"Palmöl, aber richtig!" - Leitfaden zur öffentlichen Beschaffung von nachhaltigem Palmöl - Deutsche Umwelthilfe eV
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„Palmöl, aber richtig!“ Leitfaden zur öffentlichen Beschaffung von nachhaltigem Palmöl Hintergrundpapier | Stand: 27.04.2021
–2– Inhalt 1. Einleitung................................................................................................................... 5 2. Was man über nachhaltiges Palmöl wissen muss ....................................................... 7 2.1 Woher kommt Palmöl? ......................................................................................... 7 2.2 Was ist nachhaltiges Palmöl? ................................................................................ 8 2.3 Fünf Gründe für nachhaltiges Palmöl .................................................................. 11 2.4 Zertifizierungen in Verruf – Verbesserungen notwendig .................................... 13 2.5 Ziel der Bundesregierung: 100% nachhaltig zertifiziertes Palmöl ......................... 15 2.6 Die Palmöl-Lieferkette: Vom Feld zur Kantine ..................................................... 16 2.7 Mangelhafte Deklaration von Palmöl .................................................................. 22 3. Palmöl im öffentlichen Sektor – wo und wieviel? ..................................................... 25 3.1 In welchen Produkten ist Palmöl häufig enthalten? ............................................ 25 3.2 Welche palmölhaltigen Produkte werden beschafft? .......................................... 25 3.3 Welche Produkte als erstes nachhaltig beschaffen? ............................................ 28 3.4 Wieviel Palmöl verbraucht der öffentliche Sektor? ............................................. 29 3.5 Nachhaltiges Palmöl im öffentlichen Sektor - Fehlanzeige? ................................. 31 3.6 Wo muss oder kann auf Palmöl verzichtet werden? ............................................ 34 4. Nachhaltiges Palmöl in der öffentlichen Vergabe berücksichtigen ........................... 37 4.1 Bedarfsanalyse.................................................................................................... 37 4.2 Markterkundung ................................................................................................. 38 4.3 Leistungsbeschreibung ........................................................................................ 38 4.4 Ausführungsbedingungen ................................................................................... 39 4.5 Zuschlagskriterien ............................................................................................... 39 4.6 Nachweismethoden ............................................................................................ 40 4.7 Wie sieht nun die Umsetzung aus? ...................................................................... 40 5. Von der Pilotbeschaffung zur Norm......................................................................... 43 6. Literaturangaben ..................................................................................................... 45 7. Anlagen.................................................................................................................... 49
–3– I. Textbausteine und Praxiserfahrungen der Modellkommunen ............................... 49 II. Beispiel-Kriterienkatalog zu nachhaltigem Palmöl für die öffentliche Vergabe ...... 52 III. Gütezeichen für nachhaltigen Ölpalmenanbau .................................................... 60 IV. Gütezeichen für Endprodukte mit Bezug auf Anbaustandards ............................. 65 V. Anforderungen des Blauen Engels und EU-Ecolabels im Detail.............................. 73 VI. Informationsportale zu Siegeln und Literaturtipps ............................................... 76
–4– Erläuterungen zu ausgewählten Begriffen: Der Lesbarkeit halber werden in dieser Publika- tion mit dem Oberbegriff „Palmöl“ bzw. „palm- ölhaltig“ unzählige palm- und palmkernöl-ba- sierte Substanzen zusammengefasst. Denn aus Palmöl und Palmkernöl, welche aus dem Frucht- fleisch- bzw. den Kernen der Ölpalme gewonnen werden, können durch zahlreiche Verarbei- tungsschritte aktuell über 1000 verschieden Stoffe erzeugt werden, die sog. „Fraktionen“ und „Derivate“. Als „Nachhaltigkeitskriterien“ werden in dieser Veröffentlichung unterschiedliche Aspekte eines verantwortungsvollen Wirtschaftens bezeichnet. Sie decken ökologische, soziale und sozialökono- mische bzw. gesellschaftliche Gesichtspunkte ab. Dabei beziehen sich die Kriterien z.B. auf An- bau- oder Produktionspraktiken, Umweltgrenz- werte, Betriebsabläufe, Einrichtungen, Manage- ment – und Geschäftspraktiken und vieles mehr. Hinweise der Autor*innen: Trotz sorgfältiger Prüfung sämtlicher Angaben des Leitfadens können Fehler nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Richtig- keit, Vollständigkeit und Aktualität des Inhalts ist daher ohne Gewähr. Eine Haftung des Her- ausgebers auch für die mit dem Inhalt verbun- denen potentiellen Folgen ist ausgeschlossen. Der Leitfaden kann eine Rechtsberatung im Ein- zelfall nicht ersetzen.
–5– 1. Einleitung ausfallen. Um das Klima zu schützen, müssen die Regenwälder also zwingend erhalten bleiben! Rund die Hälfte der ursprünglichen Regenwäl- Zudem ist der Ölpalmsektor von Menschen- der ist bereits verloren. Der mit Abstand größte rechtsverletzungen geprägt. So herrschen bei- Treiber für die Zerstörung von tropischen Wäl- spielsweise häufig prekäre Arbeitsbedingungen dern ist die sich ausdehnende Landwirtschaft. vor, sexueller Missbrauch und Kinderarbeit kön- Der weltweite Konsum tropischer Agrarrohstoffe nen vorkommen oder die lokale Bevölkerung – darunter v.a. Soja, Palmöl, Rindfleisch, Holz wird gewaltsam von ihrem Land vertrieben bzw. Papier, Kakao, Kaffee und Kautschuk – (Greenpeace, 2018; Forest 500, 2018; Friends of nimmt beständig zu. Palmöl steht in punkto Ro- the Earth, 2019). Außerdem wirken sich die Plan- dungen zurecht in der Kritik. Der globale Palmöl- tagen und Brände häufig negativ auf die Gesund- konsum der letzten Jahrzehnte hat besonders in heit und Versorgung mit Wasser und Nahrungs- Südostasien weite Teile der Regenwaldabhol- mitteln aus. Nicht zuletzt stellen die Zerstörung zungen verursacht. Bekannteste Beispiele sind von Regenwäldern, das Vordringen in unbe- die Inseln Borneo und Sumatra, die 2018 nur rührte Natur sowie die damit einhergehende Wil- noch zu 38% mit Primärwald bedeckt waren (Ni- derei zentrale Faktoren bei der Entstehung und konovas et al., 2020). Aber auch in Südamerika Ausbreitung von Pandemien, wie Covid-19, Ma- und Afrika ist es verstärkt zur Expansion von Öl- laria oder Ebola dar, die weltweit unzählige Men- palmkulturen gekommen. Das dezimiert den Le- schenleben kosten. Gleichzeitig basiert jedes bensraum vieler vom Aussterben bedrohter vierte Medikament auf dem Wissen über Wald- Tierarten, wie des Orang-Utans, Schimpansen, pflanzen (BMZ, 2017). Waldelefanten, des Tigers oder Nashorns. Doch es sind zahlreiche weitere Tier- und Pflanzenar- Trotz Produktvielfalt – nur noch nachhaltiges ten vom Ölpalmanbau bedroht. Das liegt an der Palmöl aus entwaldungsfreiem Anbau! Besonderheit, dass rund 80% der Tier- und Pflan- Zahlreiche Argumente verdeutlichen, dass der zenarten außerhalb der Ozeane in Wäldern be- Schutz der Regenwälder höchste Priorität haben heimatet sind. Ein Großteil davon kommt nur in muss und der Konsum von Palmöl nicht länger zu ganz bestimmten Regionen in den Tropen vor. Lasten des Klimas, der Regenwälder, der Arten- Der Regenwald: Unser Klimaschützer! vielfalt und Menschen gehen darf. In zahlreichen Produkten des täglichen Lebens ist Palmöl heute Der Erhalt der Regenwälder ist auch für uns jedoch als günstiges Pflanzenöl enthalten: in Le- Menschen überlebenswichtig: Sie binden CO2 bensmitteln, Tierfutter, Körperpflegeproduk- aus der Atmosphäre und stabilisieren so das ten, Waschmitteln, Kosmetik, sowie in Chemie- Klima. Regenwälder spielen beispielsweise auch und Pharmazieprodukten und Biodiesel. Etwa eine zentrale Rolle für den Erhalt von Wasser- jedes zweite Supermarktprodukt in Deutschland kreisläufen und der Bodenfruchtbarkeit. Den- enthält Palmöl. Verbraucher*innen und öffentli- noch ist die Tropenwaldzerstörung zwischen che Beschaffer*innen stellt sich daher häufig 2014 und 2018 im Vergleich zu 2002 bis 2014 um auch die Frage, ob ein Verzicht auf tropische Ag- dramatische 44% angestiegen (NYDP, 2019). rarprodukte den Ausweg aus der Problematik Auch deshalb geht derzeit immer noch rund ein darstellen könnte. Ein teilweiser Verzicht ist Zehntel der globalen Treibhausgasemissionen zwar bei steigender Weltnachfrage u.U. sinnvoll, auf die Entwaldung in den Tropen zurück (IPCC jedoch kann ein nachhaltiger Landnutzungswan- 2014). Großflächige Brandrodungen tragen dazu del in den tropischen Regionen nur rasch gelin- bei, dass die Klimagasemissionen noch höher gen, wenn die EU diesen durch einen verantwor- tungsvollen Handel und zusätzliche Förderpro-
–6– gramme unterstützt. Palmöl nur noch aus nach- Marktes auf nachhaltige tropische Agrarpro- haltig zertifiziertem Anbau von lange bestehen- dukte, wie entwaldungsfreies Palmöl, bisher den Flächen zu beziehen, stellt dabei einen nicht aktiv und flächendeckend genutzt. Mit ei- wichtigen Ansatzpunkt dar. So kann die öffent- nem Beschaffungsvolumen von über 500 Mrd. liche Beschaffung Palmöl aus neuen Waldro- Euro ist der öffentliche Sektor jedoch der größte dungen vom Einkauf ausschließen: Im nachhal- Einkäufer in Deutschland und kann somit ent- tig zertifizierten Anbau muss auf bestehenden scheidende Impulse für nachhaltige Produktions- Plantagen umwelt- und sozialverträglich gewirt- muster – nach möglichst hohen Standards – set- schaftet werden und neue Rodungen von bio- zen. Neben Mindeststandards gegen Entwal- diversitäts- oder kohlenstoffreichen Ökosyste- dung stellen z.B. der faire Handel und der Bio- men sind verboten. Plantagen, für die nach ei- landbau zusätzliche Optionen dar. Zudem sollte nem bestimmten Stichdatum Wald gerodet die öffentliche Beschaffung stärker als Innovati- wurde (z.B. 2008), werden von der Zertifizierung onstreiber bei nachhaltigen Produkten fungie- ausgeschlossen. Ein maßvoller Bezug aus- ren und besonders wirksame Ansätze von Zertifi- schließlich nachhaltigen, entwaldungsfreien zierungssiegeln fördern. Palmöls stellt eine wichtige Mindestmaßnahme gegen „importierte Entwaldung“ und zum Erhalt Modellkommunen machen sich auf den Weg zu der Regenwälder dar. verbindlichen Vorgaben zu nachhaltigem Palmöl Öffentliche Beschaffung muss sich zu nachhalti- gem Palmöl verpflichten Gemeinsam mit der Landeshauptstadt Hanno- ver, dem Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuz- Eine gesetzliche Verpflichtung zur ausschließli- berg und weiteren Modellkommunen möchte chen Einfuhr nachhaltiger, palmölbasierter Pro- die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verbindliche dukte existiert bislang nicht. Die Bundesregie- Vergabekriterien zu verantwortungsvoll produ- rung hält bislang weiter am freiwilligen Umstieg ziertem Palmöl einführen. Kommunen, Landes- der Unternehmen fest. Tatsächlich haben viele und Bundesbehörden und weitere private Ein- Unternehmen und Händler in Deutschland ihre richtungen des öffentlichen Sektors – sie alle sind Produkte bereits auf nachhaltig-zertifiziertes jetzt gefragt, Palmöl aus neuen Rodungen wert- Palmöl umgestellt. Allerdings stammte 2019 voller Wälder konsequent vom Einkauf auszu- noch rund 40% des in Deutschland konsumier- schließen. Werden auch Sie als Modellkom- ten Palmöls aus nicht-zertifiziertem Anbau (ex- mune oder -behörde aktiv! Kontaktieren Sie uns klusive Energiesektor). Deutschland hatte sich im gerne zu einem unverbindlichen Beratungsge- Zuge der Pariser Klimakonferenz jedoch für das spräch. Im Rahmen ihres Engagements können Ziel von 100% nachhaltig zertifiziertem Palmöl Kommunen, Behörden und privatrechtliche Or- auf dem deutschen Markt bis 2020 ausgespro- ganisationen des öffentlichen Sektors außerdem chen (Amsterdam Deklaration, 2015). Mit freiwil- begleitend einen Steckbrief ausfüllen und die ligen Maßnahmen wurde das 100% Ziel zu nach- „Deklaration zu nachhaltigem Palmöl“ unter- haltigem Palmöl auf dem deutschen Markt bis zeichnen, um nachhaltiges Palmöls strategisch in 2020 allerdings nicht erreicht. der öffentlichen Beschaffung zu verankern. Mit der öffentlichen Beschaffung besteht je- doch bereits die Möglichkeit, Unternehmen zum Ausschluss von Palmöl aus unsicheren Quellen zu verpflichten. Die öffentliche Hand hat ihren Gestaltungsspielraum zur Umstellung des
–7– 2. Was man über nachhaltiges es sich durch eine cremige Konsistenz, lange Halt- barkeit und einen niedrigen Preis auszeichnet - Palmöl wissen muss aufgrund der meist unzureichenden Umwelt- schutz- und Arbeitsschutzauflagen. 2.1 Woher kommt Palmöl? Mit über 70 Mio. t globaler Produktion stellt Palmöl heute das bedeutendste Pflanzenöl der Welt dar – es macht über 30% der Versorgung mit Pflanzenfetten aus (Abb. 1). Die Produktion stieg seit 1961 (1,5 Mio. t) um das 46-fache. Rund 86% des Palmöls stammt dabei aus Indonesien (54 %) und Malaysia (32 %). Daneben existieren unzählige kleine Produzentenländer in Südame- rika, Afrika und Asien (Abb. 2). Der steigende Palmölkonsum ist mit einer Zu- nahme der Bevölkerung und industriell gefertig- ter Produkte sowie der Verwendung als Biokraft- stoff eng verknüpft (DUH, 2020). Palmöl ist für Abbildung 1: Weltproduktion der vier wichtigsten Pflanzen- die europäische Industrie deshalb so attraktiv, da öle von 2014 bis 2019 (USDA 2019). Abbildung 2: Ölpalmen werden in rund 43 Länder entlang des Äquators angebaut.
–8– eingehalten werden müssen. Die Zertifizie- 2.2 Was ist nachhaltiges Palmöl? rungen werden in Anlage III vorgestellt. Sie Nachhaltig zertifiziertes Palmöl stammt von haben viele Gemeinsamkeiten – im Detail weisen lange bestehenden, nachhaltig bewirtschafte- sie jedoch viele unterschiedliche Anforderungen ten Plantagen für die kein neuer Wald gerodet auf. Ein Vergleich aller Anforderungen wurde wurde (z.B. Stichjahr 2008). Gleichzeitig fördert hier nicht vorgenommen, da dazu bereits ein Bezug nachhaltigen Palmöls auf den beste- umfangreiche Studien vorliegen, die den henden Flächen die Umsetzung eines nachhaltig Roundtable on Sustainable Palm oil (Runder zertifizierten Anbaus mit umwelt- und sozialver- Tisch für Nachhaltiges Palmöl) als das Siegel mit träglichen Praktiken. Um die Einhaltung der Zer- den umfangreichsten Anforderungen benennen tifizierungsregeln und geltenden Gesetze in den (s. Kapitel 2.3). In Anhang II wird jedoch die Ursprungsländern sicherzustellen, nutzen die Abdeckung von ausgewählten Nachhaltig- Zertifizierungssysteme verschiedene Anreize und keitsaspekten durch verschiedene Siegel Sanktionen, wie z.B. unabhängige Kontrollen beispielhaft aufgezeigt. Dabei wurden auf Basis (sog. Audits), Preisaufschläge, Schulungen oder der Anforderungen des Siegels Runder Tisches den Entzug der Zertifizierung bei wiederholt auf- für nachhaltiges Palmöl (RSPO) exemplarische tretenden Verstößen. Denn in den Herkunftslän- Ausschlusskriterien zu nachhaltigem Palmöl er- dern werden Umwelt- und Arbeitsschutzgesetze arbeitet, die in öffentlichen Vergabeunterlagen häufig nicht umgesetzt oder existieren schlicht eingesetzt werden können. Da die Systeme sich nicht. Durch den bewussten Einkauf nachhaltig ständig weiterentwickeln und verbessern zertifizierter Palmöl-Produkte kann die öffentli- müssen, stellt der Kriterienabgleich in Anhang II che Hand also zur Einhaltung der Menschen- jedoch lediglich eine Moment-aufnahme dar und rechte, zum Klimaschutz und der nachhaltigen muss regelmäßig aktualisiert werden. Entwicklung der Anbauländer beitragen. Daher Ein Überblick über wichtige Anforderungen an muss streng auf Palmöl aus verantwortungsvol- nachhaltig produziertes Palmöl: lem, nachhaltigen Anbau geachtet werden. Die Zertifizierungssysteme, die einen nachhal- Zur Planung neuer Plantagen: tigen Ölpalmanbau ohne neue Rodungen a. Landkonzessionen müssen auf erreichen wollen, schreiben sehr umfangreiche rechtmäßigem Landbesitz basieren Anforderungskataloge zu Umwelt- und Sozialaspekten vor. Diese enthalten zahlreiche b. Verbot der gewaltsamen Vertreibung lokaler Maßnahmen, die für einen nachhaltigeren und und indigener Bevölkerung; Einrichten von sozialverträglicheren Anbau von Ölpalmen Beteiligungs- und Bescherdeverfahren für die Bevölkerung c. Kein Anbau innerhalb national oder international festegelegter Natur- schutzgebiete und Schutzgebiete indigener Bevölkerung, inkl. Pufferzonen d. Flächen ohne legalen Schutzstatus: Prüfung bezüglich des Werts an Biodiversität und Kohlenstoffgehalt, Ausschluss neuer Plantagen gilt z.B. für: Abbildung 3: Regenwaldriese im Khao Sok National- park, Thailand (Foto: DUH) Ursprüngliche Ökosysteme, wie Primärwald und Mangrovenwald
–9– Degradierte Ökosysteme mit Schuztwert, c. Arbeitsvertrag in Muttersprache; kein wie Sekundärwälder Einbehalten von Ausweisdokumenten, insb. Habitate bedrohter Tier- und bei Migrationsarbeitern Pflanzenarten Torfflächen d. Mindestlohn bzw. existenzsichernder Lohn erlaubt sind neue Anbauflächen auf auf Basis regionaler Lebenshaltungskosten1 stark degradierten Flächen e. Urlaubsregelungen und Zahlung von Zur Nachhaltigkeit auf bestehenden Plantagen Kranken- bzw. Rentenversicherung und Ölmühlen: f. Einhaltung maximaler Arbeitszeiten und Umweltanforderungen: Arbeitspausen a. Verbot von Brandrodung und Förderung alternativer Landbearbeitungstechniken g. Arbeitsschutzvorkehrungen2 b. Erhöhung der Produktivität auf bestehen-den h. Versammlungs- und Gewerkschaftsrecht Flächen durch Best Practices i. Verbot der Korruption, Bestechung und c. Verbot gefährlicher Pflanzenschutzmittel; Geldwäsche Reduktion chemischer Pflanzenschutzmittel j. Mindestabnahmepreise bzw. Prämien für oder Verbot (Bio); integrierter Pflanzenschutz Ölpalmfrüchte aus nachhaltigem Anbau d. Verbot oder Reduktion mineralischer Dünger; k. Einbindung von Kleinbauern und Ünterstütz- Einsatz von Pflanzenresten u.ä. als organischen ungsangebote3 Dünger zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit Zusätzliche Anforderungen an Ölmühlen: e. Aufbau von Waldkorridoren zur besseren Verbindung bestehender Schutzgebiete a. Nutzung erneuerbarer Energiequellen4 und Treibstoffe f. Umwandlung der Ölpalm-Monokulturen in diversere Agroforstsysteme/Mischanbau b. Reinigung der Mühlenabwässer mit Biogas- anlagen zur Schonung von Flüssen und zum g. Schutz und Wiedervernässung von Torf-böden Auffangen der Klimagase und Förderung der Paludikultur (kompatible c. Transparente Abnahmepreisen und Zahlung Landwirtschaft auf Moorböden) fairer Preise für Ölpalmfrüchte insb. gegen- Soziale und gesellschaftliche Aspekte: über Kleinerzeuger*innen a. Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit und Unterstützung des Schulbesuchs b. Verbot von Diskriminierung und Gewalt, insbesondere sexueller Übergriffe 1 3 Zur Konkretisierung der Vorgaben zu Mindestlöhnen ar- z.B. Bildung von Kooperativen, Vorfinanzierung und Kre- beiten einige Zertifizierungssysteme zusammen in der Glo- dite, Saatgut, Schulungen - ggf. in Zusammenarbeit mit lo- bal Living Wage Coalition an einer einheitlichen Berech- kalen Behörden 4 nung und Datenlage zu regionalen Mindestlöhnen. z.B. Methan aus der Abwasserreinigung der Ölmühle 2 z.B. Schutzausrüstung, Trinkwasser, Schutz Schwangerer, usw.
– 10 – Abbildung 4: Mann bei der Ernte auf einer konven- Abbildung 5: Ernte auf einer Ölpalmplantage in Su- tionellen Ölpalmplantage in Surath Thani, Süd- rath Thani, Süd-Thailand (Foto: DUH) Thailand (Foto: DUH) Abbildung 6: Waggons mit Ölpalm-Früchten auf Abbildung 7: Mann transportiert Frucht der Öl- dem Gelände einer Ölmühle in Thailand (Foto: palme aus der Plantage zur Straße in Surath Thani, DUH) Süd-Thailand (Foto: DUH) Abbildung 8: Konventioneller Ölpalmanbau in Ost- Abbildung 9: Frauen sammeln Reste von Ölfrüch- Kalimantan, Indonesien (Foto: DUH) ten auf und schaffen Palmblätter weg auf einer Plantage in Surath Thani, Süd-Thailand (Foto: DUH)
– 11 – 2.3 Fünf Gründe für nachhaltiges reduzieren. Daher setzt die DUH sich für ein so- fortiges Verbot von Palmöl im Biodiesel ein. So Palmöl könnte der deutsche Palmölverbrauch bereits etwa um die Hälfte reduziert werden (vgl. Kapitel 1. Ölpalmen sind ergiebig: Viel Öl auf wenig 3.6 zu Möglichkeiten, auf Palmöl zu verzichten). Fläche! 2. Ein Verzicht auf Palmöl ist nicht die Lösung Die Ölpalme ist die produktivste Ölpflanze welt- im Kampf gegen Rodungen weit: Sie deckt aufgrund ihres hohen Ernteer- Würde ein vollständiger Verzicht auf Palmöl in trags rund 35% des Weltbedarfs an Pflanzenölen der EU die Waldrodungen aufhalten? Die Ant- auf einer Fläche von weniger als 10% der Ge- wort ist „Nein“. Der wirtschaftliche Anreiz, den samtanbaufläche von Ölpflanzen. Raps, Sonnen- Wald zu roden, bliebe bestehen. Es würden vo- blumen, Kokospalmen oder Soja benötigen für raussichtlich andere landwirtschaftliche Kulturen dieselbe Ölausbeute eine 5- bis 8-fach so große angebaut werden. Kautschuk, Kakao, Kaffee und Anbaufläche (Abb. 10). Mehr Kokospalmenanbau andere tropische Agrarpflanzen spielen dabei könnte unter Umständen sogar zu mehr Tropen- z.B. in vielen Ländern eine Rolle. Nicht zuletzt waldverlust führen, da sie ebenso in den Tropen verursacht die Holz- und Papierindustrie in Indo- kultiviert wird. nesien häufig Rodungen und erst anschließend folgen die Ölpalm-Plantagen. Ein Verzicht auf Palmöl würde also viele Treiber der Entwaldung gar nicht berühren und nicht zu nachhaltiger Landnutzung führen. Zudem spielt auch der Berg- bau und die Urbanisierung eine Rolle in der fort- laufenden Waldzerstörung. Solange Waldschutz- gesetze nicht von den Tropenländern ernsthaft in die Praxis umgesetzt werden und mit dem Erhalt des Regenwaldes kein Geld verdient werden kann bzw. es keine Anreize für dessen Erhalt gibt, besteht die Gefahr weiterer Rodungen. Bezöge Abbildung 10: Ölertrag verschiedener Kulturpflanzen die EU als zweitgrößter Importeur nun gar kein auf einer Anbaufläche von 1 Hektar in Tonnen. Palmöl mehr, würde es voraussichtlich von ande- Zu einem gewissen Grad ist der Ersatz von Palmöl ren Abnehmern wie China und Indien aufgekauft durch heimisch erzeugte Öle wie Raps- und werden (IUCN, 2018). Zugleich setzt Indonesien Olivenöl sinnvoll, da sie weniger Nachhaltigkeits- selbst Palmöl zunehmend als Biokraftstoff ein. risiken (insb. keine Tropenwaldzerstörung) auf- weisen und in vielen Bereich genauso wie Palmöl 3. Bestehende Lieferant*innen unterstützen einsetzbar sind. Aber auch in der EU stehen nur und Regenwaldschutz verbessern begrenzt Flächen zur Verfügung und das Ziel von Nachhaltigkeitszertifizierungen für Palmöl wer- Mischanbau bzw. diverser Frucht-folgen muss den von Herstellern zum Nachweis nachhaltig auch hierzulande mitbedacht werden. Insgesamt produzierter Ware genutzt und zielen vor allem erscheint deshalb ein intelligenter Rohstoffmix auf die Verbesserung der Anbaubedingungen auf aus heimischen Pflanzenölen und einem bestehenden Plantagen ab. Zertifizierung hilft sparsamen und bedachten Einsatz von daher, Lieferanten in schlecht regulierten oder in nachhaltigem Palmöl als gute Richtschnur. Steigt Ländern mit hoher Korruption hin zu umwelt- der weltweite Palmölkonsum immer weiter an, muss die EU zudem ihre Nachfrage anpassen und
– 12 – schonenderen und sozialverträglicheren Prakti- ken zu begleiten. Leider sind erst rund 25- 28 % der weltweiten Plantagen zertifiziert und somit werden viele Plantagenarbeiter*innen weiter ausgebeutet. Durch den Bezug von nachhaltig zertifiziertem Palmöl werden zudem Lösungsan- sätze für den Waldschutz und die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltauflagen auf be- stehenden Flächen vorangetrieben. Dazu zählen teilweise bereits Schulungen und die satelliten- gestützte Überwachung der Regenwälder, die einige Unternehmen ergänzend zu der Zertifizie- rung bereits eingeführt haben. Zum Beispiel dür- Abbildung 11: Satellitenbildaufnahme neuer Waldrodun- fen nur Flächen, auf denen zuvor kein ursprüng- gen (hellbraun) in der Nähe existierender Ölpalmplanta- gen (hellgrün) und umliegender Wald (Dunkelgrün) in Ost licher Regenwald und andere wertvolle Ökosys- Kalimantan, Indonesien (Quelle: ESA/Copernicus Sentinel- teme zerstört worden sind, für den zertifizierten 2 (2019) – CC BY-SA IGO 3.0). Ölpalmenanbau genutzt werden. Stichjahr ist häufig das Jahr 2008. Auch Torfflächen, Schutz- Schulungen, Finanzierungsquellen). Zertifiziertes gebiete und sonstige Standorte mit seltenen Ar- Palmöl kann also ein wichtiges Hilfsmittel im tenvorkommen sind tabu. Mithilfe der Zertifizie- Kampf gegen Kinderarbeit, Ausbeutung, Armut rungen und Maßnahmen zum Schutz von Regen- und für eine nachhaltige Entwicklung darstellen. wäldern will die EU zudem entwaldungsfreie Lie- Ohne eine europäische Nachfrage nach zertifi- ferketten aufbauen und somit direkte Rodungen ziertem Palmöl werden jedoch kaum Anreize für aus den Palmöl-Wertschöpfungsketten eliminie- einen Wandel zum nachhaltigen Ölpalmanbau ren. Dazu plant die EU zudem, den Waldbestand erzeugt. künftig auch unabhängig mithilfe von Satelliten- 5. Klares Signal gegen Regenwaldzerstörung bildern zu überwachen (Abb. 11). Korruption, fehlende Infrastruktur und eine man- 4. Einbindung von Kleinerzeuger*innen si- gelhafte Ausstattung von Aufsichtsbehörden ver- chern und Transformation ermöglichen hindert in vielen Ländern häufig eine Umsetzung Schwellen- und Entwicklungsländer des globalen vorhandener Umwelt- und Sozialgesetze. Der Südens sind auf wirtschaftliche Entwicklung an- ausschließliche Kauf zertifizierter, entwaldungs- gewiesen. Ein großer Teil der Arbeitsplätze hängt freier Rohstoffe ist angesichts dessen ein wichti- derzeit vom Anbau und Handel mit Palmöl ab, ges Signal an die Marktteilnehmer*innen im von dem die EU schon seit Jahrzehnten profitiert. Palmölsektor, aber auch an die Regierungen der Vor allem für Millionen von weltweiten Kleinbau- Anbauländer: gegen die Zerstörung von Wäldern, ern-Familien stellt Palmöl eine wichtige Einkom- Korruption und den Verstoß gegen Umwelt- und mensquelle dar. Alarmierend ist, dass Kleinbau- Menschenrechte. Ein starkes Lieferkettengesetz ern bisher erst einen Anteil von rund 8 % am ge- zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten würde samten zertifizierten Palmöl einnehmen, obwohl den Bezug von 100% nachhaltigem Palmöl ideal sie ca. 40% der Weltproduktion abdecken (RSPO, ergänzt, da die Verantwortung von den Zertifizie- 2020). Kleinbauern müssen im Wandel zu nach- rungen wieder stärker an die Unternehmen zu- haltigeren Anbaumethoden eingebunden und rückgetragen würde und eine sichere Herkunft unterstützt und vor der Ausbeutung durch be- geprüft und sichergestellt werden müsste. nachbarte industrielle Plantagen geschützt wer- den. Die Zertifizierungen bieten dafür teilweise bereits Hilfestellungen an (z.B. höhere Preise,
– 13 – studien hinsichtlich der Wirksamkeit von Stan- 2.4 Zertifizierungen in Verruf – dards wenig aussagekräftig. Eine fundierte Aus- Verbesserungen notwendig sage zur Glaubwürdigkeit der Systeme ist damit auf Basis bisheriger Studien nicht möglich – klar Die Wurzel des Problems ist jedoch, dass Medienberichte punktuell große Missstände beweisen. Eine systematische, kritische Überprüfung der Wirksamkeit von Zertifizierungen auf Basis un- Dennoch sollte man Zertifizierungen deshalb abhängiger Instanzen ist derzeit nicht gegeben. nicht vorschnell aufgeben, denn Sie stellen ein Zivilgesellschaft, Wissenschaftler*innen und Me- wichtiges Hilfsmittel für die Sensibilisierung, Un- dien haben durch punktuelle, investigative Re- terstützung und Verbesserung von Lieferanten cherche immer wieder „Schwarze Schafe“ vor dar. Um Zertifizierung als „Werkzeug“ und Nach- Ort aufgedeckt, bei denen die existierenden Kon- weis für nachhaltige Anbaupraktiken zu stärken, trollbesuche durch Auditoren und Korrektions- braucht es eine kontinuierliche Verbesserung pläne nicht zum gewünschten Einhaltung der Re- der Systeme und gesetzliche Regulierung zu geln führen. Beispielweise kommen Plantagenei- grundlegenden Qualitätsstandards. Dazu muss gentümer*innen vor, die Wälder auf oder um die Bundesregierung weitere Studien und ver- ihre Konzessionen weiter abholzen oder Men- bindliche Vorgaben zur Umsetzung und Kontrolle schenrechtsverletzungen dulden bzw. unterstüt- von Zertifizierungen auf den Weg bringen. Ein zen. Um Missstände besser zu identifizieren und Kontrollieren durch Audits reicht nicht aus, um ihnen effizienter entgegenwirken zu können, gewünschte Veränderungen herbeizuführen. Die sind dringend erweiterte Überwachungssys- DUH empfiehlt Anreiz- und Sanktionsstrukturen teme inkl. der Nutzung von verbesserten Be- zu verbessern, d.h. beispielsweise sichere Finan- schwerdesystemen und Satellitenbildern erfor- zierungsmöglichkeiten zu bieten (Vorschüsse, derlich. Leider haben die Zertifizierungen auf Kreditsysteme, Prämien für nachhaltige Leistun- dem Markt bislang noch „freie Hand“: Ihre Akti- gen, etc.), systematische Schulungen einzufüh- vitäten – von der Standardsetzung, über die Um- ren, Beschwerdesysteme gemeinsam mit lokalen setzungsmechanismen bis hin zur Überprüfung Akteuren aufzubauen und die Regierungen stär- und Offenlegung der Kontrolldokumente – wer- ker in die Pflicht zu nehmen, damit Behörden ihre den bislang nicht gesetzlich reguliert oder über- Aufgaben und Kontrollfunktionen weiter aus- wacht. bauen bzw. nicht verlieren. Schließlich ist die öf- fentliche Beschaffung auf solide, vertrauens- Dünne Studienlage und keine Regulation würdige Zertifizierungen angewiesen – so auch In den letzten Jahren wurden immer wieder Ver- deutsche Unternehmen, die Palmöl aus der gan- gleiche von Zertifizierungssystemen durchge- zen Welt verarbeiten. führt, die den Umfang und die Detailtiefe der An- Welche Zertifizierungen werden empfohlen? forderungen an den nachhaltigen Anbau analy- sieren. Die Studien bewerten jedoch überwie- Die DUH empfiehlt Mindeststandards, wie den gend lediglich Vorgaben „auf dem Papier“ und RSPO (Runder Tisch für Nachhaltiges Palmöls), untersuchen kaum ob auch effektive Unterstüt- ISCC+ (International Sustainability & Carbon Cer- zungsangebote vor Ort eingerichtet werden, die tification) oder Rainforest Alliance, kombiniert den Lieferant*innen oder Arbeiter*innen wirk- mit Bio und Standards für Fairen Handel, wie z.B. lich helfen und zu gute kommen. Es existieren zu- Eu-Bio, „Fair for Life“ oder „Hand in Hand“. Min- dem kaum Untersuchungen, die die Arbeiter*in- deststandards ermöglichen erste Schritte in Rich- nen oder lokale Bevölkerung einbinden. Aus die- tung Nachhaltigkeit, während Zusatzstandards sen Gründen sind die Ergebnisse der Vergleichs- für strengere Vorgaben in einzelnen Aspekten, wie Pestizid- und Düngeeinsatz (Bio) oder Min- destpreise und Mindestlöhne sorgen („Fair“).
– 14 – Das bekannte „Fairtrade“-Siegel ist bei Palmöl von Pestiziden und Düngern (wodurch Land- nicht verbreitet. Viele Plantagen, die Bio- oder wirt*innen Kosten sparen) und die Erhöhung der faires Palmöl produzieren, sind häufig gleichzei- Produktivität auf bestehenden Flächen durch tig auch RSPO-zertifiziert. Dies wird jedoch auf besseres Saatgut und optimale Pflanzabstände. Produkten oft nicht gekennzeichnet und meis- Bedeutsam ist leider der geringe Mehrpreis für tens lediglich das „EU-Bio“-Siegel angegeben. RSPO-zertifiziertes Palmöl von rund 2-4 Cent pro Generell ist bei allen Siegeln das Wissen zur posi- kg, der eine Umsetzung von nachhaltigeren An- tiven Wirkung und somit ihrer „Glaubwürdigkeit“ baumethoden abdecken müsste. So macht der eingeschränkt. Das perfekte Siegel gibt es noch RSPO entgegen des fairen Handels keine Vorga- nicht. Jedes hat Stärken und Schwächen. Weitere ben zu Mindestabnahmepreise bzw. Mindestlöh- Verbesserungen sind also bei allen Siegeln not- nen. Da RSPO-zertifiziertes Palmöl bisher nur ge- wendig. Verzichten sollten Sie auf Palmölpro- ringe Mehrkosten verursacht, ist es für alle Un- dukte, die keines der genannten Siegel aufwei- ternehmen und nachgelagerten Verbraucher*in- sen. Eine Einführung und Übersicht über alle Zer- nen jedoch erschwinglich. Letztlich ist die Stu- tifizierungen bzw. Siegel ist in Anlage III (Gütezei- dienlage zur positiven Wirkung anderer Zertifi- chen für nachhaltigen Ölpalmenanbau) und An- zierungen, wie ISCC+, Rainforest Alliance, fairem lage VI (Gütezeichen für Endprodukte mit Bezug Handel oder Bio, sogar noch schlechter, so dass auf Anbaustandards) aufgeführt. genereller Forschungs- und Verbesserungsbedarf besteht. Ist der RSPO seriös? Kann er etwas bewegen? Es wäre falsch den RSPO aufgrund der Mängel Das bekannteste Gütezeichen, welches derzeit nun gänzlich aufzugeben. Die DUH empfiehlt, die den Markt dominiert und dabei rund 20 % der aufgebauten Strukturen und Kontakte zu Liefe- globalen Ölpalm-Anbaufläche abdeckt, ist das rant*innenen zu nutzen und Verbesserungen bei RSPO-Siegel des Roundtable on Sustainable Palm der Umsetzung und Wirkung von Zertifizierungs- Oil (Runden Tisches für nachhaltiges Palmöl). Die systemen einzuführen. Dabei dürfen Unterneh- Kriterien des RSPO haben laut vieler Studien men ihre Verantwortung nicht länger durch den zwar auf dem Papier die höchsten Anforderun- Kauf zertifizierter Ware bei ihrem direkten Zulie- gen, jedoch gibt es Schwachstellen im Bereich ferer enden lassen, sondern sollten im Sinne der der Umsetzung der ökologischen und sozialen Sorgfaltspflichten (s. Lieferkettengesetz) genau Kriterien. Auf Missstände weisen einzelne Medi- wissen, woher ihr Palmöl stammt und auf eine enberichte bzw. wissenschaftliche Fallstudien langfristige, kooperative und faire Zusammenar- hin. So konnte die Entwaldung in Indonesien beit mit Plantagenbesitzer*innen setzen. Zudem durch Zertifizierung allein in den letzten Jahrzeh- wäre ein Rückzug der EU aus Palmöl nach Jahr- nen nicht unterbunden werden. Ein Grund dafür zehnten der Förderung dieses Sektors verant- ist, dass der RSPO nur lange bestehende Planta- wortungslos und würde die negative Dynamik, gen zertifiziert. Plantagen, für die nach 2008 Wäl- die in Gang gesetzt wurde, nicht abmindern. Ins- der gerodet wurden, sind von der Zertifizierung gesamt bleibt der RSPO aufgrund seiner Mängel ausgeschlossen. Daher eignet sich der RSPO vor bei der Umsetzung und des bislang geringen Ein- allem dazu, die Arbeitsbedingungen und Um- flusses auf die Entwaldung außerhalb der zerti- weltauswirkungen auf bestehenden Flächen zu fizierten Lieferketten jedoch nur ein Mindest- verändern. Positive Veränderungen der Anbau- standard. bedingungen konnten in einigen Studien in Teil- bereichen nachgewiesen werden, darunter z.B. Welche Unternehmen nutzen welche Siegel? die Bildung von Kooperativen, der verbesserten Es werden keine Herstellerlisten zu verfügbaren Preis-Transparenz für Bauern beim Verkauf ihrer Produkten und verwendeten Siegeln in dieser Ernte an Ölmühlen, die reduzierte Anwendung Studie bereitgestellt, da die Zahl der palmölhalti- gen Produkte zu groß ist und die Angabe, ob eine
– 15 – Nachhaltigkeitszertifizierung vorliegt, häufig fehlt. Übergeordnetes Ziel ist es, die Anforderun- 11 gen an nachhaltiges Palmöl und transparente An- 9 gaben auf Produkten und Webseiten im Vergabe- verfahren und schließlich auch gesetzlich zu ver- 8 ankern (s. Kapitel 4 und 5). 53 2.5 Ziel der Bundesregierung: 100% 20 nachhaltig zertifiziertes Palmöl Energetische Nutzung (inkl. Biodiesel) Deutschland verbraucht mit rund 1,38 Mio. t Palmöl (inkl. Palmkernöl) derzeit rund 2% der Lebensmittel Weltproduktion an Palmöl (Abb. 12). Deutsch- land und sechs weitere europäische Mitglieds- Wasch-,Pflege- und Reinigungsprodukte & Kosmetik staaten unterstützten das Ziel, bis 2020 nur noch Chemie & Pharmazie (inkl. Kerzen) nachhaltig zertifiziertes Palmöl zu beziehen. Eine Verpflichtung der Hersteller*innen und Händ- Futtermittel ler*innen zur Einfuhr und Nutzung ausschließlich nachhaltiger Palmölprodukte existiert aber bis- Abbildung 12: Anteile unterschiedlicher Wirtschaftssek- lang nicht. toren am deutschen Palmölkonsum im Jahr 2019 in Pro- zent (inkl. Palmkernöl) (Meo Carbon Solutions, 2021). Stattdessen setzt das Bundeslandwirtschaftsmi- nisterium (BMEL) auf freiwillige Initiativen, wie zu beschaffen. Derzeit zählt das FONAP 51 Mit- das Forum für Nachhaltiges Palmöl (FONAP), wel- glieder (Stand August 2020) – darunter Unter- ches Unternehmen vereint, die sich freiwillig be- nehmen, Nichtregierungsorganisationen, Ver- reit erklären ausschließlich nachhaltiges Palmöl bände und Bundesministerien. Die Unternehmen des FONAP verarbeiteten in ihren Produkten im 250.490 nachhaltig zertifiziertes Palmöl nicht-zertifiziertes Palmöl 250.000 Palmölvebrrauch in Tonnen 200.000 150.000 112.650 100.000 82.501 66.344 50.000 37.550 37.736 39.540 28.390 0 Lebensmittel Futtermittel Wasch-, Pflege- und Chemie und Pharmazie Reinigungsmittel, Kosmetik Abbildung 13: Deutschlands Verbrauch von nachhaltig zertifiziertem und nicht-zertifiziertem Palmöl (inkl. Palmkernöl) in den vier nicht-energetischen Sektoren in 2019 (insg. 534.989 t) - ohne die energetische Nutzung von 726.397 t nach- haltig zertifiziertem Palmöl. (Quelle: Meo Carbon Solutions, 2021).
– 16 – Jahr 2018 rund 183.000 t Palmöl aus nachhaltig Weltweit gesehen ist etwa ein Fünftel des zertifiziertem Anbau, was ca. 30% des Palmölver- Palmöl-Angebots nachhaltig zertifiziert. Mit Aus- brauchs Deutschlands entsprach (FONAP, 2019). nahme der Palmöl-Derivate ist Palmöl aus allen Aus der Futtermittelindustrie hat sich neben dem Lieferkettenmodellen (s. Kapitel 2.5) ausreichend Deutschen Verband Tiernahrung (DVT) bislang am Markt verfügbar. Das Angebot an nachhaltig kein Unternehmen dem FONAP angeschlossen. produzierten Palmöl überwiegt jedoch immer Aber auch viele Unternehmen anderer Branchen noch erheblich die globale Nachfrage. So wurden zögerten die Umstellung auf nachhaltiges Palmöl 2015 z.B. 52% der eigentlich nachhaltig zertifi- noch über das Jahr 2020 hinaus. zierten Produktion an RSPO-Palmöl mangels Käu- fer*innen als konventionell verkauft – ohne ent- Zwar hat sich in allen Sektoren der Einsatz des sprechende Preisaufschläge. 21% des nachhalti- nachhaltigen Palmöls über die letzten Jahre ste- gen RSPO-Palmöls wurden physisch getrennt ge- tig erhöht. Trotzdem waren im Jahr 2019 erst handelt (segregiert) oder vermischt vertrieben 83% des Palmöls nachhaltig zertifiziert. Im ener- (mass balance). Die andere Hälfte des nachhaltig getischen Sektor ist der Einsatz nachhaltigen angebauten Palmöls landete zu 27% im „Zertifi- Palmöls verpflichtend. Ohne ihn kommt man auf katehandel“ (book and claim), der eine Kompen- einen enttäuschenden Anteil von rund 60% zer- sationsmöglichkeit für verwendetes nicht-nach- tifiziertem Palmöl beim deutschen Palmölkon- haltiges Palmöl darstellt (Greenpalm, 2015). sum. Dabei sind Exporte nicht mitbetrachtet. Der Anteil wird 2020 voraussichtlich höher ausfallen, aber das Ziel von 100% nachhaltigem Palmöl wird 2.6 Die Palmöl-Lieferkette: Vom nicht erreicht (Die nächste Marktstudie des Feld zur Kantine FONAP erscheint 2022 und wird den nachhalti- Stufe 1 – Anbau der Ölpalmen in den Tropen gen Anteil im Jahr 2021 schätzen). Für die Zielver- und weltweiter Export fehlung werden vor allem die Futtermittel- und Chemiebranche verantwortlich gemacht, sowie Über zahlreiche Verarbeitungsschritte gelangt verschiedene Unternehmen der anderen Sekto- das Palmöl in Produkte in Europas Warenkörbe ren (Abb. 13). (Abb. 14). Die Wertschöpfungskette beginnt mit dem Anbau der Ölpalmen, der überwiegend in In- Nachhaltiges Palmöl honorieren – öffentliche donesien und Malaysia, aber auch in anderen Beschaffung ist gefragt! tropischen Ländern stattfindet. Palmöl wird aus Aufgrund fehlender Verpflichtungen zu nachhal- den Früchten der Ölpalme gewonnen. Palm- tigem Palmöl für Hersteller*nnen und Händ- kernöl stammt aus den Kernen. Kultiviert werden ler*innen von palmölbasierten Produkten, ist es Ölpalmen weltweit von einer unbekannten An- von großer Bedeutung, dass die öffentliche Hand zahl von mittelgroßen und industriellen Planta- ihre Einflussmöglichkeit durch eine nachhaltige gen sowie mind. 5 Millionen Kleinbauern (WWF, Beschaffung wahrnimmt. Fakt ist, dass der öf- 2020). fentliche Sektor mit einem Beschaffungsvolumen von über 500 Mrd. Euro größter Einkäufer im Es folgt die Lieferung an Ölmühlen, die das Öl aus Land ist und somit entscheidende Impulse für den Ölpalmfrüchten pressen und sich für ge- nachhaltige Produktionsmuster setzen kann wöhnlich in einem Abstand von ca. 50-100 km zu (BMWi, 2020). Indem die öffentliche Beschaffung den Plantagen befinden (Abb. 15). Denn die rei- in Zukunft nur noch nachhaltig zertifizierte fen Ölpalmfrüchte verderben schnell und müs- Palmöl-Produkte erlaubt, kann sie das Ziel des sen innerhalb von 24 Stunden abtransportiert BMEL, den deutschen Markt vollständig auf und verarbeitet werden. Ölmühlen gehen häufig nachhaltiges Palmöl umzustellen, unterstützen. Kooperationen mit umliegenden Landwirten ein. Es existieren weltweit mehr als 2000 Ölmühlen.
– 17 – Chemie- Zwischen- Ölmühle & Endprodukt- Einzel- und Endver- Plantagen Raffinerie unter- produkt- Crusher hersteller Großhandel braucher nehmen hersteller Abbildung 14: Vereinfachte Darstellung der Palmöl-Lieferkette. Der Import geschieht durch die Raffinerie bzw. das zuge- hörige Rohstoffunternehmen und Verarbeitungsunternehmen aus diversen Sektoren. Die Kerne werden von „Crushern“ weiterverar- trennt. Sie können jeweils weiter in ihre Bestand- beitet. Die Ölmühlen liefern das Rohöl an Raffi- teile aufgetrennt werden. Die Raffinerien sind nerien, welche das Öl reinigen, veredeln und in oft im Besitz großer Rohstoffhandelsunterneh- seine Bestandteile auftrennen. Weltweit gibt es men, die gleichzeitig auch den Export in die EU einige Hundert Raffinerien, die Palmöl verarbei- durchführen. Raffinerien liegen daher überwie- ten (s. Tab. 3) – der überwiegende Teil befindet gend an Häfen oder anderen verkehrsgünstigen sich direkt in den Anbaugebieten in Asien. Mit Orten. der vergleichsweise geringen Anzahl an Akteu- ren, stellt die Raffination das „Nadelöhr“ der Stufe 2 – Import und Verarbeitung in der EU Palmöl-Lieferketten dar. Bei der Raffination wer- Unbehandeltes Palmöl wird von europäischen den störende Schwebstoffe, Farbstoffe, Ge- Raffinerien importiert und aufgereinigt. Bei der schmacks- und Geruchsstoffe aus dem Öl ent- Fraktionierung wird das vorgereinigte Palmöl fernt (Vorreinigung, Entsäuerung, Entfärbung, beispielsweise mithilfe des Einsatzes von Tempe- Desodorierung). Zudem wird das rohe Palmöl mit ratur und Druck zu den zwei „Fraktionen“ – flüs- mechanischen Methoden in zwei sog. Frak- siges Olein und wachsartiges Stearin aufgetrennt tionen, Olein (flüssig) und Stearin (fest), aufge- –, die wiederum weiter aufgetrennt werden kön- nen (FONAP, 2020, Kodali 2014). Rohstoffimpor- teur*innen und Raffinerien vertreiben die diver- sen Palmöl-Produkte, z.B. Fettsäuren, als Futter- mittelkomponenten an Mischfutterhersteller*in- nen. Sie beliefern aber auch die Biodiesel- und Chemieindustrie mit Produkten (Heinrich Nagel KG, 2020). Chemieunternehmen, wie BASF und Bayer, ver- arbeiten die Palmölfraktionen zu einer Vielzahl an weiteren Verbindungen (sog. Derivate), bei- spielsweise zu Inhaltsstoffen, wie Tensiden oder Emulgatoren. Dazu werden die enthaltenen Stoffe mithilfe chemischer Reaktionen modifi- ziert, so dass sie für ihre Anwendungsgebiete op- timale Eigenschaften aufweisen (Haltbarkeit, Abbildung 15: Einzugsgebiete von drei Ölmühlen, die Schmelzpunkt, usw.). So werden aktuell bis zu eine Palmöl-Raffinerie beliefern (angelehnt an The tausend palmölbasierte Stoffe hergestellt. Earthworm Foundation, Jahr unbekannt).
– 18 – Palmöl kann sich daher hinter einer Vielzahl an im Einzelhandel ein. Eine genaue Zahl zu Beschaf- Produktzutaten mit komplizierten chemischen fungsstellen und Bedarfsträgern ist der Bundes- Namen verbergen (s. Kapitel 2.6). regierung nicht bekannt. Schätzungsweise weit über 60.000 Einrichtungen des öffentlichen Sek- Verarbeitungsunternehmen und Produkther- tors nutzen tagtäglich Palmöl, z.B. in Form von steller*innen stellen mithilfe der palmölbasier- Reinigern oder Lebensmitteln in städtischen Kan- ten Stoffe unzählige Zwischen- und Endprodukte tinen oder in der Schulverpflegung. aus Palmöl her. Ein Beispiel wären Wachsherstel- ler*innen, die Palmstearin weiterverarbeiten Zertifiziertes Palmöl – in vier Lieferkettenmo- und an Kerzenunternehmen oder den Lebens- dellen erhältlich mittelsektor liefern. Bei rund tausend Palmöl- Stoffen und der großen Bandbreite an Einsatz- Zertifiziertes Palm- und Palmkernöl und ihre unzäh- möglichkeiten ist klar, dass die Zahl der Herstel- ligen Derivate werden in verschiedenen Liefer- lerunternehmen von Palmöl-Produkten allein in kettenmodellen auf dem Markt angeboten, die un- Deutschland riesig sein muss: Palmöl für die Pro- terschiedliche Eigenschaften hinsichtlich der Hand- duktion von Lebensmitteln und Tierfutter, Che- habung und Rückverfolgung entlang der Lieferkette mie-, Reinigungs-, Wasch- und Pflegeprodukten, aufweisen (Tab. 1). Die Optionen „identity preser- Kosmetik und Brenn- und Treibstoffen einge- ved“ (IP) und „segregated“ (SG) sind zu bevorzu- setzt. gen, damit ausschließlich Palmöl aus zertifizierten Quellen in die beschafften Produkte gelangt. Das SG Modell setzt bei den Marktteilnehmern somit Stufe 3 – Vertriebswege Anreize, dem zertifizierten Palmöl kein nicht-zerti- fiziertes Palmöl beizumischen und eine Umstellung Die palmölbasierten Produkte gelangen durch auf 100 % nachhaltiges Palmöl vorzunehmen. Zu- Werksverkäufe, kleinere Ladengeschäfte und dem sind IP und SG rechtssicherer als die Optio- über 47.000 Lebensmitteleinzel- und großhan- nen „mass balance“ (MB) und „book and claim“ delsfilialen in Privathaushalte und den öffentli- (BC)(S. 24, Gnittke, 2019). Bei letzteren wird der chen Sektor. Beauftragte Dienstleistungsunter- nachhaltige Ölpalmanbau zwar in gleichem Maße nehmen, wie Reinigungsfirmen, kaufen überwie- unterstützt, jedoch gelangt das nachhaltig produ- gend im Großhandel oder bei Hersteller*innen zierte Palmöl nicht zwingend in die beschafften ein und bieten ihre Leistungen. Deutschlandweit Endprodukte, da es mit nicht-zertifiziertem Palmöl gibt es rund 14.000 Caterer und 25.000 Reini- vermischt werden darf. Das BC-Modell kann aller- gungsfirmen (exkl. Kleinstunternehmen). dings sehr nützlich sein, z.B. wenn es darum geht unabhängige Kleinbauern zügig durch den Kauf von Stufe 4 – Öffentliche Beschaffung Zertifikaten zu unterstützen. Auch als Übergangslö- sung ist es hilfreich, z.B. wenn spezielle Inhalts- An letzter Stelle des Lieferwegs stehen die min- stoffe beim Zulieferer noch nicht zertifiziert verfüg- destens 35.000 Beschaffungsstellen aus dem öf- bar sind (z.B. aufgrund kleiner Mengen). Im BC-Mo- fentlichen Sektor, die für kommunalen, landes- dell können sogar Kosten gegenüber andern Mo- und bundesweiten Bedarfsträger Produkte und dellen gespart werden, da keine Rückverfolgung Dienstleistung beschaffen. Palmöl-Produkte wer- und getrennte Aufbewahrung von zertifiziertem den entweder direkt bei Herstellern oder Händ- und nicht-zertifiziertem Palmöl verlangt wird (zu- lern erworben oder über die Vergabe von Dienst- sätzliche Tanks, separate Verarbeitung, Lieferket- ten-Audits, Bürokratie, Zwischenhändler). Die ge- leistungen an Dritte - wie Catering- oder Reini- zahlten Preise für Palmöl-Zertifikate gehen dabei gungsaufträge, bezogen. Zudem kaufen Ange- fast ohne Abzüge and die nachhaltig zertifizierten stellte des öffentlichen Sektors auch in unbe- Plantagen und Kleinerzeuger*innen. Somit könnte kanntem Ausmaß kleine Mengen von Produkten bei BC mehr Geld direkt in den nachhaltigen Anbau investiert werden.
– 19 – Tabelle 1: Besonderheiten der vier Lieferkettenmodelle, in denen zertifiziertes Palmöl von Produkthersteller*innen bezo- gen bzw. unterstützt werden kann (RSPO, 2020; Befragung von Experten aus dem Palmölsektor, 2021). Handels- Das Palmöl im modell für Endprodukt Rückverfolgung des zertifizierten Palmöls Besonderheiten zertifiziertes stammt… Palmöl …von einer einzi- 100% zertifiziertes Palmöl im Endprodukt, weil das Palmöl ent- gen zertifizierten Bio-Palmöl wird z.B. vorwie- Identity Pre- lang der gesamten Lieferkette von nicht-zertifiziertem Palmöl Ölmühle. Die Öl- gend im IP-Modell gehandelt. Es getrennt verarbeitet und verkauft werden muss. Die Her- served (IP) mühle kann von kann von großen Monokulturen kunftsölmühle ist bekannt. Jedoch sind die zuliefernden Plan- certified einer Vielzahl an stammen, wird aber teilweise tagen nicht zwingend bekannt. Diese werden ggf. freiwillig er- palm oil zertifizierten Plan- auch von Kleinerzeuger*innen mittelt und angegeben. Zertifizierungssysteme fordern die An- tagen beliefert angebaut. gabe noch nicht ein. werden. 100% zertifiziertes Palmöl im Endprodukt, weil das Palmöl in Höhere Kundenakzeptanz als … von mehr als der gesamten Lieferkette getrennt von nicht-zertifiziertem Segregated bei MB oder BC, da keine Ver- einer zertifizier- Palmöl gehalten werden muss. Der RSPO verpflichtet nicht zur mischung mit nicht-zertifizier- (SG) certi- ten Ölmühle samt Rückverfolgung und Herkunftsangabe. Rohstoffhändler und tem Palmöl. Es ist im SG-Modell fied palm oil der zuliefernden Verarbeiter stellen die Informationen jedoch teilweise bereits bisher kaum Palmöl von Klei- („separier- zertifizierten Plan- als freiwillige Zusatzleistung zur Verfügung. Die Rückverfol- nerzeugerinnen verfügbar tes“ Palmöl) tagen. gung bis zu den zertifizierten Ölmühlen ist also nur gegeben, (RSPO, ISSC), ggf. über Rainfo- wenn Unternehmen entlang der Lieferkette diese ermitteln rest Alliance oder Fair for Life. und Informationen bereitstellen. Es ist keine Aussage darüber möglich, wieviel Palmöl aus zer- Ölmühlen können weiterhin tifiziertem Anbau im Endprodukt enthalten ist, da das Palmöl Palmöl von nicht-zertifizierten … von zertifizier- von zertifizierten Plantagen entlang der gesamten Lieferkette Plantagen und Kleinerzeuge- Mass bal- ten und nicht-zer- mit Palmöl von nicht-zertifizierten Plantagen vermischt wer- rinnen beziehen. Die sind teil- ance (MB) tifizierten Ölmüh- den darf (z.B. in der Ölmühle). Die Ölmühle darf jedoch nur so weise dazu verpflichtet, so dass len. Die Ölmühlen viel MB-zertifiziertes Palmöl verkaufen, wie es anteilig Palm- certified sie nicht immer auf das SG-Mo- werden von zerti- ölfrüchte aus zertifiziertem Anbau bezogen und zu Palmöl ver- palm oil arbeitet hat. Die nachfolgenden Verarbeiter dürfen nicht mehr dell umstellen können. Nicht- („mas- fizierten und zertifizierte (Klein-)Erzeuger*in- nicht-zertifizier- MB-zertifiziertes Palmöl ausliefern als sie erhalten haben. Mit senbilan- nen sollten von Ölmühlen und ten Plantagen be- dem Kauf von MB-zertifiziertem Palmöl wird also eine äquiva- ziertes“ Endabnehmern bei der Umstel- liefert. lente Menge von Palmöl aus nachhaltigem Anbau unterstützt. lung unterstützt werden, so Palmöl) Der RSPO verpflichtet nicht zur Rückverfolgung und Her- dass der nachhaltige Anbau in kunftsangabe. Die Rückverfolgung bis zu den zertifizierten Öl- der Region ausgebaut und das mühlen ist nur gegeben, wenn Unternehmen entlang der Lie- SG-Modell umsetzbar wird. ferkette diese ermitteln und Informationen bereitstellen. Book & Zertifizierte Plantagen ohne Das Endprodukt enthält i.d.R. kein Palmöl aus zertifiziert Claim (BC) Zugang zu einer zertifizierten nachhaltigem Palmöl (oder nur zufällig), da vom Endabneh- palm oil o- Mühle können durch den Ver- mer konventionelles Palmöl bezogen und verarbeitet wird. kauf von BC-Zertifikaten für der “Cre- Endproduktherstellern kaufen das Palmöl aus nachhaltig zer- ihre Bemühungen belohnt wer- dits“/ tifiziertem Anbau vielmehr „virtuell“ auf einem online Markt- den. Manche Derivate sind bis- Palmöl aus platz. Das Palmöl der zertifizierten Plantage wird aber nicht her zudem nur begrenzt in den Zertifikate- entlang der Lieferkette nachverfolgt und auch von der Öl- … aus unbekann- anderen Optionen verfügbar, handel mühle nicht getrennt von nicht-zertifiziertem Palmöl verarbei- ten Quellen. Die weshalb BC als Übergangslö- tet (vgl. MB). Mit dem Kauf von BC-zertifiziertem Palmöl wird Lieferanten müs- sung wichtig bleibt. BC wird also der nachhaltige Anbau in äquivalenter Menge zum bezo- sen nicht zwin- teilweise kritisiert, weil nach- genen nicht-zertifizierten Palmöl unterstützt. Produktherstel- gend Palmöl aus haltiger Ölpalmanbau zwar un- ler und Einzelhändler erwerben dabei Zertifikate für Palmöl zertifiziertem An- terstützt nicht im Rahmen der aus nachhaltigem Anbau stellvertretend für die verwendete bau beziehen. eigenen Rohstoffbeschaffung Menge an nicht-zertifiziertem Palm(kern)öl (1 RSPO-Credit wird. Zwar können z.B. unab- steht für 1 Tonne Palmöl aus RSPO-zertifiziertem Anbau). Die hängige Kleinbauern gezielt un- Zertifikate werden von zertifizierten Großplantagen, Ölmühlen terstützt werden. Die verhan- und unabhängigen Kleinbauern auf einer Handelsplattform, delbaren Aufpreise fallen je- wie z.B. RSPO PalmTrace, angeboten. Sie besagen also, dass doch oft zu gering aus. Die Un- eine bestimmte Menge Palmöl aus nachhaltigem Anbau auf ternehmen könnten jedoch den Weltmarkt gelangt ist, aber nicht wo dieses verbleibt. mehr zahlen, wenn sie wollten.
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