Perspektiven für Flüchtlinge schaffen - Die "Sonderinitiative Flucht" - Bundesministerium für ...

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Perspektiven für Flüchtlinge schaffen - Die "Sonderinitiative Flucht" - Bundesministerium für ...
Perspektiven für
Flüchtlinge schaffen
Die „Sonderinitiative Flucht“
Perspektiven für Flüchtlinge schaffen - Die "Sonderinitiative Flucht" - Bundesministerium für ...
Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wer zur Flucht aus seiner Heimat
ge­zwun­gen ist, verliert, was das
Leben bisher ausgemacht hat:
ein Zuhause, Familie und Freunde,
die vertraute Umgebung, die Arbeit
und das Eigentum.

Aktuell sind weltweit 82,4 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie
fliehen vor Krieg, Gewalt, Verfolgung und Menschenrechtsverlet-
zungen. Die meisten von ihnen haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt
und großes Leid er­fahren, um den Gefahren zu entkommen. Etwa
die Hälfte aller Flüchtlinge sind Kinder. Sie liegen mir besonders am
Herzen: Wir dürfen nicht zulassen, dass Kriege und Konflikte ihnen
alle Zukunftschancen rauben.

Was vielen von uns gar nicht bewusst ist: Die meisten Menschen auf
der Flucht bleiben als Binnenvertriebene in ihrem eigenen Land.
Rund 86 Prozent der Flüchtlinge werden von Entwicklungsländern
aufgenommen. Die meisten derer, die außer Landes gehen, bleiben in
der Region und suchen in Nachbarländern Schutz. Diese Länder leis-
ten Großartiges und stoßen dennoch immer wieder an ihre Grenzen:
Wasser und Nahrungsmittel werden oft knapp, es fehlt an Unterkünf-
ten, Arbeit und Unterrichtsplätzen. Oftmals können die Aufnahme-
länder öffentliche Dienstleistungen nicht mehr ausreichend gewähr-
leisten. Diese Situation können wir nicht tatenlos hinnehmen. Darum
hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ) die Sonder ­initiative Flucht ­ursachen bekämpfen
– Flüchtlinge (re-)integrieren ins Leben gerufen. Seit ihrer Gründung
Anfang 2014 konnten wir rund 15,5  Millio­nen Menschen unterstüt-
zen – unter anderem im Nahen Osten und in Afrika, aber auch in den
von Flucht und Vertreibung betroffenen Regionen Lateinamerikas,
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Südostasiens und Südosteuropas. Und auch in der Corona-Pandemie
zeigt sich, wie wichtig unsere Unterstützung im Fluchtkontext ist.
Menschen auf der Flucht leiden besonders unter den akuten gesund-
heitlichen Auswirkungen und den wirtschaftlichen Folgen des Vi-
rus. Wir unterstützen Aufnah­meländer schnell und flexibel dabei,
Gesundheitssysteme zu stärken und den Zugang für Flüchtlinge zu
medizinischer Versorgung sicherzustellen.

        Auch in der Corona-Pandemie zeigt sich,
           wie wichtig unsere Unterstützung
                 im Fluchtkontext ist.

Neben diesen unmittelbaren Auswirkungen sind auch die sozialen
und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie weitreichend: In Camps
wie beispielsweise im Irak steigen die Preise für Lebensmittel,
wäh­rend Einkommensmöglichkeiten wegfallen. Durch kurzfristige
Finanzhilfen sichern wir Existenzgrundlagen. Ergänzend dazu
haben wir unsere einkommensschaffenden Maßnahmen angepasst:
In vielen Projekten stellen Flüchtlinge und Mitglieder der aufneh-
menden Gemeinden Gesichtsmasken oder Gesichtsschutzschilder
her und helfen so bei der Bewältigung der Pandemie.

Wir unterstützen alle von akuten Fluchtsituationen Betroffenen  –
Flüchtlinge, Binnenvertriebene und Menschen in den Aufnahme-
ländern. Unser Ziel ist es, den Menschen vor Ort, in der Aufnahme-
region, neue Perspektiven zu geben und ihnen eine Rückkehr in
ihre Heimat – wo möglich – zu erleichtern.

Ihr Dr. Gerd Müller, MdB
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
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2 | 	     PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Auf der Flucht

Syrischer Junge in einem
Flüchtlingscamp in der
Bekaa-Ebene im Libanon
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Inhalt
Auf der Flucht                                            5
Zahlen auf einen Blick                                    6
Wie hilft die „Sonderinitiative Flucht“?                  8
Unsere bisherigen Erfolge                                11

Nahost                                                   13
Grüne Energie für Zaatari                                14
Sicheres Lernen für Kinder im Libanon                    15
„Beschäftigungs­offensive Nahost“                        16
Unternehmensgründung für einen erfolgreichen Neustart    17

Afrika                                                   19
Sauberes Wasser für Flüchtlinge und Aufnahmegemeinden    20
Bessere Berufschancen für junge Menschen in Darfur       22
Eine Fußballschule für den Frieden                       23

Asien                                                    25
Unterstützung für Rohingya-Vertriebene und aufnehmende
Gemeinden in Bangladesch                                 26

Lateinamerika                                            29
In Grenzregionen Chancen schaffen                        30

Internationale Zusammenarbeit                            32

Persönliches Engagement: Was kann ich tun?               33
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4 | 	      PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Auf der Flucht

Flüchtlinge mit Eselskarren
im Flüchtlingslager Zaatari,
Jordanien
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Auf der Flucht
Menschen auf der Flucht lassen alles hinter sich: Familie, Freunde,
Nachbarn, Arbeitsplatz – alles, was ihnen bislang Stabilität
gegeben hat. Die Geschichte von Yasmin und ihrer Flucht aus
Aleppo in die Türkei rüttelt auf. Zugleich macht sie Mut, denn
sie ist auch die Geschichte einer gelungenen Integration.

Yasmin Holoubi lebte mit ihrer Familie in der syrischen Stadt Aleppo,
als der Krieg die Stadt erreichte. Ihr Vater, Ahmed Holoubi, arbeitete
als Arzt in einer Klinik. Unter den widrigsten Bedingungen operierten
er und seine Kolleginnen und Kollegen im Bombenhagel weiter, um
Menschenleben zu retten.

„2013 griff der Krieg auf meine Heimatstadt
über. Es war schrecklich: Man konnte nicht
mehr auf die Straße gehen, überall wurde
geschossen! Bomber flogen im Nie­drigflug
über die Stadt. Es gab kaum noch Wasser,
Elektrizität nur unregelmäßig. Eines Nach­
mittags lernte ich in der Uni­bibliothek, meine
Schwester arbeitete für das Rote Kreuz im
Nachbargebäude. Plötzlich hörte ich lautes
                                                   „Ich sah, dass ein
Dröhnen und schaute aus dem Fenster vor             Bomber auf das
mir. Dort sah ich, dass ein Bomber auf das        Gebäude nebenan
Gebäude nebenan zuflog und dann vor
meinen Augen eine Bombe abwarf. Das
                                                      zuflog und
war ein grauenhafter Anblick, ein Moment,         vor meinen Augen
in dem die Welt für mich stillstand. Ich has­         eine Bombe
tete hinaus und lief dorthin, wo vor Kurzem
noch ein Gebäude stand. Ich suchte und
                                                        abwarf.“
weinte, aber ich fand meine Schwester nicht.      Yasmin Holoubi hat nach ihrer
Bis heute fühle ich diese Panik und Angst,        Flucht aus Syrien in der Türkei
                                                  einen Job bei einer Nichtregie-
dass unser Leben jederzeit enden kann.“           rungsorganisation gefunden.
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6 | 	   PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Auf der Flucht

        Yasmins Schwester hatte Glück,
        sie überlebte verletzt. Sie war
                                                     Zahlen auf einen Blick
        schwer traumatisiert, weil sie
        die Bilder der Verletzten und
                                                 •• 82,4 Millionen Menschen sind
        Toten nicht mehr losließen.                 weltweit auf der Flucht vor Gewalt,
                                                    Krieg, politischer Verfolgung und
        Die beiden Schwestern ent-                  Krisen (Stand Ende 2019).

        schlossen sich, Syrien zu                •• Davon haben mehr als 34,4 Millionen
                                                    Menschen ihr Land verlassen.
        ver­lassen, um dem Krieg zu
                                                 •• Über 48 Millionen leben als Binnen­
        entkommen. Sie flohen über                  vertriebene im eigenen Land.
        die damals noch offene Grenze            •• 42 Prozent der Menschen auf der
        in die Türkei. Der Vater blieb              Flucht sind Kinder und Jugendliche
                                                    unter 18  Jahren.
        zurück, er hilft weiterhin den
                                                 •• 86 Prozent aller Flüchtlinge
        Menschen in seinem Land. Die
                                                    werden von Entwicklungs­ländern
        beiden jungen Frauen leben                  auf­genommen.
        nun seit einigen Jahren im               •• 73 Prozent aller Flüchtlinge bleiben
        türkischen Antakya, unweit                  in der Region und gehen in ein
                                                    Nachbarland.
        der syrisch-türkischen Grenze.
        Dort haben sie sich ein neues
        Leben aufgebaut. Yasmin leitet
        mehrere Begegnungseinrich-
        tungen, die vom BMZ finan­ziert
        werden. In diesen Zentren ler-
        nen sich Menschen aus Sy­rien
        und der Türkei kennen und
        stellen gemeinsame Nachbar-
        schaftsprojekte auf die Beine.
                                                 Kolumbien           Venezuela
        Mit dem Vater telefonieren
                                                 5,1 Millionen       4 Millionen
        die Schwestern regelmäßig,                   F: 0,2 Mio.     F: 0,2 Mio., zudem
                                                     B: 4,9 Mio.     3,9 Mio., die vom
        wieder­gesehen haben sie ihn                                 UNHCR nicht als Flücht-
                                                                     linge und Asylsuchende
        bislang nicht.
                                                                     anerkannt sind
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PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Auf der Flucht                          | 7

Hauptherkunftsländer Flucht und Vertreibung

                          Syrien           Irak                          Afghanistan
                13,3 Millionen             1,6 Millionen                 6,1 Millionen
                       F: 6,7 Mio.         F: 0,3 Mio.                   F: 2,6 Mio.
                       B: 6,6 Mio.         B: 1,2 Mio.                   B: 3,5 Mio.

                                                                                              Myanmar
                                                                                            1,6 Millionen
                                                                                                F: 1,1 Mio.
                                                                                                B: 0,5 Mio.
Nigeria         Sudan
3,1 Millionen 3,1 Millionen          Eritrea
F: 0,4 Mio.
B: 2,7 Mio.
                F: 0,8 Mio.
                B: 2,3 Mio.
                                     0,5    Millionen
                                     F: 0,5 Mio.
                                     B: keine Angabe

                                                                            Jemen
                                                         Somalia            3,7 Millionen
                                                         3,8 Millionen      F: 0,03 Mio.
                                                                            B: 3,6 Mio.
                                                         F: 0,8 Mio.
                                                         B: 3 Mio.

                                                                            Äthiopien
                                                         Südsudan           2,2 Millionen
                                                         3,6 Millionen      F: 0,2 Mio.
Zentral-                                                 F: 2,2 Mio.        B: 2,1 Mio.
                                                         B: 1,4 Mio.
afrikanische
Republik         Demokratische
1,3 Millionen    Republik Kongo
F: 0,6 Mio.
B: 0,7 Mio.
                 6,1 Millionen
                 F: 0,8 Mio.
                 B: 5,3 Mio.

                                                             F = Flüchtlinge und Asylsuchende
                                                             Quelle: UNHCR Global Trends 2020
                                                             B = Binnenvertriebene
                                                             Quelle: IDMC Global Report On
                                                             Internal Displacement 2021
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8 | 	   PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Auf der Flucht

              Wie hilft die „Sonderinitiative Flucht“?

        Unsere zentralen Handlungsfelder sind:
        ••    ie Unterstützung von Flüchtlingen, Binnenvertriebenen
             d
             und Rück­kehrern,
        ••   die Stabilisierung von Aufnahme­regionen und
        ••   die Minderung akuter Flucht­ursachen.

        Akuten Fluchtursachen wie Krieg, Unterdrückung und Ver­folgung
        liegen meist strukturelle Ursachen zugrunde: Versagen der staat­-
        l­ichen Institutionen, Armut, Ungleichheit, Perspektiv­losigkeit und
        zunehmend auch die Folgen des Klimawandels. Die Minderung
        dieser langfristigen Fluchtursachen ist Kernanliegen der deutschen
        Entwicklungspolitik.

        Die Versorgung mit Trinkwasser für Flüchtlinge und aufnehmende Gemeinden
        gehört zu den Schwerpunkten der Unterstützungsleistungen der Sonder­
        initiative Flucht.
PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Auf der Flucht   | 9

Syrische Schulkinder in Jordanien – Unterricht in einer Extraschicht
am Nachmittag

Mit der 2014 ins Leben gerufenen Sonderinitiative Fluchtursachen
bekämpfen – Flüchtlinge (re-)integrieren (kurz: Sonderinitiative
Flucht) können wir in Ergänzung zu unserer klassischen, langfristig
ausgerichteten Entwicklungszusammenarbeit flexibel und gezielt
auf die Herausforderungen globaler Fluchtbewegungen reagieren.
Besonders wichtig ist es uns, in akuten wie auch in lang anhaltenden
Krisen die Lebenssituation der Menschen vor Ort zu verbessern und
damit Bleibe- und Rückkehrperspektiven zu schaffen.

Konkret leisten wir Unterstützung in verschiedenen Lebens­­­be­
rei­chen: bei der Wasser- und Stromversorgung, für Gesundheit,
Bildung, Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten, bei der
psychosozialen Begleitung traumatisierter Menschen, aber auch
bei Versöhnung und Friedens­förderung.
10 | 	   PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Auf der Flucht

         Alle Projekte fördern gleichermaßen Flüchtlinge wie auch die
         einheimische Bevölkerung und die staat­lichen Insti­t utionen der
         Aufnahmeregionen. Es ist wichtig, dass alle von der Situa­t ion
         betroffenen Gruppen in den Aufnahme­regionen von unseren
         Maßnahmen profitieren: um den sozialen Frieden zu wahren und
         um die Strukturen in den Aufnahmeregionen für ihre umfassen-
         den Aufgaben zu stärken.

         Regionale Schwerpunkte sind der Nahe Osten sowie Ost- und Zentral­
         afrika. Weitere Projekte gibt es unter anderem in Afghanistan, Pakis-
         tan, Bangladesch, Myanmar, Kolumbien, Ecuador und der Ukraine.

         In Jordanien erhalten syrische Flüchtlinge und Mitglieder der Aufnahme­
         gemeinden die Möglichkeit, eine Schreinerausbildung zu beginnen. Das
         Projekt wird durch die Sonderinitiative Flucht finanziert.
PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Nahost     | 11

    Unsere bisherigen Erfolge

In rund  268 Projekten in 68 Ländern haben
wir seit 2014 über 15,5 Millionen Menschen in
Flucht­situationen unterstützen können.

Unter anderem durch:
→ Schulbildung für 2 Millionen Kinder
→ sauberes Trinkwasser und Sanitäranlagen für 6,5 Millionen Menschen
→ verbesserte Gesundheitsversorgung für mehr als 1,1 Millionen Menschen
→ b erufliche Aus- und Fortbildungen, Kurse zu Unternehmensgründungen
   und Stärkung von nationalen Bildungssystemen für über 500.000 Menschen

→ zusätzlich 413.000 Jobs durch die Beschäftigungsinitiative Nahost
→ psychosoziale Unterstützung für rund 445.000 Menschen
12 | 	     PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Nahost

Syrische Flüchtlinge im
Flüchtlingslager Zaatari,
Jordanien
| 13

Nahost
Seit fast einem Jahrzehnt herrscht in Syrien Krieg. 6,7 Mil­lio­­nen
Syrerinnen und Syrer haben deshalb ihr Heimatland verlassen
müssen. Die meisten von ihnen suchen in einem Nachbarland
Schutz: 3,6 Millionen in der Türkei, 865.300 im Libanon und etwa
662.800 in Jordanien. Im Irak und im Jemen fliehen Hundert­
tausende innerhalb der Landesgrenzen vor Gewalt und Terror.

Die lokale Infrastruktur und der Wohn­raum reichen oft nicht für
alle Menschen aus den aufnehmenden Gemeinden und Flücht­
linge aus. Die Arbeitslosigkeit ist in vielen Ländern der Region sehr
hoch. Die politischen Systeme sind vielfach durch Kriege und
Konflikte geschwächt. Dennoch leisten diese Staaten in der an­hal­
ten­den Krisen­situation enorm viel, um Flüchtlingen zu helfen. Die
Sonder­initiative Flucht unterstützt die Region in 109 Projekten mit
2,17  Milliarden Euro.

 109 Projekte | 2,17 Milliarden Euro

                        Türkei                              < 5 Mio. Euro
                                                            5–65 Mio. Euro
           Syrien                                           65–563 Mio. Euro
                                   Irak           Iran
           Libanon
           Israel
           Palästinensische
           Gebiete               Saudi-Arabien
           Jordanien

                                          Jemen

Projektländer der Sonderinitiative Flucht in Nahost
14 | 	   PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Nahost

         Eine riesige Photovoltaikanlage versorgt mehr als 80.000 Menschen im
         Flüchtlingscamp Zataari mit Strom.

             Grüne Energie für Zaatari
         Das Flüchtlingscamp Zaatari in Jordanien ist mit nahezu
         80.000  Flücht­­lingen eines der größten der Welt. Wie in einer Stadt
         gibt es Schulen, Gemeinschaftszentren und eine Geschäfts­straße. Die
         Versorgung der Bewohner des riesigen Camps ist eine Herausforde-
         rung: Sie benötigen Wasser, Nahrung und Strom zum Leben.

         „Meine Kinder können                    Ilham aus Syrien lebt mit ihren
         die Zeit nach Einbruch                  drei Kindern im Lager und
                                                 freut sich über den Strom, den
          der Dunkelheit jetzt                   sie für die Versorgung und Schul­
         zum Lesen, Lernen und                   bildung ihrer Kinder nutzt.
             Spielen nutzen.“

         Das BMZ hat in Zaatari eine 33 Fußballfelder große Solaranlage
         finanziert. Die Anlage liefert bis zu 14 Stunden Strom pro Tag.
         Der überschüssige Solarstrom, der in Zaatari nicht benötigt wird,
         fließt in das regionale Stromnetz. Dadurch sparen die Aufnahme­
         gemeinden Strom aus fossilen Rohstoffen. Der CO2-Ausstoß des
         Landes wird zugleich um bis zu 15.000 Tonnen pro Jahr gesenkt.
PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Nahost   | 15

    Sicheres Lernen für Kinder im Libanon
In keinem anderen Land leben so viele Flüchtlinge pro Einwoh-
ner wie im Liba­non. Die Flüchtlinge machen in etwa ein Achtel
der gesamten Bevölkerung aus. Die meisten von ihnen kommen
aus Syrien und den palästinensischen Gebieten. Die bereits fragile
Gesundheitsversorgung sowie der Arbeits- und Wohnungsmarkt
stoßen mittlerweile an ihre Grenzen. Dies gilt ebenso für das Bil-
dungssystem. Viele Schulen befinden sich zudem in Gebieten, wo
viele Konflikte ausgetragen werden.

„Unsere Schülerinnen und Schüler
wissen nun, dass ihre Sicherheit
in der Schule gewährleistet wird
und wie sie sich im Notfall verhal­
ten müssen. Innerhalb des ersten
Jahres des Projekts hat sich die
Anzahl der Schülerinnen und Schü­
ler bei uns in der Schule bereits fast
ver­doppelt.“                                  „Die Sicherheit
Raighda Shamsine, Direktorin einer
                                              in der Schule ist
Schule in der Bekaa-Ebene, einer sehr
unsicheren Region an der Grenze zu
                                               gewährleistet.“
Syrien

Damit die Kinder auch in besonders unsicheren Gegenden des
Landes weiter zur Schule gehen können, unterstützt das BMZ den
Ausbau eines sicheren Lernumfelds. Dafür werden Schutzräume
in Schulen errichtet und Erste-Hilfe-Trainings für Lehrkräfte
angeboten. Durch regelmäßige Evakuierungsübungen lernen die
Kinder, Gefahren früh zu erkennen und sich in Sicherheit zu brin-
gen. So wird sichergestellt, dass sie trotz des schwierigen Umfelds
weiterhin zur Schule gehen können.
16 | 	   PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Nahost

             „Beschäftigungs­offensive Nahost“
         Einen Job zu haben ist wichtig für ein selbstbestimmtes Leben –
         gerade auch in lang anhaltenden Fluchtsituationen. Die Arbeits-
         losigkeit im Nahen Osten ist jedoch hoch. Die Vertreibung vieler
         Menschen durch den Krieg in Syrien verschärft die Situation weiter.
         Viele junge, motivierte Menschen suchen in der Region nach Aus-
         bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten.

         Deshalb haben wir Anfang 2016 die Beschäftigungsoffensive Nahost
         als Teil der Sonderinitiative Flucht ins Leben gerufen. Wir schaf-
         fen kurz- bis mittelfristige Beschäftigungsmöglichkeiten, durch
         die Flüchtlinge wie auch die bedürftige Bevölkerung vor Ort ein
         Einkommen erzielen können (Cash for Work). Damit erhalten sie die
         Möglichkeit, sich selbst und ihre Familien zu versorgen, die finan­
         zielle Notlage der Menschen wird gemindert, und lokale Wirt-
         schaftskreisläufe werden angekurbelt.

                                            „Wenn mir der Geruch des Acker­
                                            bodens in die Nase steigt, geht mir
                                            das Herz auf. Dieser Pflug hat unser
                                            Leben seit der Flucht in die Türkei
                                            stark verändert. Über einen Zuschuss
                                            vom BMZ konnte ich mir einen Pflug
                                            kaufen, den ich nun dank meiner
                                            landwirtschaftlichen Erfahrung ge­
           „Ich kann wieder                 winnbringend einsetze. Jetzt kann ich
          für meine Familie                 wieder für meine Familie sorgen.“
                sorgen.“                    Ahmet, Olivenbauer aus Syrien

         Zwischen 2016 und 2020 wurden rund 413.000 Jobs für Menschen
         in der Region geschaffen. Sie arbeiten beim Bau von Straßen,
         Wohnungen und Schulen, bei der kommunalen Abfallbeseitigung
PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Nahost         | 17

                             „Durch die Glasmalerei erhoffte ich mir, neue
                             Kunststücke herzustellen und für etwas Geld
                             verkaufen zu können“, sagt die 42-jährige
                             Manar kurz nach ihrer Flucht aus Syrien.
                             Nachdem sie sich mit ihrer Familie in Hatay,
                             Türkei, niedergelassen hatte, erhielt sie durch
                             ein BMZ-gefördertes Projekt einen finan­ziel­
                             len Zuschuss. Jetzt kann sie sich die Materia­
  „Ich wollte                lien für die Glasmalerei leisten. Genau wie sie
                             es sich erträumt hatte, verkauft sie nun ihre
 meiner Familie              Werke und erzielt ein kleines Einkommen.
    helfen.“
                             Manar, Glasmalerin aus Syrien

oder als Lehrkräfte, in der Krankenpflege oder als Ärztinnen und
Ärzte. Die Beschäftigungsoffensive fördert auch Aus- und Weiter­
bildung sowie die Gründung neuer Unternehmen. So eröffnen
wir Flüchtlingen und den Menschen in den Aufnahmegemeinden
neue berufliche Perspektiven und leisten zugleich einen wichtigen
Beitrag für die Infrastruktur dieser Regionen.

   Unternehmensgründung für einen
erfolgreichen Neustart
Die Türkei nimmt mit 3,6 Millionen die meisten Flüchtlinge welt-
weit auf. Vielen Menschen auf der Flucht fällt es schwer, einen
Job zu finden. Auch wenn einige von ihnen eine Arbeitserlaubnis
erhalten haben, sind Arbeitsmöglichkeiten, insbesondere für
Flüchtlinge, in der Türkei sehr selten. Sprachbarrieren oder fehlen-
des Startkapital behindern einen Neuanfang. Deutschland unter-
stützt Menschen beim Einstieg in den lokalen Arbeitsmarkt in fünf
türkischen Provinzen durch Beratung, Sprachkurse, Ausbildung
und die Unterstützung bei Unternehmensgründungen. Flüchtlin-
ge, die sich selbstständig machen oder ein Kleingewerbe aufbauen
wollen, erhalten beispielsweise Zuschüsse.
18 | 	    PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Afrika

Bauern pflanzen Reis
in Suru, Nigeria.
| 19

Afrika
Afrika ist ein Kontinent mit einer großen Vielfalt, geprägt von
enormen kulturellen und wirtschaftlichen Unterschieden. Viele
afrikanische Länder sind reich an Ackerflächen und Bodenschät-
zen, haben eine dynamische, überdurchschnittlich junge Bevöl-
kerung  – aber die Wertschöpfung findet meist anderswo statt.

Die Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren oder Überschwem­
mungen treffen die oft sehr arme Landbevölkerung besonders hart,
der Hunger ist noch lange nicht besiegt. Lang ­anhaltende Kriege
und Konflikte wie in der Demokratischen Republik Kongo, im
Sudan oder in Somalia haben Millio­nen Menschen in die Flucht ge-
trieben. Über 29,5 Millionen Menschen auf dem Kontinent leben als
Flüchtlinge oder Vertriebene – der größte Teil von ihnen innerhalb
ihres eigenen Landes. Die Sonderinitiative Flucht unterstützt die
Region mit 557  Millionen Euro, die in 87 Pro­jekte fließen.

 87 Projekte | 557 Millionen Euro
                                             Tunesien                < 5 Mio. Euro
 Marokko
                            Libyen           Ägypten                 5–10 Mio. Euro
                                                                     10–65 Mio. Euro
                  Mali Niger         Sudan     Tschad
 Sierra Leone
                                                      Südsudan
                                                                 Äthiopien
 Liberia
                                                        Uganda    Somalia
 Burkina Faso
                                                         Kenia
 Nigeria                                                           Ruanda    Burundi
 Kamerun                                                          Tansania
 Kongo                                        Demokratische Republik Kongo
 Zentralafrikanische Republik
                                                        Sambia
 Südafrika

Projektländer der Sonderinitiative Flucht in Afrika
20 | 	   PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Afrika

            Sauberes Wasser für Flüchtlinge und
         Aufnahmegemeinden
         Über 365.000 Flüchtlinge aus dem Südsudan leben in Äthiopien. Sie
         suchen dort Schutz vor dem Bürgerkrieg in ihrem Heimatland. Eine
         ausreichende und funktionierende Sanitär- und Abwasserversor-
         gung in den aufnehmenden Gemeinden und Flüchtlingscamps ist
         lebensnotwendig, um vor Krankheiten wie Cholera und Durchfall
         zu schützen.

                                            „Der Zugang zu sauberem Wasser hat
                                            unser Leben verändert. Dank der Pipe­
                                            line müssen wir uns keine Sorgen mehr
                                            machen, ob wir genug Wasser haben.
                                            Die Kinder müssen kein Wasser mehr
                                            aus weit entfernten Brunnen holen und
                                            können sich statt­dessen auf die Schule
                                            konzen­trieren. Sie werden auch weni­
                                            ger krank als früher, weil das Wasser
          „Sauberes Wasser                  keine schädlichen Bakterien enthält.“
         zu haben hat unser
                                             Nymal ist 2015 aus dem Südsudan
          Leben verändert.“                  geflohen und lebt seit ihrer Flucht
                                             gemeinsam mit ihren Kindern in
                                             einem äthiopischen Flüchtlingscamp.

         Die Sonderinitiative Flucht unterstützt Flüchtlinge und auf-
         nehmende Gemeinden durch den Bau und die Instandhaltung
         von Brunnen und Pipelines sowie durch die Förderung lokaler
         Wasserunter­nehmen. Mehr als 230.000 Menschen haben jetzt
         dauerhaften Zugang zu sauberem Wasser und besseren Sanitär­-
         ­a nlagen.
PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Afrika   | 21

Flüchtlinge im äthiopischen Flüchtlingscamp profitieren vom sauberen
Wasser aus der Pipeline.
22 | 	   PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Afrika

             Bessere Berufschancen für junge Menschen
         in Darfur
         Der Sudan befindet sich momentan im Umbruch. Seit Dezember
         2018 hatte die sudanesische Bevölkerung infolge einer schweren
         Wirtschaftskrise friedlich gegen das Regime demonstriert. Nach
         einem Militärputsch wurde die Macht im August 2019 an den
         Sovereign Council (paritätisch besetzt zwischen Militär und Zivilis-
         ten) übergeben und ein ziviler Übergangspremierminister ernannt.
         Gleichzeitig ist das Land Transit-, Ziel- und Herkunftsgebiet von
         Migranten, Flüchtlingen und Binnenvertriebenen. Derzeit leben
         im Sudan über 1 Million Flüchtlinge – meist aus dem Nachbarland
         Südsudan – sowie 2,3 Millionen Binnenvertriebene aus dem eige-
         nen Land. Eine Region, die besonders betroffen ist, ist Darfur.

                                       „Seit mehreren Jahren repariere ich schon
           „Heute bin ich
                                       Handys und Smartphones – das habe ich
          qualifiziert und             mir selbst beigebracht. Eines Tages kam
          verdiene genug,              der Besitzer einer Werkstatt auf mich zu
         um zum Lebens-                und fragte mich, ob ich bei ihm lernen wolle,
                                       wie man Haushaltsgeräte repariert. Es gebe
         unterhalt meiner
                                       ein Programm des Verbands der Kleinin­
               Familie                 dustrie und des Handwerks, das berufliche
            beizutragen.“              Ausbildung fördert. Heute bin ich qualifiziert
                                       und verdiene damit genug, um ausreichend
         Batool, Aus­zubildende        zum Lebensunterhalt meiner Familie bei­
         in Nyala, Süddarfur           zutragen.“

         In Nyala, der Hauptstadt von Süd­darfur, unterstützt das BMZ den
         Ausbau beruflicher Qualifizierungen für Flüchtlinge und bedürftige
         Menschen aus der Region. Hier geht es darum, Ausbildungs- und
         Qualifizierungs­angebote an die Bedürfnisse des lokalen Arbeits-
         markts anzupassen. So werden neue Jobs geschaffen. Das ist vor allem
         für den großen Anteil der jungen Bevölkerung wichtig.
PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Afrika   | 23

Die Schülerin Naomi an der Fußballschule in Bangui, Zentralafrikanische
Republik

    Eine Fußballschule für den Frieden

Seit 2013 bekämpfen sich muslimische und christliche Milizen in
der Zentralafrikanischen Republik. 682.000  Menschen wurden
innerhalb des Landes bereits vertrieben, unter ihnen viele Kinder.

In der vom BMZ finanzierten Fußballschule in der Hauptstadt
Bangui kommen Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Reli-
gionszugehörigkeiten zusammen. Dies fördert den Austausch und
die Annäherung zwischen den christlichen und muslimischen
Gemeinden im Land. Statt zu kämpfen, spielen die Kinder Fußball
und gehen zur Schule. Regelmäßiger Sport und das sichere Um-
feld der Schule schützen sie davor, von Milizen re­k rutiert oder zur
Prostitution gezwungen zu werden. In der Fußballschule finden sie
Rückhalt und lernen Toleranz und Fairplay – Werte, die auch für
ein friedliches Zusammenleben unerlässlich sind.
24 | 	   PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Afrika

                                                                 Ein Junge steht im
                                                       Flüchtlingslager Kutupalong
                                                   für eine Schale Lebensmittel an.
| 25

Asien
In Asien leben mehr als 4,6 Milliarden Menschen. In vielen Län-
dern des Kontinents steigt der Lebensstandard stetig aufgrund
zunehmender Wirtschaftsleistungen. Auf der anderen Seite
leiden weiterhin zahlreiche Menschen in Asien unter Konflikten,
Verfolgung, Armut oder den Folgen von Naturkatastrophen.
Viele sind gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen, um woanders
Schutz zu suchen.

Ein über Jahrzehnte andauerndes Leben als Flüchtling oder Binnen-
vertriebener ist in Asien keine Seltenheit. Zum Beispiel haben viele
der rund 2,6  Millio­nen Flüchtlinge aus Afghanistan ihr Land schon
vor Jahrzehnten verlassen. Bis heute ist Afghanistan ein Land, das
von der UN als sehr gefährlich eingestuft wird – insbesondere für
die Zivilbevölkerung.

 29 Projekte | 129,1 Millionen Euro

                                                                   < 5 Mio. Euro
                        Afghanistan                                5–10 Mio. Euro
                                             Nepal
                                                                   10–65 Mio. Euro
         Iran                                        Bangladesch
                                                          Myanmar       Philippinen
                                                             Thailand
                                    Indien                         Kambodscha
                         Pakistan

                                             Sri Lanka

Projektländer der Sonderinitiative Flucht in Asien
26 | 	   PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Asien

         Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR)
         leben in Asien insgesamt 4 Millionen Flüchtlinge, 3,5 Millionen
         Binnenvertriebene und 2,3 Millionen Staatenlose. Die meisten
         von ihnen kommen aus Afghanistan und Myanmar. Die Sonder­
         initiative Flucht fördert in der Region 29  Projekte mit rund
         129,1 Millionen Euro.

            Unterstützung für Rohingya-Vertriebene und
         aufnehmende Gemeinden in Bangladesch
         Das gewaltsame Vorgehen des myanmarischen Militärs gegen die
         muslimische Volksgruppe der Rohingya hat seit August 2017 mehr
         als 750.000 Menschen zur Flucht ins Nachbarland gezwungen. Die
         Lage in der Aufnahmeregion Cox’s Bazar ist schwierig: Innerhalb
         weniger Wochen und Monate entstand hier das größte Flücht-
         lingscamp der Welt – Kutupalong. In der ohnehin armen Region
         Cox’s Bazar haben sich durch die Aufnahme der Flüchtlinge die
         Lebens­bedingungen in den Aufnahmegemeinden weiter ver-
         schlechtert. Das führte zu­nehmend zu Spannungen und Konflikten.

         Das BMZ unterstützt daher die aufnehmenden Gemeinden und
         die Flüchtlinge gleichermaßen. Unternehmensgründerinnen und
         Unternehmensgründer sowie Kleinstunternehmen in den Gemein-
         den erhalten Beratung und Zuschüsse, damit sie ihr Geschäft auf-
         und ausbauen können. Mit der Schaffung kurzfristiger Jobs (Cash-
         for-Work-Maßnahmen) werden Gemeindeprojekte wie der Bau
         von Abwasserkanälen, Wasserleitungen und gut befestigten Stra-
         ßen gefördert.

         Viele der Flüchtlinge wurden durch die Vertreibung stark trauma­
         tisiert; Drogenkriminalität, Konflikte und Gewalt nehmen stetig
         zu. Psychosoziale Unterstützung soll helfen, Traumata, seelische
         Probleme und Perspektivlosigkeit zu bewältigen. Schulungen zur
PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Asien    | 27

Die Gemeindemitglieder aus einem Dorf in der Region Cox’s Bazar haben sich
versammelt, um gemeinsam besonders bedürftige Haushalte auszuwählen,
die zukünftig von dem Projekt unterstützt werden.

friedlichen Konfliktlösung sollen helfen, Spannungen zwischen
den Mitgliedern aufnehmender Gemeinden und vertriebenen
Rohingya zu mindern.

Lokale staatliche und nichtstaatliche Akteure wie Dorf- und Ge­
mein­deverwaltungen, die lokale Zivilgesellschaft sowie der Privat­
sektor und Handelskammern werden in der Erweiterung ihrer
Dienstleistungsangebote an die Bevölkerung zu wirtschaft­licher
und sozialer Teilhabe, inklusivem Katastrophenmanagement
sowie zu Konzepten der lokalen Konfliktbewältigung und psycho-
sozialen Unterstützung beraten und geschult.
28 | 	   PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Asien

                                                     Pablo Amaya aus Kolumbien
                                                   hat sich mit deutscher Hilfe als
                                                  Schuster selbstständig gemacht.
| 29

Lateinamerika
Lateinamerika hat einen mühsamen Weg der politischen und
gesellschaft­lichen Transformation zurückgelegt. Der Sub­
kontinent befindet sich aber auch aktuell im Umbruch und
immer wieder in Krisensituationen.

Viele lateinamerikanische Länder sind wichtige Exporteure von
Bodenschätzen und Agrarprodukten auf dem Weltmarkt. Dem ge-
genüber stehen große gesellschaftliche Unterschiede: Einkommen
und Vermögen sind in Lateinamerika oft sehr ungleich verteilt.
Soziale Unterschiede fordern eine gerechtere Verteilungspolitik
und weniger Raubbau an Bodenschätzen oder an der reichen bio-
logischen Vielfalt. Bergbau, extensive industrielle Landwirtschaft
und Entwaldung vor allem durch Brandrodung und Abholzung
bedro­hen das ökologische Gleichgewicht der Region.

 29 Projekte | 69,8 Millionen Euro

                                                                         < 5 Mio. Euro
          Mexiko                                                         5–10 Mio. Euro
          Guatemala                    Honduras                          10–65 Mio. Euro
          El Salvador                                        Venezuela
                        Kolumbien
                        Ecuador

                        Peru                             Brasilien

Projektländer der Sonderinitiative Flucht in Lateinamerika
30 | 	   PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Lateinamerika

         Gleichzeitig steht der Kontinent vor großen Herausforderungen im
         Zusammenhang mit Flucht und Vertreibung. In Kolumbien leben
         durch einen seit Jahrzehnten andauernden bewaffneten Konflikt
         weltweit die drittmeisten Binnenvertriebenen. Hinzu kommen die
         jüngsten Entwicklungen in Venezuela. Während das Land früher
         zu den reichsten Ländern in Lateinamerika gehörte, bestimmen
         heute Hyperinflation, Versorgungsengpässe und massive politische
         Unruhen das Land. Die Sonderinitiative Flucht fördert in der Region
         29 Projekte mit 69,8 Millionen Euro.

                                         Carmen aus Maracaibo in Venezuela ist al­
                                         leinerziehende Mutter von drei Kindern. Ihr
                                         jüngster Sohn Sebastián ist sehr krank, er
                                         leidet an einer schweren Mukoviszidose. Als
                                         die medizinische Versorgung in Venezuela
                                         immer schlechter wurde und Carmen kaum
                                         noch Geld für seine Medikamente zur Ver­
         Carmen verkauft                 fügung hatte, entschloss sie sich, mit den
                                         Kindern nach Kolumbien zu gehen. In dem
         selbst gebackenes               Grenz­ort Cúcuta hat sie eine Bleibe gefun­
          Brot und kann                  den und kann ihren Lebensunterhalt durch
             ihren Sohn                  ein Projekt der Sonderinitiative Flucht
                                         bestreiten: Sie verkauft selbst gebackenes
            medizinisch                  Brot und kann ihren Sohn medizinisch
          betreuen lassen.               betreuen lassen. Er erhält Medika­mente
         Carmen, Maracaibo,              und Aufbaunahrung, die er aufgrund seiner
         Venezuela                       Erkrankung dringend benötigt.

             In Grenzregionen Chancen schaffen
         Bewaffnete Konflikte zwischen Guerilla-Organisationen, Para­
         militärs und wechselnden Regierungen prägen Kolumbien seit mehr
         als 50 Jahren. Mit 4,9 Millionen Menschen gehört Kolumbien zu
         den Ländern mit den meisten Binnenvertriebenen. Die politische
PERSPEKTIVEN FÜR FLÜCHTLINGE SCHAFFEN Lateinamerika   | 31

und ökonomische Lage im Nachbarland Venezuela hat zudem fast
fünf Millionen Menschen dazu veranlasst, ihr Land zu verlassen –
die meisten von ihnen sind nach Kolumbien oder Ecuador geflohen.
Gerade Grenzregionen sind mit dem Zuzug einer großen Zahl von
Neuankömm­lingen überfordert.

In Kolumbien, Ecuador und Peru unterstützt das BMZ aufnehmen-
de Gemeinden bei der Schaffung von Unterkünften. Vertriebene
erhalten Rechtsberatung, psychosoziale Betreuung und werden in
Jobs vermittelt.

Ada Espitia aus Venezuela hat in Kolumbien eine Stelle im Blumenanbau
gefunden.
Internationale
Zusammenarbeit
Europäische Zusammenarbeit
Das BMZ setzt sich dafür ein, dass die Mitgliedsstaaten der Europä-
ischen Union (EU) ihr Engagement für Flüchtlinge ausbauen, zum
Beispiel im Rahmen der jährlich tagenden internationalen Syrien-
konferenz. Nur ein gemeinsames europäisches Engagement kann im
Sinne der Verantwortungsteilung einen wirksamen Beitrag leisten.

Weltweite Zusammenarbeit
Partnerschaften mit UN-Organisationen verstärken die Wirkun-
gen der Sonderinitiative Flucht: Mit dem Entwicklungsprogramm
der Vereinten Nationen (UNDP) und der Internationalen Arbeits-
organisation (ILO) kooperieren wir zum Thema Förderung von
Beschäfti­g ungsmöglichkeiten für Menschen auf der Flucht. Mit
dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) stehen wir
im Austausch zu den Themen psychische Gesundheit und psycho-
soziale Unterstützung. Weiterhin arbeiten wir eng mit dem Flücht-
lingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) an der besseren
Verzahnung von humanitärer Hilfe und strukturbildender, lang-
fristig orientierter Entwicklungszusammenarbeit. Wir kooperieren
mit der Weltbank sowie mit zivilen Nichtregierungsorganisationen.
Die Sonderinitiative Flucht leistet einen wichtigen Beitrag zum
Globalen Pakt für Flüchtlinge (Global Compact on Refugees – GCR).
Das Ziel ist, dass es staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren weltweit
gemeinsam gelingt, Aufnahmeländer zu unterstützen, Flüchtlingen
die Möglichkeit zu geben, wieder ein eigenständiges und würdevolles
Leben zu führen, humanitäre Aufnahmeprogramme in sogenannten
Drittländern – Staaten, die weder Herkunfts- noch direktes Aufnah-
meland sind – zu fördern und die Bedingungen für eine Rückkehr in
die Herkunftsregion in Sicherheit und Würde zu schaffen.
Persönliches Engagement:
Was kann ich tun?
Als Privatperson:
Es gibt viele zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich in Deutsch-
land für Flüchtlinge engagieren, zum Beispiel mit Deutschunter-
richt oder Hausaufgabenhilfe. Fragen Sie bei Ihrer Kommune nach
und helfen Sie mit! Sie können sich auch an die Mitmachzentrale
der Servicestelle Engagement Global wenden.

Als Kommune:
Mit der Initiative Kommunales Know-how für Nahost fördert das
BMZ Know-how-Partnerschaften deutscher Kommunen mit
Kommunen im Nahen Osten durch gemeinsame Fachworkshops,
befristete Experteneinsätze in Aufnahmekommunen und durch
kommunale Projektpartnerschaften.

Fragen dazu beantwortet die Servicestelle

Kommunen in der Einen Welt
unter der Telefonnummer 0228 20 71 76 70 oder wenden Sie sich
per E-Mail an anfrage@service-eine-welt.de.

Weitere Informationen zur Sonder­initiative Flucht
finden Sie online auf der Homepage des BMZ

    https://www.bmz.de/de/themen/Sonderinitiative-
Fluchtursachen-bekaempfen-Fluechtlinge- reintegrieren/index.html

und in der Web-App, der Sonderseite zum Thema Flucht.
HERAUSGEBER
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (BMZ),
Kommunikationsstab Öffentlichkeitsarbeit;
Veranstaltungen

REDAKTION
BMZ, Referat 221 Fluchtursachen mindern;
Beschäftigungsoffensive Nahost

STAND
Juli 2021

DRUCK
BMZ
Gedruckt auf Blauer-Engel-zertifiziertem Papier

GESTALTUNG
wbv Media, Bielefeld

FOTOS
Titelseite, S. 20, 21: UNICEF; Umschlag innen: Michael Gottschalk/photothek.net;
S. 2: Thomas Trutschel/photothek.net; S. 4: Thomas Koehler/photothek.net;
S. 5: SSG; S. 8, 24: Ute Grabowsky/photothek.net; S. 9, 10: Cannizzo/GIZ;
S. 12, 19: Thomas Imo/photothek.net; S. 14: KfW; S. 15, 17, 27, 28, 30, 31: GIZ;
S. 16: DRC; S. 23: Löffelbein/WHH

KONTAKT
poststelle@bmz.bund.de
www.bmz.de

                                      Aktuelle Videos mit Ein­
                                      drücken und Informationen
                                      zu einzelnen Projekten,
                                      Interviews mit Flüchtlingen
                                      sowie Menschen in aufnehmenden
                                      Gemeinden und vieles mehr finden
                                      Sie im Youtube-Kanal des BMZ.

Die vom BMZ unentgeltlich herausgegebenen Broschüren sind nicht zum gewerb­
lichen Vertrieb bestimmt. Sie dürfen weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder
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werden. Das gilt für Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sowie Wahlen zum
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