Objekte, Geschichten und die Frage der Perspektive
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Objekte, Geschichten Dietmar Osses und die Frage der Perspektive Wie gestalten Museen das kulturelle Erbe in der Migrationsgesellschaft? F ür viele Museen war Migration lange Zeit kein nes Ohr und Sprachrohr wie auch als Schnittstelle Thema. Erst fünfzig Jahre nach Beginn der zwischen Theorie und Praxis versteht2. Und auch Anwerbung von so genannten Gastarbeitern der Bundesverband Museumspädagogik hat sich im Rahmen staatlicher Anwerbeabkommen schien aktuell in der Debatte um Geflüchtete und kulturel- die Zeit reif zu sein für die Musealisierung der Mig- le Bildung dem Thema erneut mit großer Energie ration in der Fläche. Die um das Jahr 2000 einset- gewidmet.3 zende Debatte über Themen, Ansätze und Akteure machte die Vielfalt der Geschichte, die Pluralität Wie aber hat sich die Migrationsgeschichte in der der Standpunkte, aber auch die Probleme in der Museumswelt gegenwärtig institutionalisiert und Institutionalisierung deutlich. wie steht es um die Gestaltung des kulturellen Dietmar Osses ist Spre- Erbes? cher des Arbeitskreises Heute zeigt sich in der aktuellen Zuwanderungs- Die gesellschaftliche und kulturpolitische Diskus- Migration im Deutschen situation ein anderes Bild. Die Geschichte und Ge- sion um die Einrichtung eines Migrationsmuseums Museumsbund. Er leitet genwart der Migration und auch »die Migranten« für Deutschland hatte ihren Höhepunkt bereits das LWL-Industriemuse- als Besucher und Akteure sind – so scheint es – im kurz nach der Jahrtausendwende. Im Umfeld der um Zeche Hannover in Museum angekommen. Die vielgestaltige Praxis Diskussionen um ein Zuwanderungsgesetz für Bochum der Museen zwischen Selbstvergewisserung, Deutschland loteten 2000 bis 2003 drei große Partizipation und Kollaboration zeigt in Ausstellun- Fachtagungen die Dimensionen des Themas gen und Vermittlungsprogrammen: Museen aller »Migration« im Museum aus und diskutierten die Größen und Sparten verstehen sich als Orte und Forderungen nach einem nationalen Migrations- Akteure der kulturellen Bildung, die die Diversität museum. Kleinteilige Debatten und die Anstren- der Gesellschaft erkennen, reflektieren und zuneh- gungen des groß angelegten, aber wenig erfolg- mend in ihre Arbeit und Strukturen einbeziehen.1 reichen »Projekt Migration« ließen die Diskussion um 2006 verebben. Stattdessen dominierte das Mit dem »Arbeitskreis Migration« hat der Deutsche Museumsbund ein Forum geschaffen, das sich als 2 Vgl. dazu z.B. die Themenhefte »Migration«, »Alle Welt im Plattform für den fachlichen Austausch, als offe- Museum? Museen in der pluralen Gesellschaft« und »Museen im politischen Raum – ein Erfahrungsaustausch«, Museumskunde 75, H. 1/2010; Museumskunde 77, H. 2/2012 und Museumskunde 1 Vgl. aktuell: Maren Ziese/Caroline Gritschke (Hrsg.): Geflüchtete 78, H. 1/2013, den Leitfaden »Museen, Migration und kulturelle und kulturelle Bildung. Formate und Konzepte für ein neues Praxis- Vielfalt«, hrsg. vom Deutschen Museumsbund, Berlin 2015 sowie feld, Bielefeld: 2016 sowie als Bestandsaufnahme 2010: Patricia den Projektbericht »Alle Welt im Museum. Kooperationen zwischen Deuser: Migration im Museum. Zum aktuellen Stand der Ausein- Museen und Migrantenselbstorganisationen«, hrsg. vom Deutschen andersetzung mit den Themen Migration und kulturelle Vielfalt in Museumsbund, Berlin 2015. deutschen Museen, Berlin 2012, www.museumsbund.de/fileadmin/ 3 Vgl. Ziese/Gritschke 2016 sowie die Tagung »Zwischen den geschaefts/dokumente/Wir_Projekte/migration_im_museum_p. Welten. Museen im Angesicht von Flucht und transkulturellem deuser.pdf (25.2.2017). Dialog«, Köln 2016, http://museum-flucht-dialog.de (1.3.2017). 56 Europäisches Kulturerbe Kulturpolitische Mitteilungen Nr. 156 I/2017
Ausstellung »Von Kuzorra bis Özil«, LWL- Anwerbestopps der Bundesrepublik Deutschland. Industriemuseum Zeche Räume wie ein Friseurladen, ein Reisebüro oder ein Hannover in Bochum Supermarkt sollen Aspekten gewidmet sein, die für (2016) Einwanderer oder ihre Nachfahren eine besondere Rolle gespielt haben. Dort werden Erinnerungsstü- cke von Einwanderern gezeigt, und auf Mediensta- tionen sind deren Lebensgeschichten abrufbar. Den selbst erhobenen Anspruch, 300 Jahre Einwanderungsgeschichte nach Deutschland zu zeigen, kann das Haus so nicht immer einlösen. Mit der Hinwendung zu originalen Objekten und der Sammlung von Lebensgeschichten hat das Deutsche Auswandererhaus jedoch den Wandel von der Erlebniswelt zum Museum erfolgreich voll- zogen. Um aktuelle Phänomene der von Migration geprägten Gesellschaft zu diskutieren, einen Dia- log über Migration und gesellschaftliche Vielfalt zu initiieren und verschiedene Formen der Vermitt- lung zu erproben, hat das Auswandererhaus ge- meinsam mit dem Grassi Museum für Völkerkunde zu Leipzig und dem LWL-Industriemuseum Zeche Hannover in Bochum 2015 bis 2016 das bundesge- förderte Projekt »Forum Migration« durchgeführt. Thema »Flucht und Vertreibung« die museale Die Ergebnisse bilden die Basis für einen Ausstel- Praxis in Deutschland mit drei viel diskutierten lungs-, Lern- und Begegnungsraum, der 2017 als Ausstellungsprojekten.4 »Forum Migration« realisiert werden soll.6 Zur gleichen Zeit etablierten sich mit dem Deut- Während sich das Bremerhavener Auswanderer- schen Auswandererhaus in Bremerhaven und der haus somit heute als deutsches Migrationsmuse- BallinStadt in Hamburg gleich zwei privat initiierte um und erstes Museum der Auswanderungs- und Häuser zur Auswanderung. Beide vermieden bei Einwanderungsgeschichte in Europa versteht, hält der Eröffnung sorgsam die Bezeichnung »Muse- der Kölner Verein DOMID – Dokumentationsstelle um« und setzten konsequent auf die Inszenierung und Museum über die Migration in Deutschland von emotionalen Erlebniswelten mit Kulissen von e.V. – seit vielen Jahren an der Forderung nach Hafenszenen und Ozeandampferkabinen. Origi- Einrichtung eines zentralen Migrationsmuseums nale historische Objekte spielten kaum eine Rolle, für Deutschland fest. ausgewählte Biografien von Ausgewanderten bil- deten den roten Faden der Ausstellungserzählung. Der Verein hat 1998 in Zusammenarbeit mit dem Ruhrlandmuseum der Stadt Essen eine erste grö- Die Hamburger BallinStadt ist bis heute weitge- ßere Ausstellung zur Zuwanderung aus der Türkei hend unverändert geblieben. Dagegen hat sich in den sechziger und siebziger Jahren des letzten das Bremerhavener Auswandererhaus mit einem Jahrhunderts realisiert. Durch die Form der gleich- Erweiterungsbau und der konzeptionellen Neuaus- berechtigten Zusammenarbeit einer migrantischen richtung seit 2012 als »erstes Migrationsmuseum Selbstorganisation und eines städtischen Muse- in Deutschland« positioniert.5 So zeigt das Haus ums galt die Ausstellung »Fremde Heimat – Yaban, heute im Altbau die Geschichte der Auswanderung Sılan olur. Eine Geschichte der Einwanderung aus aus Deutschland nach Amerika bis zur Ankunft in der Türkei« seinerzeit als partizipatives Vorzeige- Amerika mit dem Nachbau eines Teils des New projekt. 2005 erweiterte der Verein als Teilnehmer Yorker Bahnhofs Grand Central Station als Schluss- am bundesgeförderten »Projekt Migration« seine punkt. Der Neubau ist unter Verwendung von Perspektive um Einwanderung aus weiteren An- originalen Einrichtungsstücken als eine Laden- werbestaaten der Bundesrepublik und der DDR. passage des Jahres 1973 inszeniert – das Jahr des 2011 kehrte er mit der Wanderausstellung »Geteilte Heimat – Paylaşılan Yurt« zu seinem Schwerpunkt- 4 Flucht, Vertreibung, Integration. Stiftung des Hauses der Ge- thema, der Migration aus der Türkei, zurück. schichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2005; Erzwungene Wege. Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts, Seitdem beteiligt sich DOMID in unterschiedlichen Zentrum gegen Vertreibung, Berlin 2005; Aufbau West. Neube- Partnerschaften an Projekten wie »Grenzen über- ginn zwischen Vertreibung und Wirtschaftswunder, Westfälisches Industriemuseum (heute LWL-Industriemuseum) Zeche Zollern in winden – Nähe erzeugen: Digitales Miteinander Dortmund, 2006. in der Migrationsgesellschaft« des Zentrums für Medien und Interaktivität (ZMI) an der Justus-Lie- 5 Simone Eick: »… und irgendwo dazwischen ich.« Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven nach seiner Erweiterung um 300 Jahre Einwanderungsgeschichte im Frühjahr 2012. In: Museums- kunde 77, H. 2/2012, S. 40–49. 6 http://dah-bremerhaven.de/forum-migration (25.2.2017). I/2017 Nr. 156 Kulturpolitische Mitteilungen Europäisches Kulturerbe 57
big-Universität Gießen7 oder der Ausstellung »Von museen wie das Historische Museum Frankfurt Kuzorra bis Özil. Die Geschichte von Fußball und oder das Stadtmuseum Stuttgart seit einiger Zeit Migration im Ruhrgebiet«8 des LWL-Industriemuse- das Konzept, Migrationsgeschichte und As- ums Zeche Hannover in Bochum. pekte der kulturellen Vielfalt als roten Faden in das Museum einzuweben. So ist Migration eine Das ambitionierte eigenständige Projekt eines wichtige Perspektive in der Dauerausstellung des »virtuellen Migrationsmuseums« zur Migrationsge- Stadtmuseums Stuttgart, die im Frühjahr 2017 schichte der Bundesrepublik scheint DOMID be- eröffnet wird.13 Und auch im Historischen Muse- reits wenige Monate nach dem pressewirksamen um Frankfurt, das mit einer Neukonzeption und Startschuss nicht weiter verfolgt zu haben.9 einem Neubau im Herbst 2017 eröffnen soll, wird in den Dauerausstellungen »Frankfurt einst« und Gegenwärtig arbeitet der Verein mit Förderung der »Frankfurt jetzt« der Migrationsgeschichte und der NRW-Stiftung und des Integrationsministers NRW Diversität der Stadtgesellschaft Rechnung getra- an einer Machbarkeitsstudie für ein deutsches Mig- gen. Die vorangegangene Neubetrachtung der rationsmuseum, deren Ergebnisse 2017 vorgestellt vorhandenen Sammlung wie auch die partizipati- werden sollen. Eine bereits veröffentlichte beglei- ven Projekte des »Stadtlabor unterwegs« haben tende Broschüre wirbt für »ein neues multipers- Formen der Partizipation, der Neuausrichtung der pektivisches Geschichtsbild« und »den Abbau von Sammlungstätigkeit wie auch die Betrachtung der Mythen und Vorurteilen«. Das zentrale Migrations- vorhandenen Sammlung aus neuer Perspektive als museum soll nicht nach Chronologie oder spezi- Strategien zu einer neuen Formierung des kulturel- fischen Themen strukturiert sein, sondern durch len Erbes erprobt. »übergeordnete Konzepte, die uns und unsere Gesellschaft insgesamt betreffen«. Als Beispiele für Auf regionaler Ebene hat sich das LWL-Industrie- diese Konzepte werden Themen wie »Erinnerung« museum als Westfälisches Landesmuseum für In- oder »Mobilität« sowie Begriffe wie »Grenze« oder dustriekultur mit seinem Museumsstandort Zeche »Wandel« genannt. Gezeigt werden soll die Ein- Hannover in Bochum seit einigen Jahren als wichti- wanderung nach Deutschland ab 1945.10 ger Akteur und Partner etabliert.14 In den Gebäu- den und auf dem Gelände des Industriedenkmals DOMID verfolgt dabei einen teilhabeorientierten beleuchtet der Rundweg »Wege der Migration« Ansatz und will »die Besucherinnen und Besu- Etappen, Themen und Akteure der Migrations- cher schon im Vorfeld partizipativ einbinden«. Der geschichte im Ruhrgebiet seit dem Beginn der Verein versteht das geforderte Museum als Kontra- Industrialisierung. Die Wechselausstellungen mit punkt zu rassistischen Bewegungen und setzt sich Migrationsbezug verfolgen unterschiedliche Kon- für die Stärkung des demokratischen Bewusstseins zepte: Einerseits werden Geschichte und Gegen- und der Zivilgesellschaft ein. wart einer Zuwanderergruppe wie zum Beispiel der »Ruhrpolen« über einen Zeitraum von 150 Jahren Brauchen wir (noch) ein zentrales thematisiert oder Parallelen und Differenzen von Migrationsmuseum für Deutschland? Zuwanderungserfahrungen verschiedener Grup- In der fachlichen Debatte mehren sich Stimmen, pen während einer Periode ausgelotet. Anderer- die eine starke Präsenz und Präsentation des seits werden allgemeine Themen und Phänomene Themas vor Ort präferieren – sei es als Thema und/ wie »Fußball« oder »Strukturwandel« auf Aspekte oder Perspektive in lokalen und regionalen Muse- von Migrationsgeschichte und kulturelle Vielfalt en oder, wie vom Kulturwissenschaftler Joachim befragt. Baur vorgeschlagen, in Form eines »migration mainstreaming«11 für Museen aller Sparten. Auch Vier Prinzipen liegen der Arbeit des Museums der Museologe Michael Fehr spricht sich für eine zugrunde: Migrationsgeschichte wird als substan- Verhandlung des Themas in der Fläche und in zieller Bestandteil der Geschichte verstanden. Als allen Museen aus – und wendet sich damit von sei- Zugang werden attraktive Alltagsthemen gewählt, nem bereits 1980 erhobenen Postulat nach einem um allen Besuchern Anknüpfungspunkte zu liefern Migrationsmuseums als Museum neuen Typs ab.12 und damit auch die Bereitschaft zur Auseinander- setzung mit Konflikten und Leid zu erhöhen. Ein Tatsächlich verfolgen bereits einige große Stadt- zweites Prinzip ist die Zusammenarbeit mit Zeit- 7 www.uni-giessen.de/fbz/zmi/projekte/migracom/grenzenue- 12 Michael Fehr: Überlegungen zu einem »Migrationsmuseum« berwinden (1.3.2017). in der Bundesrepublik, in: Bernd Wagner (Hrsg.): Jahrbuch für 8 Dietmar Osses (Hrsg.): Von Kuzorra bis Özil. Die Geschichte von Kulturpolitik 2009, Essen 2009, S. 265–270, hier S.269. Fußball und Migration im Ruhrgebiet, Essen 2015. 13 Stadtmuseum Stuttgart (Hrsg.): Stadtmuseum Stuttgart. Mu- 9 Nach der Präsentation Ende 2014 wurde bis Mitte 2015 ein Blog seums- und Ausstellungskonzeption. Stuttgart 2016. http://www. geführt. Seitdem sind keine weiteren Aktivitäten erkennbar. Siehe stadtmuseum-stuttgart.de/assets/fi les/museum/sms_stadtmuse- www.domid.org/de/projekt/das-virtuelle-migrationsmuseum. 10 um_museumskonzeption_2016.pdf, Abruf 25.2.2017. Auf dem Weg. Ein Forum für die Zukunft: Das zentrale Migrations- 14 Vgl. dazu Deuser 2012; Dietmar Osses: Industriemuseen als museum. o.O., o.J., www.domid.org/sites/default/files/broschue- Transmissionsriemen für Migrationsgeschichte und interkulturellen re_migrationsmuseum.pdf (25.2.2017). Dialog. Beispiele aus dem LWL-Industriemuseum, in: Museumskunde 11 Joachim Baur: Moving on – oder: Die letzte Migrationsausstel- 78, H. 1/2013, S. 58–64; ders.: Nach Westen. Migrationsgeschichte lung. Versuch einer Bestandsaufnahme, in: Museumskunde 77, H. im Industriemuseum, in: Dietmar Osses: Nach Westen. Zuwanderung 2/2012, S. 7–12, hier S. 11. aus Osteuropa ins Ruhrgebiet, Essen 2012, S. 12–19. 58 Europäisches Kulturerbe Kulturpolitische Mitteilungen Nr. 156 I/2017
Installation in der Aus- stellung »daHEIM«, Museum europäischer Kulturen Berlin (2016) zeugen, Communities und weiteren Partnern aus spektive von Migrationsgeschichte und pluraler der Region bei der Vorbereitung und Konzeption Gesellschaft neue Bedeutungsschichten offen- der Ausstellungen. Sie können mit ihren Erfahrun- baren können. So zeigen sich oftmals erst in einer gen und spezifischen Perspektiven neue Aspekte kritischen Revision der Herkunft oder »Migrations- beleuchten und weitere Bedeutungsschichten geschichte« eines Objektes Bezüge zu Kolonialis- hinzufügen. Drittens sind Zeitzeugen – mit und mus, Zwangsmigration oder neuen Aspekten von ohne Migrationserfahrung – in den Ausstellungen Migrationsregimen. in Wort und Bild mit eigener Stimme vertreten. So wird der Vielstimmigkeit von Geschichte und Erin- Darüber hinaus bieten gegenwärtig die vielfältigen nerung Raum gegeben. Aktivitäten der Museen zu Flucht und Asyl weitere Anknüpfungspunkte zur Erweiterung der musea- Schließlich baut das Museum in der Zusammenar- len Perspektive und des kulturellen Erbes um neue beit mit den Beteiligten seine Sammlung von Expo- Aspekte. naten zur Migrationsgeschichte und Diversität in der Industriegesellschaft aus. Dazu zählt auch die Neue Wege beschreitet hierbei das Museum Dokumentation der lebensgeschichtlichen Erinne- Europäischer Kulturen der Staatlichen Museen zu rungen, die im Oral History-Archiv in der Zentrale Berlin. Aus der Zusammenarbeit mit der Künstlerin des Industriemuseums dauerhaft archiviert werden Barbara Caveng und der Initiative »Kunstasyl« ent- und so einen Teil des kulturellen Erbes bilden. stand 2016 die Ausstellung »daHEIM: Einsichten Gegenwärtig wird die Erweiterung um einen in flüchtige Leben«, die Erfahrungen und Hoffnun- Anbau geplant, der als ein Forum verschiedenen gen von Geflüchteten darstellt. Gemeinsam ge- Initiativen und Partnern Raum für eigene oder stalteten Menschen mit aktueller Fluchterfahrung, gemeinsame Ausstellungen und Veranstaltungen Künstler und Museumsmitarbeiter für die Ausstel- zur Verfügung stellen kann. Damit will das Muse- lung Erfahrungsräume mit musealen Exponaten, um seine Stellung als regionaler Knotenpunkt der Installationen, Text- und Bildkollagen an den Migrationsgeschichte stärken und zugleich die Wänden sowie Interviewpassagen. Die Vielschich- Vernetzung in der Region weiter ausbauen. tigkeit und Multiperspektivität der Betrachtung aus historischen, aktuellen, lokalen und globalen Wie ist es aktuell um die Gestaltung und Perspektiven wird vor Ende der Ausstellung im Bewahrung des kulturellen Erbes in den Museen Sommer 2017 mit einem 360°-Scanner digitalisiert bestellt? und archiviert – und wird somit als Installation und Nur wenige Häuser haben bisher systematisch ihre Gesamtkunstwerk dauerhaft Teil des kulturellen Sammlungen um Objekte aus den letzten dreißig Erbes. bis vierzig Jahren ergänzt. Gerade in dieser Phase spielen jedoch Fragen von Migration und Vielfalt Somit erscheint die Vertiefung der Diskussion um überall in Deutschland eine zentrale Rolle. Einige die Formierung und Bewahrung des kulturellen Museen reagieren auf die bestehenden Defizite mit Erbes unter den Aspekten von Migration, Diversi- gezielten thematischen Sammlungskampagnen. tät und Multiperspektivität gegenwärtig eine der Zudem zeigt die Museumspraxis, dass die be- wichtigsten Herausforderungen für Museen und stehenden Sammlungsbestände unter der Per- Communities. I/2017 Nr. 156 Kulturpolitische Mitteilungen Europäisches Kulturerbe 59
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