Paraneoplastische Syndrome 3/13
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3/13 Paraneoplastische Syndrome VERLAG Trillium GmbH Hauptstraße 12 b · D-82284 Grafrath Indexed in Scopus 22. Jahrgang · 10,– € · www.trillium.de · 70739 · ISSN 1868-4246
Editorial ParaneoplastischeSyndrome 1 U nter Paraneoplastischen Syn- Tumor einwandern und dort das Tu- das Nervensystem betreffen. Es wird dromen (PNS) fasst man eine morwachstum fördern. eindrucksvoll dargestellt, dass bei sehr heterogene Gruppe von Das sehr umfangreiche und viel- zahlreichen neurologischen Syndro- Symptomen bei Tumorpatien- fältige Spektrum der endokrinen men differenzialdiagnostisch ein PNS ten zusammen, die nicht direkt durch Paraneoplasien mit zahlreichen Syn- in Erwägung gezogen werden muss. Wachstum oder Verdrängung vom dromen wird von Waterhouse im Gerade auf dem Gebiet der neuro- Tumor oder seinen Metastasen verur- zweiten Beitrag sehr übersichtlich und logischen PNS konnte in den letzten sacht werden. Die Ursachen sind zum anschaulich dargestellt. Jahren eine enorme Verbesserung der einen vom Tumor freigesetzte Boten- Im dritten Beitrag von Scherberich Diagnostik durch den gleichzeitigen stoffe wie Hormone oder Zytokine, werden die verschiedenen PNS, die Nachweis multipler spezifischer Auto die indirekt und häufig fernab des das Organ Niere betreffen können, antikörper mithilfe rekombinanter Primärtumors wirken. Zum anderen abgehandelt. Er betont eindringlich, Antigene und neuartiger multiple- sind sie das Ergebnis der Interaktion dass bei jeder schnell entstandenen xer Testsysteme wie dem Line-Blot, des Tumors mit dem Immunsys- Proteinurie oder anderen Nierenfunk- Biochip-Mosaik und transfizierten tem, in deren Folge Autoantikörper tionsstörungen bei über 50-jährigen Zellen erzielt werden. gebildet werden, die durch Kreuzre- Patienten auch an eine paraneoplas- Die neurologische Symptoma- aktionen nicht nur an Tumorzellen, tische Nephropathie gedacht werden tik manifestiert sich meist vor der sondern auch an andere Gewebe muss. Typisch ist z. B. die membranöse Diagnose des auslösenden Tumors. binden. Die klinischen Symptome Immunkomplex-Glomerulonephritis Somit ist eine schnelle, eindeutige der PNS sind vielfältig und reichen (MGN) bei soliden Tumoren, bei Diagnose ganz essenziell, um früh- von diskreten Veränderungen wie der im Gegensatz zur idiopathischen zeitig den auslösenden Tumor suchen einer Hyperkalzämie bis zum Voll- MGN keine Autoantikörper gegen und behandeln zu können. Auch bild einer Erkrankung, z. B. im Sinne Phospholipase-A2-Rezeptor nach- andere PNS können der klinischen eines Cushing-Syndroms oder einer zuweisen sind. Verschiedene andere Manifestation der Tumorerkrankung Lambert-Eaton-Myastenie. typische PNS gehen dagegen mit der um Monate vorausgehen und stellen Im ersten Beitrag dieses Schwer- Induktion und dem diagnostischen damit nicht selten die Erstmanifes- punktheftes wird von Gruber ein Nachweis spezifischer Autoantikör- tation des Tumors dar. Die meist Überblick über den aktuellen Stand per einher. Typisch ist der erst 1990 einzige kausale Therapie der para- zur Pathophysiologie der PNS gege- beschriebene paraneoplastische Pem- neoplastischen Symptomatik ist die ben. Möglicherweise sind die klinisch phigus, der klinisch oft nicht vom Therapie des auslösenden Tumors. in Erscheinung tretenden PNS nur typischen Pemphigus vulgaris zu un- Je nach Pathophysiologie ergeben die Spitze des Eisbergs einer inten- terscheiden ist. sich symptomatische Therapiemög- siven Interaktion zwischen Tumor Wie Stöcker et al. im vierten Bei- lichkeiten wie Immunsuppression bei gewebe und normalem Gewebe. trag, in dem es um kutane PNS geht, Autoimmun-Phänomenen oder eine Einige Tumorzellen scheinen einen beschreiben, konnten in den letzten anti-hormonelle Therapie bei hor- deutlichen Selektionsvorteil durch Jahren mit Hilfe rekombinanter An- monproduzierenden Tumoren. die Sekretion von Zytokinen oder tigene hoch sensitive und spezifische hormonähnliche Substanzen zu ha- Testsysteme für die Routinediagnostik ben. Normale Zellen aus dem vom etabliert werden. Primärtumor weit entfernten Kno- Auch im letzten Beitrag von chenmark oder der Milz können so Probst et al. geht es um Autoimmun- mobilisiert werden, die dann in den phänomene, und zwar um PNS, die R. Gruber, Nürnberg krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3 111
Inhalt 1 Editorial Schriftleitung: Prof. Dr. med. R. Gruber, Nürnberg Prof. Dr. med. G. Schlimok, Augsburg R. Gruber, Nürnberg Wissenschaftlicher Beirat: Paraneoplastische Syndrome������������������������������������������������������������������������������������ 111 Prof. Dr. med. H. Goldschmidt, Heidelberg Prof. Dr. med. M. Hallek, Köln Prof. Dr. med. K. Häußinger, Gauting Prof. Dr. med. E. Hiller, München Prof. Dr. med. R.-D. Issels, München 2 Themen Prof. Dr. med. K.-A. Kreuzer, Köln Prof. Dr. med. K. Possinger, Berlin Prof. Dr. med. Christine Spitzweg, München R. Gruber, Nürnberg Priv.-Doz. Dr. med. J. Stemmler, München Pathophysiologie der paraneoplastischen Syndrome Prof. Dr. med. L. Trümper, Göttingen Pathophysiology of Paraneoplastic Syndromes.................................................................... 114 Heftverantwortung: Prof. Dr. med. R. Gruber, Nürnberg 1 C. Waterhouse, München Endokrine paraneoplastische Syndrome Endocrine Paraneoplastic Syndromes............................................................................... 120 J. E. Scherberich, München Paraneoplastische Nephropathie Paraneoplastic Nephropathy........................................................................................... 125 W. Stöcker, N. Hornig, L. Komorowski et al., Lübeck Kutane paraneoplastische Syndrome Cutaneous Paraneoplastic Syndromes.............................................................................. 134 C. Probst, L. Komorowski, S. Lange et al., Lübeck Paraneoplastische neurologische Syndrome Paraneoplastic Neurological Syndromes........................................................................... 140 N. Gökbuget, Frankfurt Akute lymphatische Leukämie des Erwachsenen (Teil II) Acute Lymphoblastic Leukemia in Adulthood................................................................ 147 3 Rubriken Für Sie gelesen ........................................................................................................... 157 Kongressberichte ....................................................................................................... 158 Impressum, Veranstaltungen ................................................................................... 162 Zum Artikel von C. Probst et al. „Paraneoplastische neurologische Syndrome“ ab Seite 140 gibt es einen CME-Fragebogen, der aus organisatorischen Gründen erst in der kommenden Winterausgabe erscheint. Wenn Sie an der Teilnahme interessiert sind, dann heben Sie den Fachartikel bei Bedarf bitte auf. krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3 113
Schwerpunkt Pathophysiologieder paraneoplastischen 2 Syndrome R. Gruber Zusammenfassung Einleitung Unter Paraneoplastischen Syndromen plastischen Symptomatik ist die The- Paraneoplastische Syndrome (PNS) (PNS) fasst man bei Tumorpatienten rapie des auslösenden Tumors. Je sind eine sehr heterogene Gruppe eine sehr heterogene Gruppe von nach Pathophysiologie ergeben sich von Symptomen oder Symptomkom- Symptomen oder Symptomkomple- symptomatische Therapiemöglichkei- plexen. Sie werden nicht direkt vom xen zusammen, die nicht direkt vom ten wie Immunsuppression bei Auto Tumor oder seinen Metastasen durch Tumor oder seinen Metastasen durch immunphänomenen oder eine anti- Wachstum, Verdrängung oder Ne Wachstum, Verdrängung oder Ne hormonelle Therapie bei hormon- krose verursacht, sondern indirekt krose verursacht werden. Die Ursa- produzierenden Tumoren. und damit häufig systemisch oder chen dieser Syndrome sind zum einen fernab vom Primärtumor. Die Ursa- vom Tumor freigesetzte Botenstoffe Schlüsselwörter: Paraneoplastische chen dieser Syndrome sind zum ei- wie Hormone oder Hormonanaloga Syndrome – Tumoranämie – Kache- nen vom Tumor freigesetzte Boten- oder auch Proteine, die indirekt und xie – Zytokine – Autoantikörper – stoffe wie Hormone oder Hormon- damit häufig systemisch oder fernab Immuntoleranz Analoga oder auch Proteine, die z. B. des Primärtumors wirken. Zum an- direkt gerinnungsaktivierend wirken. deren sind sie das Ergebnis der Inter- Zum anderen spielt die Interaktion aktion des Tumors mit dem Immun- des Tumors mit dem Immunsystem system. Hierunter fallen die Störung eine wichtige Rolle. Ursachen können der zentralen Toleranz, eine periphe- die Störung der zentralen Toleranz, re Immundysregulation oder die Ex- eine periphere Immundysregulation pression veränderter Selbst-Antigene. oder die Expression veränderter Häufig werden infolge dieser Störun- Selbst-Antigene sein. Hier spielt die gen Autoantikörper gebildet, die Freisetzung von Zytokinen aus Tu- durch Kreuzreaktivitäten nicht nur an morzellen oder die Induktion von Tumorzellen, sondern auch an ande- Zytokin-Freisetzung und Antikörper- ren Geweben, wie z. B. im ZNS und Produktion durch Immunzellen eine in der Haut binden und zu PNS füh- wichtige Rolle. Diese Autoantikörper ren. Nicht alle paraneoplastischen binden im Sinn einer Kreuzreaktivität Phänomene sind mit den erwähnten nicht nur an Tumorzellen, sondern Mechanismen zu erklären, sodass auch an andere Gewebe und können weitere, bisher nicht bekannte Ursa- PNS z. B. im ZNS und in der Haut chen vermutet werden. Die meist auslösen. Die pathogenetischen Zu- einzige kausale Therapie der paraneo- sammenhänge zwischen Tumor und PNS sind manchmal sehr eindeutig 114 krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3
Schwerpunkt und gut erklärbar. So wird das Zollin- Klinische Relevanz könnten, aktiv diagnostiziert und ger-Ellison-Syndrom beim Gastrin- abgeklärt werden oder zumindest produzierenden Tumor durch die Die Angabe genauer Zahlen zur In- diese Differenzialdiagnosen weitest- anhaltende Überproduktion von Ma- zidenz von PNS ist aufgrund der gehend ausgeschlossen werden. gensäure ausgelöst. Kreuzreagieren- nicht einheitlichen Definition schwie- de Autoantikörper (anti-Hu), die rig. Dazu kommt eine nicht zu unter- insbesondere beim kleinzelligen schätzende Dunkelziffer, da auch die Einteilung der PNS Bronchialkarzinom (SCLC) induziert Unterscheidung gegenüber Neben- werden, können eine limbische En- wirkungen von Medikamenten Die PNS können nach der Ätiologie zephalitis oder eine sensorische peri- manchmal nicht einfach ist. Einige – soweit bekannt oder vermutet – phere Neuropathie auslösen. Nicht Untersuchungen über die Häufigkeit oder nach den betroffenen Organsys- alle paraneoplastischen Phänomene des Auftretens von PNS bei Tumor temen eingeteilt werden. Auch kli- sind mit den erwähnten Mechanis- erkrankungen kommen auf 7-15% nisch-diagnostische oder therapeuti- men zu erklären, sodass noch weite- [1]. Unter Einbeziehung von Allge- sche Besonderheiten können bei der re, bisher unbekannte Ursachen ver- meinsymptomen wie Gewichtsver- Klassifikation eine Rolle spielen. Bei mutet werden. lust und Kachexie oder Fieber liegt einer Reihe von PNS ist die Ätiologie Das Übersehen 2 Obwohl sich die meisten malig- die Inzidenz höher. Die Tumoranä- nicht eindeutig geklärt und einige eines PNS, aber nen Tumoren wohl aus einer entar- mie wird z. T. als Allgemeinsymptom, Syndrome sind systemübergreifend, auch die irrtümli- teten Zelle entwickeln, sind die z. T. aber auch als spezifisches PNS sodass jede Klassifikation ihre che Deutung von Zellen eines Karzinoms und auch des hämatopoetischen Systems abge- Schwächen hat. Besonders bei selte- Beschwerden als die Metastasen sehr heterogen. Im handelt. neren Manifestationen sind die ätio- paraneoplastisch Laufe der Progression bilden sich Die Kenntnis der PNS hat unab- logischen Zusammenhänge häufig können dem Patien- viele Quasi-Spezies, sodass sich hängig von ihrer Häufigkeit große noch unklar. ten schaden. paraneoplastische Phänomene be- klinische Relevanz. PNS können ein reits vor der Entdeckung des Pri- Rezidiv oder das Fortschreiten des Paraneoplastische märtumors zeigen können und den malignen Tumors anzeigen oder als Allgemeinsymptome ersten Hinweis auf einen Tumor Erstsymptom auftreten. In be- Zu den paraneoplastischen Allge- geben, aber auch erst im Verlauf stimmten Fällen können PNS so meinsymptomen zählt man i. d. R. der Tumorprogression auftreten charakteristisch für ein bestimmtes Gewichtsverlust, Kachexie, tumoras- und sich verstärken oder auch wie- Karzinom sein, dass die Diagnostik soziiertes Fieber und Nachtschweiß der abflauen können. In der Regel gezielt in diese Richtung fokussiert (also auch die sogenannten „B-Symp verlaufen PNS aber parallel zum werden kann. Unter Umständen tome“ v. a. bei Lymphomen). Auch Verlauf der Tumorerkrankung und werden dadurch Zeit und auch Kos- eine häufig auftretende Tumoranämie bilden sich auch bei deren Besse- ten gespart und die Chance auf eine und Blässe kann zu den paraneoplas- rung oder Heilung zurück bzw. kurative Therapie erhöht. Das Auf- tischen Allgemeinsymptomen gezählt verschwinden. Ausnahmen stellen treten einer Myasthenie kann z. B. werden. Die Anämie wird manchmal manche neurologischen Manifesta- das erste Symptom eines Thymoms mit anderen Symptomen auch zu den tionen dar, die sich oft sehr protra- sein oder die Gynäkomastie ein ty- spezifischen paraneoplastischen Syn- hiert, nur teilweise oder gar nicht pisches paraneoplastisches Symp- dromen des „Organsystems Blut“ zurückbilden. tom bei einem jungen Patienten mit gezählt. Die einzige kausale Therapie der einem ß-HCG-positiven Hodentu- Gewichtsverlust ist eine sehr paraneoplastischen Symptomatik ist mor. häufige Begleiterscheinung von meist die Therapie des auslösenden Das Übersehen eines PNS, aber Krebserkrankungen. Ein Großteil Tumors. Je nach Pathophysiologie auch die irrtümliche Deutung von aller Krebspatienten verliert unge- ergeben sich noch symptomatische Beschwerden als paraneoplastisch wollt an Gewicht, Patienten in me- Therapiemöglichkeiten wie Immun- können dem Patienten schaden. tastasierenden Spätstadien zu annä- suppression bei Autoimmun-Phä- Schmerzen aufgrund einer Wirbel- hernd 100%. In einer großen Studie nomenen oder eine anti-hormonel- säulenmetastasierung, die beispiels- konnte gezeigt werden, dass je nach le Therapie bei hormonproduzie- weise als „paraneoplastische poly Tumorart bei bis zu 80% der neu renden Tumoren. neuropathische Schmerzen“ fehlge- diagnostizierten malignen Tumoren Die unphysiologische, meist deutet werden, führen dazu, dass vor der Diagnose bereits ein Ge- nicht oder nur partiell homöosta- dem Patienten eine wirksame Strah- wichtsverlust vorhanden war [2]. tisch geregelte Sekretion durch be- lentherapie oder die Gabe von z. B. Bei jedem ungewollten Gewichts- nigne hormonproduzierende Ade- Biphosphonaten zur Therapie der verlust ist ein maligner Tumor als nome wird im engeren Sinne nicht Metastasen vorenthalten wird. Differenzialdiagnose in Erwägung zu den PNS gerechnet und wird hier Daher müssen bei Krankheits- zu ziehen und gegebenenfalls aus- auch nicht näher behandelt. Diffe- zeichen, die primär als paraneoplas- zuschließen. Bei bis zu zwei Drittel renzialdiagnostisch ist die Abklä- tisch eingestuft werden, differenzial der Krebspatienten schreitet der rung jedoch wichtig und oft nicht diagnostisch andere Ursachen, die Gewichtsverlust bis zu einer Tu- einfach. dieses Symptom auch hervorrufen morkachexie vor, und die Patienten krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3 115
Schwerpunkt leiden zusätzlich an Symptomen In Tumoren konnte die Ausschüt- „organisieren“ zu können. Man einer Mangelernährung. tung von pro-kachektischen Media- könnte also meinen, dass Karzinome toren wie PIF (proteolysis inducing aus einer sehr homogenen Ansamm- Physiologie und Pathophysiologie factor) und LMF (lipid mobilising lung von identischen Zellen beste- von Appetit und Nahrungsaufnahme factor) nachgewiesen werden [5]. hen, aber dem ist bei weitem nicht so. Die Nahrungsaufnahme ist norma- Durch den Tumor werden weitere Bei vielen Karzinomen entstehen lerweise mit hoher Präzision geregelt. lösliche Faktoren wie proinflamma wohl bereits sehr früh „Quasi-Spezi- Eine Vielzahl von zirkulierenden torische Zytokine sezerniert, die es“ von unterschiedlichen Zellpopu- Faktoren und endogen produzierten primär v. a. lokal, letztendlich aber lationen, die sich auch sehr heterogen Steroidhormonen regulieren den Ap- auch systemisch auf den Gesamtor- weiterentwickeln. So konnte gezeigt petit und das Essverhalten über ihre ganismus wirken. Insbesondere das werden, dass beim Kolonkarzinom Wirkung im Hypothalamus und proinflammatorische Zytokin- oft sehr früh – manchmal bereits vor Stammhirn. Diese Hormone haben Milieu mit der Folge einer systemi- Entdeckung des Haupttumors – Mi- v. a. drei Quellen: die Fettzellen, klas- schen Akute-Phase-Reaktion wer- krometastasen im Knochenmark sische endokrine Organe und den den als wichtige Ursache für die oft nachzuweisen sind, die sich deutlich Gastrointestinaltrakt. Endokrine ausgeprägte und fortschreitende in ihrer molekularen Struktur unter- Möglicherweise 2 Hormone wie Cortisol, Thyroxin und Tumorkachexie angesehen [5]. Die einander und vom Primärtumor un- sind die klinisch Östrogene wirken auch zentral und Akute-Phase-Reaktion ist eine allge- terscheiden [6]. Trotz dieser Hetero- apparenten PNS modulieren die Nahrungsaufnahme. meine und wichtige physiologische genität bleiben Differenzierungs- nur die Spitze In den letzten Jahren konzentriert Antwort des Organismus auf Stö- merkmale des Ausgangsgewebes er- des Eisberges der sich jedoch die Forschung auf die rungen der Homöostase, verursacht halten, die einen Rückschluss vom Interaktion zwi- Hormone, die Fettgewebe, Pankreas v. a. durch Infektionen, Trauma mit Tumor auf das Primärgewebe erlau- schen Tumor- und und Gastrointestinaltrakt selbst pro- Gewebszerstörung, chronische Ent- ben. Hier gibt es auf molekularer normalem Gewebe. duzieren. Regulationsmechanismen, zündung, aber eben auch Tumor- Ebene interessante Entwicklungen, deren Fehlfunktionen zu Überge- wachstum. Wichtige proinflamma um insbesondere bei Karzinomen wicht führen, spielen mit entgegen- torische Zytokine, die hier ausge- unbekannten Ursprungs (CUP – gesetztem Vorzeichen auch eine Rol- schüttet werden, sind z. B. Interleu- Cancer of Unknown Origin) durch le bei der Entwicklung der Tumorka kin 1 (IL-1), IL-6, IL-8 und Tumor- das Expressionsmuster das Primär- chexie. Dabei sind zu nennen die Nekrose-Faktor (TNF). Interessan- gewebe zu identifizieren. Dieser Hormone Leptin und Adiponectin terweise wurde TNF nach seiner „molekulare Fingerabdruck“ ermög- (Fettgewebe), Insulin, Amylin, pan Entdeckung zunächst auch Cachek- licht eine effektivere Behandlung [7]. kreatisches Polypeptid (Pankreas) tin genannt, da in vitro und in Tier- Aufgrund der diversen Mutatio- und Ghrelin, Cholezystokinin, versuchen neben den Eigenschaften nen kommt es zu neuen Expressi- GLP-1, glucose-dependent insulino- der Tumorzell-Lyse und Tumorne- onsmustern, die Tumorgewebe von tropic polypeptide, Oxyntomodulin krose auch ein Gewichtsverlust bei normalem Ausgangsgewebe unter- und PYY (Darm) [3, 4]. hoher Konzentration beschrieben scheiden. Die Pathophysiologie der Die Tumorkachexie wurde lange wurde. Durch diese Zytokine wird spezifischen PNS beruht in erster Zeit in erster Linie als Ergebnis der die vermehrte Synthese einer Reihe Linie auf dieser Fehlexpression von komplexen Interaktion des Tumors von Akute-Phase-Proteinen in der Molekülen im Tumorgewebe. Diese mit dem Organismus angesehen. Leber induziert. Bekannte Beispiele aberrante Expression führt zum ei- Tumoren brauchen große Mengen sind C-reaktives Protein (CRP) und nen zur Sekretion von Hormonen Glukose, Fettsäuren und Aminosäu- Fibrinogen [5]. oder hormonähnlichen Substanzen ren für ihren Metabolismus, um den und zum anderen zur Expression Energieverbrauch für die Prolifera- Organbezogene PNS von Molekülen, die für das Immun- tion abzudecken. Bei Tumorpatien- Die am häufigsten betroffenen Or- system fremd sind und damit eine ten zeigen sich ein vermehrter Ka- gansysteme mit ihren paraneoplasti- Immunantwort induzieren. tabolismus der Muskelproteine, ein schen Manifestationen sind in Tab. 1 erhöhter Gesamt-Proteinumsatz aufgeführt, weitere, seltenere Mani- Sekretion biologisch aktiver und eine vermehrte Proteinsynthese festationen in Tab. 2. Substanzen (z. B. Hormone) der Leber. Bezüglich des Kohlenhy- Die genannte Fehlexpression führt drat-Metabolismus findet sich häu- z. B. zur Ausschüttung „normaler“ fig eine erhöhte Insulinresistenz und Pathophysiologie der Hormone, die in dieser Form auch eine vermehrte Glukoneogenese aus physiologisch aktiv sind, aber beim Proteinen und Laktat. Weiterhin spezifischen PNS Gesunden homöostatisch geregelt findet sich eine vermehrte Lipolyse Maligne Tumoren entstehen i. d. R. werden. Hier kann es sich um einen bei reduzierter Liponeogenese [2]. aus einer entarteten Zelle. Diese Zel- rein quantitativen Effekt handeln, Das Tumorgewebe ist also in der le muss viele einzelne Mutationen d. h. der Tumor – ob benigne oder Lage, den Metabolismus entspre- ansammeln, um das gesamte Poten- maligne – schüttet Hormone ohne chend seiner Bedürfnisse beim be- zial von Karzinomen einschließlich Regulation im Überschuss aus, was troffenen Patienten zu beeinflussen. Stroma-Bildung und Metastasierung zu den entsprechenden Symptomen 116 krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3
Schwerpunkt Organsystem Symptome Assoziierte Tumoren Labordiagnostik Hämatopoetisches System Tumoranämie alle Tumoren Blutbild, Ausschluss eines Eisenmangels (Ferritin) Autoimmun-hämolytische NHL, v. a. CLL Coombs-Test, Retikulozyten, Haptoglo- Anämie (AIHA), ITP bulin Hämostaseologisches System Thrombosen Pankreas-, Bronchial-, Kolon ggfs. Ausschluss anderer Risikofaktoren karzinom, fast alle soliden (Faktor-V-Leiden-Mutation, Protein-C-, Tumoren Protein-S-, Faktor-VIII-Mangel) Endokrines System siehe Beitrag S. 120 Neuromuskuläres System siehe Beitrag S. 140 Kutane Manifestationen siehe Beitrag S. 134 Tab. 1: Beispielhafte Darstellung einiger häufiger Organmanifestationen von paraneoplastischen Syndromen. 2 führt. Es kann aber auch ein qualita- Knochenmark oder der Milz mobi- vom IgG1- und IgG2-Isotyp, und tiver Mechanismus dahinter stehen, lisieren können, die dann in den diese reagieren gegen zusätzliche d. h. Hormone, die nur in einer be- Tumor einwandern und dort das für Epitope von Desmoglein-3. Weitere stimmten Entwicklungsphase (z. B. das Tumorwachstum nötige Stroma typische Autoantigene beim paraneo- embryonal) oder in bestimmten Ge- bilden. So konnte gezeigt werden, plastischen Pemphigus sind Desmo- weben sezerniert werden, werden dass humane Brustkrebszellen im plakin-1 (250kD), Desmoplakin-2 nun vom Tumorgewebe in den Blut- Tiermodell mithilfe des Botenstoffs (210kD), Envoplakin, Periplakin und kreislauf abgegeben und wirken sys- Osteopontin Knochenmarkzellen Plectin [9]. temisch. Ein typisches Beispiel hier- mobilisieren, die Wachstum und Wichtige Mechanismen, die zu für ist die Sekretion von Parathor- Metastasierung des Tumors be- dieser Fehlreaktion des Immunsys- mon-related-Protein (PTHrP), das schleunigten [8]. tems führen sind: normalerweise nur in der Embryonal 1. Durchbrechen der zentralen Im- phase in relevanten Mengen expri- Paraneoplastische Autoimmunität muntoleranz miert wird. PTH und PTHrP werden Die paraneoplastisch ausgelösten 2. Dysregulation der peripheren Im- zwar von verschiedenen Genen auf Autoimmunerkrankungen ähneln muntoleranz unterschiedlichen Chromosomen co- zwar häufig typischen klassischen 3. Immunantwort gegen alterierte diert, haben aber eine große Homo- Autoimmunerkrankungen, es gibt Selbst-Antigene logie auf DNA-Ebene und auch jedoch auch grundsätzliche Unter- Das Durchbrechen der zentralen ähnliche molekulare Strukturen. Bei- schiede. Paraneoplastische Autoim- Immuntoleranz wird z. B. beim Thy- de stimulieren die Kalzium-Mobili- munerkrankungen verlaufen oft mom deutlich. Thymome können zu sierung aus dem Knochen und die schwerer und treten mit einem brei- verschiedensten autoimmunen PNS Kalzium-Aufnahme aus dem Darm. teren Spektrum an klinischen Symp- führen, allem voran die Myasthenia Eine Überexpression von PTHrP bei tomen in Erscheinung. Dies kann bis gravis durch Induktion von Autoan- Karzinom-Patienten kann zur tumor zum paraneoplastischen Multiorgan- tikörpern gegen Acetylcholin-Rezep- assoziierten Hyperkalzämie führen. Autoimmunsyndrom führen, z. B. die toren, MuSK und Titin. Dabei sind Möglicherweise sind die klinisch „Thymom-assoziierte Multiorgan- v. a. Anti-Titin-Antikörper sehr eng in Erscheinung tretenden PNS nur Autoimmunität“ (TAMA). Auch die mit der paraneoplastischen Myasthe- die Spitze des Eisbergs einer inten- Autoantikörper-Diversität ist größer, nie und hier wiederum mit einem siven Interaktion zwischen Tumor- d. h. es werden Autoantikörper so- Thymom assoziiert. Weitere Thy- gewebe und normalem Gewebe des wohl gegen mehr unterschiedliche mom-assoziierte PNS sind die aplas- Patienten. Einige Tumorzellen Autoantigene als auch je Autoantigen tische Anämie, Pemphigus oder als scheinen durch die Sekretion hor- gegen mehr Epitope gebildet. So Maximalvariante die TAMA. Die monähnlicher Substanzen einen finden sich beim Pemphigus vulgaris zugrunde liegenden Mechanismen deutlichen Selektionsvorteil zu er- meist Autoantikörper vom IgG4- sind nicht eindeutig geklärt. Neben reichen. Es gibt Hinweise, dass Pri- Isotyp gegen Desmoglein-1 (160kD) der aberranten Expression von Auto märtumoren über Zytokine, Hor- und die N-terminale Domäne von antigenen wie Titin durch Thymom- mone oder hormonähnliche Sub Desmoglein-3 (130kD). Beim para- Zellen und infolge der Induktion von stanzen normale Zellen aus dem neoplastischen Pemphigus hingegen Autoantikörpern wird auch die Rek- vom Primärtumor weit entfernten finden sich meist Autoantikörper rutierung von naiven T-Zellen durch krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3 117
Schwerpunkt Betroffenes Organ Erkrankung Assoziierte Tumoren Niere Amyloidose Nierenisuffizienz Plasmozytom, CLL Glomerulonephritis selten, verschiedene Tumoren Gelenke/Knochen Rheumatoide Arthritis verschiedene Tumoren Osteomalazie verschiedene Tumoren Systemische Erkrankungen Kollagenose-ähnliche Symptomatik CLL, verschiedene Tumoren Leber Stauffer-Syndrom Hypernephrom Allgemeine Symptome Alkoholunverträglichkeit Hodgkin-Lymphom Laktazidose akute Leukämien, NHL 2 Tab. 2: Beispiele seltener paraneoplastischer Syndrome. Thymom-Zellen diskutiert. Diese Der dritte Mechanismus, der zu Immunsystems auf neue und damit naiven T-Zellen umgehen im paraneoplastischen Autoimmuner- vermeintlich gefährliche Zellprotei- Thymom die negative Selektion und krankungen führen kann, ist die ne. Interessanterweise ist aber die führen zu Autoimmun-Phänomenen. Immunantwort gegen alterierte Neo-Expression allein i. d. R. nicht Warum es dann gehäuft zur Bildung Selbst-Antigene. Dabei findet sich ausreichend, eine Immunantwort zu von Autoantikörpern gegen be- bei maligne entarteten Zellen die induzieren und die Immunantwort, stimmte Antigene – eben v. a. Acetyl- Überexpression normaler Proteine, d. h. die gebildeten Autoantikörper cholin-Rezeptoren und Titin – die Neo-Expression embryonaler führen nicht zwingend zur klini- kommt, ist im Detail noch nicht ge- Proteine, die Neo-Expression mu- schen Ausprägung eines PNS. So klärt. tierter Proteine oder die Expression exprimieren z. B. praktisch 100% Die Dysregulation der periphe- von Proteinen, die gewöhnlich nur der kleinzelligen Bronchialkarzino- ren Immuntoleranz zeigt sich u. a. in immunprivilegierten Bereichen me das Hu-Antigen, bei 20% der durch das gehäufte Auftreten von vorkommen. Als immunprivilegier- Patienten sind Anti-Hu-Autoanti- PNS im Zusammenhang mit Non- te Bereiche versteht man Organe körper nachweisbar, aber nur weni- Hodgkin-Lymphomen (NHL), ins- bzw. bestimmte Bereiche in Orga- ge entwickeln ein Anti-Hu-assozi- besondere der chronischen lympha- nen, in denen es physiologisch zu iertes PNS, wie eine sensorische tischen Leukämie (CLL). Komplika- keiner Immunreaktion kommt wie Neurophathie oder eine limbische tionen durch paraneoplastische im Glaskörper des Auges, im Ge- Enzephalitis [10, 11]. Autoimmunreaktionen finden sich hirn oder in der Plazenta. Ergänzend muss aber auch ge- in 10-25% der Fälle. Häufig sind In diesen Fällen kann die Neo- sagt werden, dass diese durch mali- dabei eine autoimmun-hämolytische Expression „normaler“ oder mu- gne Tumoren ausgelöste (Auto-) Anämie (AIHA) und eine Immun- tierter Proteine in der malignen Immunantwort eine wichtige Basis thrombopenie. Aber auch nicht- Zelle oder auf ihrer Oberfläche zu der Tumorimmunologie einschließ- hämatologische systemische para- einer pathologischen Autoimmun lich der verschiedenen immunologi- neoplastische Autoimmunerkran- antwort im Sinne eines „molekula- schen Behandlungsversuche bildet. kungen, die klinisch wie ein systemi- ren Mimikry“ führen. Das bedeutet, So finden sich bei immunsuppri- scher Lupus erythematodes (SLE) die eigentlich gegen die entartete mierten Patienten vermehrt maligne oder ein Sjögren-Syndrom in Er- Zelle gerichtete Immunantwort Tumoren, v. a. der Haut und des scheinung treten, kommen vor. Eine führt zu pathologischen Manifesta- hämatopoetischen Systems. Mono- mögliche pathophysiologische Er- tionen an anderer Stelle des Orga- klonale Antikörper gegen tumoras- klärung ist die Fähigkeit zur Präsen- nismus – eben an Zellen, an denen soziierte Antigene, z. B. gegen tation von Autoantigenen durch die durch den Tumor induzierten HER2/neu (Trastuzumab, Hercep- maligne NHL-Zellen. Diese wirken Autoantikörper ebenfalls binden tin®) werden erfolgreich als Medika- so in unphysiologischer Weise wie können. Im Gegensatz zur aberran- ment – in diesem Fall gegen Brust- antigen-präsentierende Zellen und ten Sekretion hormonell wirksamer krebs – eingesetzt. Und letztendlich führen zur Stimulation von T-Zellen Substanzen ist in diesem Fall also zeigen einige Studien, dass Patienten und nicht-malignen B-Zellen, was nicht das fehlexprimierte Molekül mit paraneoplastischer Immunant- wiederum zur Autoimmunität füh- selbst der Auslöser der PNS, son- wort eine bessere Prognose bezüg- ren kann. dern die fehlgeleitete Antwort des lich des Primärtumors haben [12]. 118 krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3
Schwerpunkt 5. Skipworth RJ, Stewart GD, Dejong CH et al. Pathophy- Summary se ideas, thus other yet unknown siology of cancer cachexia: Much more than host-tumour interaction? Pathophysiology of Paraneoplastic mechanisms may be involved. In Clin Nutr 2007; 26: 667-76. Syndromes most cases the only causal therapy of 6. Klein CA. Parallel progression of primary tumours and metastases. Nature Rev Cancer 2009; 9: 302-12. Paraneoplastic syndromes (PNS) are PNS is treatment of the causative 7. Monzon FA, Medeiros F, Lyons-Weiler M et al. Identifi- a heterogeneous complex of signs tumor. According to the pathophy- cation of tissue of origin in carcinoma of unknown primary with and symptoms, which are not direct- siology, symptomatic therapies like a microarray-based gene expression test. Diagn Pathol 2010; 5: 3. 8. McAllister SS, Weinberg RA. Tumor-host interactions: ly caused by the tumor or its metas- immune suppression for autoimmu- A far-reaching relationship. J Clin Oncol 2010; 28: 4022-8. tases due to growth and necrosis. On nity or anti-hormonal therapy in the 9. Maverakis E, Goodarzi H, Wehrli LN et al. The etio- the one hand these symptoms are case of hormone-producing tumors logy of paraneoplastic autoimmunity. Clin Rev Allergy Immunol 2012; 42: 135-44. caused by secreted proteins like hor- can be offered. 10. Darnell RB, Posner JB. Paraneoplastic syndromes mones, which deliver their actions involving the nervous system. N Engl J Med 2003; 349: 1543-54. indirectly and therefore sometimes Keywords: Paraneoplastic syndro- 11. Gold M, Pul R, Bach JP et al. Pathogenic and physio- very distant to the primary tumor. On mes – Tumor anemia – Cachexia – logical autoantibodies in the central nervous system. Immunol Rev 2012; 248: 68-86. the other hand the symptoms are Cytokines – Autoantibodies – Im- 12. Sands J, Tuscano JM. Geoepidemiology and autoimmune induced by interactions of the tumor muntolerance manifestations of lymphoproliferative disorders. Autoimmun Rev with the immune system. This inclu- 2010; 9: A335-41. 2 des disturbance of the central tole- rance, a peripheral immune dysregu- Literatur lation or the expression of altered 1. Agarwala SS. Paraneoplastic syndromes. The Medical Clinics of North America 1996; 80: 173-84. self-antigens. As a result the produc- 2. Laviano A, Meguid MM. Nutritional issues in cancer tion of autoantibodies is induced management. Nutrition 1996; 12: 358-71. Prof. Dr. med. Rudolf Gruber which not only bind to tumor-asso- 3. Moss C, Dhillo WS, Frost G et al. Gastrointestinal synlab MVZ Nürnberg und Human- ciated antigens, but also cross-react hormones: The regulation of appetite and the anorexia of ageing. wissenschaftliches Zentrum der Ludwig- J Hum Nutr Diet 2012; 25: 3-15. with other tissues like brain or dermis 4. Chaudhri O, Small C, Bloom S. Gastrointestinal hormones Maximilians-Universität München and thus lead to PNS. Not all known regulating appetite. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci. 2006; Fürther Straße 212, 90429 Nürnberg phenomena can be explained by the- 361: 1187-209. rudolf.gruber@synlab.com krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3 119
Schwerpunkt Endokrineparaneoplastische Syndrome 2 C. Waterhouse Zusammenfassung Einleitung Pathogenese Im Rahmen von Tumorerkrankungen Endokrine PNS sind Krankheitsbil- Die Pathogenese der PNS ist nicht treten manchmal metabolische, dys- der, die durch die Wirkung ektop völlig geklärt. Auf molekularer Ebene trophische oder degenerative Störun- gebildeter Hormone oder hormon- werden De-Repression und Mutation gen auf, die auf einer humoralen oder ähnlicher Substanzen entstehen. als mögliche Entstehungsmechanis- hormonellen Fernwirkung eines Tu- „Ektop“ bedeutet in diesem Zusam- men diskutiert, in funktioneller Hin- mors beruhen und die nach Entfer- menhang, dass diese Substanzen in sicht eine retrograde Differenzierung nung oder erfolgreicher Therapie des einem Tumor außerhalb derjenigen von Tumorzellen. Letztere produzie- Tumors spontan abklingen. Sie wer- glandulären Gewebe gebildet wer- ren dann zum Beispiel fetale Proteine den als paraneoplastische Syndrome den, von denen sie physiologischer- – α-Fetoprotein, karzinoembryonales (PNS) bezeichnet. In diesem Kapitel weise produziert werden, und sich Antigen (CEA) – welche in normalen werden die endokrinen Paraneoplasi- den normalen, das hormonelle Zellen nicht oder in kaum messbaren en behandelt. Sie sind Folge einer Gleichgewicht kontrollierenden Mengen gebildet werden, oder es ektopen übermäßigen Produktion Rückkopplungsmechanismen ent- werden Hormonvorstufen bezie- von Hormonen oder hormonver- ziehen [4]. Das klinische Krank- hungsweise genetisch verwandte wandten Stoffen und kommen so heitsbild einer endokrinen Paraneo- Hormone gebildet, wie zum Beispiel häufig vor, dass bei jeder hormonellen plasie wird durch die Wirkung des Insulin-like Growth Factor (IGF) Dysbalance differenzialdiagnostisch im Überschuss produzierten Hor- oder das Parathormon-related Pepti- auch an einen zugrundeliegenden mons bestimmt. de (PTHrP) [1, 3, 4]. Tumor gedacht und gegebenenfalls PNS korrelieren nicht mit dem Hinsichtlich der Tumorpathoge- danach gesucht werden sollte. Die Tumorstadium oder der Prognose. nese ist die paraneoplastische Pro- Behandlung besteht in der Therapie In vielen Fällen ist ein PNS das duktion hormonell aktiver Substan- des Grundleidens, das heißt vor allem erste und einzige Zeichen für einen zen möglicherweise ein wichtiger einer möglichst vollständigen Tumor- zugrundeliegenden Tumor. Die Er- Faktor für die tumoreigene Wachs- entfernung, und aus der symptomati- kennung eines PNS kann sehr hilf- tumskontrolle. Dass das Wachstum schen Behandlung der durch die reich sein für das möglichst früh- mancher Tumoren hormonabhängig Hormon-Überproduktion resultie- zeitige Aufspüren eines Tumors sein kann, zeigt sich bei einem Groß- renden Beschwerden. oder auch – nach zunächst erfolg- teil der Mammakarzinome. Deren Schlüsselwörter: Paraneoplasie – reicher Therapie – für die Diagno- Tumorzellen produzieren bezie- Ektope Hormonbildung – Hormon- se eines Tumorrezidivs. hungsweise sezernieren selbst keine abhängiges Tumorwachstum – Neu- Hormone, exprimieren jedoch Hor- roendokrines System – Somatostatin- monrezeptoren. Deshalb gelingt es Rezeptoren – Somatostatin-Analoga hier, das Östrogen-abhängige Tu- 120 krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3
Schwerpunkt PNS Tumor Hormonell aktive Substanz Cushing-Syndrom SCLC, Karzinoide, Prostatakarzinom, C-Zell- Corticotropin-releasing hormone Karzinome, Gangliozytom, Paragangliome Akromegalie Karzinoide, Pankreastumor (Inselzell-Tumor), Phäo- Growth hormone-releasing hormone chromozytom, Neuroblastom, medulläres Schild- drüsenkarzinom, SCLC Bronchialkarzinom, Ovarialkarzinom, Mammakarzinom Growth hormone (GH) Hyperthyreose Chorionkarzinom, Hodenkarzinom HCG Syndrom der inadäquaten Bronchialkarzinom (auch nicht-kleinzelliges), Prosta- ADH oder Vorstufen (Arginin-Vaso- Vasopressin (ADH-) Aus- takarzinom, Nebennierenrindenkarzinom, Hodgkin- pressin), Vasotocin schüttung (SIADH) Lymphom, Karzinoide, Pankreaskarzinom, Urothelkar- zinom, Duodenalkarzinom, Thymom Hypoglykämie Mesenchymale Tumoren (Fibrosarkome) IGF, Somatomedine Hyperkalzämie Bronchialkarzinom, Mammakarzinom, multiples PTHrP, Transforming Growth Factor Wird bei einer 2 Myelom, Kopf-Hals-Tumoren, Urogenital-Tumoren, (TGF-)alpha, Prostaglandine, Chole- endokrinen Dys- Ösophaguskarzinom, gynäkologische Tumoren, calciferol-Hydroxylase, Interleukin-1 regulation keine Lymphome primäre Ursache Hypertonie mit gleichzeitiger Pankreaskarzinom, Ovarialkarzinom, Bronchial Renin gefunden, dann ist Hypokaliämie karzinome, Leiomyosarkome differenzialdiagnos- tisch an einen Tu- Tab. 1: Zuordnung endokriner PNS zu bestimmten Tumoren. mor als auslösende Ursache zu denken und dieser mit allen diagnostischen morwachstum durch eine antihor- Diagnostik ner paraneoplastischen Endokrinopa- monelle Behandlung zu hemmen. thie dient meist lediglich zur Linde- Möglichkeiten zu Nicht seminomatöse Keim- Wird bei einer endokrinen Dysregula- rung der klinischen Symptome. Be- suchen. zelltumoren sezernieren häufig tion keine primäre Ursache gefunden, steht der Wirkmechanismus aller- β-HCG, welches wiederum über die dann ist differenzialdiagnostisch an dings in einer Hormonrezeptor- Fähigkeit, den TSH-Rezeptor zu einen Tumor als auslösende Ursache Hemmung, wie zum Beispiel bei dem stimulieren, zu einer Hyperthyreose zu denken und dieser mit allen diag- Somatostatin-Analogon Octreotid, führen kann [7]. Inwieweit hier ein nostischen Möglichkeiten zu suchen. kann die Wirkung auch antineoplas- Zusammenhang oder eine Abhän- Neben der endokrinologischen Basal- tisch sein. Tabelle 2 fasst die klini- gigkeit zwischen Hyperthyreose und und Funktionsdiagnostik kommen schen Erscheinungsbilder und ihre Tumorwachstum besteht, ist nicht praktisch sämtliche bildgebenden Me- symptomatischen Therapien zusam- bekannt. thoden zum Einsatz (Sonografie, men, wenn eine Verkleinerung der Computertomografie, Magnet Tumormasse (inklusive der Metasta- resonanztomografie, Positronenemis- sen) durch operative, strahlenthera- VorkommenundHäufigkeit sions-Tomografie). Bei Somatostatin- peutische und zytostatische Behand- Rezeptor exprimierenden Tumoren lungen nicht ausreichend möglich ist. Genaue Zahlen zu Häufigkeiten von scheint die PET/CT der Somatosta- Einige der Substanzen, die im PNS sind wegen ihrer Vielfalt schwie- tin-Rezeptor-Szintigrafie hinsichtlich Rahmen von Tumorerkrankungen rig zu erheben. Die häufigsten endo- der Sensitivität überlegen zu sein. In vermehrt gebildet und ausgeschüttet krinen PNS sind die Tumor-Hyper- Erforschung befinden sich invasive werden, führen nicht zu klinischen kalzämie und das Cushing-Syndrom. Methoden wie die Lokalisationsdia Symptomen. Nur wenige von ihnen Der am häufigsten mit einer endokri- gnostik für ACTH sezernierende Lun- können als Tumormarker genutzt nen Paraneoplasie assoziierte Tumor gentumoren über eine ACTH-Mes- werden, da die gemessenen Kon- ist das kleinzellige Bronchialkarzinom sung in Blutproben aus verschiedenen zentrationen nicht verlässlich mit (SCLC), dessen Zellen von neuroen- Abschnitten der Lungenarterie [8]. der Tumormasse korrelieren. Of- dokrinen, Peptidhormone sezenie- fenbar können Tumoren die Fähig- renden Zellen (Kulchitsky-Zellen) keit, bestimmte hormonartige Sub- abstammen, die in der fetalen Lunge Therapie stanzen zu bilden beziehungsweise reichlich, in den Lungen Erwachsener zu sezernieren, mit der Zeit wieder aber normalerweise nicht mehr nach- Therapeutisch ist das Mittel der ers- verlieren. Einige dieser paraneoplas- weisbar sind [2, 3, 5]. ten Wahl stets die möglichst vollstän- tisch auftretenden Substanzen sind Welche endokrinen PNS bei dige Entfernung des Tumors, die in Tabelle 3 aufgeführt. Das Auftre- welchen Tumoren gefunden werden dann zu einem Verschwinden der ten von Symptomen der Hyperthy- können, ist in Tabelle 1 zusammen- paraneoplastischen Symptome führt. reose bei exzessiver Ausschüttung gefasst. Die medikamentöse Behandlung ei- von menschlichem Choriongonado- 122 krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3
Schwerpunkt PNS Klinik Labor Therapie Paraneoplastisches Vollmondgesicht, Stammfett- Hypokaliämie, metabolische Hemmung der Cortisol-Produktion mit Ketoconazol, Cushing-Syndrom sucht, Hirsutismus, Hyper- Alkalose, freies Cortisol im Aminoglutethimid, Mitotane oder Metyrapone, Hem- pigmentierung, Hypertonie, 24-h-Urin > 100 mg/d, ACTH mung der ACTH-Ausschüttung mit Octreotid Muskelschwäche, Glukosein- im Serum > 200 pg/ml, mit toleranz Dexamethason nicht suppri- mierbarer Cortisol-Plasma- spiegel Akromegalie Vergröberung des Gesichts- GH im Serum erhöht Octreotid ausdrucks, Größenwachstum von Händen und Füßen, Potenzstörungen, Zyklusstö- rungen Hyperthyreose Gewichtsabnahme, Schweiß- T3, T4 Thyreostatika, meist nur vorübergehend notwendig neigung, Wärmeintoleranz, Glanzaugen, Tachykardie, 2 Herzrhythmusstörungen, Schlagvolumen-Hochdruck, Diarrhö SIADH Meist nicht ausgeprägt: Hyponatriämie, Serum-Hypo- Flüssigkeitsrestriktion (500 ml/d), Lithium, Diphenylhy- Kopfschmerzen, Schwindel, osmolalität (< 270 mosmol/l), dantoin, Demeclocyclin, vorsichtige Kochsalzinfusi- Übelkeit, Desorientierung, Hyperosmolalität des Urins onen (3-5%ig), gleichzeitig Schleifendiuretika. Cave: Krämpfe (> 700 mosmol/l), vermehrte zentrale pontine Demyelinolyse Natriurie Hypoglykämie Heißhunger, Übelkeit, Schwä- Nüchtern-Hypoglykämie, je Glukokortikoide, (10 bis 15 mg Prednisolon/d), che, Unruhe, Schwitzen, nach Tumor erhöhtes Insulin, Glukagon Tachykardie, Tremor IGF-I oder IGF-II Hyperkalzämie Polyurie, Polydipsie, Exsikko- Kalzium erhöht, häufig PTHrP Steigerung der Urin-Kalziumausscheidung durch Re- se, Erbrechen, Darm-Atonie, erhöht hydratation mit Kochsalz (0,9%) und forcierte Diurese Adynamie, Hyporeflexie, QT- mit Schleifendiuretika, sowie gegebenenfalls Kalzitonin Zeit-Verkürzung im EKG (rasche Hemmung der tubulären Kalzium-Rückresorp- tion), Hemmung der Kalzium-Mobilisierung aus dem Knochen mit Bisphosphonaten und gegebenenfalls Kalzitonin; Reduktion der enteralen Kalzium-Reduktion durch kalziumarme Diät beziehungsweise durch Glukokortikoide (vor allem bei multiplem Myelom und Non-Hodgkin-Lymphom) Tab. 2: Klinische Symptome und medikamentöse symptomatische Therapie paraneoplastischer Endokrinopathien. tropin (HCG) beruht auf einer Karzinoide. Unterschiede in Lokali- trum an bioaktiven Substanzen wie strukturellen Ähnlichkeit von HCG sation und Hormonprofil beruhen die Karzinoide des Foregut, allerdings und TSH [4]. auf ihrer embryonalen Herkunft. Die selten ACTH und 5-Hydroxytrypto- Karzinoide des Foregut entstehen in phan; der Gehalt an MAO ist gerin- Lunge, Magen, im oberen Teil des ger, der DAO-Gehalt (Diaminooxi- NeuroendokrineTumoren Duodenums sowie in Gallenblase dase, Histaminase) höher, der Gehalt des Gastrointestinaltraktes und Gallenwegen. Bei ihnen können an 5-Hydroxytryptamin (Serotonin) Bioaktivitäten von 5-Hydroxytrypto- – hauptverantwortlich für das bei Der Gastrointestinaltrakt enthält ein phan, ACTH, Tachykinin, Neuroten- diesen Tumoren häufig auftretende umfangreiches endokrines System sin, α- und β-HCG, Gastrin, 5-Hyd- Karzinoid-Syndrom mit Flush und zur Sekretion von Peptidhormonen roxytryptamin (niedriger Gehalt) und Diarrhö – ist ebenfalls hoch. Die und Neurotransmittern zur Koordi- Monoaminooxidase (MAO, hoher Karzinoide des Hindgut betreffen nation von Aufarbeitung und Resorp- Gehalt) nachgewiesen werden. Kli- Colon transversum und Colon des tion eines qualitativ und quantitativ nisch treten pulmonale Obstruktio- cendens. Sie produzieren nur wenig ständig wechselnden Angebots an nen und atypische neurohumorale 5-Hydroxytryptamin und ACTH. Au- Nahrungsmitteln und Flüssigkeit. Symptome auf. Die Karzinoide des ßerdem findet man Somatostatin, Diesem diffus im Gastrointestinal- Midgut kommen im Darmabschnitt Tachykinin, Glicentin, Neurotensin, Trakt verteilten neuroendokrinen von Duodenum bis zum Colon as- Dopamin und pankreatisches Poly- System aus Peptid- und Amin-produ- cendens vor sowie in der Appendix. peptid. Humorale klinische Sympto- zierenden Zellen entstammen die Sie synthetisieren ein ähnliches Spek- me sind selten [6]. krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3 123
Schwerpunkt Hormon Tumor HCG (bei exzessiv erhöhten Spiegeln Gynäkomastie, Keimzelltumoren des Hodens, Chorionkarzinom, Blasenmole, Oligomenorrhö, Hyperthyreose) malignes Melanom, Nebennierenkarzinom, Mammakarzinom, Hypernephrom, Bronchialkarzinome Prolaktin (kann in höheren Konzentrationen Gynäko- Bronchialkarzinom, Hypernephrom mastie und Galaktorrhö bewirken) Kalzitonin Mammakarzinom, Kolonkarzinom, SCLC, Pankreaskarzinom, Magenkarzinom Atrialer natriuretischer Faktor (asymptomatische Bronchialkarzinome Hyponatriämie) Neurotensin Tumoren des endokrinen Pankreas Bombesin (Gastrin-releasing hormone) SCLC Chromogranin Neuroendokrine Tumoren 2 Tab. 3: Paraneoplastisch gebildete Hormone/hormonähnliche Substanzen ohne klinische Symptomatik. Die für die Symptomkontrolle Summary Literatur 1. DeLellis RA, Xia L. Paraneoplastic syndromes: A review. wirksamste Therapie – mit wohl Endocrine Paraneoplastic Syndromes Endocr Pathol 2003; 14: 303–317. auch antiproliferativem Effekt – be- In connection with tumors some 2. Gerber RB, Mazzone P, Arroliga AC. Paraneoplastic steht in der Hemmung der Somato- times metabolic, dystrophic and de- syndromes associated with bronchogenic carcinoma. Clin Chest Med 2002; 23: 257–264. statin-Rezeptoren mit Octreotid. generative dysfunctions appear which 3. John WJ, Foon KA, Patchell RA. Paraneoplastic syndro- Somatostatin-Rezeptoren werden are based on humoral or hormonal mes. In: DeVita VT, Hellman S, Rosenberg SA. Cancer: Prin- bei fast allen (96%) Karzinoid-Tu- distant effects of a tumor and vanish ciples & Practice of Oncology. Fifth edition (1997) 2397–2422. moren gefunden. spontaneously after removal or suc- 4. Nunnensiek C, Rüther U. Paraneoplastische Endokrino- pathien. Fortschritte der klinischen Onkologie, Paraneoplastische Die endokrinen Pankreastumo- cessful treatment of the tumor; they Syndrome. TumorDiagnostik Ther 1993; 11–53. ren werden nach dem im Übermaß are called paraneoplastic syndromes. 5. Stewart PM, Gibson S, Crosby SR et al. ACTH precur- produzierten Hormon benannt, das In this chapter endocrine paraneopla- sors characterize the ectopic ACTH syndrome. Clin Endocrinol 1994; 40: 199. für die jeweilige klinische Sympto- sias are described. They result from 6. Tomassetti P, Migliori M, Lalli S et al. Epidemiology, matik verantwortlich ist. Zu ihnen an ectopic excessive production of clinical features and diagnosis of gastroenteropancreatic endocrine zählen die Insulinome, Gastrinome, hormones or hormone-related subs- tumours. Ann Oncol 2001; 12 (Suppl. 2): 95–99. Glukagonome, VIPome, pankreati- tances and occur so frequently that in 7. Oosting SF, de Haas EC, Links TP et al. Prevalence of paraneoplastic hyperthyroidism in patients with metastatic sche Polypeptidome, Neurotensino- each case of hormonal dysbalance non-seminomatous germ-cell tumors. Ann Oncol 2010; 21: 104-8. me und Somatostatinome. Das Gas- the potential existence of a tumor 8. Sugiyama M, Sugiyama T, Yamaguchi M. et al. Successful trinom ist bei weitem das häufigste should also be taken into considerati- localization of ectopic ACTH-secreting bronchial carcinoid by selective pulmonary arterial sampling. Endocr J 2010; 57: 959-64. von ihnen; es kommt zehnmal häu- on in terms of differential diagnosis. figer vor als das Insulinom, dieses The treatment is primarily one of the wiederum doppelt so häufig wie das underlying disease, i. e. a complete VIPom und dieses fünffach häufiger removal of the tumor, if possible, as als das Glukagonom. Die anderen well as the symptomatic treatment of endokrinen Pankreastumoren sind the ailments that originate from the sehr selten. Da diese Tumoren in over-production of hormones. primär endokrinem Gewebe entste- hen, deren Hormonproduktion Keywords: Paraneoplasia – Ectopic nicht ektop im engeren Sinn ist, und hormone production – Hormone- die hormonell bedingten klinischen dependent tumor growth – Neuroen- Symptome dem entarteten Gewebe docrine system – Somatostatine re- Dr. med. Christine Waterhouse des jeweiligen endokrinen Organs ceptors – Somatostatine analogues 1. Medizinische Abteilung zugeordnet werden können, ent- Städtisches Klinikum Schwabing sprechen sie nicht der Definition Kölner Platz 1, 80804 München einer Paraneoplasie im eigentlichen Tel.: 089/3068-3497, Fax: -3891 Sinn. c.waterhouse@ extern.lrz- muenchen.de 124 krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3
Schwerpunkt Paraneoplastische Nephropathie 2 Prof. Dr. K. Thurau zum 85. und Dr. W. von Römer zum 70. Geburtstag gewidmet Zusammenfassung these (PTHr, ADH, ACTH, Meta- Einleitung J. E. Scherberich nephrine, Erythropoetin) und Zyto- Solide oder hämatologische Tumo- kine (IL6) zu zyto toxischen Ge- Jede „neu” auftretende Nierenfunkti- ren können mit einer paraneoplasti- websablagerungen, proliferativen onsstörung mit Proteinurie oder gro- schen Nierenbeteiligung (PNN) Signalen, einer leukozytoklastischen ßer Proteinurie (>3,5 g/g Kreatinin) einhergehen. Bei älteren Patienten Vaskulitis, arterieller Hypertonie im Alter > 50 Jahre bedarf einer Ab- ist jede schnell entstandene große (mit Nephrosklerose), intrarenaler klärung, inwieweit eine paraneoplasti- Proteinurie oder andere Nierenbe- Obstruktion, oder zu Störungen im sche Nierenerkrankung (PNN) vorlie- teiligung (Anstieg Serum-Kreatinin, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haus- gen kann [4, 7, 9, 35]. Häufige Erstma- tubuläre Proteinurie, Fanconi-Syn- halt (renale tubuläre Azidose, Salz- nifestationen sind Leistungseinschrän- drom, tubuläre Azidose) verdächtig verlust-Niere, SIADH, renaler Dia- kung, schaumiger Urin, Ödeme, labor- auf eine PNN. Für solide Tumoren betes insipidus, erworbenes Fanco- chemisch ein nephrotisches Syndrom charakteristisch ist die Phospholipa- ni-Syndrom). Hinzu kommen eine mit Hypoproteinämie und Hyperlipi- se-A2-Rezeptor-Antikörper-negati- potenziell nephrotoxische Che- dämie; ein erhöhtes Serumkreatinin ve (sekundäre) membranöse Im- moimmuno- bzw. Radiotherapie, muss hierbei (noch) keineswegs vor- munkomplex-Glomerulonephritis Obstruktion ableitender Harnwege liegen. Die PNN ist oft sozusagen die (GN). Die sogenannte Lipoid-Ne- z. B. durch Tumorinfiltration oder Erstmanifestation des Tumors und phrose (minimal–change GN) mit Kompression sowie ein Tumorlyse- kann dessen Diagnose mehrere Mo- selektiver glomerulärer Proteinurie Syndrom. Lymphome können direkt nate (bis Jahre?) vorangehen [7]. Pa- kommt eher bei M. Hodgkin bzw. in der Niere entstehen und dort thogenetisch ist die PNN vielfältiger T-Zell-Lymphomen vor; beschrie- expandieren oder die PNN erfolgt Natur (Tab. 1 und 2). ben sind auch andere Formen wie über renale Metastasen bzw. ein mesangial-proliferative GN, memb- diffus infiltrierendes (papilläres) rano-proliferative, segmental-sklero- Nierenzellkarzinom. Nach erfolgrei- PNN bei soliden und hä- sierende und nekrotisierende Halb- cher Tumorregression bildet sich die mond-GN. Viele Karzinome beglei- PNN, insbesondere das nephroti- matologischenTumoren ten Autoimmunphänomeme, die sche Syndrom, in aller Regel voll- Häufigste auslösende Ursachen der PNN ist dann verursacht durch die ständig zurück. PNN sind kleinzellige Bronchialkar- Malignom-assoziierte Vaskulititis, zinome [3, 15], Kolon- und Mamma- mikrothrombotische Vaskulopathie Schlüsselwörter: Karzinome – Para- karzinome und Lymphome (Abb.1). oder ein hämolytisch-urämisches neoplastische Nephropathie – Phos- Typisch ist die zunehmende Protein- Syndrom. Freie monoklonale Im- pholipase-A2-Rezeptor-Antikörper urie u. U. mit Mikrohämaturie, die munglobulin-Leichtketten können – Tumor-assoziierte Proteinurie – fast immer auf einer (peri-)membra- ein rasch progredientes Nierenver- Nephrotisches Syndrom – Nierenver- nösen Immunkomplex-Glomerulo- sagen (durch „Cast“-Nephropathie) sagen – Nephrotoxizität – Malignom- nephritis (mGN) beruhen und mit auslösen, die „High-cut-off“ Plas- assoziierte Vaskulitis – Autoimmun- einer großen Proteinurie (> 3,5 g mafiltration ist hier eine Therapieo- Phänomene – Haemolytisch-urämi- Protein/g Kreatinin) oder einem Ne- ption. Tumor-assoziiert führen sches Syndrom – Tumorlyse-Syn- phrotischen Syndrom vergesellschaf- Kryoglobuline, ektope Hormonsyn- drom tet sind (Abb. 2, [5, 12, 32, 33]). krebsmedizin 2013 Band 22 Heft 3 125
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