Open Space. Besser machen - Nick Kratzer (Hrsg.) Eine Praxisbroschüre des Projekts PRÄGEWELT - "Präventionsorientierte Gestaltung neuer ...

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Open Space. Besser machen - Nick Kratzer (Hrsg.) Eine Praxisbroschüre des Projekts PRÄGEWELT - "Präventionsorientierte Gestaltung neuer ...
Nick Kratzer (Hrsg.)

Open Space. Besser machen.
Eine Praxisbroschüre des Projekts PRÄGEWELT –
„Präventionsorientierte Gestaltung neuer Open-Space-Arbeitswelten“

Mit einem Nachwort zum betrieblichen Büro in der Corona-Krise

München, Mai 2020
Open Space. Besser machen - Nick Kratzer (Hrsg.) Eine Praxisbroschüre des Projekts PRÄGEWELT - "Präventionsorientierte Gestaltung neuer ...
Praxisbroschüre „Open Space. Besser machen.“

Autorinnen und Autoren
Cathrin Becker (Uni Freiburg)
Wolfgang Dunkel (ISF München)
Alexandra Frot (RBS)
Jennifer Gunkel (AECOM / RBS)
Sabine Hanisch (AECOM)
Anja Kluge (AECOM)
Ingrid Knigge (AECOM)
Christine Kohlert (RBS)
Nick Kratzer (ISF München)
Sarah Lütke Lanfer (Uni Freiburg)
Julia Pfitzner (RBS)

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt PRÄGEWELT – „Präventionsorientierte Gestaltung neuer Open-Space-
Arbeitswelten” wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des
Programms „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ gefördert (FKZ: 02L14A100
bis 02L14A103) und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffent-
lichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.
Open Space. Besser machen - Nick Kratzer (Hrsg.) Eine Praxisbroschüre des Projekts PRÄGEWELT - "Präventionsorientierte Gestaltung neuer ...
Vorwort

Die vorliegende Broschüre fasst wesentliche Befunde des Projekts „PRÄGEWELT – Präven-
tionsorientierte Gestaltung neuer Open-Space-Arbeitswelten“ zusammen. Es geht um neue
– offene und flexible – Bürokonzepte, eben Open-Space-Büros, und wie man diese so gestaltet
und umsetzt, dass deren Vorteile zum Tragen kommen und Belastungen möglichst vermieden
werden.

Ratgeber, Leitfäden oder Checklisten konzentrieren sich häufig auf die räumliche Gestaltung
von Open-Space-Büros. Diese Broschüre setzt einen etwas anderen Akzent: Es geht hier
darum, welche Faktoren einen Einfluss auf die Zufriedenheit der Nutzer – der Beschäftigten
und Führungskräfte – eines Open-Space-Büros haben und wie man die Zufriedenheit erhöhen
kann – im Veränderungsprozess, aber auch nach dem Umzug, also im bestehenden Open
Space. Und dabei kommen mehr Faktoren ins Spiel als „nur“ die räumliche Gestaltung: Es geht
auch darum, dass und wie man den Veränderungsprozess gestaltet, es geht um Optionen und
Autonomie, um Glaubwürdigkeit und die Unterstützung bei der Anpassung von Arbeitsweisen
und Raum.

Die Basis sind wissenschaftliche Untersuchungen, die durch einen interdisziplinären For-
schungsverbund (Soziologie, Psychologie, Architektur) in und mit insgesamt 22 Unternehmen
durchgeführt wurden. Mit fünf dieser Unternehmen konnten wir überdies an Verbesserungs-
möglichkeiten für bestehende Open-Space-Büros arbeiten. So sind unter anderen zwei Tools
entstanden, die im fünften Kapitel vorgestellt werden. Erarbeitet wurden darüber hinaus zwei
Guidelines (zum Change Management im Zusammenhang mit der Umsetzung neuer Büro-
konzepte sowie zu Führung im Open Space), die nicht Teil dieser Broschüre sind, aber auf der
Homepage des Projekts (www.praegewelt.de) kostenfrei zum Download bereitstehen werden.

Am Projekt PRÄGEWELT haben so viele Menschen mitgewirkt, dass es unmöglich wäre, ihnen
allen hier namentlich zu danken. Wir können hier daher nur kollektiv, aber umso herzlicher
danken: dem BMBF für die Förderung und den Projektträgern (zunächst DLR, dann PTKA) für
die Betreuung; allen am Projekt beteiligten MitarbeiterInnen und Mitarbeitern der Verbund-
partner, den Vertreterinnen und Vertretern der Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften und
Netzwerke, die uns als Transferpartner unterstützt haben, und – und nicht zuletzt – den Verant-
wortlichen in den beteiligten Unternehmen und den vielen Beschäftigten und Führungskräften,
die sich von uns haben befragen, interviewen und beobachten lassen.

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Projektvorstellung PRÄGEWELT

                       Die vorliegende Broschüre ist ein Ergebnis des Forschungs- und
                       Gestaltungsprojekts PRÄGEWELT – Präventionsorientierte Gestaltung
                       neuer Open-Space-Arbeitswelten, das wir zwischen 2016 und 2019
                       durchgeführt haben. Die vier Projektpartner – zwei wissenschaftliche
                       Institute und zwei Praxispartner – haben mit insgesamt 22 Unterneh-
                       men zusammengearbeitet, um herauszufinden, wie und warum Unter-
nehmen derzeit ihre Büros um- oder neu gestalten. Mit acht Unternehmen haben wir intensiver
zusammengearbeitet und erhoben, wie Führungskräfte und Beschäftigte die Open-Space-Bü-
ros wahrnehmen und welche Vor- und Nachteile sie sehen. Mit fünf Unternehmen haben wir
darüber hinaus an Optimierungsmöglichkeiten gearbeitet und die dabei entwickelten Gestal-
tungsansätze auch erprobt.

Das Verbundprojekt „PRÄGEWELT – Präventionsorientierte Gestaltung neuer Open-Space-Ar-
beitswelten“ untersucht den gegenwärtigen Wandel der Büroraumorganisation und fragt nach
den Folgen für Arbeit und Gesundheit der Beschäftigten in den neuen, offenen Büroräumen
(Open Space). Ziel ist es, auf der Basis einer ganzheitlichen, interdisziplinären Analyse Ansätze
für eine gesundheitsförderliche Gestaltung von Open Space-Büroarbeitswelten zu entwickeln.

PRÄGEWELT wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm
„Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ gefördert und vom
Projektträger Karlsruhe (PTKA) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) betreut. Im Ver-
bund arbeiten Wissenschaftspartner und Praxispartner zusammen:

• Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung München e.V. – ISF München (Verbund-
  koordination)

• Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Arbeitsgruppe Wirtschaftspsychologie am Institut für
  Psychologie

• AECOM Deutschland GmbH, München

• RBS Projektmanagement GmbH, München

Das Projekt hat eine Laufzeit vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Juli 2019.
Weitere Informationen unter www.praegewelt.de

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Inhalt

Vorwort                                                                             3

Projektvorstellung PRÄGEWELT                                                        4

1.   Einleitung                                                                     6

2.   Das Projekt PRÄGEWELT – Fragestellungen, Forschungsdesign, empirische Basis    8

3.   Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung – Ergebnisse der
     PRÄGEWELT-Untersuchungen                                                      10
     Hub and Home: Zukunft des betrieblichen Büros                                 10
     Open Space: Viele Ziele – eine Lösung                                         10
     Das Open-Space-Büro aus der Sicht von Beschäftigten und Führungskräften:
     Gemischte Gefühle                                                             11
     Typische Problemkonstellationen im Open-Space-Büro                            14
     Widersprüchliche Ziele: Spannungsfelder des Open Space                        15

4.   Open Space. Besser machen                                                     18
     Change-Prozess: Veränderung begleiten                                         19
     Gestaltung: Raum geben                                                        21
     Glaubwürdigkeit: Vertrauen schaffen                                           22
     Raumlernen: Anpassung unterstützen                                            24
     Raum organisieren: Optionen und Autonomie                                     25

5.   Open Space als (Lern-)Prozess: Was man auch nach dem Umzug noch tun kann      26
     PRÄGEWELT-Balance-Workshop                                                    27
     PRÄGEWELT-Reflexionstool                                                       34

Nachwort: Das Open-Space-Büro und die Corona-Krise                                 46

Literaturverzeichnis                                                               47

Der Projektverbund                                                                 49

Transferpartner des Projekts PRÄGEWELT                                             50

Impressum                                                                          51

                                                                                   5
Open Space. Besser machen - Nick Kratzer (Hrsg.) Eine Praxisbroschüre des Projekts PRÄGEWELT - "Präventionsorientierte Gestaltung neuer ...
1.     Einleitung

Werden Büros weiterhin eine zentrale Rolle in       zeptionell der Idee des „Activity-Based Work-
der Arbeit spielen – oder wird das Büro auf-        place“ – verschiedene Tätigkeitsanforderungen
grund der Digitalisierung an Bedeutung verlie-      brauchen unterschiedliche Arbeitsmöglich-
ren, weil es egal ist, wo man arbeitet? Unsere      keiten (etwa Eisele u.a. 2017; Rolfö u.a. 2017)
These ist: Das betriebliche Büro wird zwar          – und ihr wesentliches Gestaltungselement
zukünftig nur einer von mehreren Orten sein,        ist die Integration dieser unterschiedlichen
an denen gearbeitet wird, aber es wird (wei-        Arbeitsmöglichkeiten (Raumzonen und Räume)
terhin) eine ganz zentrale Rolle spielen: als       in einer offenen Fläche, deshalb ja auch: „Open
„Hub“, also als Kommunikationszentrale, und als     Space“.
„Home“, als soziale Heimat und physischer Ort, in
dem das Unternehmen als Miteinander erfahrbar       Und wenn Unternehmen derzeit Büros neu-
wird (Kratzer 2017). Und das nicht trotz, sondern   oder umbauen, dann entstehen zumeist solche
gerade wegen der Digitalisierung: Wenn Anforde-     Open-Space-Büros (Kratzer 2017) und das wird
                                   rungen, Struk-   wohl – trotz Corona-Pandemie – vorerst der
  Das betriebliche Büro wird       turen      und   herrschende Trend bleiben (siehe dazu auch das
  weiterhin eine zentrale Rolle Prozesse kom-       Nachwort zum Open-Space-Büro in der Coro-
  spielen: als „Hub“und als        plexer     und   na-Krise). Aber während die einen darin eine
  „Home“                           dynami scher     Antwort auf die Herausforderungen der – digi-
                                   werden, dann     talisierten, flexiblen, entgrenzten – Arbeitswelt
müssen Informationen besser vernetzt, Arbeits-      sehen, befürchten die anderen die Wiederkehr
weisen flexibler gestaltet, Entscheidungen schnel-   des klassischen Großraumbüros, bei dem es
ler getroffen und (Vertrauens-)Beziehungen          vor allem um Kostensenkung geht und dessen
stabilisiert werden – und das geht am besten        Nachteile gut dokumentiert sind. Die gegen-
im unmittelbaren Austausch an einem Ort: dem        wärtige Arbeitswelt ist allerdings schon stres-
betrieblichen Büro.                                 sig genug – da sollte das Büro nicht auch noch
                                                    zur Belastung werden. Und wenn jetzt viele
Die Büroform, die diese Funktion unterstüt-         Unternehmen ihre Büros als Open-Space-Büros
zen soll, ist das „Open Space“: Auch wenn           anlegen, dann stellt sich die Frage, wie man das
die gegenwärtigen Bürotrends verschiedene           so macht, dass die Menschen sich darin wohl-
Namen haben (neben „Open Space“ etwa                fühlen und gut arbeiten können. Darum geht es
„Modern Workspace“, Multispace“ u.a.) und           in der vorliegenden Broschüre.
sich die neuen Büros in ihrer jeweiligen Aus-
gestaltung durchaus unterscheiden (Größe,           Im Zentrum stehen bei uns die Nutzenden,
Ausstattung, mit oder ohne feste Arbeitsplätze      also die Beschäftigten und Führungskräfte,
usw.) – zwei Merkmale haben sie gemein-             die in einem Open Space arbeiten: Was gefällt
sam: Die neuen Bürokonzepte folgen kon-             ihnen am Open Space, was stört oder belastet

                                                                                                 6
Open Space. Besser machen - Nick Kratzer (Hrsg.) Eine Praxisbroschüre des Projekts PRÄGEWELT - "Präventionsorientierte Gestaltung neuer ...
Einleitung

sie? Wir haben dazu mit wissenschaftlichen        hende Open-Space-Büros ergeben. Im vierten
Methoden untersucht, wie zufrieden Beschäf-       Kapitel („Open Space. Besser machen“) prä-
tigte und Führungskräfte mit „ihrem“ Open-        sentieren wir fünf Faktoren, die nach unseren
Space-Büro sind und was sie zufrieden oder        Befunden einen Einfluss darauf haben, wie
auch unzufrieden macht – und welche Gestal-       das Open Space von den Beschäftigten wahr-
tungsanforderungen daraus resultieren. Die        genommen wird. Im fünften Abschnitt geht es
wesentlichen Erkenntnisse sind, kurz zusam-       dann darum, was man tun kann, wenn Pla-
mengefasst (vgl. Kapitel 3):                      nung und Umzug bereits abgeschlossen sind,
                                                  wie man also bestehende Open-Space-Büros
Ein Open-Space-Büro hat Vor- und Nachteile.       „besser macht“.
Das perfekte Open-Space-Büro gibt es nicht,
aber man kann es besser oder schlechter machen.   Als offene, flexible Arbeitsumgebung, aber auch
                                                  als Raum einer dynamischen Organisations-
Es sind nicht allein Raumfaktoren, die darüber    entwicklung ermöglicht – und erfordert – das
entscheiden, ob man sich in einem Open-           Open Space-Büro veränderte Arbeits-, Ver-
Space-Büro wohlfühlt und gut arbeiten kann        haltens- und Umgangsweisen. In den meisten
– wichtig sind auch organisatorische und kul-     Checklisten, Leitfäden und Beratungsangeboten
turelle Faktoren.                                 zum Open-Space-Büro geht es um die Planung
                                                  und Gestaltung des Büros und evtl. noch um den
Open Space ist ein Prozess, der nicht auf den     damit verbundenen Veränderungsprozess, nicht
Wandel der physischen Arbeitsumgebung be-         aber darum, wie man es nutzt und mit dessen
schränkt ist – und auch nicht mit dem Umzug       Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen
endet. Auch nach dem Umzug geht es dar-           umgeht. Wir stellen zwei Tools vor (PRÄGEWELT-
um, das Open Space den Anforderungen und          Balance-Workshop und PRÄGEWELT-Reflexions-
Bedürfnissen anzupassen.                          tool), die wir im Projekt entwickelt und erprobt
                                                  haben und die Unternehmen (und auch hier wie-
Daran ansetzend, haben wir zusammenge-            der vor allem: den Leuten, die das Büro praktisch
stellt, welche Folgerungen sich aus unseren       nutzen) dabei helfen können, ihre Arbeits-, Ver-
Erkenntnissen für die Planung und Umsetzung       haltens- und Umgangsweisen um- oder auch
von Open-Space-Büros sowie für bereits beste-     immer wieder neu einzustellen.

                                                                                                7
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2.    Das Projekt PRÄGEWELT
      Fragestellungen, Forschungsdesign, empirische Basis

Ausgehend von einer wissenschaftlichen Un-       Bedingungen ab, sondern vom Zusammen-
tersuchung von Wahrnehmung und Wirkung           spiel mehrerer verschiedener Faktoren. Ent-
neuer Open-Space-Büros entwickelte und           sprechend erfasste die Untersuchung nicht
erprobte das Projekt PRÄGEWELT Ansatz-           nur Raummerkmale und deren Wahrnehmung
punkte für eine präventionsorientierte Gestal-   durch Beschäftigte und Führungskräfte, son-
tung von Open-Space-Büros. Es stellte sich die   dern auch relevante Merkmale der Organisa-
Frage: Wie gestaltet und organisiert man Open-   tion (u.a. Struktur, Kultur, Entwicklung, inklu-
Space-Büros so, dass die Arbeitsumgebung         sive des Veränderungsprozesses in Richtung
selbst möglichst geringe Belastungspoten-        Open-Space-Büro), der Arbeit (u.a. Organisa-
ziale bietet, im Idealfall sogar als Ressource   tion, Kooperation, Anforderungen, Tätigkeits-
für eine anspruchsvollere, komplexere und        bestandteile) und der Person (u.a. Soziodemo-
dynamischere Arbeitswelt wirksam wird?           grafie, Bürobiografie, Umgangsweisen).

Den empirischen Untersuchungen im PRÄ-           Die Arbeiten im Projekt erfolgten in drei Pha-
GEWELT-Projekt liegt die Annahme zugrunde,       sen: In der ersten Phase wurden im Rahmen
dass es unterschiedliche Perspektiven auf das    einer Trendanalyse eine Online-Befragung
Open-Space-Büro gibt (vgl. dazu auch Krat-       mit Bürobeschäftigten, Kurzfallstudien in 18
zer 2017). Wahrnehmung und Wirkung von           Betrieben sowie Workshops mit überbetrieb-
Open-Space-Büros hängen nicht von einem          lichen ExpertInnen durchgeführt (vgl. zum
einzelnen Einflussfaktor (etwa der Größe des      Design und den Ergebnissen Kratzer 2017;
Büros) und auch nicht nur von räumlichen         Kratzer/Lütke Lanfer 2017). An die Trend-

                                                                                              8
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Das Projekt PRÄGEWELT

analyse schloss sich eine Phase der Intensiv-    in Open-Space-Büros dienten der Erhebung
empirie in acht Betrieben an: Hier wurden in     von Anforderungen, Wahrnehmungen und dem
Open-Space-Büros, die teils schon seit län-      Umgang mit den offenen Arbeitswelten. Mit
gerem bestanden, teils erst kürzlich bezogen     einer quantitativen Online-Befragung wurden
wurden, Intensivfallstudien in einem Mixed-Me-   die Arbeitsbedingungen, die Raumbewertung
thods-Design durchgeführt, bei dem insbeson-     und Raumnutzung sowie das Befinden erfasst.
dere vier methodische Instrumente kombiniert     Durch Beobachtungen wurden Raummerk-
wurden: Expertengespräche (Management,           male, Interaktionen und unbewusstes Verhal-
Betriebsrat, Real Estate u.a.) beleuchteten      ten im Raum erhoben. Die dritte Phase diente
den betrieblichen Kontext und den Weg ins        schließlich – in Zusammenarbeit mit fünf Be-
Open Space. Leitfadengestützte Intensivinter-    trieben – der Entwicklung und Erprobung von
views mit Beschäftigten und Führungskräften      Gestaltungsansätzen.

                                                                                          9
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3.     Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung
       Ergebnisse der PRÄGEWELT-Untersuchungen

Hub and Home:                                       nisse. Dennoch: Als recht sicher gilt, dass der
Zukunft des betrieblichen Büros                     Trend jetzt und in absehbarer Zukunft in Rich-
                                                    tung offener Büros geht (Kratzer 2017).
Mit der Digitalisierung wird Arbeit ortsunab-
hängig(er) und lässt sich Arbeit leichter über      Open Space:
verschiedene Orte hinweg vernetzen. Aber hat        Viele Ziele – eine Lösung?
das betriebliche Büro dann überhaupt noch
eine Zukunft? Könnte man es nicht ganz auf-         Open-Space-Büros sollen aus der Sicht der
geben und von zu Hause aus oder in Cowor-           Entscheider in den Unternehmen verschie-
king-Spaces arbeiten? Die Trendanalyse lie-         dene Vorzüge gegenüber herkömmlichen
ferte dazu ein ganz klares Ergebnis: Ein Großteil   Büros (Zellenstruktur mit Einzelzimmer und
der Beschäftigten (62,5% von insgesamt 808          kleineren Mehrpersonenbüros) haben (vgl.
Befragten) gab an, dass für ihre Tätigkeit in       dazu im Einzelnen Kratzer 2017):
den nächsten zehn Jahren weiterhin ein Büro-
arbeitsplatz beim Arbeitgeber notwendig sein        • Effizienz: Über eine bessere Flächennut-
wird (Kratzer/Lütke Lanfer 2017). Und die 42          zung sollen Kosten gesenkt werden, aber
befragten betrieblichen ExpertInnen waren             auch die Arbeitsorganisation soll durch die
sich, mit einer Ausnahme, ebenfalls einig: Das        offene Struktur effizienter werden (etwa
betriebliche Büro hat nicht nur Zukunft, es wird      durch schnellere Abstimmungsprozesse).
sogar wichtiger. Und zwar nicht trotz, sondern
wegen der Digitalisierung. Das betriebliche         • Kommunikation und Kooperation: Durch
Büro wird zwar zukünftig nur einer von meh-           die offene Raumgestaltung und zusätzliche
reren Orten sein, an denen gearbeitet wird,           Raumoptionen sollen die Zusammenarbeit
aber es wird eine zentrale Rolle spielen: als         verbessert, die Kommunikation und der In-
„Hub“, als Umschlagplatz für Informationen            formationsfluss erleichtert werden.
und Ideen, und als „Home“, als soziale Heimat
und physischer Ort, in dem das Unternehmen          • Flexibilität: Im Verbund mit digitalen Tech-
als Miteinander erfahrbar wird (Kratzer 2017).        nologien soll ortsflexibles Arbeiten im Büro
                                                      ermöglicht werden, zudem sollen Reorga-
Aber wie wird es aussehen, das betriebliche           nisationsprozesse (Neuschneidung von Ab-
Büro? Verlässliche Daten gibt es dazu nicht, da       teilungen, Veränderung von Projektteams
es keine Statistiken gibt, die erheben, wie viele     etc.) schneller und effizienter umgesetzt
Menschen in Deutschland welchen Arbeitsplatz          werden können.
haben und wie sich das über die Zeit verändert.
Und die Befragungen, die es gibt, liefern kaum      • Attraktivität: Mit einer attraktiven Gestaltung
vergleichbare, oft auch widersprüchliche Ergeb-       und Ausstattung des Büros sollen die Moti-

                                                                                                10
Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung

  vation und Leistungsfähigkeit der Beschäf-        Das Open-Space-Büro aus der Sicht
  tigten gesteigert und die Attraktivität des       von Beschäftigten und Führungs-
  Unternehmens für Mitarbeitende, gesuchte          kräften: Gemischte Gefühle
  Fachkräfte und Kunden erhöht werden.
                                                    Eine Schlüsseldimension für die Bewer-
• Kulturwandel: Die offene und moderne Ge-          tung der Wahrnehmung und Wirkung von
  staltung soll Ausdruck einer veränderten          Open-Space-Büros auf Arbeit und Gesund-
  Unternehmenskultur (flachere Hierachien,           heit ist die Zufriedenheit mit der (neuen)
  informellere Strukturen, Selbstorganisa-          Arbeitsumgebung (vgl. dazu etwa Rolfö u.a.
  tion u.a.) sein und selbst zum Wandel der         2017; Bauer 2014). Die Zufriedenheit bün-
  Kultur beitragen, etwa indem auch Füh-            delt die Wahrnehmung und ist nicht nur für
  rungskräfte ihr Einzelbüro aufgeben und           die Akzeptanz wichtig, sondern steht auch in
  damit „zugänglicher“ werden.                      einem Zusammenhang mit anderen relevan-
                                                    ten Dimensionen: Wer die Arbeitsumgebung
Bei der unternehmerischen Entscheidung für          gut findet, ist auch mit der Arbeit insgesamt
ein Open-Space-Büro spielen verschiedene Inter-     zufrieden, fühlt sich an seinem Arbeitsplatz
essen und Erwartungen eine Rolle. Es geht nicht     wohl, ist motivierter und dann eben auch
nur um die Kosten – ein Großraumbüro alter          leistungsfähiger, produktiver und gesünder
Prägung wäre wohl weitaus günstiger –, aber         (etwa Hoendervanger u.a. 2018; Bauer 2014;
ohne potenzielle Kostenvorteile ließen sich wohl    Rashid/Zimring 2008; Veitch u.a. 2007). Frage
auch die anderen Motive nicht so gut argumen-       also: Wie zufrieden sind Beschäftigte und
tieren. Dass sich – zumindest potenziell – meh-     Führungskräfte mit dem Open-Space-Büro?
rere Ziele mit einer Büroform erreichen lassen,
macht für die Unternehmen den besonderen            Insgesamt sind in den Fallbetrieben der Inten-
Charme des Open-Space-Büros aus: Es ist, so         sivempirie etwas mehr als die Hälfte der
die Idee, die richtige Antwort auf die veränder-    Befragten mit der Büroumgebung im Allge-
ten Herausforderungen (Beschleunigung, Fle-         meinen zufrieden oder sogar sehr zufrieden.
xibilität, Innovationsdruck u.a.) und neuen Mög-    Ein Viertel ist dagegen unzufrieden oder sehr
lichkeiten (Digitalisierung) der gegenwärtigen      unzufrieden und ein Fünftel der Befragten ihrer
Arbeitswelt – und vielleicht auch noch günstiger.   Büroumgebung gegenüber neutral eingestellt.

                                                                                               11
Das Open-Space-Büro aus der Sicht von Beschäftigten und Führungskräften: Gemischte Gefühle

                                                                       Das ist, je nach Sichtweise
                                                                       (Befürworter     oder   Geg-
                                                                       ner), ein gutes oder auch ein
                                                                       schlechtes Ergebnis für das
                                                                       Open-Space-Büro, es ist aber
                                                                       vor allem ein uneindeutiges
                                                                       Ergebnis – das noch unein-
                                                                       deutiger wird, wenn man die
                                                                       Aussagen aus den Interviews
                                                                       hinzuzieht: Nur ganz wenige
                                                                       Interviewte sind ganz ein-
                                                                       deutig zufrieden oder unzu-
                                                                       frieden. Die meisten sehen
Fokusbox 1: Auswirkungen auf Arbeit und Gesundheit in der
                                                                       sowohl Vor- als auch Nach-
Literatur – kein klares Bild                                           teile. Die Unterschiede sind
                                                                       also relativ: die Zufriede-
Welche Auswirkungen neue, offene Bürokonzepte auf Arbeit und           nen sehen mehr Vorteile als
Wohlbefinden von Beschäftigten haben, ist bislang sowohl unklar als
                                                                       Nachteile oder bewerten die
auch umstritten: Lütke Lanfer und Pauls kommen in einer systema-
                                                                       Vorteile höher als die Nach-
tischen Literaturrecherche zu dem Ergebnis einer „heterogene(n)
Befundlage für den Zusammenhang zwischen Bürokonzept und psy-          teile, bei den Unzufriedenen
chischem Befinden“ (Lütke Lanfer/Pauls 2017, S. 5). Das uneindeu-       ist es umgekehrt.
tige Gesamtbild führen sie zum einen auf „die relativ geringe Anzahl
von Studien, den Mangel an Längsschnittstudien und die Verschie-       Positiv werden insbesondere
denheit der Untersuchungsgegenstände“ zurück, zum anderen dar-         Aspekte wie ein besserer In-
auf, dass die betrachteten Untersuchungen jeweils widersprüchliche
                                                                       formationsfluss, ein größeres
Befunde liefern (ebd.; vgl. dazu auch de Croon u.a. 2005; Engelen
                                                                       Gemeinschaftsgefühl, die im
u.a. 2018; Rolfö u.a. 2017). So berichten etwa Haner und Wacker-
nagel (2018), dass das „Multispace“-Büro nicht nur die Umsetzung       Vergleich zum vorigen Büro
von Unternehmenszielen unterstützt, sondern auch die gelebte           modernere und attraktivere
Zusammenarbeit und die Unternehmensattraktivität erhöht. Andere        Gestaltung und Ausstattung
Studien deuten dagegen darauf hin, dass bei offenen Büros negative     (z.B. mit höhenverstellbaren
Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit, das physische und psy-      Tischen) sowie eine einfa-
chische Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten
                                                                       chere Verfügbarkeit von Füh-
zu beobachten sind (Herbig/Schneider/Nowak 2016; Richardson u.a.
                                                                       rungskräften gesehen. Nega-
2017).
                                                                       tiv wahrgenommen werden
                                                                       vor allem die schlechtere
                                                                       Akustik, häufigere Unterbre-

                                                                                                  12
Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung

chungen bzw. Störungen, die geringere                       Vor- und Nachteilen ist. Und sie zeigen, dass
Vertraulichkeit, fehlende/nicht ausreichende                Zufriedenheit keineswegs vor Belastungen
Rückzugsräume und klimatische Probleme                      schützt. Auch wer mit dem Open-Space-Büro
(Hitze/Kälte, Luft). Die Befunde zeigen, dass               im Allgemeinen zufrieden ist, kann Belastun-
die Zufriedenheit (oder Unzufriedenheit) mit                gen wie Lärm, Temperaturschwankungen,
dem Open Space das Ergebnis einer Abwä-                     Unterbrechungen oder auch einer fehlenden
gung von verschiedenen (wahrgenommenen)                     Privatsphäre ausgesetzt sein.

                                                              Führungskräfte als unzufriedene Verlierer (Status,
  Fokusbox 2: Das Open-Space-Büro – nichts für
  Ältere, vor allem was für Frauen?                           Einzelbüro, Störungen) oder als Profiteure (dich-
                                                              tere Kommunikation, mehr Kontrollmöglichkeiten
  Immer wieder wird vermutet, dass soziodemogra-              etc.). Die quantitativen Ergebnisse zeigen, dass die
  fische Merkmale, also etwa Alter und Geschlecht,             befragten Führungskräfte das offene Büro positiver
  einen Einfluss darauf haben, wie das Open-Space-             bewerten als die Mitarbeitenden – allerdings sind
  Büro wahrgenommen wird. So in etwa: Frauen tun              die Unterschiede in den Bewertungen nicht signifi-
  sich leichter, weil sie kommunikativer sind und nicht       kant. Den größten Anteil zufriedener oder sehr
  so auf Territorien beharren; Jüngere finden das Open         zufriedener Führungskräfte gibt es bei den Fragen
  Space besser als Ältere, weil sie aufgeschlossener          nach der Unterstützungsfunktion der Arbeitsum-
  für moderne Organisationsformen sind oder weni-             gebung („Meine Büroumgebung unterstützt mich
  ger Wert auf einen eigenen Arbeitsplatz legen usw.          bei der Erledigung meiner Arbeitsaufgabe“) und
  Auch wenn derartige Vermutungen manchmal nach-              nach der Passung zwischen Büro und Unterneh-
  vollziehbar sind, empirisch belegen lassen sie sich         menskultur („Bei uns passen Büroumgebung und
  zumindest für die Frage der Zufriedenheit nicht: In der     Unternehmenskultur sehr gut zusammen“): 54%
  PRÄGEWELT-Befragung haben weder Geschlecht                  der Vorgesetzten stimmen hier jeweils zu, bei den
  noch Alter einen signifikanten Einfluss darauf, wie           Mitarbeitenden nur 43% (Unterstützung) bzw. 40%
  zufrieden jemand mit dem Open-Space-Büro ist.               (Passung). Führungskräfte und Beschäftigte sind
                                                              sich auch bei den negativeren Bewertungen rela-
                                                              tiv einig, aber auch hier mit dem schon bekannten
                                                              Abstand: 38% der Führungskräfte sind mit den
  Fokusbox 3: Führungskräfte und Mitarbeitende:
  Wer ist zufriedener oder unzufriedener?                     Rückzugsmöglichkeiten sehr zufrieden oder zufrie-
                                                              den (Beschäftigte: 29%) und die Akustik finden auch
  Ein möglicher Einflussfaktor auf Wahrnehmung                 nur 20% der Führungskräfte gut (Beschäftigte:
  und Wirkung des Open Space könnte der betrieb-              15%). Insgesamt also doch ein relativ klares Muster:
  liche Status sein. Konträre Effekte sind denkbar:           Die Führungskräfte sind etwas zufriedener mit dem

                                                                                                                13
Typische Problemkonstellationen im Open-Space-Büro

Open-Space-Büro als die Beschäftigten – sie bewer-   Typische Problemkonstellationen
ten die positiveren Merkmale noch etwas positiver    im Open-Space-Büro
und die negativen Aspekte etwas weniger kritisch.
                                                     Welche Vor- oder Nachteile ein Open-Space-
                                                     Büro hat, ist kaum pauschal zu beantworten:
Fokusbox 4: Führungskräfte und das Problem
                                                     Nicht nur fällt die Wahrnehmung unterschied-
spontaner Vertraulichkeit                            lich aus, auch die Büros sind – bei gleicher
                                                     Grundkonzeption – unterschiedlich: Gestal-
Führungskräfte und Mitarbeitende haben oft ganz      tung, Größe und Anordnung, Organisation
ähnliche Wahrnehmungen des Open Space, aber          (mit/ohne Desk Sharing, mit/ohne Sharing
ein paar spezielle Probleme haben Führungs-          Ratio, Spielregeln etc.).
kräfte dennoch: So sind sie zwar sehr angetan
davon, dass ihre Mitarbeitenden jetzt sichtbarer     Aber: Bei allen Unterschieden tauchen doch
sind und die Führungskräfte, auch ganz beiläu-       immer wieder Problemkonstellationen in einer
fig, mehr mitbekommen, aber das gilt genauso          Häufigkeit auf, dass sie als typisch gelten kön-
andersherum. Auch sie sind jetzt sicht- und vor      nen (vgl. etwa Becker/Kratzer/Lütke Lanfer
allem auch greifbarer, was sie durchaus vor Pro-     2019; Herbig/Schneider/Nowak 2016; Richter/
bleme stellt. Neben den häufigen Ablenkungen          Cernavin 2016; Kim/de Dear 2013):
und Unterbrechungen, die das mit sich bringt,
stellt sich ihnen vor allem die Frage der (Her-      • Unruhe: Das offene Büro ist eine „unruhi-
stellung von) Vertraulichkeit. Die mit der räum-       ge“ Arbeitsumgebung. Akustische Störun-
lichen Offenheit verbundene Transparenz fordert        gen, Unterbrechungen oder auch Ablen-
Führungskräfte insbesondere in folgenden drei          kungen durch Andere bewirken, dass die
Tätigkeitsbereichen heraus: bei fachlichen Aus-        Arbeitsumgebung als belastend wahrge-
einandersetzungen mit Mitarbeitenden, Exter-           nommen werden und konzentriertes Arbei-
nen, Kunden etc.; bei Personalthemen, also             ten erschwert wird.
Gesprächen mit den Mitarbeitenden (Beurteilung,
Entwicklung, Arbeitsweise, Konflikte etc.) oder       • Privatheit: Mit dem offenen Büro ist eine
auch der Personalabteilung (über Bewerbun-             höhere Sichtbarkeit verbunden, die zwar
gen, Mitarbeitende, Entwicklungsperspektiven           Vorteile hat (etwa bei der Anbahnung von
etc.); bei der Gewährleistung von Datenschutz          Gesprächen), aber auch Nachteile, zum
und Geheimhaltung von Personaldaten oder               Beispiel einen subjektiv belastenden Man-
Informationen über Geschäftsprozesse, Kunden,          gel an Privatheit und Probleme in Bezug
externe Mitarbeitende, strategische Überlegun-         auf die Vertraulichkeit, etwa von Daten oder
gen u.a. Führungskräfte müssen nicht nur auf-          auch Personalinformationen.

                                                                                                  14
Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung

• Raummangel: Eine weitere Problemkon-              passen, was sie wann wie und zu wem sagen,
  stellation besteht in zu engen Abständen          sondern auch, was sie wann ausdrucken, was
  zwischen den Schreibtischen, einem Man-           auf ihrem Arbeitsplatz liegt und was auf ihrem
  gel an Ausweichmöglichkeiten im Raum              Bildschirm zu sehen ist. Vertraulichkeit wird im
  und/oder fehlenden Rückzugsräumen.                Open Space zu einem Organisationsproblem und
                                                    dieses Organisationsproblem ist umso schwie-
Diese drei Problemkonstellationen sind eng          riger zu lösen, je spontaner oder „unorganisier-
miteinander verbunden und können sich               ter“ es auftritt. Für lang geplante Gespräche, ob
wechselseitig verstärken oder auch abschwä-         vor Ort oder am Telefon, lässt sich ein entspre-
chen: So können z.B. ausreichende und leicht        chender Raum organisieren, für kurzfristiger
zugängliche Rückzugsmöglichkeiten Unruhe-           relevante Themen und/oder Gesprächsnotwen-
und Privatheitsprobleme mildern oder ein zu         digkeiten steht aber oft spontan kein Raum zur
geringer Abstand zwischen den Schreibtischen        Verfügung. Die Herstellung von Vertraulichkeit
kann sowohl mit akustischen Störungen ver-          wird deshalb zu einer eigenständigen Aufgabe,
bunden sein als auch für einen Mangel an Pri-       deren Bewältigung räumliche und organisatori-
vatheit sorgen.                                     sche Ressourcen ebenso wie spezifische Raum-
                                                    nutzungsstrategien erfordert. Auf der PRÄGE-
Widersprüchliche Ziele:                             WELT-Homepage findet sich eine Guideline zum
Spannungsfelder des Open Space                      Thema „Führung im Open Space“.

Eine Folge dieser Problemkonstellationen
ist auch, dass die mit der Umsetzung von            Fokusbox 5: Open-Space-Büros: Nicht mehr,
Open-Space-Büros verbundenen Ziele nicht            sondern weniger Kommunikation?
gleichermaßen erreichbar sind bzw. in Wider-
spruch zueinander geraten. Open-Space-Bü-           2018 erschien eine vielbeachtete Studie von
ros sind in der Folge durch spezifische Span-        zwei Wissenschaftlern der Harvard University
nungsfelder gekennzeichnet, die von den             (Bernstein/Turban 2018). Diese hatten gemes-
Beschäftigten als Belastung bzw. Herausfor-         sen, wie sich Art und Häufigkeit von Interaktio-
derung wahrgenommen werden (vgl. zum Fol-           nen vor und nach dem Umzug in einen „Open
genden Becker/Kratzer/Lütke Lanfer 2019):           Workspace“ verändern. Ergebnis: Die direkten
                                                    Interaktionen („Face-to-face“) gingen stark – um
• Kommunikation vs. Konzentration: Das              rund 70% – zurück und dieser Rückgang wurde
  Open-Space-Büro soll durch räumliche Of-          nur teilweise durch einen Anstieg elektronischer
  fenheit und die Bereitstellung von Kommu-         Interaktionen ausgeglichen. Nach dieser Studie
  nikationszonen die persönliche Interaktion        wird also eine der wichtigsten Zielstellungen
  erleichtern, die Anbahnung von Gesprä-

                                                                                                   15
Widersprüchliche Ziele: Spannungsfelder des Open Space

von Open-Space-Büros grandios verfehlt: Statt           chen fördern, Abstimmungsprozesse ver-
mehr wird weniger kommunziert – nicht zuletzt,          kürzen und für eine höhere Transparenz
weil man die anderen nicht stören möchte. Diese         von Informationen sorgen. Auf der anderen
Ergebnisse lassen sich kaum mit den PRÄGE-              Seite können Offenheit, integrierte Kom-
WELT-Befunden vergleichen, zu verschieden sind          munikationsbereiche und höhere Sicht-
Forschungsdesign und Methoden – und zu unter-           barkeit auch dazu führen, dass die konzen-
schiedlich sind auch die Betriebsfälle in unse-         trierte Einzelarbeit deutlich erschwert wird,
rem Sample: Wir waren in sehr „stillen“ Büros           insbesondere durch akustische Störungen,
(in denen aber umso häufiger gechattet wurde)            Unterbrechungen und Ablenkungen.
und auch in sehr lebhaften, in denen fleißig kom-
muniziert wurde. Bestätigen können wir aber in       • Sichtbarkeit vs. Vertraulichkeit: Durch die
jedem Fall, dass es ein Spannungsfeld zwischen         räumliche Offenheit entsteht eine höhe-
Kommunikation und Konzentration gibt. Die-             re Sichtbarkeit und diese soll für mehr
ses Spannungsfeld wird mal mehr in Richtung            Transparenz und einfachere Zugänglich-
Kommunikation gelebt – dann ist konzentrier-           keit sorgen. Sichtbarkeit schafft aber auch
tes Arbeiten schwierig(er), mal mehr in Rich-          das Problem erschwerter Vertraulichkeit in
tung Konzentration – dann ist es still im Büro.        zweifacher Hinsicht: zum einen im Hinblick
Dennoch: Die meisten, mit denen wir in unse-           auf Privatheit und private Informalität im
rer Untersuchung gesprochen haben, berichten           Gespräch untereinander, zum anderen im
darüber, dass sie im offenen Büro mehr von den         Hinblick auf berufliche Vertraulichkeit, et-
anderen mitbekommen und das im Großen und              wa fachliche Konflikte, Personalgespräche
Ganzen auch gut finden – dass das allerdings oft        oder auch Kunden- oder Personaldaten.
ungewollt passiert und auf Kosten der Konzen-
tration geht. „Mehr mitbekommen“ hat, das deu-       • Flexibilität vs. individuelle Gestaltbarkeit:
tet sich in unseren Befunden ebenfalls an, viel        Modern Workspaces sind als flexibles Büro
mehr Facetten als „nur“ die unmittelbare Kom-          konzipiert, in dem die Beschäftigten je nach
munikation: Es geht auch um Informationen wie          Anforderung die verschiedenen Raumoptio-
Präsenz oder Abwesenheit, um Gespräche, die            nen nutzen. Damit der Raum flexibel nutz-
mitgehört, um Stimmungen, die miterlebt wer-           bar ist, bedarf es eines relativ hohen Maßes
den usw. Präsenz und Sichtbarkeit der Anderen          an Standardisierung, etwa Arbeitsplätze
liefern eine Fülle von Informationen – auch wenn       mit identischer Ausstattung und Regeln für
man das gar nicht will oder braucht.                   deren Benutzung (z.B. eine „Clean-Desk-
                                                       Policy“). Folge ist aber zugleich, dass Ar-
                                                       beitsplätze und Arbeitsmöglichkeiten nur in
                                                       geringem Maße (wenn überhaupt) individu-
                                                       ell gestaltbar sind. Fehlende Gestaltungs-

                                                                                                    16
Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung

  möglichkeiten können sich aber negativ            Fokusbox 6: Die Hölle, das sind die Anderen –
  auswirken: im Hinblick auf das Wohlbefin-          zur strukturellen Dualität von Open-Space-
  den, aber auch die Arbeitsweise, die nun an       Büros

  die Raumordnung angepasst werden muss.
                                                    Jean-Paul Sartres berühmtes Zitat stammt aus sei-
Diese Spannungsfelder spiegeln die unter-           nem Stück „Geschlossene Gesellschaft“, passt aber
schiedlichen, ja widersprüchlichen Ziele, die       manchmal auch auf offene Büros – so lesen sich
mit einem Open-Space-Büro erreicht werden           zumindest einige Interviewpassagen aus unserer
sollen. Deshalb haben sie auch besondere            Untersuchung. Die „Anderen“ sind nämlich, wenn
Eigenschaften: Auf beiden Seiten stehen posi-       es im Open-Space-Büro nicht gut läuft, tatsächlich
tive Erwartungen an das (offene) Büro. Weil         das Problem – und man selbst für die anderen auch.
aber beide Pole jeweils auf der gleichen Dimen-     Gesellschaft zeichnet sich, so der britische Sozio-
sion liegen, geraten die Positiverwartungen in      loge Anthony Giddens, durch die „Dualität der Struk-
Widerspruch zueinander: Mehr von dem einen          tur“ aus (Giddens 1995), und das meint in etwa, dass
ist nahezu automatisch weniger vom anderen.         gesellschaftliche Strukturen individuelles Handeln
Man kann Einiges dafür tun, dass konzentrier-       bestimmen, aber umgekehrt individuelles Handeln
tes Arbeiten besser möglich ist – von Raum-         auch die Struktur bestimmt. Ein Open-Space-Büro
teilern bis Spielregeln –, begrenzt damit aber      ist so etwas wie die Gesellschaft im Kleinen und der
zugleich die Kommunikation (und umgekehrt).         Einzelne ist hier immer beides: den Bedingungen
Man kann Maßnahmen für mehr Vertraulich-            und Grenzen des physischen Raums wie auch den
keit umsetzen, verliert aber an Transparenz         Handlungen der Anderen ausgesetzt. Und zugleich
usw. Das bedeutet: Diese Spannungsfelder            ist er selbst Teil der räumlichen und sozialen Umge-
gehören zum offenen Büro und man kriegt             bung der Anderen – und begrenzt und bestimmt
sie nie ganz weg – aber: Man kann sie gestal-       deren Handlungsmöglichkeiten. Wer konzentriert
ten und in eine relativ gute Balance bringen.       arbeiten will, wird dies eher leise tun, aber es nützt
Das war Anlass für uns, einen Workshop zu           nicht viel, wenn man als Einziger leise ist. Deshalb
entwickeln und zu erproben, der genau das           sind individuelle Lernprozesse – sich abschotten,
zum Ziel hat: zusammen mit Führungskräf-            „auf Durchzug“ stellen können usw. – wichtig, aber
ten und Beschäftigten im bestehenden Open           immer auch begrenzt und müssen durch kollektive
Space nach Balancen für die Spannungsfelder         Lernprozesse ergänzt werden. Ein Open-Space-
zu suchen, dafür Maßnahmen zu entwickeln            Büro ist ein Kompromiss – nicht nur zwischen den
und dann auch umzusetzen. Was es mit dem            verschiedenen Zielen, sondern auch zwischen den
„Balance-Workshop“ auf sich hat und wie man         Anforderungen und Bedürfnissen aller im Raum.
ihn durchführt, beschreibt das entsprechende        Gelingt das nicht, dann sind die Anderen, nun ja, die
Tool im Kapitel 5.                                  Hölle.

                                                                                                        17
4.        Open Space. Besser machen.

     Fokusbox 7: Spitzenreiter und Schlusslicht der       Es gibt also typische Problemkonstellationen
     Zufriedenheit mit dem Open-Space-Büro – ein          und Spannungsfelder, die dafür sorgen, dass das
     Fallvergleich                                        Open-Space-Büro nicht nur Vor-, sondern eben
                                                          auch Nachteile hat. Genau das sorgt für Belas-
     Fallvergleiche sind manchmal sehr lehrreich – so     tungen und gemischte Gefühle bei den Beschäf-
     auch der zwischen dem Spitzenreiter (92% Zufrie-     tigten und Führungskräften in unserer Studie.
     denheit mit dem Open Space) und dem Schluss-         Das perfekte Open-Space-Büro gibt es nicht.
     licht (45% Zufriedene) unserer Untersuchung.
                                                          Dennoch gibt es bei der gleichen Bürokonzeption
                                                          große Unterschiede in der Wahrnehmung und
     Beim „Spitzenreiter“ wurde ein bestehendes           Bewertung: In der einen Organisation sind knapp
     Open-Space-Büro erweitert und modernisiert.          über 90% mit dem Open-Space-Büro zufrieden
     Der Raum ist weitläufig, die Abstände zwischen        oder sehr zufrieden, am anderen Ende der Skala
     den Schreibtischen groß, ein Lichthof in der Mitte   steht eine Organisation, in der nur 45% zufrie-
     sorgt auch weit weg von den Fensterfronten für       den sind, die anderen Fälle liegen dazwischen.
     Tageslicht. Das Open-Space-Konzept ist konse-        Welche Faktoren sind es also, die dafür sorgen,
     quent und transparent umgesetzt: Alle, inklusive     dass das eine Open-Space-Büro sehr positiv, das
     der Geschäftsführung, haben ihren Arbeitsplatz       andere Open-Space-Büro aber von einer Mehr-
     in der offenen Fläche. Die meisten Beschäftig-       heit negativ wahrgenommen wird?
     ten haben einen festen Arbeitsplatz, wer wollte,
     konnte darauf aber auch freiwillig verzichten. Es    Unsere Untersuchung zeigt, dass es für Zufrie-
     gibt eine Vielzahl von Raumoptionen (Bespre-         denheit und Unzufriedenheit mit dem Open-
     chungsräume, Meeting-Boxen, Lounge-Berei-            Space-Büro eine ganze Reihe von Einflussfakto-
     che etc.) und einen Cafeteria-Bereich. Durch         ren gibt und dass die Gestaltung und Ausstattung
     die Gestaltung (u.a. Farbe) sind die verschiede-     des Open Space dabei eine wichtige, aber bei
     nen Raumzonen klar voneinander geschieden,           weitem nicht die einzige Rolle spielt: Ein Büro ist
     es gibt farblich markierte Verkehrswege, die so      nicht nur ein physischer, sondern vor allem ein
     angelegt sind, dass niemand mit dem Rücken           sozialer Raum. Dies gilt für alle Büros, erst recht
     zum Gang sitzt und Bildschirme kaum einsehbar        aber für Open-Space-Büros. Und der Wechsel
     sind. Und es gibt ganz klare Spielregeln, an die     von der einen zu einer anderen Büroform ist
     sich alle ziemlich konsequent halten.                nicht nur ein Umzug, sondern ein sozialer Pro-
                                                          zess – der mit dem Umzug noch längst nicht
     Dass beim „Schlusslicht“ die Zufriedenheit           abgeschlossen ist.
     mit dem Open-Space-Büro so niedrig ist, hat
     nicht nur damit zu tun, das das Open Space           Was also sorgt für mehr – oder weniger Zufrie-
     einen Bruch mit dem bisherigen Bürokonzept           denheit?

                                                                                                        18
Open Space. Besser machen.

Change-Prozess: Veränderung begleiten                darstellte, kaum jemand Erfahrung mit offe-
                                                     nen Büroflächen hatte und zum Zeitpunkt der
Open Space ist eine tiefgreifende                    Erhebung der Gewöhnungseffekt noch nicht so
Veränderung – und die muss begleitet                 umfassend war, sondern auch mit baulichen,
werden.                                              organisatorischen und sozialen Faktoren: Die
                                                     Open-Space-Flächen sind jeweils links und
Das Open-Space-Büro ist niemals final oder            rechts des zentralen Korridors angebracht, der
perfekt umgesetzt. Open Space will flexibel, um-      das gesamte Gebäude durchzieht. Der wichtigste
formbar und damit immer ein wenig „unfertig“         Verkehrsweg, der auch Cafeteria-Bereiche sowie
sein. Damit trägt es den heutigen Anforderungen      halboffene Besprechungsinseln enthält, geht
Rechnung: Strukturen, Organigramme, Arbeits-         damit mitten durch die Open-Space-Flächen. Die
weisen, Technologien – alles ist ständig in Bewe-    Beschäftigten sind durch das hohe Verkehrsauf-
gung. Möchte man Veränderungen erfolgreich           kommen und Besprechungen mit akustischen
umsetzen, helfen flexible, offene Strukturen: Die     Belastungen und Ablenkungen konfrontiert.
Arbeitsumwelt kann sich den sich verändernden        Diese werden noch dadurch verschärft, dass es
Teamgrößen, Teamaufteilungen, Arbeitsweisen          keine klaren, von allen geteilten Spielregeln für
und Technologien immer wieder neu anpassen.          das Verhalten im Korridor gibt und eine stärkere
Neben anderen Vorteilen (vgl. Kratzer 2017) ist      Abschottung (etwa durch Pflanzen oder Aufbau-
diese Flexibilität das vielleicht wichtigste Argu-   ten) nicht gestattet ist. Für die vergleichsweise
ment, einen Open Space umzusetzen.                   schlechte Stimmung sorgt aber insbesondere,
                                                     dass es auf einer Etage sowohl Open-Space-Flä-
• Ein Open Space verlangt eine andere Art            chen als auch Zellenbüros gibt. Warum das so
  der (Selbst-)Organisation. Mitarbeiter sol-        gestaltet wurde und wer welches Büro bekommt,
  len sich flexibel je nach Aufgabe neue Ar-          war nicht transparent. So gab es dann Arbeits-
  beitsorte suchen, jeder muss also für sich         plätze, die positiver (Zellenbüros), und solche,
  reflektieren: Was brauche ich, um hier gut          die negativer bewertet wurden (Open-Space-Flä-
  arbeiten zu können?                                chen), bei unklaren Kriterien für die Verteilung.
                                                     Hier zeigt sich, dass die Wahrnehmung des Open
• Teams müssen Routinen entwickeln, wie              Space nicht allein von Raumfaktoren abhängig
  sie im offenen Raum miteinander arbei-             ist, sondern auch stark von Faktoren beeinflusst
  ten können, und hierfür Regeln erarbeiten          wird, die weder mit dem Bürokonzept an sich
  (Bsp. Interaktion, Lautstärke): Wie wollen         noch seiner konkreten Umsetzung zu tun haben,
  wir hier zusammenarbeiten? Meistens be-            sondern mit der Transparenz der Motive und mit
  trifft Open Space auch die Frage der Füh-          Fragen von Gleichbehandlung und Gerechtigkeit.
  rungskultur in Unternehmen.

                                                                                                    19
Change-Prozess: Veränderung begleiten

Open Space bedeutet also, dass sich Selbst-       von Open-Space-Konzepten wird echte Verän-
organisation, Teamroutinen und Führungskul-       derungsbegleitung in vielen Fällen nicht für
tur mit verändern müssen. Unsere Forschung        notwendig erachtet und findet daher zu sel-
zeigt: Häufig befindet sich genau hier der          ten statt. Oft ist man der Meinung, dass „mit
„Knackpunkt“. Es ist einfacher, die Räumlich-     ein bisschen Kommunikation“ schon der Sinn
keiten zu ändern als die Umgangsweisen und        und Zweck des neuen Arbeitsplatzkonzepts
Routinen in Unternehmen. Doch genau die           erklärt werden kann. Grundsatzdiskussionen
Kohärenz zwischen räumlichem Angebot und          könne man sich somit sparen – ein Fehler, der
Organisationskultur ist der Schlüssel zum         sich oft erst zu Ende des Projekts auswirkt
Erfolg. Fehlt die Kompetenz für die Nutzung       und dann mit erhöhten Belastungen der Mit-
der neuen Umwelt, wirkt dies belastend für        arbeitenden einhergehen kann.
die Beteiligten. Routinen fehlen und Unsicher-
heit überwiegt.                                   Veränderungsbegleitung in einem echten
                                                  Change-Prozess ist also alles andere als
Open Space steht für Veränderung – und ist        ein Luxus. Darum stellen wir eine PRÄGE-
auch selbst als immerwährende Veränderung         WELT-Change-Guideline auf die Homepage,
zu verstehen. Veränderungen laufen jedoch in      die beschreibt, warum Veränderungsbeglei-
den seltensten Fällen völlig konfliktfrei ab und   tung wichtig ist und auf was es dabei ankommt
werden von allen begrüßt. Bei der Einführung      (www.praegewelt.de).

                                                                                               20
Open Space. Besser machen.

Gestaltung: Raum geben                           Fokusbox 8: Das Geheimnis der fehlenden
                                                 Rückzugsräume
Akustik, Rückzugsmöglichkeiten und der Ab-
stand zwischen den Schreibtischen hängen         Dass es an Rückzugsräumen – Besprechungs-
besonders stark mit der Gesamtzufriedenheit      räume, Fokusboxen, Telefonzellen etc. – mangelt,
zusammen.                                        ist eine häufige Beschwerde von Beschäftigten und
                                                 Führungskräften. In einigen der von uns untersuch-
Raumfaktoren bzw. die physische Umgebung         ten Betriebe war das auch offensichtlich, in ande-
der Open-Space-Arbeitswelten spielen eine        ren Fällen aber nicht: Hier wiesen die Verantwortli-
wichtige Rolle bei der Bewertung der Zufrie-     chen darauf hin, dass es rein rechnerisch genügend
denheit mit der Arbeitsumgebung. Zu Faktoren     Besprechungs- oder Rückzugsräume gebe und,
wie Lautstärke, Temperatur, Licht, Luftquali-    mehr noch, dass bei einer Begehung der Flächen
tät oder Ergonomie (wie Schreibtische, Bewe-     auch meistens Rückzugsräume leer seien – eine
gungsraum, Platz) liegen sowohl Forschungs-      Beobachtung, die das Forscherteam in den entspre-
ergebnisse als auch spezifische Vorschriften      chenden Fällen auch bestätigen konnte. Warum also
und Normen vor, entsprechend denen Büros         beschweren sich Beschäftigte und Führungskräfte
ausgestattet sein sollten (siehe BAuA 2010).     über zu wenig Rückzugsräume, wenn doch genü-
Lautstärke und Fläche finden immer wieder         gend da und im Zweifel auch leer sind? Die Inter-
große Beachtung (u.a. Kim/de Dear 2013;          views gaben darauf zwei Antworten: Erstens sind
Windlinger/Zäch 2007). Aber auch Farben und      nicht alle Rückzugsräume gleich gut benutzbar,
Gestaltung und ihre Wirkung auf den Raum         z.B. weil man sich, um hinzukommen, an einer voll-
bzw. die Personen werden verstärkt in Stu-       besetzten Workbench vorbeidrängeln müsste und
dien einbezogen (Wackernagel 2017; Richter       der Raum überdies nicht so schallisoliert ist, dass
2008). In der PRÄGEWELT-Befragung werden         die anderen nichts mitkriegen bzw. nicht gestört
solche Faktoren sehr differenziert beurteilt     würden. Der zweite Grund: Leere Räume sind zwar
(vgl. Becker/Kratzer/Lütke Lanfer 2019), aber    vielleicht leer, aber deswegen noch lange nicht frei.
es gibt über alle Fälle hinweg auch eine klare   Das kann am Buchungssystem liegen (ein gebuch-
Tendenz: Die Zufriedenheit mit der Akustik,      ter Raum wird dann doch nicht belegt, ist aber
mit den Rückzugsmöglichkeiten und mit der        weiter als „gebucht“ gemeldet), liegt aber immer
Größe des Büros bzw. dem Abstand zwischen        wieder auch daran, dass Besprechungs- oder Rück-
den Schreibtischen korrelieren signifikant mit    zugsräume von Gruppen oder Personen informell
der allgemeinen Bürozufriedenheit.               „dauerreserviert“ sind. Insbesondere Führungs-
                                                 kräfte bewältigen so das Problem fehlender Räume
                                                 für spontane Vertraulichkeit, manchmal vielleicht
                                                 auch den Verlust des Einzelbüros.

                                                                                                    21
Glaubwürdigkeit: Vertrauen schaffen

Fokusbox 9: Der Mensch ist ein „Gewohnheitstier“        Glaubwürdigkeit: Vertrauen schaffen
– ist das schlimm?
                                                        Glaubwürdigkeit entsteht durch Akzeptanz un-
Der Mensch ist ein „Gewohnheitstier“, heißt es          terschiedlicher Wahrnehmungen, transparente
häufig in den Betrieben und nicht immer ist das          Motive und eine konsequente Umsetzung.
als freundliche Beschreibung gemeint. Flexibilität
ist im Open-Space-Büro Konzept, aber die Praxis         Zufriedenheit mit dem Open-Space-Büro
sieht – auch im non-territorialen Büro, also einem      hängt auch davon ab, wie der Veränderungs-
Büro ohne feste Zuordnung von Arbeitsplätzen –          prozess verläuft und die Büroarbeit organisiert
etwas anders aus. Die Beobachtungen zeigen und          ist. Entscheidend im Veränderungsprozess
die Interviews bestätigen: Zwar gibt es durchaus        sind die Transparenz und Glaubwürdigkeit der
Bewegung, aber die meisten Beschäftigten und            Motive, die Sachkompetenz der Steuerungs-
insbesondere diejenigen, die einen Großteil ihrer       gruppe sowie die Beteiligung aller relevanten
Arbeitszeit im Büro und nicht auf Reisen, im Home       Gruppen.
Office etc. verbringen, weisen eine vergleichsweise
stabile Platzierung auf, d.h. sie sitzen über lange     Eine Grundvoraussetzung für das Funktionie-
Zeit zumeist im selben Bereich, nicht wenige auch       ren eines Open-Space-Büros ist dessen Ak-
am selben Platz. Aber ist das schlimm, Ausdruck         zeptanz durch die Beschäftigten und Füh-
von Trägheit oder gar Halsstarrigkeit? Wer das so       rungskräfte. In den Fallbeispielen ist die
sieht, der verkennt, dass es gute Gründe für unflexi-    Akzeptanz unterschiedlich ausgeprägt und
ble, stabile Platzierungen gibt: Wer sich den eigenen   der Grund ist nicht nur die mehr oder weni-
Wünschen und Bedürfnissen entsprechend platzie-         ger gute Gestaltung, eine Rolle spielt auch die
ren kann, am „Lieblingsplatz“, wie es oft heißt, der    Glaubwürdigkeit, mit der das betrieben wird.
wird besser arbeiten können und sich wohler fühlen.     Natürlich geht es dabei nicht nur um das Büro
Und: Man „wird“ nicht irgendwo platziert, sondern       allein: Glaubwürdigkeit hat im Betrieb immer
man platziert sich selbst nach verschiedenen Kri-       eine Vorgeschichte und einen Kontext. Wo
terien und in Abstimmung mit anderen. Das mag           schon wenig Vertrauen da ist, da wird auch
unflexibel sein, ist aber zunächst mal ganz vernünf-     dem neuen Büro mit Misstrauen begegnet –
tig. Aber ist das Open-Space-Konzept – speziell das     aber man kann mit einer guten oder schlech-
Konzept des nonterritorialen Open-Space-Büros –         ten Umsetzung Vertrauen verspielen oder
dann nicht an dieser Stelle auch gescheitert? Nicht     (zurück-)gewinnen.
unbedingt: Wenig Bewegung im Raum kann nach
unseren Befunden auch bedeuten, dass alle dort          Akzeptanz unterschiedlicher Wahrnehmun-
sind, wo sie am besten arbeiten können und sich am      gen und Umgangsweisen: Nicht alle sind
wohlsten fühlen. Und das ist ja wohl gut so.            gleichermaßen begeistert und nicht alle kom-

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Open Space. Besser machen.

men gleich gut mit dem neuen Büro zurecht.         beeinflussen die wahrgenommene Legitimität
Skepsis, Probleme – und auch Kritik – sind         der Planung und Umsetzung, nicht zuletzt auch
deshalb legitime Reaktionen, die man ernst         die Wahrnehmung von Gerechtigkeit oder – im
nehmen und bearbeiten und nicht als Unbe-          worst case – Ungerechtigkeit.
weglichkeit oder gar Querulantentum dif-
famieren sollte. Und Gleiches gilt, wenn sich      Konsequenz: Substanziell wird Glaubwürdig-
Führungskräfte und Beschäftigte nicht so           keit auch durch Konsequenz: Wenn durch den
verhalten, wie das Konzept es vorsieht, zum        offenen Raum Kommunikation gefördert wer-
Beispiel nur selten ihren Platz wechseln –         den soll, dann muss man auch die Grauzonen
dafür gibt es gute Gründe und oft funktioniert     informeller Kommunikation zulassen, und
das Büro nicht obwohl, sondern weil sich die       wenn das Konzept für alle gut sein soll, dann
Menschen anders verhalten als geplant.             müssen auch alle betroffen sein. Es kommt
                                                   gut an, wenn auch die Führungskräfte oder
Transparenz: Oft haben Beschäftigte und Füh-       sogar die Geschäftsleitung auf ihr eigenes
rungskräfte den Verdacht, dem Betrieb gehe es      Büro verzichten, und wenn das bei bestimm-
nur um die Kosten, alle anderen Motive dien-       ten Funktionsbereichen nicht gehen sollte,
ten nur der Legitimation oder seien besten-        dann müssen die Gründe dafür – siehe oben
falls Beifang. Umso wichtiger ist es, die Motive   – transparent gemacht werden.
wirklich transparent zu machen, und wenn es
– primär oder auch – um die Kosten geht, dann      Wer ernsthaft vermitteln will, dass das Open-
gehört auch das auf den Tisch. Beschäftigte        Space-Büro eine Arbeitsumgebung ist, in
und Führungskräfte haben großes Verständ-          der sich gut arbeiten und leben lässt, der hat
nis dafür, dass es in einem Betrieb um Kos-        schon auf dem Weg ins Open Space etwas für
ten geht, das sind sie gewohnt, aber Intrans-      seine Glaubwürdigkeit getan: vor allem durch
parenz erzeugt automatisch den Verdacht, es        die Beteiligung nicht nur von Betriebs- und
gehe um Verschleierung. Genauso wichtig sind       Personalräten, sondern auch der Beschäf-
transparente Umsetzungskriterien: Warum            tigten und Führungskräfte, durch die Trans-
wie geplant wird und warum wer welche Plätze       parenz der Motive und Umsetzungskriterien
oder Raumzonen zugeteilt bekommt, sind             und durch eine konsequente Umsetzung (vgl.
nicht nur (umsetzungs-)technische Fragen, sie      dazu Kratzer 2017).

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