Lamb Weston Meijer                2016
                                            Den Bosch (NL), Waterschap Aa en Maas                2018
                                            Asturias (ES), Longas                                2018
                                            Tiel (NL), Waterschap Rivierenland                   2019
                    Crystalactor            Nanjing (CN), Royal Haskoning DHV                    2010         Struvit
                    EloPhos                 Lingen (DE), SE Lingen                               2016         Struvit
                    ePhos                   Sylt (DE)                                            2019         Struvit
                    EXTRAPHOS
                                            Itzehoe (DE), Kommunalservice Itzehoe             2018 (Demo)      DCP
                    (Budenheim)
                    Gifhorn                 Gifhorn (DE), ASG                                    2007       Struvite/CaP
                    J-Oil                   Yokohama (JP), J-Oil Mills Co.		                                   HAP
                    JSA                      Kawasaki (JP), Japan Synthetic Alcohol Co.          1998          HAP
                    KURITA                   Fukuoka North, South and Wasui (JP), Fuk. City      1997         Struvit
                    Kyowa Hakko              Hofu (JP), Kyowa Hakko Bio Corp.                    2006          HAP
                                             Yakima, WA (USA)                                     n.i.
                                             Boise, ID (USA)                                      n.i.        Struvit
                    Multiform
                                             Massey, MD (USA), Jones Family Farms (dairy)         n.i.
                                             Green Bay, WI (USA)                                  n.i.
                    NASKEO                   Castres (FR)                                        2015         Struvit
                                             Harelbeke (BE), Agristo                             2008
                                             2x Niewkuerke (BE), Clarebout Potatoes             2009/12
                                             Waasten (BE), Clarebout Potatoes                    2012
                                             Geel (BE), Genzyme                                  2013
                    NuReSys                  Leuven (BE), Aquafin                                2014         Struvit
                                             Schiphol Airport (NL), Evides                       2015
                                             Land van Cuijk (NL), Logisticon                     2016
                                             Apeldoorn (NL), Vallei & Veluwe                    2018/19
                                             Braunschweig Steinhof (DE), SE|BS / AVB             2014

                    22
Rahmenbedingungen
                                       Politische Ambitionen versus betrieblicher Herausforderungen

Tabelle 1:   Globale Umsetzung der Phosphorrückgewinnung aus dem Abwasserpfad [1, 2, 3, 4, 5]
             (Fortsetzung)

Prozess                  Ort und Betreiber                                    seit         P-Rezyklat
integriert auf Abwasserbehandlungsanlagen
NutriTec                                                                     2010
               Zutphen (NL), SaniPhos® GMB                                               Struvit und DAS
(Sustec, DMT)		                                                            now offline
                         Tigard, OR (USA) Clean Water Services                2009
                         Suffolk, VA (USA) Hampton Roads Sanit. District      2010
                         York, PA (USA), City of York                         2010
                         Hillsboro, OR (USA) Clean Water Services             2012
                         Slough (UK), Thames Water                            2012
                         Saskatoon, SK (CDN) City of Saskatoon                2013
                         Madison, WI (USA) Madison Metro. Sew. Distr.         2014
PEARL                    Burford, GA (USA) Gwinnett County                    2015           Struvit
(OSTARA)                 Amersfoort (NL) Vallei & Veluwe                      2015       (Crystal Green)
                         Edmonton, AB (CDN) EPCOR Water Services              2015
                         Stickney, IL (USA) Metro. Water Recl. Chicago        2016
                         Reno, NV (USA) Cities of Reno and Sparks             2016
                         Madrid (ES) Canal de Isabel II                       2016
                         Winchester, VA (USA) F. Winchester Service A.        2016
                         St. Cloud, MN (USA) City of St. Cloud                2018
                         Jarocin (PL) City of Jarocin                         2018
                         Atlanta, GA (USA) City of Atlanta                    2019
                         Tel Aviv (IL), Mey Ezor Dan                          2020
PHORWater                Calahorra (ES), El Cidacos                        2015 (demo)       Struvit
			Struvit
PhosForce (Veolia) Schönebeck (DE), OEWA Wasser & Abw. GmbH 2019 or Brushit
			(DCP)
                         7 plants installed in Japan between 1989 and         1989
                         2011 with capacities between 80-500 m3/d             1992
                         --                                                   1995
PHOSNIX                  Lake Shinji-East (JP), Matsue City (1998)            1998
                                                                                             Struvit
(Hitachi Zosen)          --                                                   2000
                         --                                                   2009
                         --                                                   2011
                         Kinan Environment Improvement Association (JP)       2014
                         Olburgen (NL), Waterstromen (municipal & food)       2006
                         Lomm (NL), Waterstromen (food)                       2007
                         China (brewery)                                      2011
                         Poland (bio-ethanol)                                 2011
                         Nottingham (UK), Severn Trent Water                  2012
PHOSPAQ                                                                                      Struvit
                         USA (confidential)                                   2013
                         Germany food processing                              2014
                         China (food processing)                              2015
                         China (ethanol)                                      2016
                         Tilburg (NL), Waterchap de Dommel                    2016
                         UK (municipal)                                       2017
PhosphoGREEN             Aaby (DK), Aarhus Water                              2013
(SUEZ)                   Herning (DK), Herning Water                          2016
                         Marselisborg (DK), Aarhus Water                      2018           Struvit
                         Villiers Saint Frederic (FR), SIARNC                 2019
                         Sausheim (FR), Mulhouse                              2019
REPHOS
                         Altentreptow (DE), Remondis Aqua (dairy)             2006           Struvit
(delivered by NuReSys)
Rintoru                  Mobile unit applying A-CSH for P recovery             --         CaP auf CSH
STRUVIA                  Helsingør Southcoast (DK), Forsyning Helsingør       2015           Struvit

                                                                                                        23
Rahmenbedingungen
                      Christian Kabbe

                    Tabelle 1:   Globale Umsetzung der Phosphorrückgewinnung aus dem Abwasserpfad [1, 2, 3, 4, 5]
                                 (Fortsetzung)
                    Prozess               Ort und Betreiber                               seit         P-Rezyklat
                    integriert auf Abwasserbehandlungsanlagen
                                          Offenburg (DE), AZV                         2011 (Demo)     Struvit (nach
                    Stuttgart
                                          MSE Mobile Schlammentwässerungs GmbH        2015 (mobil)   Säureauf schluss)
                    Swing                 Higashi-Nada, Kobe (JP), Swing Corp.           2012             Struvit
                    Kläranlagen nachgeschaltet bzw. Ascheroute
                                          Kopenhagen (DK), Biofos/EasyMining             2020
                    Ash2 phos                                                                        DCP/MAP/DAP
                                          Helsingborg (SE), Bitterfeld (DE)              2022
                                          Varna (BG), DecaPhos (für Aschekampagnen)      2016          H3PO4/DCP/
                    EcoPhos
                                          Dunkerque (FR), EcoPhos                        2021             MCP
                                                    mineralisches
                    EuPhoRe Mannheim (DE), MVV ????
                    			Phosphat
                                                                                 		Komponenten
                                  verschiedene Hersteller haben Struvit, versch.
                    DüM-Industrie                                                 erprobt/gewollt in kommer-
                                  Aschen erprobt
                    			                                                                           ziellen DüM
                                          Gifu North (JP), Gifu City                     2010
                    METAWATER                                                                              HAP
                                          Akisato (JP), Tottori City                     2013
                    Nippon PA             Chiba (JP), Nippon Phosphoric Acid             2009             H3PO4
                    TetraPhos             Hamburg (DE), Remondis Aqua                    2020             H3PO4

                    Zwar sind derzeit Verfahren in der Erprobung, die die Vorgaben hinsichtlich
                    P-Rückgewinnung unter ökologisch und ökonomisch sinnvollen bzw. vertretbaren
                    Rahmenbedingungen ermöglichen sollen, doch lösen sie bei weitem nicht die Proble-
                    matik der Entsorgungssicherheit, schon gar nicht, wenn derlei Verfahren nur auf einem
                    Teil der Anlagen von Abwasserentsorgern installiert werden können bzw. gar keine
                    Mitverbrennungskapazitäten für den um P abgereicherten Klärschlamm zur Verfügung
                    stehen. Das heißt, wenn weder Landwirtschaft noch Mitverbrennung in der Region als
                    Entsorgungsrouten zur Verfügung stehen bzw. nur Teilmengen aufnehmen können,
                    muss für den Rest des Klärschlamms entweder (überregional) ausgeschrieben werden
                    oder in lokale/regionale Monoverbrennungskapazitäten investiert werden.

                    Monoverbrennung?
                    Liest man den Text der Klärschlammverordnung, kommt man zu dem Schluss, dass an
                    Klärschlämme, die in der Monoverbrennung thermisch vorbehandelt werden dürfen,
                    keine qualitativen Anforderungen gestellt werden. Während für die landwirtschaftli-
                    che Verwertungsroute die strengsten Anforderungen gelten, für die Mitverbrennung
                    der Phosphorgehalt maßgeblich ist, gibt es keine schlammseitigen Limitierungen für
                    die exklusive thermische Vorbehandlung (gilt für Klärschlämme der kommunalen
                    Abwasserbehandlung). Vereinfacht bedeutet das, dass jeglicher kommunale Klär-
                    schlamm in einer exklusiven Monoverbrennungsanlage, Vergasung, Pyrolyse o.ä.
                    thermisch vorbehandelt werden darf. Es gibt (noch) nicht einmal eine Anforderung
                    bzgl. eines Mindestgehalts an Phosphor, was wiederum sinnvoll erscheint, wenn der
                    Phosphor anschließend aus der resultierenden Asche zurückgewonnen werden soll.
                    Allerdings wäre das rechtlich schwer durchzusetzen, wenn weder die Landwirtschaft,

                    24
Rahmenbedingungen
                                    Politische Ambitionen versus betrieblicher Herausforderungen

noch die Mitverbrennung in ausreichendem Maße Entsorgungskapazitäten bieten. Das
heißt, es wird sich praktisch nicht vermeiden lassen, dass in der Monoverbrennung
auch phosphorreiche mit phosphorarmen Klärschlämmen verbrannt werden. Es ist
davon auszugehen, dass hier jedoch marktwirtschaftliche Instrumente seitens der
Aschaufbereiter greifen werden, in etwa der Form, dass für phosphorreiche geringere
Verbrennungspreise verlangt werden, als für phosphorarme Aschen und dann entspre-
chend up-stream für die Schlämme. Die folgende Tabelle indiziert verschiedene Fakto-
ren bezüglich Klärschlamm(asche)zusammensetzung und deren Einfluss auf etwaige
Annahmegebühren (gate fees). Sämtliche Verfahren, die nicht auf Kläranlagen selbst
implementiert werden und keine operativen Vorteile für Kläranlagenbetreiber mit sich
bringen, werden sich maßgeblich über die Erlöse für die Rezyklate ökonomisch dar-
stellen lassen müssen. Das heißt, die Rezyklate müssen tatsächlich vermarktet werden
können und dürfen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Phosphate als Hauptprodukte,
geeignete Metallsalze als Nebenprodukte valorisiert werden (müssen).

Gehalt in                                                            Tabelle 2:
            beeinflusst Menge von      je höher der Gehalt, desto
der Asche
                                                                     Parameter sowohl im Klär-
Phosphor        Hauptprodukt              niedriger die gate fee
                                                                     schlamm, als auch der Klär-
Calcium        Säureverbrauch               höher die gate fee       schlammasche und deren Ein-
Aluminium       Nebenprodukt             leicht geringere gate fee   fluss auf die Annahmegebühr
Eisen           Nebenprodukt            leicht geringere / neutral   (gate fee) für die Monoverbren-
                                                                     nung bzw. P-Rückgewinnung
Sand             Rückständen                höher die gate fee
                                                                     aus der Asche

                                                   2. Welche Kosten und wer bezahlt?
Im Allgemeinen ist zwischen Gestehungskosten und Marktpreisen zu unterscheiden.
Die Gestehungskosten umfassen die Kapitalkosten für den Bau der zur Erfüllung der
gestellten Aufgabe nötigen Infrastruktur (inklusive Abschreibung und Zins) und die
Betriebskosten für Betriebsmittel, Personal und Instandhaltung.
Diese Kostenkomponenten fallen für jeden an, egal ob aus Betreiber- oder Nachfra-
gersicht und werden in die Marktpreise eingepreist, die dann wiederum vom Nach-
frager zu bezahlen sind. Diese Marktpreise enthalten zusätzliche Komponenten wie
Gewinnzuschlag und Umsatzsteuer und können regional variieren. Diese Variation
ist vom Verhältnis Angebot zu Nachfrage abhängig.
Um die Kosten sowohl für die Klärschlammverwertung, als auch die P-Rückgewinnung
in Grenzen zu halten ist der Zusammenschluss (Cluster) mehrerer Klärschlammerzeu-
ger zweckmäßig. Zwar diskutiert man nach wie vor auch quasi-dezentrale Optionen,
wie etwa Klärschlammvergasung bzw. Pyrolyse, jedoch werden sich zentralisierte, groß-
volumige Strukturen mit geringem Personalaufwand flächendeckend durchsetzen. Die
sogenannte economy of scale wird dazu führen, dass vorrangig Monoverbrennungskapa-
zitäten, vor allem in Form größerer Anlagen geschaffen werden. Dies bringt u.a. neben
den ökonomischen Aspekten auch einen weiteren Vorteil mit sich, dass größere Asche-
mengen an einem Ort anfallen, deren Zusammensetzung zudem homogener sein wird.

                                                                                                 25
Rahmenbedingungen
                      Christian Kabbe

                    Das wiederum wirkt sich positiv auf die nachfolgende Phosphorrückgewinnung aus,
                    da auch dort die economy of scale ein entscheidender Faktor ist und homogenes Input-
                    material von Vorteil für die Weiterverarbeitung ist.

                    Nun ist es in Deutschland üblich, die Abfallentsorgung regelmäßig auszuschreiben.
                    Inwieweit das auch für P-reiche Aschen Bestand haben wird, muss sich noch zeigen. Es
                    ist kaum davon auszugehen, dass jemand in eine P-Rückgewinnungsanlage investiert,
                    wenn keine Langzeitlieferverträge geschlossen werden können. Hier sind zehn Jahre
                    als absolutes Minimum anzusehen.

                    Während die P-Extraktion aus dem Klärschlamm auf den Kläranlagen sicher nicht
                    installiert werden wird, wenn sie nicht mit operativen Vorteilen bezüglich der Schlamm-
                    behandlung in Form verbesserter Entwässerungsergebnisse, reduzierter Flockungshilfs-
                    mittelverbräuche oder Fällmittelverbräuche und am Ende reduzierter Schlammmengen
                    einhergeht, wird die Rückgewinnung aus Klärschlammaschen die Hauptroute abbilden.
                    Hier wären demnach die Rückgewinnungskosten noch den Verbrennungskosten aus
                    Sicht des Klärschlammerzeugers und letztlich des Gebührenzahlers draufzuschlagen.
                    In Diskussionen mit Klärschlammverbrennern klingt durch, dass die Aschebehand-
                    lungskosten letztlich nicht teurer sein dürfen, als die Aschedeponierungskosten. Nach
                    Einschätzung des Autors wird sich dieser Wunsch jedoch nicht flächendeckend erfül-
                    len lassen. Für die derzeitige Aschedeponierung wurden von mehreren Seiten Kosten
                    zwischen 25 und 60 EUR/t Asche genannt. Diese Größenordnung kann letztlich nur
                    von Ascheaufbereitungsverfahren erreicht werden, die:
                    a) die am Ende zu entsorgende Reststoffmenge deutlich reduzieren,
                    b) gleichzeitig moderat im Nettoverbrauch von Betriebsmitteln (Säuren, Laugen,
                       Adsorbentien, Energie) sind und
                    c) Produkte und Intermediate hoher Qualität und damit einer substantiellen Wert-
                       schöpfung generieren (Marktnachfrage).

                    Dies gilt im Besonderen für alle Klärschlammaschen, die bis zum 31.12.2028 erzeugt
                    werden.

                                                       Abfall | Produkt -Grenze

                                            Rückgewinnung                                         Recycling

                                                                                                andere industr.

                              Haushalte,                           Rohstoff       Düngemittel       Land-
                                              Kläranlage
                               Industrie                                                          wirtschaft
                                                                 Düngemittel

                                                     Kosten? Profit?
                                                  Angebot                                         Bedarf

                    Bild 3:      Verknüpfung von Rückgewinnung und Recycling in Wertschöpfungsketten/-kreisläufen

                    26
Rahmenbedingungen
                              Politische Ambitionen versus betrieblicher Herausforderungen

Da jedoch ab 2029/32 eine gesetzlich verankerte Rückgewinnungspflicht für P aus
derlei Aschen besteht, ist dann die Ascherückholung und nachfolgende Aufbereitung
in die Deponierung mit einzupreisen. D.h. Ascheerzeuger sollten eher bestrebt sein, den
aufwendigen Zwischenlagerungsweg zu vermeiden und die Asche direkt nach Anfall
aufzubereiten, sei es in eigenen Anlagen oder extern. Dies wiederum bedeutet, dass
sich die Deponierungskosten mindestens verdoppeln werden (Ablagerung und Re-
Excavation), und somit Ascheaufbereitungsverfahren durchaus wirtschaftlich mithalten
können. Ohnehin erlaubt die Gesetzgebung mit der sogenannten Gebührenfähigkeit
ein gewisses Maß an Flexibilität, da ja eine eventuelle Deckungslücke zwischen Klär-
schlammentsorgungs- und P-Rückgewinnungskosten und den erzielbaren Erlösen
für die Rezyklate durch den Gebührenzahler kompensiert werden wird. Zwar hat der
Gesetzgeber eine Zumutbarkeitsklausel in der Verordnung verankert, jedoch zeigen
ähnliche Konstrukte wie das EEG, das am Ende immer der Steuer- oder Gebührenzahler
einspringt, somit also auch das volle wirtschaftliche Risiko trägt, während potentielle
Abnehmer für die Rezyklate sich über subventionierte Sekundärrohstoffe oder gar
Produkte freuen können.

Während die Monoverbrennung ein essentieller Bestandteil der Entsorgungssicherheit
und in Eigenregie auch der Kostenkontrolle ist, kann die Phosphorrückgewinnung aus
den Klärschlammaschen differenzierter betrachtet werden. In Eigenregie macht dies
erst ab einem Mindestvolumen von etwa 20.000 t Asche pro Jahr Sinn, generiert aber
gleichzeitig zusätzliche Verantwortlichkeiten, wie:

• Rezyklatvermarktung bzw. Registrierung einschl. ggf. notwendiger Zertifizierun-
  gen und Logistik,
• Nebenproduktvermarktung und
• Reststoffverwertung bzw. Entsorgung (mehrere Stoffströme).

Hier gilt es abzuwägen, ob dieser zusätzliche Aufwand in Eigenregie gerechtfertigt ist,
oder ob die Ascheaufbereitung nicht doch besser an Dritte delegiert werden kann. Für
die Entsorgungssicherheit des Klärschlamms als solcher spielt das keine Rolle, da die
geforderte unverdünnte thermische Vorbehandlung mit einer Monoverbrennung und
separater Aschezwischenlagerung gegeben ist. Einzig die Kostenfrage und damit auch
eine eventuelle Gebührenanpassung bleibt noch unklar.

Sehr vernünftig erscheint der Ansatz, die Ascheaufbereitung zentralisiert in bei-
spielsweise Chemieparks anzusiedeln. Zum einen sind dort alle infrastrukturellen
Notwendigkeiten gegeben, wie Transportanbindungen, Betriebsmittelbereitstellung
einschließlich von z.B. Säuren für nasschemische Aufschlüsse und zum anderen auch
potentielle Abnehmer für erzeugte Rezyklate oder Intermediate. Zudem ist es einfacher
und vor allem sicherer Aschen zu transportieren als zum Beispiel Gefahrstoffe wie
Säuren oder Laugen. Daneben besteht ferner die Möglichkeit, Aschen aus der Region
bzw. sogar überregional zusammenzuführen und zu homogenisieren, was wiederum
dem jeweiligen Aufbereitungsprozess zu Gute kommt.

                                                                                         27
Rahmenbedingungen
                      Christian Kabbe

                    Um Gebühren zahlende Haushalte und Verbraucher tatsächlich mitzunehmen
                    wird noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten sein. Auch wenn das Thema
                    P-Rückgewinnung derzeit in der breiten Öffentlichkeit kaum Beachtung findet, wird es
                    spätestens mit Eintreffen der ersten Gebührenbescheide passieren, in denen die Kosten
                    der P-Rückgewinnung veranschlagt werden. Damit es kein böses Erwachen gibt, sind
                    aufklärende Kommunikation und vor allem mehr Transparenz von Nöten. Die Dis-
                    kussion um die negativen Aspekte der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung
                    werden kaum dazu beitragen, dass die Akzeptanz für klärschlammbürtige Rezyklate
                    erhöht wird, wenn nicht klar kommuniziert wird, welche Vorzüge diese gegenüber ihrer
                    Quelle, aber auch im Vergleich zu gängigen, derzeit eingesetzten Produkten haben.

                                                                              Bild 4:

                                                                              Kartoffeletikett aufgenommen
                                                                              2017 in einem Supermarkt in
                                                                              Niedersachsen mit klarer und
                                                                              vor allem lesbarer Kennzeich-
                                                                              nung, dass diese Feldfrüchte
                                                                              von einem Boden stammen,
                                                                              der weder mit Gülle noch mit
                                                                              Klärschlamm belastet wurde.
                                                                              Was jedoch fehlt ist eine Anga-
                                                                              be, welcher Dünger stattdessen
                                                                              eingesetzt wurde.

                    Für den Ausstieg der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung hätte es wahr-
                    scheinlich gar keiner novellierten Düngeverordnung bzw. Klärschlammverordnung
                    bedurft, Transparenz und Verbraucherpartizipation hätten das womöglich deutlich
                    schneller, unbürokratischer und kostengünstiger hinbekommen.

                    3. Zusammenfassung
                    Auch wenn die Auswirkungen des Inkrafttretens gleich mehrerer Verordnungen im Jahr
                    2017 vorhersehbar waren, ist man als Beobachter doch überrascht, wie unvorbereitet
                    sowohl die Verwaltung, die für den Vollzug zuständig ist, aber auch betroffene Akteure
                    zum Teil waren. Es ist sehr verwunderlich, dass es in der Bundesrepublik Deutschland
                    im 21. Jahrhundert noch zu Entsorgungsnotständen für Siedlungsabfall kommen kann.
                    Man gewann Anfang 2018 den Eindruck, dass in manchen Bundesländern das Thema
                    Klärschlammentsorgungssicherheit und Düngeverordnung weder auf der politischen
                    Agenda, noch bei Klärschlammerzeugern ernst genug genommen wurde. Während viele
                    angeschlossene Haushalte der betroffenen Regionen die Zeche dafür zahlen müssen,
                    ermöglichen die aus Entsorgungsengpässen generierbaren Mitnahmeeffekte einigen
                    Entsorgern traumhafte Gewinne. Offenbar waren die Teilaspekte Energie, Phosphor,
                    Spurenstoffe und jüngst auch Mikroplastik als solche wichtiger als das ganzheitliche
                    Stoffstrommanagement.

                    28
Rahmenbedingungen
                              Politische Ambitionen versus betrieblicher Herausforderungen

Während die Düngeverordnung die Entsorgungsroute Landwirtschaft für den
Klärschlamm akut und dramatisch beschneidet, wird die novellierte Klärschlamm-
verordnung mittelfristig die Entsorgungs- bzw. Verwertungsdiversität reduzieren
und die Monoverbrennung als Hauptroute etablieren. Klärschlammerzeuger und
Entsorgungsunternehmen sind nun gehalten, schnell umsetzbare Zwischenlösungen
zu implementieren, letztlich Zwischenlager für Klärschlamm zu schaffen und mit-
telfristig die Infrastruktur aufzubauen, die eine langfristige Entsorgungssicherheit
herstellt. Es ist absehbar, dass gegen Ende des kommenden Jahrzehnts ausreichend
Monoverbrennungskapazitäten vorhanden sein werden, um den Anforderungen
der Klärschlammverordnung hinsichtlich der thermischen Vorbehandlung des
Klärschlamms gerecht zu werden. Inwieweit sich Klärschlammerzeuger für eine
P-Abreicherung ihrer Schlämme auf den Kläranlagen selbst entscheiden, wird maß-
geblich von der regionalen Verfügbarkeit der Mitverbrennung abhängen. Da sich derzeit
aber eher ein Wegbrechen und nicht die Erhöhung dieser Kapazitäten abzeichnet, wird
diese Route höchstwahrscheinlich eine untergeordnete Rolle spielen. Das wiederum
bedeutet, dass die P-Rückgewinnung hauptsächlich auf der Monoverbrennungsroute
stattfinden wird. Unter ökonomischen Gesichtspunkten erscheinen größerskalige
Ascheaufbereitungseinheiten, also zentralisierte Strukturen sinnvoll. Ansiedlung dieser
in Chemieparks bietet große Vorteile und vermeidet unnötige Gefahrstofftransporte
auf deutschen Straßen. P-Rezyklate, also mineralische Nährstoffkonzentrate werden
vor allem dann den Zugang zum Markt schaffen, wenn es sich dabei um bekannte,
kommerzielle Produkte handelt. D.h., es ist leichter, sogenannte Commodities in den
Markt zu bringen, als einen Markt für exotische, heterogene und bislang unübliche
Materialien zu generieren. Daraus ist zu schließen, dass die Phosphorrückgewinnung
nur in kleinem Maße von den Klärschlammerzeugern selbst, sondern vielmehr von
Dritten durchgeführt wird. Neben logistischen Aspekten macht dies auch vor dem
Hintergrund Sinn, dass Kläranlagenbetreiber nicht zwingend mit düngerechtlichen,
chemikalienrechtlichen und anderen Anforderungen vertraut sind geschweige denn
Personal haben, eine komplette Nährstoffrecyclingkette aufzubauen und zu betreiben.
Von behördlicher Seite wären klarere und praktikable Vorgaben sowohl für die Um-
setzung aus Betreibersicht, aber auch für den Vollzug der novellierten Klärschlamm-
verordnung wünschenswert. Dies betrifft u.a. Aspekte wie:
1. eine klare Bilanzgrenze bzw. Referenzlinie zur praktikablen Ermittlung der Rück-
   gewinnungsrate auf Kläranlagen festlegen,
2. Frachtenregelung statt Konzentrationen und
3. Gebührenfähigkeit für Maßnahmen, die eine P-Rückgewinnung, sei es auf der
   Kläranlage oder danach, begünstigen, auch wenn sie die derzeitigen Vorgaben auf
   den Kläranlagen nicht schaffen (§ 3a). Qualität fängt bei der Indirekteinleiterüber-
   wachung an und kann am Ende die P-Rückgewinnung und das mögliche Recycling
   dramatisch vereinfachen.
Wünschenswert ist zudem ein ressortübergreifender Ansatz – das heißt, nicht nur
die P-Rückgewinnung fordern (BMU), sondern auch das P-Recycling ermöglichen
(BMEL). Auch sollten weder Klärschlamm noch Phosphor isoliert betrachtet werden.

                                                                                         29
Rahmenbedingungen
                      Christian Kabbe

                    Das Beispiel Gülle zeigt einen viel akuteren Handlungsbedarf und macht allein schon
                    mit der Stickstoffproblematik deutlich, dass man in Zukunft ein nachhaltiges, ganz-
                    heitliches Nährstoffmanagement umsetzen muss und nicht mit Einzelstoff(strom)-
                    betrachtungen weitermachen darf.

                    4. Literatur
                    [1] Kabbe, C.; Kraus, F.: P recovery: from evolution to revolution. Fertilizer International. 479:37-41
                        2017
                    [2] Kabbe, C.: Global Compendium on Phosphorus Recovery & Recycling from Wastewater prä-
                        sentiert auf IWA World Water Congress & Exhibition, Tokyo, 16.-20. September 2018
                    [3] Ohtake, H.; Tsuneda, S. (Hrsg.): und Autoren (2018) Phosphorus Recovery and Recycling. Sprin-
                        ger Nature Singapore Pte Ltd. ISBN: 978-981-10-8030-2
                    [4] Schoumans, O.F.; Bouraoui, F.; Kabbe, C.; Oenema, O.; van Dijk, K.C.: Phosphorus management
                        in Europe in a changing world. AMBIO. 44:180-192, 2015
                    [5] Walker, C.: Market Map – Beating the burn rate for resource and energy recovery from sludge.
                        Global Water Intelligence Magazine 2017:1 :40-47, 2017

                                           Ansprechpartner
                                           Dr. Christian Kabbe
                                           Isle Utilities
                                           Rudower Chaussee 29
                                           12489 Berlin, Deutschland
                                           +49 30 61647943
                                           christian.kabbe@isleutilities.com

                    30
Vorwort

         Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
         Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
         Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im
         Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar

                         Olaf Holm, Elisabeth Thomé-Kozmiensky,
                      Peter Quicker, Stefan Kopp-Assenmacher (Hrsg.):
                                 Verwertung von Klärschlamm
                ISBN 978-3-944310-43-5 Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH

Copyright: Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc., Dr.-Ing. Olaf Holm
Alle Rechte vorbehalten
Verlag:                 Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH • Neuruppin 2018
Redaktion und Lektorat: Dr.-Ing. Olaf Holm, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc.
Erfassung und Layout:   Janin Burbott-Seidel, Ginette Teske, Roland Richter, Sarah Pietsch,
                        Cordula Müller, Gabi Spiegel
Druck:                  Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza

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