Open Space. Besser machen - Nick Kratzer (Hrsg.) Eine Praxisbroschüre des Projekts PRÄGEWELT - "Präventionsorientierte Gestaltung neuer ...
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Nick Kratzer (Hrsg.) Open Space. Besser machen. Eine Praxisbroschüre des Projekts PRÄGEWELT – „Präventionsorientierte Gestaltung neuer Open-Space-Arbeitswelten“ Mit einem Nachwort zum betrieblichen Büro in der Corona-Krise München, Mai 2020
Praxisbroschüre „Open Space. Besser machen.“ Autorinnen und Autoren Cathrin Becker (Uni Freiburg) Wolfgang Dunkel (ISF München) Alexandra Frot (RBS) Jennifer Gunkel (AECOM / RBS) Sabine Hanisch (AECOM) Anja Kluge (AECOM) Ingrid Knigge (AECOM) Christine Kohlert (RBS) Nick Kratzer (ISF München) Sarah Lütke Lanfer (Uni Freiburg) Julia Pfitzner (RBS) Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt PRÄGEWELT – „Präventionsorientierte Gestaltung neuer Open-Space- Arbeitswelten” wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ gefördert (FKZ: 02L14A100 bis 02L14A103) und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffent- lichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.
Vorwort Die vorliegende Broschüre fasst wesentliche Befunde des Projekts „PRÄGEWELT – Präven- tionsorientierte Gestaltung neuer Open-Space-Arbeitswelten“ zusammen. Es geht um neue – offene und flexible – Bürokonzepte, eben Open-Space-Büros, und wie man diese so gestaltet und umsetzt, dass deren Vorteile zum Tragen kommen und Belastungen möglichst vermieden werden. Ratgeber, Leitfäden oder Checklisten konzentrieren sich häufig auf die räumliche Gestaltung von Open-Space-Büros. Diese Broschüre setzt einen etwas anderen Akzent: Es geht hier darum, welche Faktoren einen Einfluss auf die Zufriedenheit der Nutzer – der Beschäftigten und Führungskräfte – eines Open-Space-Büros haben und wie man die Zufriedenheit erhöhen kann – im Veränderungsprozess, aber auch nach dem Umzug, also im bestehenden Open Space. Und dabei kommen mehr Faktoren ins Spiel als „nur“ die räumliche Gestaltung: Es geht auch darum, dass und wie man den Veränderungsprozess gestaltet, es geht um Optionen und Autonomie, um Glaubwürdigkeit und die Unterstützung bei der Anpassung von Arbeitsweisen und Raum. Die Basis sind wissenschaftliche Untersuchungen, die durch einen interdisziplinären For- schungsverbund (Soziologie, Psychologie, Architektur) in und mit insgesamt 22 Unternehmen durchgeführt wurden. Mit fünf dieser Unternehmen konnten wir überdies an Verbesserungs- möglichkeiten für bestehende Open-Space-Büros arbeiten. So sind unter anderen zwei Tools entstanden, die im fünften Kapitel vorgestellt werden. Erarbeitet wurden darüber hinaus zwei Guidelines (zum Change Management im Zusammenhang mit der Umsetzung neuer Büro- konzepte sowie zu Führung im Open Space), die nicht Teil dieser Broschüre sind, aber auf der Homepage des Projekts (www.praegewelt.de) kostenfrei zum Download bereitstehen werden. Am Projekt PRÄGEWELT haben so viele Menschen mitgewirkt, dass es unmöglich wäre, ihnen allen hier namentlich zu danken. Wir können hier daher nur kollektiv, aber umso herzlicher danken: dem BMBF für die Förderung und den Projektträgern (zunächst DLR, dann PTKA) für die Betreuung; allen am Projekt beteiligten MitarbeiterInnen und Mitarbeitern der Verbund- partner, den Vertreterinnen und Vertretern der Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften und Netzwerke, die uns als Transferpartner unterstützt haben, und – und nicht zuletzt – den Verant- wortlichen in den beteiligten Unternehmen und den vielen Beschäftigten und Führungskräften, die sich von uns haben befragen, interviewen und beobachten lassen. 3
Projektvorstellung PRÄGEWELT Die vorliegende Broschüre ist ein Ergebnis des Forschungs- und Gestaltungsprojekts PRÄGEWELT – Präventionsorientierte Gestaltung neuer Open-Space-Arbeitswelten, das wir zwischen 2016 und 2019 durchgeführt haben. Die vier Projektpartner – zwei wissenschaftliche Institute und zwei Praxispartner – haben mit insgesamt 22 Unterneh- men zusammengearbeitet, um herauszufinden, wie und warum Unter- nehmen derzeit ihre Büros um- oder neu gestalten. Mit acht Unternehmen haben wir intensiver zusammengearbeitet und erhoben, wie Führungskräfte und Beschäftigte die Open-Space-Bü- ros wahrnehmen und welche Vor- und Nachteile sie sehen. Mit fünf Unternehmen haben wir darüber hinaus an Optimierungsmöglichkeiten gearbeitet und die dabei entwickelten Gestal- tungsansätze auch erprobt. Das Verbundprojekt „PRÄGEWELT – Präventionsorientierte Gestaltung neuer Open-Space-Ar- beitswelten“ untersucht den gegenwärtigen Wandel der Büroraumorganisation und fragt nach den Folgen für Arbeit und Gesundheit der Beschäftigten in den neuen, offenen Büroräumen (Open Space). Ziel ist es, auf der Basis einer ganzheitlichen, interdisziplinären Analyse Ansätze für eine gesundheitsförderliche Gestaltung von Open Space-Büroarbeitswelten zu entwickeln. PRÄGEWELT wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) betreut. Im Ver- bund arbeiten Wissenschaftspartner und Praxispartner zusammen: • Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung München e.V. – ISF München (Verbund- koordination) • Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Arbeitsgruppe Wirtschaftspsychologie am Institut für Psychologie • AECOM Deutschland GmbH, München • RBS Projektmanagement GmbH, München Das Projekt hat eine Laufzeit vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Juli 2019. Weitere Informationen unter www.praegewelt.de 4
Inhalt Vorwort 3 Projektvorstellung PRÄGEWELT 4 1. Einleitung 6 2. Das Projekt PRÄGEWELT – Fragestellungen, Forschungsdesign, empirische Basis 8 3. Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung – Ergebnisse der PRÄGEWELT-Untersuchungen 10 Hub and Home: Zukunft des betrieblichen Büros 10 Open Space: Viele Ziele – eine Lösung 10 Das Open-Space-Büro aus der Sicht von Beschäftigten und Führungskräften: Gemischte Gefühle 11 Typische Problemkonstellationen im Open-Space-Büro 14 Widersprüchliche Ziele: Spannungsfelder des Open Space 15 4. Open Space. Besser machen 18 Change-Prozess: Veränderung begleiten 19 Gestaltung: Raum geben 21 Glaubwürdigkeit: Vertrauen schaffen 22 Raumlernen: Anpassung unterstützen 24 Raum organisieren: Optionen und Autonomie 25 5. Open Space als (Lern-)Prozess: Was man auch nach dem Umzug noch tun kann 26 PRÄGEWELT-Balance-Workshop 27 PRÄGEWELT-Reflexionstool 34 Nachwort: Das Open-Space-Büro und die Corona-Krise 46 Literaturverzeichnis 47 Der Projektverbund 49 Transferpartner des Projekts PRÄGEWELT 50 Impressum 51 5
1. Einleitung Werden Büros weiterhin eine zentrale Rolle in zeptionell der Idee des „Activity-Based Work- der Arbeit spielen – oder wird das Büro auf- place“ – verschiedene Tätigkeitsanforderungen grund der Digitalisierung an Bedeutung verlie- brauchen unterschiedliche Arbeitsmöglich- ren, weil es egal ist, wo man arbeitet? Unsere keiten (etwa Eisele u.a. 2017; Rolfö u.a. 2017) These ist: Das betriebliche Büro wird zwar – und ihr wesentliches Gestaltungselement zukünftig nur einer von mehreren Orten sein, ist die Integration dieser unterschiedlichen an denen gearbeitet wird, aber es wird (wei- Arbeitsmöglichkeiten (Raumzonen und Räume) terhin) eine ganz zentrale Rolle spielen: als in einer offenen Fläche, deshalb ja auch: „Open „Hub“, also als Kommunikationszentrale, und als Space“. „Home“, als soziale Heimat und physischer Ort, in dem das Unternehmen als Miteinander erfahrbar Und wenn Unternehmen derzeit Büros neu- wird (Kratzer 2017). Und das nicht trotz, sondern oder umbauen, dann entstehen zumeist solche gerade wegen der Digitalisierung: Wenn Anforde- Open-Space-Büros (Kratzer 2017) und das wird rungen, Struk- wohl – trotz Corona-Pandemie – vorerst der Das betriebliche Büro wird turen und herrschende Trend bleiben (siehe dazu auch das weiterhin eine zentrale Rolle Prozesse kom- Nachwort zum Open-Space-Büro in der Coro- spielen: als „Hub“und als plexer und na-Krise). Aber während die einen darin eine „Home“ dynami scher Antwort auf die Herausforderungen der – digi- werden, dann talisierten, flexiblen, entgrenzten – Arbeitswelt müssen Informationen besser vernetzt, Arbeits- sehen, befürchten die anderen die Wiederkehr weisen flexibler gestaltet, Entscheidungen schnel- des klassischen Großraumbüros, bei dem es ler getroffen und (Vertrauens-)Beziehungen vor allem um Kostensenkung geht und dessen stabilisiert werden – und das geht am besten Nachteile gut dokumentiert sind. Die gegen- im unmittelbaren Austausch an einem Ort: dem wärtige Arbeitswelt ist allerdings schon stres- betrieblichen Büro. sig genug – da sollte das Büro nicht auch noch zur Belastung werden. Und wenn jetzt viele Die Büroform, die diese Funktion unterstüt- Unternehmen ihre Büros als Open-Space-Büros zen soll, ist das „Open Space“: Auch wenn anlegen, dann stellt sich die Frage, wie man das die gegenwärtigen Bürotrends verschiedene so macht, dass die Menschen sich darin wohl- Namen haben (neben „Open Space“ etwa fühlen und gut arbeiten können. Darum geht es „Modern Workspace“, Multispace“ u.a.) und in der vorliegenden Broschüre. sich die neuen Büros in ihrer jeweiligen Aus- gestaltung durchaus unterscheiden (Größe, Im Zentrum stehen bei uns die Nutzenden, Ausstattung, mit oder ohne feste Arbeitsplätze also die Beschäftigten und Führungskräfte, usw.) – zwei Merkmale haben sie gemein- die in einem Open Space arbeiten: Was gefällt sam: Die neuen Bürokonzepte folgen kon- ihnen am Open Space, was stört oder belastet 6
Einleitung sie? Wir haben dazu mit wissenschaftlichen hende Open-Space-Büros ergeben. Im vierten Methoden untersucht, wie zufrieden Beschäf- Kapitel („Open Space. Besser machen“) prä- tigte und Führungskräfte mit „ihrem“ Open- sentieren wir fünf Faktoren, die nach unseren Space-Büro sind und was sie zufrieden oder Befunden einen Einfluss darauf haben, wie auch unzufrieden macht – und welche Gestal- das Open Space von den Beschäftigten wahr- tungsanforderungen daraus resultieren. Die genommen wird. Im fünften Abschnitt geht es wesentlichen Erkenntnisse sind, kurz zusam- dann darum, was man tun kann, wenn Pla- mengefasst (vgl. Kapitel 3): nung und Umzug bereits abgeschlossen sind, wie man also bestehende Open-Space-Büros Ein Open-Space-Büro hat Vor- und Nachteile. „besser macht“. Das perfekte Open-Space-Büro gibt es nicht, aber man kann es besser oder schlechter machen. Als offene, flexible Arbeitsumgebung, aber auch als Raum einer dynamischen Organisations- Es sind nicht allein Raumfaktoren, die darüber entwicklung ermöglicht – und erfordert – das entscheiden, ob man sich in einem Open- Open Space-Büro veränderte Arbeits-, Ver- Space-Büro wohlfühlt und gut arbeiten kann haltens- und Umgangsweisen. In den meisten – wichtig sind auch organisatorische und kul- Checklisten, Leitfäden und Beratungsangeboten turelle Faktoren. zum Open-Space-Büro geht es um die Planung und Gestaltung des Büros und evtl. noch um den Open Space ist ein Prozess, der nicht auf den damit verbundenen Veränderungsprozess, nicht Wandel der physischen Arbeitsumgebung be- aber darum, wie man es nutzt und mit dessen schränkt ist – und auch nicht mit dem Umzug Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen endet. Auch nach dem Umzug geht es dar- umgeht. Wir stellen zwei Tools vor (PRÄGEWELT- um, das Open Space den Anforderungen und Balance-Workshop und PRÄGEWELT-Reflexions- Bedürfnissen anzupassen. tool), die wir im Projekt entwickelt und erprobt haben und die Unternehmen (und auch hier wie- Daran ansetzend, haben wir zusammenge- der vor allem: den Leuten, die das Büro praktisch stellt, welche Folgerungen sich aus unseren nutzen) dabei helfen können, ihre Arbeits-, Ver- Erkenntnissen für die Planung und Umsetzung haltens- und Umgangsweisen um- oder auch von Open-Space-Büros sowie für bereits beste- immer wieder neu einzustellen. 7
2. Das Projekt PRÄGEWELT Fragestellungen, Forschungsdesign, empirische Basis Ausgehend von einer wissenschaftlichen Un- Bedingungen ab, sondern vom Zusammen- tersuchung von Wahrnehmung und Wirkung spiel mehrerer verschiedener Faktoren. Ent- neuer Open-Space-Büros entwickelte und sprechend erfasste die Untersuchung nicht erprobte das Projekt PRÄGEWELT Ansatz- nur Raummerkmale und deren Wahrnehmung punkte für eine präventionsorientierte Gestal- durch Beschäftigte und Führungskräfte, son- tung von Open-Space-Büros. Es stellte sich die dern auch relevante Merkmale der Organisa- Frage: Wie gestaltet und organisiert man Open- tion (u.a. Struktur, Kultur, Entwicklung, inklu- Space-Büros so, dass die Arbeitsumgebung sive des Veränderungsprozesses in Richtung selbst möglichst geringe Belastungspoten- Open-Space-Büro), der Arbeit (u.a. Organisa- ziale bietet, im Idealfall sogar als Ressource tion, Kooperation, Anforderungen, Tätigkeits- für eine anspruchsvollere, komplexere und bestandteile) und der Person (u.a. Soziodemo- dynamischere Arbeitswelt wirksam wird? grafie, Bürobiografie, Umgangsweisen). Den empirischen Untersuchungen im PRÄ- Die Arbeiten im Projekt erfolgten in drei Pha- GEWELT-Projekt liegt die Annahme zugrunde, sen: In der ersten Phase wurden im Rahmen dass es unterschiedliche Perspektiven auf das einer Trendanalyse eine Online-Befragung Open-Space-Büro gibt (vgl. dazu auch Krat- mit Bürobeschäftigten, Kurzfallstudien in 18 zer 2017). Wahrnehmung und Wirkung von Betrieben sowie Workshops mit überbetrieb- Open-Space-Büros hängen nicht von einem lichen ExpertInnen durchgeführt (vgl. zum einzelnen Einflussfaktor (etwa der Größe des Design und den Ergebnissen Kratzer 2017; Büros) und auch nicht nur von räumlichen Kratzer/Lütke Lanfer 2017). An die Trend- 8
Das Projekt PRÄGEWELT analyse schloss sich eine Phase der Intensiv- in Open-Space-Büros dienten der Erhebung empirie in acht Betrieben an: Hier wurden in von Anforderungen, Wahrnehmungen und dem Open-Space-Büros, die teils schon seit län- Umgang mit den offenen Arbeitswelten. Mit gerem bestanden, teils erst kürzlich bezogen einer quantitativen Online-Befragung wurden wurden, Intensivfallstudien in einem Mixed-Me- die Arbeitsbedingungen, die Raumbewertung thods-Design durchgeführt, bei dem insbeson- und Raumnutzung sowie das Befinden erfasst. dere vier methodische Instrumente kombiniert Durch Beobachtungen wurden Raummerk- wurden: Expertengespräche (Management, male, Interaktionen und unbewusstes Verhal- Betriebsrat, Real Estate u.a.) beleuchteten ten im Raum erhoben. Die dritte Phase diente den betrieblichen Kontext und den Weg ins schließlich – in Zusammenarbeit mit fünf Be- Open Space. Leitfadengestützte Intensivinter- trieben – der Entwicklung und Erprobung von views mit Beschäftigten und Führungskräften Gestaltungsansätzen. 9
3. Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung Ergebnisse der PRÄGEWELT-Untersuchungen Hub and Home: nisse. Dennoch: Als recht sicher gilt, dass der Zukunft des betrieblichen Büros Trend jetzt und in absehbarer Zukunft in Rich- tung offener Büros geht (Kratzer 2017). Mit der Digitalisierung wird Arbeit ortsunab- hängig(er) und lässt sich Arbeit leichter über Open Space: verschiedene Orte hinweg vernetzen. Aber hat Viele Ziele – eine Lösung? das betriebliche Büro dann überhaupt noch eine Zukunft? Könnte man es nicht ganz auf- Open-Space-Büros sollen aus der Sicht der geben und von zu Hause aus oder in Cowor- Entscheider in den Unternehmen verschie- king-Spaces arbeiten? Die Trendanalyse lie- dene Vorzüge gegenüber herkömmlichen ferte dazu ein ganz klares Ergebnis: Ein Großteil Büros (Zellenstruktur mit Einzelzimmer und der Beschäftigten (62,5% von insgesamt 808 kleineren Mehrpersonenbüros) haben (vgl. Befragten) gab an, dass für ihre Tätigkeit in dazu im Einzelnen Kratzer 2017): den nächsten zehn Jahren weiterhin ein Büro- arbeitsplatz beim Arbeitgeber notwendig sein • Effizienz: Über eine bessere Flächennut- wird (Kratzer/Lütke Lanfer 2017). Und die 42 zung sollen Kosten gesenkt werden, aber befragten betrieblichen ExpertInnen waren auch die Arbeitsorganisation soll durch die sich, mit einer Ausnahme, ebenfalls einig: Das offene Struktur effizienter werden (etwa betriebliche Büro hat nicht nur Zukunft, es wird durch schnellere Abstimmungsprozesse). sogar wichtiger. Und zwar nicht trotz, sondern wegen der Digitalisierung. Das betriebliche • Kommunikation und Kooperation: Durch Büro wird zwar zukünftig nur einer von meh- die offene Raumgestaltung und zusätzliche reren Orten sein, an denen gearbeitet wird, Raumoptionen sollen die Zusammenarbeit aber es wird eine zentrale Rolle spielen: als verbessert, die Kommunikation und der In- „Hub“, als Umschlagplatz für Informationen formationsfluss erleichtert werden. und Ideen, und als „Home“, als soziale Heimat und physischer Ort, in dem das Unternehmen • Flexibilität: Im Verbund mit digitalen Tech- als Miteinander erfahrbar wird (Kratzer 2017). nologien soll ortsflexibles Arbeiten im Büro ermöglicht werden, zudem sollen Reorga- Aber wie wird es aussehen, das betriebliche nisationsprozesse (Neuschneidung von Ab- Büro? Verlässliche Daten gibt es dazu nicht, da teilungen, Veränderung von Projektteams es keine Statistiken gibt, die erheben, wie viele etc.) schneller und effizienter umgesetzt Menschen in Deutschland welchen Arbeitsplatz werden können. haben und wie sich das über die Zeit verändert. Und die Befragungen, die es gibt, liefern kaum • Attraktivität: Mit einer attraktiven Gestaltung vergleichbare, oft auch widersprüchliche Ergeb- und Ausstattung des Büros sollen die Moti- 10
Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung vation und Leistungsfähigkeit der Beschäf- Das Open-Space-Büro aus der Sicht tigten gesteigert und die Attraktivität des von Beschäftigten und Führungs- Unternehmens für Mitarbeitende, gesuchte kräften: Gemischte Gefühle Fachkräfte und Kunden erhöht werden. Eine Schlüsseldimension für die Bewer- • Kulturwandel: Die offene und moderne Ge- tung der Wahrnehmung und Wirkung von staltung soll Ausdruck einer veränderten Open-Space-Büros auf Arbeit und Gesund- Unternehmenskultur (flachere Hierachien, heit ist die Zufriedenheit mit der (neuen) informellere Strukturen, Selbstorganisa- Arbeitsumgebung (vgl. dazu etwa Rolfö u.a. tion u.a.) sein und selbst zum Wandel der 2017; Bauer 2014). Die Zufriedenheit bün- Kultur beitragen, etwa indem auch Füh- delt die Wahrnehmung und ist nicht nur für rungskräfte ihr Einzelbüro aufgeben und die Akzeptanz wichtig, sondern steht auch in damit „zugänglicher“ werden. einem Zusammenhang mit anderen relevan- ten Dimensionen: Wer die Arbeitsumgebung Bei der unternehmerischen Entscheidung für gut findet, ist auch mit der Arbeit insgesamt ein Open-Space-Büro spielen verschiedene Inter- zufrieden, fühlt sich an seinem Arbeitsplatz essen und Erwartungen eine Rolle. Es geht nicht wohl, ist motivierter und dann eben auch nur um die Kosten – ein Großraumbüro alter leistungsfähiger, produktiver und gesünder Prägung wäre wohl weitaus günstiger –, aber (etwa Hoendervanger u.a. 2018; Bauer 2014; ohne potenzielle Kostenvorteile ließen sich wohl Rashid/Zimring 2008; Veitch u.a. 2007). Frage auch die anderen Motive nicht so gut argumen- also: Wie zufrieden sind Beschäftigte und tieren. Dass sich – zumindest potenziell – meh- Führungskräfte mit dem Open-Space-Büro? rere Ziele mit einer Büroform erreichen lassen, macht für die Unternehmen den besonderen Insgesamt sind in den Fallbetrieben der Inten- Charme des Open-Space-Büros aus: Es ist, so sivempirie etwas mehr als die Hälfte der die Idee, die richtige Antwort auf die veränder- Befragten mit der Büroumgebung im Allge- ten Herausforderungen (Beschleunigung, Fle- meinen zufrieden oder sogar sehr zufrieden. xibilität, Innovationsdruck u.a.) und neuen Mög- Ein Viertel ist dagegen unzufrieden oder sehr lichkeiten (Digitalisierung) der gegenwärtigen unzufrieden und ein Fünftel der Befragten ihrer Arbeitswelt – und vielleicht auch noch günstiger. Büroumgebung gegenüber neutral eingestellt. 11
Das Open-Space-Büro aus der Sicht von Beschäftigten und Führungskräften: Gemischte Gefühle Das ist, je nach Sichtweise (Befürworter oder Geg- ner), ein gutes oder auch ein schlechtes Ergebnis für das Open-Space-Büro, es ist aber vor allem ein uneindeutiges Ergebnis – das noch unein- deutiger wird, wenn man die Aussagen aus den Interviews hinzuzieht: Nur ganz wenige Interviewte sind ganz ein- deutig zufrieden oder unzu- frieden. Die meisten sehen Fokusbox 1: Auswirkungen auf Arbeit und Gesundheit in der sowohl Vor- als auch Nach- Literatur – kein klares Bild teile. Die Unterschiede sind also relativ: die Zufriede- Welche Auswirkungen neue, offene Bürokonzepte auf Arbeit und nen sehen mehr Vorteile als Wohlbefinden von Beschäftigten haben, ist bislang sowohl unklar als Nachteile oder bewerten die auch umstritten: Lütke Lanfer und Pauls kommen in einer systema- Vorteile höher als die Nach- tischen Literaturrecherche zu dem Ergebnis einer „heterogene(n) Befundlage für den Zusammenhang zwischen Bürokonzept und psy- teile, bei den Unzufriedenen chischem Befinden“ (Lütke Lanfer/Pauls 2017, S. 5). Das uneindeu- ist es umgekehrt. tige Gesamtbild führen sie zum einen auf „die relativ geringe Anzahl von Studien, den Mangel an Längsschnittstudien und die Verschie- Positiv werden insbesondere denheit der Untersuchungsgegenstände“ zurück, zum anderen dar- Aspekte wie ein besserer In- auf, dass die betrachteten Untersuchungen jeweils widersprüchliche formationsfluss, ein größeres Befunde liefern (ebd.; vgl. dazu auch de Croon u.a. 2005; Engelen Gemeinschaftsgefühl, die im u.a. 2018; Rolfö u.a. 2017). So berichten etwa Haner und Wacker- nagel (2018), dass das „Multispace“-Büro nicht nur die Umsetzung Vergleich zum vorigen Büro von Unternehmenszielen unterstützt, sondern auch die gelebte modernere und attraktivere Zusammenarbeit und die Unternehmensattraktivität erhöht. Andere Gestaltung und Ausstattung Studien deuten dagegen darauf hin, dass bei offenen Büros negative (z.B. mit höhenverstellbaren Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit, das physische und psy- Tischen) sowie eine einfa- chische Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten chere Verfügbarkeit von Füh- zu beobachten sind (Herbig/Schneider/Nowak 2016; Richardson u.a. rungskräften gesehen. Nega- 2017). tiv wahrgenommen werden vor allem die schlechtere Akustik, häufigere Unterbre- 12
Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung chungen bzw. Störungen, die geringere Vor- und Nachteilen ist. Und sie zeigen, dass Vertraulichkeit, fehlende/nicht ausreichende Zufriedenheit keineswegs vor Belastungen Rückzugsräume und klimatische Probleme schützt. Auch wer mit dem Open-Space-Büro (Hitze/Kälte, Luft). Die Befunde zeigen, dass im Allgemeinen zufrieden ist, kann Belastun- die Zufriedenheit (oder Unzufriedenheit) mit gen wie Lärm, Temperaturschwankungen, dem Open Space das Ergebnis einer Abwä- Unterbrechungen oder auch einer fehlenden gung von verschiedenen (wahrgenommenen) Privatsphäre ausgesetzt sein. Führungskräfte als unzufriedene Verlierer (Status, Fokusbox 2: Das Open-Space-Büro – nichts für Ältere, vor allem was für Frauen? Einzelbüro, Störungen) oder als Profiteure (dich- tere Kommunikation, mehr Kontrollmöglichkeiten Immer wieder wird vermutet, dass soziodemogra- etc.). Die quantitativen Ergebnisse zeigen, dass die fische Merkmale, also etwa Alter und Geschlecht, befragten Führungskräfte das offene Büro positiver einen Einfluss darauf haben, wie das Open-Space- bewerten als die Mitarbeitenden – allerdings sind Büro wahrgenommen wird. So in etwa: Frauen tun die Unterschiede in den Bewertungen nicht signifi- sich leichter, weil sie kommunikativer sind und nicht kant. Den größten Anteil zufriedener oder sehr so auf Territorien beharren; Jüngere finden das Open zufriedener Führungskräfte gibt es bei den Fragen Space besser als Ältere, weil sie aufgeschlossener nach der Unterstützungsfunktion der Arbeitsum- für moderne Organisationsformen sind oder weni- gebung („Meine Büroumgebung unterstützt mich ger Wert auf einen eigenen Arbeitsplatz legen usw. bei der Erledigung meiner Arbeitsaufgabe“) und Auch wenn derartige Vermutungen manchmal nach- nach der Passung zwischen Büro und Unterneh- vollziehbar sind, empirisch belegen lassen sie sich menskultur („Bei uns passen Büroumgebung und zumindest für die Frage der Zufriedenheit nicht: In der Unternehmenskultur sehr gut zusammen“): 54% PRÄGEWELT-Befragung haben weder Geschlecht der Vorgesetzten stimmen hier jeweils zu, bei den noch Alter einen signifikanten Einfluss darauf, wie Mitarbeitenden nur 43% (Unterstützung) bzw. 40% zufrieden jemand mit dem Open-Space-Büro ist. (Passung). Führungskräfte und Beschäftigte sind sich auch bei den negativeren Bewertungen rela- tiv einig, aber auch hier mit dem schon bekannten Abstand: 38% der Führungskräfte sind mit den Fokusbox 3: Führungskräfte und Mitarbeitende: Wer ist zufriedener oder unzufriedener? Rückzugsmöglichkeiten sehr zufrieden oder zufrie- den (Beschäftigte: 29%) und die Akustik finden auch Ein möglicher Einflussfaktor auf Wahrnehmung nur 20% der Führungskräfte gut (Beschäftigte: und Wirkung des Open Space könnte der betrieb- 15%). Insgesamt also doch ein relativ klares Muster: liche Status sein. Konträre Effekte sind denkbar: Die Führungskräfte sind etwas zufriedener mit dem 13
Typische Problemkonstellationen im Open-Space-Büro Open-Space-Büro als die Beschäftigten – sie bewer- Typische Problemkonstellationen ten die positiveren Merkmale noch etwas positiver im Open-Space-Büro und die negativen Aspekte etwas weniger kritisch. Welche Vor- oder Nachteile ein Open-Space- Büro hat, ist kaum pauschal zu beantworten: Fokusbox 4: Führungskräfte und das Problem Nicht nur fällt die Wahrnehmung unterschied- spontaner Vertraulichkeit lich aus, auch die Büros sind – bei gleicher Grundkonzeption – unterschiedlich: Gestal- Führungskräfte und Mitarbeitende haben oft ganz tung, Größe und Anordnung, Organisation ähnliche Wahrnehmungen des Open Space, aber (mit/ohne Desk Sharing, mit/ohne Sharing ein paar spezielle Probleme haben Führungs- Ratio, Spielregeln etc.). kräfte dennoch: So sind sie zwar sehr angetan davon, dass ihre Mitarbeitenden jetzt sichtbarer Aber: Bei allen Unterschieden tauchen doch sind und die Führungskräfte, auch ganz beiläu- immer wieder Problemkonstellationen in einer fig, mehr mitbekommen, aber das gilt genauso Häufigkeit auf, dass sie als typisch gelten kön- andersherum. Auch sie sind jetzt sicht- und vor nen (vgl. etwa Becker/Kratzer/Lütke Lanfer allem auch greifbarer, was sie durchaus vor Pro- 2019; Herbig/Schneider/Nowak 2016; Richter/ bleme stellt. Neben den häufigen Ablenkungen Cernavin 2016; Kim/de Dear 2013): und Unterbrechungen, die das mit sich bringt, stellt sich ihnen vor allem die Frage der (Her- • Unruhe: Das offene Büro ist eine „unruhi- stellung von) Vertraulichkeit. Die mit der räum- ge“ Arbeitsumgebung. Akustische Störun- lichen Offenheit verbundene Transparenz fordert gen, Unterbrechungen oder auch Ablen- Führungskräfte insbesondere in folgenden drei kungen durch Andere bewirken, dass die Tätigkeitsbereichen heraus: bei fachlichen Aus- Arbeitsumgebung als belastend wahrge- einandersetzungen mit Mitarbeitenden, Exter- nommen werden und konzentriertes Arbei- nen, Kunden etc.; bei Personalthemen, also ten erschwert wird. Gesprächen mit den Mitarbeitenden (Beurteilung, Entwicklung, Arbeitsweise, Konflikte etc.) oder • Privatheit: Mit dem offenen Büro ist eine auch der Personalabteilung (über Bewerbun- höhere Sichtbarkeit verbunden, die zwar gen, Mitarbeitende, Entwicklungsperspektiven Vorteile hat (etwa bei der Anbahnung von etc.); bei der Gewährleistung von Datenschutz Gesprächen), aber auch Nachteile, zum und Geheimhaltung von Personaldaten oder Beispiel einen subjektiv belastenden Man- Informationen über Geschäftsprozesse, Kunden, gel an Privatheit und Probleme in Bezug externe Mitarbeitende, strategische Überlegun- auf die Vertraulichkeit, etwa von Daten oder gen u.a. Führungskräfte müssen nicht nur auf- auch Personalinformationen. 14
Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung • Raummangel: Eine weitere Problemkon- passen, was sie wann wie und zu wem sagen, stellation besteht in zu engen Abständen sondern auch, was sie wann ausdrucken, was zwischen den Schreibtischen, einem Man- auf ihrem Arbeitsplatz liegt und was auf ihrem gel an Ausweichmöglichkeiten im Raum Bildschirm zu sehen ist. Vertraulichkeit wird im und/oder fehlenden Rückzugsräumen. Open Space zu einem Organisationsproblem und dieses Organisationsproblem ist umso schwie- Diese drei Problemkonstellationen sind eng riger zu lösen, je spontaner oder „unorganisier- miteinander verbunden und können sich ter“ es auftritt. Für lang geplante Gespräche, ob wechselseitig verstärken oder auch abschwä- vor Ort oder am Telefon, lässt sich ein entspre- chen: So können z.B. ausreichende und leicht chender Raum organisieren, für kurzfristiger zugängliche Rückzugsmöglichkeiten Unruhe- relevante Themen und/oder Gesprächsnotwen- und Privatheitsprobleme mildern oder ein zu digkeiten steht aber oft spontan kein Raum zur geringer Abstand zwischen den Schreibtischen Verfügung. Die Herstellung von Vertraulichkeit kann sowohl mit akustischen Störungen ver- wird deshalb zu einer eigenständigen Aufgabe, bunden sein als auch für einen Mangel an Pri- deren Bewältigung räumliche und organisatori- vatheit sorgen. sche Ressourcen ebenso wie spezifische Raum- nutzungsstrategien erfordert. Auf der PRÄGE- Widersprüchliche Ziele: WELT-Homepage findet sich eine Guideline zum Spannungsfelder des Open Space Thema „Führung im Open Space“. Eine Folge dieser Problemkonstellationen ist auch, dass die mit der Umsetzung von Fokusbox 5: Open-Space-Büros: Nicht mehr, Open-Space-Büros verbundenen Ziele nicht sondern weniger Kommunikation? gleichermaßen erreichbar sind bzw. in Wider- spruch zueinander geraten. Open-Space-Bü- 2018 erschien eine vielbeachtete Studie von ros sind in der Folge durch spezifische Span- zwei Wissenschaftlern der Harvard University nungsfelder gekennzeichnet, die von den (Bernstein/Turban 2018). Diese hatten gemes- Beschäftigten als Belastung bzw. Herausfor- sen, wie sich Art und Häufigkeit von Interaktio- derung wahrgenommen werden (vgl. zum Fol- nen vor und nach dem Umzug in einen „Open genden Becker/Kratzer/Lütke Lanfer 2019): Workspace“ verändern. Ergebnis: Die direkten Interaktionen („Face-to-face“) gingen stark – um • Kommunikation vs. Konzentration: Das rund 70% – zurück und dieser Rückgang wurde Open-Space-Büro soll durch räumliche Of- nur teilweise durch einen Anstieg elektronischer fenheit und die Bereitstellung von Kommu- Interaktionen ausgeglichen. Nach dieser Studie nikationszonen die persönliche Interaktion wird also eine der wichtigsten Zielstellungen erleichtern, die Anbahnung von Gesprä- 15
Widersprüchliche Ziele: Spannungsfelder des Open Space von Open-Space-Büros grandios verfehlt: Statt chen fördern, Abstimmungsprozesse ver- mehr wird weniger kommunziert – nicht zuletzt, kürzen und für eine höhere Transparenz weil man die anderen nicht stören möchte. Diese von Informationen sorgen. Auf der anderen Ergebnisse lassen sich kaum mit den PRÄGE- Seite können Offenheit, integrierte Kom- WELT-Befunden vergleichen, zu verschieden sind munikationsbereiche und höhere Sicht- Forschungsdesign und Methoden – und zu unter- barkeit auch dazu führen, dass die konzen- schiedlich sind auch die Betriebsfälle in unse- trierte Einzelarbeit deutlich erschwert wird, rem Sample: Wir waren in sehr „stillen“ Büros insbesondere durch akustische Störungen, (in denen aber umso häufiger gechattet wurde) Unterbrechungen und Ablenkungen. und auch in sehr lebhaften, in denen fleißig kom- muniziert wurde. Bestätigen können wir aber in • Sichtbarkeit vs. Vertraulichkeit: Durch die jedem Fall, dass es ein Spannungsfeld zwischen räumliche Offenheit entsteht eine höhe- Kommunikation und Konzentration gibt. Die- re Sichtbarkeit und diese soll für mehr ses Spannungsfeld wird mal mehr in Richtung Transparenz und einfachere Zugänglich- Kommunikation gelebt – dann ist konzentrier- keit sorgen. Sichtbarkeit schafft aber auch tes Arbeiten schwierig(er), mal mehr in Rich- das Problem erschwerter Vertraulichkeit in tung Konzentration – dann ist es still im Büro. zweifacher Hinsicht: zum einen im Hinblick Dennoch: Die meisten, mit denen wir in unse- auf Privatheit und private Informalität im rer Untersuchung gesprochen haben, berichten Gespräch untereinander, zum anderen im darüber, dass sie im offenen Büro mehr von den Hinblick auf berufliche Vertraulichkeit, et- anderen mitbekommen und das im Großen und wa fachliche Konflikte, Personalgespräche Ganzen auch gut finden – dass das allerdings oft oder auch Kunden- oder Personaldaten. ungewollt passiert und auf Kosten der Konzen- tration geht. „Mehr mitbekommen“ hat, das deu- • Flexibilität vs. individuelle Gestaltbarkeit: tet sich in unseren Befunden ebenfalls an, viel Modern Workspaces sind als flexibles Büro mehr Facetten als „nur“ die unmittelbare Kom- konzipiert, in dem die Beschäftigten je nach munikation: Es geht auch um Informationen wie Anforderung die verschiedenen Raumoptio- Präsenz oder Abwesenheit, um Gespräche, die nen nutzen. Damit der Raum flexibel nutz- mitgehört, um Stimmungen, die miterlebt wer- bar ist, bedarf es eines relativ hohen Maßes den usw. Präsenz und Sichtbarkeit der Anderen an Standardisierung, etwa Arbeitsplätze liefern eine Fülle von Informationen – auch wenn mit identischer Ausstattung und Regeln für man das gar nicht will oder braucht. deren Benutzung (z.B. eine „Clean-Desk- Policy“). Folge ist aber zugleich, dass Ar- beitsplätze und Arbeitsmöglichkeiten nur in geringem Maße (wenn überhaupt) individu- ell gestaltbar sind. Fehlende Gestaltungs- 16
Das Open-Space-Büro: Wandel, Wahrnehmung, Wirkung möglichkeiten können sich aber negativ Fokusbox 6: Die Hölle, das sind die Anderen – auswirken: im Hinblick auf das Wohlbefin- zur strukturellen Dualität von Open-Space- den, aber auch die Arbeitsweise, die nun an Büros die Raumordnung angepasst werden muss. Jean-Paul Sartres berühmtes Zitat stammt aus sei- Diese Spannungsfelder spiegeln die unter- nem Stück „Geschlossene Gesellschaft“, passt aber schiedlichen, ja widersprüchlichen Ziele, die manchmal auch auf offene Büros – so lesen sich mit einem Open-Space-Büro erreicht werden zumindest einige Interviewpassagen aus unserer sollen. Deshalb haben sie auch besondere Untersuchung. Die „Anderen“ sind nämlich, wenn Eigenschaften: Auf beiden Seiten stehen posi- es im Open-Space-Büro nicht gut läuft, tatsächlich tive Erwartungen an das (offene) Büro. Weil das Problem – und man selbst für die anderen auch. aber beide Pole jeweils auf der gleichen Dimen- Gesellschaft zeichnet sich, so der britische Sozio- sion liegen, geraten die Positiverwartungen in loge Anthony Giddens, durch die „Dualität der Struk- Widerspruch zueinander: Mehr von dem einen tur“ aus (Giddens 1995), und das meint in etwa, dass ist nahezu automatisch weniger vom anderen. gesellschaftliche Strukturen individuelles Handeln Man kann Einiges dafür tun, dass konzentrier- bestimmen, aber umgekehrt individuelles Handeln tes Arbeiten besser möglich ist – von Raum- auch die Struktur bestimmt. Ein Open-Space-Büro teilern bis Spielregeln –, begrenzt damit aber ist so etwas wie die Gesellschaft im Kleinen und der zugleich die Kommunikation (und umgekehrt). Einzelne ist hier immer beides: den Bedingungen Man kann Maßnahmen für mehr Vertraulich- und Grenzen des physischen Raums wie auch den keit umsetzen, verliert aber an Transparenz Handlungen der Anderen ausgesetzt. Und zugleich usw. Das bedeutet: Diese Spannungsfelder ist er selbst Teil der räumlichen und sozialen Umge- gehören zum offenen Büro und man kriegt bung der Anderen – und begrenzt und bestimmt sie nie ganz weg – aber: Man kann sie gestal- deren Handlungsmöglichkeiten. Wer konzentriert ten und in eine relativ gute Balance bringen. arbeiten will, wird dies eher leise tun, aber es nützt Das war Anlass für uns, einen Workshop zu nicht viel, wenn man als Einziger leise ist. Deshalb entwickeln und zu erproben, der genau das sind individuelle Lernprozesse – sich abschotten, zum Ziel hat: zusammen mit Führungskräf- „auf Durchzug“ stellen können usw. – wichtig, aber ten und Beschäftigten im bestehenden Open immer auch begrenzt und müssen durch kollektive Space nach Balancen für die Spannungsfelder Lernprozesse ergänzt werden. Ein Open-Space- zu suchen, dafür Maßnahmen zu entwickeln Büro ist ein Kompromiss – nicht nur zwischen den und dann auch umzusetzen. Was es mit dem verschiedenen Zielen, sondern auch zwischen den „Balance-Workshop“ auf sich hat und wie man Anforderungen und Bedürfnissen aller im Raum. ihn durchführt, beschreibt das entsprechende Gelingt das nicht, dann sind die Anderen, nun ja, die Tool im Kapitel 5. Hölle. 17
4. Open Space. Besser machen. Fokusbox 7: Spitzenreiter und Schlusslicht der Es gibt also typische Problemkonstellationen Zufriedenheit mit dem Open-Space-Büro – ein und Spannungsfelder, die dafür sorgen, dass das Fallvergleich Open-Space-Büro nicht nur Vor-, sondern eben auch Nachteile hat. Genau das sorgt für Belas- Fallvergleiche sind manchmal sehr lehrreich – so tungen und gemischte Gefühle bei den Beschäf- auch der zwischen dem Spitzenreiter (92% Zufrie- tigten und Führungskräften in unserer Studie. denheit mit dem Open Space) und dem Schluss- Das perfekte Open-Space-Büro gibt es nicht. licht (45% Zufriedene) unserer Untersuchung. Dennoch gibt es bei der gleichen Bürokonzeption große Unterschiede in der Wahrnehmung und Beim „Spitzenreiter“ wurde ein bestehendes Bewertung: In der einen Organisation sind knapp Open-Space-Büro erweitert und modernisiert. über 90% mit dem Open-Space-Büro zufrieden Der Raum ist weitläufig, die Abstände zwischen oder sehr zufrieden, am anderen Ende der Skala den Schreibtischen groß, ein Lichthof in der Mitte steht eine Organisation, in der nur 45% zufrie- sorgt auch weit weg von den Fensterfronten für den sind, die anderen Fälle liegen dazwischen. Tageslicht. Das Open-Space-Konzept ist konse- Welche Faktoren sind es also, die dafür sorgen, quent und transparent umgesetzt: Alle, inklusive dass das eine Open-Space-Büro sehr positiv, das der Geschäftsführung, haben ihren Arbeitsplatz andere Open-Space-Büro aber von einer Mehr- in der offenen Fläche. Die meisten Beschäftig- heit negativ wahrgenommen wird? ten haben einen festen Arbeitsplatz, wer wollte, konnte darauf aber auch freiwillig verzichten. Es Unsere Untersuchung zeigt, dass es für Zufrie- gibt eine Vielzahl von Raumoptionen (Bespre- denheit und Unzufriedenheit mit dem Open- chungsräume, Meeting-Boxen, Lounge-Berei- Space-Büro eine ganze Reihe von Einflussfakto- che etc.) und einen Cafeteria-Bereich. Durch ren gibt und dass die Gestaltung und Ausstattung die Gestaltung (u.a. Farbe) sind die verschiede- des Open Space dabei eine wichtige, aber bei nen Raumzonen klar voneinander geschieden, weitem nicht die einzige Rolle spielt: Ein Büro ist es gibt farblich markierte Verkehrswege, die so nicht nur ein physischer, sondern vor allem ein angelegt sind, dass niemand mit dem Rücken sozialer Raum. Dies gilt für alle Büros, erst recht zum Gang sitzt und Bildschirme kaum einsehbar aber für Open-Space-Büros. Und der Wechsel sind. Und es gibt ganz klare Spielregeln, an die von der einen zu einer anderen Büroform ist sich alle ziemlich konsequent halten. nicht nur ein Umzug, sondern ein sozialer Pro- zess – der mit dem Umzug noch längst nicht Dass beim „Schlusslicht“ die Zufriedenheit abgeschlossen ist. mit dem Open-Space-Büro so niedrig ist, hat nicht nur damit zu tun, das das Open Space Was also sorgt für mehr – oder weniger Zufrie- einen Bruch mit dem bisherigen Bürokonzept denheit? 18
Open Space. Besser machen. Change-Prozess: Veränderung begleiten darstellte, kaum jemand Erfahrung mit offe- nen Büroflächen hatte und zum Zeitpunkt der Open Space ist eine tiefgreifende Erhebung der Gewöhnungseffekt noch nicht so Veränderung – und die muss begleitet umfassend war, sondern auch mit baulichen, werden. organisatorischen und sozialen Faktoren: Die Open-Space-Flächen sind jeweils links und Das Open-Space-Büro ist niemals final oder rechts des zentralen Korridors angebracht, der perfekt umgesetzt. Open Space will flexibel, um- das gesamte Gebäude durchzieht. Der wichtigste formbar und damit immer ein wenig „unfertig“ Verkehrsweg, der auch Cafeteria-Bereiche sowie sein. Damit trägt es den heutigen Anforderungen halboffene Besprechungsinseln enthält, geht Rechnung: Strukturen, Organigramme, Arbeits- damit mitten durch die Open-Space-Flächen. Die weisen, Technologien – alles ist ständig in Bewe- Beschäftigten sind durch das hohe Verkehrsauf- gung. Möchte man Veränderungen erfolgreich kommen und Besprechungen mit akustischen umsetzen, helfen flexible, offene Strukturen: Die Belastungen und Ablenkungen konfrontiert. Arbeitsumwelt kann sich den sich verändernden Diese werden noch dadurch verschärft, dass es Teamgrößen, Teamaufteilungen, Arbeitsweisen keine klaren, von allen geteilten Spielregeln für und Technologien immer wieder neu anpassen. das Verhalten im Korridor gibt und eine stärkere Neben anderen Vorteilen (vgl. Kratzer 2017) ist Abschottung (etwa durch Pflanzen oder Aufbau- diese Flexibilität das vielleicht wichtigste Argu- ten) nicht gestattet ist. Für die vergleichsweise ment, einen Open Space umzusetzen. schlechte Stimmung sorgt aber insbesondere, dass es auf einer Etage sowohl Open-Space-Flä- • Ein Open Space verlangt eine andere Art chen als auch Zellenbüros gibt. Warum das so der (Selbst-)Organisation. Mitarbeiter sol- gestaltet wurde und wer welches Büro bekommt, len sich flexibel je nach Aufgabe neue Ar- war nicht transparent. So gab es dann Arbeits- beitsorte suchen, jeder muss also für sich plätze, die positiver (Zellenbüros), und solche, reflektieren: Was brauche ich, um hier gut die negativer bewertet wurden (Open-Space-Flä- arbeiten zu können? chen), bei unklaren Kriterien für die Verteilung. Hier zeigt sich, dass die Wahrnehmung des Open • Teams müssen Routinen entwickeln, wie Space nicht allein von Raumfaktoren abhängig sie im offenen Raum miteinander arbei- ist, sondern auch stark von Faktoren beeinflusst ten können, und hierfür Regeln erarbeiten wird, die weder mit dem Bürokonzept an sich (Bsp. Interaktion, Lautstärke): Wie wollen noch seiner konkreten Umsetzung zu tun haben, wir hier zusammenarbeiten? Meistens be- sondern mit der Transparenz der Motive und mit trifft Open Space auch die Frage der Füh- Fragen von Gleichbehandlung und Gerechtigkeit. rungskultur in Unternehmen. 19
Change-Prozess: Veränderung begleiten Open Space bedeutet also, dass sich Selbst- von Open-Space-Konzepten wird echte Verän- organisation, Teamroutinen und Führungskul- derungsbegleitung in vielen Fällen nicht für tur mit verändern müssen. Unsere Forschung notwendig erachtet und findet daher zu sel- zeigt: Häufig befindet sich genau hier der ten statt. Oft ist man der Meinung, dass „mit „Knackpunkt“. Es ist einfacher, die Räumlich- ein bisschen Kommunikation“ schon der Sinn keiten zu ändern als die Umgangsweisen und und Zweck des neuen Arbeitsplatzkonzepts Routinen in Unternehmen. Doch genau die erklärt werden kann. Grundsatzdiskussionen Kohärenz zwischen räumlichem Angebot und könne man sich somit sparen – ein Fehler, der Organisationskultur ist der Schlüssel zum sich oft erst zu Ende des Projekts auswirkt Erfolg. Fehlt die Kompetenz für die Nutzung und dann mit erhöhten Belastungen der Mit- der neuen Umwelt, wirkt dies belastend für arbeitenden einhergehen kann. die Beteiligten. Routinen fehlen und Unsicher- heit überwiegt. Veränderungsbegleitung in einem echten Change-Prozess ist also alles andere als Open Space steht für Veränderung – und ist ein Luxus. Darum stellen wir eine PRÄGE- auch selbst als immerwährende Veränderung WELT-Change-Guideline auf die Homepage, zu verstehen. Veränderungen laufen jedoch in die beschreibt, warum Veränderungsbeglei- den seltensten Fällen völlig konfliktfrei ab und tung wichtig ist und auf was es dabei ankommt werden von allen begrüßt. Bei der Einführung (www.praegewelt.de). 20
Open Space. Besser machen. Gestaltung: Raum geben Fokusbox 8: Das Geheimnis der fehlenden Rückzugsräume Akustik, Rückzugsmöglichkeiten und der Ab- stand zwischen den Schreibtischen hängen Dass es an Rückzugsräumen – Besprechungs- besonders stark mit der Gesamtzufriedenheit räume, Fokusboxen, Telefonzellen etc. – mangelt, zusammen. ist eine häufige Beschwerde von Beschäftigten und Führungskräften. In einigen der von uns untersuch- Raumfaktoren bzw. die physische Umgebung ten Betriebe war das auch offensichtlich, in ande- der Open-Space-Arbeitswelten spielen eine ren Fällen aber nicht: Hier wiesen die Verantwortli- wichtige Rolle bei der Bewertung der Zufrie- chen darauf hin, dass es rein rechnerisch genügend denheit mit der Arbeitsumgebung. Zu Faktoren Besprechungs- oder Rückzugsräume gebe und, wie Lautstärke, Temperatur, Licht, Luftquali- mehr noch, dass bei einer Begehung der Flächen tät oder Ergonomie (wie Schreibtische, Bewe- auch meistens Rückzugsräume leer seien – eine gungsraum, Platz) liegen sowohl Forschungs- Beobachtung, die das Forscherteam in den entspre- ergebnisse als auch spezifische Vorschriften chenden Fällen auch bestätigen konnte. Warum also und Normen vor, entsprechend denen Büros beschweren sich Beschäftigte und Führungskräfte ausgestattet sein sollten (siehe BAuA 2010). über zu wenig Rückzugsräume, wenn doch genü- Lautstärke und Fläche finden immer wieder gend da und im Zweifel auch leer sind? Die Inter- große Beachtung (u.a. Kim/de Dear 2013; views gaben darauf zwei Antworten: Erstens sind Windlinger/Zäch 2007). Aber auch Farben und nicht alle Rückzugsräume gleich gut benutzbar, Gestaltung und ihre Wirkung auf den Raum z.B. weil man sich, um hinzukommen, an einer voll- bzw. die Personen werden verstärkt in Stu- besetzten Workbench vorbeidrängeln müsste und dien einbezogen (Wackernagel 2017; Richter der Raum überdies nicht so schallisoliert ist, dass 2008). In der PRÄGEWELT-Befragung werden die anderen nichts mitkriegen bzw. nicht gestört solche Faktoren sehr differenziert beurteilt würden. Der zweite Grund: Leere Räume sind zwar (vgl. Becker/Kratzer/Lütke Lanfer 2019), aber vielleicht leer, aber deswegen noch lange nicht frei. es gibt über alle Fälle hinweg auch eine klare Das kann am Buchungssystem liegen (ein gebuch- Tendenz: Die Zufriedenheit mit der Akustik, ter Raum wird dann doch nicht belegt, ist aber mit den Rückzugsmöglichkeiten und mit der weiter als „gebucht“ gemeldet), liegt aber immer Größe des Büros bzw. dem Abstand zwischen wieder auch daran, dass Besprechungs- oder Rück- den Schreibtischen korrelieren signifikant mit zugsräume von Gruppen oder Personen informell der allgemeinen Bürozufriedenheit. „dauerreserviert“ sind. Insbesondere Führungs- kräfte bewältigen so das Problem fehlender Räume für spontane Vertraulichkeit, manchmal vielleicht auch den Verlust des Einzelbüros. 21
Glaubwürdigkeit: Vertrauen schaffen Fokusbox 9: Der Mensch ist ein „Gewohnheitstier“ Glaubwürdigkeit: Vertrauen schaffen – ist das schlimm? Glaubwürdigkeit entsteht durch Akzeptanz un- Der Mensch ist ein „Gewohnheitstier“, heißt es terschiedlicher Wahrnehmungen, transparente häufig in den Betrieben und nicht immer ist das Motive und eine konsequente Umsetzung. als freundliche Beschreibung gemeint. Flexibilität ist im Open-Space-Büro Konzept, aber die Praxis Zufriedenheit mit dem Open-Space-Büro sieht – auch im non-territorialen Büro, also einem hängt auch davon ab, wie der Veränderungs- Büro ohne feste Zuordnung von Arbeitsplätzen – prozess verläuft und die Büroarbeit organisiert etwas anders aus. Die Beobachtungen zeigen und ist. Entscheidend im Veränderungsprozess die Interviews bestätigen: Zwar gibt es durchaus sind die Transparenz und Glaubwürdigkeit der Bewegung, aber die meisten Beschäftigten und Motive, die Sachkompetenz der Steuerungs- insbesondere diejenigen, die einen Großteil ihrer gruppe sowie die Beteiligung aller relevanten Arbeitszeit im Büro und nicht auf Reisen, im Home Gruppen. Office etc. verbringen, weisen eine vergleichsweise stabile Platzierung auf, d.h. sie sitzen über lange Eine Grundvoraussetzung für das Funktionie- Zeit zumeist im selben Bereich, nicht wenige auch ren eines Open-Space-Büros ist dessen Ak- am selben Platz. Aber ist das schlimm, Ausdruck zeptanz durch die Beschäftigten und Füh- von Trägheit oder gar Halsstarrigkeit? Wer das so rungskräfte. In den Fallbeispielen ist die sieht, der verkennt, dass es gute Gründe für unflexi- Akzeptanz unterschiedlich ausgeprägt und ble, stabile Platzierungen gibt: Wer sich den eigenen der Grund ist nicht nur die mehr oder weni- Wünschen und Bedürfnissen entsprechend platzie- ger gute Gestaltung, eine Rolle spielt auch die ren kann, am „Lieblingsplatz“, wie es oft heißt, der Glaubwürdigkeit, mit der das betrieben wird. wird besser arbeiten können und sich wohler fühlen. Natürlich geht es dabei nicht nur um das Büro Und: Man „wird“ nicht irgendwo platziert, sondern allein: Glaubwürdigkeit hat im Betrieb immer man platziert sich selbst nach verschiedenen Kri- eine Vorgeschichte und einen Kontext. Wo terien und in Abstimmung mit anderen. Das mag schon wenig Vertrauen da ist, da wird auch unflexibel sein, ist aber zunächst mal ganz vernünf- dem neuen Büro mit Misstrauen begegnet – tig. Aber ist das Open-Space-Konzept – speziell das aber man kann mit einer guten oder schlech- Konzept des nonterritorialen Open-Space-Büros – ten Umsetzung Vertrauen verspielen oder dann nicht an dieser Stelle auch gescheitert? Nicht (zurück-)gewinnen. unbedingt: Wenig Bewegung im Raum kann nach unseren Befunden auch bedeuten, dass alle dort Akzeptanz unterschiedlicher Wahrnehmun- sind, wo sie am besten arbeiten können und sich am gen und Umgangsweisen: Nicht alle sind wohlsten fühlen. Und das ist ja wohl gut so. gleichermaßen begeistert und nicht alle kom- 22
Open Space. Besser machen. men gleich gut mit dem neuen Büro zurecht. beeinflussen die wahrgenommene Legitimität Skepsis, Probleme – und auch Kritik – sind der Planung und Umsetzung, nicht zuletzt auch deshalb legitime Reaktionen, die man ernst die Wahrnehmung von Gerechtigkeit oder – im nehmen und bearbeiten und nicht als Unbe- worst case – Ungerechtigkeit. weglichkeit oder gar Querulantentum dif- famieren sollte. Und Gleiches gilt, wenn sich Konsequenz: Substanziell wird Glaubwürdig- Führungskräfte und Beschäftigte nicht so keit auch durch Konsequenz: Wenn durch den verhalten, wie das Konzept es vorsieht, zum offenen Raum Kommunikation gefördert wer- Beispiel nur selten ihren Platz wechseln – den soll, dann muss man auch die Grauzonen dafür gibt es gute Gründe und oft funktioniert informeller Kommunikation zulassen, und das Büro nicht obwohl, sondern weil sich die wenn das Konzept für alle gut sein soll, dann Menschen anders verhalten als geplant. müssen auch alle betroffen sein. Es kommt gut an, wenn auch die Führungskräfte oder Transparenz: Oft haben Beschäftigte und Füh- sogar die Geschäftsleitung auf ihr eigenes rungskräfte den Verdacht, dem Betrieb gehe es Büro verzichten, und wenn das bei bestimm- nur um die Kosten, alle anderen Motive dien- ten Funktionsbereichen nicht gehen sollte, ten nur der Legitimation oder seien besten- dann müssen die Gründe dafür – siehe oben falls Beifang. Umso wichtiger ist es, die Motive – transparent gemacht werden. wirklich transparent zu machen, und wenn es – primär oder auch – um die Kosten geht, dann Wer ernsthaft vermitteln will, dass das Open- gehört auch das auf den Tisch. Beschäftigte Space-Büro eine Arbeitsumgebung ist, in und Führungskräfte haben großes Verständ- der sich gut arbeiten und leben lässt, der hat nis dafür, dass es in einem Betrieb um Kos- schon auf dem Weg ins Open Space etwas für ten geht, das sind sie gewohnt, aber Intrans- seine Glaubwürdigkeit getan: vor allem durch parenz erzeugt automatisch den Verdacht, es die Beteiligung nicht nur von Betriebs- und gehe um Verschleierung. Genauso wichtig sind Personalräten, sondern auch der Beschäf- transparente Umsetzungskriterien: Warum tigten und Führungskräfte, durch die Trans- wie geplant wird und warum wer welche Plätze parenz der Motive und Umsetzungskriterien oder Raumzonen zugeteilt bekommt, sind und durch eine konsequente Umsetzung (vgl. nicht nur (umsetzungs-)technische Fragen, sie dazu Kratzer 2017). 23
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